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Full text of "Zeitschrift für vergleichende Sprachforschung auf dem Gebiete der indogermanischen Sprachen 59.1932"

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Über dieses Buch 


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d RLEN FÜR 
VERGLEICHENDE SPRACHFORSCHUNG 


AUF DEM GEBIETE DER 
INDOGERMANISCHEN SPRACHEN 


BEGRÜNDET VON A. KUHN 


NEUE FOLGE / VEREINIGT MIT DEN 
BEITRÄGEN ZUR KUNDE 
DER INDOGERMANISCHEN SPRACHEN 


BEGRÜNDET VON A. BEZZENBERGER 


HERAUSGEGEBEN VON 


WILHELM SCHULZE UND HANNS (ERTEL 


59. BAND 


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PAZ 


GÖTTINGEN /VANDENHOECK & RUPRECHT/ 1932 


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Printed in Germany 
“Gedruckt bei Hubert & Co. @.m.b.H. Göttingen 


Inhalt. 


R. Thurneysen, Keltisches. 1. Wechsel von & und ë im Irischen. 2. Eigen- 
tümliche a im Irischen. 3. Re 4. Akynr. 
planthonnor A SC EECH 

‚ F. Specht, Lit. kelena dr ër ës S S: SU U OQ. A 2 u S 

J. Wackernagel, Indoiranica. 3. Ai. acchidat. 4. edändm. 5. kālá-. 

6. Ai. grh-. 7. Ai. mula-. 8. Altpersisch arika-. 9. Altpersisch 
prirm. 10. jAw. vi xada . S NQ teo g. EE 

F. Specht, Got. faian Be ee, ie a 

—, Beiträge zur griechischen Grammatik. 1 Zu den Komposita mit ver- 

ol balem Vorderglied. Exkurs I. Zur Assimilation des Schlußvokals bei 

un zweisilbigen Wurzeln. Exkurs II. Zur Schwundstufe zweisilbiger 

I Wurzeln. Exkurs III. Vokalausgleich im griech. Verbum und die 


T Vertretung von +, 1. Exkurs IV. Dissimilatorischer Digammaschwund. 
! Exkurs V. Griech. deldw. 2. Griech. ólta. 3. Die Kiesch des Femi- 
M — ninums der %-Stämme im Griechischen . 


—, Haplologie im Satzzusammenhang ; 

E. Hofmann, Kultur und Sprachgeist in den Mohalsnaman ç 

J.F.Lohmann, Lat. salinus (sahnae, salinum) und der keltische Name 
des Salzes ; 

—, Lat. iter 

F. "Specht, Lat. sidus 

—, Lat. rüpos . š 

F. Hartmann, Die Vorhalsysteime der Schulsurächen (im Anschluß” an 
einen 1927 in Göttingen auf der Philologentagung geag tenen Vortrag) 

W. Schulze, Porsenna, Tolumnius und Mastarna 

H. Lewy, Etymologien. 1. Teúgiĝoç. 2. @£ocazóoos. 3. xávtooes. A Weitere 
Beispiele für Dissimilation. 5. »garnoas. 6. Kuvdpaloı. 7. Ai 
als Windname. 8. Weitere Beispiele für Wortkürzung. 9. udin. 
naoydin. 10. Aaßdpne. 11. alyin „Ring“ und stammverwandte 
Wörter. 12. Lat. mappa. 13. en 14. vayapis ; 

W. Schulze, Puteoli ; i Se A (š 

H Lommel, Ablauts-Betrachtungen f . 

W.Krogmann, Germ. *swerda- „Schwert“ . 

H. Sköld, Sudanparallelen zur griechischen Lantentwicklung . 

W. Schulze, Toch. ratäk 

F. Specht, Die Flexion der »-Stämme im Baltisch-Slavischen und Verwandten 

E. Hofmann, Register 

Berichtigungen 


Seite 


19 
20 


31 
131 
132 


143 
144 
144 
144 


145 
178 


179 
192 
193 
204 
205 
212 
213 
299 
304 


 Zeitfcheift für 
| wergleichende 
Spradhforfhung 


aufdemdGebieteder ` ` 
| dog smanifihen Sprachen 


BEGRÜNDET VON A.KUHN 


en FOLGE /VEREINIGT MIT DEN 
Beiträgen zur Kunde S 
der ndog ermanifchen Sprachen 


BEGRÜNDET VON A.BEZZENBERGER 


HERAUSGEGEBEN VON 
WILHELM SCHULZE UND HANNS ERTEL de 


59. BAND 
1./2. HEFT 


Wee d ide! 


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Inhalt. 


R. Thurneysen, Keltisches. 1. Wechsel von ä und ë im Irischen. 2. Eigen- 
tümliche ie im Irischen. 3. A pad 4. ARENS, mg 
thonnor . . ° “G S . 

F. Specht, Lit. kólna . e A 

J. Wackernagel, Indoiranica. 3. AL acchidat. 4. odiniai. B. käld-. 6. Ai. 
grh-. 7. Ai. mula-. 8. FERIEN arika-. 9. IST ARE 10. geg 
vi xada . . ° er 

F. Specht, Got. faian . 


—, Beiträge zur falen > i a Grammatik. 1. "Zu den Komposita mit verbalem i 


Vorderglied. Exkurs I. Zur Assimilation des Schlußvokals bei zweisilbigen 
Wurzeln. Exkurs II. Zar Schwundstufe zweisilbiger Wurzeln. Exkurs III. 
Vokalausgleich im griech. Verbum und die Vertretung von 7,/. Exkurs IV. 
Dissimilatorischer Digammaschwund. Exkurs V. Griech. deidw. 2. Griech. 
elta. 3. Die Bildung des Femininums der “-Stämme im Griechischen . 
—, Haplologie im Satzzusammenhang . . š 
E. "Hofmann, Kultur und Sprachgeist in den Monatsnamen . 
J.F. Lohmann, Lat. salinus (salinae, salinum) und der keltische Name des Salzes 
—, Lat. iter. . d e & Kë š 
F. Specht, Lat, oe. 
—, Lat. ént . + soseo Gi 


Preis des Doppelheftes in der Reihe 8 RM. dëss i8 RM. 


Seite 


31 
131 
132 
143 
144 
144 
144 


Beiträge, die allgemein sprachwissenschaftliche Fragen behandeln, oder die sich 
auf die asiatischen Indogermanen beziehen, wolle man an Prof. Dr. Hanns Oert el, 
München 27, Pienzenauerstr. 36, solche, die den indogermanischen Sprachen Europas 
gewidmet sind, an Prof. Dr. W. Schulze, Berlin W.10, Kaiserin Augustastr. 72, senden. 

Besprechungen können nur solchen Werken zugesichert werden, welche ein 


Herausgeber erbittet. 


Vor Kurzem ist erschienen: 


Grammatik des neutestam. Griechisch 


von Friedr. Blaß und Alb. Debrunner. 6. durdhges. und 
erweiterte Aufl. 1931. XX, 3685. gr.-8°. Geh. 9 RM., Lwd. 11 RM. 
Nachträge für die Besitzer der 5. Auflage 1,80 RM. = 


„In der neuen Gestalt ist Blaß/Debrunner ohne Zweifel die zweckent- 
sprechendste Grammatik zumN.T., die wir haben. Man möchte sie gern 
in der Hand eines Jeden sehen, der sich mit wissenschaftlichem, ernstem Studium 
des N.T. befaßt.“ (Theologie der Gegenwart.) 

„Die Neuauflage des altbekannten Werkes stellt in seinem Text einen fast 
unveränderten Abdruck der fünften Auflage dar. Diesem ist ein Anhang von 
32 Seiten Kleindruck beigegeben, der die Nachträge und Berichtigungen enthält, 
die aus Ersparungsrücksichten in dieser Form hinzugefügt werden mußten. Ein 
am Rande des Textes beigesetztes N verweist den Benützer auf den Anhang, 
auf den auch das Wort-, Sach- und Stellenregister Rücksicht nimmt, so daß die 
große Menge neuen Stoffes leicht zugänglich gemacht wird. Was die dem NT 
nahestehende Literatur anbetrifft, wurden die apostolischen Väter mehr aus- 
gewertet als in den früheren Auflagen ; zum ersten Male der Diognetbrief, Ignatius 
und die Didache. Die moderne Fachliteratur ist in einer seltenen Vollständig- 
keit, von den in den letzten Jahren erschienenen Standard-Werken angefangen, 
bis auf kleine Notizen in entlegenen Zeitschriften herab aufgenommen worden. 
Wollte man ein wahrheitsgemäßes Bild von der Bereicherung des Werkes geben, 
so müßte man den ganzen Anhang vorlegen. Denn nur wenige Abschnitte des 
Textes sind nicht ergänzt und neu beleuchtet... Die Fülle des Gebotenen wird 
künftighin den „neuen Debrunner/Blaß“ zu einem ebenso unentbehrlichen Hilfsbuch 
für jeden Bibelforscher und Gräzisten machen, wie es die früheren Auflagen ge- 
wesen sind.“ (P. Wahrmann, Indogerm. Forschungen, Bd. 2, 1931.) 


Verlag von Vandenhoeck & Ruprecht in Göttingen 


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Keltisches. 


1. Wechsel von ä und eum Irischen. 


Meillet, Esquisse d’une histoire de la langue latine, S. 174 
ist geneigt, einen Zusammenhang zwischen dem a von lat. fauilla 
und dem von air. daig „Feuer“ anzunehmen. Das erinnert die 
Keltologie daran, daß ein Problem, das einst Pedersen (Vgl. 
Gramm. 139f.) und ich (Handb. I 525) angeschnitten, aber nicht 
gelöst hatten, seither, soviel ich sehe, unberührt liegen geblieben 
ist. Es besteht in dem Wechsel von kurzem a und e in voll- 
betonter Silbe im Altirischen. So ist es wohl an der Zeit, zu- 
nächst die Beispiele, altbekannte und neue, so vollständig sie mir 
eben zur Hand sind, zusammenzustellen und die Frage neu auf- 
zurollen. Über die ursprüngliche Färbung dieser Vokale soll 
erst am Schluß der Liste gesprochen werden. Bei Seite lasse 
ich den anerkannten Ablaut in -gainethar „wird geboren“ Subj. 
-genathar; do-moincthar -muincthar (III. pl. auch -mainetar) „meint“ 
Subj. -menathar; -mairn, rel. marnas „verrät“ Subj. -mera; ot, bet 
„stirbt“ Pl. -ballat (mit ll aus In) Subj. -bela. 


I. 

In diesem ersten Abschnitt nenne ich die Wörter, wo ¿ und 
& in der Flexion wechseln und zwar in der Regel so, daß ¿ vor 
palatalisierten Konsonanten erscheint. Das bekannteste Beispiel 
sind die ö-Stämme, die im N. D. A. sg. palatalisierte Schlußkonso- 
nanz haben, aber vor der Endung a -æa des Gap, natürlich 
nicht (Handb. Š 302): 

1. aig f.') „Eis“, G. ega (oft belegt). 

2. daig, zunächst vielleicht m. oder n., dann f. „Feuer, Flamme“, 
G. dego, dega. Ebenso der männliche Eigenname Daig, G. Dego, 
Dega (für beide Wörter viele Belege bei Marstrander, Dict. of 
the Ir. Language, Fasc. I 17—18). 

3. fraig f. „Wand“, G. frega SP. 

4. graig n. „Pferdeherde, Gestüte“, G. grega Anc. Laws. Der 
N.A.pl. lautet zunächst graige, später grega (Belege bei Hogan, 
Todd Lecture Series IV 198, VI 108), s/ed/-grage in dem alten 
Text Ériu H 28 8 12, vgl. 3”. 

1) Ob die Geschlechtsbezeichnung immer schon für das Altirische gilt, ist 
zweifelhaft, für unsere Frage aber ohne Bedeutung. 

Zeitschrift für vergl. Sprach. LIX 1/2. 1 


d R. Thurneysen 


5. tailm f. „Schlinge, Schleuder“ steht so im DA sg. z. B. 
LU. 6211, IT.1207,24. Aber Cormacs Glossar 1215 hat den N. sg. 
teilm für das sonstige tailm. Der G.sg. ist telma LU. 5875. 

6. gaim „Winter“ als N. sg. oft belegt (nicht gam, wie noch 
öfters in etymologischen Wörterbüchern zu lesen ist). Weiter- 
gebildet gemred nir. geimhreadh „Winterzeit, Winter“, hier mit 
palatalisierttem m, das aber von der Nebenform gaimred (z. B. 
Cormac 673) bezogen sein kann; mit nicht-palatalisiertem: gem- 
adaig „Winternacht“ LU. 10418 = ZOP. III 257 8 79. Von 
andern Kasus des Stammworts ist nur der G.sg. belegt in m£ 
gam (Reim: Zoom, taram) „Wintermonat, November“ in einem 
Gedicht des 7. Jahrhunderts (K. Meyer, Bruchst. d. älteren Lyrik 
Irlands S. 41 Nr. 96, 7), später zu mi gaim (Corm. 687) umgebildet 
im Anschluß an saim „des Sommers“, aber erhalten im Berg- 
namen Sliab Gam, gewiß „Winterberg“. 

7. Das Slieve-Bloom-Gebirge an der Grenze von King’s und 
(Queen’s County heißt mindestens seit dem 11. Jh. immer Sliab 
Bladma. Aber die ältere Poesie kennt nur Bledma, nach den 
Reimen Bledmae zu lesen; so IT. III 1, 13 825 = 42 850 (Reim: 
tedmaje]), Fél. 7. April (Reim: delma/e]), ebd. 20. Nov. Der Vokal- 
wechsel würde sich am besten erklären, wenn das Wort, nach 
dem der Berg benannt ist’), im N. sg. *Blaidm (n. n-Stamm) 
lautete, nach dem sich später der G. sg. richtete. 

8. Auch der G. D. sg. taige, taig neben tige, tig zum s-Stamm 
teg, tech n. „Haus“ mag hier erwähnt werden. 

Ein ähnliches Verhältnis findet sich bei Verben: 

9. „sich setzen, sitzen“ II sg. saidi, III. -said, rel. saides, 
Imperf. -saided, pl. -saitis, -saiditis (Pedersen $ 803), aber Präs. 
III. pl. sedait LU. 4921, IT. III 1, 266° (in jüngeren Hss. setait, 
setuit”)), rel. sedda und settai (l. settae) Fled Bricr. § 24, Pass. 
sedair Eriu II 210 8 32. 

10. „sich legen, liegen“ II. sg. laigid, rel. laiges (Pedersen 
8 755) hat sicher genau ebenso flektiert, da es in der ganzen 
Formenbildung mit said- sed- übereinstimmt; doch ist bis jetzt 
zufällig keine der Formen belegt. die leg- erwarten lassen. 

11. „auf etwas -zugehn“ Leg, saigim III. saigid -saig rel. 
saiges, Imperf. -saiged pl. -saigtis, Abstr. saigid, aber Präs. III pl. 


1) Daß es auch unabhängig von si/ab vorkam, zeigt die erste Belegstelle: 
loech-ri Bledma. 

2) Das braucht kein Fehler zu sein, sondern kann das bedeutungslos ge- 
wordene Pron. affixum -¿¿ enthalten. 


, — I _ 
— 5 xs. = üw x < 


Keltisches,. 8 


segait, -segat, Pass. segair, -segar, rel. segar (Pedersen $ 805). Das 
Kompositum mit com-di- hat Wb. 23d 5 die regelrechte III. sg. 
con-dieig (aus -di-saig); aber da der Plural con-degam mit dem 
Simplex zusammenklingt, tritt dann auch im Singular II. con- daigi, 
II. con-daig ein. | 

12. ad-reig (für at-reig) „erhebt sich“ steht Wb. 13a 12; die 
mittelirischen Hss. haben immer at-raig, selbst im Plural neben 
ata-regat, at-regat auch at-ragat (Pedersen § 795, 2). 

13. -ceil „verbirgt“, Imperf. pl. -céiltis (mit vor lt sekundär 
gedehntem e), Subj. -cela usw. (Pedersen 8 714). Aber Hib. Min. 
79 steht nicheil im Reim mit ¿ tigh; es ist gewiß na-cail „verbirg 
(es) nicht“ und i taig zu lesen. Bei andern Verben mit gleicher 
Präsensbildung wie gel- „abweiden“, mel- „mahlen“, ber- „tragen“, 
fed- „führen“, reth- „laufen“, tech- „fliehen“, di-em- „schützen“ 
sind Formen mit a bis jetzt nicht nachgewiesen. 

14. erbi- „anvertrauen“ hat palatalisierte Konsonanz regel- 
recht nur, wo der Endvokal synkopiert ist (Handb. Š 157). Auch 
in diesem Fall erscheint meist e-, z. B. Subj. Pass. a n-erpther, 
Prät. conid-r-eirb, pl. ro-eirpset usw. (Pedersen § 714), aber Prät. 
Pass. pl. ro-airptha Wb.8c 12. 

15. ag- „treiben“ hat immer a-; nur in der III. pl. Pass. ist 
dreimal egdair, æœgtair (in demselben Spruch) Táin B. C. (ed. 
Windisch) 4718. 4722. 4727 geschrieben und nur in der Hs. LL 
(12. Jh.), während alle andern, älteren und jüngeren Hss. an 
derselben Stelle ag- lesen. 

II. 

Hier stelle ich die Fälle des Schwankens zwischen a und e 
zusammen, wo kein Wechsel zwischen palatalisierter und nicht- 
palatalisierter Konsonanz stattfindet, sondern alle Formen pala- 
talisierte haben. 

16. aitire und etire (eitire) f. „Bürgschaft, Bürge“ wechselt 
in den verschiedensten Hss. fortwährend. 

17. Ebenso ainech und enech (einech) n. „Antlitz, Ehre“, aber 
D. pl. inchaib. 

18. Dasselbe gilt von aire und ere (eire) „Last“, s. Ascoli, 
Gloss. XXV; Meyer, Contrib. s. v. 4. aire. Keating im 17. Jh. 
braucht eire (mit einem jüngeren Plural eireadha), schreibt aber 
eine künstliche Sprache; das Dict. Scoto-Celt. verzeichnet éire 
(so, mit Längezeichen) aus einem Gedicht. Volkstümlich scheint 
das Wort in der neueren Zeit nicht zu sein; Foley bucht es 


weder unter „load“ noch unter „burden“. 
1* 


A R. Thurneysen 


19. treit „schnell“ Wb. 9d 6, trete „Schnelligkeit“ 18c 6, aber 
trait MI. 104b 5, Félire (ed. Stokes)* S. 64, 8, Kompar. traitiu 
MI. 92b 9; traite Fél.* S. 6,4 und später häufig belegt. 

20. eirg, eirgg isolierter Imperat. „geh!“ (Windisch, IT. I 526 
s. v. erigim, wo auch II. pl. eircid) neben airg LU. 5671 (= airgg 
GBL. 1197), airc siu LU. 5094, airg, airg siu Windisch (a. a. O.). 
Später aufgegeben. 

21. sechi „wer, was auch immer“ ist die gewöhnliche Form 
schon in den Glossenhandschriften; aber der älteste Glossator von 
Wb. schreibt saichi crud „omni modo“ 23b 22; i sachi retib „in 
quibus rebus“ Trierer Enchir. 61. 

22. cretim „ich glaube“ hat in zahllosen Belegen immer e, 
nur einmal Subj. corro-chraitea Wb. 12c 33'). 

23. Neben feil (fel), fil „es gibt“ usw. schon altirisch auch 
fail (Ascoli, Gloss. CCCIV), das sich im späteren fuil fortsetzt. 

24. sale A eg „Speichel“, D. sg. sailiu Thes. 11249, 2.3, A. pl. 
na saile God "op (also n.), aber D. pl. selib „sputaminibus“ Tur. 
91, nir. seile f. (gäl. sile ml Vgl. Hogan, Todd Lecture Series 
IV 194. 

25. Montem Egli hat Tirechan, Arm. 10b 2, aber hi Muiriscc 
Aigli derselbe 13a 2. Später heißt der Berg Croaghpatrick (Grat. 
schaft Mayo) immer Cruachan Aigle, die Landschaft Aigle z. B. 
IT. I 1, 35 Š 16. 

26. D.sg. hi Teilte Adamnan in Vita Columbae ge 700), ed. 
Reeves S. 194, aber bei dem ungefähr gleichzeitigen Tirechan 
ad Taltenam Arm. 10a 1. Der durch seine Jahrmärkte berühmte 
Platz heißt später nur Tailtiu, G. Tailten, (engl. Teltown). Zwischen 
I und ż¢ scheint ein e geschwunden zu sein, kaum ein x. 

27. elit A.sg. „Hirschkuh“ Arm. 18b 1, alsN. sg. z. B. Cormac 
(Zusatzartikel) 556, Goid.* 77 Nr. 126; aber A. sg. ailit Vita Trip. 
230, 22, G. sg. ailite TBC, LU. 5257 (ailiti die andren Hss.) neben 
elte Vita Trip. 232, 21, ellto Arch. f. Celt. Lexicogr. III 310 Str. 2 
= ella ZCP. XII 360, 21, in der Glosse dazu: eillti. Gälisch heißt 
die Hirschkuh eilid, G. eilde, Adi. eilideach „reich an Hirschen“, aber 
neuirisch eilit, mit den Ableitungen eiliteach, eilitin. Das weist, 
da das Gälische unmaßgeblich ist, auf ein Suffix mit #, nicht 
mit nt, wie man meist ansetzt. 

28. tene f. „Feuer“, G. tened, Dativ auch kürzer tein, erscheint 


1) craitid II. pl. Imper. liest LL. 215b 11 (andere Hss. creitid), wo aber 
Gwynn, Metr. Dinde III 8, 90 creitim in den Text setzt. Die Endsilbe reimt 
mit tair. 


Keltisches. 5 


schon air. meistens mit e und so nir. gäl. teine, nir. auch tine. 
Aber daneben N. pl. tainid Ml. 96c 11; tened, teneth (G. sg.) reimt 
mit claideb (G. pl.) LU. 9356 = Anecd. HI 54, 9, ist also tained zu 
schreiben; ähnlich ar tein mit domein (l. rom-ain „der mich schützen 
möge“) Arch. f. Celt. Lex. III 6, 17, also ar tham zu lesen. So 
mögen öfters solche Formen durch die späteren Schreiber um- 
gestaltet worden sein. ' 

29. Lat. prae- ist als pre- übernommen, praedico als predchim 
(öfter pridchim, zum Teil mit nicht palatalisiertem d: Prät. ro. 
pridach, Pass. ro-pridchad neben ro-pridched usw.), aber III sg. 
Präs. rel. praidchas beim ältesten Glossator von Wh. 120 27. Prae- 
ceptor gewöhnlich preceptöir „Prediger“, aber. N. pl. praicibtorai 
MI. 38c 9a. Im letztern Fall wird freilich aiccept „acceptum, 
Pensum“, das precept „praeceptum, Predigt“ so nahe stand, eine 
Rolle gespielt haben. 

Den bekannten Wechsel bei der Präp. air-, er- (auch ir-, 
Handb. § 817) lasse ich lieber bei Seite, weil hier auch eine Ver- 
mischung verschiedener Präpositionen in Frage kommt und die 
Gestalt, die e und a vor u-farbiger Konsonanz annehmen. Aber 
erwähnt muß werden, daß die Präposition, die gewöhnlich ess-, 
es- lautet, auch vor palatalen Vokalen (esseirge „Auferstehung“), 
in zwei Komposita regelmäßig als as- erscheint, nämlich in: 

30. -aisndet (as-ind-fet) „er erklärt“, Abstr. aisndis, aisndeis, 
also deutlich mit palatalisiertem s; 

31. asfenad „Bezeugen“ Trierer Enchir. 42, D. sg. aspenad, 
aspenud, aispenud Ml. (Pedersen § 720), wo wenigstens die letzte 
Form, wie mir. taisbenad „Vorweisen“, ebenfalls auf palatalisierte 
Konsonanz weist. 

32. ess- (exs-) + ber- „sagen“ bildet im Altirischen proto- 
tonierte Formen fast immer mit e, z. B. IIL sg. -epir -epeir -eper 
-eiper, Abstr. epert usw. (Pedersen § 665,3), aber doch dreimal 
mit a-: Il. sg. -apir Sg. 66b 10, III. Pass. -aip(er) MI. 14d 13 (dazu 
schwach betont -miaipir 56d 16), Abstr. aipert 50b8. Im Mittel- 
irischen ist a- viel weiter verbreitet; besonders oft im Imperativ 
II. sg. apair, abair, pl. apraid, abraid (mit depalatalisiertem b) 
und so immer im Neuirisch-Gälischen, aber auch in den andern 
Formen, z. B. Ill. sg. -apair, Pass. -apar(r) usw. Für das Abs- 
traktum verzeichnet Dinneen nir. abairt und eibirt (im Gälischen 
veraltet, vermutlich auch im Neuirischen durch rádh verdrängt). 

33. at-baill „stirbt“ (Pedersen § 661) Subj. at-bela (at- = 
ess- 4 Pron. inf.) hat prototonierte Formen mit palatalisierter 


6 R. Thurneysen 


Konsonanz nur im Subjunktiv, und hier treffen wir neben -eple, 
-epeltais, -epiltis auch Prät. Subj. -aipled MI. 85d 8; ebenso im 
Imperativ, der sich im Vokalismus an den Subjunktiv anzu- 
schließen scheint, III. pl. aipleat 104b2 neben na-eiplet 73d7; 
aber das a- erscheint auch im Präs. Ind. -apail 91d 2 (gewöhnlich 
-epil), inad- (l. inid-)apail Anc. Laws V 450, 12, jünger -abuil ebd. 
VI84; vgl. auch Abstr. apaltu Ml. 30d 14, sonst epeltu. Aber hier 
hat zur Ausbreitung des «a jedenfalls mitgewirkt, daß in at- die 
Gestalt der Präposition ess- verdunkelt war und sich von altem 
ad- nicht unterschied. 

Nicht hierher gehört air. aile „anderer“, das im jüngeren 
Irischen als eile erscheint; hier liegt ein späterer Wandel vor. 
Zwar hat auch das Altirische Formen mit e, aber es ist lang: 
éile Wb. 6a 15, éle 6c 18, dréit 13a5 und von ce(i)le „Genosse, 
der andere“ übernommen (Handb. § 481d). Ebensowenig mir. 
gebid, -geib „nimmt“ für air. gaibid, -gaib, wo man mit Recht 
Einfluß von do-beir „gibt“ annimmt. Oder gar die Verwechslung 
von anlautendem ea- und a- in jungen schlechten Handschriften 
wie arnach für earnach „Eisengeräte“ oder eachtugud für achtugud 
„Abmachung“ u. dgl., die auf dem Zusammenfall von a- und ea- 
in der Aussprache beruht. 


UL 

Überblickt man diese Liste, die gewiß nicht erschöpfend ist), 
so sieht man, daß in gewissen Fällen Formen mit a und e Jahr- 
hunderte nebeneinander her gehen, in andern nur noch einzelne 
Belege der älteren Zeit verraten, daß auch in ihnen einst ein 
Kampf zwischen beiden Vokalen bestand, der bald so, bald so 
entschieden worden ist. 

Als ursprünglicher Vokal ergibt sich in den allermeisten 
Fällen ë. So in 4. graig greg- kymr. bret. gre, aus lat. grez greg- 
entlehnt; 3. fraig freg-, das Loth, Rev. Celt. XXX VIII 301f. wohl 
mit Recht mit mkymr. ach-wre „wattled fence“ verbindet, vgl. 
al. vrajdh „Hürde“; 8. teg taig- gr. téyos; 9. 10. said- sed- „sitzen“ 
und laig- *leg- „liegen“, vgl. die Subjunktivstämme sess- und less-; 
12. at-reig -raig lat. regere usw.; 13. -ceil -cail vgl. d. „hehlen“ 


1) Mit Absicht hab ich Beispiele weggelassen, wo palatalisierte Konsonanz 
keine Rolle spielt, wie deg- neben dog „gut“ nach dem etymologisch nicht 
zugehörigen Superl. deck „bester“ (Handb. 8 79), oder wo ursprünglich «-farbige 
Konsonanz vorliegt wie in aupaid epaid „Zauber“, pl. aipthi epthai (ad- 
Duith); auch unsichere Beispiele, wie cailg in der Strophe Corm. 386, das viel- 
leicht A.sg. zu celg „List“ ist. 


Keltisches. ` 7 


usw.; 14. -airptha neben lauter Formen mit erb-; 16. aitire e(ütire 
von der Präp. eter, etir „zwischen“ abgeleitet; 20. airg eirg wohl 
sicher zu gr. Zoxeo9aı'); 22. cretim -craitea, vgl. kymr. credu usw.; 
23. feil fail, eigentlich „sieh!“ zu kymr. gweled “sehen“;' 27. elit 
ailit; das kymr. e- in mkymr. eleyn nkymr. elain „fawn“ ist an 
sich mehrdeutig, da im Plural neben done? auch alaned bezeugt 
ist; aber der weitverbreitete Stamm elen- „Hirsch“ läßt an der 
Ursprünglichkeit von e- nicht zweifeln; 29.—33. mit den Prä- 
positionen pre- und e(xs)- bedürfen keiner Erörterung. Bei den 
etymologisch nicht durchsichtigen Wörtern spricht in 25. Egli 
Aigli und 26. Teilte Tailtiu für das Alter von e daß es nur in 
den allerältesten Denkmälern erscheint. Ebenso bei 5. teilm tailm, 
daß jenes nur in CGormacs Glossar vorkommt, das zum Teil sehr 
alte Wörter enthält; sonst könnte bret. talm neben kymr. tem 
allenfalls einen Zweifel gestatten”). Bei 2. daig deg- wird außer 
durch die Etymologie das e auch durch die Schreibung des Eigen- 
namens auf Ogom-Inschriften gewährleistet: G. sg. Dego Maca- 
lister, Studies in Ir. Epigraphy II 89, III 145, Deagos III 192, also 
kelt. degi-. 

Dagegen ursprüngliches a ist nur in drei oder vier Fällen 
sicher, und bei allen liegt analogischer Anschluß sehr nahe. 1. aig 
eg- „Eis“ kymr. ia (also kelt. iagi-) kann sehr leicht der durch 
daig, fraig, graig gebildeten Klasse eingegliedert worden sem", 


1) In seiner Besprechung des griechischen Verbs erwähnt Meillet, MSL. 
XXIII 249. 257f. diese Form nicht. Er hat sie wohl, wie man früher, auch noch 
Pedersen, tat, mit dem (späten) Imper. &-rig „erhebe dich“ zusammengeworfen, 
obschon das längst zurückgewiesen ist; s. IF. Anz. XXXIII 36; Handb. 8 808, 
ein Paragraph, den freilich Meillet nicht zu kennen scheint, da er ebd. sagt, 
das Verb ei- ¿- sei im Irischen nicht mehr vorhanden, während doch ethae und 
do.eth im Altirischen das Prät. Pass. der Verben „gehen“ und „kommen“ bilden. 
Er polemisiert nur gegen Pedersens Verbindung von Zoyeoda: mit air. regaid 
„er wird gehen“. Aber wenn dieses auf einem Aoriststamm beruht, könnte eine 
zweisilbige Wurzel *eregh- mit verschiedener Betonung die irischen Formen 
wohl erklären. 

2) An alten Ablaut Zelm- ¿hm- (Pedersen 139) möchte man in einem 
solchen Stamm nicht denken. | 

3) In diese Klasse ist wohl teilweise auch das seine Gestalt vielfach 
wechselnde Wort für „Klippe, Fels“ übergetreten, das erst seit dem Mittel- 
irischen zu belegen ist. Das Dict. Scoto-Celt. gibt als gälische Flexion creag 
f., G. craige und creige. Als altirisch haben wir darnach wohl anzusetzen crec 
(aus *kreggä), G. craice cre(i)ce, D. A. craic creic, N. A. pl. creca, so daß es 
auch in unser Kapitel gehört. Aber die Form:craic wurde, wie bei so vielen 
dieser Feminina, dann auch nominativisch gebraucht (so auch in gälischen 
Mundarten nach Macbain, Etymol. Dict.) und dann ein neuer irischer G. sg. 


8 S RK Thurneysen 


11. saig- seg-, Subjunktivstamm säss-, gehört zu lat. sägire usw.; 
um seg- zu erklären, braucht man nicht die Einmischung einer 
andern Wurzel ai. sah- gr. &x- anzunehmen, sondern es hat sich 
nach laig- *leg-, das natürlich trotz der spärlichen Literaturbelege 
ein sehr häufiges Verb war, (und nach said- sed-) gerichtet. In 
diesen beiden Fällen hat also in der Tat das o einen gewissen 
Einfluß ausgeübt, das Pedersen 138 überhaupt als Bedingung 
dieses Vokalwechsels ansehen wollte. Dasselbe gilt dann auch 
von 15. ægtair zu ag-, falls nicht nur ein Versehen des Schreibers 
dieser einen Handschrift vorliegt. 24. saile seile „Speichel“ ent- 
spricht kymr. haliw bret. halo (hal), und man hat gewiß zu 
Unrecht an einer Entlehnung aus lat. saliua gezweifelt; se(i)le 
ist wohl durch e(i)le „Salbe“ (aus kymr. eli?) beeinflußt, da beide 
in der mittelalterlichen Medizin eine ähnliche Rolle spielen, gäl. 
sile noch weiter durch silidh „träufelt“, sil „Tropfen“. Bei 28. 
tene tain- „Feuer“ ist die Frage insofern verwickelter, als es kymr. 
korn. bret. tan heißt; aber wenn die Erklärung — wie wahr- 
scheinlich — recht hat, die es irgendwie auf die Wurzel tep- (lat. 
tepere usw.) zurückführt mit keltischem Verlust des p, so ist e 
das ältere und das britannische a eine Sonderentwicklung, die 
gerade vor n mehrfach auftritt. Ist in dem etymologisch un- 
durchsichtigen 21. sa(i)chi sechi der Vokal a der ursprüngliche, 
worauf das Alter der Belege weisen könnte, so ist e wohl durch 
die Präposition und Konjunktion sech „vorbei an“, „sowohl (— als 
auch)“ bedingt. 

Bei 6. gaim gem- ist die Grundform fraglich. Das Gallische 
und das Britannische weisen auf einen Stamm giam-, vgl. gall. 
Giamillus, Giamon[ (Monatsname), kymr. gaeaf, bret. goanv, goan 
usw.. Aus giamo- (oder, wenn die Palatalisierung in gefi)m-red 
alt sein sollte, aus giami-) würde sich ir. gem- gut erklären, aber 
auch aus einer Ablautsform gimo-. Im G.sg. sollte man dann 
entweder *giam oder *gem erwarten; man sieht in gam einen 
Einfluß des o-Stamms sam „Sommer“. Wie der N. sg. lauten 
„müßte“, will ich lieber nicht ausrechnen; wie gaim entstanden 
ist, ist schwer zu sagen, vielleicht nach einem — nicht belegten 
— D.A.sg. *gaim. 

Bei 17. ainech enech scheint mbret. enep akorn. eneb das e- 
als alt zu verbürgen, das in akymr. let-einepp (Gl. pagina, KB. 
creca gebildet, s. die Belege bei Meyer, Contrib. unter craic, crec, Crece. In 


neuirischen Mundarten ist sowohl das -r- als das -g bald palatalisiert, bald 
nicht. Es ist ein Wanderwort, vgl. mkymr. creic nkymr. craig engl. crag. 


 Keltisches. | 9 


VII 386), später wyneb (auch gwyneb) eine eigentümliche, allenfalls 
auf palatalisiertes n weisende Entwicklung zeigt. Auffällig ist 
die Ogom-Schreibung Inega-glas Journ. of the R. Soc. of Anti- 
quaries of Irel. 1898, S. 57, auch Inaepius, wenn K. Meyer, Zur 
kelt. Wortkunde § 91 in diesem Namen eines der angeblichen 
Franci Patricii Arm. 9b 2 mit Recht denselben Wortstamm sieht. 
Ein i erscheint allerdings auch im irischen D. pl. inchaib; aber 
das dürfte eine speziell irische Erscheinung sein wie in frit/ch]ib 
ML 44c 14 zu fretech „Verzicht“ (Verb fris-toing). Auch die ver- 
wandten Wörter gr. &vwnıa usw. (ai. dnikam) lassen mindestens 
ursprüngliches e-, nicht a- erwarten. 

In den Fällen, wo sicher altes e mit a wechselt, hat man 
bisher meist für jeden Einzelfall eine besondere Ursache ange- 
nommen; aber die große Anzahl von Belegen läßt diesen Weg 
doch als bedenklich und unzureichend erscheinen. Daß in ein- 
zelnen Beispielen fremde Beeinflussung anzuerkennen ist, soll 
damit natürlich nicht geleugnet werden, s. oben zu 33. -apail 
und 29. praicibtorai. Auch bei 8. taige, taig hat man gewiß mit 
Recht auf den Vokalismus des gegensätzlichen maige, maig zu 
mag „Feld“ hingewiesen. Aber überall geht das nicht an. An 
sich ist die Dissimilation oder Differenzierung eines e vor einem 
Konsonanten in ¿-Stellung ja nichts Befremdliches und hat genug 
Parallelen; aber sonderbar bleibt das starke Schwanken. Ich 
möchte annehmen, daß die Ausbreitung dieses Lautwechsels erst 
in eine Zeit fiel, da sich die irische Schriftsprache schon einiger- 
maßen fest ausgebildet hatte. Als die Zeit dieser relativen 
Fixierung hab ich früher (Ir. Helden- und Königssage I 111) etwa 
das Ende des 7. Jahrhunderts angesehen, möchte sie aber jetzt 
— namentlich in Hinblick auf die irischen Rechtstexte, die sicher 
zum Teil diesem Jahrhundert angehören — etwa um eine, wenn 
nicht zwei Generationen weiter hinaufrücken. Von wo der Laut- 
wechsel ausgegangen ist, vermag ich nicht zu bestimmen; die 
Ortsnamen 25. Aigle, 26. Tailtiu, auch 7. * Blaidm(?) finden sich 
in den verschiedensten Gegenden Irlands. So würde sich z. B. 
gut erklären, weshalb 16. etire und 17. enech, das namentlich im 
Ausdruck lóg n-enech. „Ehrenpreis“ in Rechtstexten so häufig war, 
die neuen Formen aire und ainech nicht durchdringen ließen. 
Formen wie 22. cretim und 29. predchim, vielleicht auch sechithir 
„folgt“, wo keine Formen mit o überliefert sind, konnten durch 
das Lateinische festgehalten werden. Auch in andern Fällen 
kann man wohl eine Ursache für das Durchdringen des einen 


10 R. Thurneysen 


oder des andern Vokals finden. 12. at-raig „erhebt sich“ war 
unter dem Druck des gegensätzlichen 10. -laig „legt sich“, das 
seltene -ragat im Plural dann etwa nach -aig „treibt“ Pl. -agat. 
Daß sonst diese Präsensklasse (s. Nr. 13) kaum je eine Spur von 
a zeigt, erklärt sich leicht daraus, daß z.B. in berid -beir „trägt“ 
ed nur in der III. sg. — wo überdies noch die Form -ber im An- 
schluß an die na-Klasse daneben lag — und in der IL pl., in 
einigen Imperativformen und im Imperf. Ind. vorkam, während 
die L sg. biru -biur, Il. *biri -bir lautete, also der Vokalismus e% 
(im Subj. beraid -bera, im Prät. -bert) überwog. Daß im Gegen- 
satz dazu in 9. saidid und 10. laigid das a gesiegt hat, möchte 
ich darauf zurückführen, daß es wohl ursprünglich i-Präsentien 
waren wie in den meisten germanischen Mundarten (und gr. 
ouar), also im ganzen Singular e hatten; der Plural sedait und 
das Pass. sedair hindern diese Auffassung nicht, vgl. pl. -ecam 
-ecat Pass. -ecar zu -icu -ici -ic (Pedersen § 752, 3.4), wo der 
Vokalismus der Stammsilbe (i7k- aus ob) sicher auf folgendes i 
weist. Daß es nicht *sid- und *lig- heißt (wie im Subst. lige 
„Liegen“) kann auf altem Einfluß des Subj. sess- less- beruhen. 
Ähnlich mag 28. tene neben tain- etwa durch tenlach (später tel- 
lach) „Herd“, eigentlich „Feuerlager“, vielleicht auch tee, té „heiß“ 
gestützt worden sein. So läßt sich allerlei vermuten. Aber ich 
gestehe, daß ich nicht zu sagen vermag, warum 18. ere „Last“ 
neben aire am Leben geblieben und weshalb 27. elit „Hirschkuh“ 
neben ailit und etwa seche „Haut“ oder der n-Stamm (Plur. 
i-Stamm) neim „Gift“ (ohne Formen mit a) durchgedrungen ist, 
da diese Wörter in der Schriftsprache keine große Rolle gespielt 
haben können, wie das allerdings bei dem häufigen 32. -epir, 
epert neben -apir usw. der Fall ist. Man müßte zunächst eine 
Sammlung aller der Wörter veranstalten, wo e vor durchgehend 
palatalisierter Konsonanz sich gehalten hat. Diese fehlt mir 
einstweilen. Aber schon das Gesagte wird genügen, um zu 
zeigen, daß man nicht irgend ein einzelnes Beispiel herausgreifen 
und seinen a-Vokalismus etymologisch verwerten darf. 


2. Eigentümliche Vokalangleichung im Irischen. 


Das Verb gono „ich verwunde, töte“ III. sg. gonaid, -goin 
und -gon, Prät. L. sg. -gegon, III. geguin (Pedersen $ 746; ZCP. XIII 
106) hat das merkwürdige Prät. Pass. goite, göeta, mir. -gæt (aus 
*_goit), Part. Pass. goite. Die Erklärung aus einer andern Wurzel 
(zu lit. żaizdà „Wunde“ Stokes bei Fick H* 113; zu lat. caedo 


Keltisches. 11 


Pedersen I 494) hat keine Wahrscheinlichkeit, und die Frage von 
Pedersen (II 548), ob es aus der zu erwartenden Form *gete *get 
(= ai. hatd-) umgebildet sei, ist ohne Zweifel zu bejahen. Es 
ist das o der andern Formen nicht an die Stelle von 2, sondern 
zu ihm hinzugetreten, so daß der Diphthong oe, oi entstand. 
Denn dasselbe findet sich in einem zweiten Beispiel. 

Mir scheint nämlich das vielbesprochene Verhältnis der iri- 
schen Wörter für „fünf“ und für „fünfzig“ hierherzugehören '): 
air. cóic nir. cúig (gespr. küg‘) „fünf“, air. cóiced nir. cúigeadh 
„fünfter, Fünftel“ einerseits, air. coica cóeca (Gen. -cat) nir. caogad 
„fünfzig“ anderseits. In meinem Handbuch § 390 glaubte ich 
air. coic (mit echtem Diphthong) oder zweisilbiges coïc ansetzen 
zu sollen, bin aber bald von verschiedenen Seiten auf das Un- 
zulässige dieser Annahme aufmerksam gemacht worden. Die 
spätere Entwicklung, schon mir. cúic, cúiced, verlangt durchaus 
einfachen Vokal, air., und die Verse (z. B. Fél. Prol. 327; 7. Aug.) 
Einsilbigkeit, während coica, cóeca Diphthong hat. Wie ist zu- 
nächst cöic aus urkelt. *krenk*e (britann.-gall. pimp-) entstanden? 
Für die Umfärbung des e-Vokals in o hat man natürlich seit jeher 
die beiden Labiovelare verantwortlich gemacht; das Beispiel von 
osk. pomp- lag ja nahe. Aber woher die Länge? Daß out im 
Irischen sonst zu óc (d.i. ögg, ög) wird (Handb. 8 207), gibt auch 
Pokorny zu. Das beweisen nicht sowohl die Komposita mit com- 
wie cocad, cocele, cocur usw., da dieses das kurze o auch vor s zeigt 
(cosmil, cosnam usw., Handb. § 209), wo es nicht „regelmäßig“ 
ist, als air. toceth (Thes. II 47, 26 = 362), dann tocad Glück" 
= bret. tonket „Schicksal“. Darum will er auf Grund des einen 
Beispiels cöic die Regel aufstellen, in einsilbigen Wörtern trete 
Ersatzdehnung ein, in mehrsilbigen nicht. Er stützt sich dabei 
namentlich auf das in seiner Bildung nicht ganz klare Wort 
coicthiges, Gen.-gis, „vierzehn Tage“ (eigentlich wohl „15 Nächte“), 
das sicherlich das Zahlwort enthält, dessen neuirische Aus- 
sprache aber auf kurzes o weist. Aber gerade in diesem Wort 
ist die Schreibung cöic- mit Längezeichen in der älteren Sprache 
so häufig belegt (s. Meyer, Contrib. s. v.), daß es sich nicht um 
Verirrungen der Schreiber handeln kann, sondern daß unzweifel- 


1) Vgl. namentlich Rich. Schmidt, IF. I 43ff., dem sich Brugmann, Grundr. 
I? S.857 mit einem Fragezeichen anschließt; Pedersen, GGA. 1912 8. 29f.; 
Hessen, ZCP. IX 28f.; Pokorny, KZ. XLVII 164 ff. 

2) Vgl. Ogom Togittacc (Macal. I 53, dazu Pokorny, ZCP. XII 424), ir. 
toicthech „glücklich“. 


990685 


12 R. Thurneysen 


haft ist, daß es sich um sekundäre Kürzung in der späteren 
Sprache handelt, wie auch in den paar andern von Pokorny auf- 
geführten Fällen. Gegen seine „Regel“ spricht auch ro-ic „er- 
reicht“, t-ic „kommt“ aus ink-, wo ein sz, wenn es regelrecht 
wäre, im Subj. zss- eine Stütze gehabt hätte; wohl auch das Prät. 
conda-sloic LU.10652 „so daß sie sie verschluckte“, wo mindestens 
kein Längezeichen steht. Um diese Schwierigkeit kommt man 
herum, wenn man annimmt, daß *krenk*e zunächst regelrecht zu 
"agoe (das op als geminiert zu denken) geworden war und daß 
erst dieses zu *krög*re oder *köge umvokalisiert wurde; op mochte 
um so stärker wirken, als es ein in der Sprache ungewöhnlicher 
Laut war, da ja altes o wohl längst in b übergegangen war. 

Air. coica, cöeca betrachten R. Schmidt und Pokorny als eine 
Parallelerscheinung zu der Tatsache, daß im Altirischen com- 
imm- als coim(m)- erscheint und die Präverbien ro- fo- to- bei 
fester Komposition vor reduplizierten Präterita und Futura als 
roi- foi- toi-, wie in for-roichan, arrob-roinasc, in-roigrainn, 
fris.foichiurr, do-toeth (Handb. § 177. 659); überall ist ein ein- 
facher Konsonant, der, wenn er erhalten wäre, leniert erscheinen 
müßte, dissimilatorisch völlig geschwunden, und der Reduplika- 
tionsvokal -e-, -i- hat sich mit vorausgehendem o zu oe, oi, die 
im Irischen nicht geschieden sind, verbunden. Aber in coica, 
cóeca handelt es sich um keinen lenierten Konsonanten, da aus 
nk ja g, ursprünglich wohl gg entsteht. Dieser Schwierigkeit 
entgeht zwar Pedersen, indem er alle diese Fälle anders erklärt, 
durch bloße Synkope des Vokals’), so daß -roichan zunächst aus 
-roy eyan, -roy yan und coica aus kokexont-s, kokxo-, koyko- her- 
vorgegangen wäre. Aber seine Erklärung ist mit Recht abgelehnt 
worden, da sie z. B. auf coim- aus com’-im’m’- nicht anwendbar 
wäre, indem das Irische keine Abneigung gegen aa hat, vgl. z.B. 
beimmi, löimm „Schluck“ oder auch as-roinnea aus ro-snea. Ich 
denke, daß das Beispiel goite für *göte nach gon- das Rätsel löst. 
Aus krenk*ekont- (oder wie man den Mittelvokal ansetzen mag) war 
wohl durch Haplologie krenkont- geworden, das regelrecht als 
cēcot- (gespr. kegod-) erscheinen müßte; dieses nahm aus cöic 
den Vokal o hinzu, d.h. übernahm den ganzen Anlaut co-, daher 
coecot- coicot-. 


1) Doch hat ja die Annahme des dissimilatorischen Schwunds des Kon- 
sonanten keine Bedenken, vgl. etwa dynyoxa — dynoxa, Fauentia — Faenza ; 
und daß e, ¿ dann ihre silbische Geltung verloren, entspricht der allgemeinen 
für zweite Silben geltenden Regel. 


Keltisches. 13 


3. Etymologien. 


Das Wort mir. ara „Schläfe“ ist in der älteren Sprache m. 
io-Stamm: G. sg. arai Ane. Laws V 363d, A du. da are Thes. II 
249,2; A. pl. aru (Gl. tempora) ebd. 46, 28 = 361. Erst im Mittel- 
irischen geht es in die ch-Flexion über: G.sg., pl. arach, D.sg. 
araid (wohl für araig), s. Ed. Gwynn, Metr. Dindshenchas IV 465. 
Daß r nicht palatalisiert ist’), zeigt, daß zwischen ihm und der 
Endung etwas geschwunden ist. Stellt man daneben gr. nageıd 
sageıal lesb. zaogeóa hom. naprıov, so ist kaum zweifelhaft, daß 
dem irischen Wort (p)arausios oder -sios zu Grunde liegt. Die 
Schläfen können noch mit besserem Recht als neben oder vor 
den Ohren befindlich bezeichnet werden als die Wangen. Daß 
der gallische Stadtname Arausio „Orange“ dazu gehört”), macht 
der ir. Ortsname Arai Chliach (Gen. von Cliu) wahrscheinlich. 

Das Verhältnis von ir. slán zu lat. sānus, die sich in der 
Bedeutung vollständig und in den Lauten beinahe decken, ist 
zunächst nicht klar, vgl. Meillet, Bull. Soc. Ling. XXVII 2 Nr. 85 
S. 42. Etymologisch ist slán leichter zu erklären. Denn ich teile 
die Bedenken Meillets nicht, mit Pedersen, Vgl. Gramm. I 53 
neben der einsilbigen Wurzel von ai. sdrvah gr. Bio oëioc und 
ital. sollo- kymr. bret. holl, die das „Ganze“ bezeichnet, eine 
zweisilbige Basis solöo- mit der Bedeutungsnuance „heil, gesund“ 
anzunehmen in gr. Öloeitaı‘ dyıalvaı (Hes.), ital. salauo- in lat. 
saluos osk. owÄars, zu der ir. slán (= sIno- nach de Saussure’s 
Bezeichnung) regelrecht gehört. Ihm wird ein ital. *slänos ent- 
sprochen haben, das dann seinen Anlaut an sal(a)uos (salüs) an- 
glich und so zu sänus wurde. Das konnte um so leichter ge- 
schehen, als es nicht mehr durch das sinnverwandte *plänos 
„voll“ (ir. lán) gestützt wurde, da dieses zur Unterscheidung von 
plānus „eben“ durch plenus ersetzt worden war. 

Endlich möchte ich der alten Gleichstellung von air. däne 
mit dem Namen der Donau das Wort reden; sie geht auf Zeuß, 
Gramm. Celt.’ 994 zurück, ist aber von verschiedener Seite, 
zuletzt namentlich von Max Förster, Zs. f. slav. Phil. I 1ff., be- 
stritten worden, der die Literatur wohl vollständig aufzählt. Air. 
däne, jünger dána bedeutet „kühn, draufgängerisch“ und wird 


1) Wenn K. Meyer, Contrib. 5 aireglan richtig mit „having bright temples“ 
übersetzt, so hat der Schreiber des 12. Jahrhunderts ein älteres are-glan ver- 
unstaltet. 

s) Vgl. auch die Personennamen Arausa (in Astorga), unsicher Arau- 
sionis (Pest) bei Holder, Alt-Celt. Sprachschatz I 178, ferner eba. III 656. 


14 R. Thurneysen 


in der älteren Literatur von Menschen und Wildschweinen ge- 
braucht’). Einmal wird es nach K. Meyer, Contrib. 588 auch von 
den Wogen ausgesagt: no-toirmesctis na tonna dana „die heftigen 
Wogen hinderten* in dem mittelirischen Text Cath Catharda °). 
Eine Grundform dänouios oder eher dänouios ist die nächstliegende; 
eine solche würden die Römer mit Dänuuius wiedergeben im An- 
schluß an ihr flowius — fluuius, und sie entspricht — mit Genus- 
wechsel — auch am besten den germanischen Namen wie ahd. 
Tuonouua, über die man Förster vergleiche. Von der lautlichen 
Seite geht denn auch sein Einwand nicht aus, sondern davon, 
daß es in England zwei Flüsse Don gibt, deren Name auf eine 
kürzere Form, etwa *dänu, zurückgeht. Der in Yorkshire erscheint 
im It. Ant. als Danum (hier für das dortige Lager gebraucht), 
bei Nennius als Cair Daun’). Dieses Wort stellt er zu avest. 
dänu-$ „Fluß“ osset. don „Wasser, Fluß“, womit schon Frühere 
Danuuius zusammengebracht hatten. Das ist einleuchtend. Aber 
Flüsse werden ja häufig nach dem bewegten Wasser genannt, 
wie eben unser „Fluß“ und „Strom“, lat. fluuius, flumen und 
unzählige andere. Daß *dänu im Keltischen „heftige Strömung, 
stark fließendes Wasser“ bezeichnete, darf man wohl dem Er- 
klärer gallischer Eigennamen entnehmen, der Rhodanus als „ni- 
mium uwiolentus“ deutete (IF. XLII 144). Das zugehörige Adjektiv 
*dänouios bezeichnete also vermutlich zunächst die Eigenschaft 
eines solchen stark strömenden, alles wegschwemmenden Wassers 
und ist dann im Irischen auf Lebewesen übertragen und im 
Neuirisch-Gälischen ganz auf sie beschränkt worden. Im Fluß- 
namen Dänuuius erscheint es substantiviert, wohl mit Unter- 
drückung eines maskulinen Wortes für „Fluß“. Dem steht nicht 
entgegen, daß ai. dänu gerade „träufelnde Flüssigkeit, Tropfen, 
Tau“, also kein mächtig strömendes Wasser bedeutet; denn bei 


1) Ein dänae „begabt, tüchtig“, das Pokorny, ZCP. XVI 452 als Gen. PI. 
von dan „Begabung“ faßt, kenne ich nicht. 

2) Ich habe das Zitat in Stokes’ Ausgabe einstweilen nicht gefunden; im 
Glossar s. v. tairmescaim (wo 264 statt 261 zu lesen ist) ist gerade diese Stelle 
nicht angeführt. Ä 

3) Nach Förster (S. 18) soll diese Städteliste um 840 entstanden sein. 
Aber Nennius (besser Nemnius) sagt ja ausdrücklich, daß er die ciuitates von 
Älteren übernehme (ed. Mommsen 207, 31); und daß er selber um 826 seine 
Historia redigiert hat, glaub ich ZCP. I 165 wahrscheinlich gemacht zu haben 
in einem Artikel, der freilich in der anschwellenden Nennius-Literatur nicht 
abgelehnt, sondern mit Schweigen übergangen zu werden pflegt, an dessen 
wesentlichen Resultaten ich jedoch festhalte. 


< é mn, aëfgegegfeteteg gg, 


Keltisches. 15 


Verben der Bewegung kommen solche Verschiebungen öfters 
vor. Vermutlich gehört hierher auch das im Gallischen häufige 
Condate (Ack. Condätem Auson.) frz. Condé, Condes usw. für den 
Zusammenfluß zweier Wasser, das die Lateiner mit Confluentes, 
Confluens (Koblenz) wiedergaben. 

Die Donau führt mich weiter zum Rhein, nicht um die 
Etymologie von dessen ja klarem Namen zu bestreiten oder zu 
stützen, sondern wegen der gallischen Aussprache desselben. 
Neckel, Germanen und Kelten S. 44, schließt nämlich aus german. 
Rin- gegenüber gallolat. Rhenus, die sich nur in einer Grundform 
* Reinos vereinigen, daß die Kenntnis des Rheins schon der 
keltisch-germanischen Urzeit angehöre, als die Kelten und Ger- 
manen noch eine sprachlich ungetrennte Einheit bildeten. Die 
Aussprache 2 für altes ei fiele also ungefähr mit dem Beginn der 
Sonderentwicklung des Keltischen zusammen. Das heißt denn 
doch ein Gebäude auf einem sehr schwankenden Grunde errichten. 
Was wissen wir denn von der Aussprache bei den verschiedenen 
keltischen Stämmen? Und wie hätten die klassischen Sprachen 
ein ei wiedergeben können, wenn dieser Diphthong noch bei 
Kelten bestand, da lat. ei und griech. er ja schon im 2. Jahrhundert 
v. Chr. Monophthonge bezeichneten; höchstens hätte den Griechen, 
wenn sie die Namen nicht durch lateinische Vermittlung über- 
nahmen, vielleicht yı (oder sel zur Verfügung gestanden. So 
wird ja der Name des Diwiciäcus, dessen erste Silbe 3 aus altem 
e enthält (zu air. di-fch- „rächen“) auf den Münzen mit Asıov- 
geschrieben. Damit will ich nicht leugnen, daß, wie die Insel- 
kelten, auch manche festländische ¿ für altes ei sprachen und 
daß z.B. die häufige Schreibung dēu-, gr. Anovova (Hs. Aoundva, 
Ptol.) für idg. deiuo- wenigstens teilweise diese Aussprache 
spiegelt. Immerhin nennt ja Ausonius die Quelle bei Bordeaux 
Diuönä und eine Divonne fließt im Dep. Ain; Diuogenus -a findet 
sich neben Deuognata, Deuignata, und was der bei Holder einzu- 
sehenden Beispiele mehr sind. Ob überall Latinismen anzunehmen 
sind, ist mindestens fraglich. Denn daß in der Aussprache von 
Diphthongen in Gallien sehr große Verschiedenheiten vorhanden 
waren, zeigt ja der alte Diphthong eu, wo die Schrift den Lauten 
leichter gerecht werden konnte, deutlich. So werden die Leuci 
(um Toul) immer so genannt. Aber der Stamm *teutä „Volk“ 
bewahrt bald sein e, wie in Lukans Teutates oder im Namen des 
Galaters Av-tevrog (Strab.); am häufigsten erscheint tout- (Holder 
II 1896—1900), aber neben Toutius -a auch Totius -a und Tutius 


16 R. Thurneysen 


-a usw. So wird auch bei altem ei die Aussprache zwischen ez, 
ë und wohl auch: geschwankt haben, und die Germanen können 
in alter oder jüngerer Zeit * Reinos von rechtsrheinischen Kelten 
übernommen und ihrem Vokalismus angepaßt haben. Ob Cäsar 
die Form Rhanus von einem gallischen Stamm, der 3 sprach, 
adoptierte oder ob er * Reinos auf seine Weise wiedergab, können 
wir nicht wissen. Auch ob der Rhein wirklich von den Kelten 
benannt worden ist oder von einem älteren indogermanischen 
Volk, muß natürlich dahingestellt bleiben; sprachlich ist jenes 
möglich, da sie ja den Stamm nach air. rian „Meer, Strömung“ 
besaßen. 


4. Akymr. planthonnor. 


Daß ich diese altbekannte Form erwähne, geschieht nur, um 
eine Unterlassungssünde wieder gutzumachen, die ich in meinem 
Aufsatz „Zum Deponens und Passivum mit r“ oben XXX VII 92ff. 
begangen habe, und die in den zahlreichen späteren Arbeiten 
über die r-Formen bis auf die jüngste von Edith F. Claflin 
(Language V 232ff.) ihre Spur hinterlassen hat’). Ich sagte dort 
(S. 100), daß im Gegensatz zum Altirischen, das von der allge- 


meinen Passivform eine III. pl. unterscheidet, die britannischen. 


Dialekte keine besonderen Pluralformen kennen. 

Als Stokes 1865 die Cambridger Glossen zu Juvencus heraus- 
gab, besprach er (KB. IV 412) auch die Glosse plánt hönndr, die 
über fodientur steht in dem Vers: Aeternum miseri poena fodientur 
iniqui. Er deutete planthonnor als II. pl. Fut. Pass. zu nkymr. 
plannu „pflanzen“ aus lat. plantare. Aber Ebel nahm die Form 
in die Gramm. Celt.* nicht auf, und die Erklärung wurde von 
Loth, Vocabulaire vieux-breton (1885) S. 205 verworfen, erstens 
wegen des Sinnes, zweitens weil das Britannische keine solchen 
Formen kenne. Das hat zur Folge gehabt, daß Dottin, Les desi- 
nances verbales en -r (1896) S. 173f., die Glosse nur erwähnte, 
um Stokes’ Deutung abzulehnen, und daß Strachan, Introduction 
to Early Welsh, und Morris Jones, A Welsh Grammar, sie gar 
nicht verzeichnen, und hat offenbar auch mich sie einst vergessen 
machen. Jedoch Pedersen, Vgl. Gramm. II 393, führt sie an, 
allerdings am Schluß des Abschnitts über Spuren der Unterschei- 
dung von Sg. und Pl. bei den r-losen Tempusbildungen; er 


1) Ein anderes ärgerliches Versehen war, daß ich ebd. 93 gwär statt gyr 
„er weiß“ als kymrische Form angab. 


Keltisches. 17 


hat aber anscheinend — aus welchem Grunde, weiß ich nicht — 
keinen Eindruck gemacht’). 

An sich ist Stokes’ Erklärung untadelig: planthonnor Passiv 
zu aktiven Formen wie III. pl. Subj. carhont; -nt- in der Endung 
regelrecht zu nn geworden, während es sich in plant- vor dem h des 
Subjunktivs noch gehalten hat (vielleicht als nth, wenn *planthhonnor 
gemeint ist, vgl. nerthheint KB. IV 412); *-ntor Plural zu dem mehr- 
fach in der alten Sprache belegten singularischen -tor; der Sub- 
junktiv als Futur gebraucht, was auch sonst bei den A Formen 
in der alten Poesie üblich ist und im Bretonischen bis heute fort- 
dauert. Der erste Einwand Loths wiegt nicht schwer; „sie werden 
ewiglich in Pein eingepflanzt werden“ ist zwar gewiß nicht, was 
Juvencus meinte, aber als Mißverständnis eines Glossators, der 
fodere in seinem gewöhnlichen Sinn nahm, leicht begreiflich. Den 
zweiten Einwand wird er heute selber aufgegeben haben, da er 
ja später (RC. XXXI 493) den präteritalen Plural: y llais y gwyr 
llen „die Kleriker wurden getötet“ unmittelbar neben dem Sg. 
y llas im Brut Tysilio entdeckt hat; dazu kommen einige passi- 
vische Pluralformen des Plusquamperfekts, die z. B. Pedersen 
ebd. aufführt, allerdings mit aktivischer oder wenigstens r-loser 
Personalendung. Da wir nur fürs Kymrische, nicht fürs Breto- 
nische und Kornische alte Denkmäler von einigem Umfang be- 
sitzen, ist also nicht zu bezweifeln, daß das Britannische einst 
ganz wie das Irische eine besondere III. pl. von der allgemeinen 
Passivform unterschied, die somit keine „man“-Form war‘). Die 
britannischen Mundarten, wie auch das Neuirische, haben dann 
aber diese unterschiedene Pluralform aufgegeben. Die kymrische 
Endung -(n)tor wird hinter dem r einen Vokal verloren haben, 
da man sonst fr, altkymrisch etwa *-tir geschrieben, erwarten 
müßte. 

Weiter möchte ich auf das Problem nicht eingehn, und ich 
wundere mich eigentlich, daß so Viele, auch solche, die nicht 
durch die Verfassung einer historischen Grammatik dazu ge- 
zwungen sind, darüber schreiben, bevor das tocharische und 

1) Bei Baudiš, Gramm. of Early Welsh, I (1924), wo man eine eingehende 
Erörterung des Falls erwartet, heißt es S. 139 nur: „note also »lanthonnor 
gl. (see Loth. Voc.)‘. Kurz, aber nicht bündig. 

2) Ich babe zwar RC. XI 91ff. darauf aufmerksam gemacht, daß der Schreiber 
der Juvencus-Glossen den irischen Namen Nuadu führt und auch einige irische, 
vielleicht auch einige hibernisierende Glossen beigeschrieben hat; aber eine so 
„lautgesetzliche* Form wie planthonnor etwa nach irischem Muster zu bauen, 
wäre er natürlich nicht im Stande gewesen. 

Zeitschrift für vergl. Sprachf. LIX 1/2. 2 


18 F. Specht, Lit. kelena. 


hethitische Material einmal vollständig und gesichtet vorliegt. 
Nur eines möchte ich nochmals betonen, da es in einigen der 
neueren Arbeiten gar zu leicht bei Seite geschoben wird, daß 
im Irischen die r-Endungen mit # im Deponens und im Passiv 
streng geschieden sind; die mangelnde Synkope vor der depo- 
nentialen Endung IlI. sg. -thar -thir, II. pl. -tar -tir im Gegensatz 
zum Passiv und die Bewahrung des ¿Z in der III sg. des depo- 
nentialen s-Präteritums -star -stir (gegenüber der II. sg. -sser aus 
-ster) weisen ausgesprochen darauf hin, daß im Deponens sich 
einst -fr- unmittelbar folgten; mit einer sekundären Beeinflussung 
durch aktive Formen ist namentlich im zweiten Fall nicht auszu- 
kommen. Dagegen im Passiv war # von r durch einen alten 
Vokal getrennt, der mir im Irischen e oder i, möglicherweise im 
Wechsel mit o, gewesen zu sein scheint (Handb. 8 575f.), während 
das Altkymrische -tor/ hat". Damit wird sich eine künftige Er- 
klärung auseinanderzusetzen haben". 


1) Das einmalige kymr. traethatter (RC. XXXI 489) wird unter dem Bin- 
fiuß der Josen Endung -ker stehen. — Zu den irischen Formen wie 2gthiar 
s. ZCP. 14, 4. 

2) [Korrekturnote. Zu I Nr. 15: egar „das getrieben wird“ steht AL. 
11128, 1 unmittelbar neben ©-»-agar (4.2). Weitere Beispiele für den Wechsel 
von & und à sind: gaimen „Fell“, A. pl. gaimniu — D. pl. gemnib, sam-ghemen 
„Sommerfell“ AL. VI 439; ferner Dem. gaimnén Liadain a. Curithir 22, 14; 
for-gemen, A.pl. forgemne und forgaimne TBC. (ed. Windisch) S.982. Viel- 
leicht zu Nr.6 gehörig. — Ailtes „Lauheit“ ZCP. III 448, 14, D. pl. co n-altesaid 
Ériu II 58 8 23, aber co n-eltessaib ebd. 1200 823, elltesaide „lau“ Cath 
Catharda (Glossar). — In aiscid und escaid, eascaith „Lausen“ Ériu VII 177 
(zu 83) wechseln die Vokale je nach der Färbung der Konsonanten; vgl. Nr. 30. 
31. — Das Gebirge Slieve-Aughty zwischen den Grafschaften Galway und Clare 
heißt fast immer Slab n-Echtge (-ga), aber in dem Gedicht Ériu II 50 Str. 3 
ist ó Haichdgi geschrieben. ] 


Bonn. R. Thurneysen. 


Lit. kelena. 

Bei Trautmann, Balt.-Slav. Wörterbuch 124 fehlt unter kila- 
„Weile“ die baltische Entsprechung këlena, -os. Das Wort steht 
bei Juskieviö Wort 1 223% blüngstelek sau kelenele „ruh Dich ein 
Weilchen aus!“ und ebd. II 69® paviesck dar kelenele pàs mumis 
„bleib noch ein Weilchen bei uns zu Gast“ u. a. Mit aöech. 
Čila, Cila, got. hveila weist kelena auf eine Grundform "eer. 


Halle (Saale). F. Specht. 


Jacob Wackernagel, Indoiranica. 19 


Indoiranica ^ò. 


3. Ai. acchidat 

hat Whitney Roots 50 als Aorist des IL Typus aufgeführt, und 
Brugmann, Grundr.’ II 3, 125. 134. 468 hat dies dazu verwertet, aus 
dieser angeblich altindischen Aoristform zusammen mit lat. scidit 
grundsprachliches Dasein eines Aorists vom Typus ZAıno» für das 
Verbum chid- zu folgern. Mehrere Forscher, zuletzt Hirt, Indogerm. 
Gramm. IV 241f. (vgl. auch Sverdrup, Nordisk Tidskr. for Sprogv. 
2, 49. 51) sind Brugmann darin gefolgt. 

Nun ist die angebliche lateinische Parallelform zu acchidat 
von vorn herein hinfällig: scidit war nur bei den „juniores“ ge- 
bräuchlich (Priscian 1, 6,30 = Gramm. lat. 3,23, 2); Neue, Formen- 
lehre III 344f. bringt ausschließlich Beispiele aus der Kaiserzeit. 
Vorher sagte man scicidit. Die Form scidit ist gerade so wie tulit 
zu beurteilen, d. h. der Komposition entstammt (Sommer, Hand- 
buch’ 552f.; Leumann, Lat. Gram. 333). 

Aber auch das indische Zeugnis versagt. Als Belege der 
alten Texte für solchen Aorist von chid- dienen acchidan AV. 
6, 104, 1 und acchidat AB.3, 26, 3. Nun hat man keinen Grund 
die III. pl. acchidan auf einen Aoriststamm chidu- zu beziehen; 
er kann die normale III. pl. des Wurzelaorists darstellen, der in 
RV. 1, 109, 3a mit der I. pl. chedma belegt ist. Was aber die 
Stelle des Aitareya-Brahmana betrifft, so steht dort das über- 
lieferte acchidat mitten zwischen den Imperfekten samagrbhnät 
ajahitam, upasamagrbhnät in § 2 und abhavat in § 3. Diese Im- 
perfekta sind einzig sachgemäß, da es sich um eine Erzählung 
handelt. Also ist für acchidat das Imperfekt acchinat einzusetzen. 
Und gerade diese Form findet sich an den Parallelstellen Kath. 
35, 3 (37, 15) und PB.9, 5, 4. 

Erst in jüngeren Texten erscheint das zu acchidan hinzu- 
gebildete acchidat und was dazu gehört: Taitt.Är., Epos, klassi- 
sche Sprache (P. 3, 1,57). An acchidet lehnt sich pāli acchidä im 
Suttanipata 357 (Geiger 131 Š 161) an. 


4. edänam 
wird von Caland, ŚBK. S. 53 aus der Känva-Rezension des Sata- 
pathabraähmana 1, 3, 4, 4. 2, 2, 2, 8. 4,4, 2,4 als Ersatzform für 
das übliche iddnzm „jetzt“ angeführt, das sonst, wie die Stelle 
4, 9, 3, 21 erweist, im Känva-Texte nicht gemieden wird. Caland 


1) Vgl. oben LV 204ff. 
2% 


20 Jacob Wackernagel 


bezeichnet die Form als „curious“. Aber ohne Zweifel stellt sie 
ein Avyayibhäva-Kompositum aus d und idänim dar, bedeutet 
also „bis jetzt“, wie z.B. AV.4,5,7, ä-vyusdam „bis zum Morgen- 
licht“ und otsürydm „bis zum Sonnenaufgang“, SB. ä-pravrsam 
„bis zur Regenzeit“ usw. Dazu paßt, daß dem edändm von SBK. 
1,3,4,4. 2,2,2,8 in der Madhyandina-Rezension 2, 4,4,6 bzw. 
1, 2, 4, 13 ápy etärhi „noch jetzt“ entspricht. Dem edändm der 
noch nicht im Druck erschienenen Stelle ŚBK. 4, 4, 2,4 entspricht 
an der nach Caland damit parallelen Stelle SBM.3,4,2,4 yáthā 
na ¿dám ä-pradivdm evdjarydm dsat anscheinend das formal gleich- 
artige ä-pradivdm „für immer“. 

Das Kompositum ist durchaus normal gebildet. Gerade so 
ist ë in dem eben erwähnten SB .ä-pradivdm unter Anfügung von 
-ám mit dem Adverb v. pradivi pradivah „von jeher“ zusammen- 
gesetzt. Auch GB. S. yathä-puram „wie früher“ (zu v. purdh) und 
SB. präg-apäm „von vorn nach hinten“ (zu v. apdk) kann man 
vergleichen. Bei Nomina auf ¿z ist allerdings erst klassisch für 
Avyayibhavas die Endung -ám sicher bezeugt z. B. upa-nadam 
„am Flusse“ (P. 5, 4, 110), während vorklassisch, außer v. api- 
sarvare& „frühmorgens* zu v. Sdrvari, nur ¿ als Endung solcher 
Komposita belegt scheint: Drahy 4,4, 16 adhy-aumbari zu B. 
dudumbari „Udumbarazweig“, was auch klassisch vorherrscht. 
Aber iddnim lag von diesen Feminina fern ab; ein *edäni könnte 
man sich gar nicht denken. 


5. käld-. 

Im Unterschied von dem Adjektiv kdla- „schwarz“ *), dessen 
echte Form kala mit zerebralem 1 ist (Lüders, Antidoron 300f.), 
enthält das Substantiv käld- „Zeit“ ein echtes I das zuerst durch 
RV. 10, 42, 9b (krtam yác chvaghnt vicindti käle) bezeugt ist. 
Nun pflegen den Wörtern, die im zehnten Mandala oder andern 
jüngern Teilen des Rigveda / aufweisen, in den älteren Teilen 
des Rigveda Formen mit r zu entsprechen; dies gilt z. B. für 
pulu- plu- mluc- labh- loman- lohita-. Fragen wir, ob sich dem- 
gemäß im Rigveda ein dem käld- entsprechendes kärd- findet, 
so bietet die Mehrzahl der Mandalas (auch 10, 53, 11d) ein Sub- 
stantiv kärd-. Es bleibt zu erwägen, ob kald- mit diesem kärd- 
wirklich gleich gesetzt werden kann. 

Roth, dem Graßmann folgte, deutete es als Bildung aus kř- 


1) Die Paroxytonese dieses kala- ist nicht direkt bezeugt, ergibt sich aber 
mittelbar aus Pän. 4, 1, 42. 


-a __ 


EEE Er PP 
£ En EWR N 


mab ë e, 


| Zn D 


Indoiranica. 21 


„gedenken, preisen“ mit „Lobgesang, Preislied, Schlachtgesang“ ; 
richtiger Geldner (Ved. Stud. I 119f.; Glossar s. v.; zu 1, 121, ic 
der Rigvedaübersetzung) als „Gewinn, Sieg“, daneben als Aus- 
druck für „Agon“. Darauf hat einerseits Lüders (Würfelspiel 63 
nebst Anm.), andrerseits Oldenberg (Göttinger Nachr. 1915, 370£.) 
weitergebaut. Aus Stellen wie RV. 1, 131,5d cakartha kärdm 
und der Zusammengehörigkeit von kärd- mit krtnü- ergibt sich 
für kärd- Herkunft aus kr-, wie schon Geldner meinte, aber nicht 
in seinem Sinn („machen“ im Sinne von „gewinnen“). Sondern 
kärd- bezeichnet „das zu-Stande-bringen dessen, was man zu 
Stande bringen gewollt hat“. Dazu paßt sehr gut, daß man kärd- 
öfters mit „Sieg“, das daraus gebildete kärin- mit „siegreich“ 
übersetzen kann. Als griechische Parallele hiezu darf vielleicht 
eine Stelle wie Pindar Ol. 1, 85 zo dë soë yilav dldor dienen, 
was der Scholiast zutreffend mit ob u&vros ólóou tùv geg wiedergibt. 

Besonders gern werden die zu dieser Sippe gehörigen Aus- 
drücke vom Erfolge im Spiele gebraucht. So ist krtá- (eigtl. „das 
erfolgreich zu Stande gebrachte“) Bezeichnung des besten Wurfes’), 
krtnú- „der den besten Wurf zu Stande bringt“ (Lüders, Würfel- 
spiel 63). Dahinein paßt nun das käle in RV. 10, 42, 9b vorzüg- 
lich; es heißt „beim Austrag des Spiels“, „im Augenblick des 
Erfolgs“ und deckt sich mit dem kärd- RV.8, 21, 12a jáyema käre 
kärinah (vgl. 10, 53, 11d sisäsdnir vanate kārá íj jítim, wo Geldner, 
Gloss. 45 kärd gegen den Padatext als käre zu fassen scheint). 
Eine besondere Stütze erhält diese Auffassung durch die Par- 
allelstelle 10, 102, 2b bhäre krtdm vyàced indrasend. Hier könnte 
man für bháre auch käre einsetzen, da Geldner, Ved. Stud. I 119ff. 
(wozu Oldenberg, Gött. Nachr. 1915, 371 A.2 zu vergleichen ist), 
die Synonymität von bhära- und kärd- nachgewiesen hat. ` 


1) Zu krtd- als Bez. des besten Wurfes gehört doch wohl das seit dem RV. 
belegte kitavd- „Spieler“, dessen Æ ein ursprüngliches £ ausschließt; kitavá-, 
gebildet wie kesavd- u. ähnl., heißt eigentlich der, dem das krtam zufällt; vgl. 
daß Yäska 5, 22 neben der Herleitung des Wortes aus kim tavästi die aus 
krtavän „du hast gewonnen“ in Betracht zieht (Roth, Erläut. 69; vgl. Sköld, 
The Nirukta 231). Die Phrasevlogie des Würfelspiels enthält auch sonst mittel- 
indische Sprachformen. Zutrefiend hat Lüders, Würfelspiel 41 auf kata- für 
krtá- und pävara- für dvapdära- in der Mycchakatikä hingewiesen; pävarea- 
zeigt ähnliche Umstellung der Artikulationsart wie Tareoßdvn u. dgl. (Schulze, 
GGA. 1896, 251); päva- aus päpa- „böse“ hat wohl beim Aufkommen der Form 
mitgewirkt. Kitavd- bezeichnet also zunächst den glücklichen Spieler, was 
z. B. auf RV. 5, 85, 8a paßt. Aber schon im Spielerlied 10, 42 wird damit 
überhaupt der dem Spiel ergebene bezeichnet. 


22 Jacob Wackernagel 


Diese älteste Bedeutung von kālá- ist noch erhalten Chand. 
Upan. 2, 13,1, wo vom mithuna- die Rede ist und nach den 
Worten striyä saha sete (sa udgithah) und prati stri sete, (sa prati- 
härah) die volle Durchführung der geschlechtlichen Vereinigung 
mit kalam gacchati, (tan nidhanam) bezeichnet wird. Entsprechend 
übersetzen Böhtlingk und Deussen kalam gacchati an dieser Stelle 
mit „zum Ziele kommen, zum Ziele gelangen“. 

In der alten Prosa ist sonst diese erste Bedeutung des Wortes 
um eine Nuance verschoben; käld- bezeichnet hier in der Regel 
nun nicht mehr die Entscheidung, den Erfolg, sondern den ent- 
scheidenden Zeitpunkt, auf den es ankommt, die richtige Zeit, 
also dasselbe was im Griechischen ursprünglich xaıods, und ver- 
drängt so allmählich das ältere ri«-, außer in den Bedeutungen 
„Jahreszeit“ und „menses“. Und wie sich xaıpös in der spätern 
Gräzität zur Bedeutung „Zeitpunkt“, „Zeit“ schlechtweg ver- 
flacht, so — und zwar anscheinend früh — auch Aaäld-. Ja sogar 
in bezug auf zeitliche Ausdehnung wird es schon vorklassisch 
gebraucht z. B. Rang 141, 37 tävat-kälam „so lange“. — Mit der 
käla-Mystik von AV.19, 53 und 54 mögen sich andere herum- 
schlagen. 

Im Sinne von SB. kale „zur richtigen Zeit“ AB. akäle „zur 
Unzeit“ findet sich TS. 2,2, 9,5. 6 akal¿ bzw. SB. 2,4, 2,4 (zwei- 
mal, im Gegensatze zu käle) dn-äkäle. Es ist kaum möglich, dies 
an ü-kr-, das im RV. „sich aneignen“ (Ludwig) oder „erbeuten“ 
(Geldner) heißen kann, anzuknüpfen, und ganz weit steht es vom 
episch-klassischen akära- „Form, Gestalt“ ab. Eher wohl ist es 
ein Adverbialkompositum mit Lokativendung wie im RV. api-kakse 
„bei der Achsel“, api-karne „beim Ohre“, api-sarvare „frühmorgens“ 
(eigtl. „der Nacht zunächst“); vgl. o temporal „in“ mit voran- 
gehendem Lokativ im RN", 

Aus käla- abgeleitet ist das episch-klassische kālya- „morgend- 


1) Zuletzt hat über die Herkunft von kald- Wüst gehandelt (Zeitschr. f. 
Indol. V 164ff.). Er schließt es an kalayati „treiben“ an, woran, wie er bemerkt, 
schon Yäska (Nir. 2, 25) gedacht hatte (Sköld, The Nirukta 231), und nimmt 
an, käld- habe ursprünglich die Zeit des morgendlichen Austreibens des Viehs 
bezeichnet. Er beruft sich dabei unter anderm auf vikälu-, das den Abend als 
die dem Morgen gegenüber stehende Zeit bezeichne. Aber an der bisher ältesten 
Belegstelle ÄpSS. 10, 13, 6 heißt vikäle „zur Unzeit“ (so Caland) entsprechend 
dem anrtubhih der Parallelstelle MS. 3, 6, 7 (68, 13); ist also gebildet wie etwa 
S. vi-kathä „nicht zur Sache gehörige Rede“ kl. vi-märga- „Abweg“ jAw. 
vi-zaodrä „unrichtiger Weihegruß“ (Verf., Ai. Gram. II 1, 261 8 102ed). Also 
scheint die Bedeutung „Abend“ sekundär zu sein. 


Indoiranica. 23 


lich“ (eigtl. „rechtzeitig“). Diese Form des Wortes mit o in der 
ersten Silbe ist außer an den bei BR. angeführten Stellen schon 
bei Patanjali zu Vartt 1 zu Pan 5, 3, 42 (S. 410, 12 Kielh.) be- 
zeugt: kälye bhunkte säyam bhunkte, und im buddhistischen Sanskrit, 
wıe mir E. Leumann mitteilt, auch außerhalb der von BR. an- 
geführten Stelle der Vyutp. Die andere Form kalya-, die vom 
Epos an vielfach belegt ist, beruht auf Kürzung des Vokals vor 
Konsonantengruppe, nach mittelindischer Weise (so E. Leumann)'). 

Die Herleitung von käla- aus kr- ist übrigens nicht neu. In 
anderm Sinne, als es hier geschehen ist, vertritt sie Pott, KZ. 
IX 175A.: „käla- als Zeit benannt nach dem, was in ihr ge- 
schieht.* Was das Eintreten von / in einer Bildung aus kr- be- 
trıfft, so kann man das von den Sütras an als Name einer Göttin 
belegte bhadrakali vergleichen; es ist Femininum zu dem im Pali 
belegten Namen bhadrakära- (Oldenberg, Gött. Nachr. 1918, 51 
A. 1), Nebenform von bhadramkara- und bhadrakrt-. 


6. Ai. grh-. 
Der früh, allzu früh verstorbene Gaedicke hat in seinem aus- 
gezeichneten Buche über den Akkusativ im Veda S. 114 die 
HI pl. grhate (RV. 5,32, 12c) und die L pl. grhamahi (RV.8, 21, 16b), 


1) In meiner Ai. Grammatik I 44 (8 39 Anm.) ist diese Kürzung unge- 
nügend behandelt. Sie ist vereinzelt schon in Schreibungen vorklassischer Texte 
nachzuweisen. Dahin gehört z. B. dhünksa „weiße Krähe“ in dem Spruche 
VS. 24,31 (= VSK. MS.) gegenüber dhunksnä TS. 5, 5, 19,1 (Käth. dhünksä), 
das als Ablautform zu dem vom AV. an vielfach belegten Synonymum dhvanksa- 
ursprünglicher sein muß als die Form mit kurzem u; ferner adhyuddhi für 
adhyüudhni in den Handschriften des Apastamba (Garbe, Gurupüjak. 35 und zu 
ApSS. 7, 22, 6), vergleichbar dem schon von mir a. a. O. angeführten marga- 
für märga- im ApGS. — Der Zusammenhang mit dem Mittelindischen ist ohne 
weiteres klar bei Wortformen der buddhistischen Literatur und der ihr nahe 
stehenden Texte, wie pamsaka- pamsayati gegenüber ep. pämsana- (anders 
E. Leumann bei Wogihara Asanga 33f.), und besonders beim Stadtnamen 
Kapila-vastu-, der nur zu dem vom RV. an belegten vastu- „Stätte“, nicht 
zu dem episch-klassischen vastu- „Gegenstand“ paßt (wonach auch Suśr. vrana- 
vastu- „Sitz einer Wunde“ zu beurteilen ist). Schon dem Epos geläufig ist 
märtanda- für vedisches und überhaupt vorklassisches märtändd- (von dessen 
Wiederaufnahme in ka$mirischen Texten Zachariä, Wiener Sitzungsber. 141, V, 11 
gehandelt hat). Auch anda- ist viel jünger als ändd-. Entsprechendes gilt 
z. B. für ep. antra- „Eingeweide“ gegenüber vorklassischem äntrá-. Die Wort- 
formen pattanga- neben pattranga- statt pattränga-, inschriftliches sedhyartha- 
für siddhärtha- und mahanta- „Vorsteher eines Klosters“ aus mahänt- sind 
auch sonst als junge Bildungen erkennbar. Es lohnt sich nicht die Beispiele 
weiter zu häufen; die Erklärung von kalya- aus kälya- ist wohl schon so ge- 
nügend gestützt. 


94 Jacob Wackernagel 


die bei Roth, Graßmann und Whitney als Formen von grabh- 
aufgeführt sind, zu garh- gestellt. Geldner, Kommentar 229 hat 
ihm für 5, 32, 12 zögernd, für 8, 21, 16 entschieden beigestimmt; 
er übersetzt es „mit Vorwürfe machen“ im Anschluß an den 
episch-klassischen Gebrauch von garhate, zu dem auch Äsv.GS. 
garhita- gehört. Und Lüders in dieser Zeitschrift LII 102 bemerkt, 
daß Gaedickes Deutung an beiden vedischen Stellen einen ganz 
guten Sinn ergeben würde. 

Form und Sinn der angeführten Verbalformen werden durch 
das Awesta noch mehr aufgeklärt. Bekanntlich gehört ai. garh- 
mit awest. garoz- (Bartholomae, Altir. Wb. 516) zusammen"), Nun 
dieses liefert gerade die durch vedisch grhate geforderte Präsens- 
bildung nach der altindischen IL Klasse: gAw. gərəždā „klagte“ 
und jAw. garazäna-. Die I. Sing. gAw. garazöi kann hiezu ge- 
hören. Dieses awestische gərəz- hat die Bedeutung „klagen“, die 
durch das neupersische Substantiv gila „Klage“ : jAw. gərəzë und 
zahlreiche weitere Entsprechungen in den iranischen Sprachen 
als gemein-iranisch gesichert wird (vgl. das damit anscheinend 
urverwandte deutsche Klage). Gern wird awest. gərəz- mit einem 
Dativ verbunden, der die Person bezeichnet, bei der man sich 
beklagt. Zu diesem awestischen Dativ stimmt das dativische te, 
das die beiden RV.-Stellen aufweisen, vorzüglich; wir können 
5, 32, 12b kim te brahmdno grhate übersetzen „worüber beklagen 
sich bei dir die Brahmanen“, und 8, 21, 16b indra md te grhamahi 

„Indra, mögen wir dir nicht vorklagen“. 

Formal und begrifflich paßt dazu eine dritte vedische Form: 
garhase (4, 3, 5b). Man pflegt sie gemäß dem episch-klassischen 
Paradigma des Verbums als II. Sg. Indic. zu fassen. Aber sie steht 
in einer sich von da bis zur achten Strophe erstreckenden Reihe 
von teils mit kathd teils mit kát beginnenden Fragesätzen, in 
denen allen die IL Sing. Konj. brávah steht, nur in der voraus- 
gehenden vierten Strophe indikativisches bhavanti. Also sind wir 
berechtigt auch garhase als Konjunktivform zu fassen; als solche 
paßt es vortrefflich zum athematischen grhate. Auch dieses garhase 
ist mit einem persönlichen Dativ konstruiert: kathå ha tád varunäya 
ivám agne, kathå divé garhase „wie wirst du dem Varuna, o Agni, 
wie dem Himmel über dieses klagen“. — Zum Medium der drei 


1) Justi, Handb. 102 zog garəz- zu ai. garj- „brüllen“. Nach Horn, 
Neupers. Etymol. 208 A. wäre dies lautlich möglich und nur um des Sinnes 
wegen die Kombination mit ai. garh- vorzuziehen. Aber die 3. sg. gAw. gərəzda 
„er klagte“ verlangt alte Media asp. als Wurzelauslaut. 


Indoiranica. 95 


vedischen Belege stimmt auch die deponenziale Flexion des 
awestischen Verbums. 

Die Bedeutung des Klagens ist bei dem indischen Verbum 
auch in der alten Prosa belegt. Oertel verdanke ich den Hinweis 
auf JUB. 1, 16, 11 tad idam prajāpater garhayamänam atisthat : 
idam vai mā pāpmanā sam asräksuh „dieses (das Saman) beklagte 
sich bei Prajāpati: sie haben mich mit Übel vermischt“. Für 
die hier vorliegende Form verweist mich Oertel auf Dhp. 10, 30 
garha vinindane, wonach dieses grh- zu den Verben gehört, die 
ihr Präsens außer nach einer andern Klasse auch nach der zehnten, 
also ohne kausativen Sinn, bilden können (vgl. Liebich, Dhatup. 
24,61). Man beachte, daß das Verbum auch hier medial flektiert 
ist. Der Genitiv prajāpateh stimmt zu dem te und dem váruņāya 
der vedischen Stellen. | 

In der epischen und klassischen Sprache hat sich aus der 
Bedeutung „über etwas klagen“ die des Tadelns entwickelt, so- 
wohl mit persönlichem als mit sachlichem Akkusativ, wobei die 
altertümliche athematische Flexionsweise durch die landläufige 
nach der ersten Klasse ersetzt und aktive Flexion neben die 
ererbte deponenziale getreten ist. 

An dieses Verbum grh- „klagen“ schließt sich passend grhü- 
(nach BR. „Bettler*) in RV. 10, 117,3 së ¿d bhojö yó grhäve 
dádāty annakämäya cärate krsäya ` grhü- heißt derjenige, der klagend 
zum freigebigen Gönner kommt. Das paßt nicht bloß begrifflich 
sehr gut, sondern auch formal. Deverbale Nomina agentis auf 
-4- pflegen Verbalabstrakta auf -ā neben sich zu haben. Ich 
verweise besonders auf die beiden Typen bhiksu- : bhiksd und 
Sravasyü- ` sravasyd; daneben beispielsweise auf das im RV. im 
Sinne von „spielend“ belegte kridu- gegenüber dem von VS. an 
belegten Abstraktum kridä „Spiel“. Gerade so nun steht grhú- 
neben dem oben S. 24 erwähnten gAw. gərəzā npers. gila „Klage“. 
Das klassisch altindische garkä „Tadel“, „Vorwurf“ ist vielleicht 
unter dem Einflusse des klassischen garhate (oben) an Stelle eines 
älteren *grhd getreten, weil es klassisch in dieser Sippe keine 
Formen mit r mehr gab. 

Allerdings ist auch grhú- bisher anders erklärt worden. Im 
Anschlusse an Sayana zieht Roth es zu grabh-. Das hat man 
mit Recht aufgegeben. Geldner, Der Rigveda in Auswahl II 229 
leitet es im Sinne von „heischend“ aus dem sowohl vedischen 
als klassischen grdh- „begehren“ her. Lüders in dieser Zeitschrift 
LII 103 schließt sich nicht bloß an diese Herleitung von grhü- 


26 Jacob Wackernagel 


an, sondern legt auch den vorbesprochenen vedischen Verbal- 
formen mit grh- dasselbe grdh-*) zu Grunde. 

Diesen Deutungen steht ein starkes formales Bedenken ent- 
gegen. Das Verbum des Begehrens mit seinen Ableitungen hat 
sonst bis in die klassische Sprache hinein die ursprüngliche Media 
aspirata durchweg bewahrt. Da wären vorklassische Formen mit 
h für dh ganz abnorm. Überall sonst, wo schon vorklassisch h 
für Media aspirata eingetreten ist, treffen wir das h auch in der 
klassischen Sprache. Anderes bietet bloß das Mittelindische mit 
seinem idha hida für das von RV. an belegte ¿há „hier“. — Bei 
grhü- steht der Ableitung aus grdh- vielleicht noch ein weiteres 
Bedenken entgegen. Soviel ich sehe, ist bis jetzt kein Fall eines 
Ersatzes von dh (und überhaupt einer Media aspirata) durch A 
nachgewiesen, wo u folgte; immer folgt auf solches À ein i oder 
a (Übertragungen nach Art von grähuka- abgerechnet); erst das 
Mittelindische weist solches hu auf, Asoka z.B. in «humsu, das 
Pali in Zahu-, pahäta-, sähu- und vielen andern. Die Deutung von 
rāhú- aus rabh- bei BR. kann nicht dagegen angeführt werden. 
Unklar ist die Herkunft des Namens ai. rahula- (bei Asoka laghula-); 
Hultzsch, C. Inscr. Ind. 1 S. CXXIII bringt ihn in Rücksicht auf 
die eben erwähnte Dialektform mit dem alten Namen raghu- zu- 
sammen; in diesem Falle wäre das h mittelindischen Ursprungs, 
obwohl rahula-, abgesehen von der buddhistischen Überlieferung 
schon im Pravarädhyäya belegt ist. 

Begrifflich würde bei grhú- die Herleitung aus grdh- passen. 
Dagegen bei den vedischen Verbalformen kommt zu dem er- 
wähnten formalen Bedenken das begriffliche hinzu, daß man für 
grdh-, wie sich Lüders S. 104 ausdrückt, Gebrauch im emphati- 
schen Sinne annehmen müßte: „gieren, so daß es bei der Gier 
bleibt und sie keine Erfüllung findet“. Ich entschließe mich 
schwer Lüders zu widersprechen, aber ich kann eine solche Be- 


1) Unter den zur Sippe von grdh- gehörigen Bildungen ist wohl auch das 
vom RV. an belegte g#dhra- „gierig, Geier“ ererbt. Man darf es mit jAw. 
gərəóa- gleichsetzen, das in bekannter Weise für *goroöra- eingetreten sein 
kann und so gemäß der ebenfalls bekannten Kompositionsregel sehr gut zu 
jAw. garaöi- als Vorderglied paßt. — Das ep. grddhin- grdhnini- grddhitva- 
will Böhtlingk durch grdhyin- ersetzen, das man als Ableitung aus grahyati 
oder grdhyä zu fassen hätte. Aber pāli g¿ddhin- schließt die Vermutung aus; 
man müßte hier dann *gijjhin- erwarten. Vielmehr ist gerade von der mittel- 
indischen Form auszugehen; giddhin-, das unter dem Einflusse von giddha- 
giddhi- gijjhati- für das nach ai. gardhin- zu erwartende gaddhin- einge- 
treten war, wurde alsdann unter Einführung von + für ¿ sanskritisiert. 


Indoiranica. 97 


deutung von grdh- nicht anerkennen. Er beruft sich auf Pan. 
1, 3, 69 grdhi-vancoh pralambhane „im (Kausativum) von grdh- 
und vañc- (tritt das Medium ein) mm Sinne von täuschen“; und 
folgert daraus für gardhayate die Bedeutung „vergebliche Begier 
erwecken“, und daraus für das Grundverbum die „vergeblich be- 
gehren“. Aber gewiß bedeutet das pänineische gardhayate ein- 
fach „im eigenen Interesse jemand gierig machen und dadurch 
ablenken, auf einen Irrweg führen“. So wird das Medium, das 
Lüders selbst eigentlich unbegreiflich findet, voll verständlich. 
Das Moment der Vergeblichkeit des Wunsches ist für das Kau- 
sativum unwesentlich, und somit keinesfalls für das Grundverbum 
vorauszusetzen. 

L. v. Schröder (MS. 1135 A. 9) hat mit den besprochenen 
vedischen grh-Formen die III. Sg. orbe MS. 1, 9, 5 (135, 16ff.) zu- 
sammengebracht, wozu der Optativ grhitd MS. 2, 5, 2 (49, 4) ge- 
hört. Wie Oldenberg und Lüders oben LII 103 gezeigt haben, be- 
deuten diese mit den Genetiven cdksusak und väcdh verbundenen 
Formen „mangelt, entbehrt“. Zu welchem der drei in Betracht 
kommenden Verben soll man sie stellen? Lüders teilt sie in 
seinem grdh- „vergeblich verlangen“ zu, was nicht nur aus den 
angeführten Gründen phonetisch und begrifflich unwahrscheinlich 
ist, sondern auch für grdh- eine sonst ganz unbezeugte athema- 
tische Flexionsweise anzunehmen zwänge. Gegen die Zugehörig- 
keit zu grabh- hat Lüders a.a.O.100f. schwerwiegende Bedenken 
vorgebracht; auch ist ein Präsens nach der II. Klasse, wozu die 
Formen gehören müßten, bei grabh- nicht bezeugt. Formal würden 
sie am besten zu grh- „klagen“ passen; bei seiner schon für 
Indoiranische bezeugten athematischen Flexion (S. 24) wäre eine 
III. Sg. auf -e ohne Anstoß. Aber der Weg von „klagt“ zu „er- 
mangelt, geht verlustig“ ist etwas weit, und die Genetivkonstruk- 
tion hätte zwar im Griechischen, aber nicht im Altindischen 
Parallelen. So bleibt hier ein Rätsel; wer wird es lösen? 

Kaum von Belang ist das grhaye, das an der Parallelstelle 
des Kathaka 9, 13 (115, 13) für MS. grhe geboten wird. Da die 
Stelle ohne Akzente überliefert ist, wäre es möglich mit Delbrück 
einen Infinitiv grhaye nach Art von vedischem #gáye anzunehmen; 
ein solcher ließe sich auch syntaktisch rechtfertigen: „kann nicht 
verlustig gehen“. Aber es ist doch wahrscheinlich, daß das drei- 
malige grhaye yah einfach durch eine Art von Dittographie aus 
grhe yah entstellt ist (wieder anders Lüders 105). 


28 Jacob Wackernagel 


7. Ai. müla-. 


In den Berliner Sitzungsberichten 1918, 410f. habe ich vor- 
geschlagen m&la- „Wurzel“ mit deutschem Maul gleichzusetzen, 
unter der Voraussetzung, daß es nahe lag, die Wurzel als trin- 
kenden Mund der Pflanze zu fassen. Mein botanischer Kollege 
G. Senn macht mich nun darauf aufmerksam, dass eine derartige 
Gleichsetzung in den arıstotelischen Schriften öfters vollzogen ist; 
vgl. de an 2, 1 (S. 412b, 3) al dë éier co oröuarı dvdioyov, — 
parva natur. (S. 468a, 9) dvadioyov ydo elo al 6llaı roi Yvroig 
xq) tò xalovdusvov otóuq tois oo, óC oÓ tà uèv Toopiv Šx ns 
yns Aaußdvei, tà dë dr abıov, — de part. an. 4, 5 (S. 682, 20) 
TÒ ron rerılywv yEvog ... Gre ... oröua, dr oð xadaneo dg Ging 
Öexeraı nv Toopnv, — de part. an. 4, 10 (S. 686, 34ff.) ai yao 
Gift tois pvrois orduaros xal xegaÀAs Eyeı dutt, — negi Coon 
zoo. £ (S. 705b, 6) ... ai Gier sto tò dvw tois putois: Exeidev 
yao Å toop) dtadlöoraı Tois pvouévois, xal Aaußdva Tavtaıs 
auınv, video t ¿OG Tois oTduaoıv. 


8. Altpersisch arika- 


das an drei Stellen der Behistun-Inschrift belegt ist und meist 
mit „Feind, feindselig“ wiedergegeben wird (Bartholomae, Ai. Wb. 
s. v.), wird vielfach zu ai. ari- „Feind“ gestellt. So z. B. von 
Hübschmann, Pers. Stud. 6 und anscheinend noch von Meillet, der 
es (Vieux Perse 141) als ka-Erweiterung mit bandhaka- „Diener“ 
parallelisiert. Aber — um zu schweigen von den Schwierigkeiten, 
die sich aus der eigentümlichen Bedeutungsgeschichte von art- 
ergeben — wird das altpersische Wort nie genau im Sinne von 
„hostis“ gebraucht; nicht einmal die Bedeutung „feindselig“ paßt 
auf alle Stellen, jedenfalls nicht auf Bh. 4, 63 (8 63), wo Darius 
von sich selbst sagt naiy ari/ka] äham naiy draujana äham naiy 
zurakara äham. Auch die Übersetzungen führen durchaus nicht 
auf die Bedeutung „Feind, feindselig“. Zutreffend hat schon der 
erste deutsche Beurteiler der Inschrift, Benfey (Die persischen 
Keilinschr. S. 73), bemerkt, daß das Wort dem Zusammenhang 
nach „schlecht“ bedeuten müsse, wenn auch die von ihm fragend 
geäußerte Vermutung, es stelle eine Privatbildung zu ai. rekhä 
„Linie“ dar, natürlich nicht haltbar ist. 

So entspricht Bartholomaes Kombination des Wortes mit aw. 
avra- „böse“ dem Sinne von arika- viel besser; daher hat ihr 
auch Jackson in den Indian Studies für Lanman S. 255 beige- 
stimmt. Aber was soll dann das adjektivische, irgend eine Art 


Indoiranica. 29 


von Zugehörigkeit ausdrückende -ika-, das überdies im Altirani- 
schen wenig bezeugt ist? 

Horns Gleichsetzung mit neupers. ray „Haß, Feindschaft“ 
und araeka- awestischem Beiwort der Ameise (Grundr. der neu- 
pers. Etymol. 6; Grundr. der iran. Philol. 1b 69), scheint lautlich 
berechtigt, da man das altpersische Wort auch araika- lesen kann 
(vgl. Meillet, Vieux Perse 38), und hat den Vorzug an einen tat- 
sächlich bezeugten iranischen Stamm anzuknüpfen, trifft aber 
gemäß dem oben Bemerkten den eigentlichen Sinn des Wortes nicht. 

Ich ziehe vor ai. alika- zu vergleichen, das zu frühest AV. 
5, 13, 5b im Vokativ als Beiwort von Schlangen belegt ist und 
da von Whitney mit „offensiv“ wiedergegeben wird (Roth: „wider- 
wärtig, unangenehm“). In der episch-klassischen Sprache wird 
das Wort im Sinne von „unwahr, falsch“, als Neutrum in dem 
von „Falschheit“ gebraucht. Damit synonym ist episch und 
klassisch vy-alika-, nur daß es auch „Leid, Schmerz“ bedeutet. 
Wie gut ein Wort, das besonders auf Falschheit geht, für einen 
tadelnden iranischen Ausdruck paßt, brauche ich nicht hervor- 
zuheben. Übrigens kann so Horns Vergleichung mit jAw. araeka- 
bestehen bleiben, da man dieses auch arika- lesen kann. Eine 
Etymologie von alika- zu geben bin ich nicht imstande; indo- 
iranisches -īka- liegt auch in ai. mrdikd- „Erbarmen“, gAw. jAw. 
maridika- „sich erbarmend, Erbarmen“ vor. 


9. Altpersisch prtrm 


ist von Weißbach (Sächs. Abh. 29126f. 34 und Keilinschr. 90) in 
NRa.47 aus dem früher gelesenen kmrm verbessert worden. Er 
schreibt es partaram und übersetzt „den kämpfenden (Feind)*, 
dies in der Hauptsache richtig, da das Verbum des Satzes 
p(a)tiy(a)j(a)ta „schlug zurück“ ein solches persönliches Objekt ver- 
langt. Nur genügt es einfach „Feind“ zu übersetzen; „kämpfen- 
den“ fügt Weißbach bei, seiner Herleitung des Wortes aus dem 
Verbum des Kämpfens zu liebe, das durch jAw. parət- nebst den 
Substantiven jAw. pərət- : ai. prt- und jAw. pasana- : ai. prtană- 
bezeugt ist. Aber ein so abgeleiteter Stamm part-ar- oder part- 
ara- (Weißbach denkt auch an phonetisch unmögliches partram) 
stände außerhalb aller Analogie und würde der geforderten Be- 
deutung nur halbwegs gerecht (trotz z.B. gr. noA&uıog aus zóZguos). 

Ich schlage vor parataram zu lesen. Dem Altindischen ist 
pára- (eigtl. „der Fernstehende“) in der Bedeutung „Feind“ vom 
RV. an geläufig. Aus der alten Prosa sei den Belegen des Wörter- 


30 F. Specht, Got. faian. 


buchs etwa noch Jaim. Br. 1, 107 param grämam „die feindliche 
Schar“ beigefügt. Ebenso ist der Gebrauch im klassischen Alt- 
indisch lebendig; ich erinnere besonders auch an das alte Epithet 
parantapa- „den Feind peinigend“. Nun ist es in den indoger- 
manischen Sprachen üblich, Nomina, die den Bildungen auf -#ero- 
begrifflich entsprechen, durch eben dieses -tero- zu erweitern. 
Ich begnüge mich aus dem Altindischen pärvatara- „prior“ = 
pürva- (zuerst RV.1,113, 11a) anzuführen. So heißt es nun auch 
RV. 10, 95, 16 páratare .. dhan „am folgenden Tage“. Und diese 
Weiterbildung liegt in dem altpersischen Worte für „Feind“ vor. 


10. jAw. vi rada 


in der Bedeutung „quetsche auseinander“ gehört natürlich zu- 
sammen mit ai. vi-khidati KB. 2,9 (S. 8, 11.13.14) und vi-khidäya 
in dem Spruche náma akhidäya vikhidäya ca Käth. 17, 15 (258, 11), 
wo die MS. prakhidäya statt vikhiddya hat. Danach ist auch im 
Awesta vi xida zu verstehn. — Als Perfekt von khidati lehrt 
Panini 6, 1, 52 cakhäda. Deutlich liegt dies SB. 3, 6, 2,12 vor, 
wo auf d cakhäda als zugehöriges Imperfekt dkhidat folgt. Auch 
in RV. 6,61, ic å cakhäda, das man zu khäd- „kauen“ zu ziehen 
pflegt? Vgl. vedisches amitra-khädd- vrtra-khädd-. 
Basel. Jacob Wackernagel. 


Gotisch faian. 


Dem einmal Röm. 9, 19 belegten got. faianda „u£ugerau“ 
entspricht genau das gleichfalls isolierte griech. nnoaodaı' uEu- 
waodaı Hesych. Damit erledigt sich auch Wiedemanns Gleichung 
BB. XXVIII 38 Anm., dem sich Trautmann, Germ. Lautgesetze 32 
angeschlossen hat. z7oaqo9a;, am nächsten steht das in seiner 
Bedeutung etwas abweichende zjua. Die Deutung, die darüber 
Wackernagel ob. XXX 293ff. vorgetragen hat, wird damit un- 
möglich. Ob die Wurzel pē letzten Endes auf oer zurückgeht 
und mit ai. piyati, got. fijan zu verbinden ist, W. Schulze ob. 
XXVII 426; Fick, Germ. Spracheinheit 240 lasse ich dahingestellt. 
Waldes Darstellung, Vgl. Wörterb. d. idg. Spr. H 8 u. 9 bedarf 
auf Grund von znoaodeı einer Berichtigung. 


Halle (Saale). F. Specht. 


F. Specht, Beiträge zur griechischen Grammatik. 31 


Beiträge zur griechischen Grammatik. 
1. Zu den Komposita mit verbalem Vorderglied. 


Wenn ich nach den zahlreichen Arbeiten’) über die griech. 
Komposita mit verbalem Vorderglied auf einige wesentliche Fragen 
dieser Bildungsweise ausführlicher zurückkomme, so veranlaßt 
mich außer der Unsicherheit, die immer noch in der Beurteilung 
dieses Typus besteht, die meines Wissens letzte Behandlung dieses 
Gegenstandes durch Meillet, Rev. des ét. Gr. 1921, Bd. 32, 386. 

Durch die Übereinstimmung mit dem Arischen wird als indo- 
germanisch erwiesen der Typus dox&xaxos und regprplußoorog, 
Wackernagel, Ai. Gram. II 1, 316f., 320f. Auf analogische Ver- 
mischungen wie Aoxiloxos neben Aox&ioxos, Yvyontöisuos, dxego- 
oexduns usw. gehe ich nicht weiter ein und verweise auf die 
kurzen Andeutungen bei Debrunner, Griech. Wortbildung 70f. °). 
Meine Darlegungen erstrecken sich besonders auf den 2. Typus 
teowiußooros. Das Material hat Clemm gesammelt. Leider hat 
er nur die Belege aus Homer, den hom. Hymnen und Hesiod als 


1) An Literatur nenne ich Osthoffl, Das Verbum in der Nominalkomposition 
1878, wo auch S. 137ff. ältere Literatur vermerkt ist; am wichtigsten davon ist 
Clemm, De compositis Graecis, quae a verbis incipiunt, Gießen 1867. Ferner 
Christ, Die verbalen Abhängigkeitskomposita des Griechischen, Sitzber. bair. Ak. 
phil. Kl. 1890 I 143ff., besonders 186ff.; Jacobi, Kompositum und Nebensatz, 
Bonn 1897; Brugmann, Ber. Sächs. Ak. 1899, LI 195ff. und IF. XVIII 68ff. Auf 
Tosoenns, tà overa tùs EAlmvınns yAwoons bin ich erst nach Abschluß der 
Arbeit durch den Hinweis Schwyzers, Rhein. Mus. LXXIX 106 aufmerksam ge- 
worden. 

2) Wenn Debrunner a. a. O. aus Hesiod d#ßoAuseyds hierhin rechnet und 
in ihm Umgestaltung eines &ußo/n nach dvvoreoyds sieht, wobei die Erinnerung 
an duwßoiln mitgespielt haben mag, so geschieht das kaum mit Recht. Denn 
&ußoñisoyós Op. 413 geht parallel Op. 411 ¿rwciocoyós dvige. Da der Akzent 
auf dem Ende liegt, kann es kein Bahuvrihikompositum sein, so bleibt nur die 
eine Auffassung übrig, „ein Mann, der ohne Erfolg arbeitet“. Demnach ist ein 
GußoAucoyds jemand, der dußoila „Aufschub“ macht. Wenn dupßoiln später 
als dußoAn belegt ist, will das nicht viel sagen. Umgekehrt ist drıoroetn 
hesiodeisch Op. 446 und £sıonood erst bei Späteren vorhanden. Homer kennt 
gleichfalls ähnliche Bildungen, wie &unBoAin, Eneoßoiln, Heongonin u. a. Die 
Unterdrückung des Kompositionsvokals hat zahlreiche Parallelen in der Bildung 
von Eigennamen bei erstem Kompositionsglied auf -¿o, wie Asfıpavns : defıdc, 
Anidodens ` Önios, Arovvoparng: Arovdaıa, DoaocíAas : Bodowos, T'aiuglöweos: 
TaAddıos (Kretschmer, Gl. X 52 u. Anm. 1), oder Etym. Magn. 13435 ’Aoaıra- 
oelöns' xarà ovynonimw ’Agpautaoioelöns, Sg O1oelöns GLelöns OVvyXonT Tod o 
und dazu Alkman frag. 171. Ferner verweise ich auf die Bemerkungen Bechtels 
zu den einzelnen Namen. Zur Erklärung kommt in Frage Joh. Schmidt, ob. 
XXXVIII 39f.,; Jacobsohn, Herm. XLV 204 Anm. 1. 


32 F. Specht 


solche bezeichnet. Das ist bedauerlich. Denn man erhält auf 
diese Weise keine genaue Kenntnis von der Verbreitung und Ver- 
wendung derartiger Komposita. Reiches Material bieten auch die 
Eigennamen, obwohl analogische Umbildungen hier am stärksten 
um sich gegriffen haben. Ich habe sie zumeist den dankens- 
werten Sammlungen Bechtels entnommen. Wo nichts bemerkt 
ist, entstammen sie dem Buche: Die historischen Personennamen 
des Griechischen. Unabhängig von Clemm habe ich die Bildungen 
bis Aristoteles ausschließlich verfolgt. Was sich später findet, 
habe ich selten berücksichtigt, in der Regel nur dann, wenn etwas 
Besonderes zu bemerken war. Da stellt sich zunächst heraus, 
daß es sich um einen absterbenden Typus handelt‘). Wahrschein- 
lich ist er schon bei Homer nicht mehr ganz lebendig und aus 
der konventionellen Sprache des voranliegenden Epos ererbt. 
Das ist wichtig für die Beurteilung. Denn die nachfolgenden 
Dichter, namentlich die spätern, haben allerlei gewagt, was der 
alten Bildungsweise widerspricht. Sieht man von Avoızeing, urn- 
oınaneiv, bıpaonis, oxi- (dexe-) in doxidEwgos, doyxtréxtoT u. a., 
EyEyyvos, gpeoéyyuos, xAepúðoa, valalnweos und den Kompositen 
mit gılo-"), uıoo-, ucio- ab, die alle bis in die attische Umgangs- 
sprache gedrungen, aber kaum noch als lebendiger Typus emp- 
funden worden sind, so bleiben für die Redner: ueuyiuorgos 
(Isokr.), &$eAex3ows (Demosth.), Angıaoxındv, Aınoradia (Aunoraglov 
dien), dAeSıpdouaxov (Demosth.), für Platon: teĝecrovoyós, dAedi- 
x@xoç, dAeSıpdouaxov, während övnoinolız aus Stesichorus stammt, 
für Thukydides nur: PYıvonwoov, da Eixexirwves 3, 104 wieder 
im Vers steht. Xenophon kennt &9&4exdoog (nach Moeris), geit. 
vorwoov, Amnowvxeiv, Öcıoıdaluwv, xgvrpivovs, TAAROLOVOYEIV. 

Wie wenig der eigentlichen Attis diese Bildungen vertraut 
waren, zeigt nun Aristophanes: dy&xooos, diedinaxos, ßBoovtno- 
xEoavvog, yvworuaxeiv, Öaögacınoditaı, EbonNoLEnNns, nAuvoluaxos, 
Asıwvögıov (Nom. propr.), Avoavias, navolnovos, Tagasındadıog, 
TAOREINTTOTERTOS, TAVVOLTTTEOOS, xuxToítepoos, xexoqËŠuóduqs, TQU- 
oißıos, regosnolıs, orgeipodıxeiv stehen sämtlich außerhalb der 
Dialogpartien. Von den Bildungen, die sich im Dialog finden, 
stammt Ziacißoovı” (Equ. 626) aus Pindar, orgewodızonavovoyia 
(Av. 1468) und ueilovinıdv (Av. 640) sind komische Bildungen, 


1) Vgl. auch G. Meyer, Curt. Stud. V 28; Christ a. a. O. 203. 

2) Wie lebendig Komposita mit gs/o- und uıoo- jederzeit im Griech. ge- 
blieben sind, zeigen Augenblicksschöpfungen der Grammatiker, wie gilodevdpw», 
wıoonooeidwo» Herodian L. II 72738 = Choeroboscus (Gaisford) 74ee. 


Beiträge zur griechischen Grammatik. 33 


öSoxnoloopog (Pax 44) dient zur Persiflage, ebenso Joavodvrv£ (Nub. 
1264), wie aus den Bemerkungen des Scholiasten hervorgeht, 
poßsoworodın (Equ. 1177) ist altes Kultwort. Bvoauxnv, navo- 
xdrn, oroepiuailog bleiben besser aus dem Spiel, da sie sich nur 
in Fragmenten finden. So kommen nur noch owolnolıs (Ach. 
163) und roubnuegeiv (Vesp. 849) in Frage, bei denen ich nicht 
entscheiden mag, ob hier nicht auch ein komischer Sinn vorliegt. 
Nicht viel anders ist es bei den Tragikern bestellt. Aischylos 
kennt die Komposita mit o im Vorderglied, die bei ihm und 
deri Lyrikern sehr zahlreich sind, nur im Chorlied. Bildungen 
mit eu. ä., dox&isıog (Pers. 297), neıdavoe (Ag. 1639), neıdapxia 
(Sept. 224), nel9aoxos (Pers. 374) finden sich auch im Dialog, 
sind aber doch im Vergleich zu entsprechenden Belegen im Chor- 
lied nur selten. Ganz ähnlich ist es bei Euripides. Außerhalb 
des Dialogs stehen wieder de£iunios (Phoen. 632), de&inveos (Hik. 
64), Yeidipowv (Bacch. 404), öleoldngos (Phoen. 664), navolsovog 
(Iph. Taur. 451), zAņolotios (Iph. Taur. 430), paeotußoorog (Heraclid. 
750); dox&xooos (Troi. 151), #£2ÉzeroAts (Iph. Aul. 1476, 1511), Ad- 
yauos, Anondıwo (Orest. 1305), ebenso čyovzvos (Rhesos 3, 825). 
Im Dialog findet sich nur de&iunfos (Andr. 1138) und navolivnos 
(Bacch. 772), zçgao[uox9os frg. 998 bleibt als unsichere Überliefe- 
rung besser aus dem Spiel. Abseits von beiden steht auch hier 
wieder Sophocles. Bei ihm fällt der starke Mangel an Komposita 
mit o auf. Wenn ich von denjenigen absehe, die nur in Frag- 
menten überliefert sind — es sind navoläivnos (Chor) frg. 392, 
Gevällewg frg. 129, dleaidgıov frg. 113, ueAldnoas frg. 965 —, 
so bleibt nur zevoa@vwe (Phil. 209). Von Verbalkomposita auf -e 
u.ä. im ersten Gliede finden sich im Dialog: &ox&niovrog (El. 72), 
ueAAdvvugpos (Ant. 633), ravunovs (Aias 837), während die&luo- 
005, danedvuos, Eypeudxas, weildyauos (vielleicht Interpolation), 
ueiAdvvugos (Trach. 206), saiaxdodıos den Iyrischen Partien an- 
gehören. 

Auch die ionische Literatur bietet nicht eben viel. Herodot 
vermeidet im allgemeinen die Bildungen. Außer leyenoins (9, 43) 
und gvolboos (1, 67), die in Versen stehen, kennt er nur peg£&oıxos 
(4, 46), óoo[ó,xos') und Komposita mit Asso-, Geo: Yılo-, wmoo-. 
Asıyöögıov (5, 62) ist wie bei Aristophanes Lys. 665 als Eigen- 
name zu fassen, vgl. Bursian, Geographie von Griechenland I 334 


1) Dafür ist selbstverständlich (VI 42) dwoldıxos zu schreiben, das eine 
späte Handschrift auch bietet, s. u. 45. Wegen des Schwankens zwischen 
degt und doos- in der literarischen Überlieferung vgl. Lobeck, a 770. 

Zeitschrift für vergl. Sprachf. LIX 1/2. 


34 | F. Specht 


Anm. 2. Bei Hesych steht ein dgauzernpixooulm und dusıyıgvoueiv, 
die man dem Demokrit zugesprochen hat (Diels Vorsokr.‘ frg. 138, 
1389). Aus Hippokrates weiß ich außer wenigen Komposita mit 
Aıno-, u8išo-. pio- nur zu nennen: ¿Ezgyxéñ8ooyxo, Zëezän/onro, 
uvnoltoxos. 

Lehrreich ist das Verhalten der Alexandriner. Arat kennt 
derartige Bildungen überhaupt nicht. Bei Nikander sind sie ganz 
gering und auf die&ıaon, Eyenevans, xalixgaıos, xalainovs und 
tavúpvåůos beschränkt. Auch Apollonius Rhodius steht seinem 
Vorbild Homer außerordentlich nach. Er gebraucht nur degoi- 
Aopog (II 1062), Avoueins (IV 1523), wisodias (IV 919), piciu- 
Boorog (III 1356), weveöniog (II 114), peo&oßıog (HI 164, IV 1507), 
talaeoyds (IV 1060), Aadıpooodvn (IV 356), xalixonros (I 473), 
pıAontöieuog (II 780, 993). Auch Kallimachos verwendet in den 
Hymnen und Epigrammen diese Bildungen nur ganz gelegentlich, 
vgl. nepoentolıs, puyalyua, pHwönwgor, ninsınnos (Pfeiffer frg. 
34s:). Theokrit macht gleichfalls keinen großen Gebrauch davon; 
außer in Eigennamen und Komposita mit ein kennt er nur 
dvvoısoyds (28, 14), Avoitwvog (17, 60), aAaoipowv (24, 50), ta- 
ueolxows (25, 279), ralasoyds (13,19), ravúpåoros (25, 250), tavú- 
pvAlos (25, 221), ueAldyauos (22, 140). 

Etwas häufiger finden sich derartige Komposita bei Gram- 
matikern und Lexikographen, die damit ihre gelehrte Bildung 
kund tun wollen. So hat Hesych die Interpretamenta weurpiuoıgos 
unter övorösg, rogßnAös'), Yılaltıos; ueurpluoıgo. unter gılaiuoı, 
ueupıuogeiv unter reAßeodaı, BAapipowv: unter Gro, 
Biaspipgovı unter daoippovı, Eyeooıudxas unter Epysudxas, xuT- 
olyaıos unter Evvoolyauos, xıvnolpviiov unter Evvooipvilov, owot- 
mokis unter £&pvointoiıs, owoloınog unter oWxog, owoloıxov. unter 
gwxóov, eboesoıloyiaıs unter ebgeoen(e)iaıs, xgovouetowv unter 
“oovoönu@v, oeıwoAdpos unter zrivaxronning, vnöinodes unter 
venodss, oder Edoeoinaxog aus dem Scholion zu Euripides Med. 
407, dsıoıdaluwv Scholion zu A88u.a. Darunter finden sich auch 
sprachlich ganz unmögliche Bildungen’), wie Blaßeoipowv unter 
daolyowv aus dem Homerlexikon des Apollonios oder zunoixooas 
Schol. zu N 340 als Erklärung von zaueoixgoac. 


1) vooßnAös durch Dissimilation aus *roißnAds gehört natürlich zu z£4- 
ßBeodaı. [Damit erledigt sich A. v. Blumenthals Etymologie, Hesychstudien 46. 
K.-N.] 

2) Ich verweise auch auf zavaßlawıreieıa» oder weraueiloödvar bei 
Kerkidas, Key P. Maas, DLZ. 1929, 1866f., und Diehl, frg. 17 zedvaxoxgalxidar. 


— m. ——s un rn — — nn 


Beiträge zur griechischen Grammatik. 35 


Fasse ich also zusammen, so ergibt sich ganz klar,. daß die 
klassische Zeit, abgesehen von den oben S. 32 angeführten Resten, 
diese Verbalkomposita nur noch als Stilmittel gebraucht. Dabei 
ist der Typus zegyiußgorog früher aus der Mode gekommen als 
der Typus doy&xaxos. Das ist leicht begreiflich. Denn Komposita 
von der Art wie dox&xaxog standen andern Zusammensetzungen 
näher und fanden durch Umbildung von -e zu -o, wie in getËo-, 
Aıno-, pivo- usw. leicht Anschluß an ähnliche Bildungen: Da- 
durch wurden sie lebensfähiger, während Komposita mit ot: ganz 
isoliert standen. Ehe ich aber auf den Typus tegwiußgotog ein- 
gehe, möchte ich einige andre Verbalkomposita betrachten, die, 
wie ich glaube, heute kaum richtig aufgefaßt werden. 

Seit Homer geläufig sind zahlreiche Komposita mit avv- als 
Vorderglied, . wie TaviyAwo00os, Tavvrhans, Tavvrıregvß, Tavvgaıdos 
(Hesiod), savdopvoog') usw. In diesen Bildungen sieht man heute 
allgemein das Adjektiv *ravós, das verbal umgedeutet wurde, so 
Brugmann-Thumb, Griech.Gr.*199, ähnlich auch Debrunner, Griech. 
Wortbildungslehre 71. Diese Lehre geht auf H. Weber, ob. X 252 
zurück und ist dann durch Osthoff a. a. O. 148ff. weiter ausge- 
bildet worden. Man übersetzt demnach travúztegos (Hesiod) „mit 
ausgebreiteten Flügeln“ gegenüber verbalem zavvoı in Tawvointe- 
005 (Homer) „„Hügelbreitend“*. Dazu beruft man sich auf die 
Komposita mit uo, im ersten Gliede wie gYıAd£evos, wo eine 
gleiche verbale Umdeutung eingetreten sein soll. Da neben ta- 
vuhans ein etwa gleichbedeutendes zavanxng liegt, so scheint die 
Deutung für sich zu sprechen. Aber man muß dem entgegen 
halten, daß es im Griech. ein Adjektiv *r«vög überhaupt nicht 
gibt. Es ist lediglich auf Grund der verwandten Sprachen und 
aus. zavv- erschlossen worden. Üblich ist dafür vavads‘). Zweitens 


!) zaviopvoos und zavipvilos bei Bacchylides beruhen auf Dissimilation 
vou v— v zu ı—v, wie bereits Niedermann, Berl. Phil. Woch. 1907, 472 und 
1911, 1040 ausgesprochen hat. Das ist mit Unrecht von Ehrlich, Idg. Sprach- 
gesch. 26; Fraenkel, Denominativa 35, Anm. 1 und Brugmann, IF. XXXVIII 1181. 
bestritten worden. Inzwischen sind neu dazu gekommen aus Hesiods Frauen- 
katalog Oxyr. Pap. XI 46 Ire 1s zawsopdvow (s. auch Gl. XI 228), aus Ibykos 
frg. 1ıı (User, Pap. XV 77, Diehl 311) zavi[op]ve[ov], aus Sappho frg. 558:s 
des log Zeen, 

2) zavads ist auf die Poesie beschränkt und selten. Außer Homer und den 
Hymnen steht es nur bei Simonides frg. 1451, Aristeas frg. 2, Empedokles frg. 
845,11, Euripides Bacch. 455, 831, Orest. 322, Menander Sam. 111, Apollonius 
Rhodius I; 1192, IV; 30, 602. Von Spätern sehe ich ab. Ebenso ist es in der 
Komposition auf das aus *zravadnoda entstandene zavadmoda (Bechtel, Griech. 
Dial. 1234), zavaddeıpos Aristophanes Av. 254, 1394 (Chor), Empedocles frg. 

3% 


36 F. Specht 


macht auch die Bedeutung gewisse Schwierigkeiten. Die außer- 
griechischen Entsprechungen weisen alle auf den Begriff „dünn, 
zart“, höchstens „schlank“, nicht aber „ausgebreitet“, während 
man bei den Komposita mit ravv- überall mit der Bedeutung 
„ausbreitend '), ausstreckend“ auskommt. Zudem liegt neben tavv-, 
wie schon bemerkt, ein rein verbales gleichbedeutendes zavvor-. 
Da zavv- verbale Kraft hat, was noch niemand geleugnet hat, so 
sehe ich keinen Grund, derartige Komposita von solchen wie 
doxexaxos, ralanevdns, TAnnıdieuog u.a. zu trennen, zumal sich 
noch andre Parallelen daneben finden. Das heißt, als Vorder- 
glied fungiert der einfache Verbalstamm. Nun ist das Präsens 
nicht bloß im ai. tandti?), tanute athematisch, sondern auch bei 
Homer steht neben dem nach der ö-Flexion umgebildeten tævúw 
noch athematisches zdvvraı”). Demnach verhält sich doy&-xaxos 
zu dexe-taı wie tavú-ntegos ZU Tavv-raı oder wie ty- zu An: 
ntöieuos oder ai. sthä- zu sthä-rasman. Allerdings möglich wurde 
diese Bildung im Griech. erst dadurch, daß der Präsensstamm 
tavv- durch das ganze Verbum durchgeführt und so als reiner 
Verbalstamm empfunden wurde. 

Die gleiche Bildung wie in den Komposita mit zavv- liegt 
nun vor in dem delphischen Eigennamen ’Eovundos (Coll.-Becht. 
220255), den schon Bechtel a. a. O. 167 zu einem *čọvuı oder 
*r£gvuı „schütze“ gestellt hat. Da man dieses 2gv- schwerlich 
von der Wurzel in ai. várūtha-*) trennen kann, so wird man 


122, zavasnıs und tavanans beschränkt; zavavpi; Sophocles Trach. 602 ist 
Konjektur. | 

ı) Eine Bedeutung „dünn“ für zavv-, die sich aus der Grundbedeutung 
hätte leicht entwickeln können, läßt sich kaum nachweisen. Nur die Lexiko- 
graphen haben Spuren davon, z. B. Hesych zavörgıya' daovsoıya, Aentdrpıya 
usw. Da mag die interpretation AZenzdıgıya aus Stellen wie Semonides frg. Ve 
¿Ë bós tavöıpıyos gegenüber Hesiod Op. 516, alya tavsrgıya, wo nur von 
einer daodıeı& al& die Rede sein kann (vgl. noch Simias frg. 14: daodrpıyos 
iEdAov alyös), oder Simonides frg. 6s zavvrıepöyov uvlas und dem epischen 
tavavnoda uña entstanden sein. 

3) Ai. Zandti ist idg. * tən-éuti, da ein * tən-neuti ai. *tänoti hätte ergeben 
müssen, ob. LV 168 und Anm. 1. Wahrscheinlicher ist mir aber wegen ravads 
die Grundform */sn-duti. Dann besteht zwischen zavads und tanodti das gleiche 
Verhältnis, wie zwischen dhrsnü- und dhrsnöti (Fröhde, BB. IX 125). Hesych 
hat allerdings auch ein zaven' dnorerauevn und votre: Enseraudvnv čyovti 
mv dnuiv. 

3) Bereits Clemm aa 0. 7 hat entsprechend seiner ganzen Auffassung 
derartiger Verbalkomposita in zavv- reinen Verbalstamm gesehen. 

t) Ich verweise wegen des schwierigen Anlauts auf W. Schulze, Qu. ep. 
326 Anm. 3; Solmsen aa O. 168f. 245f. und Jacobsohn, Hermes XLV 99 Anm. 1. 


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Beiträge zur griechischen Grammatik. 37 


Eöovusilog aus Thespiai (I. G. VII 1779.) ebendahin rechnen 
müssen, zumal mit synonymem Vorderglied ein Zaúógedos aus 
Lebadeia daneben steht. Bechtel a.a. O. 180 sieht in Eöpdueıkog 
schwerlich mit Recht eögds. Solmsen, Studien z. griech. Laut- 
und Verslehre 168f. führt eögvos- in Eögvollaos auf Ergvaliuos 
zurück. Wahrscheinlicher ist mir, daß veru- zu eùọv- umgestellt 
worden ist, wie in dem gleichklingenden eögds < *verus zu ai. 
urú-*)\, Komparativ várīyas- und váras- oder wie in *vlkos zu 
Avnog. Auch in Eigennamen, wie Eödovölxna, Ebgödeuıs, Ebogvör- 
nos, Eögvnvios, Eögdiews, Ebogüloxos (Bechtel, a. a. O. 181) wird 
man das gleiche eöov- sehen müssen. Besonders deutlich wird 
das für EögdAews, das neben sich ein Eögvoliaog hat. Also ver- 
hält sich eöev- ` edgvaı- = ravv- : ravvor-. Schließlich liegt die 
gleiche Bildung noch im thessal. Xavúůaos, Bechtel 464 vor, wo 
der erste Bestandteil zu gavveıw- Bov Hesych gehört. Man muß 
wieder nur Übertritt von der athematischen in die thematische 
Flexion annehmen. 

Das Nebeneinander von ravvar- und zavv-, eögvar- und eögv- 
hat dann auch zu ’Agrvollews die Neubildung AgröAas u.a. her- 
vorgerufen, obwohl bei derdw niemals athematische Flexion vor- 
handen war. Bei ’Eontvu&vns wird man ähnlich schließen müssen. 
Nur fehlt hier zufällig ein Kompositum mit *èọņtvoi-. Reiner 
Verbalstamm, der genau zu Bildungen wie tarv- stimmt, liegt 
auch vor in Ayaxi£ns neben Ayaoınlis, Ayacdevns neben Ayao- 
ogEvns zu dya-ıaı, raldpowv neben rainoipewv”) zu rald-couı 
u. a. oder Tel&dwpos neben reisoıovpyds zu ursprünglichem *ré- 
Acu, Dacvixns zur zweisilbigen Wurzel pde (= Aorist) (s. u. S. 59) 
neben gasolußgoros’). 

Neben doy&xaxos, talanevdns, TAnntöieuos, tæavúztegos, Te- 
A&öwgog usw., die alle den reinen Verbalstamm zeigen, der bei 
athematischer Flexion mit der Wurzel identisch ist, besteht als 


1) Vgl. darüber auch M. Bloomfield, Language 188ff., der den schönen 
Nachweis bringt, daß w-Adjektiva mit w in der Wurzel idg. im allgemeinen 
gemieden wurden. 

23 Weshalb za/aoipyew» nach M. Leumann, Glotta XV 154 jünger als 
aidyew»v sein soll, ist mir nicht klar. | 

3) Man könnte auch geneigt sein, die Hesychglosse neiedodvıov' noAv- 
pdepaxo» hieherzustellen, indem zeie- die reine zweisilbige Wurzel gleich ai. 
pari- darstellt. Aber zmoZ2ugpdonaxos ist nichts weiter als antike Interpretation 
des Gebirgsnamens IleAedodvıov, dessen ursprüngliche Bedeutung nicht sicher 
ist. Zudem ist das Interpretament roAvpdeuaxov Konjektur, so daß die ganze 
Sache höchst unsicher bleibt. 


38 F. Specht 


besondre Bildungsweise der Typus reowiußooros, Eixeoinendos. 
Wegen hom. ßwrıdveıga hat man das Element -os- auf te zurück- 
geführt, ohne daß man in der Beurteilung des ct zu einer ein- 
heitlichen Auffassung gelangt wäre. Gegen diese Zurückführung 
von -oı- auf -zı- hat sich nun Meillet a. a. O.') ausgesprochen. 
Er hält ø in at für ursprünglich, sieht darin ein altes Deside- 
rativum und vergleicht mit oa in Avausing s in ai. däksu-, 
ninitsü-. Gegen Brugmann, der in -aı- alte -t-Stämme sehen 
wollte, wendet er ein, daß in ozdoıg gegenüber Irnalußgoros die 
Ablautstufe nicht stimmt und in reıolußgorosg bei alter z-Bildung 
wie in zmíot ein *ruorlußooros oder *neisriußooros zu erwarten 
wäre. Er führt demgemäß Bildungen wie ralaı- in zaZ4alneoos, 
ralaipewv auf *ralacı- zurück und sieht in zaiaolpewv, das 
neben reiaipowv besteht, eine junge Neubildung. Prüfen wir 
seine Einwände! Was zunächst die Bedeutung angeht, so ist von 
einem desiderativen Sinne des Typus teowiußeorog nichts zu 
spüren. ßwtidveipa ferner, das wegen des erhaltenen -«- ent- 
schieden gegen seine Hypothese spricht, hat er BSL. XXV 103 
(1924) zu beseitigen gesucht, indem er das t wie in ßordvn, Boröv 
aus innoßdeng < *innoßor für übertragen erklärt. Aber selbst 
wenn Meillet hier im Rechte sein sollte, was ich bezweifle, so 
bleibt noch immer ’OgriAoxos neben ’Ogaikoxos, Wackernagel, 


Sprachl. Unters. zu Homer 236 Anm. 1, &ọuenńs, W. Schulze, _ 


Qu. ep. 159 Anm. 1, de&taıyuos Bacchylides 164: und Wackernagel 
bei Blaß zu der Stelle, vielleicht auch ßnrdouwv (Bechtel, Lexi- 
logus 81f.)°). Weiter ist tıivaxtonńânņė: oeroółfopos Hesych hierher 
zu rechnen, wo tivaxto- aus tivaxti-, Wie uso- aus uei- um- 
gebildet ist”. Schließlich hat -zı- im ai. dätivära- u. a., Wacker- 
nagel, Ai. Gram. II 1, 320 seine außergriechischen Entsprechungen. 

Was zunächst das Verhältnis von zalaı- zu taůĥaoı- angeht, 
so hat taĝaı auch andre Erklärungen erfahren. An die Gleichung 
Fick-Bechtels zalaı = got. pulai vermag ich allerdings nicht zu 
glauben. Über Komposita auf -ai im ersten Gliede hat dann aus- 


1) Auch Bechtel, der die Komposita auf -o;- mit s-Aoristen in Verbindung 
bringt, sieht offenbar in o, ursprüngliches s. Vgl. 148, wo er für "Eyepoıs ein 
*"Eyepoluaxos zu Re und für 'Eyeorios ein *’Eyegriuayos zu *eydgrns 
voraussetzt. 

2) Anders Brugmann, Ber. Sächs. Ges. Wiss. 1899, Bd. LI 199 Anm. 1. 

3) Williger, Sprachliche Untersuchungen zu den Komposita der griech. 
Dichter des 5. Jahrhunderts 36 Anm. 2 sieht in zıwaxronnAn& Künstelei eines 
späteren Dichters. Das beruht auf der falschen Auffassung von zivaxso- als 
Participium Passivi. 


_ a —  .. s N T = E u 


Beiträge zur griechischen Grammatik. 39 


führlich E. Fraenkel, ob. XLII 114ff. ‚gehandelt. Für gewisse 
Komposita mag er im Recht sein. Bei taa: muß ich doch Be- 
denken hegen. Wackernagel hat Vermischte Beitr. 9 die Mög- 
lichkeit - ‚erwogen, oi, als Kompositionsform von aAagos zu 
fassen, wie ähnlich schon vor ihm W. Schulze, Qu. ep. 30 Anm. 2. 
Aber ‚dazu stimmt nieht hom. xalipowv, xalıpooovvn, yakıpgove- 
our, ` für die man dann xalalpew» usw. erwarten müßte. Aler- 
dings sind aus späterer Zeit Komposita mit yaAcı- vorhanden, 
so Nikander Ther. 458 ‘Hoaloroıo yañainoðos. Auch ya4aioumos 
gehört hierher. Wie das Verhältnis zwischen oi. und xalaı- zu 
deuten ist, bleibt schwierig. Neben zaZar- stehen za4a-, raiaoı-, 
Län: tqo, aber nirgends ein *taæñı-. Dieselbe Doppelheit wie’ 
, zwischen xada- und yadı- findet sich nur zwischen xgarei- und 
xoatı-'), z. B. xoatalnedov, kret. xagralnovs und Koazlönuos, 
Kapuödues, Bechtel 256. Hier ist die Form auf -i ohne weitres 
klar. Sie gehört zu dem bekannten Wechsel zwischen -r-, -n-, 
-s-Stämmen, Fraenkel a. a. O. 124 Anm. 2. Aber zu zoiogde hätte 
die Kompositionsform doch nur yaAaı- lauten können, da ich W. 
Schulzes Ansicht, Qu. ep. 30 Anm. 2, nach der zweisilbiger Wurzel- 
vokal vor i erhalten bleibt, für durchaus gesichert halte. - Dann 
könnte zait trotz seines viel früheren Vorkommens nur analogi- 
sche Umbildung für zeigt. oder yala- sein.. Vorbilder gab es 
schon. Für xaAıpeoodvn verwendet Apollonios Rhodios in gleichem 
Sinne IV 356 Aa$ıpooovvn, wo Aadı-.zu Ad$en völlig in Ordnung 
ist und auch durch hom. Audıxndnsbezeugt wird. Da Andıpoooden 
nicht erst von Apollonios erfunden zu Sep? braucht, sondern viel 
älter sein kann‘), so wird nach diesem Vorbild die Umgestaltung 
erfolgt sein. Schließlich halte ich es nicht für ausgeschlossen, 
daß dabei auch die Doppelheit agazaı- und xgazı- mitgewirkt 
haben kann, zumal da xgarı- und yaZ in einem gewissen gegen- 
sätzlichen Verhältnis zu einander stehen. Ñ 

Fraenkels Einwurf gegen Ableitung von zaZ4ar aus Sint 
ob. 123 Anm. 1, wonach der zweisilbige Wurzelvokal in voie 
vor i hätte schwinden müssen, stützt sich nur auf das eine yaåt- 
p6w@rv.: Wenn er den Komparativen wie dgeliwv die Beweiskraft 
abspricht, so geschieht das mit Unrecht. Gewiß ist bei der Kom- 
paràtivbildung noch manches ungeklärt. Aber in dem Fall, um 
den es sich hier handelt, Hochstufe für den Komparativ, dagegen: 

D Ich verweise allerdings noch auf den mir unklaren ART I VEGI- 


uévns, Bechtel 391 neben Iveı-. 
2) Vgl. Hesych fadlgewv: dppwv, Enıihouwv. 


40 F. Specht 


Schwundstufe für den Superlativ, herrscht doch wohl allgemeine 
Übereinstimmung. Übrigens hat sich W. Schulze durch Fraenkels 
' Bemerkung nicht bestimmen lassen, von seiner Ansicht, daß zwei- 
silbiger Wurzelvokal vor £ erhalten bleibt, abzuweichen. Noch 
im Jahre 1912 hat er in seinen Vorlesungen unter Anführung 
weit reicheren Materials daran festgehalten. Ich führe hier nur 
eine, wie mir scheint, ganz schlagende Gleichung an. Das Grie- 
chische besitzt merkwürdige Präsensbildungen von zweisilbigen 
Wurzeln auf -alw, so 1203 x£oaıe, delphisch xegalzraı (BCH. 23, 
611), kret. Goll.-Becht. 4982, 4989, Aayaiev. Die spätere Dichtung 
hat gern davon Gebrauch gemacht, vgl. Empedokles frg. 35. 
xegaroußvoroıw, Nikander Alex. 178, 511 xegawduevov, Apollonius 
Rhodius II 628 xsdaıduevos, Nikander Alex. 458 xedaln, 545 xe- 
ôarouévns’), Ther. 425 xedawouevn, Arat. Phain. 159 xedawou£vovg, 
410 xedaıduevar. Aus den Grammatikern kommen noch hinzu 
xpeualw, dyalw, xalalo und wohl auch nalelw und oralalw. Vgl. 
Lobeck Rhem. 194, Herodian L. 1453, (aus Arcadius) und ebd. II 
4275, = Theogn. 1452. Man hat bisher diese Bildungen mit Joh. 
Schmidt ob. XX VII 294, Plur. 342, ob. XXX VIII 35 Anm., Solmsen 
ob. XXXIX 216 aus *xgodoto abgeleitet. Aber von einem o 
findet sich in diesen zweisilbigen Wurzeln keine Spur. Daß 
man aber das doppelte Sigma von xegdooaı dafür in Anspruch 
nehmen darf, ist nach den Ausführungen W. Schulzes ob. XXIX 
267ff., XXXII 126ff. unmöglich. Dagegen stimmt zu den griech. 
Bildungen auffallend ved. vareydt, das nur auf ar. *varə-iyāt zurück- 
geführt werden kann’). Demnach können xepalw, Aayalw, nedaio 
nur aus *xeg9-ıw, *Aays-ılw, *xeda-ıw entstanden sein, und man 
hat aus den Gleichungen zu lernen, daß zweisilbige Wurzeln ihr 
Präsens mit -iiö bilden konnten. Auf einen andern Fall hat 
W. Schulze selbst Berl. S.-Ber. 1911, 755 hingewiesen. Es ist 
äol. reielw, das nicht wie die gleichlautende epische Form aus 
*zeleoım entstanden sein kann. Auch zelelo führt er auf *rele-uw 
zurück und sieht darin die gleiche Suffixbildung wie in: r&isıog 
< * Teid-ı10C. 2 

Meillets andrer Einwand, der Gegensatz zwischen ordaıs und 
Sinolußooros und zwischen zlorıs und zmeto[uBootos hat nur dann 
Geltung, wenn man der üblichen Erklärung des Typus zegwiu- 
Booros, die namentlich von Brugmann verfochten wurde und auch 

1) Daneben stehen aber auch die üblichen Bildungen auf Zo, wie Nikander 


Alex. 583 oxedödwv u. a. 
3) Ganz anders über vareyat Bezzenberger, Geras 196 Anm. 


Beiträge zur griechischen Grammatik. 41 


bei Debrunner, Griech. Wortb. 39 Zustimmung gefunden hat, bei- 
stimmt. Darnach liegen in den Kompositen alte -t-Stämme vor, 
die wie im Baltisch-Slavischen infinitivisch-imperativisch gebraucht 
wurden. Dagegen spricht grundsätzlich eins. Während die -ti- 
-Stämme in der Regel die schwächste Wurzelstufe zeigen, hat 
der Typus reowiußgoros, Eixeolnenios ausschließlich Hochstufe. 
Die wenigen Ausnahmen werden sich unten leicht erledigen lassen. 
Das muß ganz besönders deshalb betont werden, weil selbst ein 
Forscher vom Range Wackernagels, Sprachl. Unt. zu Homer 77 
von gSıorvwe, YYıolußooros behauptet, in solchen Bildungen sei 
der Diphthong unursprünglich und man müsse demnach mit metri- 
scher Dehnung rechnen. Um diesen Gegensatz zwischen Hoch- 
und Tiefstufe zu verstehen, hat man an den s-Aorist angeknüpft, 
mit dem scheinbar öfter die Nomina auf -tis in der Wurzelstufe 
übereinstimmen, wie in &gyıs und repwaı, xrjoıs und xTnoaodeı, 
Debrunner a. a. O. 39. Darnach soll dann auch ornaı- in Sryoiu- 
Booros statt ortacı- nach orëogt oder wAeolxapgnos nach dAkoaı 
entstanden sein, obwohl es ein *ö4soss ‚überhaupt nie gegeben 
hat. Debrunner meint dann weiter, daß auch homerische Bil- 
dungen auf eo, wie digpeolßorog, EAneolnenios, nınyeoluallog; 
taueoiyows, pasolußgorog dieses einzige &Asalxaprıog als Ausgangs- 
punkt haben, das selbst erst eine Nachbildung darstellen soll. Da 
es weder Aoriste noch ti-Abstrakta, wie die, Eixeo-, runyeo-, 
TauEo-, paeo- gegeben hat, so ist das alles sehr unwahrscheinlich. 
Dazu kommt noch ein zweites. Wie sich unten S. 64f. ergeben 
wird, steht &lxeoinenAog aus metrischen Gründen für * &lxnoine- 
mhos, ë4xeor- gehört also zu ixew EAnjow. Wie aber E. Schwyzer, 
IF. XXX 436 und im Anschluß daran Wackernagel, Sitz. Berl. 
Ak. 1918, 384f. gezeigt haben, sind fi-Abstrakta von abgeleiteten 
Verben wie îxéw zu homerischer Zeit noch ganz unmöglich. 
Weiterhin gibt es zu Verbalkomposita im ersten Gliede mit gev£t-, 
duër, gäegoot- Öwor-, eögnoı- u. a. weder Aoriste wie *gev£-, 
noch ti-Abstrakta wie *peväı- usw., so daß man auch wieder mit 
sehr verzweigten analogischen Neubildungen rechnen müßte. Auch 
dazu wird man nur schwerlich seine Zustimmung geben können. 
Indessen ist nicht daran zu zweifeln, daß der Aoriststamm ge- 
legentlich auf den Typus zegwlußeoros eingewirkt hat. Aber ehe 
ich darauf eingehen kann, muß ich das Material geben. 

Ich führe es nach dem Alter der Überlieferung vor und be- 
ginne zunächst mit den Bildungen wie zegwiußooros, die ihr -or- 
Ger) unmittelbar an die Wurzel hängen ohne scheinbare Ver- 


42 F. Specht 


mittlung eines ë. Die Eigennamen gebe ich besonders am Schluß. 
Komposita die außer bei Homer auch bei späteren sich wieder 
finden, führe ich in der Regel nicht wieder an. Auch wenn das 
erste Glied einer solchen Zusammensetzung mit verschiedenen 
zweiten Gliedern verbunden erscheint, habe ich oft, namentlich 
bei den Eigennamen, darauf verzichtet, sämtliche Einzelfälle vor- 
zuführen. Kurzformen habe ich überall absichtlich bei Seite ge- 
lassen. Es finden sich also bei Homer degainovs zu deg-, dotienis 
zu ag-, Boridveıga zu Bo-, nAndınnog zu niny-, Önsnvogln, dng: 
og zu 6ny-, Teowiußoorog Zu Teon-, YVolLoos zu pv-, dxegoenöuns 
zu x£o-, schließlich Avoıueing zu Ad-, pIionvwo, PIioiußgoros zu 
eier Die beiden letzten Bildungen könnten an und für sich: 
als metrische Dehnungen gedeutet werden, da sie mit Kürze nicht 
in den Vers passen. Aber Joo als erstes Glied solcher Kompo- 
sita hat auch außerhalb des Epos Länge. Dazu wird sich unten 
ergeben, daß diesen Zusammensetzungen mit ot überall die 


starke Wurzel zukommt. Demnach muß das überlieferte poh- 


voga, pYıolußgorog in pFEiohvoga, pFeıolußoorog geändert werden. 
Bechtels Vorschlag Lexilogus 327f., *p9ıoonvwg zu schreiben, 
kann ich nicht zustimmen. 

Aus Hesiod kommen neu hinzu Boiodeuerog (Scut. 441) zu 
ßoi9-, aus den homerischen Hymnen Anolußoorog zu 4n9-, xAe- 
wipowv zu dent: dgolnovs zu do- < deg-, aus Pindar duevorenns, 
duevolnogogs zu dusv-, dvaßıpdauys zu dvaxı-, Öwälnnog zu 
dro, Ögointunos, 6goWwepis ZU óo-, neioıyalivog zu mer9-, ĝip- 
adynv zu din-, oeıclydwv zu Jer, sehr fraglich ist de£&lyvios zu 
de&- s. u. S. 50. Aus Bacchylides ddeıßdag zu der Öeflorgaros 
zu den- (Ödex-), Zosıw[liaos), Egeupindlas zu Egen-, HYelfıenns, 
HeiElußooros zu Yeiy-, neıolußooros zu zer, ostogizfon zu oet-. 
Aus den sonstigen Lyrikern: poıdadxnv zu poıx- (Arion íis, außer- 
dem frag. trag. unter den Adesp. 383 im Dialog), xapa&inovrog 
zu xagax- (Simonides 42,), ındinodog zu tnx- (Crates Diehl frg. 
71), ueıdövonos zu Aer: (Simonides 69,), negoentoils zu meo9- 
(Lamprocles 1ı), ecefaironayńs zu Geo- (Philoxenos e 18), xAvoi- 
doouag zu x4o6ó- (Timotheus Pers. 92), xaupıöiavlog ZU xau- 
(Telestes 34), mooðwoérargos zu ðw- (Scolion 24,). Aus Aischylos 
dond&avögos (Sept. 776) Korrektur G. Hermanns für dvaond£av- 
door zu &ozay-, BAawyipgwv zu Blaß-, deuonvwg zu der-, ÖmSidv- 
nos zu Önx-, Egeirpiroıyos ZU Egein-, xauıpinovs ZU xqauz-, Auger: 
uw» ZU UVN-, NAVOAVEUOS ZU nav-, neioißgorog ZU mer9-, iy- 


onos zu ġọin-, wÄmoındgdıos zu TÄn-, põegoyevýs zu ` pŠeo-; 


Beiträge zur griechischen Grammatik. 43 


pv&avoola, pv&iunia zu gpuy-. Aus Sophocles eviews (frg. 129) 
zu Cevy-, navolivnog (frg. 392) zu nev-.: Aus Euripides: yvwo- 
naysiv zu yvo-'). Aus Aristophanes ßvoadxnv (frg. 725K.) zu 
8o-, ISoavodvıvf zu Hoavo-, xergudiöduas”) zu xoay-, nAavoluaxos 
zu deu, orgesiuailog’) ZU 0T0Ep-, owolnolıs ZU 0W-, TONHNUEQEIV 
zu zoıß-. Aus den Fragmenten der Komiker: dyegowößniıs (Kra- 
tin frg. 62K.) zu dyeo-, dvefınwun zu x- (Kratin frg. 383K.), 
xayıdo@zıov (bei Pollux 7,71 und Hes.), xawınnödalos (Kaibel 
frg. com. S. 180f.) zu xan-, Ampıloyduodos (Ephip. frg. 14, K.) 
zu Anß-, xosuypıdeargoı (Com. frg. inc. 1198K.) zu xoeun-, xAao- 
avysvevonueı (Archippus frg. 45K.) zu x4a-. Aus den Rednern 
ueumluogos zu ueup-, Angınoxındv zu Aur", Aus Demokrit 
dusispıxoouin, duenpiıgvoueiv zu dusıß-. Aus Hesych duegaipewv 
Biaßeod zu dusoö-, dvnouswga' Zë dré tò Tobg xagnods dviévat 
zu N-. Yeoolxdwv Jeguaivwv yiv, xaiwv ZU Feọ-, xQougiÓóTu O 
xoovoiuétowv, xgovomusiogeiv‘ EAlınös uEeroeiv nal Evöcösg, xgouoí- 
Hvoov' uélos tt oÜros Exaleito zu x0000-, poadičwov: ÖLaoxento- 
uevov eis Len zu gpoaó-. Aus Bekkers Anek. Gr. 161, send. 
atta zu rıny-, dazu aus Athen. IV 1628 diveynaranngıyeveuog 
aus Hegesandros und aus dem gleichen Schriftsteller Athen. a. a. O. 
ovAlaßonevoılainıns zu nevd-. Die übrigen Schriftsteller bieten 
nichts Neues. Aus den Eigennamen gehören hierher: Axovollews 
zu dxovo-, AlErvwo zu dix-, ’Akllews zu dy-, Aorkınnos zu 
dony-, AoöınAlds zu dox-, Ayasdooc zu ¿g-, "Avaßnoliews (Homer) 
zu ßn-, Biewiönuos zu Gier: T'evaıoredın (Aristoph. Ekkl. 49) 


1) Dazu gehört scheinbar auch der inschriftliche Beleg yvöoıdixa, wie 
Hiller v. Gärtringen auf dem Gottesurteil von Mantinea lesen will. Vgl. auch 
Kretschmer, Glotta III 293. Trotz des koischen Namens I'»wolöıxos, den Bechtel, 
Griech. Dial. 1388 zur Rechtfertigung anführt, würde eine solche Bildung in 
der Sprache der Inschriften recht auffällig sein. Man kann auch nicht von einem 
terminus technicus reden. Aus diesem Grunde verdient die neue Lesung von 
Buck, Class. Phil. XX (1925) 137 und Introd.? 174 yvöolaı xaxpı dee gewisse 
Beachtung. 

2) Die Reduplikation, die offenbar intensive Bedeutung hat, ist auch sonst 
bei Aristophanes in diesem Worte ganz gebräuchlich, vgl. Equ. 285, 487, Ran. 
258, 264, frg. 79 K xexpd£ouas, Equ. 287 xaraxenpd£onuaı, Equ. 137 xexodxzmç, 
Equ. 304 [xara]xexgdxsa und oft intensives Perfekt xexpzya, vgl. auch Fraenkel, 
Nom. Ag. 1167. Die unreduplizierte Form findet sich nur Equ. 287 xedlwv 
und 487 in dem Substantiv “gdyov, aber beidemal immer in D Verbindung mit 
xaranenpddoucı, bzw. xexpdderar. ` | 

s) Vgl. noch orpewodınjoaı, oreewosınonavoveyia. ` 

#) Das mag Ablautsentgleisung sein, denn man pflegt die Wurzel als "Aen 
anzusetzen, Solmsen, Stud. zur griech. Laut- u. Verslehre 82f. © 


44 F. Specht 


zu yevo-, offenbar eine Komikerbildung, wie der Scholiast be- 
merkt „apa in» Avosoredinv eionraı“, Acıonvwe (Homer) zu deı-, 
Asv&löoros (Supplem. epigr. III 3611:) zu devx-'), "Eoäldıxos zu 
&oy-, Eiäldeus zu eöx-, Zeväiöduas zu bevy-, “Holodos zu %-*), 
Bvollews zu Do: Kievoruevns zu nÄev-, Kınoınnos (Homer) zu 
xra-, Aaupayógas*) zu Aaun-, Aeipúðgiov (Scolion 24:1) zu Asın-, 
Meëiäeoc zu ueıy-, Mnoleoyos zu unöd-, `Ogotlãoyos (Homer) zu 
óo-, ITäolunlos zu na-, IIga&iöauos zu noay-, 'Pnoldinos zu óm-, 
Imevoınoding zu onevö-, Stnolxogos zu orn-, Ta&iAoxos (Aristoteles 
lyr. frg. 34.) zu rex-, Teioıngding zu tei- (tiw), Teioldınos zu te- 
(< *grei-), Xonoldauog zu xon-, Xapoipılos zu Xag-. 

Diesen Wurzeln mit Hochstufe: dyeo-, det, deo- (@g-), 
dxovo-, dusıß-, dueoö-, duev-, Bien-, yevo-, ógr-, Öex- (ÖexX-), ógux-, 
&oy-, £oeın-, Ebx-, &x-, Geo, Gevy-, Ain: FEQ-, Zou, G-xeQ-, 
„Aav-, aien-, xAgu-, xoouo-, ÄEIT-, HEY-, MEUP-, dp: (Èọ-), 
TNAV-, me, TEOH-, zen, GEI-, ONEVÖ-, OTEEP-, tei- (2mal), z£oz-, 
eier: giäeg-, KOEUN- ; dony-, Pr-, Bo-, Hoi, Ôņx-, ÖIwH-, ĝw-, N-, 
KEXORY-, xtG-, Anß-, An9-, AnK-, und-, uvn-, 220 any; 240: TÀNY-, 
noeay-, Öm-, ÖNY-, OTN-, 0@W-, TNH-, TÅN-, xon-, wozu man auch die 
a-haltigen *) Wurzeln dy-, dAx-'), &vaxt-°), donay-, &p-, do-, dox-, 
BAaß-, xaun-, xar-, Jour: TaxX-, poaó-, xapax-, xag- rechnen 
muß, sind ferner die oben mit aufgezählten Gott, Bu-, 9%-, ¿oux-, 
Äv-, din-, tọiß-, pọix-, pù- gleichzustellen‘).. Sie zeigen zwar 


1) Vgl. Hesychs dedxeı" peovslLen. 

2) Vgl. noch #ozez%ç im Etym. Magn. 669-7. 

3) Bechtels (a. a. 0.275) Zweifel sind wegen Aaunaydoas kaum berechtigt. 

t) Unter diesen Wurzeln sind auch einige, wo a auf idg. n zurückgeht. 
Was aber von Wichtigkeit ist, das Griech. hat überall im Verbum das < durch- 
geführt, so daß vom griechischen Standpunkt aus eine andere Wurzelstufe als 
a gar nicht in Frage kommt. Das gilt auch für Gieg-, das nur dialektisch in 
substantivischen Ableitungen gelegentlich andern Vokal zeigt. 

6) Neben dAx- steht eine vollere Wurzelgestalt &ĝex-, deren ursprüngliches 
Verhältnis zu einander mir nicht klar ist. Vgl. de Saussure, M&m. 283 und 
282 Anm. 

° Ich habe hier auch o.-Bildungen von Denominativen, die nur gering 
sind, mit notiert, wie dvaxr-, donay-, gagax-. Dahin gehört ferner Ai. in 
dem späten &Aı&dxeows. l 

7) Auch bei den Bildungen, die sich erst aus späterer Zeit belegen lassen, 
steht die Wurzel gleichfalls in der Hochstufe, vgl. An&ınvgeros (spät. Med.) zu 
Any-, £gev&igolos (spät. Med.) zu £oevy-, xavoalwrns (spät. Med.) zu xav-, 
»vnolyovoos (Anth.) zu weg, xarapieslnoiıs (Anth) zu påey-, Eyepolyeiws 
(Anth.) u. a. zu &yeg-, vn&lnovs (Gram.) zu vnxX-, opvooronoındga (Luk.) zu 
zend-, Tewfdgıns (Batr.) zu rewy-, zgespixews (Aristot. bei Athen. VII 318b) 


Beiträge zur griechischen Grammatik. 45 


vom indog. Standpunkt aus keine Hochstufe, wohl aber vom 
griechischen, was ich hier nicht weiter auszuführen brauche. 
Auch ĝņ- und :/r-, die ich unter die langvokalischen Hochstufen 
gerechnet habe, sind es nur vom griech. Standpunkt aus. Da- 
gegen wird mân- Hochstufe sein, s. u. S. 106. Abseits steht og-. 
Es wird aber dadurch verständlich, daß das Griechische überall 
im Verbum bis auf die vereinzelten Hesychglossen geto: soundn, 
goco: dıeyeigov, Zoon' ögunon den ö-Vokal durchgeführt hat. 
Diesen zahlreichen Hochstufen stehen nun allerdings gelegent- 
lich Tiefstufen zur Seite. Davon ist wo- in zahlreichen Kom- 
posita, wie aischyleisch uı&oßdas, uěóðľęoos, uı&dußeoros einfach 
zu Geo") zu korrigieren, wie allein schon die Steine lehren, 
die nur usı&- kennen, vgl. Bechtel 302f. Nicht besser bestellt 
ist es mit dem gleichfalls aischyleischen gv&avogla, pv&lunia, die 
wohl im Anschluß an gvV&ıs und Yvyeiv mit v geschrieben sind. 
Daß aber auch hier geuf: das Alte ist, lehrt der Kerkidaspapyrus 
(P. Maas, Berl. Phil. Woch. 1911, 1011 u. 1214), wo frg. 3, (Diehl) 
peväın. überliefert ist. Auf gleicher Stufe steht das gleichfalls 
aischyleische (Ghoeph. 756) Aupovgla, das in Aeızpovgia geändert 
werden muß. Hier ist der Grund der Schreibung mit ı klar. Denn 
Aup- steht in seiner Bedeutung den zahlreichen Komposita mit 
Aıno- nahe, während Aap- im Kompositum sonst die Bedeutung 
von „fehlen, ausgehen“ hat. öooidıxog bei Herodot (vgl. ob. S. 33 
Anm. 1) ist wegen der Eigennamen mit ôw- auf Steinen (Bechtel 148) 
in Öwoldıxos zu korrigieren. Das scheinbar abweichende AootJeos 
neben sonstigem Awoideos erklärt Bechtel aa O. 140 sehr an- 
sprechend als Umstellung für gleichfalls geläufiges @eddoans. 
Namen wie saolöauos, die Bechtel 85 gemäß seiner Auffassung 
des ganzen Typus zu einem angeblichen *rdass stellt, können 
ebenso gut, da sie nicht ionisch-attisch sind, Länge haben und 
gehören demgemäß zu der Wurzel in fdonaı, dor. Goor, nvo- 
doduodoc aus Timotheus’ Persern 92 spricht gleichfalls nicht gegen 
die Regel, da das Griechische nirgends mehr in der Wurzel von 
#Avö- (xAdCw) Hochstufe kennt. Dasselbe gilt für die Hesych- 
glosse Q9guqp[yoos: Tovpeods zu tovo- und für die Komposita mit 
xgviı- wie xgvwivovs zu xoug-. Ähnlich wird das scherzhaft 
gebildete Komikerwort xAgoavxevevouaı (Archipp frg. 45 K.) zu 
beurteilen sein. Das Verbum, mit dem das Wort im Sprachgefühl 
zu zoen-, &pağíyeie (Anth.) zu doay-. Ebenso hat dvoıdalarıa (Anth.) zu óð- 


oben seine Entsprechungen. 
1) So schreiben auch jetzt mit Recht die neueren Herausgeber. 


46 F. Specht 


verbunden ist, kennt nur die Wurzelform xAao-. Der Zusammen- 
hang mit vdpue ist kaum noch empfunden worden. Ebenso steht 
es mit dem wohl gleichfalls von Komikern gebildeten xawıdew- 
tiov: eldog yırwvioxov Hesych (ob. S. 43) und xawınndalos zu 
xan-, wozu es im griech. Sprachgefühl keine Hochstufe mehr gab. 
Auch das seltene yagoı- in Eigennamen macht vom griech. Stand- 
punkt aus keine Schwierigkeiten. Neben der Wurzelerweiterung 
xaıpn- gab es das regelrechte yæọ- in Bildungen, wie hom. xrjg«ro, 
xexdoovro, xexapuaı (Eurip.), xagrös (Soph.). Von der Hochstufe, 
die in osk. herest u.a. erscheint, hat das Griech. keine Spur mehr. 
Auch Iroawıusvns aus Kreta für Iroewıu&vng erledigt sich leicht, 
da die Dorer nach der Grammatikerüberlieferung, die Ahrens, De 
ling. Gr. dial. II 117 vermerkt hat, ergoe, Toto, roden, Zoo 
statt oro&pw, comte, topo, te&xw gesagt haben, wohin auch die 
inschriftliche Überlieferung mit &rızgapiv, tedpeodaı, dnorgdyer, 
Bechtel, Griech. Dial. II 745 weist. Der enge Zusammenhang des 
tegrplußgoros-Typus mit dem Verbum, der allmählich im Griechi- 
schen aufkam, hat die Umbildung hervorgerufen. Wenig Wert 
besitzt die Hesychglosse deoauyeves' daxoi dré èx TÜV adyEvwv 
deöeadaı. Ihre Richtigkeit ist schon im Altertume angezweifelt 
worden, wie die Notiz bei Hesych unter ueoauxeves ergibt, wo es 
nach dem Interpretament heißt dré Toö u yoanıdov ueoadyeves 
...., vior dë dré Tod Ó yodpovar Öeoadyevss, oÓ xałñðs. Wegen 
der Konjekturen, die zu deoadxeveg gemacht sind, verweise ich 
auf Blaydes, Aristophanes fragm. 681, der schon richtig erkannt 
hat, daß bei Zugehörigkeit zu ðéw „binde“ nur ein *öncadxyn» in 
Frage käme. Es widerspricht ferner auch nicht &ußaaıxoiıns, das 
anscheinend nur aus Athenaeus XI 36, 469a bekannt ist. Er zitiert 
es aus Philemons Buch megl Artıxov Övoudıwv D yAwooav. Da 
im Texte der Akkusativ Zußaoıxoltav wegen der Endung -@» 
nicht attisch sein kann, so hindert nichts, ein &ußäorxolras anzu- 
nehmen. Das wird durch Petrons embasicoetas (Kap. 24 u. 26) 
und den zweimal belegten Akkusativ embasicoetan (Kap. 24) be- 
stätigt `). Demgegenüber hat ’Eußaolyvroos Batrachom. 137 als 
späte Bildung kein Gewicht’). Auch Zußaolxoıros, das die Lexika 
aus Manetho anführen, ist so zu beurteilen. Für den epischen 
Vers waren beide Wörter bei Länge des æ nicht geeignet. 


1) Die dorische Herkunft wird auch durch das Schlußglied -xoızas gegen- 
über duß@olxoızos aus Manetho bestätigt, Fraenkel, Nom. Ag. H 139. 

2) Über die Batrachomyomachie als späte Dichtung vgl. Wackernagel, 
Sprachl. Unters. zu Homer 188#:. 


Beiträge zur griechischen Grammatik. 47 


So bleiben als Rest nur einige Eigennamen. Es sind Mere- 
olAaos, das Bechtel 313 zu einem *uereoa: : vedinu: stellt und die 
kreischen /7ogdsollas, IIogreolius, die Fick-Bechtel, Person. 240, 
Bechtel 380 unter der Zustimmung Solmsens, Stud. z. griech. Laut- 
u. Versl. 94f. mit dem epischen IIowreoiAaos verbunden und 
gleichfalls zu zçoocímu, gestellt haben. ’Aveoiuayos, das Solmsen 
a. a. O. aus CIA. 1437, gleichfalls anführt, gehört einer Inschrift 
an, in der E sowohl e wie n sein kann. Inzwischen ist es von 
A. Wilhelm, Berl. Phil. Woch. 1902, 1098 und Beiträge zur griech. 
Inschriftenkunde 214 nr. 195 in Mväoluaxos geändert und Hiller 
hat in der Neuauflage CIA.I 937 diese Lesung aufgenommen. 
Außerdem hat Jacobsohn, Aoristtypus dito SA. 38, Anm. 53 ein 
Av&eoiiaos (= CIG. V 389,6) in gleichem Sinne angeführt. Aber 
es enthält im 1. Gliede das Wort &v$og und ist aus AardvIng 
durch Umstellung der Glieder entstanden. Vgl. Bechtel 55. Ich 
kann allen diesen Eigennamen kein allzugroßes Gewicht beilegen, 
zumal da es etymologisch gar nicht sicher ist, ob sie zu fut: ge- 
hören. Ich würde im Gegenteil wegen der Kürze des Wurzel- 
vokals behaupten, daß sie unmöglich damit verbunden werden 
dürfen. Die Inschrift, die nur aus dem Namen Merzeolluos 
besteht (BCH. XI 310 nr. 5), ist verhältnismäßig spät und auf 
karischem Boden gefunden. Sie bedarf unbedingt der Nach- 
prüfung. | i 

Jedenfalls können die zuletzt genannten Eigennamen den 
Satz nicht umstoßen, daß der tegyiußęoros-Typus Hochstufe in 
der Wurzel verlangt. Andre Verbalgruppen, die ich unten be- 
handle, werden das Resultat nur bestätigen. Der Einwand Meil- 
lets, ergo in Ztnolyogos stimme nicht zu ordoıs, beruht also auf 
einer falschen Voraussetzung. So wenig wie hom. ßovÄvrds mit 
Avrds zu vereinigen ist, W. Schulze, Qu. ep. 321, so wenig ist 
org. in Irnolgogos mit ordoısg zu verbinden. Auch der 2. Ein- 
wand Meillets, wonach es *neıozlußgoros oder *nıoriußgorog statt 
zreıolußgorog heißen müßte, erledigt sich leicht. Schon oben bei 
der Besprechung von xAaoavxevevouaı, kret. Irgawıuevng, xe- 
xoafıöduas war darauf hingewiesen worden, daß der Grieche den 
Typus. zegwiußgoros wegen des verbal gefaßten Vordergliedes 
gern mit dem Verbum in Beziehung setzt. Nun erfordert s-Fu- 
turum und s-Aorist genau wie reoyı- Hochstufe. Bei allen Verben, 
deren Wurzeln 'vokalisch endigen und ebenso bei allen auf Kon- 
sonanten ausgehenden Verbalwurzeln mit Ausnahme der Verba 
dentalia war also der Stamm zwischen s-Futurum und .s-Aorist 


48 F. Specht 


einerseits und dem Typus reet andrerseits identisch '),. Das hat 
offenbar dahin geführt, auch für * eroti- usw. mero- einzusetzen. 
Dem kam für das griech. Sprachgefühl zu Hülfe, daß scheinbar 
dear. zu deldw") gehörte, wie neıoı- zu neldw. Homer und Hesiod 
verwenden diesen Dentaltypus nur erst in Eigennamen wie Jel- 
cavdgos, Ieiońvwę, IIsıalorgaros, Ileıoıd6n. Das könnte aber 
Zufall sein. So erklären sich als Neubildungen Geo). Anoı-, 
ILELOL-, TVEQGE-, xAvor-, FÜoı-, umot-, onevaor-. Lehrreich ist das 
Nebeneinander von Aguoolias neben Apuo&iiuos, Bechtel 75 oder 
Sworxgdinsg neben Sosdıreing, Bechtel 415. Beidemal haben die 
beiden Aoristbildungen doudoaı — douösaı und oðoaı — ooldaı 
ihren Einfluß ausgeübt. In den Pindarhandschriften schwankt 
Pythien II, die Überlieferung zwischen dxeıgexöug”) und dxeo- 
oexdug. dxsıge- verhält sich dabei zu dxeooe- wie rege zu 
&xeooa. Auch hier wieder hat die doppelte Aoristbildung den 
Anlaß zur Umbildung gegeben. 

Ich hatte bisher nur Verbalkomposita betrachtet, deren Vorder- 
glied zu einem primären Verbum gehörte. Gleichfalls Hochstufe 
erfordern nun die abgeleiteten oder primären Verben mit einem 
zweiten volleren Stamm. Dabei ist für die Erkenntnis des idg. 
Ablauts lehrreich, daß der erweiterte Stamm auf -ë von intran- 
sitiven Aoristen nicht hierhin rechnet. Das meiste Material bieten 
die Eigennamen: &ynoixooog (Pindar), Aynolöauos, Aynollaog u. a. 
zu hyn-, Aivnoıußoötas (Alkman 1:3), Aivnolöauog (Pindar) gegen- 
über späterem Aiveoldauog zu alvn-. Auch hier hat die Neubildung 
aiveocı für ursprüngliches alvjoaı‘) zu alvnoı- ein aiven- neu 
hervorgerufen. Alonoınnos zu alpn-, »oarnoıßlas (Pind.), xọa- 
ınoluaxos (Pind.), xearnoınnos (Pind.), xoarnoinovs (Pind.) zu 
xoaTn-, xpornoıyoup- (Kerkidas 3,) zu xọotņ-, Kooumoiorgaros zu 
»ooun-, Avnınoläoyos (Kratin frg. 343 K) zu Avnn-, onoönoıkadon' 
Ñ tàs oùs Telßovon D èv tais dois toıßoue&vn Hes. zu onoön-, 
gpıAmoiuoAnos (Pind.), DiAnoldeos zu Yıln-, Aoaclðauos zu doa-, 
Boovrnonegavvog (Arıstoph.) zu Boovra-, ’Iaclöauos zu ia-, xuxT)ol- 
tepos (Aristoph.) zu xvxa-, Nixnollas zu vına-, “Ooumoikaos zu 
doua-, Tıumowngdınz zu tiuč-. gvolpoovss, was Dindorf und ihm 
folgend Weil Aischylos Hik. 757 für überliefertes zegipgoves in 
den Text setzen, ist lautlich auffällig. Hesych hat zwar ein pvor- 


1) Vgl. auch Brugmann, Sächs. Ber. 1899, Bd. LI 208 f. 

2) Vgl. Mahlow, oben XXIV 2931. 

8) dxeıpenduas kennt auch Pindar Isthm. 1» und Sophocles frg. lyr. 45. 
4) Vgl. Wackernagel, oben XXXIII 36. 


Beiträge zur griechischen Grammatik. 49 


pooves' nepvonu£vor ts pevas, Groo, das man mit Recht in 
pvolyooves geändert hat, schon um ihm die richtige alphabetische 
Reihenfolge zu geben. Was man erwartet, ist pvonoippoves zu 
pvoč-, aus dem mit Unterdrückung einer der beiden ähnlich 
klingenden Silben gvoipopoves hat werden können. Wegen Kier 
oltıRog: zu  xAeıcı- < xAereo-oı vgl. W. Schulze, Qu. ep. 281 und 
Anm. 3. Der Vollständigkeit wegen führe ich noch an Kwåvoavé- 
uas (Empedokles frg. 1511 154, 1551) zu xwiD-, EE 
zu xapır-"). 

Dagegen spricht scheinbar ee Ó cotor dy9oÓ- 
mous Hes., wenn man es zu dem hom. caóo stellen wollte. Aber 
dazu liegt ein zwingender Grund nicht vor. Neben dem von dem 
Adjektivum odog abgeleiteten ode hat es ein von géie < *owog 
abgeleitetes wdw, ocw gegeben, W. Schulze, Qu. ep. 397 ff. 
Ein primäres ode ist zwar angezweifelt worden, wird aber durch 
oWrng vorausgesetzt, Fraenkel, Nom. ag. 1107 (anders Eulenburg, 
IF. XV 138) und durch Zw- in dorischen Eigennamen, wo ow- 
nicht auf Kontraktion aus oao- beruhen kann. Unter Umständen 
liegt primäres ow- auch noch in o@co, Zowoa vor. Aber da diese 
Bildungen nicht vor dem 5. Jahrhundert belegt sind, könnte man 
in ihnen mit gleichem Recht die Fortsetzungen von hom. ode, 
2Zodwoa sehen. Es lag demnach ein primäres ow- neben gleich- 
bedeutendem denominativen oao-. Dazu kam noch der gleiche 
Gegensatz im Adjektivum zwischen oðs < *o@rog und odog. Das 
hatte nun zur Folge, daß auch dort, wo cw- allein berechtigt 
war, auch gao- (dor. o@-) eintrat: Ich verweise auf die zahlreichen 
Eigennamen mit Zao-, Sav-, Sa- im ersten Glede, die eine andre 
Deutung gar nicht zulassen. Für stw ist nach gleicher Analogie 
ein dvaoaolLeodaı (Salonius de dial. Epir. 96) eingetreten, Brug- 
mann-Thumb, Griech. Gr.‘ 73 Anm. 1. Ferner weist Fraenkel, Nom. 
ag. 1107 Anm. 6 auf oawtýọe, oawınela, die sich auf äol. Inschriften 
aus römischer Zeit finden, und ähnliche literarische Belege hin. 
In diesen Zusammenhang gehört auch oaoolußgoros für cwolu- 
ßooros. Wie weit sonst in den Kompositen mit owoı- im Vorder- 
gliede auch Kontraktionen aus oawor- stecken, läßt sich schwer 
entscheiden. In Tauromenion schließt beispielsweise das Neben- 
einander von IavAaog (Ooll.-Becht. 52191:ı) und Zwoıpdveog (ebd. 
Los, 12491538) 186), Sworpdvns (ebd. Ins), Swodvögov (ebd. 52191144), 
KEE (ebd. 5219176, 141, 187), ZIweiotparog (ebd. 5219 Isa, ı2s) 
die. Kontraktion von oawo- zu owor- aus. Ebenso kann dort Zw- 

3) Von später belegten Bildungen gehört hierher | (Aristot.h.a.). 
Zeitschrift für vergl. Sprach!. LIX 1/2. 


50 | | F. Specht 


in Sonolıs 52191ısı, Sondtgov 52191, , Sonaroog 5219 1ası, Iw- 
rein. 521911, u.a. nicht auf Kontraktion von oao- oder der- 
gleichen beruhen, sondern es ist den oben S. 37 erwähnten Kom- 
posita mit zavv-, dya-, tåņ- u.a. völlig gleichzustellen. 

Auch die primären Verben mit erweitertem Stamm haben 
in der Komposition stets die vollste Form: weinolußeoros (Pind.), 
MeAnoidauos zu uein-, IynolnoAız zu 0xn-'), edenowenns (Pindar 
und Aristoph.), Eögnoißıos, eögnelloyos u. a. zu edgn-, Övnolnolıs 
(Simonides frg. Aa aus Platons Protag.), ”Ovnolßıog zu 6vr-, 
Kıyfoınnog zu xıxn- (W. Schulze, Qu. ep. 123ff.). Darnach können 
Bildungen wie die&ixaxos, #apazóoa (Dosiadas Diehl frg. 1)  &uaq- 
toenýs u.a. nicht zum Typus regwiußooros gehören. Es sind viel. 
mehr die bekannten Umbildungen des Typus dox&xaxos ob. S. 31. 
Fragt man nach den Ausnahmen, so ist auch hier wieder zu be- 
merken, daß Bildungen auf -ņot usw. gelegentlich nach andern 
Gruppen des Verbalsystems umgebildet werden können. Aiveoı- 
für aivnoı- hatte ich bereits ob. S.48 erwähnt. Ebenso lehrreich 
ist edenor-. Pindar Olymp. 9so ist edgeoseng überliefert, aber das 
Metrum verlangt die Länge, die auch durch Aristophanes’ Nub. 
447 bestätigt wird. Ganz ähnlich ist die Behandlung für die 
später oft verwendeten edonoıloyeiv, edenoıloyia, über die Zucker, 
Philologus LXXXII 256ff. gehandelt hat. Er zeigt dort, wie 
eöonoı- der ältern Quellen allmählich durch jüngeres eögenı- er- 
setzt wird. Darnach ist auch eögeoixaxos Schol. zu Euripides’ 
Med. 407 zu edpnoixaxog zu korrigieren. 

Offenbar steht dieser Wandel im engsten Zusammenhang mit 
dem Ersatz von edeyue durch eügeue nach eögeors, vgl. Fraenkel, 
Nom. ag. I 187 Anm. 1 und die dort angeführte Literatur. Auch 
bei den -ua-Bildungen ist in alter Zeit nur Hochstufenvokal am 
Platze. Am frühsten zeigt das Dorische die Kürzung. So wagt 
nóua bereits Pindar Nem. 379°), gegenüber NÕUL Euripides Hek. 
392, Bacch. 279, ferner delph. éua (Coll.-Becht. 2561 Bso) und 
Sicilien (ebd. 3246); vðeua Argolis Coll.-Becht. 3839,, , Rhodos 
IG, XI 1, 642:, Kreta (metrisch) Coll.-Becht. 5084; dvddena 
Messenien (Coll.-Becht. 4689ss, s9); &xxdena Kos (Coll,-Becht. 


1) Komposita wie dox&öwgos, Kaibel, irg. com. 190 < *dvoyedwpos 
(Kretschmer, ob. XXXVI 267), Iy&uaxos, Bechtel 413 gehören natürlich zu dem 
‘Aoriststamm'oyeiv, wie dan&dvuos zu daneiv, EAentolıs zu &leiv, Aındvavs zu 
Are, puydßevos zu Yvyeiv, Aaytuoıpos zu Aayeiv, Töxavdoos zu :zuyeiv, 
Eygenddosnog,. Eypeudyxn zu Eygkodaı, TAırdunvos zu dire, Aapina zu Aaßeiv. 

- © °) Vgl, die Nachahmung bei Kallimachos ¿> zduarı Oxyr. Pap. XI 85 frg. Le, 


Beiträge zur griechischen Grammatik. 51 


370561762), Örrexdeua „Ergänzungsrechnung“ Messenien (Coll.- 
Becht. 4689s), dvdösue Messenien (Coll.-Becht. 468922); ege 
Kos (Coll.-Becht. 3627: 362916). Selbst auf ionischen Steinen 
findet sich, wenn auch nur ganz vereinzelt, schon der gleiche 
Lautübergang, IG. XII 5, 1076» dvadesudıwv, ebd. 10801: òpe- 
[uátwv]. ‚Vgl. noch m Sprachl. Unters. zu Homer 76 
Anm. 1. 

Wird so eöesor- neben ebeno- ohne weitres verständlich, so 
bedarf doch der vereinzelte Eigenname ‘HyeolAews, Bechtel 189 
neben den zahlreichen regelmäßigen Bildungen mit Annet. Bechtel 
a. a. O. noch einer Besprechung. Das angebliche *py&oaodeaı, das 
Bechtel wegen yeor- erschließt, hat es nie gegeben. Aber óyéouat 
zeigt auch sonst eine Eigentümlichkeit in der Wortbildung, mit 
der yeoı- unmittelbar zusammenhängt. Neben regelrecht geb. 
detem Aynidlo, Ayntwo, Aynıno, dem späten fynua und den 
Weiterbildungen dazu steht auffälliges hyeu®ov mit seinen Ab- 
leitungen statt *Aynuwv. Denn die Nomina agentis oder Adjektiva 
auf -uwv zu Verben auf -ew oder -aw haben sonst -nuwv, uwr, 
vgl. dnAnuwv (Homer) zu dmAkouaı, vońuwv (Homer) zu vocw, 
ainuwv (Homer) zu goua, &ienuwv (Homer) zu &iedw, dv$nuwv 
(Nikander) zu dv9&w, dazu die aus späterer Zeit oder nur durch 
Lexika überlieferten dßaxnuwv zu áßaxćw, veueonuwv ZU veucodo, 
Grënn zu òtåéw, tnońuwv zu ıno&w. Ebenso tritt -uwv bei 
Verben, die auch einen Stamm auf -ë besitzen, an diesen: Gie- 
ornuwv (Nikander) zu BÄaorn-, uelednuwv .(Archilochos, Empe- 
dokles) zu ueleön-, uaxhuwv (Homer) zu uexr-, dAuruwv (Homer) 
zu dir: &$eAnuwv (Plato) !) zu 2$eAn-, danuwv (Homer) zu óan-. 
Wie das daneben stehende dafuw» oder hom. řôuwv gegenüber 
späterem eiönuw» lehrt, kann in diesem Falle -uwv auch an die 
bloße Wurzel treten. Nach Ausweis des Ai., das die Entspre- 
chungen von griech. -ua, -uwv nur unmittelbar an die Wurzel 
hängt und daher Ableitungen von sekundären Verben mit diesen 
Suffixen nicht kennt, wäre das sogar die ursprünglichste Ver- 
wendung, Wackernagel, Sitz. Berl. Ak. 1918, 384 Anm. 1. Bei 
alönuwv, das seit Xenophon gebräuchlich ist, Lobeck, Proleg. 160, 
statt *aiðésuwv mag man an die oft nahe Berührung zwischen 
s- und e Stëmmen erinnern, wie dvdos — åvðéw oder in andrer 
Weise &uparıns — paviivaı. Auch die späten åyðýuov und 297uw» 
(Hesych) gehören hierher. Ganz isoliert in seiner Bildung steht 
das allein durch e 118 überlieferte CnAmuoves. Aus den Scholien 


3) Hesiod hat dafür &deAnnög < *edeAnuvds.. | 
js 


52 F. Specht 


erfährt man, daß man im Altertum auch drAnuoves hat dafür 
lesen wollen. Das beweist, daß man schon damals das Wort 
nicht mehr kannte. Die Annahme einer 3-Erweiterung, wofür 
W. Schulze, Qu. ep. 249f. Beispiele gesammelt hat, scheitert daran, 
daß SönAnuoves nur als Ableitung zu ños angesehen werden kann. 
Aber dazu ist eine -Erweiterung ganz undenkbar. Denn nach 
dxoeuwv zu dxgos, doreuwv zu dorós (alow) wäre das Ergebnis 
nur *Eni&uoves gewesen, das für den epischen Vers keine Schwie- 
rigkeiten gemacht hätte. So sehe ich nur eine Erklärungsmög- 
lichkeit. Das Kompositum Zn/idrvnog lehrt, daß eine Verbindung 
Ehhe drem dem Griechen nicht ungewöhnlich war. datts 
heißt nun bei Homer im Gegensatz zu ßaAlsıv das „Treffen“, 
„Schlagen“ im Nahkampfe (Lehrs, Aristarch ° 51ff.). Wenn auch 
nicht synonym mit zönzeıw, so kommt ihm doch Tour dem Sinne 
nach oft sehr nahe. Dazu kennt Homer 7886 die Weiterbildung 
Nuoves. Ich fasse nun &nAnuwv einfach als Kompositum von &74(0-) 
und uwv, das in seiner Bildungsweise genau hom. noAlvxınuwv 
oder navannuwv (Hesiod Op. 811) entspricht. Allerdings bedarf 
es da noch einer Bemerkung. In dem Vers e 118 
oyétãiol Lore, Yeol, Eninuoves Eoxov dAlwv, 
of re Yeais dydaode nag dvöpaoıw ebvdLeodai 

kann £nAnuoves nur „neidisch“ heißen, während es nach meiner 
Erklärung „Neid schleudernd, verursachend“ heißen müßte. Nun 
schwanken die Scholien, ob nicht önAnuoves als Vokativ zu fassen 
und mit col zu verbinden sei. Das hätte den Vorzug, daß das 
ungewöhnliche Asyndeton zwischen oyerkıoı und Gninuoves be- 
seitigt würde. Denn asyndetische Anreihung ist bei mehreren 
Adjektiven homerisch nur häufiger, wenn sie Bestimmungen zum 
gleichen Substantiv sind’). Bei dieser Auffassung könnte ÖnAnuoves 
auch zur Not als „Neid verursachend* wiedergegeben werden. 
Aber diese Interpretation ist kaum nötig. Eine Verbindung eol 
SnAnuoves „Neid schleudernde Götter“ setzt voraus, daß die Deal 
CnAnuovesg selbst EnAdrunos d. h. „vom Neid getroffen sind“. So 
ist gerade in dieser Verbindung ein Bedeutungswandel leicht ver- 
ständlich, zumal die alte Komposition dem Griechen kaum noch 
klar war. deuönuwv, das gleichfalls nur einmal T' 56 belegt ist, 
führt W. Schulze, Qu. ep. 88 und 249 auf *dedrejpnuwv zurück. 
Das setzt allerdings voraus, daß deıdnuw» die ursprüngliche Vokal- 


1) Richtiger ist vielleicht $nAnuoves substantivisch zu fassen, zu dem dann 
oy&rkıoı als Adjektiv gehört. 


Beiträge zur griechischen Grammatik. 53 


stufe des gleichbedeutenden maskulinen Partizipiums Perfekts') 
übernommen haben muß. 

Dagegen ist -euwv sehr selten, Lobeck a. a. O. 159. Außer 
den schon genannten dxgeu@» und dor&uw», die Ableitungen von 
ö-Stämmen sind, aber in ihrer Bedeutung abseits stehen, nennt 
Lobeck neben Aysuwv nur xndeuwv und dygeusv „Jäger“ für 
sonstiges dygevrig. dyo&w ist aus *dygsuı umgestaltet. Daher steht 
dyosu@v im Grunde mit telauov, TAnuwv, nolvaınuwv, yvouwv, 
daluwv, nAeduwv, podduwv u. a. auf gleicher Stufe. xndeuwv 
gehört zu xndoucı und verhält sich zu mleduwv, podduwv usw., 
wie gıl&w zu dyye&iiw (W. Schulze, Z. Gesch. lat. Eig. 435) oder 
wie ai. devaydti zu vithurydti. Dann kann nach alledem Ayeuw» nur 
zu einem primären */yw gezogen werden, von dem sich aber 
sonst keine Spur findet. Mit „y&ouaı in der Bedeutung, wenn 
auch nicht syntaktisch, deckt sich vielfach dyw, das in seinen 
Ableitungen gern als 2. Kompositionsglied Verwendung fand. Be- 
kanntlich wurde in diesem Falle in der Kompositionsfuge < ge- 
dehnt. Ich verweise auf öxer-nyds, orgar-nyds, dex-nyEıns, xvv- 
NYÉTNS, EÖ-nyeoln, nuv-nyereiv, dOX-NyEreiv, dox-nyeredeıv, OTOAT- 
nyeiv, Xoo-nyelv, orgaT-nyla, OTERT-NYyLov, POQT-NYLKÓS, TTEQI-NYNS, 
Wackernagel, Dehnungsges. 39. Besonders bei Bildungen wie 
xoo-nyeiv oder segı-nyng konnten -nyeiv und uge im Sprach- 
bewußtsein auch zu Ayeiodaı gezogen werden. Daß dadurch 
gegenseitige Beeinflussungen zwischen duer und NHyeiodaı statt- 
gefunden haben, lehrt das Westlokrische, wo yw von ysio9au 
den Asper erhalten hat, IG. IX 1,333;,s hayev und auf der neu- 
gefundenen lokr. Bronze v. Wilamowitz, Berl. Sitz.-Ber. 1927, 8 
£&pdyso9aı. Wer behaupten wollte, daß auch die Länge mit über- 
tragen ist, kann nicht widerlegt werden. Ich halte also ġyeuov 
für einen Ausgleich zwischen Ay&ouas und dro, Auch ein aus 
der Komposition losgelöstes Ay&ınsg konnte, da einmal Zorn 
neben Ny£ouaı stand, auch auf Ay&ouaı bezogen werden. Für Aus- 
gleich zwischen Ay&ouaı und ğyw sprechen nun noch folgende 
Dinge. Es heißt bei den Nomina appellativa nur dye-, wie dyeleia 
(Homer), dy&oroaros (Hesiod), @y&xogog (Aristophanes). Für das 
zuletzt genannte hat allerdings v. Wilamowitz, Lysistrate 1282, 
um in der Trochäenreihe eine fehlende More zu gewinnen, ye&xo- 
oo» geschrieben, während Bergk das sprachlich kaum mögliche 
d@ysolxogov vorschlug. In den historischen Personennamen führt 


1) Vgl. darüber W. Schulze oben XXVII 547ff.; kyren. xareinilevdvia hat 
v aus dem Maskulinum. | 


54 F. Specht 


Bechtel 11f. unter due 3 Namen an, dazu kommt je einmal die 
Umgestaltung dys- und dyo-. Dagegen nennt er 187f. nicht weniger 
als 12 Namen, die Zug im Vorderglied haben, wie ‘Hyéôņuos 
neben 5 mit umgebildetem %yr- (&yr-), d. h. also: bei den Nomina 
propria ist &ye- durch Ay&ouaı in der Regel zu Aye- umgestaltet 
worden. Denn ein regelmäßig gebildetes Aye- zu Aydouaı ist 
griech. ganz ungewöhnlich, s. u. S.80. Durch Hesych ist gleich- 
falls ein Ayeudxog‘ moA&uaexos überliefert. Bei dieser Sachlage 
kann es nicht Wunder nehmen, wenn Athenaeus Ill 55. 99b aus 
Aischylos ein dynoliaog (= Nauck frg. 406) anführt. Umgekehrt 
hat auf Grund von Ayeuw»v Kallimachos Hym. 51:0 aus metrischen 
Gründen ein Ayeolig gewagt. Genau so ist das seltne ‘Hyeollewc, 
Bechtel 189, zu beurteilen gegenüber 37 Vollnamen, die regel- 
rechtes Aynoı- im ersten Kompositionsglied zeigen. 

Wie sich ġye- und Aynoı- zu Aysor- und 2yg- ausgeglichen 
haben, so könnte man auch ġyņ- in ‘Hynuavöoos als Kontamina- 
tion von dye- und Auer ansehen. Der Name ist in Milet üblich, 
s. Bechtel zu Coll.-Becht. 5500. Dann stimmten in der Bedeutung 
etwa Aoxeuavöoos und “Avafluavdoos. Bechtel selbst 189 läßt 
Hynuevögos durch Silbendissimilation aus *Hynuduavödoos ent- 
standen sein. Das wäre an und für sich sehr ansprechend, wenn 
ein *Aynwo- sonst überliefert wäre. 

Schließlich spricht die Betonung ysu@» gegen Ableitung 
von Ahyeouaı. Die Substantiva auf -uwv in der Bedeutung eines 
Nomen agentis, die von Verben auf -ew, -aw usw. oder zweitem 
Stamm auf e abgeleitet sind, haben sämtlich den Ton auf der 
Länge der vorletzten Silbe, vgl. Arkadius-Herodian L. I 321s. 
Zu den dort genannten dritten, vońuwv, doyhuwv, eboxnuwv, 
xaonuwv, E&Aenuwv kommen ferner die bereits oben angeführten 
Öninuwv, dinuwv, dvdnuwv, Ř&ßaxńuwv, veusonuwv, 6TANuwv, 
tnonuwv, BAaornuwv, ueleönuwv, uaxhuwv, dAırhuwv, &Heinuwv, 
danuwv, ciôjuwv, é%xðńuwv. Demnach lautet die regelrechte Ab- 
leitung zu Ayeouaı hyruwv, das als Eigenname dem Griechischen 
ganz geläufig ist, s. auch Lehrs’, de Arist. stud. 291. Bechtel 
513 sieht mit Recht darin keine Kurzform, sondern faßt das Ver- 
hältnis von Dune zu Hynuwv wie das von vonua zu vonuwv. Im 
übrigen verweise ich auf Solmsen, Glotta 182; Beitr. z. griech. 
Wortf. 52ff. Dagegen lehren xndeusv zu xndouaı, dyoeusv zu 
dyge-, relauwv zu teia-, daß ġyeuóov nur auf yw bezogen werden 
kann und für *dysuwv nach Ay&ouaı umgestaltet worden ist". 
3) Nachdem das Manuskript bereits in der Druckerei war, erschien E. 


Beiträge zur griechischen Grammatik. 55 


Nach dem Verbum deutlich umgestaltet ist ferner Xaudeoqol- 
Aewc, das für xaonor- steht. Hier ist wie im Futur yargńow das 
aı des Präsens übertragen worden. Aber jedenfalls zeigt es doch 
den vollen erweiterten Stamm. Später findet sich auch hier kurzer 
Vokal in Xaıugeoliaog Delphi (Coll.-Becht. 1954. 2. Jahrh. a. Chr. 
n.). Analogisch mitgewirkt bei der Einführung der Kürze haben 
auch die andern Bildungen auf eet im 1. Kompositionsglied, die 
unten zur Sprache kommen. So bleiben als einzige scheinbare 
Ausnahmen übrig von den sekundären Verben poßeoworgdın s. u. 
S. 65f., ’Oodsollews und ZAxeolmenios, von primären Verben mit 
zweitem Stamm digeoißo.os, das seit Homer geläufig ist und 
wegen 2iaipnosıs' Extuundnon ueydiws dnnö Tod dApalveıv Hesych 
und wohl auch wegen digpnorns') ein *dAgpnoißoros erfordern 
würde. Sie werden unten ihre Erklärung finden. Das Resultat 
ist also auch hier das gleiche. Wie die primären Verben bilden 
auch die sekundären Verben und die primären mit zweitem Stamm 
die -oı- (-uı-JBildungen stets von dem stärksten Stamm. 

Nun kennt aber das Indogermanische auch zweisilbige Wur- 
zeln, die uns de Saussure verstehen gelehrt hat. Das Griechische 
hat derartige Wurzeln erhalten. Es ist einfach eine notwendige 
Folgerung, daß auch hier -oı- Cer) an die stärkste Wurzelgestalt 
tritt. Dahin gehören taAa-ol-powv (Homer) zu reĝa- in reidooas' 
roAunoa, Anvaı Hesych oder teiauw», während hom. raldooaı 
wie takaoipguv schon eine duch sonst übliche Umbildung in der 
ersten Silbe zeigen, s. u. S.-105; ferner dauaolußooros (Pindar, 
Bacchyl.), dauaoipowv (Pindar), daudaınmos- (Bacchyl., Lampro- 
cles 13), dauaoındvövAog (Eupolis bei Hesych), dauaoiydw» (Bac- 
chyl.) zu daue-; &laoıßoövrag‘), &Adonnos (Pindar), &laoly$wr 
(Pindar) zu £ia-; £2owoiuoAnos (Pindar), Zowoınidxauos. (Pindar, 
Schwyzers Aufsatz, Rhein. Mus. LXXIX 1098. Darin berührt er 105 kurz das 
Verhältnis zwischen Ayno:- und Ayeoı-. Schwyzer ist geneigt in ‘Ayeoı- der 
spätern Dichtung, wofür er noch zwei weitere Beispiele beibringt, eine unter 
metrischem Zwang entstandene Form zu sehen. Im att. ‘Hysoiisws (CI. II 869 
Du um 350) will er alte Schreibung E für o sehen und thess. ‘Ayeolas (CI. 
IX 2, 283s) ergänzt er mit Hiller von Gärtringen zu ‘Aye(ıJolas. Gewiß tritt 
hyeoı- gegenüber Zug. sehr zurück, aber die Annahme einer Schreibung E = + 
ist für 350 selbst im Namen nicht sehr wahrscheinlich. Ich sehe daher auch 
keine Veranlassung, ‘Ayeolag von ‘Hyeoliews zu trennen. Vor allem aber wird 
#yeoı- durch ‘die mindestens ebenso auffälligen Zoe. und Ayeucv gestützt. 

1) Anders über dAgpnoıng Fraenkel, Nom. ag. I 38f. Das auffällige c teilt 
es mit ĉọynotńs. Vgl. ferner Herodian L. I 78ıof. 79.1. 


3) Aristophanes Equ. 626, der damit Pindar nachahmen wi Vgl. frg. 144 
(Schroeder) 2Aaoißpovia mat `Péas. | | 


56 F. Specht 


Ibykos 16.) zu ¿oa-. Dazu kommen von Eigennamen Ayaocidauos 
zu dya- und Aauaoı-, ’EAaor-, ’Egaoı- als erstes N amenselement- 
Mit o-Färbung des zweisilbigen Wurzelvokals gehört hierher Evo—. 
oly$ov und mit metrischer Dehnung eivooipvAdos, Evvooiyaıos, 
W. Schulze, Qu. ep. 159f. zu &vo-'). Pindars ’Evvooldas Pyth. IV:s 
beruht auf homerischer Nachahmung. Völlig in Ordnung sind 
daher auch die zweisilbigen Wurzeln mit e-Färbung, wie 64eoi- 
$neos (Euripides Phoen. 664), ö4eonvwg (Theognis 399), 6Aeoı- 
oıwAoxdiauov (Athenaios 617e aus Pratinas Ia)! und mit metri- 
scher Dehnung, weswegen ich auf W. Schulze, Qu. ep. 159 und 
Solmsen, Stud. zur griech. Laut- und Verslehre 94 Anm. 1 ver: 
weise: &4eolxaenos (Homer), &Aeoloıxog (Aischylos), anwiccioxov 
nergdxıov (Bekker Anekd. 251s) zu ö4e-; ferner dg£raıyuos (Bac- 
chylides), Ag&ocıyuos u. a. zu doe: 

Ebenso regelmäßig ist ferner zeueo[yoos zu teua-. Nur ist 
hier wie häufig der zweisilbige Wurzelvokal umgefärbt worden. 
Das Alte zeigt zeuaxos. Der Aorist bildete, wie Wackernagel, 
Sprachl. Unt. zu Homer 14 gezeigt hat, die Formen vom bloßen 
starken Stamm, also ursprünglich *Zreua-r. Aber sicherlich schon 
in vorgriechischer Zeit wurde *freuar zu *Ereuer assimiliert, so 
daß es scheinbar zu Bildungen wie drexe oder Zoye stimmte. Vom 
Präsens zduvw wurde dann c dialektisch in den Aorist übertragen, 
so daß er ganz wie ein 2. Aorist aussah. So ist also roue < 
teue-, < teua- entstanden, ähnlich wie tafa- < reia- oder daua- 
< *Seua- u.a.’). Auf einer zweisilbigen Wurzel beruht ferner 
hom. deoipowv, deowpgoodvn. Hesych hat neben deoipgwv, degt: 
peocúvyoiw, deoluamwa' N vote nvebuaoı rou Guten uaıvouevn, 
Jaidoons dë tò Eniderov ein daoippovi‘ Blarpipgovi, poevoßiaßei. 
dot yëQ0 tò Bidde, wo die Wurzel wegen Hesych dyardodaı 
BAdnteodaı auf åre- oder åra- zurückgeht. Bechtel, Lexil. 14 will 
deoipewv in den Homertext setzen, weil es bei Photius hinter 
posvoßAdßeıa heißt oi dë (ó) xoruwuévasş (tàs) going: Gren, Er 
nimmt also an, deoipgwv sei Umgestaltung für acı- nach dreoaı 
„schlafen“, für das ich wieder auf W. Schulze, Qu. ep. 71ff. ver- 
weise. Aber solange wir die Etymologie des Wortes nicht kennen, 


1) Ehrlich, Zur idg. Sprachgeschichte 37 führt &vvoolyasos auf *Evrod- 
zurück, wo enuod die starke Form von ai. nud- sein soll. Ich habe für diese 
Art Ablaut kein Verständnis. 

2) Das Wort ist in vorliegender Form allerdings Konjektur: Bergks. 

3) Ganz andrer Art ist natürlich xgaudoa: aus Epidauros Coll.-Becht. 
3340s, das an Japanedeıw u.a. erinnert. 


Beiträge zur griechischen Grammatik. 57 


läßt sich überhaupt nichts Sicheres sagen. Nur soviel läßt sich 
behaupten, daß die Zurückführung von drdra auf *n-sntä zu hd. 
„Sünde“, was noch Boisacq erwägt, ganz unmöglich ist, da eben 
Bildungen wie dreor-, draoı- gebieterisch Hochstufe fordern und 
so nur eine zweisilbige Wurzel in Frage kommen kann. Genau 
wie teua- zu teue- assimiliert werden konnte, war auch eine 
Entstehung von draoı- < dreoı- möglich. 

Weiterhin gehört hierher Zvreoıseyovs (Homer), das schon 
Nauck, Mel. Grec. Rom. IV 602 beanstandet hat. Dem Sinne nach 
trefflich passend hat er nach Theokrit 28,, ġvvoregyoús vorge- 
schlagen. Nur bleibt dann unverständlich, wie Avvorsgyoös zu 
Evreoıegyods hat entstellt werden können. Das Richtige darüber 
hat W. Schulze, Qu. ep. 158 gesagt. Griech. dvöw entspricht in 
seiner Bildung genau ai. sanöti, dessen Ablautsformen sätd-, säti- 
neben der reinen Wurzel in sané- auf eine zweisilbige Wurzel 
al. sani- = idg. *sene- weisen. Das griech. Präsens dude hat 
allerdings wie rouge -vv- aus dem Präsens auf das ganze Para- 
digma übertragen. Aber W. Schulze, Qu. ep. 158 Anm. 4 hat 
neben sonstigem 7/vvoa auch den Aorist veca aus Kaibels Epigr. 
und der Anthologia Palatina in zusammen drei Fällen nachge- 
wiesen. Ich füge noch hinzu aus Sophocles Oed. Col. 432 xarrj- 
veoe '), das die codices deteriores für xarjvvoe bieten. Dindorf 
und ihm folgend Mekler*) haben es mit Recht als die lectio dif- 
fieilior in den Text aufgenommen, obwohl sie dabei wohl an givéw 
gedacht haben. Auch ¿zog in dem Vers des Phanocles 1:0, wo 
es von Orpheus heißt, daß ihn Frauen getötet haben, 

oŬvexa no@ros Zeen Evi Vorhıneooıw Eowras 

dooevas oböE ndFovs vecse Imivregwv | 
würde ich lieber zu dviw als aivew stellen und demgemäß veoe 
schreiben. Ich verweise dazu auf die ähnliche Fügung bei Theo- 
krit 195 tòv dvve ... ningov &owra’). Also ist für dvremisoyovs 
ein *¿ve-oi-eọyoús einzusetzen, das, weil es sonst nicht in den 
epischen Vers paßte, zu Zvve-or-eoyoös hat werden müssen. Da 
man es aber nicht mehr verstand, ist daraus das scheinbar deut- 


1) Natürlich darf man nicht, wie die Herausgeber tun, xarzjweos mit Jota 
subscriptum schreiben. 

2) Schon Brunck hat xarzjveoe in den Text genommen, hat es aber wohl 
zu xataiwéw gezogen. Daran ist natürlich nicht zu denken, wie G. Hermann 
zu der Stelle auseinandergesetzt hat. 

3) Nur auf Konjektur von Ahrens beruht Theokr. 27es dvvero — 
eövh). Überliefert ist dviozaro. = 


58 F. Specht 


lichere, aber ebenso unverständliche &vreosegyovg gebildet worden. 
Da zu dude wahrscheinlich auch Zeaoa gehört (Bechtel, Lexil. 
126f.), so wäre sena- das alte und sene- wieder Assimilation an 
den Wurzelvokal e. | 

Zweifel bestehen, ob auch zeisaı- in tefeoiroveyós (Platon), 
teAeoolpowv (Aischylos Ag. 700) zur zweisilbigen Wurzel reie- 
gehört oder zum Denominativum *rei&oıw. Lautlich korrekt wäre 
bei Ableitung von eise ein *reieorı-'); aber da neben *releorı 
zu teĝeo- in gleicher Bedeutung zeieoı- zu teile- lag, so wird 
*zeleorı- zu tefeci oder nach der Doppelheit teĝéoaı und rei&ooaı 
zu te/cooı- umgestaltet sein. Das ist sicher geschehen bei dem 
ob. S. 49 erwähnten Eigennamen mit Kiero- nach Käievor-. 

Dagegen gehört sicher hierher pasoiußgoros, das nur in 
pas-ol-ußgoros zerlegt werden kann. Also muß auch hier eine 
zweisilbige Wurzel zu Grunde liegen. Sie findet sich unmittelbar 
wieder in dem Aorist pde £ 502, ode dé xouoó9oovos Tas, der 
genau wie oben S.56 Zreus seiner Bildung nach zu beurteilen 
ist. Das Partizipium xm4qi gdovoaı kennt Arat. Phain. 607. Aus 
Hesych wird man ferner põvra: Adunovra auf *padovra zurück- 
führen müssen. Dagegen kann pdvra‘ Adunovra, da a kaum aus 
Kontraktion von afo entstanden sein kann, nur die Fortsetzung 
eines alten *pauı = ai. bhäti sein und hat mit põvta nur die 
Bedeutung gemein. Dieses pde stellen nun die etymologischen 
Wörterbücher zu ai. bhäti „glänzt“ (Boisacq 1014) und da wegen 
Sol, paŭos, pYavolußoorog bei Pindar u.a. pée auf pare zurück- 
geht, so nimmt man neben bhä eine Wurzel *bhäu an. Dieses 
*bhäu erschließt man also auf Grund von @dros und in diesem 
páros könnte nur eine Reduktionsstufe des angeblichen *bhäu 
vorliegen. Nun kommt aber den s-Stämmen Hochstufe zu. Ver- 
wandte Formen zu @dos, die wie bei xodros, 2dooos u.a. die 
Tiefstufe veranlaßt hätten, gibt es aber nicht. Außerdem fordert 
paeolußgoros nach dem, was wir bisher über die Komposita mit 
angeblichem -eoı- festgestellt haben, eine Analyse pee-or-, die 
auf eine zweisilbige Wurzel weist. Aber alle Ablautskünste 
reichen nicht aus, um ai. bhä- mit griech. pafe- zu verbinden. 
So bleibt nichts weiter übrig als pdvra und P155 nephoetai 
von ge zu trennen. 


1) Eine derartige Bildung auf -cori liegt wahrscheinlich vor in dem lakon. 
Namen Meveorinins (Coll.-Becht. 4537), auf dessen Deutung Bechtel 313 ver- 
zichtet. Daneben steht aus Smyrna ein MevexAñs (Coll.-Becht. 561614). Nur fehlt 
ein *uevéw oder *ueveiw. Aber nach tefe- : reĝeco- ` reieo- ` *reisorı- = peve- : 
peveor- (8. u. S. 69 Anm. 2): veveo-: x — ueveor:- ist diese Bildung verständlich. 


Beiträge zur griechischen Grammatik. 59 


Geht 'man nun von gare- als zweisilbiger Wurzel aus, so 
wird pdos < *gars-os sofort verständlich. Wurzelaoriste wie pde 
haben ursprünglich Vokalabstufung zwischen Singular und Plural 
gehabt, die aber sowohl ai. wie griech. fast immer ausgeglichen 
worden ist. So mußte z.B. griech. ursprünglich *&reiav, *Ereias, 
Sëre it, Erinuev, Eine, *Erinvı flektiert werden. Aber abge- 
sehen davon, daß ein solches Paradigma zu sehr auseinanderfiel, 
haben Aoriste wie *čraĝav mit a vor der Endung überhaupt keine 
Lebenskraft gehabt, falls sie nicht wie treue, &pae wegen des 
zweisilbigen Wurzelvokals e in den 2. Aoristen aufgingen. So 
hat man den Stamm in Zrinuev auch für den Singular verwendet, 
und z4w- ist im Griechischen ganz als Hochstufe gefühlt worden, 
da es genau zu Bildungen wie Zon stimmte. Infolgedessen hat 
man neben altertümlicherem zaAa-oı- schon frühzeitig ein Aner. 
gewagt. Wenden wir das auf pae an, so hat ursprünglich die 
Flexion lauten müssen: *Zparev, *čpares, *Eparer, Epvuer, Epvre, 
*Zpvvr, d.h. pde ist die regelmäßige Hochstufe zu Zpvusv, das 
nun wie ZrÄnuev seinerseits in andrer Bedeutung einen neuen 
Singular pov schuf. . Diese Neubildung ist, wie das-ai. dbhat lehrt, 
schon idg. vollzogen worden. Wenn sich trotzdem daneben in 
páe das Alte bis in die griech. Periode gerettet hat, so ist daran 
die besondere Verwendung von gde Schuld. Auch 290» oder 
pöua ist vom griech. Standpunkt aus ganz als Hochstufe gefühlt 
worden, wie schon die Neuerung &pv» — pvröv, also A — Oz statt 
áve — üx deutlich lehrt. Dazu hat die Abneigung der Griechen 
gegen den alten Ablaut der “-Wurzeln beigetragen. 

In dem Satze pde dë xovoodoovos GO ist also pdz, wie es 
sich für die Wurzel bhū gehört, rein aoristisch gebraucht und es 
heißt ursprünglich: „die goldigthronende Morgenröte erschien“. 
Indem man den Subjektsbegriff ños oder Gäioc als selbstver- 
ständlich unterdrückte, blieb ode") für das Aufgehen der Sonne 
oder Morgenröte reserviert und ward im Sprachgefühl soviel wie 
„begann zu leuchten“, während die Neubildung čov an die Stelle 
der andern Bedeutungen trat. Das war um so leichter möglich, 
als ja von Zéioc oder nos ein Plural nicht recht denkbar war, 
¿pas also in Wirklichkeit nur im Singular vorkommen konnte 
und sich schon durch die spezielle Bedeutung vom Plural abhob. 
Man wird mir einwenden können, daß als Subjekt auch ein Plural 


1) pdev' néoreidev Hes. muß sicher in ändreıAev korrigiert werden. Das 
hat bereits der Herausgeber vermutet. Genauer wäre das Interpretament &v£- 
terdev, 8. u. S. 60. | | u | 


GO F. Specht 


wie dor£ges, IlAnıddes, ‘Yddes u. a. hätte in Frage kommen 
können, und in Sterngedichten und Bauernkalendern begegnet 
man ihnen neben den Singularen ’Qaolwv, Zeigios, A_gxTovgos 
oder o9£oçs `Qaçlwvos und dergl. Aber für den Naturmenschen 
spielt das Erscheinen der Sterne gegenüber dem der Sonne oder 
Morgenröte eine ganz untergeordnete Rolle. Ich mache ferner 
darauf aufmerksam, daß noch das Attische einen deutlichen Unter- 
schied zwischen dem Aufgehen der Sonne und dem. der Gestirne 
macht, vgl. Phrynichus 124: ’Avareileı uèv gocis ó Bhios, Enıreileı 
dë ô xúwv, 9 ó Dolwv N dAlo u con uj woadrwg To åly soi tÅ 
oeAnvn noAevdovrov und die Anmerkung Lobecks dazu, wonach 
der Unterschied im allgemeinen gut bewahrt ist. 

Verständlich ist bei gäe die Auslassung des Subjekts. Die 
Frage der subjektlosen Sätze und Impersonalien ist in letzter Zeit 
so gründlich behandelt worden, daß sich ein Eingehen darauf 
erübrigt. Zudem hat Havers, Wört. und Sach. XI 76ff., bes. 105ff., 
eine kurze Zusammenstellung des ganzen Problems gegeben, dem 
ich in den wesentlichsten Punkten zustimme. E. Hermann hat 
in seiner sehr anregenden Abhandlung GGA. 1927, 274 ausgeführt, 
daß bei Herodot im Gegensatz zu Homer, wo die Witterungs- 
ausdrücke nie ohne persönliches Subjekt erscheinen können, im 
allgemeinen die gleichen Ausdrücke ohne persönliches Subjekt 
stehen. Er will diese Stellen unpersönlich fassen. Darin kann 
ich ihm nicht zustimmen. Denn seit Jahren hat W. Schulze, 
dessen Abhandlung über den gleichen Gegenstand leider nicht 
gedruckt ist (vgl. Sitz.-Ber. Berl. Ak. 1927, 2), in seinen Übungen 
auf Herodot IV 28 tò ôè H&oog Zon 06x dvleı hingewiesen, wo 
das maskuline Partizipium unpersönlichen Gebrauch eigentlich 
ausschließt. Ähnliche Parallelen aus dem Altindischen führt Zubaty 
ob. XL 513 an: tapantam varsantam na nindet „auf den brennenden 
(Adityam), auf den regnenden (devam) soll man nicht schimpfen“ 
oder ta (devatäh) eva asmai Parjanyam varsayanti, utá dvarsisyan 
vArsaty vá „sie (die Gottheiten) selbst lassen ihm den Parjanya 
regnen; selbst wenn er (sonst) nicht geregnet hätte, regnet er“. 
Die gleiche Entwicklung also, die man etwa bei Ger von Homer 
bis Herodot verfolgen kann, wird in früherer Zeit bei pde vor- 
gelegen haben. Griech. yiyvouaı, das Perfektivum zu elvaı ge- 
worden ist, also die gleiche Stelle im Griechischen vertritt, die 
ursprünglich der Wurzel bhū zukam, wird gleichfalls vom Er- 
scheinen der Morgenröte gebraucht. Ich verweise auf eine Stelle 
wie Hesiod Op. 821 noös yıyrou&vns. Im Zusammenhang damit 


Beiträge zur griechischen Grammatik. 61 


möchte ich auch noch an die Hesychglosse négy: &pavn T nepö- 
ott erinnern, obwohl ich sie in ihren Einzelheiten nicht zu 
deuten vermag’). Auch hier stehen 2ydvn, das Synonym von 
ode ist, und gdouaı als Interpretamenta nebeneinander. Damit 
ist auch von seiten des Bedeutungswandels die Frage erledigt. 

Daneben hat nun gdos auch die Bedeutung „Licht, Heil, 
Rettung“. Genau dazu stimmt ai. bhava-, das gleichfalls die Be- 
deutung „Segen, Heil“ besitzt. Im Ai. kann ferner bhū mit ävih 
„erscheinen“ heißen. Stellen wie Rgveda 299.ı 914» Gris svàr 
abhavaj jāté agnaú scheinen griech. pde, pasolußoorog in der Be- 
deutung. nahe zu kommen. Nur ist zur Verdeutlichung ävik 
hinzugetreten. 

Man setzt die Hochstufe der Wurzel bhū allgemein mit 
e-Vokal als *bhevo- an. Das wird aber durch geaeolußooros un- 
möglich gemacht. Sie kann nur *bhavo- gelautet haben °). Nirgends 
zeigt sich in den idg. Sprachen ene Form, die dagegen spricht, 
auch nicht pda‘ ŝ£avðńuatra v oi owuarı Hes. (vgl. auch W. 
Schulze, Qu. ep. 278 u. Anm. 2). Denn pda kann eich zu gde 
verhalten wie öxoıs zu dxgos. Dagegen hat Hesych allerlei über- 
liefert, was nur auf *bhavo- weist. Wollte man wie im Altind. 
von der Wurzel bhava ein ö-Präsens bilden, so mußte der zwei- 
silbige Wurzelvokal a vor Vokal ausfallen und griech. wurde 
daraus ein *pdrw. Der s-Aorist dazu hätte *Zpdreoa lauten müssen. 
Aber Bildungen wie nv&rw, Zrvevoa und vor allem das Bestreben 
des Griechischen, den Vokalismus zwischen Präsens und s-Aorist 
auszugleichen, bildeten ein *2yareo« zu čpavoa*) um. Ein solches 
Zpavoa konnte ein zu pdw gewordenes "dro — es liegt in den 
ob. S. 58 erwähnten Partizipien pdovoaı und põvrta vor — von 
neuem zu padw umgestalten, vgl. ieoedw nach i&oevoan, davw' tò 
xalw 2006 Zıuwviön „unolwv dedavusvwv“ apa tò ĝaiw Herodian 
L. I 45319, wo allerdings dadw Grammatikerprodukt nach dedav- 
u£vov sein kann, u.a. Es liegt also die gleiche Entwicklung vor wie 
in Aor&ooaı, Aoŭoev gegenüber Präsens Adeov, Aoveodaı, Bechtel, 
Lexil. 325. Alt war Präsens 4óro, Aorist Aor&oaı. Zu Adsw wurde 
dann ein Aoödoaı, zu Aor&oaı ein ośw neugebildet. Ein solches 

1) Wegen nepn' pávy vgl. Mahlow ob. XXIV 295 und de Saussure, Mém. 
148 und 287. 

2) Ags. beom kann bei dem starken Ausgleich, der in der ältern ags. 
Überlieferung bei dieser und bei ähnlichen Formen stattgefanden hat, für e-Stufe 
nicht verwandt werden. 

s) Vgl. Eustathius 1728, 7 x rof pdw nÄeovaouo Tod v ode aloAınäs; 
einen Aorist Apavos notiert Helladius 868, Lobeck, Rhemat. 13. 


62 F. Specht 


aktives padeı» müßte in der Bedeutung mit der zusammen- 
treffen, also eine Art Kausativum zu gVeodaı sein. Dazu stimmt 
nun genau die Hesychglosse pavsıw' moreiv, auf die schon O. Hoff- 
mann, BB. XXI 137 hingewiesen hat. Der Herausgeber hat sich 
durch Lobeck, Rhemat. 13 bestimmen lassen, das Interpretament 
rroısiv durch paveodv zu ergänzen, da ihm offenbar der Begriff 
„leuchten“ als Grundbedeutung vorschwebte. Aber die Bedeu- 
tung „roiv“ ist völlig in der Ordnung. Durch die Neubildung 
den zu gdecihot ist goe allmählich verdrängt worden. 
Sobald in ode die Grundbedeutung nicht mehr deutlich war 
und es ganz als „begann zu leuchten“ gefühlt wurde, konnte 
auch der mediale Aorist pa&oaodaı, den uns Hesych überliefert, 
zu der Bedeutung ideiv, uadeiv kommen, vgl. Bechtel, Lex. 325. 
Auf gleicher Voraussetzung beruht der Bedeutungswandel in 
nupavdorw, Erupadonovıa‘ dvarilovre, palvovıa Hesych, öndpav- 
oc Herod. 7s und ähnliche, voie oc, péyyos, pwtavyia; 
yaövos‘ palvwv aróv Hesych, lauter Bildungen, denen von 
Rechtswegen die Tiefstufe z zukommen mußte. Der Vokal av 
könnte gleichfalls eine Schwächung sein, aber er könnte auch 
von gaveıw, pdrog herrühren. Da die Geschichte dieser Wort- 
sippe sich größtenteils vor unsrer Überlieferung abspielt, ist eine 
sichere Entscheidung unmöglich. dıapwoxsı Herodot II, „Tag 
werden“ wird seiner Bedeutung gemäß, wie bereits Bechtel, 
Griech. Dial. III 201 gesehen hat, durch oc umgestaltet sein. 
Das gilt auch für &uıpooxw im N. Test, gwoxeı‘ diapavsı Hesych 
neben sonstigem &rıpavoxw, Bechtel a. a. O. | 
-= Da also neben pde, paeolußooros ein scheinbarer Stamm gav- 
aufkam, so ist es begreiflich, daß Pindar statt paeolußgorog ein 
pavolußooros gebraucht. Bei Bacchylides 12, ist zwar pasou- 
Bodrov überliefert, aber Blaß hat mit Recht aus metrischen Grün- 
den gavosußoörov dafür eingesetzt. Durch alle diese Bildungen 
wurde der Anschein erweckt, daß pav- „leuchten“ bedeutet. 
Daher ist es begreiflich, wenn Etym. Gud. 95 gegen mit Adunw 
und «dw in der Bedeutung gleichgestellt wird. Auch das sonst 
unbekannte Interpretament in der oben erwähnten Hesychglosse 
pwoneı‘ Öıapadeı‘) weist darauf hin. Wahrscheinlich hat dieses 


1) Lebendig geblieben ist dieses dıapavsı bis auf den heutigen Tag im 
Griechischen Süditaliens. Rohlfs, Griechen und Romanen in Unteritalien S. got 
führt aus Bova in Calabrien ein diafägvi — diapaveı „es wird Tag“ an und 
notiert dazu aus der Septuaginta Reg. Il 232 dıgpyavosv, I 14se Zug Ödıapadoy 
hpéga und aus dem Corp. Gloss. Lat. II 27529, 1243s, 14726 das Präsens dıapadeı. 


Beiträge zur griechischen Grammatik. 63 


paveıv mit goen: Zoe Hesych nichts zu tun, sondern ist erst 
aus padoıs, Errıpadoxw usw. neu entwickelt worden. Darauf weist 
auch die Namenbildung hin, bei der im ersten Gliede does Dav- 
und w- nebeneinander stehen, z. B. Dasviuns, Daddauos, Dó- 
xoıros. Alt allein ist Pas- s. ob. S. 37. av- verhält sich zu 
Dac- = pavolußooros: paeolußgoros: Dw- kann nur nach Bildungen 
wie pos < pdrog umgestaltet sein. _ | 

Nur ¿yxoao[yo4os „ein kleiner Fisch“ eigentlich „mit Galle 
gemischt“ widerspricht, wenn die Etymologie richtig ist, der 
Lehre, wonach o an die starke Wurzel tritt. Wenn wir aber 
erwägen, daß aus Eorgwuaı, Eoreodnp, :0TOWTÖS OTEw- auch in 
den sigmatischen Aorist und schließlich in das Präsens verschleppt 
worden ist, so ist die Annahme nicht zu kühn, daß auch in 
xlovnu, xerpaucı, &xgaInv, ngürds xo& allmählich als eigentliche 
Wurzel empfunden wurde,. Darauf weist auch der bei Hesych 
überlieferte ion. Aorist xgjoaı‘ .xeodoaı hin. Wahrscheinlich steht 
auch die ion. Glosse xonoinauda‘ Ev Zamaxn volg $ Agis gpéog- 
rot: ÖMkov Örı uëon leoelwv Atyeraı Hes. mit &yxoaolyoios auf 
gleicher Stufe. Auch zunolxgoas (ob. S. 34) kommt als Gram- 
matikerinterpretament als. Ausnahme nicht in Frage. Richtig 
gebildet ist dagegen das erst aus später Zeit überlieferte xaÀ4eooí- 
xogos (Orph.). 

Dahingestellt sein lasse ich, ob in dx&oueı eine SNE 
Wurzel vorliegt. Das verbale Kompositionselement lautet ent- 
sprechend der sonstigen Stammbildung dx£oouaı, nreodunv (NxE- 
oul, dxeor z. B. dxeolnovov: Yeganevrndv (Bekker, Anek. 364), 
“Axsolußgoros. Ganz ähnlich wird man doxéo auffassen müssen, 
das nur den Verbalstamm doxe- kennt. Dem entsprechend heißt 
es seit Homer doxeoı- in Agxeoliaog oder doxeoiyvios (Antiphanes 
frg. 207: K als. Parodie auf Euripides). Unsicher bleibt auch, ob 
In TEEGI- zweisilbige Wurzel zu Grunde liegt, wie in Teleolönuog') 
u. a., s. ob. S. 58.. Endlich liegt die Hochstufe einer zweisilbigen 
Wurzel mit konsonantischem Schluß in zaga&ıxdodıos (Aristophanes) 
zu tapax- (s. u. S. 117 u. Anm. 3) vor. Auch das Vorderglied 
bei zweisilbigen Wurzeln ist gelegentlich in seiner Form durch 
den Aorist beeinflußt worden, z.B. böot. Ayaooidauos, Ayaoaıyirov 
zu dya-, das einen Aorist mit äolischer Doppelkonsonanz *dydo- 

oo voraussetzt. Dazu stimmt böot. oovvxal&ooavres, Bechtel, 


3) Dagegen: weist auf veie-0s argiv. Teieinnov (= telehınnov) IV 6181s, o 
Vgl. noch ebd. IV 1341 "Apx(e)hlAas, vgl. Bechtel, Gr. Dial. II 463; Jacobsohn, 
Hermes XLV 93. 


64 F. Specht 


Griech. Dial. 1285. Soviel ist jedenfalls sicher durch die Unter- 
suchung bisher klar gestellt worden, daß verbale Kompositions- 
glieder auf zo entweder zu zweisilbigen Wurzeln mit schließen- 
dem -e oder zu Verbalstämmen gehören, die auch sonst in der 
Stammbildung kurzes ë haben. Ein eo wo e gleichsam eine 
Art Bindevokal darstellen soll, ist also ganz unmöglich. 

Dem scheint aber aus Homer zu widersprechen zunächst 
zumyeoluaiios. Hier macht es schon die Bedeutung sehr unwahr- 
scheinlich, daß verbales Kompositionsglied vorliegt. Kretschmer, 
Glotta X 47 sieht darin einen metrischen Ersatz für *x+TyóuaA44os 
und beruft sich auf Vorbilder wie zeıyeoınintng. Aber eine solche 
Umgestaltung bleibt immerhin etwas auffällig. Viel wahrschein- 
licher ist Bechtels Annahme, der 149 in nnyeoluaAAog Umstellung 
der Kompositionsglieder für *ue@AAonnyns sieht mit Berufung auf 
eörenyns. Ganz ähnlich urteilt schon Curtius ob. II 155f., der 
jedenfalls in nnyeoı- wie in dvdeolxowg alten s-Stamm erkannte. 
Für derartige Umstellungen, die in der Bildung von Eigennamen 
häufiger sind, verweist Bechtel auf Eideollews < Aaroeıöng, Ao- 
o[9eoç (s. ob. S. 45) < Yeddonıs, Alxtoınnos < “Innalung, Avde- 
ollaog < Aardvdng u.a. Sehr lehrreich ist auch die Hesychglosse 
otoxdrafıs‘ ra Gro TedAnouevos, die man auf Grund von Bekkers 
Anek. 116s: &roxdrafıy: tòv ovvrergiuutvov tò ods. Agıoropavns 
Baßviwvloıg Aristophanes zuweist. Sie kann nur für *xare&l-wrog 
stehen. Ebenso ist ßooßogordewdıs Aristophanes Equ. 309 Um- 
stellung für zaoaš/0óoBooos. Sonst sind noch zu nennen Bac- 
chylides Vu © Zeë xegavveyy&s, aber Pindar Pyth. 4194 Eyxeıxe- 
oavvov Zijva. Etwas umgestaltet gegenüber den oben genannten 
ist Aristophanes nub. 265 Boovtnoixégavvos, aber pax 376 xegav- 
voßoövras, vgl. Williger a. a. O. 36 u. Anm 2. 

Ist so nnyeoiuaAAog in Ordnung, so widersprechen aus Homer 
diesoifooc und ¿¿AxeoímemAos5. Jenes kann wegen dipn- (ob. 
S. 55) nur für *dAg@noißouog stehen. Bei diesem ist Verbindung 
mit Bio ausgeschlossen, da wir nach unsern Ausführungen dann 
nur *&idinenilos erwarten könnten. Wohl aber kennt Homer 
neben xw auch ein šë2xéo, Einnow, EAunoe. Zu diesem muß also 
EAncolnenhos gezogen werden und demnach für *&lxnolneniog 
stehen. Wenn die durch die Sprachgesetze geforderten *dipnoi- 
boros und *EAxnolseniog durch Bildungen auf co ersetzt sind, 
so waren dafür nur metrische Gründe maßgebend. Denn beide 


1) Nicht zustimmen kann ich in der Beurteilung der Formen Fraenkel, 
Nom. Ag. I 51 Anm. 1. | 


Beiträge zur griechischen Grammatik. 65 


waren sonst für den epischen Vers ganz ungeeignet. Auch ein 
*Eintnenios oder *š4[memAos wäre kein passender Ersatz dafür 
gewesen, da Kürzungen vor Konsonantengruppen wie ri home- 
risch ganz außergewöhnlich sind und sich in der Regel nur auf 
Eigennamen beschränken. Man wird also digeolßorog und &ixe- 
oinersAog zu den Beispielen rechnen können, wie zidnuevaı, xaln- 
uevaı u. a die W. Schulze, Qu. ep. 16ff. behandelt hat. Nur 
handelt es sich dort um Dehnungen nach bekannten Mustern, 
während hier der lange Vokal durch eine Kürze ersetzt ist. Aber 
man fragt sich natürlich: Wo waren die Vorbilder? Mit Bildungen 
wie @Aeolxaonos oder ähnlichen zweisilbigen Wurzeln hatten 
*gigpmoißorog und *Eixnolneniog nichts gemein. Wohl aber weist 
den Weg das schon mehrfach erwähnte durch Aristophanes im 
Dialog überlieferte alte Kultwort goßeororodın'). Es gehört zu 
poߣw, dessen stärkster Verbalstamm g„oßn- lautet, genau wie zu 
Aaen Einn- oder zu dApdvo dipr-. 

Aber trotzdem ist poß&w eine abweichende Bildung. Es ist 
bekanntlich ein Kausatıvum oder Iterativum, das von vornherein 
anders flektieren konnte, als die denominativen Verben auf -ew. 
Ich stehe nicht an, aus dem altertümlichen, ganz isolierten o- 
ßBeoiorgdtn einfach den Schluß zu ziehen, daß der volle Stamm 
der Kausativa-Iterativa poßĝe-, also auf £ gelautet habe‘). Die 
sonstige Analyse der verbalen Kompositionsglieder auf -ot zwingt 
einfach dazu. Das wird durch ein weiteres Wort bestätigt. Bechtel 
352 führt einen Namen ’Ogdeoilews an, dessen erstes Element 
er für unerklärt hält. Und doch glaube ich, ist die Deutung sehr 
einfach. Wenn yoß&w zu geßouaı gehört, so mußte zu einem 
aus *ögdeoı- erschlossenen *óo9£e das primäre Verbum Zeie 
lauten. Es liegt vor in der Hesychglosse Zoier: pYEyyeraı. Da 
sie zwischen Zgaraı und čoßws: eöowg steht, hat man sie wegen 
der alphabetischen Reihenfolge beanstandet, und Meineke hat 
dafür @ederaı vermutet. Aber das Wort ist völlig in Ordnung. 
Nimmt man ursprünglichen Anlaut mit Digamma an, so stimmt 
seodeı genau zu lat. verbum, got. waürd, lit. vardas”), apreuß. wirds; 


1) E. Schwyzer, Rhein. Mus. LXXIX 106 erklärt die Kürze 2 durch metri- 
schen Zwang. 

2) Auf diese Bedeutung von poßeoıoroedın hat schon vor mehr als 20 Jahren 
W. Schulze in seinen Vorlesungen hingewiesen. 

3) Lat. verbum verhält sich zu r&odsı wie r&oyov zu Zoóo, W. Schulze 
ob. XLVII 236; Meillet, MSL. XXII 203. Got. waurd, apr. wirds sind als 
Tiefstufen wohl verständlich, da zweisilbige Neutra bekanntlich zwischen Sg. 

Zeitschrift für vergl. Sprachf. LIX 1/2. 5 


66 F. Specht 


dh ist also. nicht, wie man öfter angenommen hat, bloß auf die 
Nominalbildung beschränkt. Verbale Vorderglieder auf -ņot von 
Kausativa auf -zo, die dagegen sprächen, gibt es nicht; denn 
xocunņot-, #g01n01-, omoönoı- sind Denominativa zu xdowos, xoótos, 
oroöös und gehören also nicht hierher. Auch doxnaı- in doxmnol- 
copog (Aristophanes), doxnowopla (Plato), doxnoıdeäıos (Komiker), 
öoxnotvoos (Komiker). ist keine Gegeninstanz. Erstens könnte 
doxnoloopos Kompositum wie Xeıploopos sein und doxmoivoog 
wäre dann ein Bahuvrihi. In diesem Falle haben diese Komposita 
mit den oben behandelten überhaupt nichts zu tun. Aber unbe- 
dingt notwendig ist diese Annahme nicht. Denn die Zusammen- 
setzungen mit doxnos- sind recht eigentlich Kunstschöpfungen 
der Sophistik, die im Anschluß an den gleichfalls philosophisch- 
sophistischen Terminus der ödxnoıs erfolgt sind’), Daher finden 
sich diese Komposita vorwiegend in der Persiflage der Komödie. 
Es sind verhältnismäßig späte Bildungen, die nicht geeignet sind, 


und Plur. Akzentwechsel besaßen, wo mit der Endbetonung Schwundstufe der 
Wurzel vertreten war. Abseits steht lit. vardas, das mit ö-Stufe nur bei mas- 
kulinem Geschlecht verständlich wäre. Aber davon zeigt sich nirgends eine 
Spur. Das Apreuß. kennt zwar noch Neutra, aber nicht im Katechismus, dem 
wirds angehört. Ich würde schon deshalb va7das auf *verdas zurückführen 
und darin die Vertretung eines alten *verdan sehen. Dagegen haben sich aber 
Trautmann, Balt.-slav. Wort, 360 und ganz besonders Endzelin, Slavjano-balt. 
etjudy 92 Anm. ausgesprochen. Die Frage nach dem Übergang von ve- zu va- 
ist auch heute noch nicht geklärt. Für väkaras u.a. steht er für anlautendes 
ve sicher fest. Folgendes o wird mitgewirkt haben. Gegenüber vergas wird 
man doch die Intonation verantwortlich machen müssen. Denn das einmorige 
e neigt im allgemeinen in der Aussprache viel eher nach a hin als das zwei- 
morige. Da im Verbum wie v2da immer Formen wie vedè daneben standen, 
so kann die Regel nur bei Substantiven erhalten sein. Die scheinbar wider- 
sprechenden veřpalas, verpstas, verksmas sind durch das zugehörige Verbum 
verpti, verkti beeinflußt, vertas und verbas sind Fremdwörter, während vardas 
ganz isoliert steht. %ëzdas, das Kurschat aus Samogitien anführt, hat langes é, 
vgl. Wolters Chrestomathie 333ıs u. f. Wenn sich Endzelin a a. O. für den 
ö-Vokal in vardas auf die Dreiheit abulg. zlato, lett. zèlts, got. gulp beruft, 
so stimmt das Beispiel morphologisch nicht. Denn *verdhom ist eine Art 
nomen actionis zu verdh-, dem von Hause aus e-Stufe zukam, während zlato 
eine partizipiale -Zo-Bildung enthält, die als Adjektiv fungiert und demnach auch 
ö-Stufe haben konnte, vgl. darüber Meillet a. a. O. — Got. waurk, das Meillet 
durch Angleichung an waurkjan erklären will, ist, worauf mich W. Schulze 
aufmerksam macht, überhaupt nicht vorhanden. Es gibt nur ein gawaurki. 

1) Das gleichbedeutende do&doopos (Plato) entscheidet eher für die An- 
nahme, daß in ðoxņo:- Substantiv vorliegt; denn es kann nur für *do&aoogos 
stehen. Die Annahme ójošóoogos sei Ersatz für *defioopos (vgl. Wackernagel 
ob. XXXIII 371.) scheitert schon daran, daß das Wort erst der Sophistik angehört. 


Beiträge zur griechischen Grammatik. 67 


die bisherigen Ergebnisse umzustoßen. Es bleibt also nichts 
andres übrig als den Verbalstamm der Iterativa goß&w und *óo9£o 
als poße- und Aere anzusetzen. 

Nun haben bekanntlich diejenigen Sprachen, die diese Art 
von Iterativa kennen, also Altindisch, Griechisch, Lateinisch, Ger- 
manisch die Iterativa-Kausativa mit den Denominativen nach den 
verschiedensten Seiten hin ausgeglichen, Brugmann, Gr.° II 1,399. 
Im Ai. hat das Iterativum über das Denominativum gesiegt, vgl. 
bhämita-, rabhita-, duhkhita- (Withney, Ai. Gr.* 442) nach coditd-. 
Das Gleiche gilt für das Germanische, z. B. got. fullibs nach nasips. 
Im Griechischen hat umgekehrt das Denominativum über das dort 
nur spärlich vertretene Kausativ-Iterativ den Sieg davon getragen, 
also goonrög nach Yılntös. Wie steht dazu nun das Lateinische? 
Hier lautet das Partizipium auf -itus, sowohl von Kausativa, wie 
monitus, als auch von andern Bildungen der 2. Konjugation, wie 
habitus, tacitus, veritus, meritus u. v.a. Da sich in der Stamm- 
bildung auch Ableitungen mit -2 finden, wie verēcundus, so können 
die Partizipien wie veritus nicht alt sein, sondern sie müssen sich 
nach monitus gerichtet haben. Also liegt im Lateinischen wie im 
Germanischen und Altindischen wieder ein Sieg des Kausativums 
über die ähnlich lautenden Präsensbildungen vor. Dieses ¿ des 
Partizipiums wird nun im allgemeinen zum Präsens in Beziehung 
gesetzt, indem man *moneio in mon-ei-ọ zerlegt und in dem ¿ von 
monitus die Tiefstufe von ei sieht, vgl. Brugmann, Gr. II?’ 3, 2451. 
So erblicken denn auch Sommer, Lat. Gr. 559, 601 und M. Leu- 
mann, Lat. Gr. 319 in monitus alten Vokal und führen demge- 
mäß auch das Perfektum -ui der 2. Konjugation auf -ivai zurück. 
Aber dazu stimmt nicht die Überlieferung. Alat. heißt es noch 
mereto(d) mit e statt i (CIL. I 9, 31, 32, 45, 360, 384, 386). Ebenso 
heißt es immer meretrix, K. Meister ob. XLV 186, was nur altes 
e sein kann, da ursprüngliches ¿ nicht zu e geworden wäre. Auch 
in e von CIL. I° 1739 monementum wird man demnach etwas Altes 
sehen können. Da ferner Adjektiva auf -idus mit Verba auf are 
in reger Wechselbeziehung stehen, so halte ich auch das e in 
soledas CIL. I° 1529 für altertümlich'). Weniger Wert lege ich auf 
umbr. Formen wie tases, virseto, da im Umbr. i sehr offen war, 
so daß e auch offene Aussprache für i sein könnte. J. B. Hof- 
mann verweist mich freundlicher Weise auch auf orbita < orbhita 


1) Damit soll nicht gesagt sein, daß 2 in jedem einzelnen Fall aus alter 
Zeit ererbt sei. Es kann gelegentlich auch in Texten stehen, die in der Wieder- 
gabe von ¿ zwischen e und ¿ schwanken. 


Eh 


68 F. Specht 


IF. XLVII 178 und umbr. urfeta. An der Identität beider Wörter 
ist kaum zu zweifeln, wenn auch die Wortbildung italisch ziem- 
lich isoliert ist. 

Wenn also auch die umbr. Formen nicht zwingend auf -etos 
weisen, so ist doch durch meretod, meretrix u.ä. für das Lat. alter 
Vokal gesichert. Dann muß man aber auch das Perfektum auf 
-ui wie monui auf *monevai zurückführen. Überblicken wir bisher 
das Ergebnis, so ist das Germanische zweideutig, das Altindische 
weist auf einen außerpräsentischen Stamm auf -i — die Zurück- 
führung auf idg. a die lautlich möglich ist, kommt praktisch 
nicht in Frage —, das Griechische mit goße- auf e, ebenso das 
Lateinische. Die Beantwortung der Frage, ob das Griechische 
und Lateinische oder das Altindische das Alte fortsetzt, kann nicht 
zweifelhaft sein. Griech. gpoße- und lat. mone- (mere-) stehen so 
isoliert, daß eine Beeinflussung von andrer Seite kaum in Frage 
kommt. Man könnte allerdings bei dem Lateinischen an Beein- 
flussung durch das Präsens denken, also *monetos nach dem e 
von moneo, aber für das Griech. goßeororedın fällt auch diese 
Möglichkeit weg, da ja die ähnlich klingenden xoounor-, x00Tn01- 
usw. ganz andre Wege gegangen sind und das Präsens mit Bil- 
dungen wie goßeoı- überhaupt in keiner Beziehung steht. Dazu 
kommt noch ein Zweites. Idg. *bhoreiö, *moneiö, deren Akzent 
durch die Übereinstimmung zwischen Ai. und Germ. sicher rekon- 
struierbar ist, kann erst in einer spätern Zeit der idg. Sprach- 
periode entstanden sein, als vortonige Silben nicht mehr geschwächt 
wurden. Dann bleibt es aber ganz unverständlich, weshalb in einem 
Partizipium *bhoreitös zwar ei zu i geschwächt sein soll, aber 
in der Wurzel sich der volle Vokal erhalten hat. Eine Bildung 
auf -itos wäre in diesem Falle nur denkbar, wenn andre Vorbilder 
mit einem Präsens auf -éjð, und Partizipium auf -itös daneben 
lagen. Aber nur das Ai. weist mit Bestimmtheit auf -itós und 
gerade ai. -itas läßt sich als Neubildung leicht erklären. 

Präsentia von primären Verben, deren Wurzel auf i-Diphthong 
endigt, sind in den einzelnen Sprachen wie Lat., Griech., Germ. 
überall verloren gegangen. Nur das Altindische neben dem 
Litauischen hat eine größere Menge dieser Bildungen bewahrt. 
Ich führe aus dem Altindischen an: #ráyati- sritá-, kşáyati- ksita- 
(besitzen), ksayati- ksita- (vernichten), cayat- citá- (sammeln), 
cayate- citd- (wahrnehmen), jáyati- jita-, smäyate- smita-, hayant- 
hitá. Nach diesen Vorbildern ist ein ursprüngliches codäyati- 
*codatá- zu coditd umgestaltet worden. Das konnte um so leichter 


Beiträge zur griechischen Grammatik. 69 


geschehen, als die Betonung im Präsens und Partizipium bei 
beiden Gruppen die gleiche war. Ein Kausativ wie idg. *moneio 
darf also nicht, wie bisher geschehen ist, in *mon-ei-5 zerlegt 
werden, sondern in *mone-iö'), wo ein Ablaut zwischen Präsens 
und Partizipium weder besteht, noch bestehen kann. Damit ist 
aber auch jede Möglichkeit genommen, derartige Kausativa als 
Denominativa alter i-Stämme zu deuten, wie es noch Brugmann, 
Gr.II* 3, 245f. versucht. Für den Griechen ist im Grunde goge- 
wie eine zweisilbige Wurzel ozoge- aufzufassen, nur mit dem 
Unterschiede, daß @Qooz- als spätere Bildung dem Ablaut nicht 
mehr unterworfen ist. 

Das Resultat bleibt also bestehen, daß die Verbalkomposita 
mit eo im 1. Glied bei Homer und Hesiod nirgends, wie man 
bisher angenommen hat, etwas Auffälliges. zeigen, sondern völlig 
regelmäßig sind; £ ist entweder Schlußvokal einer zweisilbigen 
Wurzel oder eines volleren Verbalstammes auf -e, wie in doxe-, 
poße-. Von einem sogenannten Bindevokal kann überhaupt keine 
Rede sein. Nun steht aber ein tefe- in TeA&ußoorog neben zeicoı- 
in Teisoiußoorog, ein pas- in Daevixns neben pasoi- in paesolu- 
Booroc oder ein Eixe- in Eixexitwv neben Eixeoı- in EAxeolnendoc. 
Auf Grund solcher Bildungen, wo das Nebeneinander von -e und 
-eoi verständlich war, sind nun spätere Dichter weitergegangen 
und haben allerlei gewagt, was in der homerischen Zeit noch ganz 
unmöglich war. Die ältesten Beispiele zeigt Stesichoros. Er kennt 
bereits ein doxeoiuoAnos, Bergk frg. lyr. HI fr. 77 aus Athenaeus 
V 180e und frg. 17; (Diehl) Aıneodvogas (Akk. pl). Dazu kommt 
der Eigenname Aoxeollas (5. Jahrh.)”). dyeoixooov Aristophanes 
Lysistrate 1282 ist nur Konjektur Bergks, s. ob. S. 53. Heiyeol- 
uvdog Anthol. Pal. IX 525, gehört einem ganz späten Dichter 
an, der sich das Kunststück leistet, dem Akkusativ `zój442owra 
Dutzende von schmückenden Beiwörtern, die im wesentlichen 
alphabetisch geordnet sind, hinzuzufügen. Dem #Heiyeoluvdov 


1) Damit ist ein urgriech. *gpıleyö und *@ogeyö beidemal in *gıle-ö und 
poọe-¿ð zu zerlegen. Der Unterschied besteht eben nur darin, daß der Stamm 
des Denominativums außerpräsentisch Dehnung erfährt, während sie beim Kau- 
sativum unterbleibt. 

2) Meveoaıyuos, das Bechtel anf Grund des Kurznamens Meveolag erschließt 
und zu einem angeblichen ueveoa: stellt, kann in gleicher Weise aus * Aiyuo- 
nevns umgestellt sein wie Meveoavögos, Meveoınnog aus ’Avdoouevns Ta zo- 
uévns, Bechtel 149, 309. Nur ist ’Auywouevng rein zufällig nicht belegt. Außer- 
dem kommt wohl auch zweisilbige Wurzel in Frage, Fraenkel, Nom. Ag. 154 und 
Anm. 2 und oben S. 58 Anm. 1. Anders darüber urteilt Bechtel, Namenstudien 4f. 


70 F. Specht 


geht ein richtig gebildetes Hei&ipgova voraus. Natürlich haben 
Heieyeoluvdov Versnöte veranlaßt, da es sonst für den Hexameter 
unmöglich war. Durch Versnot hervorgerufen ist schließlich auch 
xaurıeolyvıa aus der orphischen Dichtung O. Kern Orph. frg. 34.. 
Das gleiche wird man für xauneolyovvos vermuten müssen, das 
Hesych als Beiwort der Erinye überliefert. Auch das ganz späte 
Eyosolxwuos Anth. Pal. IX 524, neben ¿yoexúóóoruos (Hesiod), Eyge- 
udxns (Sophocles) war anders nicht in den Vers zu bringen. Das- 
selbe gilt für das späte dAyeoi$vuog aus den orphischen Hymnen. 
Wegen BAaßeolyowv vergleiche ob. S. 34. So bleibt pegéoßios, 
das durch falsche Abteilung von gegeooaxnis entstanden ist, W. 
Schulze, Qu. ep. 20, 507; Solmsen, Stud. z. gr. Laut- u. Versl. 
20f. Darnach hat ein Dichter der späteren Kaiserzeit ein groe: 
oınövoıg (Kaibel, Epigr. 1026) gewagt, vgl. Solmsen a.a.0. ge- 
oeoavdng in dem späten homer. Hymnus 30. ist falsche Kon- 
jektur Ernestis. Das richtige eda@vde£oı hat längst G. Hermann 
auf Grund der Variante og edavdeoıw hergestellt, vgl. auch 
Christ a a O. 197 Anm. 1. Späte Künsteleien wie uedesintegos 
Anth. Pal. VU 194, die nichts mit den oben behandelten zu tun 
haben, übergehe ich hier und verweise auf die SEENEN 
bei Lobeck, Phrynichos 687. 

Es bleibt noch eine letzte Gruppe von Verbalstämmen übrig, 
an die ot treten kann. Es sind Wurzeln mit Erweiterungen, 
wie sie Froehde, BB. IX 122f. und W. Schulze, Qu. ep. 317ff. und 
Anm. 4 besprochen haben. Die Hauptvertreter sind die beiden 
Wurzeln 20v- „ziehen“ und „schützen“, deren Tiefstufe 60- heißt. 
Beidemal tritt oı- wieder an die starke Wurzel ŝọv-, vgl. hom. 
&ovodouarss, E&ovolntoAı und aus den Komikern £pvoixdwv, das 
W. Schulze, Qu. ep. 318, ob. LV 112 Anm. 2 von den zuerst ge- 
nannten trennt und zu lat. ruo, abulg. ryją „graben“ stellt; vci- 
doo findet sich erst bei Pindar, dvoißwuog und 6volnolıs erst 
bei Aischylos. Ebenso ist zgd01- in roVodvwe und rovolßıos zu 
beurteilen, die durch Sophokles und Aristophanes belegt sind. 
Wegen Hesychs von: dodeves, Aentóv, W. Schulze, Qu. ep. 317 
Anm. 4; Bechtel, Lexil. 72, wäre *regvas- das Alte’) Im Grunde 
ist vor- und tovor- nicht viel auffälliger als du. neben zaA4aot-, 
pūci neben pasoi- Da ferner der Präsensstamm ravv- im Griech. 
Verbalstamm wurde, so hat man von ihm aus nach dem Muster 
TEAE- : TEAEOI- = Tavv-:x ein tavvor- bilden können, s. ob. S. 37. 


1) Der gleiche Vorgang liegt bei dörwe statt *ëoóroo (Aischylos) vor. 
Fraenkel, Nom. Ag. II 12. 


Beiträge zur griechischen Grammatik. 71 


Von dude, das gleichfalls vv durch das ganze Verbum durchge- 
führt hat, ist von Theokrit ein dvvoıeoyds gewagt worden, während 
Homer dafür noch das alte &vreoueoydg für *&veolegyog kennt, s. 
ob. S.57f. Über Aorvoilews, Agzú4as, "Eomwvornusvng s. ob. S. 37. 

Fasse ich zusammen, so ist das Ergebnis ganz eindeutig. 
Überall ist a. (-zı-) an die stärkste Wurzelgestalt getreten. Bei 
tavvoı- war Anfügung von o, deshalb möglich, weil das ursprüng- 
lich nur präsentische vv im ganzen Verbum gebraucht werden 
konnte. Das ergibt eine merkwürdige Parallele zu der Imperativ- 
endung -dhi, die auch nur unmittelbar an die Wurzel antreten 
konnte. Sie war aber gelegentlich auch möglich ai. als -nühi, 
griech. als -vvðı hinter präsentischem nu, Wackernagel, SBA. 
1918, 391. Daß diese Übereinstimmung nicht Zufall ist, wird die 
Deutung des Typus zegwiußgoros ergeben. Einen besondern 
Typus &ixeolneniog neben zeowíuBooros gibt es überhaupt nicht. 
Denn in solchen Fällen gehört e entweder zu einer zweisilbigen 
Wurzel oder einem Verbalstamm auf -e. 

Es bleibt nun noch die Frage zu erörtern: Was bedeutet 
dieses merkwürdige Element -oı- Gel Brugmanns letzte An- 
sicht IF. XVIII 70f., nach der imperativisch gebrauchte ti-Stämme’) 
vorliegen, scheitert schon einfach daran, daß erstens den %-Stämmen 
zumeist Schwundstufe, den Verbalkomposita aber mit o Hoch- 
stufe eigen ist, die sich bei diesen uralten Zusammensetzungen 
nicht als analogische Umgestaltung deuten läßt. Zweitens sind 
-ti-Abstrakta von sekundären Verben in älterer Zeit unmöglich, 
s. ob. S. 41. Gegen Jacobis Annahme, Komposition und Neben- 
satz 64f., nach der in den ti-Bildungen die 3. Person des Singulars 
stecken soll, spricht die Tatsache, daß gerade die Verben, die 
neben dem Präsens einen außerpräsentischen stärkeren Stamm 
besitzen, wie u&iw, uein- diesen für die ti-Bildungen benutzen. 
Außerdem fehlt regelmäßig bei den o-Verben der Bindevokal; 
Wackernagel, Ai. Gram. Il 1, 320f. vermutet alte Imperative in 
der von Brugmann angenommenen Weise. 

Nach einer bekannten Regel der ai. Grammatik können Wur- 
zeln auf kurzen Vokal, die in der Komposition im Sinn eines 
verbalen Hintergliedes gebraucht werden, ein -£ annehmen, z.B. 
jyotiskrt „Licht schaffend“, abhihrit „zu Fall bringend“, Wacker- 
nagel, Ai. Gram. II 1,174. Daß diese Bildungsweise alt ist, lehren 


1) Auch Christ a. a. O. 207 geht von z2i-Stämmen aus, faßt aber die Zu- 
sammensetzungen als ehemalige Possessivkomposita auf. Das geht aber nur für 
einen kleinen Teil. 


72 F. Specht 


griech. Komposita, wie dßint-, dyvor-, @uoßewr- usw. oder lat. 
sacerdos (ob. XXVIII 281), locuples, mansues, Fraenkel, Glotta I 
271ff., die zugleich zeigen, daß die Beschränkung des Altindischen 
auf Wurzeln mit kurzem Vokal nicht idg. war, Fraenkel, Nom. Ag. 
174; Brugmann, Gr." I 1,423. Ferner stehen konsonantischen 
Stämmen nicht selten ;-Stämme gegenüber, vgl. ai. samit- sdmiti-, 
dasät- dasati-, drs- drsi- u.a., Brugmann, Gr. II" 1,428. Die Ver- 
teilung ist oft so, daß konsonantischer Stamm als erstes Glied 
einer Komposition zu i-Stamm wird. Andererseits erscheinen 
konsonantische Stämme innerhalb der Komposition auch als 
i-Stämme. Aus dem Griechischen führe ich an off aber oeiui ip, 
vó aber vuxrnlayarös u.a., dis aber ddundopveos (doch vgl. 
auch Joh. Schmidt, Plur. 253), og aber nvgıpleywv (Euripides 
Bacch. 1018), age aber vavolorovos (Pindar Pyth. 1,.), «jo aber 
xnoiparoı (Hesych), Aixıuröns u.a. aber *d4Ë in dis yaoınjo 
aber yaoroluapyoı, odo& aber ocaošípayos. Man hat zwar das i 
auch als Kasuskomposition deuten wollen, was für einige Fälle 
sicher stimmen mag. Aber man nehme nur so ein altes Wort, 
wie aiyloxos oder aiyıßdras, wo man mit einer solchen Deutung 
nicht weiter kommt. Dazu kommt i-Stamm in der Komposition 
von s-Stämmen, wie in dem gleichfalls alten nnysoluailog’) (s. 
ob. S. 64) gegenüber sénge, telesnnöwreıga (Euripides Heracl. 
899) zu TElos, ŝęeoruńtonv: yewuerglav Hes., das der ion. Sprache 
angehört (O. Hoffmann, Festschr. f. Bezzenberger SOT), in Eigen- 
namen, wie Eleoußvs zu Elos, Eideollewg zu elos, Meveoınnog 
zu u£vog (Bechtel 149, 151, 309) u.a. Diesen schließen sich aus 
spätrer Zeit allerlei Neubildungen an, wie dvdeolxows zu dvdog, 
uanxeolxgavos zu udxos, dAyeciöwopos zu dAyos u. a., vgl. Lobeck, 
Proleg. 144, Phrynichos 420, 687 f., Tserepes a.a.0.139f. Da in der 
Stammbildung r-, n-, i-, u-, s-Stämme miteinander wechseln können, 
gehört auch joos gegenüber odgıdosntav (Euripides Hek. 205) 
oder doıßaıns, óóou neben Ödoginovog u.a. hierher, wo wenigstens 
in doıßarns”) trotz óosoízoopos an Kasuskomposition nicht gedacht 
werden kann. Ferner seien von Eigennamen angeführt Kọari- 
Önuos zu xgdros, Kvöiviıxos zu xödos, Pegoiuaxos zu YEgoog, 


1) Auch zeıyeoıninta würde hierhingehören, falls Solmsen, Rhein. Mus. 
LX 498 im Recht wäre. Doch vgl. dazu Jacobsohn, Hermes XLIV 106 Anm. 2. 

2) Die Lehre Herodians Herodian L. II 410, = Etym. Magn. 6301s, nach 
der es deet, yyer- vor einfacher Konsonanz oder Vokal, der, &yxı- vor Doppel- 
konsonanz heißt, entspricht nicht den Tatsachen. Das oben erwähnte deiëdrge 
ist Aristoph. Av. 276 durch das Metrum gesichert. 


Beiträge zur griechischen Grammatik. 78 


&caooiloyos zu 9dooos, Kegdıuevns zu xéoóoc, Kndınpaıng zu 
2c?)Óoç, Meiöilews zu ueiöog, Kieldixog zu xAos, wohl auch Fey- 
duas (Bechtel 184) zu sexos in Hesychs Zyeopıv, vgl. Fraenkel 
ob. XLII 124 Anm. 2. Schließlich seien auch die von Joh. Schmidt 
behandelten Bildungen wie ai. aksipat-, ahd. herzisuht, augiwis 
u. a. erwähnt. Auch lat. Komposita, wie dentifrangibulum, regi- 
Jugium u.a. könnte man hierher rechnen’). Für das zweite Kom- 
positionsglied mache ich besonders auf den Gegensatz zwischen 
griech. nöoıs, ai. pati-, aber Öeordıng, lat. hospes < * ghostipot-, lit. 
viespat- aufmerksam, Fraenkel, Nom. ag. II 154; Meillet, BSL. 
XX V 143. 

Derselbe Gegensatz bei s-Stšmmen wie rınyeoluailos aber 
zörınyns kehrt nun in Resten auf einem ganz andern Teil des 
idg. Sprachgebiets wieder. In den ältesten Quellen des Ags., den 
Epinaler und Erfurter Glossen ist beidemal unter larbula (larvula) 
ein egisigrima überliefert, Sweet, The oldest Engl. Texts S. 72 
nr. 569. Die späteren Corpusglossen bieten dafür egisgrima, Sweet 
a. a. O. 73 nr. 1168. Der erste Bestandteil dieses Kompositums 
egis entspricht griech. droe, got. agis. Das auslautende s im got. 
Wort ist aus z entstanden, wie die Schreibung hatiz noch zeigt. 
Dieses z ist ags. zu r geworden und dann abgefallen, und so ist 
ege in die Flexion der i-Stämme übergegangen. Die alte Flexion, 
die daneben die ehemaligen s-Stämme noch zeigen, Weyhe, PBrB. 
XXXI 78ff. ist bei ege nicht mehr gebräuchlich. Die Weiter- 
bildung ags. egsa (= ahd. egiso) kann nicht vorliegen, da sie sich 
im 1. Glied der Komposition überhaupt nicht findet, Schücking, 
Untersuch. zur Bedeutungslehre der ags. Dichtersprache 36. Also 
muß in egis- der alte s-Stamm stecken und egisi- verhält sich 
dazu wie eideo- zu eideoı-. Denn in diesen ältesten ags. Glossen 
kann ¿ in Mittelsilben nur idg. i oder ë sein, Sievers, PBrB. VIII 
324ff. Davon fällt ë von vornherein als unmöglich aus. Diese 
vereinzelten ags. Glossen bekommen nun eine willkommene Be- 
stätigung durch das benachbarte Altniederfränkische. Dort findet 
sich in der Interlinearversion der Psalmen neben 65, egislikis 
„terribilis“ 65; ein eiselika „terribilia“; durch die Lipsiusglosse 232 
eiselika, die den Wert einer selbständigen Handschrift besitzt, 
wird es als richtig erwiesen. Auf Grund des ags. egisigrima kann 
man eiselika nur auf *egisilika zurückführen. Diese beiden Bil- 
dungen egisigrima und eiselika stützen sich gegenseitig, und trotz 


1) Dagegen müssen Komposita wie ai. pathikrt nach dem, was Wacker- 
nagel ob. LV 108 darüber gesagt hat, wohl aus dem Spiel bleiben. 


74 F. Specht 


allerlei Umbildungen, die die Komposita mit Z erfahren haben, 
kann ich Gröger, Die ahd. und as. Kompositionsfuge 30 in der 
Beurteilung von eiselika nicht zustimmen. 

Man braucht die eben behandelten beiden Erscheinungen, 
Anfügung von € an die Wurzel und Erweiterung von konsonanti- 
schen Stämmen zu i-Stämmen in der Kompositionsfuge nur zu 
kombinieren, und die Erklärung des -or- (-tı-) ist gegeben. Das 
wird besonders deutlich durch die Gegenüberstellungen folgender 
Gleichungen: óduao < *Öau-aor aber dori-enns, wo der t-Er- 
weiterung der Wurzel am Ende der Komposition eine ti-Erwei- 
terung des ersten Kompositionsgliedes entspricht. Ganz ähnlich 
sind dyvwr-, aber yvworuaxeiv, duat- aber dauaoı-. Ebenso ver- 
hält sich hom. Hymn. 312,4 Eögvpdeooa, Beiwort der Mutter des 
Helios oder I/aoıpdeoo« '), Beiwort der Aphrodite zu gaeolußooros. 
Das doppelte ø kann nur aus *-paerza entstanden sein, und dieses 
ist der Motion wegen für *pact, wie nela in doyvodnesa für 
* gó?) eingetreten. Also steht auch hier ein *gaerı- des 1. Kom- 
positionsgliedes einem *gaer- des zweiten gegenüber. Da im 
Griech. konsonantische {-Stämme im zweiten Kompositionsglied 
zu fä-Stämmen erweitert werden, vgl. öeondıns, so entsprechen 
sich ferner Aert in ’Ogriloxog und dor-@ in Kvvögräs, Avxdgras, 
oder bwr- in Bwrdveıga und Bwr-a in AaBor@s, oloßwras 
(Sophokles Aias 614) usw. Darauf hat bereits Bechtel, Lexil. 65 
aufmerksam gemacht. 

Man wird fragen, wie es gekommen ist, daß ii in der Kom- 
position obligatorisch wurde, während sonst die i-Stämme gegen- 
über konsonantischen Stämmen bei gleicher Wurzel nicht immer 
auf die Komposition beschränkt sind. Auch hier ist die Antwort 
leicht gegeben. Sobald das zweite Kompositionselement konso- 
nantisch anlautete — und das galt für die meisten Fälle —, wäre 
bei Verwendung von t-Stämmen in der Komposition oft eine ganz 
undenkbare Konsonantengruppe entstanden. Ich erinnere nur an 
das Musterbeispiel reowiußooros, das dann *regnzußoorog hätte 
lauten müssen °). Daraus hätte wohl nur ein *z£oßoorog entstehen 

1) Daneben besteht eine andere Femininbildung in Kallıpasıa Pausanias 
6, 22, zum adjektivischen -pasis. 

3) Bechtel ob. XLIV 357 sieht in pdeooa ein Partizipium Präsentis mit 
Abstufung (also für *pdaooa), das der 2. oder 6. indischen Klasse entsprechen 
soll. Die 6. Klasse kommt bei der Hochstufenform nicht in Frage. Aber auch 
für mi-Flexion gibt es in dem Verbum keinen Anhalt. Alles, was darüber ob. 


S. 58fl. ausgeführt wurde, weist auf thematische Flexion. 
3) Ein solches Kompositum sehe ich im ved. srütkarna-, das als Bahu- 


Beiträge zur griechischen Grammatik. 75 


können, wo unter Umständen die beiden o noch durch Dissimila- 
tion verändert wurden. In einem solchen Worte wäre der erste 
Kompositionsteil völlig verdunkelt worden. 

Fasse ich zusammen, so können die Bildungen mit ti im 
ersten Kompositionsglied nur die reine Wurzel enthalten, die 
durch Anfügung von ti genau so als Nomen charakterisiert wurde, 
wie am Schluß des Kompositums durch Erweiterung von ¿ Der 
Gegensatz, der darin besteht, daß der Hochstufe im ersten Kom- 
positionsglied in der Regel Tiefstufe im zweiten entspricht, ist 
völlig in der Ordnung. Indogermanisch ist das Verbum im Neben- 
satz stets betont gewesen, im Hauptsatz nur dann, wenn es am 
Anfang stand. Im allgemeinen ist die Anfangsstellung selten. Das 
Regierte steht in der Regel vor dem Regens. Der seltnen An- 
fangsstellung des Verbums im Satze entspricht nun der gleichfalls 
verhältnismäßig seltene Typus reowiußooros, und es ist daher ganz 
selbstverständlich, daß das Regens regyı- auch den Ton tragen 
muß. Auch wenn zegwiußegoros, wie es oft der Fall gewesen sein 
mag, im Sinne Jacobis einen Nebensatz vertritt, so war gleich- 
falls Betonung des verbalen Vordergliedes das Regelrechte. Mit 
dem Ton aber verbindet sich Hochstufe der Wurzel. Ganz anders 
aber ist es, wenn die Wurzel den Schluß eines Kompositums 
bildet. In diesem Falle haben die Zusammensetzungen in den 
einzelnen Kasus ursprünglich regen Akzentwechsel gehabt, und 
die in der Regel durchgeführte Tiefstufe ist die Folge eines 
Ausgleichs. 

Ausnahmen in der Betonung zeigen einige Bildungen mit 
s-Stamm im 2. Gliede, wie dotienns, Avorueins, Exenevnnis, taña- 
nevdNs, Äuagproenng, duevorenns, Good, PiEgCLyernS u. a. 
Diese Betonungsweise kann nicht altertümlich sein. Sie entspricht 
dem Bestreben der Griechen komponierte s-Adjektiva gern zu 
oxytonieren und steht hier im Gegensatz zum Ai. Vgl. Wacker- 
nagel, GGN. 1914, 45f. Eine zweite Gruppe, die im Akzent ab- 
weicht, sind die Verbalkomposita mit -soyós im Hinterglied, wie 
TQÂÅQEQYÓS, Evreoieoyös, Avvarsgyds, Teleoıovoy6g. Auch hier liegt 
eine Analogiebildung vor. Denn zusammengesetzte Nomina agentis 


vrihi „tönende (oder lauschende) Ohren habend“ übersetzt wird. Aber śrut- ist 
weder Partizipium noch kann es partizipiale Bedeutung haben. Ein Substantiv 
śrut- wie etwa stut- gibt es auch nicht, wie denn primäre Z-Bildungen außer- 
halb der Komposition überhaupt sehr selten sind. Ich kann daher śrut- in 
srütkarna nicht anders verstehen als etwa in karnasrut (nom. prop.), wo es 
am Ende des Kompositums steht, und übersetze es daher „mit den Ohren lauschend“. 


76 F. Specht 


mit langer Paenultima pflegen in der Regel im Griechischen End- 
betonung zu haben, Wackernagel, GGN. 1914, 129f. 

Auch für die Bedeutung des Vordergliedes bleibt noch einiges 
zu bemerken. Brugmann und mit ihm Wackernagel faßt das 
verbale Vorderglied imperativisch. Das wird vielfach richtig sein 
und steht mit der sonstigen Verwendung der bloßen Wurzel im 
schönsten Einklang. Auch gegen die Diathese ist die Wurzel 
indifferent. Vgl. zu ähnlichen Fällen Fraenkel, Nom. ag. I 47ff. 
68f. und Glotta I 273ff. Das ist deshalb wichtig hervorzuheben, 
als noch heute vielfach die von G. Meyer, Curt. Stud. V 26ff., 
VII 180f. vertretene Ansicht gilt, nach der das hintere Glied nur 
einen Akkusativ vertreten kann. Dagegen hat mit Recht Williger 
a. a. O. 6 Anm. 2 Einspruch erhoben. Das vorhandene Material, 
das zum größten Teil von Christ a. a. O. 201 ff., bes. 206 zusammen- 
gestellt ist, läßt eine andere Deutung nicht zu. Es gehört dahin 
gvolboos, wo g@vor- aktive Bedeutung besitzt, gegenüber paeo, 
dessen endgültige Bedeutung aus dem Intransitivum entwickelt 
ist; degor- ist im hom. degolmodes Gro transitiv „die Füße hebend‘“, 
im hesiodeischen degoındınros dodxvns (Op. 777) und xúxwo, deo- 
oıscöraı (Scut. 316) intransitiv „durch Flug sich erhebend“. Ferner 
werden die Eigennamen mit $7noı- als Vorderglied wie Irnolxo- 
oos in der Regel transitive Bedeutung haben, bei Srnoltıuog wird 
man dagegen eher an intransitiven Sinn denken müssen. Man 
braucht daher auch an Aischylos Sept. 725 Oidındda BAawipoovog, 
das das Scholion durch Beßlauue£vov tàs poevas wiedergibt, oder 
Hesychs daoipoovı: BAawipoovı, poevoßilaßei gegenüber Biet. 
goen „den Verstand schädigend“ bei Späteren nicht Anstoß zu 
nehmen. Auch uvnor- in urnolxaxog hat intransitive Bedeutung. 
Transitiver Sinn läßt sich diesmal nicht mit Sicherheit nach- 
weisen, da die vielen Eigennamen mit M»noı- eine einwandfreie 
Entscheidung nicht zulassen. Lehrreich ist weiter der Gegensatz 
zwischen zeowiußooros mit aktivem reon- und regipixogos mit 
passivem. Allerdings kommt hier auch die etwas andere Auffassung 
von Bechtel, Glotta 175 mit in Frage. Ganz eindeutig ist da- 
gegen der Gegensatz zwischen aktivem reg") in TrEioißooTov 


1) In dieselbe Richtung gehören auch aus Aischylos Agam. 1639 meıdävwe, 
Sept. 224 neıdaoyxia, Pers. 374 neidaoyos, Wo ze: nur zu zeidouaı gehören 
kann. Bechtel 366 stellt dagegen IIsıJayoons, ITeidavögos, IIsı$avwe, ITidapyos 
(Tanagra) zu zneidw. Ob das für alle gilt, bleibt doch zweifelhaft Lehrreicher 
sind noch die Komposita mit &yoe-, wie Hesiod Theog. 925 &yoexddoruos „Lärm 
erregend“. Der transitive Aorist heißt schon von Homer ab nur yerga, der 


Beiträge zur griechischen Grammatik. 77 


Baxtoov Aischylos Choeph. 362, Adieu neiolußoorov Bacchyl. 8. 
und intransitivem reoi- in douara neıoıyalıva Pindar Pyth. 211, 
zwischen spät belegtem zn&ıueing (Anth. Pal. VII 284,) in aktivem 
und znöinodog (Krates, Diehl frg. 7) in passivem Sinne. Des- 
gleichen hat doppelte Diathese die ob. S. 48 erwähnte Hesych- 
glosse onoönoılavea‘ $ tàs oùs telßovoa D èv Tais 6ójóoiç ro: 
Bouévn. Wegen xıvnolpvilov vgl. W.Schulze, Qu. ep. 160 Anm. 1. 

Passive Bedeutung liegt ferner vor in dem späten doadixewpa 
töurave (Anth. Pal. VI 94), Lobeck, Phrynichus 770. Ferner ge- 
hören hierher die Bildungen xvxnoırepoov xovias (Aristophanes 
Ran. 710) „Lauge mit Asche durchrührt* oder 2yxoaoixoAos, Name 
eines Fisches, eigentlich „mit Galle gemischt“. Auch Zpaoınid- 
xauos als Beiwort von Frauen bei Pindar und Ibykos gegenüber 
£oaoluoArog (Pind.) mit aktivem Vorderglied ist hierher zu stellen. 
Es heißt also ursprünglich „geliebt durch die Locken“, was man 
dann, wie es Williger tut a.a. 0.6 Anm. 2, durch „mit lieblichen 
Locken“ wiedergeben kann. Allerdings kann ich Williger nicht 
in der Beurteilung dieser Bildungen beistimmen. Er sieht im 
Vorderglied Verbaladjektiva auf co. „die unter analogischem Ein- 
fluß den Kompositionsvokal ı angenommen haben“. Dazu ver- 
weist er auf xaAAı-. Aber nirgends sind sonst Verbaladjektiva 
auf -to durch -ı in der Komposition ersetzt worden, und da 
außerdem sii ganz anders zu beurteilen ist, gibt es überhaupt 
keine analogischen Vorbilder für einen solchen Ersatz. Passiven 
Sinn haben schließlich auch die 1. Kompositionsglieder mit uefo- 


intransitive &yg&odaı. Hier ist also scheinbar der Stamm des intransitiven 
Aoristes in transitiver Bedeutung verwendet worden. In Wirklichkeit war eben 
der Verbalstamm ¿yoz- gegen Diathese ganz gleichgültig. Ebenso verständlich 
ist der Gegensatz etwa zwischen zajarnevdrs „Leiden duldend* und zalaxdodıog, 
zAndvuos „duldend im Herzen“, die Debrunner, Griech. Wortb. 79 nicht ganz 
richtig beurteilt. Jedenfalls lehren diese Fälle, daß auch der dox&xaxos-Typus 
einen gegen Diathese völlig indifferenten Verbalstamm zeigt. Das weist auch 
den Weg zu der, wie mir scheint, ganz selbstverständlichen Erklärung von 
Aeyxenolns, über das G. Meyer, Curt. Stud. V 109; Osthoff, Verbum in der No- 
minalkomposition 139 Anm.; Christ a. a. O. 192; Schaper ob. XXII 519 unter 
Zustimmung Bechtels, Lexil. 215, gehandelt haben. eye- kann nur der Verbal- 
Stamm in Aeyeraı sein. Es bezieht sich also auf den Fluß oder Ort, der im 
Wiesengelände liegt, bzw. ruhig hindurch fließt. Gegen die Deutung Bechtels 
spricht e als Kompositionsvokal trotz ’Ayadeoredın Bechtel 8, Kisıwdias ebd. 
249, Dılduayos, Dıldopyos, Beluvooros (Thespiä), Mospeosgaros, Aunepılos, 
Tıu£ias, die meist auf Böotien und das benachbarte Eretria beschränkt sind, 
und lokr. dvögepovindv. Als dorisch bucht dvöospdvos Eustath. 183, 6f. = 
Herodian L. II 418. Ahrens de Graec. ling. dial. II 122. 


78 F. Specht 


die Williger a.a. O. erwähnt, wie weı&630005 Aeschylos Sept. 331, 
ueı&dußoorog ebd. Hik. 568, ueıfovöuov &oipov Simonides frg. 69; , 
usı8oßaoßaoos, ueıondodevos u. a. 

Auch die grammatische Beziehung zwischen verbal gefaßtem 
Vorderglied und nominalem Hinterglied ist nicht immer die natür- 
liche. Ich erinnere an Pindars Nem. 9, doua xgarnoınnov, Pyth. 
101: ndreav xgarnolsoda, wo die beiden Komposita als „siegend 
durch die Rosse“, „durch die Füße“ gedeutet werden müssen. 
Ganz ähnlich ist das von Aristophanes ran. 1014 gebildete ĉia- 
doaoınoAltns, das Bekker Anekd. I 34 durch ó dıadiögdonwv Tas 
ins nödewg Önovoylas xal um BovAdusvog v tois dvayxaloıs xaıgoig 
nageivaı tù nargldı. Es ist offenbar ein ursprünglich dreiglie- 
driges Kompositum, wo das Mittelglied unterdrückt ist. Auf ähn- 
liche Erscheinungen im Deutschen hat Behaghel wiederholt auf- 
merksam gemacht. In dem späten Jeiyeoluvdog „durch Worte 
bezaubernd* und Heidipewv (ob. S. 33) „den Sinn bezaubernd‘“ 
regiert $eAy- Instrumental sowie Akkusativ. Dasselbe gilt für 
die bacchylideischen HeAdıenng und Yeifiußooros. In dem erst 
durch Plutarch überlieferten, aber sicher alten nagaxiavoldvgov 
zeigt die Stellung des zaga- die Freiheit der Rektion. Diesen ver- 
schiedensten syntaktischen Bedeutungen des verbalen Vorder- 
gliedes wird man nur wieder gerecht bei der Annahme, daß hier 
die indifferente Wurzel zu Grunde liegt. Sonst ließen sich diese 
Gegensätze gar nicht deuten. Natürlich mag manche der Bil- 
dungen auf individueller Freiheit des betreffenden Dichters be- 
ruhen. Aber möglich waren sie nur dadurch, daß alte Vorbilder 
vorhanden waren. | 

Wie der von Brugmann, Ber. sächs. Ges. d. W. 1899, 197 ff. 
hervorgehobene Unterschied zwischen p#&ıonvwe u. a. mitSchwund 
des ¿ vor ursprünglich anlautendem Vokal des 2. Kompositions- 
gliedes gegenüber erhaltenem i bei fi-Stämmen wie radlaoxos zu 
deuten ist, bleibt schwer zu sagen. Jedenfalls zeigt Bwridveige, 
das Brugmann a. a. O. 198f. sicher nicht richtig erklärt, daß in 
diesem Typus in ältester Zeit auch Verbindung von -ı und kurzem 
Vokal möglich war, wie in doyıödovs, „vöıdveiga, "Ipıdveign, 
Aidiones, rgotidooougı, Eröwoucdı gegenüber ganz anderm ó- 
wouaı (Wackernagel, IF. XXXI 261f.).. Im Attischen sind noch 
im Ausgang des A Jahrh. die sakral gebrauchten Zmu@waro, 
Eniop9evrag üblich gewesen, Meisterhans-Schwyzer, Gram. att. 
Inschr.” 194 und W. Schulze, Qu. ep. 421 und Anm. 2. Wegen 
Bwrdveıga gegenüber deionvwg verweise ich noch auf Wacker- 


Beiträge zur griechischen Grammatik. 79 


nagel, Dehnungsges. 51. Übrigens haben die von Brugmann an- 
geführten Beispiele, wie za&iaoxos alle im Anlaut des 2. Kompo- 
sitionsgliedes positionslange Silbe, so daß Kompositionsdehnung 
nicht möglich war. 

Zum Schlusse bleibt die Frage zu erörtern, wie sich die volle 
Wurzel des Griechischen zu den entsprechenden Bildungen des 
Altindischen (Wackernagel, Ai. Gr. H 1, 320; Jacobi a. a. O. 64) 
verhält. Zunächst hat das Ai. im Gegensatze zum Griechischen 
nur ganz geringe Reste solcher Bildungen bewahrt. Von diesen 
stimmt zum Griechischen scheinbar dätivära- „Schätze gebend“, 
Rantideva- Eig., eigentlich „die Götter erfreuend“. Dagegen 
zeigen püstigu- (Nom. propr.) eigentlich „Kühe aufziehend“, 
rityap- „Wasser strömen lassend“, vitirädhas- „die Spende ge- 
nießend“, vitihotra- „das Opfer genießend*, vrstidyav- „den Himmel 
regnen lassend* im Gegensatze zum Griechischen Tiefstufe. Da 
neben sämtlichen ai. Vordergliedern Substantiva auf # mit gleicher 
Vokalisierung liegen, wie ddti-, puüsti-, riti-, viti-, vrsti-, so werden 
diese für die betreffenden Komposita maßgebend geworden sein. 
Darauf weist schließlich auch der Akzent hin, der in den er- 
wähnten Verbalkomposita sich immer mit dem der Verbalsubstan- 
tiva auf 6 deckt. In srütkarna- (s. ob. S. 74 Anm. 3) ist srúti- oder 
srut am Ende der Komposition auch für das 1. Kompositionsglied 
maßgebend geworden. Man wird aus diesen Analogiebildungen 
nur den Schluß ziehen können, daß für das Ai. der betreffende 
Typus völlig erloschen und unverständlich geworden war, so daß 
er Anschluß an Bildungen suchte, die ihm äußerlich ähnlich waren. 

Eine letzte Folgerung, die sich eigentlich aus der ganzen 
Darstellung von selbst ergibt, will ich wenigstens in aller Kürze 
noch ziehen. Wir hatten gesehen, daß als 1. Kompositionsglied 
entweder ein Präsens- oder Aorist-Präsensstamm, wie &ye-, &ixe-, 
axe- usw. erscheinen konnte. Die bloße Wurzel findet sich nur, 
wenn sie vokalisch ausging, also bei langdiphthongischer oder 
zweisilbiger Wurzel, wie tåņ-, 0@-, veie-, pae-, taAa-, dya-, denen 
sich zavv- vom griechischen Standpunkt aus anschließt. Diese 
unterschiedliche Behandlung zwischen einsilbiger und zweisilbiger 
Wurzel ist sicherlich ganz gegenstandslos. Erste Kompositions- 
glieder von der bloßen Wurzel, wie &x-, &ix-, dax- usw. sind wohl 
einfach deshalb nicht gewagt worden, weil in den meisten Fällen 
durch Konsonantenschwund die Komposition überhaupt verdunkelt 
worden wäre (vgl. ob. S.74f.). Daß auch solche Zusammensetzungen 
möglich waren, lehren &elixI$w» < *Elelingdwv oder EAitgoxos 


SO F. Specht 


(Aesch.) < *&Aıxtooxos, das aber nicht lautgesetzlich sein kann; 
vielleicht hat &llyovoos < *EAıxyovoog mitgespielt. In diesen Fällen 
liegt nicht einmal ein primäres Verbum zu Grunde’). Wer will, 
kann auch Komposita mit vokalischem Anlaut im 2. Gliede so 
fassen, wie doexnyös oder deionvweg. Die Dehnung in der Kom- 
positionsfuge hätte sich nach den zahlreichen Vorbildern gewiß 
auch sonst eingestellt. Von sekundären Verbalbildungen war Ver- 
wendung des Präsensstammes in der Komposition offenbar nicht 
möglich. Die Ausnahmen, die scheinbar dagegen sprechen, er- 
ledigen sich leicht. Über ëue- zu Ayeoucı vgl. ob. S.53f. Aleinnn, 
Bechtel 28 aus Eretria weist zwar auf aige-. Aber «aio&w ist an 
die Stelle von dyo&w getreten, durch das es formal beeinflußt 
worden ist; nadıvayoeros und Sol, dyo&devres IG. XII 2, 655 weisen 
auf ein Präsens *dyosu, so daß also dyoe-, aige- in der Kom- 
position mit reie-, taña- auf gleicher Stufe stehen, vgl. Ehrlich, 
Z. idg. Sprachgesch. 44. Natürlich könnte man die zahlreichen 
Komposita mit gılo-, uoo- hierher rechnen. Aber woo- ist erst 
nach gılo- gebildet. Dagegen kann gı4o- mit dem gleichen Recht 
wie zu gılEw zu dem Stamm ei in pliaro, pliteoos’) gestellt 
werden. Daß die letzte Auffassung zwingend ist, lehrt einfach 
der sonst völlige Mangel dieser Bildungen von abgeleiteten Verben. 
Ein angebliches Zeie zu gıldw wird deshalb nicht möglich ge- 
wesen sein, weil derartige Bildungen für verbale Rektion undurch- 
sichtig waren und *gıle- (zu gılEw) ebenso gut zu gpilog hätte 
bezogen werden können. Nun liegt in einigen Kompositen mit 
pıAo- sicher überhaupt nicht erstes Verbalglied, sondern ein Bahu- 
vrihi vor, wie etwa in gılögevog, Osthoff a. a. O. 159; Christ 198. 
Das hat dann auch zur Umbildung von verbalem gıle- zu do: 
mit beigetragen. Als Possessivkompositum ist auch Pindar Ol. 2; 
dwrov deidaro/r, aufzufassen, Williger a.a.0.18. So bleibt allein 
poße- in poߣoroarog Etym. Magn. 797,54 und in Versen, die bei 
Galen, Dogm. Hipp. et Plat. (Kühn Bd. 5, 352) stehen. Falls die 
Bildung alt ist, so erklärt sie sich durch die Sonderstellung, die 
auch sonst poßeoı- besitzt, ob. S. 65ff. Ebenso ungeeignet in der 
Komposition sind die volleren reinen Verbalstämme, wie óT-, ueÄn-, 
die im Verbalsystem außerhalb des Präsens verwendet werden’). 

1) Zweifelhaft bleibt, ob &vagiußooros (Pindar) aus *evagıdupßooros zu 
&vaeitw erklärt werden kann. Es kommt auch Zugehörigkeit zum Stamm vag- 
in vaio» in Frage (Aorist Zvaoov) mit Umbildung von -e zu -ı. 

8) ei : piiteoos = ai. gam- : (ä)gdmistha- = tap- ` tdpistha- u. a. 
Anders O. Hoffmann, Philol. LX In. 

3) Bei den Eigennamen Aodın(n)os, Zußıos u. ähnl. wird Bechtel 141, 186f. 


Beiträge zur griechischen Grammatik. 81 


Viel wichtigeres Material für den Bau der idg. Wurzel liefern 
nun die Verbalkomposita mit -ti im ersten Gliede. Hier hatte 
sich ergeben, daß dieses Element stets an die stärkste Wurzel- 
gestalt tritt. Die wenigen Ausnahmen erklärten sich vom Stand- 
punkt des Griechischen aus sehr leicht, Legt man die Hirtschen 
Ablautstheorien zu Grunde, so ergeben sich allerlei Widersprüche 
mit den Resultaten, die rein aus der Analyse gewonnen sind, 
Es heißt BAaspı-, nicht *BAaßnor-, dxegoe-, nicht *dxagnor-, nepi, 
nicht *xAannor-, ueri- nicht wyno, orvoggo- (orempı-), nicht 
* groapnor-, tegt, nicht *raonnor-, pFegor-, nicht *g9aqomor-, 
scingı, nicht *rAnynoı (*nAaynor-), 6n&ı-, nicht *6aynor-, n£ı-, 
nicht *raxnoı-, dauaoı-, nicht *ôauaoı (Hirt, Idg. Gr. II 212), 
pūai- oder pdeor-, nicht *pe@or-, ao, nicht *¿4G6oÜ (Hirt a. a. O. 
II 212), zausoı-, nicht *reuäcı (Hirt, Griech. Gr. 525), draoı-, 
dreoı-, nicht *dr&or- (Hirt, Idg. Gr. a. a. O.), Zouor, nicht *&gevor- 
(Hirt, Idg. Gr. 11213), aber ózTotr-, ueAnor-, eëoTor-, oxmot-, yaronor-, 
xoatnoı- usw. Nach Hirt, IF. X 24 stehen zayn-, wıyn-, dayn-, 
niayn-, ßAaßn- wenigstens für das Griechische mit daun- auf 
gleicher Stufe. Griech. Gr.” 514; Idg. Gr. H 212 stellt er mit 
BiAaßn-, nAayn-, dou. auch xaon- zusammen, Griech. Gr," 524 
mit *daun- <*6aua- auch deg. aus övä-. Wäre Hirts Ablauts- 
theorie also richtig, so könnten die ersten Vorderglieder nur 
*Aanınor-, xalı)onor-, *dauaor-, vyo- lauten. Es widersprechen 
demnach die Typen *#Aannoı- (*xaonaı-) und *öauaoı-. Für 
jenes findet sich viet, für dieses dauaor-. Also muß die Hirt- 
sche Theorie falsch sein’). «Aer-, xeo- usw. sind einfache einsilbige 
Wurzeln, die den intransitiven Aorist mit einem ursprünglich be- 
tonten -ë erweitern konnten. Dieses -Z hatte sonst zur Wurzel 
keine weiteren Beziehungen. Dagegen sind uéĝîw, xalow, ebolonw 
Verben, deren Präsens einen zweiten außerpräsentischen Stamm 
auf -z oder -2(1) zur Seite hatte. Zum Präsens stand er in einem 
ähnlichen Verhältnis wie etwa bei einem sekundären Verbum g¿4z- 
zu gıde-. Jedenfalls, und das ist für den Ablaut das Wesent- 
lichste, haben Bildungen wie yæọnņ-, weAn-, edon-, vn- mit xaon-, 
ßAaßn- usw. nicht das Mindeste zu tun. Sie sind nur rein äußer- 
lich gleich. 


wohl mit seiner Deutung Recht haben. Bei ’Iyxi7s 215 weist allein schon die 
Bedeutung ganz sicher auf ein substantivisches Vorderglied. Wegen "Hynuar- 
deos 8. ob. S. 54. 
1) Gegen Hirt spricht sich auch P. Persson, Beitr. z. idg. Wortforsch. aus, 
besonders 623 ff. | 
Zeitschrift für vergl. Sprachf. LIX 1/2. 6 


82 F. Specht 


Am wichtigsten ist die Folgerung für dauaoı-, TaAaoı-, paesoı-, 
raueoı-, dreoı- usw. Auch hier verlangt die Hirtsche Theorie im 
Prinzip eine Länge der zweiten Silbe, von der sich aber nirgends 
eine Spur findet. Wie xæọņ- aus xeo + d entstanden ist, so kann 


also daun- in daufjvaı nur auf des +- ë, uayntós auf vom + ë +- Los, 
dxdontos auf xeoa + ë + tós, reen auf tega + (Oú, steru- neben 
stere- auf stera + (e)ú beruhen‘). Ebenso kann die Analyse von 
Bildungen wie ai. sanöti oder vanöti nur *sena+eEu-+ ti, *vena Lë Le 
lauten. Der Gegensatz in der Behandlung von övna- und ða- 
uooı- verlangt gebieterisch für övivnu eine Zerlegung in d-vı- 
vn-u, für ödurnuı in *dau-ve-a-u. Alles andre, z. B. die Hirt- 
sche Analyse *dau-v-@-u: widerspricht dem klaren Bilde, das die 
Verbalkomposita auf ti vom Bau der idg. Wurzel ergeben. Die 
Hochstufen müssen also daua- (deua-), teua-, pas-, taña-, &go- 
usw. lauten. Ansätze wie *daud-, *reua-, *pan-, *tala-, *doö- 
usw. haben in der Sprache nirgends einen Anhalt, sondern sind 
rein theoretische Kombinationen. Vgl. auch W. Schulze ob. XLV 
95f. Lediglich das ganz vereinzelte Nebeneinander von zwei- 
silbigen und langvokalischen Wurzeln, wie ere- in äo&oow, ai. 
aritra-, lit. rt gegenüber rō- in ahd. ruodar oder pele- in ai. 
pårīman, griech. n&lsdgov, lit. pilnas, aber nie" in ai. dpräs lat. 
plenus (vgl. Joh. Schmidt, Krit. 180ff.) und einigen andren hat 


1) Da diese Wurzelerweiterungen mit ew wie der rege Ablaut lehrt, in 
eine sehr frühe Zeit fallen, so hat sowohl in die Basis steru- wie stere ne 
infigiert werden können, also ai. s#rnot¿ neben strnati. 

2) Ich fasse Wurzeln wie »l2 neben pela oder rō neben era u. a. als 
pelə + ë, era + öğ, die zu nie oder ró werden mußten. Dann stimmen sie fast 
genau zu Bildungen wie hom. xexdenua:. Nur ist in der 1. Silbe von soeg der 
aus einem ehemaligen Präsens *xdevvuu: als o übertragene Schwächungsvokal 
erhalten, während er in ole ganz geschwunden ist. Da diese Wurzelerweiterung 
durch betonten langen Vokal in die idg. Grundsprache hinaufreicht, so sehen 
ple und +ó scheinbar wie die langvokalischen Wurzeln dë und do aus. Dann 
stehen also Bildungen, wie plē < pela + č, streu in ai. sirndti, got. straujan 
<stera + éu, voneu in ai. vandti < venə + éu oder grbhät in ai. gröhnäti < 
gerbhə + G£ u. a. völlig auf gleicher Stufe. Für eine solche Deutung von pl 
spricht der Umstand, daß scheinbare langvokalische Wurzeln neben zweisilbigen 
keinen Ablaut zeigen. Das stimmt genau zu Bildungen wie ai. psäti- psätd- 
zu bhas. Lat. cognitus gegenüber gnötus widerspricht nur scheinbar. Es ist 
in seinem Ablaut genau wie ved. ástrta-, dnistrta- zu beurteilen, wie denn im 
Lat. überhaupt Partizipia sich gelegentlich dem primären Verbum anschließen. 
Dazu kommt, daß der Typus ple neben pela in Wirklichkeit verhältnismäßig 
selten ist. Die stattliche Zahl, die zuweilen in Handbüchern angeführt wird, 
beruht zu nicht geringem Teil auf bloßen Konstruktionen und zweifelhaften 
Etymologien. Damit kehre ich auf Brugmanns Standpunkt, Morph. Unt. I 1f. 


mm — — 


Beiträge zur griechischen Grammatik. 83 


zu Ansätzen wie *erö- *pele- usw. geführt. Sie sind dann auf 
alle möglichen Verben ausgedehnt worden. Dadurch hat die 
Etymologie zwar eine ungeahnte, aber kaum willkommene Be- 
reicherung erfahren. Die Behauptung, daß dieses Ablautsystem 
im Gegensatz zu der früheren Betrachtungsart, die nur reine in 
der gesprochenen Sprache nicht vorhandene Wurzeln erschlösse, 
das fertige Wort zum Ausgang der Untersuchung nähme, würde 
sicher einen großen Fortschritt des Hirtschen Systems bedeuten. 
Aber in der praktischen Anwendung ist diese Behauptung doch 
eine Selbsttäuschung geblieben. 

Es bleibt daher nichts andres übrig, als zu dem Ansatz der 
zweisilbigen Wurzeln, wie sie de Saussure erschlossen hat, zurück- 
zukehren. Da er die langsilbigen Wurzeln wie dhe-, dö-, st(h)ä- 
fälschlich als Kontraktionen einer Kürze mit seinem Vokal A auf- 
faßte, so war in seinem System eine Verbindung zwischen dem 
Reduktionsvokal langsilbiger Wurzeln und dem zweisilbigen 
Wurzelvokal möglich. Wir können heute nur feststellen, daß 
die Schwächung einer idg. Länge ä, ë, ó und der auslautende 
Vokal der zweisilbigen Wurzel wohl phonetisch in vielem über- 
einstimmen, aber die bloße Vertretung i für beide im Ai. gibt 
uns noch kein Recht, wie es Hirt und vor ihm Kretschmer ob. 
XXXI 403f. getan haben, auch den zweiten Vokal der zweisilbigen 
Wurzel auf eine ursprüngliche Länge zurückzuführen. De Saus- 
sure, Mém. 242 hat diesen Schluß ausdrücklich abgelehnt. Die 
zwar kurzen, aber inhaltsschweren Ausführungen W. Schulzes 
ob. XLV 23 haben gezeigt, daß die Färbung dieses zweisilbigen 
Wurzelvokals idg. Aë ë, ó gewesen sein kann'), im Gegensatz zu 
dem Kürzungsprodukt aus ä, ë, ó, das eine einheitliche Färbung 
gehabt hat. 


Exkurs I. Zur Assimilation des Schlußvokals bei zwei- 
| silbigen Wurzeln. 


Die letzten Ausführungen haben auf die dreifache Färbung 
des auslautenden Vokals der zweisilbigen Wurzel hingewiesen. 
Aber der ursprüngliche Vokal ist nicht immer leicht zu bestimmen; 
denn schon voreinzelsprachlich ist der Auslaut der zweisilbigen 


zurück. Nur kannte er damals noch nicht den Unterschied zwischen einsilbigen 
und zweisilbigen Wurzeln. 

1) Da M. Leumann in seiner nicht glücklichen Replik, Lat. Gr. 851f. gegen 
ıneine Besprechung Gnomon III 654 diese von mir zitierten Ausführungen ganz 
unberücksichtigt läßt, ist mir eine Auseinandersetzung mit ihm leider nicht 
möglich. | 

6* 


84 F. Specht 


Wurzel leicht der Assimilation an den Wurzelvokal ausgesetzt 
gewesen‘). Darauf haben bereits Hirt, Idg. Gr. II 121 und Walde, 
Stand und Aufg. der Sprachw. 167f. aufmerksam gemacht. Sie 
nehmen aber beide als ursprüngliche Färbung nur a an. Hirt 
muß aber für aço- von seinem Standpunkt aus zugeben, daß eine 
Erklärung des o nicht möglich ist. Für vo- in &vooixdo» würde 
genau das Gleiche gelten. Auch lak. vvua (Kretschmer, Glotta 
1353; Bechtel ob. XLIV 354) neben ğvoua weist mit apr. emmens 
< *en-mens auf ein 2vo-°). Hirts weiterer Versuch, die wider- 
sprechenden e in orog&oaı, xog&oaı als idg. e zu deuten, entbehrt 
jeder Begründung und Wahrscheinlichkeit, vgl. darüber unten 
S. 107. Schließlich läßt sich auch e in pde-, Ao&oaı, dA&ooaı, Gogo: 
got, dveuos, vaćtwo Hes. < vars-ıwo (Fraenkel, Nom. Ag. H 11) 
durch Assimilation überhaupt nicht deuten. Von Wurzeln wie 
vaus- sehe ich dabei ganz ab, da sich nicht feststellen läßt, ob 
nicht eine Hochstufe *yeue-*) daneben gelegen hat. Walde a. a. O. 
hat die Erscheinung nur kurz gestreift und sich mit den Aus- 
nahmen, die gegen ihn sprechen, nicht beschäftigt. Sein Versuch, 
eine Regel für diese Assimilation im Griechischen zu finden, 
scheitert schon daran, daß Assimilationserscheinungen meist nur 
sporadisch aufzutreten pflegen, wie allein schon das Nebenein- 
ander von téuayos — Ereue oder dgorgov» — doargov zeigt. 

Ich bin dann auf die Frage der Assimilation des Schlußvokals 
zweisilbiger Wurzeln Gnomon III 654 kurz eingegangen, wo ich 
zu meinem Bedauern übersehen habe, daß bereits Schwyzer, 
Glotta XII 1f. für Kürze von doa- in heracl. dodoovrı, kret. dga- 
tg0v eingetreten ist. Zu den dort aufgezählten ark. ’Eoeuiva, 
£oeın Hes. zu &ga-, tégeuvov zu tega-, B&oedgov neben 8doa9oor, 
osk. anamúm gegenüber dveuog habe ich ob. S. 56ff. noch Zreus, 
TEUEVOS, TAUEOLXEWS für * Teueoiygwg gegenüber téuagzos, daoipowv 


1) Da Vokalassimilationen im Griech. bei unbetonten Vokalen immer mög- 
lich waren und sich vor allem auch in hellenistischer Zeit stark ausbreiteten, 
so ist es vielfach überhaupt nicht möglich, die Vokalassimilation im einzelnen 
zeitlich zu bestimmen. So konnte etwa eine zweisilbige Wurzel, die im Vor- 
griechischen von Assimilation noch nicht betroffen war, jeder Zeit in der griech. 
Sprachentwicklung der Vokalangleichung verfallen. 

2) Die Frage, warum o durch v ersetzt wurde, kann ich hier unberührt 


lassen. Ich verweise aber auf Kretschmer ob. XXXI 377, Glotta a. a. O.. Güntert 
Idg. Ablautsprobl. 35. | ) ) 


3) Da oroge-, #oge- für altes *oreoe-, *xeoe- 
auch hier alte Assimilation vorliegen. Umgekeh 
Griech. Dial. 1150) auf später Assimilation ber 


stehen (s. u. S. 107), so könnte 


rt wird Bol, &ordgoraı (Meister, 
uhen können. | 


Beiträge zur griechischen Grammatik. 85 


neben deolpowrv, vveoiegyoús neben Zvaoa hinzugefügt. Ferner 
gehört hierher yeleiv‘ Adunsıw, dv$eiv Hes. (Fick, ob. XLIV 337) 
neben yeläv, die beide wohl auf ein *y&Aauı oder mit Assimila- 
tion *yeisuı deuten. Weniger wahrscheinlich ist mir dagegen 
eine Assimilation in hom. Groe, 6voord, ÖvordLew gegenüber 
hom. dvaro, övaraı drıudlerar, Gëtesro Hes. Denn Bildungen 
wie Öövoraı sind so vereinzelt, daß es leicht nach Präsentien wie 
övlvaraı, loraraı, dyaraı u. a. in gleicher Weise hat umgestaltet 
werden können, wie das Futur öuoözaı < ö6uo-ereı nach den 
sonstigen Verba liquida zu öue-eraı, Gefrot, Wackernagel, Spr. 
Unt. zu Homer 3f. Weiter rechne ich hierher aus dem Etym. 
Magn. 231,2 das Partizip ynoeis, -Evros, das Xenophanes — über- 
liefert ist Xenophon — zugeschrieben wird, Diehl frg.8,". Die 
Wurzel lautet sonst yne@-, die wohl nach Osthoffs richtiger An- 
nahme erst wieder eine Umgestaltung für ysoa- nach dem Op- 
positum Dën ist. Aus yso@- wäre dann in der üblichen Weise 
yege- und später ynos- geworden”). Dahin gehört ferner ynoeıa 
aus Nikander, vgl. Scholion zu Alex. 126 yrosız dë tà dun tà 
Ae xal moALosöi. 

Etwas weiter ausholen muß ich wegen xé4aóos, aber xal&oaı. 
Ein Suffix -aóos ist Griech. ganz vereinzelt, Lobeck, Prol. 349f., 
so daß es nicht klar wird, ob xeia-Öos oder *xeAa-ados abzu- 
teilen ist. Das Nebeneinander von x&/ados mit den bedeutungs- 
gleichen Zort Aoc, Ögvuay-Öds macht für xEiados und xoduados 
eine Analyse weie xooua- im höchsten Grade wahrscheinlich. 
Zu xeAa- stimmt in der Wurzel sëiog: pwvý Hesych, xeiaugdLeıv, 
xeAwgdew. Zu e im Ablaut steht xóĝos < *xo4ə-os: 9óouB8os Hes., 
das sich zu xe/a- genau so verhält, wie póoos zu peọ-. Warum 
die Herausgeber von den einzelnen Interpretamenten Ydovßos 
eingeklammert haben und mit Verwechslung mit xoĝoovotóg rech- 
nen, ist mir unverständlich’). ö-Stufe haben ferner hom. xoAwds, 
xoAw@&v und das wieder durch Hesych belegte voiort: got, 
Man wird auch kaum mxo4oós „Dohle“ davon trennen können. 
Das hat längst Buttmann, Lexil. I 158ff. hervorgehoben. Wie 
3) Vgl. außerdem noch fragm. iamb. adesp. 25 und Diehls Deere UBeN dazu. 

) Ganz anders darüber Walde, a. a. O. 156. 

o Hesych kennt außerdem AovxoAln‘ naxoAoyla, das dem Epos anzuge- 
hören scheint. Es verhält sich zu xdios wie dropia zu ndoos, sövouln zu vdwos, 
enıonogln zu ondoos, enoi zu nwAdos usw. Natürlich kann BovxoAln und 
ebenso dußoÄln erst auf griech. Boden nach den erwähnten Vorbildern ent- 


standen Sein. Wäre es aus idg. Zeit ererbt, so müßte es nach ob. S. 391. 
* BovxoÄeln heißen. 


86 F. Specht 


Aexoos zu ÅeyÓ, so ist xoApös zu einem *xo4@% die adjektivische 
Ableitung auf os, Nur der Akzent weicht ab. Das Verhältnis 
zwischen xoAgpds und xoĝoróg ist das gleiche wie zwischen älteren 
BooıAnios und jüngerem faorleiog oder kret. uvwia zu uvoia, 
Bechtel, Griech. Dial. II 790. Die ursprüngliche e/o-Stufe der 
Wurzel liegt also auf jeden Fall sicher vor. Dann kann man 
den Gegensatz zwischen xeia- und xa4e- nur wieder deuten wie 
zwischen r&uaxosg und raueolxowgs. Die Hochstufe muß demnach 
xea- sein, die im Futurum und s-Aorist ihren ursprünglichen 
Sitz hatte und dort zu xec- assimiliert wurde. xals- mit o als 
Schwächungsvokal kann nur aus dem Präsens stammen. Leider 
geben die verwandten Sprachen keinen Anhalt, ob xa4éo alte 
athematische oder thematische Flexion fortsetzt. Auch das Griech. 
hat nirgendswo, wie etwa bei argiv. noreAdtw Anzeichen, die 
auf mi-Flexion hinweisen. Aber das könnte ein Mangel unsrer 
Überlieferung sein. Trotzdem sehe ich keine Möglichkeit, aus 
einer mi-Flexion die Stufe xaĝa- herzuleiten. Denn nach ai. 
bravimi — brumah, griech. paz — gpöuev hätte sie nur *xedauı 
Cadet — *aAnuev lauten können. Wohl aber führt ein Weg 
zu xa/(e)- bei Annahme einer o-Flexion. In diesem Falle war 
sowohl Wurzel- als auch Endbetonung möglich, vgl. got. teihan 
— ai. disdti, griech. velpsı — alat. nivit, got. weihan — andwaihands, 
got. giman — ags. cuman usw., wobei die endbetonten Bildungen 
in der Regel aoristische Aktionsart hatten. Da die zweisilbige 
Wurzel vor Vokal ihren Schlußvokal einbüßen mußte, so lautete 
also das Paradigma entweder *x&/w oder *xaAw. Das Paradigma 
Tode — *xeieow, *Eneleoan (< *xeiaow, *Exelaoa) wurde dann 
in der Weise ausgeglichen, daß zunächst das zweite e des Futurs 
und Aorists in das Präsens eindrang, also *xd/w zu xal&w wurde. 
Später vollzog sich dann auch der Ausgleich des Wurzelvokals 
nach dem Präsens. 

Auch das oben als Präsens angesetzte *xéĝw ist als Medium 
x£Aoucı vorhanden. Den Zusammenhang zwischen ihm und xæĝéw 
hat bereits Buttmann a. a. O. hervorgehoben. Auch G. Meyer, 
Griech. Gr.” 76 und Wackernagel, Sprachl. Unt. z. Hom. 175 
Anm. 1 treten noch dafür ein. Im allgemeinen aber haben heute 
die etymologischen Wörterbücher diesen, wie mir scheint, ganz 
selbstverständlichen Zusammenhang zu Gunsten der Verbindung 
mit xeEilo „treibe* aufgegeben, zuletzt darüber Walde, Idg. Wort, 
1442. Man stützt sich dabei auf Q 326 innoı, toùs ó yEowv Epenwv 
udoriyı xéłevev. Hier soll das mit xéfouaı verwandte zeledw die 


Beiträge zur griechischen Grammatik. 87 


ursprüngliche Bedeutung „antreiben“ bewahrt haben. Diese Stütze 
halte ich für ganz morsch. Zunächst läßt sich überhaupt nicht 
beweisen, daß hier die ursprüngliche Bedeutung des Verbums 
vorliegt. Außerdem halte ich die Interpretation der Stelle für 
falsch. Die Übersetzung kann nur heißen: „Die Rosse, die der 
Greis, der nachfolgte, anfeuerte mit Hilfe der Peitsche“, d. h. 
also: Er feuerte sie an, und dazu schlug er noch mit der Peitsche. 
Jeder Kutscher, der sich der Peitsche bedient, macht das nicht 
lautlos. Lediglich der bloße deutsche Ausdruck „treiben“, der 
in ganz verschiedenem Sinne für xëiie und xelouaı paßt, hat 
diese Etymologie scheinbar gestützt. Denn ich sehe auch gar 
nichts, was sonst x&Aiw und xEiouaı (xeiedw) in ihren Verwen- 
dungen nur irgend wie gemeinsam hätten. Wohl aber stehen sich 
zeioun und xal&w sehr nahe. In Sätzen wie T'250 xal&ovom 
doworor ... Šç neölov aaraßijvar, K 197 abroi yao xdAgow ovuun- 
zıcaodaı, T 390 Alttavöods oe xaâci, olxov dë vecodaı, O 54 xal 
Ödedoo xdåcocov ”’Iolv ce EAdEuevaı deckt sich xaleiv genau im 
Gebrauch mit xeleodaı und xeledew. Ganz ähnlich sind auch 
Wendungen wie o 330, 342, 507 Zei ol xañéoas (xaltoaoe) und 
TI 382 ¿zi ó "Exrogı xenlero Monde, was das Scholion zum Ven, 
mit ragexeiedero xat& Tod "Ertopog boudv wiedergibt, oder E 427 
xai da nalcsooduevog 7T000Epn7 xovoenv Agpooöiınv mit 2391 xExicro 
6° "Hyaıorov aAvrorexvnv eine ve uödov. Ein Unterschied besteht 
allein darin, daß xaleiv das Objekt nur im Akkusativ bei sich 
hat, während xe/ouaı auch den Dativ regieren kann. Das ist 
eine leichte Nuance, in der Bedeutung etwa unserm „rufen Dich“ 
und „rufen Dir“ vergleichbar. Jedenfalls ist der Unterschied 
keinesfalls stärker, als wenn der Aorist x&x/ero im Gegensatz zum 
Präsens x&4ouaı in der Regel mit Objekt ohne Infinitiv gebraucht 
wird. Der Ersatz für (2)xexiero ist dafür &xelevoev. Vielleicht 
besteht sogar noch gelegentlich zwischen wiet und xelsodaı 
der alte Unterschied in der Aktionsart. Am deutlichsten zeigt 
den Gegensatz o 553: Zeive ndreo nalecı oe neolpyowv Ilmvelönsıg, 
unno Tnieudyoo‘ ueralinoaı ti ë Aude upi ndosı xeleran xal 
xhôed neg nenadvin. Unter Umständen liegt hier die alte Ver- 
teilung zwischen imperfektivem xéĝouaı und perfektivem xaleiv 
noch vor. | 

Daß xéĝouaı ursprünglich das Präsens zu xal&ooato war, 
wird auch dadurch bestätigt, daß x&loueı keine eigentlichen außer- 
präsentischen Tempora entwickelt hat. Das ist sonst ganz un- 
verständlich. Ein Futur xeAnoesraı ist nur x 296 gewagt worden. 


88 F. Specht 


Weiter gehen allerdings die dorischen Mundarten. Hier kennen 
einen Aorist &xeAnoaro Epicharm und Pindar. Inschriftlich ist er 
in Delphi, Epidaurus, Argos, Kreta und Elis bezeugt, Bechtel, 
Griech. Dial. II 156; Jacobsohn, Aoristtypus čto SA. 75 Anm. 97. 
Wegen Alkmans x&vro verweise ich auf Wackernagel, Sprachl. 
Unt. z. Hom. 175 Anm. 1, ohne daß ich in allen Einzelheiten 
zustimmen kann. Der Aorist &x&xieto ist bei Homer zwar häufig, 
aber für eine besondre Bedeutungsnuance bestimmt. Der syn- 
taktische Aorist zu x&louaı ist in der Regel Zx&ievoa. Das hat 
alles mitgespielt, daß x&Aouaı schließlich ganz vor xelievw hat 
weichen müssen. 

Ganz isoliert steht in seiner Konstruktion u 175 alpa dé iaivero 
xnods, nel nelero ueyaln fc ’Hellov € abyn "Inegiovidao dvaxros. 
Denn weder x&4ouaı ohne Objekt, noch ohne Infinitiv ist sonst 
je belegt. Wie iaivero aufzufassen ist, lehrt Apollonios Rhodios 
H 741 ndyvnv, D te ueonußoıdwvrog ialveraı neAloıo, was der 
Scholiast durch zrxeraı, dıaAveraı erklärt. Der Sinn des Vorder- 
satzes ist also ganz klar. Für das ungewöhnliche x&4ero ver- 
sagen die Scholien. Das Homerlexikon von Ebeling gibt es durch 
„magna vis coegit“ wieder, indem in das Wort „anfeuern, be- 
fehlen“ der Begriff des Zwanges hinein interpretiert wird. Erwarten 
kann man im Grunde nur eine Wendung, wie „sogleich schmolz 
das Wachs, da die gewaltige Kraft der Sonne es wärmte oder 
warm war“. Dann hat aber dieses xéĝero, das ja syntaktisch 
dem sonstigen xE/ouaı völlig fern steht, auch in der Bedeutung 
mit ihm nichts zu tun, sondern es ist entweder ein Transıtivum 
zum lat. calēre und dem lit. Inchoativum sìlti, oder, was mir 
wegen des bedeutungsgleichen J&oouaı wahrscheinlicher ist, ein 
Intransitivum. Wir haben also hier, wie öfter bei Homer, den 
Rest eines sonst im Griechischen verloren gegangenen Verbums’). 

Schließlich hat sich auch P. Persson a. a. O. 658ff. mit der 
Frage beschäftigt, wie die dreifache Färbung des auslautenden 
zweisilbigen Wurzelvokals oe g, o im Griech. zu deuten ist. Er 
hält auf Grund des Ai. « für allein berechtigt und bemüht sich 
~ 3) Lat. calare weicht im Vokalismus ab. Wie domare neben ahd. zamön, 
manön, halön und lit. batdome zeigen, kam einer Bildung wie ai. damāyati 
ursprünglicher ö-Vokal zu, aber ahd. holön neben halön zeigt daneben die Tief- 
stufe, die wohl in Bildungen wie im Partizipium ai. gröhit« — lit. baidytas zu 
Hause gewesen sein mag. So wird man das a in lat. caläre als Tiefstufenvokal 
beurteilen müssen. domitus gegenüber domäre ist primäres Verbum mit Um- 


bildung in der Wurzel nach domui aus *domä-vai. Ai, damitd- fällt rein zu- 
fällig mit domitus zusammen. 


Beiträge zur griechischen Grammatik. 89 


zu zeigen, daß e und o thematischer Vokal ist. Er kommt aber 
oft über bloße Erwägungen nicht hinaus. Ich verweise vor allem 
auf das 665 über orog&oaı und 670 über dodonı Gesagte. 

Fasse ich das Ergebnis zusammen, so ist es weder Walde, 
noch Hirt und Persson gelungen, die Dreiheit der Vokalfärbung 
der zweisilbigen Wurzeln im Griechischen durch Assimilation an 
den Wurzelvokal oder sonstwie zu deuten). Die o-Färbung in 
Godoaı, Evocixdwv, čvvua (övoua) und die e-Färbung in dveuos 
aikoocı, 6AEooaı, doeh, gd, Aokooaı, vaćrwo findet auf diese 
Weise überhaupt keine Erklärung. Wohl aber wird alles klar, 
wenn man von der durch W. Schulze an lat. Parallelen nach- 
gewiesenen dreifachen Färbung ausgeht. Während man längst 
eingesehen hat, daß im ai. a drei verschiedene Werte vorliegen 
und der Vokalismus des Griechischen und Lateinischen altertüm- 
licher ist, hat man rein aus theoretischen Erwägungen bei ai. i 
der sogenannten Setwurzeln gerade den umgekehrten Schluß ge- 
zogen, trotzdem die Übereinstimmung zwischen Griechischem und 
Lateinischem dagegen spricht. 


Exkurs Il. Zur Schwundstufe zweisilbiger Wurzeln. 


Kretschmer ob. XXXI 396 nimmt als Schwächung der zwei- 
silbigen Wurzeln drei Möglichkeiten an, in griechischer Gestalt I. aĝa 
in tdAaoa, H. l, + + langer Vokal o aam rAnzös, III. Schwund 
des ersten Wurzelvokals in zeridusv, wo das Beispiel kaum glück- 
lich gewählt ist. Für Nr.I bedarf die Lehre einer Einschränkung, 
s. u. S.105ff. Nr. II hat dann Kretschmer ob. XXXI 402f. im 
weiteren Verlauf der Untersuchung als eine II. Hochstufe gefaßt. 
Für das Folgende ist das aber belanglos. Was ich hier ausführen 
will, ıst der Nachweis einer weiteren Tiefstufe. 

Aus wAeoixagnos, 6Aconvwe ergibt sich als starke Wurzel von 
Avu: ein ie, Da oöAduevos metrische Dehnung für öAduevog 
ist, W. Schulze, Qu. ep. 191ff., so fällt die Möglichkeit eines 
Stammes öAv-, den noch Joh. Schmidt ob. XXXII 380 im An- 
schluß an Fick mit in Erwägung zog, für die verbale Flexion 
ganz weg. Also kann Gi/iour nur auf *öle-vei-u, Plur. *öle- 
võ-uév zurückgehen, was sich für das Griechische in *öle-vo-uı, 
*sAe-vü-uev umsetzte. Da oie- unbetont war, im Plural der Ton 
sogar erst auf der übernächsten Silbe stand, mußte Schwächung 
eintreten, entweder zu ‚ia oder } Aber das wirkliche Ergebnis 


1) Meillet, Melanges Linguistiques afferts à Vendryes 284f. lehnt Assimila- 
tion, wie ich glaube, mit unzureichenden Gründen, ab. 


90 F. Specht 


steht dazu im Gegensatz. Zwar läßt sich annehmen, daß oi < 1 
durch Assimilation an die nächste Silbe zu åA hat werden können, 
— und das mag für diesen Fall sicher stimmen —, aber die 
andern Bildungen, die nachher zur Sprache kommen, lassen diese 
Erklärung nicht mehr zu. So bleibt nur die Annahme übrig, daß 
unbetontes oe mit Schwund des auslautenden Wurzelvokals zu 
o- geworden ist. Diese Art von Schwundstufe ist nun ganz üb- 
lich für ursprünglich vokalisch anlautende zweisilbige Wurzeln. 
Sowohl ein *@AAvu: oder *Aavvu mit doppelter oder ein *Aw- 
vvuı, *Aavvu mit einfacher Reduktion der zweisilbigen Wurzel 
lagen von der Hochstufe Aie- zu weit entfernt, so daß ein Zu- 
sammenhang zwischen Gier und den angeführten Bildungen 
nicht mehr bestand. Man kann die Regel am besten so fassen: 
Vokalisch anlautende, zweisilbige Wurzeln haben innerhalb eines 
Paradigmas überhaupt keine Schwundstufe, oder sie verlieren den 
zweiten Wurzelvokal. Wahrscheinlich war dieser Vorgang nicht 
erst griechisch, sondern schon idg. 

Wie ó4- zu öl&oaı wird nun genau auch ğuvvui < *Öuo-vev-uı 
zu 6udoaı behandelt‘). Ferner lautet zu övouaı das Partizipium 
övorn z. B. Apoll. Rhod. IV 91, wo 6vo- Tiefstufe vertritt. Ebenso 
ist Zo in hom. Zoccde, čoauaı zu beurteilen. Tiefstufe ist ferner 
üblich im Perfektum Medii und Aorist Passivi. Trotzdem lautet 
von doóo, dodoaı das Perfektum hom. doengousvos, von doar 
hom. nAnidunv, von dA&w — di£oaı dAnleouaı (Herodot, Thukyd.); 
vo- In Evoolxdwv eivoolpvilog u.a. stellen die Etymologen zu 
oäëo °). Dagegen spricht außer anderm schon die Verwendung 
des schwachen Stammes bei verbalen ti-Bildungen. Eine Tief- 
stufe zeigt sich nirgends, auch nicht in dem Verbalsubstantiv 
&vooıs. Nirgends Tiefstufe kennt ferner dya- in dyauaı, hydodnv 
(Hesiod), Zoe in der io-Bildung èọésow, was allerdings spätere 
Bildung sein könnte, dre- (dre-) in hom. ddodn. Auch Zvvua 
(Groo) hat überall den Vollstufenvokal durchgeführt. dveuos 
kommt Schwächung nicht zu. Verbale Formen, die entscheiden 
könnten, kennt das Griechische nicht. Zu der Wurzel doz- in 
dost, do&ooaı findet sich die Tiefstufe dos in do&oxw, do- in 


1) Wackernagel, Sprach. Unt. z. Hom, 206 fordert für uvvu: altes *öuvopsı. 
Aber das wäre nur notwendig, wenn die zweisilbige Wurzel mit ue infigiert 
wäre. Solche Bildungen sind möglich, brauchen aber hier nicht vorzuliegen. 
Vgl. Joh. Schmidt ob. XXXII 378. Ich verweise ferner wegen *döuwous auf 
Meillet, Mélanges Vendryes 275ff., ohne daß ich ihm in allem zustimmen will. 
2) Wegen andrer etymologischen Vergleiche s. ob. S. 56 Anm. 1. 


Beiträge zur griechischen Grammatik. 91 


dgıoros, wo das Verhältnis zu dosiwv das gleiche ist, wie das 
von av. fraesta zu fräyd, Joh. Schmidt ob. XXVI 380, XXX VIII 46. 
Die gleiche Stufe zeigt ai. ary& < ariyd-. Ebenso heißt es zu 
ai. aniti im Partizipium anitd-, während das Substantiv änd- die 
regelmäßige Tiefstufe zeigt, offenbar weil die Zugehörigkeit zu 
ani- gar nicht mehr empfunden wurde. Auch amiti bildet ein 
nur durch die Grammatiker belegtes amitd- neben regelmäßigem 
änta- und hat im Passiv sogar ein amyate’). Nur avati < *avə + ati, 
das wie eine Anitwurzel aussieht, hat daher auch regelmäßig en. 
Hier müssen auch die merkwürdigen o in óo9ós und Aert 
Erwähnung finden, die de Saussure, Mém. 263 mit ai. ardhvü-, 
ūrjå verglichen hat. Fick, GGA. 1883, 117 hat ein Foo9ós und 
öe96s unterschieden und jenes mit ai. zrdhvd verbunden. In dem 
letzten Punkt haben Joh. Schmidt ob. XXXII 383, XXXIII 456, 
Wackernagel, Ai. Gr. 1262, Walde a. a. O. 182 ihm zugestimmt. 
Aber zweifelhaft ist mir der Vergleich doch. Lat. arduus, av. 
eredwa- haben sicher keinen w-Anlaut gehabt, desgleichen an. ordugr. 
Das Ai. ist zweideutig. Für das Griech. steht r-Anlaut sicher fest 
durch ßogodv‘ oravodv Hisro Hes. Ob auch der Eigenname 
kret. Boo9íe (Coll.-Becht. 517313) sowie der lakonisch oft über- 
lieferte Beiname der Artemis Fwodelaı, BwoYela, Doo9£éa usw. 
zu óo9ósç gehören, ist gleichgültig. Es ist nun bare Willkür, 
wenn man auf Grund des griech. Foo9ds für das zweideutige 
ai. ürdhvd gleichfalls v-Anlaut voraussetzt. Wenn man den Finger- 
zeigen des nächstverwandten Iranischen folgt, so hätte ardhva- 
alten vokalischen Anlaut gehabt. Dann haben aber óg9ós — zrdhva- 
unmittelbar zunächst nichts miteinander zu tun. Schwieriger ist 
das Verhältnis dog — ürjå. Wenn auch die Bedeutung zunächst 
zu widersprechen scheint, so stehen sich doch öoyds, our und 
oi semasiologisch sehr nahe. Am nächsten liegt es, doyn wie 
good zu deuten. Dann gehört es zu &odw. Dahin zielt auch die 
Bemerkung Wackernagels, Ai. Gr. I 261°). Eine solche Bedeutung 
liegt vielleicht noch vor Hesiods Op. 304 
ro dë Jeol veusowor xal dveges, s xev deoyög 
Con, xnohveooi xoFoVooıs EixeAos 6oynv, x 
wo òọyýv dem Sinne nach gleich ọya sein könnte, obwohl es 
die Lexika durch natürliche Anlage wiederzugeben pflegen. Ich 
verweise dabei auch auf die beabsichtigte Gegenüberstellung am 


1) Vielleicht gehört auch ĝuo- in dudiios hierher. 
2) Andre Erklärungen s. bei Boisacq 710 und Walde 860. 


92 F. Specht 


Versende zwischen deoyös und ôọyńv. Auch in dem Epigramm 
(Coll.-Becht. 5674) aus Chios 
’EoAn[s] toŭto yvvaixòs òv apa rüude tò oŭua 
Aewpógov Aonaolns Eofıli natranrdiulév]ns .. 
Ooge d' dv] dyadıs Eóo[niJóns tóðe uvfň]ua 

Gott EnEoınoev, rof nagdxoıtıs Env 
kann çy in der Bedeutung mit ¿Zoya übereinstimmen. Ferner 
macht mich Kollege Diehl auf Tyrtaeus frg. 8:f. aufmerksam, 

iore yao dc "Ageos noAvöaxgdov Eoy dlönda' 

ed ô’ Gout Zëdur doyalkov moltuov, 

wo sich ¿Zoya und öoyr in gleicher Weise wie lote und dnr, 
”Aosos und noA&uov entsprechen können. In diesem Falle wäre 
dog Kollektivum zu čọyov und ganz regelrechte Bildung, und 
die Schwierigkeit liegt auf seiten des Ai. Jedenfalls sind weder 
óo9ós noch óoy im Bunde mit ordovvu irgendwie geeignet, 
eine griech. Vertretung oo = idg. # zu erweisen. Walde a. a. 0.176 
setzt auch xdeda& und ai. kürdati im Vokalismus völlig gleich, 
obwohl das eine Substantiv, das andere Verbum ist. Dazu fehlt 
jeder Anlaß, ehe nicht der Nachweis erbracht ist, daß Bildungen 
wie xóoóqË, wie es Walde will, Schwächungen aus altem o-Vokal+ r 
sind. Wegen all der Fälle, wo griech. og = 7 sein soll, verweise 
ich auch noch auf P. Persson a. a. O. 631 Anm. 2, 657 Anm. 3. 

Auch die vokalisch anlautenden Bildungen des Lateinischen, 
wie arduus, antae, armus scheinen wie å- zu òåe- erklärt werden 
zu müssen; denn die verwandten Sprachen verlangen zumeist 
Tiefstufe.. Die Annahme einer Umstellung aus *räduus, *nätae, 
*rämus mit Kürzung vor Doppelkonsonanz scheitert daran, daß 
sonst lat. ursprünglich anlautendes nā und rā erhalten bleibt. 
Man wird daher Schwund des zweisilbigen Wurzelvokals an- 
nehmen müssen. Der Gegensatz zu anas, anatis lehrt, daß dieser 
Vokalschwund schon vorlateinisch eingetreten ist. 

Daß die regelmäßige Schwundstufe bei diesen vokalisch an- 
lautenden Wurzeln von Haus aus möglich war, zeigt der Gegen- 
satz zwischen anas, aber griech. vëogg ai. ātá oder zwischen 
ğvoua apreuß. emmens, aber abulg. ¿me < "raumen und got. namo 
mit andrer Reduktion. Auch ai. irmd-, ätd- zeigen bei vokalischem 
Anlaut Tiefstufe. Aber bei allen diesen Fällen ist die Auswahl 
immer so getroffen, daß jede einzelne idg. Sprache nur die eine 
Formation durchgeführt hat. Nur wenn sich mit der verschiedenen 
Form auch eine gewisse Bedeutungsdifferenz verband, ist auch 
innerhalb derselben Sprache eine Doppelform vorhanden. Dahin 


Beiträge zur griechischen Grammatik. 93 


gehört dualds „weich, zart“. Die Tiefstufe lautet du- in &ußAös'). 
Die sonst bei zweisilbigen Wurzeln übliche Schwächung zeigt 
uöfvs „erschöpft, träge, stumpf“, vgl. auch Hesychs Zoning: 
Erradoaro, 784629. 

Bei ehemaligem konsonantischen Anlaut ist die Tiefstufe auch 
innerhalb eines Paradigmas ursprünglich vorhanden gewesen, ob- 
wohl sie auch hier allmählich verschwindet. Ich verweise auf 
Hesychs »nrea dvrivvia < *vnoaren mit doppelter Reduktion zu 
sena-, W. Schulze, Qu. ep. 158 Anm. 3. Dahin gehört auch dowsös. 
Es kann bei Homer überall F-Anlaut gehabt haben. Dagegen 
spricht nur Hesiods Op. 809 2#as nnyvvodaı dowids. Aber das 
will bei dem späten Zusatz nicht viel bedeuten. Dann ließe sich 
also doaiós auf Faoqouós zurückführen. Im Superlativ war be- 
kanntlich die Tiefstufe das ursprüngliche, die von Faoao- Fọ&o- 
lauten würde. Mit der üblichen Endung ıorog ergibt das ein 
* Foaoıworos = Ödoros. Dann müßte sich aus der Bedeutung „dünn“ 
der Sinn „leicht zu tun“ entwickelt haben. Allzu schwierig ist 
ein solcher Übergang nicht. Wie unser „leicht“ von dem ge- 
ringen Gewicht eines Körpers ausgeht, so legt das griechische 
öğotos den geringen Umfang eines Körpers zu Grunde. Daß man 
dabei häufig auch von andern Begriffen ausgehen konnte, wie 
„schnell“, vgl. got. raßizo, erwähne ich nur nebenbei’). Aus dem 
Lat. würde rärus < *vräsos genau entsprechen, ganz ähnlich schon 
Osthoff, Perfekt 446 und Anm., der merkwürdigerweise nirgends 
Zustimmung gefunden hat. Mit dieser Herleitung von d@orog, 
dem sich wie oft in der Komparation ó¢gwv in der Tiefstufe an- 
geglichen hat, stehe ich im Gegensatz zu Ed. Hermann, GGN. 
1918, 281 und Ed. Schwyzer, IF. XLV 259f. Was mich bestimmt, 
diese neue Erklärung vorzuschlagen, ist, daß auf diese Weise 
der ehemalige Positiv als doasds wirklich noch vorhanden ist. 

Wackernagel, Verm. Beitr. 11f. hat Gei = ña als Ausgangs- 
punkt angesehen und nach dem Verhältnis téya ` rdxıoros ein 
ödoros neu dazu gebildet sein lassen. Dazu bestimmen ihn die 
homerischen Formen. Denn önlorn ist nur einmal in der Tele- 
machie belegt. So sehr ich den Standpunkt Wackernagels unter- 
streiche, von dem, was die älteste Überlieferung uns bietet, aus- 


1) Anders über ufós Wackernagel ob. XXX 301f. und zurückhaltender 
Syntax II 290. 

2) Daß zwischen „dünn“ und „schnell“ gleichfalls Beziehungen bestehen, 
lehrt die angeführte Hesiod-Stelle, wo ein Teil der alten Erklärer doaıds vaş 
als entàs xal dAupods vias aufgefaßt haben. 


94 F. Specht 


zugehen, so glaube ich doch, daß er das einmalige dnlorn unter- 
schätzt. Der Komparativ dnlrego: ist gerade zweimal bei Homer 
vorhanden, der Superlativ önitaT’ ebenfalls. Das will gegenüber 
einmaligem dnlorn nicht viel bedeuten, besagt aber noch weniger, 
wenn man bedenkt, daß das Wort seine vorzügliche Anwendung 
überhaupt im Adverbium haben muß. Darauf beruht natürlich 
das längst von Wackernagel und Ahrens bemerkte häufige Vor- 
kommen von dei, Zudem ist ó@oros eine völlig regelmäßig ge- 
bildete Form. Ich glaube daher umgekehrt, daß nach dem Vor- 
bild von zdxıorog ` rg zu ëëigroc ein Gë entstand. Als dann 
der Zusammenhang zwischen doas und ddwv, ddoros nicht 
mehr gefühlt wurde, verblieb natürlich dée in seiner Bedeutung 
beim Komparativ und Superlativ. Zu dd«e ist dann der Positiv 
6aldıos neugeschaffen worden, wie es Wackernagel a. a. O. 11f. 
im Anschluß an Ahrens annimmt. Der Gegensatz: ġa aber ` 
daidıos < *6afo]a-ıöıog ist der gleiche wie Jeds zu Wovxvdlöng u.a. 
Die Kontraktion von *6ae-ıdıos zu Ögdıos muß dem ion. Wandel 
von 6& zu ó? vorausgehen. In diesem Falle hätte ı in aiios 
mit dem ı in önftegog gar nichts zu tun. Nimmt man aber an, 
óGa hätte wie dixda zu dıydadıos mit dem Suffix -toç ein neues 
Adjektiv gebildet, so wäre * daa-dıog das Resultat gewesen, woraus 
gleichfalls vor dem Wandel von da zu ou ögdıos geworden wäre. 
Dann müßte d@dıos sein ı aus dem Komparativ und Superlativ 
bezogen haben. 

Unsere Annahme, daß doordc ursprünglicher Positiv zu ddw», 
ó@oros war, erhält nun eine willkommene Bestätigung durch eine 
Notiz im Etym. Magn. 53920 ff. = Herodian L. II 413». Hier werden 
Adjektiva auf -eiog aufgezählt, wie: Yeios, Keïos, ó tñs Kéw ró- 
Acws, zÁgios, ueïos, Aelos, deios. Dann heißt es: odrw dë (näm- 
lich cios) Aéyovoiw of Koroo tòv dodern naga tò Gei, Ó on- 
uaiveı tò eöxeo&s. Die gleiche Stelle kehrt wieder Herodian L. 
II 437.,f. Vgl. dazu Gaisford, zu Etym. Magn. 539,. Lenz, Herod. 
II 413 hat als Quelle wohl mit Recht Herodian angenommen ". 
Dann wäre Herodians Ansicht die gewesen, daß die Kyprer 
„6eios“, das zu „deia* „leicht zu tun“ gehört, in der Bedeutung 
„schwach“ verwandt hätten, d.h. also in einem Teil des griech. 
Sprachgebietes hat dw», ödoros noch die alte Bedeutung „schwach“ 
gehabt, und es ist dazu ein Positiv deiog in gleicher Bedeutung 
neu gebildet worden. Nur kann das Ethnikon nicht richtig sein. 

1) Vgl. auch die stark gekürzte Fassung bei Herodian L. I 1106 = Theognost 
Can. 4817. io: | 


Beiträge zur griechischen Grammatik. 95 


Denn er in öeiog steht wie in dei für ños, ña, und das ist 
allein ıonisch für sonstiges dd@os, öda. Offenbar hat in Hero- 
dans Vorlage eine ähnliche Wendung wie Herodot II 117: èv 
uèv yọ Toicı Koroioot elontaı (oder Atyeraı) ... gestanden, in 
der Herodian in v tois Kvrọolors fälschlich den Nom. Plur. Oi 
Kovngıoı statt Tà Köngıa sah. So wird man deiog „schwach“ 
als gut epische Wortform den Könoıa zuschreiben müssen. 

Im Komparativ war idg. Hochstufe mit Wurzelbetonung üb- 
lich. Die entsprechende Form von Faoao- müßte veras- gelautet 
haben. Sie liegt im got. wairsiza') vor. Aus der Grundbedeu- 
tung „dünner“ konnte sich ebenfalls die Bedeutung. „schlechter“ 
entwickeln. Umgekehrt konnte das zu óéo? neu gebildete ódóroç 
einen Sinn annehmen, der es z. B. zum Oppositum von ondvıos 
machte, mit dem dead von Haus aus fast synonym war. Ich 
verweise auf Archytas (Diels, Vorsokr.” frg. 3) &&evoeiv dë un Ça- 
ronnt dnogov xqi ondvıov, Gatoüvra dë EÖNOo00v xal Ödıdıov. 
Die Bedeutungsentwicklung von dowís zu got. wairsiza gleicht 
fast genau der von ai. hrasvd- „gering, kurz, klein“ und griech. 
xeoelwv, die man seit Fröhde, BB. III 5 Anm. einander ver- 
bindet. Noch deutlicher zeigt den Bedeutungsübergang 2iayös 
gegenüber hom. Superlativ &A&yxıoros, der die Hochstufe aus dem 
Komparativ hat. Dazu wurde weiter äieyx&ss neu gebildet. In 
einem ursprünglichen Paradigma Ziayds — * &leyx()iwv — EAdyı- 
orog wurde also æ auch in den Komparativ übertragen. Um- 
gekehrt aber drang en aus dem Komparativ auch in den Positiv 
und Superlativ”). So entstanden zwei Paradigmen mit etwas 
abweichender Bedeutung. Das alles steht schon bei G. Meyer, 
Griech. Gr? 490. Brugmann-Thumbs Urteil 474, dem sich auch 


1) Got. wairsiza mit s zeigt, daß im Germanischen der auslautende Vokal 
zweisilbiger Wurzeln schon geschwunden war, als der freie idg. Akzent noch 
bestand (vgl. auch Trautmann, Germanische Lautgesetze 36), denn es geht wegen 
der andern germ. Sprachen nicht an, die got. Verhältnisse auf Grund des von 
Thurneysen, Wrede, Hirt entdeckten Dissimilationsgesetzes zu deuten. Da der 
Superlativ ursprünglich endbetont war, so mußte hier s > z werden (Kluge, 
P. Br. B. VIII 519ff.), der Vokalismus des Komparativs galt aber auch für den 
Superlativ, vgl. as. wirsa < *wirsisa — wirrista, ags. wiersa < *wersiza — 
wierresta). Aber dieser alte Zustand ist getrübt. As. heißt der Superlativ in 
der Regel nach dem Komparativ wirsista. Das gleiche gilt für das ahd. wir- 
sisto nach wirsiro. Umgekehrt kann afries. werra, wirra und an. verre nur 
durch den Superlativ beeinflußt sein. Dieser Ausgleich zwischen Komparativ 
und Superlativ ist sicher einzeldialektisch. Darauf weisen auch Ableitungen 
hin, wie an. versna < *versinon. 

s) Über den Vorgang im einzelnen vgl. Jacobsohn, Aoristtyp. dAro S. A.22f. 


96 F. Specht 


Hirt, Griech. Gr.’ 411 anschließt, kann ich mir nicht zu eigen 
machen. 

Aber auch außerhalb des vokalischen Anlautes findet sich 
die Schwundstufe einer zweisilbigen Wurzel in der Gestalt ö4- 
zu ó4zs-. Das ist zumeist der Fall dann, wenn eine anlautende 
Konsonantengruppe entstünde, die griech. nicht üblich ist. So 
hat Zuew <*Feu&o') nirgends eine Schwundstufe. Es heißt &ueoıs 
und spät Zuedüjvar. Ähnliches gilt für Aaydoaı, Aayapds oder 
yaucıds zu yaućw. Daneben liegt Schwundstufe yau- vor in 
yaußods. Zwar hat Wackernagel, Sprach. Unt. z. Hom. 174f. yau- 
Boós < *yuaßods < Gmrös erklärt und es unmittelbar mit ai. jārá- 
„Liebhaber“ verglichen. Aber dieser Vergleich ist kaum haltbar. 
B in yaußọós ist nur Übergangslaut, genau so wie ô in IM 857, 
X 363, Q 6 dvögorüjta, das bei Homer die erste Silbe kurz miñt*. 
Also ist yau-8-oós wie dvöporjsa*) zu fassen, d.h. 8 und j sind 
nachträglich eingefügt, und vor der Gruppe u o hätte so wenig 
langer Vokal gekürzt werden müssen, wie etwa in xonu»vösg oder 
äol. unvvög. Auf diese Beschränkung des griech. Kürzungsgesetzes 
hat H. Jacobsohn ob. LIV 262ff. 263 Anm. 1, 267 Anm.1, Z. f. D. A. 
LXVI 244 Anm.1 mit Recht hingewiesen. Anders geartet inso- 
fern, als hier bei regelmäßiger Schwundstufe die Konsonanten- 
gruppe sprechbar wäre, ist die Hesychglosse »ewßoprov N vew- 
 Bowröv' veworl xareodıdusvov, wofür im ersten Gliede wohl veo- 
geschrieben werden muß. In derartigen Kompositen hat ur- 
sprünglich Doppelakzent geherrscht, mit dem doppelte Reduktion 
der Wurzel verbunden war. Also kann »eoßowr6v nur aus dem 
Simplex stammen, während »eößogrov wie oå- zu beurteilen ist. 

Wenn man nach den Bedingungen fragt, unter denen die 
Schwundstufe ö4- entstanden ist, so wird man annehmen müssen, 
daß sie in der Regel dann eintritt, wenn man doppelte Schwächung 
der Wurzel verlangt. Dann lägen in ölXvuı, ğuvvu die Ergeb- 
nisse des Plurals *öAvvu£v, *öuvvuev vor. Dazu stimmt »veößgo- 
tov und ai. ar(i)yd. Auch dußivs kann seine Reduktion bei dem 


1) Doch vgl. darüber unten S. 118f. Exkurs IV. 

2) Noch Aischylos kann u-#-e kurz messen, so Choeph. 362 zeoiëeoron 
VV Y. gegenüber Hik. 568 weı&dußoorov — — VV. Wenn das eine Mal 
Ze, das andere Mal og geschrieben wird, so soll das nur heißen, daß bei Ge 
die vorhergehende Silbe kurz, bei ##o lang gemessen wird. Aischylos hat sicher 
in beiden Fällen #80 geschrieben und gesprochen. Vgl. wegen dvdgorjra noch 
Wackernagel, GGN. 1909, 58 Anm.1 und GGN. 1914, 113 Anm. 1 mit Literatur. 

š) Brugmann, IF. XII 26 Anm.1 will im Anschluß an Clemm dafür * doorizra, 
*öoarira lesen, desgleichen Solmsen, Rhein. Mus. LXIl 319. 


Beiträge zur griechischen Grammatik. 97 


ehemals regen Akzentwechsel der v-Stämme etwa dem Femininum 
*qußieıäs verdanken. Bei ¿oioros gegenüber desiwv» mag das 
Prinzip mitgespielt haben, Komparativ und Superlativ ursprüng- 
lich durch den Ablaut zu scheiden. Dagegen ist in den Fällen, 
wo man einfache Schwächung der Wurzel verlangte, vokalisch 
anlautende zweisilbige Wurzel meist unverändert geblieben, vgl. 
yauerös, dongou£vog u.a. Bleibt nur yaußeös, wo ich keine Mög- 
lichkeit einer Erklärung finde. 

Ich sehe hier ab von ähnlichen Schwächungen, wie sie in 
dusiyw, uaAndv: uaiaxdv Hesych, dor: taoafız Hes. usw. vor- 
liegen. Denn der Ablaut der zweisilbigen konsonantisch schlie- 
Benden Wurzeln ist griech. auch sonst stark gestört. Auch der 
Gegensatz zooózos: r6gvos Tapavrivoı Hes. oder neodooaı — Tdovn 
u.a. muß hier beiseite bleiben. Denn damit ist schon ein Gebiet 
berührt, das außerhalb meiner Untersuchung liegt. Nur auf xenuvös 
und. xonurnu: oder xoiuvnu. möchte ich noch kurz eingehen. 
Man scheint xọņuvós allgemein als Hochstufe aufzufassen und 
neben der zweisilbigen Wurzel xgeue- eine Wurzel xọņu- anzu- 
setzen, so Boisacq 513 oder P. Persson a. a. O. 675. Aber dieses 
xonu- stützt sich eben nur auf xọņuvós. Auch ai. Bildungen wie 
tämyati neben tämtd-, bhrämyati neben bhrämtd-, sämyati neben 
sämtd, Srämyati neben srämtd- darf man nicht als Parallelen heran- 
ziehen. Denn diese Präsensformen zeigen trotz mädydti sicher 
Tiefstufe.. Nun verhält sich xonuvösg ` ng&uauaı = oeuvösg ` oéßo- 
Hot, d. h. xonuvdg ist altes endbetontes Partizip, wo Hochstufe 
gar nicht angängig ist, sondern Tiefstufe verlangt wird”. Die 
Grundform wäre also *kr;mənós, aus der griech. *xounvös hätte 
werden müssen. Diese schwer sprechbare Form ist einfach zu 
xonuvds umgestellt worden. Fraglich ist, wie weit die Schrei- 
bung xenuvnu neben xgiuvnu berechtigt ist. Kretschmer ob. 
XXXI 375 hält nur die Formen mit ı für richtig. Auch Nauck, 
Mel. V 188f. glaubt den Nachweis führen zu können, daß die 
besten Handschriften :, nicht o hätten und verlangt deshalb 
überall xoluvnu. Trotzdem schreibt er in der Euripidesausgabe 
Elektra 1217, Hercules fur. 520, Jon 1613 überall +, während der 
neueste Herausgeber Murrey an den beiden ersten Stellen ¿, an 
der letzten aber o vorzieht. Auch Kaibel, Athenaeus 13, 49 (585°) 
setzt xonuvavıaı in den Text, während sich Wilamowitz in seiner 
Aischylos- und O. Schröder in seiner Pindarausgabe für i ent- 

1) So schon Joh. Schmidt, Pluralbild. 365, der sich aber über die Form nicht 
weiter ausspricht. 

Zeitschrift für vergl. Sprachf. LIX 1/2. q 


98 F. Specht 


scheiden. Es herrscht also heute in der Auffassung noch Schwanken, 
weil offenbar auch in den besten Handschriften gelegentlich die 
Schreibung 7 vorkommt. xọņuvós und die Ableitung xenurito 
läßt nach meiner Ansicht auch ein xerurnus neben xoluvnuı zu. 
Das Verhältnis der beiden Präsensbildungen zueinander wäre dann 
so, daß xolurnu mit oxidvnw, mengt, »lovnuı auf gleicher Stufe 
steht und aus *xọcu-vé-a-uı entstanden ist. xonurnu wäre da- 
gegen wie ai. prindti durch Anfügung von betontem adr) an die 
Wurzel xgeua- gebildet. Jedenfalls könnte auch xoñuwmut nur 
Tiefstufe haben. 


Exkurs IL Vokalausgleich im griech. Verbum und die 

: Vertretung von 7, In. 

Neben Bdilw gibt es mit e-Vokal tegeat. dod&Alovres, die 
Hesychglossen Zeien: ZBalev, ndeke: nartßale, Etym. Magn. 
408, 42 éw: BdiAw. Joh. Schmidt ob. XXXII 381 sieht in éw 
das ursprüngliche und in Bd/lw Ausgleich nach ßaleiv. Wie 
BeßAnucı, EBinto, Biurde zeigen, ist die Wurzel zweisilbig ge- 
wesen. Bei der Zurückführung von BdAAw auf *Balıw, wie es 
Brugmann, Grundr.’ II 3, 188 und Brugmann-Thumb, Griech. Gr.‘ 
347 tun, ist es unverständlich, wo im Präsens der Wurzelvokal 
der zweiten Silbe geblieben ist, s. ob. S. 40. Nur eine Zurück- 
führung von Bdilw auf *Bal-v-9-ö, wo n statt ne aus dem Plural 
stammt, wird den vorliegenden Formen gerecht. Dann ist Bijou 
mit zduvo, atl. téuvw völlig bildungsgleich. In einer solchen 
n-Bildung ist aber für eine Hochstufe éw, wie sie Joh. Schmidt 
annimmt, kein Platz. Das Futurum Ge/io hat vom Hause aus 
Hochstufe haben müssen, ña4ó steht also für *deA® und verhält 
sich zu Bdiiw wie teu zu tduvw. Den Aorist von dun, 
£reuov hat uns Wackernagel, Sprachl. Unt. zu Hom. 14f. zu ver- 
stehen gelehrt.. Es ist ein alter Wurzelaorist (vgl. ob. S. 56), der 
gleichfalls im Singular Hochstufe erforderte. Genau so ist &öede, 
Zeie aufzufassen. &dele ist dann wie £Zreus, čpae in die Flexion 
der II. Aoriste wie £rexe, ine übergegangen. Das ursprüngliche 
Paradigma ßBaiiw, *deAw, Edeie ist dann in den griech. Mund- 
arten nach verschiedenen Richtungen ausgeglichen worden. 

Diese Aoristbildung ist auch außerhalb des Griechischen ver- 
breitet. Zunächst muß man wohl ai. Aoriste wie astar als Um- 
bildung nach akar, aspar für *ästarit ansehen. Dann liegen sie 


1) Mit der Schreibung 7, Z verwende ich nur eine bequeme Formel, über 
die idg. Aussprache soll damit nichts gesagt sein. 


Beiträge zur griechischen Grammatik. 99 


vor in der 2. und 3. Sg. der sogenannten is-Aoriste, wie dpävis, 
apävit, dkramit u. v.a. Bildungen wie dsramat, asamat u. a. könnte 
man ähnlich aus *dsramit umgebildet ansehen, wie 1. Sg. čreuov 
aus *2reuev. Auch Konjunktive wie ved. sanat können nur als 
sana — at verstanden werden. Dafür finden sich nun genaue Ent- 
sprechungen im Griechischen. W. Schulze, Hermes XX 491ff. hat 
das Verdienst, zum ersten Male auf kurzvokalische Konjunktive 
von s-Aoristen auf ionischen Steinen hingewiesen zu haben. Diese 
kurzvokalischen Konjunktive finden sich auch bei sogenannten 
II. Aoristen, zwar noch nicht bei Homer. Aber das kann Zufall 
sein, da ja dort kurzvokalische Konjunktive nur erscheinen, wo 
sie metrisch von der langvokalischen abweichen. Dagegen findet 
sich auf ion. Steinen Coll.-Becht. IV 865 Nachtr. 39, ein Zyßaleı. 
Nach der heute üblichen Anschauung müßte man darin eine 
Analogiebildung nach der Proportion Jon ` &xßdAin = Avosı:x = 
&xßdAeı sehen, so z. B. Solmsen, Rhein. Mus. LIX 162. Aber die 
Übereinstimmung zwischen diesen Bildungen ist nur syntaktisch, 
nicht formal. Dagegen ist &yßalcı < *&yßala Le völlig regel- 
mäßig und stimmt auf das beste zu ved. Konjunktiven, wie sanat. 
Da Zëoion ganz als IL Aorist griech. aufgefaßt wurde, so ist es 
nicht wunderbar, daß auch andre II. Aoriste, die keine alten 
zweisilbigen Wurzeln sind, eine derartige Konjunktivbildung über- 
nahmen, so das ion. Coll.-Becht. 5662: xateine') und lesb. té- 
xoıcı, Bechtel, Griech. Dial. I 94. 

Auch das Litauische zeigt noch in Resten die gleiche Aorist- 
bildung. Oben LV 173 habe ich auf ein lit. ser für hochlit. sere 
aus dzükischem Sprachgebiet aufmerksam gemacht. Meine Er- 
klärung des scheinbaren 2-Verlustes ob. 174 Anm.1 im Hinblick 
auf *dö — dáu, däve wird kaum ausreichen, wenn auch diese 
Form mitgespielt haben mag. Gehen wir von *&reue-t, * &öele-T 
aus, so kann der Wurzelaorist von sérti (= griech. xog&-ocı) nur 
*gerat gelautet haben, wo über *$ert ein *šer entstehen mußte, 
das das auslautende r so gut wie ku? erhielt. Nach gleichbedeu- 
tendem sërë ist dann *ser mit Länge versehen worden. Wie weit 
derartige Formen im Dzükischen verbreitet sind, weiß ich nicht. 
Sicher sind sie ganz vereinzelt und vielleicht wie das angeführte 
Beispiel nur noch auf die Lieder beschränkt. In einzelnen Ge- 
genden außerhalb des Westdzükischen wie in Kaltanenai scheint, 


1) Bechtel sieht allerdings darin Konjunktiv von see, ähnlich W. Schulze 

ob. LVI 308 in kyren. vizei Konjunktiv zu Arıxa; ion. &ußain Coll.-Becht. 565412 
und kyren. &yßdinp ist Neubildung nach Ze, dnoddvn, droe Afen, 
7* 


100 F. Specht 


nach den paar Beispielen zu urteilen (ob. LV 173), diese Bildungs- 
weise weiter verbreitet und auch auf Verben, wie apidink, apikas, 
übertragen zu sein, wo sie ursprünglich nicht berechtigt war. 
Dagegen kann das Präteritum atsiyul für *atsigel mit u nach 
guleti alt sein. Zur Erhaltung dieser Aoriste überhaupt hat zweifel- 
los der Umstand beigetragen, daß in diesen Gegenden auch sonst 
scheinbare Präterita ohne Endung üblich waren, die gleichfalls 
von alten Wurzelaoristen stammten, ob. LV 169ff. 

Weiter weist lat. sterno auf eine derartige Aoristbildung, die 
nachher ganz in das lat. Perfektsystem eingereiht ist. Die Hoch- 
stufe in lat. sterno kann so wenig alt sein, wie in d&AAw oder 
téuvw. Man muß einen Aorist *sterevai oder *steravai voraus- 
setzen, der nach strätum durch strävi ersetzt ist, aber seinen 
Vokalismus noch auf das Präsens vererbt hat. Dasselbe gilt für 
sperno, das von *sperevi seinen Wurzelvokal hat und selbst dann 
nach sprötum zu sprevi umgebildet wurde; spretus selbst ist eine 
Bildung wie Beßaonas, dxdentos usw. 

Wie den Gegensatz Bdilw, *deio, £deAov hat auch sonst 
das Griechische vokalısche Differenzen zwischen Präsens, Futur 
und s-Aorist allmählich im Verbum ausgeglichen. Dieser Aus- 
gleich ist in den einzelnen Gegenden verschieden schnell und 
nach verschiedenen Richtungen vor sich gegangen. Wie schon 
das Paradigma BaAlo — éw lehrt, ist bald der Vokalismus des 
Präsens, bald der des Aoristes durchgedrungen. Reste des alten 
Zustandes finden sich noch hie und da. Nur bei einem II. Aorist 
ist die Vokaldifferenz zwischen Präsens und Aorist geblieben. 
Offenbar war im griech. Sprachbewußtsein tief die Anschauung 
durchgedrungen, daß zu einem kurzvokalischen Aorist ein volleres 
Präsens gehören müsse. Denn nur so erklärt sich der Aorist- 
gebrauch ehemaliger Imperfekta wie Zrexov gegenüber Zero, 
Eyevdun® gegenüber yiyvouaı u. a. oder nuvddvoun. trotz nev- 
Youcı neben Znvddunv, die spätern Auundvw, Yvyydvw neben 
Atinw, peúyw. Zu aŭw hat man niemals ein *öy&dvw gewagt, 
weil der dazu gehörige Aorist sigmatisch gebildet war. 

Fast genau zu Bdllw — £öelov, nur daß s-Aorist vorliegt, 
stimmt das Paradigma von xaA&wo, das ob. S. 86ff. besprochen 
wurde. Ob auch &xauo» für *&xeue steht und ebenso wie £reus, 
Zeie, Zoe zu beurteilen ist, läßt sich aus Mangel an entsprechenden 
Formen nicht mit Sicherheit entscheiden. Dem s-Futurum kam 
ursprünglich Hochstufe, dem s-Aorist Dehnstufe zu. Daher müssen 
alle griech. Verben mit i oder w in der Wurzel Ausgleich nach 


Beiträge zur griechischen Grammatik. 101 


dem Präsens haben (vgl. Wackernagel, Sprachl. Unt. z. Hom. 76f.), 
wie ripa nach ole, &yAvya nach y2ópo, &dovpa nach dodpw 
usw. Dasselbe gilt für die Länge, wie Zero nach Boldw, lost 
usw. nach ze, Auch auf vokalische Wurzel auslautende Verben 
haben den gleichen Ausgleich.erfahren, wie gdouaı, wo % aus dem 
Plural des Aoristes in den Singular drang (s. ob. S. 59), hier als 
Hochstufe empfunden wurde und so ein neuer Ablaut z, š ent- 
stand. In der ältern Sprache steht der Länge in den außer- 
präsentischen Formen noch eine Kürze im Präsens gegenüber. 
Die spätere Sprache hat auch hier ausgeglichen, hat aber bei 
Verben wie dée — dnow die Vokaldifferenz erhalten, offenbar 
weil Denominativa wie gıl&w, Yılnow daneben lagen. Umgekehrt 
ist die Vokaldifferenz in nıvw, Zntvoa, gleichgültig, wie die auf- 
fällige Kürze im Aorist gedeutet werden muß. Hier wie in Verben 
wie hom. Avo — Avoa, att. Abw beruht der durchgehende u-Vokal 
statt Diphthong erst auf Ausgleich. Bei präsentischen »-Bildungen, 
wie xelvo, «Alva ist n mit in den Aorist verschleppt worden, 
der wie das Präsens Länge hat. Bei ae, pẹivw, die anders im 
Präsens gebildet sind, ist die Vokaldifferenz zwischen vue — 
iioa, YPIIvw — EpYioa wenigstens geblieben. Für Homer ist 
wahrscheinlich Zreıoa, Gäeren herzustellen, vgl. zuletzt Wacker- 
nagel, Sprachl. Unt. z. Hom. 76f. Die ursprünglich nur für das 
Präsenssystem geltenden tavýw, dude haben schon bei Homer 
ihr Präsenssuffix durch das ganze Verbum durchgeführt. Aber 
das Alte schimmert insofern noch durch, als sich bei Homer 
präsentisches zeiv» erst einmal findet. Im wesentlichen ist die 
Neubildung telvw nach Zreiwa erst nachhomerisch durchgeführt. 
Über den Aorist Zveoa zu dviw s. ob. S.57. Auch das alte Ver- 
hältnis xivew — &xıov ist schon bei Homer zerstört, indem &xtvnoa 
als Aorist neu dazu gebildet worden ist und Geo durch eine 
leichte Bedeutungsveränderung abseits von xivew trat. 

Da präsentischen :i0-Bildungen ursprünglich nur Tiefstufe 
zukam, so wird man wie telivw zu Greg auch delgw, yelow, 
eiow, Yelvw, xelow, ptelow u.a. als Neubildungen zu den Aoristen 
ansehen müssen. Durch Etym. Mag. 269, 50 ist das alte eiäocioo 
noch als dorisch überliefert. Umgekehrt haben dvalvouaı, xoaivw, 
balvo, oalvw, oalow, Yalvw, yaigw den Wurzelvokal des Präsens 
auch auf Futur und Aorist übertragen, xalow hat sogar schon 
seit Homer den Präsensstamm ins Futur verschleppt, während der 
Aorist ëréogco davon noch ausgenommen ist. Im Attischen dalow 
neben óéoe ist die Ablautdifferenz geblieben. 


102 F. Specht 


Ebenso ausgeglichen haben ihren Vokal die Verba mit œ im 
Präsens, wo a sowohl Schwächung aus einer Länge als auch aus 
em, en, er, el sein kann. Es genügt der Hinweis auf E&Uouaı — 
Ato, yodpw — Zoo. Bianıw — EBiawa, opdaliw — Eopnia, 
Bato — Baka, rdrrw — Erada u. a. Gelegentlich ist auch hier 
der Ausgleich nach verschiedenen Richtungen vollzogen worden. 
Für att. &xßodrw ist für Hippokrates durch Galen &xßonooeı' 
Enßaileı, Exßodoosı (ed. Kuehn Bd. 19 S. 95) neben &xßodooeı 
überliefert, wo die Länge aus dem Aorist stammen muß’). Ge- 
wisse Schwierigkeiten macht zagdızw. Da es bei Homer über- 
haupt nicht vorhanden ist, könnte man es als umgebildet nach 
dem Aorist rdọaġa ansehen. Das wird scheinbar dadurch be- 
stätigt, daß zu dem dazu gehörigen regelmäßigen Präsens Joarıw 
seit dem 5. Jahrhundert der Aorist &3oa&« neu geschaffen worden 
ist. Aber zagdırzw < *dharaghio deckt sich genau mit lit. dörgti, 
dirginau, dirgau, was die etymologischen Wörterbücher merk- 
würdigerweise nicht notieren, nicht nur in der Wurzel, sondern 
auch in der Bedeutung und im Akzent. därgau, dirginu heißt 
etwas „in Unordnung bringen, verwirren“, wird allerdings in der 
Regel von einem Mechanismus gebraucht, dirkstu ist das In- 
choativ dazu. Lit. dirgti erweist nun zapdırw als e-Wurzel. Also 
kann der Aorist ursprünglich nur *regd&aı gelautet und sein o 
aus dem Präsens zaodrzw bezogen haben. Man muß demnach für 
das Präsens zwei Schwundstufen ansetzen zapdızw und Joärzw, vgl. 
darüber unten S. 117 u. Anm.3. Die übrigen mehrsilbigen Verben 
auf -4rzw sind meist Denominativa und gehören nicht hierher, vgl. 
Debrunner, IF. XXI 214ff. Verba wie mọttw, zmAñoco, óñoco, 
oxintw usw. haben die Länge aus dem Aorist. Auffällig ist 
sıwoow, das bei Homer Präsens zu &nında ist, vgl. auch Sappho 
frg. 66, äntadare. nınoow, das erst Xenophon und Aristophanes 
kennen, ist sicher Rückbildung nach dem Aorist, während sich 
von mtocow außerpräsentische Formen erst ganz spät finden. 
Dieser letzte Grund neben scheinbarer Hochstufe bei einem jio- 
Präsens veranlassen mich in aıwoow gegen Debrunner a. a. O. 248 
Denominativum zu ntos, ntwxös zu sehen, das erst zu einer Zeit 
gebildet wurde, als die alten Ablautsgesetze nicht mehr galten ^’). 


1) Allerdings könnte man auch glauben, daß 2xßo7jooseı durch das bei 
Medizinern fast synonym gebrauchte &xß700sı beeinflußt worden ist, vgl. bei 
Galen a. a O. dneßodoosro' dneßnooero. 

3) Alte Denominativa, die noch den idg. Ablautsgesetzen unterliegen, sind 
selten, wie Airto zu Géi, 


Beiträge zur griechischen Grammatik. 103 


Die Verteilung zz@ooco — Enında ist möglicherweise so zu ver- 
stehen, daß bei ä/ö-Wurzeln mit einfachem ö-Präsens, ó in der 
Wurzel für das Präsens, o für den Aorist galt, also rödo, aber 
räsi. Einem solchen Verhältnis könnte dann rıwoow — Entrüsa 
nachgebildet sein. 

Bei den Verben wie xAéntw, čoðw, &o&ntw — &o&trw kommt 
als Denominativum kaum in Frage — ist der Aoristvokal durch- 
geführt im Gegensatz zu dem gleichgebauten Gidero u. a., wo 
der Präsensvokal gesiegt hat. Bei Zoóo, ģétw bleiben aber gewisse 
Bedenken. óéZe selbst stammt erst aus dem Aorist, W. Schulze 
ob. XL 121 Anm. Aber ¿oóe < *żọy:0 stimmt merkwürdigerweise 
in seiner Hochstufe‘) mit dem Westgerm. überein, so ahd. wirken, 
as. wirkian neben wurkian, merc. im Vesp. Psalt., wircan neben 
wsächs. wyrcan. Hier kann die Hochstufe aus irgend einer Verbal- 
form nicht übertragen sein. Denn den Präterita mit scheinbar 
synkopiertem Mittelvokal kommt germanisch ö-Stufe zu, vgl. got. 
brähta, as. warhta, nach dem sich das Partizipium giwarht ge- 
richtet hat, wie umgekehrt ags. worhte nach giworht. Vor allem 
hat aber das Ags. die ö-Stufe im Präteritum oft erhalten, z. B. 
röhte zu reccean, tealde zu tellan, cwealde zu cwellan usw.°). Im 
Partizipium stand ursprünglich Tiefstufe. Also stimmt 2Zodw nur 
scheinbar zu westgerm. *werkjan. Ich sehe keine andre Möglich- 
keit, als die Hochstufe des Germanischen als Anlehnung an das 
Substantivum werk zu deuten. 

Die Verben ore&yw, root, ofge, tonw könnten alten 
Hochstufenvokal haben, wenn nicht die Dialekte es widerrieten, 
vgl. ob.S.46. ro, rode kennt auch Pindar, rode Herodot. 
Man muß daher annehmen, daß diesen Verben im Präsens ur- 
sprünglich Endbetonung und damit Tiefstufe zukam. Sie haben 
dann sämtlich ihren e-Vokalismus aus dem Aorist, während in 
yodpw umgekehrt der Präsensvokal gesiegt hat. Wenn Verba 
wie A&yo im Aorist nicht *&in&a lauten, so beruht das auf dem 
gleichen Prinzip. Dabei mag die ursprüngliche Gestalt des Kon- 
junktivs Aoristi und Futuri, wie Joh. Schmidt es ob. XXX VIII 49 
annimmt, nicht ohne Einfluß gewesen sein. In diesem Zusammen- 
hang mag auch an ðuižev (Hipponax) erinnert werden, wo das; 
für er aus dem dazu gehörigen Präsens duigeiv stammt. Aber da 


1) Die im Baltischen häufige Hochstufe bei jo-Verben, wie lit. periù u. a., 
beruht sicher auf Neuerung. 

s) Blümels Erklärung des Ablauts werkj- warht- wurht- PBrB. LI 99 
kann ich mir nicht zu eigen machen. 


104 F. Specht 


für öuiyeiv Hesiod. Op. 727 öuelxeıw zu schreiben ist’), so kann 
auch @ui£ev und die Hesychglosse duifor: odọğoaı nur für duerfen, 
duesisaı stehen. Vgl. Wackernagel, Sprachl. Unt. z. Hom. 225 Anm. 1. 
In delöw soll nach Wackernagel ob. XXIX 151 der Vokalismus aus 
dem Aorist stammen. Darin kann ich ihm leider nicht zustimmen. 
Vgl. unten Exkurs V. Während zınloxw mit altem ; auch für ioo 
(Pindar) und zioa (Pindar, Hippokr.) maßgebend wurde, ist in 
uıuvjoxw, dem, nach reminiscor zu urteilen, im Präsens gleich- 
falls -+ zukam, der Aoristvokal zur Herrschaft gekommen, , Joh. 
Schmidt ob. XXXVII 39ff. Zu dox&w heißt der Aorist bei Homer 
in der Regel dodooaro; &ö6xnoe ist nur zweimal in der Ilias vor- 
handen. Morphologisch betrachtet ist aber dodooaro Aorist zu 
dearaı. Da der o-Vokal in einem solchen Aorist ganz gegen alle 
Regel ist, so hat Wackernagel ob. XXXIII 38 und Sprachl. Unt. 
z. Hom. 61 dodooaro schlagend als Angleich an doxew erklärt. 
Nach dodooaro hat dann schon Homer ein neues Präsens dodooeraı 
gewagt. Ebenso sind ów, &do&a, die Homer noch nicht kennt, 
im Vokalismus von dox&wo beeinflußt, vgl. Wackernagel ob. XXXII 
38, der auch das Pindarische 2rooo«@ für *Zreooe in den gleichen 
Zusammenhang stellt. dıddoxw hat Präsenswurzel und Präsens- 
reduplikation durch das ganze Verbum durchgeführt. Auch die 
dialektisch recht bunten Formen des Verbums Bovloueaı, Bwlouaı, 
Bdloucı, BEAkoucı, ouai, Öellouaı erklären sich wohl am besten 
bei der Annahme eines Paradigmas Präsens BdAoucaı < *g*,lomai, 
Aorist Zdeuldunv (Ednidunv) < *egrelsamen. Das o in Bdlouaı 
braucht nicht auf altäolischem Lautwandel zu beruhen, sondern 
kann wie in die, mo4ós für ai stehen. Dieser Ausgleich in 
zwei Paradigmen muß in eine sehr frühe Zeit fallen; denn schon 
homerisch findet sich der erweiterte Stamm ßovir-, außerdem 
ist auch der Stamm ßov4-*), der nur aus dem Aorist stammen 
kann, für das Nomen Aktionis ßovin verwendet worden. Wegen 
der Übertragung des i des Präsens in xaJl&w auf den Aorist 
dou usw. s. Wackernagel, Sprachl. Unt. z. Hom. 63f. Das 


| 1) Die Bemerkung von Choeroboscus An. Ox. II 245: = Herodian L. II 5606 
dein" oöbgeiv dıa Toö ı rodgëergt ist wertlos. Herodian trifft bei der Schreibung 
ei — + seine Entscheidung nach zwei Gesichtspunkten. Entweder befragt er die 
Dialekte oder die Etymologie. Das Erste trifft etwa zu bei pŶelọw, wo er sich 
wegen äol. g9&oow für sı entscheidet. Dagegen war ihm der etymologische 
‚Zusammenhang mit #osxds unbekannt. Sonst hätte er sich ebensogut für duelyew 
entschieden. 

D Vgl. dazu auch Meillet, IF. V 328; BSL. (Anz.) XXIII 65, der im wesent- 
lichen BodAoyas richtig beurteilt hat, und Kretschmer, Gl. II 160ff. 


Beiträge zur griechischen Grammatik. 105 


ursprüngliche e ist jetzt außer in Attika auch im kyren. soavta 
zu Tage gekommen. 

Auch die abgeleiteten Verben auf -edw zeigen Ausgleich 
zwischen Aorist und Präsens, Joh. Schmidt, SBA. 1899, 302ff. 
Nur xaiw, »Aalo haben sich trotz &xavoa, čxAavoa erhalten. Er- 
‚wähnt seien auch die außerattischen Bildungen auf -7w, dei, die 
an die außerpräsentischen Formen im Stammvokal angeglichen 
worden sind. Auch zu Ce, tow — Biwooucı hat man, wenn 
auch sehr spät, ein Brde gewagt, während ein Znoouaı, Zog 
schon die Hippokrateer kennen. 

Noch stärkeren Ausgleich zeigen die athematischen Verben, 
xepdvvvu, oxeddvvvu, nerdvvvuı, xgeudvvvu sind Neubildungen 
des 5. Jahrhunderts nach dem Aorist für älteres sien, oxidvnuı, 
nitvnu, »oluvnu, Wackernagel, Sprachl. Unt. z. Hom. 205ff. 
Ausgleich nach dem Aorist zeigt auch das für rniAvauaı einge- 
tretene neidöw. Ebenso kann auch zéeunut seinen e-Vokal nur 
dem Aorist verdanken‘), Die Hesychglossen nopvduev: nwAeiv, 
noovdusvaı‘ ... rrwAovuevaı, von denen die erste auf böot. oder 
thess. Sprachgebiet weist, haben den ursprünglichen Vokal er- 
halten. Wenn dort umgekehrt ein Aorist *roodoaı auftauchte, 
wäre das nicht weiter erstaunlich. Wie lat. domare, ahd. zamön 
lehren, gehört die Wurzel in ô¢uvņuı der e-Reihe an, also müßte 
der Aorist von Rechts wegen *deudoa: lauten. Das œ von daudoaı 
stammt also wieder aus dem Präsens dduvnu. Das Verhältnis 
zwischen daudoaı und erschlossenem *deudocı ist das gleiche wie 
zwischen hom. za4dooa, und reidooaı‘ roAufjoaı, wAnvaı, Hesych. 
Der a-Vokal kann nur aus einem Präsens *ra/vnuı stammen, das 
genau zu lat. *tollo < *tolno, mir. tlenaim stimmt, aber zu Gunsten 
des präsentischen Perfekts z&rinxa im Griech. aufgegeben worden 
ist, vgl. Meltzer, IF. XXV 342. Durchgedrungen ist schließlich 
aus dem Plural des Aoristes wie bei go- der Stamm dn, der 
wie in Bn als Hochstufe empfunden wurde. Schwundstufenvokal 
wird auch für &»vvus gefordert. Die Hochstufe stammt wieder 
aus dem Aorist. Von ořyvvuı ist die Schwundstufe auch in den 
Aorist ös&e gedrungen*). Im Äol. besteht außerdem eine Präsens- 
bildung örelynv» mit Hochstufe. Auf öiyov, das als äolisch durch 
Stephanus Byz. 359, = Herodian L. II 7771s überliefert ist, wird 


1) Vgl. auch die Bemerkung W. Schulzes, GGA. 1897, 873 über lesb. deer, 

2) Wenn man g#deslocı, Sueıdev usw. in die ältern griech. Texte für über- 
liefertes ¿ einsetzt, so muß man mit gleichem Rechte bei Homer ðeiĝev schreiben. 
"Doch vgl. argiv. võre (Coll.-Becht. 3339 er, as) aus Epidauros. 


106 O F Specht 


nichts zu geben sein. Aus dem Aorist ins Präsens verschleppt 
haben ihren Wurzelvokal Geövyvvuı, delxvvuı, uelyvvu, kret. rro- 
teıvörw (Bechtel, Griech. Dial. II 743, II 182). Für deixvvm heißt 
es kret. Ooll.-Becht. 5112, noch nooöixvsrı. Ebenso sind önyvvus, 
nhyvvui, 6o&yvvuı u. a. zu beurteilen, die Wackernagel, Sprachl. 
Unt. z. Hom. 79 und Anm. 2 verzeichnet. groot sucht Joh. 
Schmidt ob. XXXII 380 zwar lautlich zu deuten, indem er es 
einem ai. *stirnömi — strnumäs gleichsetzt. Aber ich habe zu dem 
Alter der Form kein Zutrauen. Es wird Neubildung nach orowoaı 
sein, das selbst erst sein w dem Perf. und Aor. Passivi und Ver- 
baladjektivum verdankt. Genau so muß ĝóvvvuı nach Zoo, 
Sovvvu für *Eovvvu nach Zoo umgebildet sein. Im lit. pajuseti 
(Lit. Mund. II 37 und Anm. 4) liegt diese Tiefstufe noch vor. In 
der Hesychglosse xejoaı: xeodoaı ob. S. 63 ist die Schwund- 
stufenform bis in den Aorist Activi gedrungen, ohne ein Präsens 
*xoavvvuı zu erzeugen. Dabei werden Verbindungen wie x2o@00» 
dxoarov (Aristoph. Ekkl. 1123) nicht ohne Einfluß gewesen sein, 
vgl. ob. S. 63. In ôúvauaı ist sogar das ganze Präsenssuffix in 
das Futur und den Aorist verschleppt worden. Vokale von ver- 
schiedener Herkunft zeigt das scheinbar ganz regelmäßige riu- 
dont, Das Verbum flektierte ursprünglich *mıuneieu — niunia- 
uev, W. Schulze ob. XX VII 424. Da Verbalbildungen wie *zıu- 
seeAeuı dem Griech. bis auf verschwindende Reste verloren ge- 
gangen sind, so ersetzte man den Singular durch die langvoka- 
lische Wurzel nAn-, die in ninons, nAndos, plenus usw. vorliegt, 
ebenso wird man Aorist und Futur des Aktivs auf die gleiche 
Wurzel beziehen müssen. Dagegen kommt dem medialen Wurzel- 
aorist Tiefstufe zu, vgl. Zöoro, &pdıro. Also wird ple- in nAnto 
wohl idg. pn sein. Wahrscheinlich wird man auch Perfektum, 
Aorist und Partizipium des Passivs auf die gleiche Wurzelgestalt 
zurückführen müssen. Allerdings absolute Sicherheit ist nicht zu 
erzielen. Denn plē< pelə +- é ob. S.82 Anm. 2 ist ohne Ablaut, 
so daß zur Not nAnjto, Eninodn usw. auch auf nie bezogen werden 
können. 

Die bisher besprochenen Fälle lassen auch für ögvvm, Ölivuı, 
öuvvuı, Öudoyvvus, ordgvvuı, xog&vvvu für *xogvvuı und Iögvvodau 
eine andre Deutung kaum zu. Walde, Stand und Aufg. der 
Sprachw. 180ff. sieht in dem merkwürdigen o Hochstufenvokal o, 
oder allenfalls Schwächungsvokal aus idg. o Davon kann gar 
keine Rede sein. Denn alle diese Bildungen haben niemals auf der 
Wurzel den Ton gehabt. Die Annahme aber einer Schwächung 


Beiträge zur griechischen Grammatik. 107 


aus o ist nur für die griechischen Fälle konstruiert. Denn Walde 
muß selbst zugeben, daß sich für alten ö-Vokalismus in andern 
Sprachen nirgends Parallelen finden. Sie weisen alle auf e, was 
sich auch im Griech. noch zeigt. Ich sehe daher in diesen Bil- 
dungen, zu denen sich noch óoo96zo neben ¿os9(Ëo, 6Aopvoouaı 
neben äiepalow, EieAltw neben ölolvtw, Tevdenö@v neben zoz9o- 
Go gesellt, Assimilationen eines geschwächten e-Vokals an das 
folgende v. Ob im einzelnen den Ausführungen Joh. Schmidts 
ob. XXXII 377ff. zuzustimmen ist, lasse ich, da es für dies Er- 
gebnis gleichgültig ist, hier unberührt. Bei dem Aorist Geo kann 
über die Herkunft des o aus dem Präsens überhaupt kein Zweifel 
bestehen, da bei Hesych četo: @eundn, Zoogo: Öreyelgov, &oon' 
öeuneon mit e-Vokal noch daneben liegen ob. S.45. Bei orog&oaı 
zeigt zwar das Griech. keine Reste eines e-Vokals mehr, aber 
nach lat. sterno ob. S. 100 zu urteilen, kann oroo&oaı nur für 
*greg£oaı stehen. Bei xooéoa; kennt die lit. Entsprechung $erti 
nur den e-Vokal und dessen Dehnung, so daß auch xogp&oaı ein 
ehemaliges *xego&oaı vertritt’). Neben ödudoyvvu — drroudo&aro 
liegt in etwas abweichender Bedeutung duéoyo — huso&dunv. 
Nur für öi&ocı und Aude läßt sich aus verwandten Sprachen 
die e-Stufe nicht mehr aufweisen. Da aber ö-Vokal im s-Aorist 
ganz ungewöhnlich ist, so wird man nach den zahlreich vorge- 
brachten Analogiebildungen ihn nur wieder als Ausgleich nach 
dem Präsens deuten müssen. Von diesem Standpunkte aus lassen 
sich diese Aoriste ohne weitres erklären, und sie bilden nur ein 
kleines Glied in der großen Kette der gleichen Erscheinungen. 
Lehrreich sind auch nrdgvvuaı und godyvvu, die beide Tief- 
stufenvokal zeigen, aber trotz folgendem v nicht o aufweisen. 
zrdovvum ist von Joh. Schmidt ob. XXXII 381 richtig als An- 
gleich an Zntagov» gedeutet worden, godyvvu.ı ist erst durch 
Sophokles Antig. 241 und Thukydides VII 74 belegt und hat seinen 
a-Vokal von dem gleichbedeutenden pọdttrw. Die Flexion auf 
-pvu ist höchst wahrscheinlich Umbildung nach dem synonymen 
Zong, das seit Homer (x 238) geläufig ist. 


1) Wenn Meillet, Mélanges Vendryes 275ff. mit seinen Ausführungen im 
Recht ist, daß die Präsensbildungen wie dduvnu: nur bei zweisilbigen Wurzeln 
möglich waren, die auf «-Vokal ausgingen, so müßte wegen ai. sirnäti das ge- 
forderte *orso&oaı auf sehr alter Assimilation aus *oregdoaı beruhen. xoo&oaı 
könnte ähnlich behandelt sein, nur fehlt hier eine entscheidende Präsensbildung, 
Hirts Annahme, Idg. Gr. II 121, in beiden Verben e als thematischen Vokal auf- 
zufassen, ist für mich ganz unannehmbar. 


108 F. Specht 


Es ergibt sich also im griech. Verbum zwischen Präsens, 
Futur und s-Aorist überall das gleiche Bild, entweder Ausgleich 
der Vokale nach Aorist oder Präsens. Fragt man nach den Aus- 
nahmen, so fallen Verba defectiva wie ärgıdunv, dnnögwr, u. a., 
die außerdem keine s-Aoriste sind, ohne weiteres fort. Dasselbe 
gilt für Verben mit verschiedenen Stämmen, wie p&ow, ofooi, 
Aveyxov oder solchen mit o oder a in der Wurzel, wie x0000, 
olyouai, zoue, naw, aldoucı u.a. Der singuläre Aorist YEo- 
oa@c$aı liegt nach Wackernagel ob. XXXIII 36 in &nddeoox nach 
nog&o umgebildet vor. xalvvuaı weicht zwar im Perfektum im 
Vokalismus ab, kennt aber weder Futur- noch Aoristformen; ĝéw 
kennt wohl wie nvew (ni&w) die regelrechten dedosoduı und 
6eöoaı, hat aber meist ablautendes dvrvaı, das insofern wieder 
nicht auffällt, als es kein s-Aorist ist. So bleiben zunächst nur 
Verben, wie valw — vdoow — Evaooa, ualouaı -— udooouaı — Eudo- 
catro, wo die Vokaldifferenz zwischen Präsens und Futur, Aorist 
erst auf griechischem Boden entstanden ist und nicht anders 
beurteilt werden kann, als etwa wie in dalvw — dag — Eogava. 
daloucı ist nach diesen Mustern erst neu gebildet worden, W. 
Schulze ob. XXIX 267 Anm. Abseits steht nur xdnzw insofern, 
als es als io-Bildung Tiefstufe erfordern sollte’). Aber es stimmt 
zu einem primären *xen-, wie lat. fodio zu lit. bedù, got. wahsjan 
zu griech. dre&w, got. waltjan zu an. velta oder zu griech. Gogo, 
got. ahjan, abulg. borjg, wo sich primäre e-Stufe gleichfalls nicht 
nachweisen läßt. Anders über diese Formen Meillet, MSL. XIX 
181ff. Über séiogoäo, ob. LV 19f. und hom. dvaßgöfeıs, xata- 
Boden, dvaßgoy&v läßt sich überhaupt nichts Sicheres aussagen, 
da weder Präsens-, noch Futurformen dazu überliefert sind. 

Dieser Ausgleich im griech. Verbum zwischen Präsens, Futur 
und s-Aorist ıst in der historischen Zeit noch völlig in der Ent- 
wicklung. Er wird für viele Fälle nicht einmal urgriechisch sein. 
Gerade Homer kennt noch abweichende Paradigmen. Auf eöde — 
xaredoadov, nitev, nievoeodaı, 'aneniw, hxw, eigvoa (Hippo- 
krates) hat W. Schulze ob. XL 120 hingewiesen. Anzuführen 
wäre weiter für Homer eißo — Zorafa. Ebenso ergänzen sich 
olvouaı — 6nAnoaodeı in vielen Fällen zu einem Paradigma. Manch- 
mal muß ein Verbum, das selbst Präsens und Aorist bildet, für 
das fehlende Tempus eines andern Verbums eintreten. So heißt 


1) sönıw wird schwerlich Denominativum von xózoç sein. Vgl. auch 
Debrunner, IF. XXI 208. | 


Beiträge zur griechischen Grammatik. 109 


zu Atöaodaı, exto das Präsens xoıudedaı'), zu Öpodcaı on&oxo- 
Hot oder oedouaı, zu Ödvoodusvos ywóuevos, zu Grade manchmal 
alvouaı, zu šóodooqto doxei s. ob. S. 104. Zu xeoaltw lautet der 
Aorist n&goaı, zu Eneiyouas Eoovro”), zu dbouaı oer, zu uuoó- 
uevos wohl xAaúcas oder Ödvodusvos, zu ônviw fuer (uvnoTev- 
oaı), zu dxd6usvos dAynoas‘) oder driägoot Metrische Gründe 
sind Schuld daran, wenn x4owéo im Aorist durch poßñoat, pgo- 
véw durch woor oder unoaodaı, roou&w durch dıyjoaı, unga- 
vdoucı durch rexvnoacdaı oder untlooaodaı, xegroutwv durch 
6vsıdiong ersetzt werden. Auch innerhalb der gleichen Wurzel 
ist die Verbalbildung zwischen Präsens und Aorist gelegentlich 
verschieden. Ich verweise für Homer, um nur einiges zu nennen, 
auf dieslvw — dievaro, dvrew — Tivoa, Gordon — Zorung, åpúcow 
— ğpvoa, Pıdlouaı — Eßınoaro, yavvuaı — yńþðņoe, doot — 
Eönoloaro, Edordoun — xadEleodaı, ¿A¿sa[oo — Eilnoa, Ao — 
Eirnoa, Eowrdw — hodunv, ebvaloundı — EÖvnoa, EbXerdoua — 
edEaodeı, (ode — deg, xeiddw — xelaönjoaı, uaoılw — ugota 
(vgl. ob. XXXIII 129 Anm. 2), ueıdıaw — usıöjoaı, untidoua — 
untlooaodaı (s. ob.), vlocouaı — Evdornoa, dvoudlw — Övdunve, 
oùtčw — org, odınos, nANdW — Eninoa, nTW00w — Enınsa (s. 
ob. S.102f.), oeßouaı — oeßdooaTo, Taviw — Ereiva (ob. S.101). Auch 
an das Schwanken zwischen Verben auf -iw und -ew oder -dw 
und do einerseits und -éw und -edw andrerseits, das metrische 
Gründe hat, sei erinnert, Fraenkel, Denominativa S. 177f. Ge- 
wiß ist zu manchen Verben auch ein Aorist wie 2idvvooa zu 
come oder ein Präsens wie yrd&w zu yņłñoaı usw. daneben im 
Gebrauch, aber dafür hat rewa kaum ein Präsens, ydvvuaı 
noch keine außerpräsentischen Formen entwickelt. 

Man wird fragen, warum ich diese vielfach bekannten Dinge 
hier nochmals kurz zusammengestellt habe. Ich wollte dem Leser 
eben deutlich machen, wie einerseits das Griechische völlig inner- 
halb der beschriebenen Grenzen ausgeglichen hat, andrerseits 
sich dieser Ausgleich weit in die historische Zeit hinein erstreckt. 
Das muß nachdrücklich hervorgehoben werden, wenn man die 
Arbeiten Waldes über den idg. Ablaut, Stand und Aufgaben der 
Sprachwissenschaft 152ff. richtig würdigen will. Mich beschäftigt 
hier im wesentlichen der erste Teil. Walde hat bisher mit seinen 


1) Vgl. besonders z 49f. Zvôa zdeoc song, sre H "doe Unvos ixd- 
vor Zéi dpa xal rdr Eiento xal Hóa iav Euiuvev. 

2) Vgl. z.B. T 142, aber N 315 oder 404 oder B 354, aber I 398 u.a. 

3) Vgl. E 354, aber M 206. 


110 F. Specht 


Ausführungen überall Zustimmung gefunden, Widerspruch ist 
kaum aufgetaucht. Was er feststellen will, ist die Vertretung vom 
m ñ, PI im Griechischen. Ich behandle zunächst die beiden 
letzten Laute. Für ř und I das nicht sekundär betont wurde, 
nimmt Walde o& und Je als regelrechte Vertretungen an; ọw, 
Aw sollen griechische Neuerungen sein und zwar derart, daß bei 
einem o als erstem Wurzelvokal in der Hochstufe diese Färbung 
auch bei der Länge der Tiefstufe maßgebend wurde. Als Bei- 
spiel sei angeführt orog&oaı mit o, daher orewrögs. Es läge also 
eine Art Assimilation vor. Demnach müßte nach Walde ọw und 
Aw nur dort vorhanden sein, wo das Griech. bei Vollstufe nur o 
als ersten Wurzelvokal kennt. Er beruft sich daher wegen orew- 
de auf ordovvuı, orog&oaı, wegen Aıßoworw auf Bood'), wegen 
Ioworw auf Yogeiv, Yopovuaı, Ybpvvuı, Qoo0ós, Jog, wegen 
Bioorw auf uolovuaı, uoheiv, wegen tiroocxzw auf Togeiv, wegen 
nengwraı auf mogeiv, wegen dor. rerowxovra auf dor. TEToges. 
Diesen Ausführungen Waldes könnte ich nur unter folgenden 
Voraussetzungen zustimmen. Erstens müßte der o-Vokal von 
orog£oaı, uoleiv, Topeiv, nogeiv, tétooes alt sein. Zweitens dürfte, 
was Walde ausdrücklich hervorhebt, neben dem o-Vokale andrer 
Vokalismus nicht vorhanden sein. Drittens wäre, falls die beiden 
ersten Voraussetzungen zutreffen, für eine andre Tiefstufe als oo 
kein Platz. Aber diese drei Voraussetzungen stimmen nur zum 
Teil. Auf die Neubildung orog&oaı für *oreg&oaı nach otógvvui 
habe ich ob. S. 107 hingewiesen. Zwar meint Walde a. a. O. 181 


1) Ich hatte ob. LV 11 #goedoo», lat. vorare mit velarem g + u angesetzt. 
Dazu bemerkt M. Leumann, Gl. XVIII 274: „vorare hat nach Specht v aus gu 
(nicht aus Labiovelar); guor steht im Ablaut zu gurges. Ich meine, man sollte 
lat. carnivorus, gr. Svmoßdeos, av. naragara mit Labiovelar schön beieinander 
lassen.“ Die Ansicht L.s ist zwar in einem recht apodiktischen Ton gehalten, aber 
nichts destoweniger falsch. Ich hätte auf Grund der von L. angeführten Bei- 
spiele niemals behauptet, daß gu vorläge, schon deshalb nicht, weil sich das aus 
ihnen gar nicht erkennen läßt. Die Beispiele, die unbedingt für gw und nicht 
für Labiovelar sprechen, lit. gvergsti — aa O. steht fälschlich gveřšti — 
gvargzdeti, lett. gver(g)zdet, gvergzdis übergeht L. mit Stillschweigen. Er wäre 
mindestens verpflichtet gewesen, wenn er sie besser deuten kann, diese Deutung 
den Lesern nicht vorzuenthalten. Zu einem solchen gue- in gveřgšti steht 
gu- in apr. gurcle, lit. gurklys, lett. gurklis in regelrechtem Ablaut. Dann 
darf man wohl für lat. gurges die gleiche Erklärung annehmen. Es liegt bei 
ßeoedoov, vorare ein ähnlicher Fall vor, wie bei griech. Aée, pro, lat. ferus. 
Auf Grund der lat-griech. Gleichungen würde man an Labiovelar denken, aber 
lit. žvėris, abulg. zvěrb weisen einen andern Weg. Hier zweifelt niemand an 
einem Anlaut ĝu. Was aber für Zveris recht, ist für gvergsti billig. KN. 


Beiträge zur griechischen Grammatik. 111 


im Hinblick auf den e-Vokalismus von jozum: in den ob. S. 107 
erwähnten Hesychglossen, daß niemand dadurch zu dem Schluß 
verleitet werden darf, in älterer Zeit sei die e-Form in der Über- 
zahl gewesen, oder sogar bis auf ögwvuı die allein ererbte. Das 
ist eine bloße Behauptung, für die der Beweis erst zu erbringen 
wäre. Denn da bisher noch niemand ö-Vokalismus für den s-Aorist 
oder das Futurum erwiesen hat und schwerlich jemals erweisen 
wird, so bleibt mir der Waldesche Standpunkt ganz unverständ- 
lich. Gerade diese e-Formen sind zwar unbequeme, aber gute 
Zeugen gegen seine Theorie. 

Auch bei den Aoristen roger, woleiv, HYogeiv, togsiv bewegt 
sich Walde a a. O. 182 in einem Trugschluß. Weil seine Theorie 
über die Tiefstufe in now-, Bio: 9ow-, tgw- ó-Vokal oder 
Schwächung daraus für sogeiv usw. erfordert, nimmt er ihn für 
die betreffenden Formen an. Der Versuch, für diese Aoriste zu- 
nächst o-Färbung erst zu erweisen, ist von ihm nicht gemacht 
worden, und ich sehe nicht die geringste Möglichkeit, aus dem 
Griechischen oder andern idg. Sprachen für sie o-Vokal oder 
Schwächung daraus festzustellen. Ganz unabhängig von Walde 
habe ich dasselbe Problem in dem gleichen Buche 632f., soweit 
es für das Baltische in Frage kam, kurz berührt, und ich muß 
noch heute daran trotz allem, was darüber geschrieben ist, fest- 
halten "1. uoleiv, nogeiv, Yogeiv, vogeiv zeigen die antevokalische 
Tiefstufe zweisilbiger Wurzeln‘) und stimmen so genau zu nö4ıs 
ai. për, purds, moAös ai. purü. Für zéie und noAdg läßt sich nun 
eine Hochstufe mit o, aus dem sie geschwächt sein sollen, über- 
haupt nicht nachweisen. zo4ós hat wie in got. filu*) nur e-Stufe 
neben sich. Sie liegt griech. vor in dem ganz isolierten n&Ae900v 
und zxé4oçs: u£ya, teodouov Hes., das sich zu noAvs*) verhält wie 
xgET05 zu xgatös, égooçs zu Yowovs. Osthoff, Arch. f. Religions- 
wissenschaft VIII 54 hat zé4os nicht anerkannt und will dafür 
sıeAog schreiben. Aber zéioc ist das ganz regelrechte Substantiv 


1) Zu lit. erzdeti — urzdeti a. a. 0.632 füge ich noch das ähnlich gear- 
tete Paar rembeti — rümbeti hinzu (ob. LII 284). Völlig isoliert von seinem 
Verbum ist das ehemalige Partizip »ilias, das nur im Plural mìltai in der Be- 
deutung „Mehl“ sich findet. Da malti lit. nur a-Stufe, niemals aber e kennt, 
so ist die ö-Färbung bei dem Waldeschen Standpunkt in dem isolierten miltai 
überhaupt nicht zu erklären. 

2) Das epische Zuuope wird Äolismus sein. 

8) Vgl. Joh. Schmidt ob. XXXII 3821. 

*) Günterts Erklärung des o von zo/ös Ablaut 40 scheitert an dem o von 
däre, auf das seine Deutung nicht zutreffen kann. 


112 F. Specht 


zu noAög und zu einer Änderung liegt gar kein Grund vor. Da 
es Osthoff mit dem gleichbedeutenden r&Awe usw. identifiziert, 
das er wieder zu z&gag mit Dissimilation von g —0 zu A—o 
stellt, so widerspricht n&Aog der Dissimilation, da sich am Schluß 
der zweiten Silbe kein o befindet. Das hat ihn offenbar zu seiner 
Konjektur *neAog für n&iog bewogen. Nirgends zeigt sich im 
Griechischen bei der Wurzel pele- eine Spur von o-Stufe.. Das 
dem griech. méie in seiner Bildung und Bedeutung genau ent- 
sprechende lit. pilis müßte nach der Theorie Waldes eigentlich 
*puls lauten. Man wird sich nicht einmal auf das Verbum pilti 
berufen können und pilis darnach umgestaltet sein lassen. Denn 
die Bedeutung von heutigem pilis und dem dazu gehörigen pìlti 
liegen zu weit auseinander. Ich kann bei diesem Tatbestand 
nur die eine Folgerung ziehen, daß róis, noAvg und die Aoriste 
woieiv usw. mit ihrem ö-Vokal rein griechische Bildungen sind, 
die mit scheinbar ähnlichen Erscheinungen in andern Sprachen 
keinen Vergleich zulassen. 

Was schließlich zérogsc angeht, so sehe ich mich außer Stande 
das Wort zu deuten. Brugmann, Grundr.° II 2, 13 sieht den o-Laut 
für alt an. Er wird wohl durch das ö des Neutrums in got. fidwor, 
al. catvarı dazu veranlaßt sein. Aber wie neben es/os-Stämmen 
Kollektiva auf -ðs liegen, so könnte mit gleichem Rechte € in 
ion. t&oosges als die alte Vokalisation angesehen werden. Das 
hat noch den Vorteil, daß der Konsonantismus völlig in Ordnung 
ist, während Brugmann bei z£roges wegen des einfachen + im 
Inlaut mit einer Analogiebildung rechnen muß. Zu 7&ooeges würden 
im Suffixablaut auch lit. ketver}'), abulg. Cetvers stimmen, die aller- 
dings distributive Bedeutung haben. Seit W. Schulze ob. XX VIII 
281 stellt man mit griech. BAwdods ai. mürdhän- zusammen. Walde 
erwähnt diesen Vergleich überhaupt nicht. Jedenfalls würde 
BAwdoös, da Formen wie *ßo4- fehlen, seiner Theorie stracks 
widersprechen. So bliebe für seine ganze Lehre als einzige, wenn 
auch ganz unsichere Stütze nur 7&roges — TEere@xovra übrig. 

1) In einer geistreichen Studie, Wa u. Sa. XII 253ff. hat A. Nehring zu 
erklären versucht, warum im Idg. die Flexion in den Zahlwörtern nach 4 auf- 
hört. Er stützt sich dabei 275 auch auf die Kollektivzahlen des Baltisch- 
Slavischen und glaubt dadurch, daß sich lit. penkerì, šešeri im Suffix nach 
ketveri gerichtet haben, den Nachweis zu erbringen, daß sie ursprünglich nur 
bis 4 üblich waren. Diese Annahme ist aber irrig. Denn den uralten Bruch 
in der Zahlenreihe zwischen 4 und 5 kennt auch das Lit. noch. Noch heute 
heißt es ostlit. penkeli, šešelł usw., und das ist natürlich das Alte, vgl. Vert, 


Syrwid 37, 871. Daß diese Zählungsweise früher noch weiter auch außerhalb 
des Ostlit. üblich war, lehrt Daukšas Postille 699 = Orig. 4910 septinelis metüs. 


Beiträge zur griechischen Grammatik. 113 


Aber auch Waldes zweite Voraussetzung zeigt Lücken. Auf 
Beosdoov, Bgoaðtgov neben ñood hat er schon selbst hingewiesen. 
Er kann seine Theorie nur damit retten, daß er Gëoeäoon in der 
Bedeutung von BıBowoxw. entfremdet nennt. Das mag für das 
attische Wort, wo ßdeadoo» fast Eigenname ist, in gewissem Sinne 
zustimmen. . Ob aber auch außerhalb Attikas der Zusammenhang 
mit BıBowoxrw verloren gegangen ist, bleibt doch sehr die Frage. 
Außerdem müßte diese „Entfremdung“ zwischen beiden Worten 
ja schon im Urgriech. eingetreten sein. Für zroewoxw, Togeiv 
stimmt Waldes Theorie nun gar nicht. Denn Hesych überliefert 
dazu den s-Aorist r&geooev: Erowoev, Erdovwoe, wozu natürlich 
auch 7£oeroov gehört. | 

Auch die dritte Voraussetzung hat Lücken. Trotz #ogeiv, 
Hogeiodaı, Boun, Foods, Yon, Yogloxoumı, Foŭgos < * Fooros 
hat Hesych nicht nur Idovvodas und Yapvevc, sondern auch 
neben 9oo- in $owoxw die Tiefstufe Be. in rededodaı: ayedodaı. 
Von zırewoxw wird man weiter. nicht trennen können zereivaı, 
Too, Tirgdtaı USW., so daß auch hier neben con. (zo@-?) ein 
tow- steht. Viel schwerer aber fällt noch ins Gewicht, daß sich 
auch bei einer m- und n-Wurzel Tiefstufe mit » findet, wo 
nirgends ein ó in der Hochstufe daneben liegt. Bereits ob. S. 93 
ist das ganz isolierte dualdgs — dußids, aber uöfivs zur Sprache 
gekommen. Auch bei xv@wdaAor, zu dem lit. kándu und sicher 
auch die Hesychglosse xdvadoı  oıayoves, yvdadoı gehört’), versagt 
Waldes ganze Theorie. Ich sehe keine Möglichkeit in dieser 
Weise überhaupt die Frage zu lösen. 

Schon de Saussure, Mém. 271 hat auf den merkwürdigen 
Zusammenhang zwischen Färbung des auslautenden zweisilbigen 
Wurzelvokals und der antekonsonantischen Tiefstufe hingewiesen. 
Da das Ungewöhnliche in der Sprache oft auch das Altertümliche 
ist, so könnte man die Vertretung oo, Aw, uw, vw für das Alte 
halten und on, oë usw. als Assimilation an den schließenden 
Wurzelvokal der Hochstufe ansehen. Ein Beweis dafür ist schwer 
zu erbringen. Aber es spricht doch sehr zu Gunsten dieser An- 
nahme, daß o@, om usw. immer nur eoa, ege usw. als Hochstufe 
neben sich haben. Ich verweise auf r&uayos — ruürds, xduaros 
— ğxuĞtOS, uas — ugatós, Gott — Öuärds, reidooanı — 240: 


1) Man hält heute xdvado: allgemein für makedonisch, so O. Hoffmann, 
Makedonen 52 und stellt es zu yvéo:, lit. Zandas. Aber dagegen spricht die 
anlautende Tenuis. Verbindet man es mit xvodalov, lit. kándu, so ist alles 
in bester Ordnung, und das Wort ist echt griechisch. 

Zeitschrift für vergl. Sprachf. LIX 1/2. 8 


114 F. Specht 


tiov, negdoonı — NEĞTÓS, XEÇŘOOQL — XQĞTŃÇ, TEeAdooaı — TAQTÓS, 
xégas — xodaros, Idvaros — Buërde, yegaoós — yoůs, tæaęçaxńń — 
Joğttw, doads — ó@oroç, yeAdoaı — yåńvy (m wohl gleich œ) und 
vielleicht auch ualaxds — 8468. Dagegen mit er yevétwę — yvy- 
tös, nalkooaı — ainds, BÉAcuva — Båntós, tégetoov — rontög, ÔE- 
Acao — BAÑE, néhedgov — into, oregedss — otoņvés(?). Nur ein- 
mal besteht ein Gegensatz, der aber leicht zu lösen ist, zwischen 
teuaxos — tuürds einerseits und xéZ4qóos — xAntds andrerseits. 
Offenbar war die Beziehung von xâņtós zu xal£oaı, xaltw viel 
enger als zu xéAaóos. Bei ru@rds kam ein ähnlich gebauter Aorist 
oder Präsens, der deutlich den schließenden Wurzelvokal zeigte, 
überhaupt nicht in Frage, und z&uaxos stand tu@tós im Sinne 
viel näher als das in der Bedeutung abweichende z&uevog. Bei 
xonuvög hat begreiflicherweise der Ausgleich an das e von xee- 
udocı erfolgen müssen. Für das oben aus Hesych angeführte 
reägdoäot fehlt überhaupt eine Form, die irgendwie den zwei- 
silbigen Wurzelvokal noch zeigt. Man wird ihn aber nun um- 
gekehrt als æ erschließen müssen. 

Der Gegenbeweis wäre nun, daß überall dort, wo -ð als zwei- 
silbiger Wurzelvokal erscheint, nur oe als Tiefstufe gelten dürfte. 
Er läßt sich aber rein zufällig nicht erbringen. Denn fast alle 
zweisilbigen Wurzeln mit schließendem o haben vokalischen An- 
laut und, bei ihnen ist eine derartige Tiefstufe nicht gebräuchlich, 
s. ob. S. 89, vgl. Zvoolixdwv, ğvouaı, Övoua, Öudonı, dodoaı. Kon- 
sonantischen Anlaut zeigt nur yvo- in dyvoreiv. Hierzu könnte 
yvo- in "md ohne weitres stimmen. Aber lat. cognosco, 
ahd. einchnuodile (Ahd. Gl. I 3414s), ahd. archnait (ebd. I 128.) 
können nur als langvokalische Hochstufe gedeutet werden, s. ob. 
S.82 u. Anm. 2, und dieselbe Auffassung ist auch für yıyv@oxw 
möglich. Wer aber behaupten wollte, in yıyvooxw, yvwtós, 
Eyvwoucı, Eyvaodnv läge idg. gənə-, in čyvwv, yvooouaı idg. gnö- 
vor, wäre schwerlich zu widerlegen. Denn ob. S. 106 konnte bei 
dem Paradigma von ziuninuw mit einer ähnlich doppelten Ver- 
tretung gerechnet werden. 

Diese Angleichung der Tiefstufe an die Färbung des schließen- 
den zweisilbigen Wurzelvokals ist wie jede Assimilation nicht 
regelrecht durchgeführt. Das zeigt orgerde zu orop&oaı aus altem 
* gregdoaı (ob. S. 107 Anm. 1), B&oedg0v zußowrcec. Doppelformen 
liegen vor in zgntög nach regergov, aber tırowoxw und in oO xO, 
tedododaı. Wie xa4éca,— xintog zeigen, setzt sie die Assimila- 
tion des schließenden Wurzelvokals an den ersten voraus. Das 


— 


:— m 


Beiträge zur griechischen Grammatik. 115 


ist nicht weiter auffällig. Denn diese Angleichungen, die natür- 
lich griech. in historischer Periode jederzeit noch möglich waren, 
reichen, wie ich bereits ob. S. 84 Anm. 1 bemerkt habe, voreinzel- 
sprachlich hinauf. 

Waldes Lehre von der Assimilation von orewz6sg nach otoọéoat 
stützt sich aber noch auf einen angeblich parallel laufenden Fall. 
Neben den Tiefstufen v, u@ in Svntds, dxuntogs sieht er eine 
zweite Vertretung ava, aua in Idvaros, xduaros. Hier soll ava, 
aua aus nə, „ma entstanden sein, wenn sie sekundär den Ton 
erhielten. Da nach Walde der Schlußvokal einer zweisilbigen 
Wurzel immer a war, so liegt hier eine Art Assimilation nur in 
umgekehrter Richtung vor. Diese seit langem übliche Deutung 
von Ydvaros und xduaros, die hier Walde wieder aufnimmt, 
scheint fast nirgends Widerspruch gefunden zu haben‘). Ich 
stehe ihr mit schwerstem Bedenken gegenüber. Gewiß bezweifle 
ich nicht eine derartige Reduktionsstufe (s. ob. S. 102), aber ihre 
Entstehung läßt sich mit den Paradebeispielen Idvarog — Hvnrög, 
xduatog — dxunvog nicht bestimmen und ist jedenfalls für Idvarog, 
xduatos ganz unerweisbar. Niemand hat bisher gezeigt, daß 
Yavaros, xduaros sekundären Akzent haben. Sie weichen in ihrer 
Funktion von Hvntds, dxunvos ab, und mit diesem Unterschied 
in der Bedeutung verbindet sich seit jeher ein Unterschied in der 
Betonung. Während Partizipien wie $vntdg alte Endbetonung 
eigen ist, haben die Verbalabstrakta Wurzelbetonung mit o-Ab- 
tönung. Das lehren nAoörog, oltos, gdoroc, vóotos, xořtos, sicil. 
uoïŭros und wohl auch xdorog, pöirog”), móxtos (Diehl, Anth. Lyr. 
frg. mel. mon. adesp. 20); &oorog hat altes æ in der Wurzel und 
èuc- in &uerog hat im Griech. Abtönung völlig aufgegeben. 

Diese Wurzelbetonung wird nun auch durch außergriechische 
Parallelen bestätigt, wie ai. srötas- „Strömung“ got. aips (Brug- 
mann, Grundr.* II 1, 408f.).. Auch ags. dead „Tod“ aber dead’) 
„tot“ könnte dahingehören, wenn es nicht näher läge, in dead 
den Reflex von got. daudus zu sehen. Zu allen diesen Bildungen 
stimmen im Akzent und in der Bedeutung genau Idvaros und 
xduarog*‘). Die Wurzelbetonung dieser Verbalsubstantiva ist also 

1) Nur Joh. Schmidt ob. XXXVII 46 möchte Jdvazos aus einer Flexion 
*9évaros, Yavarov erklären, ohne das er Zustimmung erfahren hat. Gegner 
ist auch P. Persson a a O. 632 Anm. 2. 

2) Vgl. darüber E. Fraenkel, Nom. ag. I 243, II 115 Anm. 4. 

s) Natürlich hat dead den Vokalismus von dead erhalten. 


.4) Von diesen Bildungen ist natürlich erós, zayerös usw., denen ein Suffix 


etos zu Grunde liegt, zu trennen. 
Ch 


116 F. Specht 


seit idg. Zeit üblich gewesen und Endbetonung durch nichts er- 
wiesen. So hängt die Entstehung von ava, aua durch sekun- 
dären Ton völlig in der Luft. Alt wären *9óvatos und *xduarog, 
die wie daudoaı aus ddurnuı ihr a aus Javeiv und xdurw, xaueiv 
übertragen haben. 

Wegen weiterer Beispiele, die den Wandel von ‚na usw. zu 
«va bei sekundärem Ton erweisen sollen, beruft sich Walde auf 
Hirt, Idg. Gr. 1 137, der in diesem Zusammenhang auch Bildungen 
mit Liquiden «Aa, aça anführt. Von diesen sind zd4aoos, zG4Gs 
wie raidoaı zu deuten, ob. S. 105, wo auch daudooaı besprochen 
ist. B&avoç hat seine Entsprechungen in lat. glans, aslav. *Zeladt, 
lit. gile. Die lat. und slav. Bildung stimmt im Suffix -andi- über- 
ein. An und für sich könnten zwar ßdiavog und glandem als 
* BaAa-vog'), *gla-ndem aufgelöst werden. Aber im Slav. hätte der 
zweisilbige Wurzelvokal schwinden müssen, so daß *Zelgdo nur 
als *Zel-andi verstanden werden kann. Deshalb muß auch glans 
gleich gl-andi- sein. Da aber das av in Bdiavos von dem an in 
glans, *Zelgdv nicht losgelöst werden kann, so ergibt sich auch 
für das Griechische nur eine Analyse ßdi-avos. Ob Bdlavog als 
einsilbige Wurzel oder als *Bala-avos zu verstehen ist, läßt sich 
m. W. nicht entscheiden. Denn auch das lett. Wort mit einer 
mir unklaren Dehnung betont zöle und zile, so daß infolge der 
doppelten Intonation kein sichrer Schluß auf die ursprüngliche 
Wurzelgestalt möglich ist. Für die Lehre von Walde-Hirt be- 
weist aber BdAavog gar nichts. xdiauos wird, worauf auch die 
germ. und slav. Entsprechungen hinweisen, wie œọo- altes œ in 
der Wurzelsilbe haben. Was an sichern Gleichungen übrig bleibt, 
wie duados, opdopuyos, naidun, dgauös, doduevaı, uqAaxós, ta- 
0ETT0, Tapayr, xavéčw ist nicht dazu angetan, die Regel zu be- 
stätigen. Von keinem läßt sich nachweisen, daß die Gruppe aza 
usw. durch sekundären Akzent entstanden ist. ogdoayos steht 
seiner Funktion nach mit Aöyog, pógos, gp9óyyos u.a. auf gleicher 
Stufe und müßte, wie xdvaßog lehrt, *opógayosş heißen. Ebenso 
ist zagaxn Umbildung nach zaodırw für *rogeyn, vergleiche oto- 
vay zu orevdyw. Für aodrıw selbst kann das Gesetz auch nicht 
stimmen, da fọńoow, Hgürtw mit ganz andrer Vokalentwicklung 
daneben steht. Bei doduevaı‘ hovyadeıw Hes. müßte « aus dem 
Stimmton des o entwickelt sein. Daher ist das Beispiel hier gar 
nicht zu gebrauchen. ualaxos — 84à&š und doaiós vollends lehren 


1) Kaum richtig darüber Brugmann, Gr? II 1, 259. 


Beiträge zur griechischen Grammatik. 117 


gerade das Gegenteil von dem, was Jdvarog — Funds beweisen 
soll. Auch die zahlreichen Bildungen wie xavay&o, xavazń, xa- 
vaxnöd, xava%xńs, xavazíčtw, xavayós haben niemals den Ton, was 
man nach Waldes Lehre erwarten sollte, auf der Gruppe ava. 

Allein Bdoa9go» neben Gëocoou fällt überhaupt ernstlich ins 
Gewicht. Denn hier kann die Schwundstufe nur auf dem bei 
Neutra üblichen Tonwechsel zwischen Singular und Plural ent- 
standen sein, also ursprünglich ß&ged#oov, aber *8aoa9od, das 
dann nach ñéos9ooz seine Betonung änderte. Aber der Gegen- 
satz von hom. neledgov gegenüber att. n/&9oov, der genau so 
zu deuten ist, lehrt wieder, daß auch eine andre Entwicklung 
möglich war‘). Daß sie auch bei 8éog9ooz vorhanden war, er- 
weist Etym. Magn. 194s, das für Krates und Euphorion ein ßé- 
$oov anführt. Dies Géiioon < *8o£9ooz verhält sich zu Bégetgov 
wie nAEdg0v zu neiedogov”). Außerdem läßt sich gar nicht be- 
stimmen, wann der Ausgleich in der Betonung stattgefunden hat. 
Er könnte verhältnismäßig spät eingetreten sein, als das angeb- 
liche Gesetz: sekundär betontes ‚na wird zu due, gar nicht mehr 
möglich war. Von xdonvov neben xoaards läßt sich schließlich 
nicht beweisen, daß hier der Ton verrückt ist, og wird aus xden 
stammen. Fasse ich also am Schluß das Resultat zusammen, so 
ergibt sich klar, daß ein Teil der Bildungen mit ava, aua usw. 
als Hochstufe zu fassen ist, in die die antevokalische Tiefstufe 
analogisch verschleppt wurde. In dem andern Teil liegt sicher 
eine Art Reduktionsstufe vor. Wie sich dieses aza in seiner 
Entstehung zu den gleichfalls berechtigten væ und va verhält, 
läßt sich vermuten’). Bemerkenswert bleibt jedenfalls, daß die 
Mehrzahl der Bildungen mit tiefstufigem ava zu Wurzeln mit 
konsonantischem Schluß gehört, wo die Ablautsverhältnisse im 
Griech. stärker zerstört sind. Jedenfalls aber ist die Annahme, 
ava, aua hätte sich erst bei sekundärem Ton aus ‚na, ‚ma ent- 
wickelt, durch nichts gerechtfertigt. 


1) Ich verweise oben LV 9 auf einen ähnlichen Ablaut in lit. žvałlůs, 
jzvilnas, j2ulsnüs. 

2) Anders über n&Asdoov, mAé9oow Kretschmer, Glo. IX 225f. 

3) Ich sehe in Adoa9ooz und rapdırw urgriechische Analogiebildungen. 
Regelmäßig wäre gewesen géoe®gov — *Bowdod, Aeärce — *reodfaı. Aber 
diesen regelmäßigen Tiefstufen gingen die Vorstufen * 8ço29od, *rəo9ghie voraus. 
Diese sind dann einfach in der Silbenzahl den daneben liegenden #&osdoov und 
*zeod£aı angeglichen worden. Ebenso ist garde Angleichung der Silbenzahl 
an *regelov (got. wairsiza), während däorog wieder die ungestörte Entwick- 
lung zeigt. 


118 F. Specht 


Exkurs IV. Dissimilatorischer Digammaschwund. 

Auf dissimilatorischen Digammaschwund ist verschiedentlich 
hingewiesen worden. So hat Solmsen, IF. XXXI 470ff. die Flexion 
moie — zmaióós, die Homer und das Kyprische statt *narıs — 
*arıdos voraussetzen, durch Dissimilation von p— f zu p — Null 
einleuchtend erklärt. Wenn dagegen im böot. narıdı I. Gr. VII 
3989 r erhalten ist, so zeigt das nur, daß Dissimilationserschei- 
nungen nie regelrecht aufzutreten pflegen. Den Versuch, Zoc mit 
ai. vasd- zu verbinden hat E. Schwyzer, IF. XXXVIII 161 unter- 
nommen, indem er in den Formen *reoerog, *FEOEFL, *FÉOEFEG, 
*reoera gleichfalls dissimilatorischen Schwund des anlautenden 
Digammas annahm. Einen ganz ähnlichen Gedanken scheint auch 
Boisacg geäußert zu haben, wie ich Idg. Jahrb. XII 38 entnehme. 
Ich füge zwei weitere Beispiele hinzu. Für den Namen des 
Fuchses hat W. Schulze einen idg. Ablaut *vlop-& in dien, 
* löp-e in lit. läpe, Soins in lat. volpes festgestellt. Im Griech. 
konnte r einen Vokalvorschlag erhalten, Solmsen, Stud. zur griech. 
Laut- u. Versl. 220ff., der sich mit f vor konsonantischem Anlaut 
zu einem Diphthong verband. Daß diese neue Diphthongverbin- 
dung nicht bloß auf das Äolische beschränkt blieb, wie z. B. Buck, 
Introduction in the Greek Dial.’ 48 lehrt, zeigt etwa dor. aöingov 
< *dringov, ep. ion. eding0v < *2rAngov, Solmsen a. a. O. 258. 
Zum Überfluß heißt es aber auch bei den Äolern dion@ Alkaios 
frg. 42, (Diehl), dessen Verhältnis zu dionng, W. Schulze ob. LII 
311 bestimmt hat. Man wird daher dirf, dAona statt *adilw- 
sing, *ablona <*driwnng, *drAwna wieder durch Dissimilations- 
schwund in der Silbengruppe r — x erklären müssen. 

Durch ai. vamiti, lit. vemti, lat. vomere wird für griech. Zu&o 
ein ehemaliges *feuéw vorausgesetzt. Aber nirgends findet sich 
mehr eine Spur von einem Digamma. Gewisse Erscheinungen 
deuten sogar darauf hin, daß schon urgriech. das r nicht mehr 
vorhanden gewesen ist. Zunächst heißt es bei Homer 011 alu 
£&u£wv. Robert-Bechtel, Stud. zur Ilias 136 haben daher den Vers 
als Ionismus gestrichen. Aber #437 findet sich in dnr£usooev 
scheinbar ein neuer Verstoß gegen das Digamma gegenüber 
dndegoe, dno£oyei, bnrösıne, Enıeiuevn, &rnıavddve und vielen andern 
vokalisch auslautenden Präpositionen vor ehemaligem r-Anlaut. 
Dazu gesellt sich folgendes. Die sogenannte attische Reduplika- 
tion können bekanntlich nur solche Verben bilden, die ursprüng- 
lich vokalisch anlauteten. Trotzdem heißt es von &uew seit Hip- 
pokrates &unuexae, Wackernagel, GGN. 1902, 738. Dehnung in 


Beiträge zur griechischen Grammatik. 119 


der Kompositionsfuge ist nur gestattet bei vokalischem Anlaut 
des zweiten Gliedes. Wiederum aber heißt es von. Z2u&o bei den 
Hippokrateern sénge, dvonuns, dvnueros, Övonueros, dvonueiv, 
was Wackernagel, Dehnung. 43 und 54 zu entschuldigen sich be- 
müht. Dazu kommt noch eönue£ıns als bessere Lesart aus negi 
doo, ¿u8o4. 40, ed. Kühlewein II 162, vgl. E. Fraenkel, Nom. ag. 
I 234. Verba mit anlautendem e, vor dem j, o oder Fr’) ge- 
schwunden ist, bilden das Augment mit e, z.B. elyov < *&oexorv, 
eioydbero aus Ereoyalero. Dem widerspricht abermals Zu&w. Es 
heißt z. B. Aristophanes Ach. 6 2&jusosev. In Hesiods Theog. 497 
hat Rzach fälschlich gegen die Handschriften, die. &&önueo(0o)e, 
€&nunoe bieten, im Anschluß an Fick, der es auf 2&er&usooe zurück- 
führte, &&elueooe in den Text aufgenommen. Dazu kommt als 
inschriftliches Zeugnis &$nuesoe aus Epidauros (Coll.-Becht. 3340:2s). 
Allerdings wird es in seinem Wert eingeschränkt durch ¿oz 
(ebd. 333907), onre (ebd. 3339s:), negijone (ebd. 3339:). Vgl. 
Bechtel, Griech. Dial. II 450. | 

Ich denke, diese vier Dinge zusammengenommen, Fehlen des 
r im alten Epos, attische Reduplikation, Kompositionsdehnung 
und Augment n sprechen eine zu deutliche Sprache, als daß im 
Griechischen überhaupt noch ernstlich mit r-Anlaut gerechnet 
werden kann. Dann muß aber wieder Dissimilationsschwund 
von f in der Verbindung f— m vorliegen’). 


Exkurs V. Griech. delödw. 


Ob. S. 104 habe ich Wackernagels Erklärung von delöw (ob. 
XXIX 151) abgelehnt. So gut auch griech. aöön, ðw, dödelw, 
ai. vádati dem Sinne nach zu delöw passen mögen, die Herleitung 
aus einem reduplizierten Aorist *aueudom zu *aueidon, aus dem 
dann drelöw neugebildet sein soll, macht schon Schwierigkeiten 
wegen der ablautenden doóds, dowön, doldınos und vor allem 
wegen oëdé und dudd, ganz zu schweigen davon, daß eine Spur 
eines solchen Aoristes sich nirgends mehr findet. Solmsen, Unter- 


1) Daneben findet sich bei anlautendem Digamma auch Länge des Augments. 

3) Auch an den dissimilatorischen Schwund von e in der gleichfalls labialen 
Gruppe pọ — u in argiv. yodoua < *yoapoua, Solmsen, Rhein. Mas. LVI 497 ff. 
mag dabei erinnert werden. Hierher gehört auch as. dmbon, Wadstein, Kleinere 
as. Sprachdenkmäler 96bse, 105bs. Beide Glossen gehen vielleicht auf eine 
Quelle zurück. Dazu kommen abdomina amban vel uuanst aus einer Pru- 
dentiushandschrift bei Lehmann, Sitz.-Ber. Bair. Ak., Phil.-hist. Kl. 1930 Heft 
II 36 und ahd. Gloss. III 451ss abdomus amban, wo überall amba aus wamba 
nur auf dissimilatorischem Schwund von ¿o beruhen kann. 


120 F. Specht 


suchungen z. griech. Laut- u. Versl. 238, der Wackernagel zu- 
stimmt, hat a.a.O. Anm. 1 in dndw» eine Dehnstufe sehen wollen. 
Davon kann gar keine Rede sein. dndw» gehört seiner Bildung 
und Bedeutung nach eng zusammen mit xelidov'). Dies zerlegt 
sich deutlich in die Wurzel sed die im germ. gellan wiederkehrt, 
und i4+6+w». Wendet man die gleiche Analyse auf dndwo» an, 
in dem, wie die Hesychglosse dßnddva‘ dnddva zeigt, zwischen 
a und n Digamma geschwunden ist, so ergibt sich eine Wurzel 
au undn+6-+wv. Dann verhält sich -iwy in yelidov zu den 
in dndov» wie etwa -ixes in Dolvines zu -Gxeç in Dalaxes oder 
-icem in lat. cornicem wie -äco in umbr. curnäco (W. Schulze, 
SSB. 1910, 803), d. h. Zon und -ndw» lassen sich unter der 
ehemaligen Grundform -Zidön vereinigen. Dieses er mit der Tief- 
stufe 3 kann nur eine Wurzelerweiterung sein, wie sie ähnlich in 
lat. pet-t-vi oder ai. musnäti, musäydti, aber musivan u.a. begegnet. 
Neben ¿ als Reduktionsstufe von ë; kann auch eioi erscheinen. 
Es liegt vor in deidw, doıdds, das sich also zu dndwv verhält 
wie etwa die gleichfalls reduzierten xeitaı, xoirog zu xwun. 

Als Wurzel von dndwv, delöw, do,óós hatte sich au- ergeben. 
Sie ist rein erhalten in den Hesychglossen čßaæ: zooxös, D Bon 
oder dßwe‘ Bon ðs Adawves. Ahrens, De ling. Gr. dial. II 49 
Anm. 22 hat zwar unter der Zustimmung von M. Schmidt die 
letzte Glosse nicht anerkennen und sie in dßwe' nos Adxwwes 
verbessern wollen. Aber die Emendation ist viel einfacher und 
kann nur dßwe' Bor, oc Adxwves lauten, d.h. statt der zwei 
aufeinanderfolgenden o ist nur eines geschrieben. Beide Glossen 
also dr@ und drwg „Bon“ ergeben deutlich die Wurzel au. Dabei 
ist das Verhältnis zwischen däre und drwg das gleiche wie zwischen 
dem ähnlich lautenden Hol. aða und aöwg (Bechtel, Griech. Dial. 
130, 52). Ferner sei an folgende Ableitungen bei Hesych er- 
innert: dßngeı' ddeı; dßnoodcı: ddovoı. Auszugehen ist von einem 
Adjektiv *dregds, das sich zu droe verhält wie zovpeods zu tov- 
pn”). Hiervon ist ein Denominativum *dreoım geschaffen worden, 
das dor. zu droe werden mußte. Demnach ist die verschieden 
überlieferte Betonung zwischen dßngeı und dßngodoı auszugleichen 
und dßroova zu betonen. Ferner gehört hierher auch die Hesych- 
glosse dße&ooeı: Enınosei, Yogvßei. Dies dßeoosı stimmt seiner Bil- 
dung nach genau zu hom. di;$eooov°), und wie dies zum s-Stamm 


1) Vgl. auch die Vokative ¿óo¿ und yelıdoi. 
2) Vgl. zu den Ableitungen auf -cọoç Lobeck, Prol. 260f. 
3) Auffällig ist, daß der Homernachahmer Apollonius Rhodius dafür I 1171 


Beiträge zur griechischen Grammatik. 121 


nos, so gehört jenes zum s-Stamm droe Der Ausgangspunkt ist 
beidemal ein to-Partizipium wie *@rdeorosg und *dreords gewesen. 

Schließlich liegt derselbe Stamm auch im homerischen Im- 
perfektum ade vor (A461, N 477, T 48, 51), das die Etymologen 
einem trügerischen Gleichklang zuliebe zu dur&w, dvoaı zu stellen 
pflegen, vgl. Boisaeq 103; G. Meyer, Griech. Gram.* 171; Walde- 
Pokorny 1210; Walde, Lat. etym. Wort" 396. Der letzte führt 
sogar ein Präsens dvw an, für das er kaum einen Gewährsmann 
finden dürfte. Dann kann ein solches ade, das bloß in der Arsis 
erscheint, nur Äolismus für dre sein. W. Schulze, Qu. ep. 52ff. 
hat zwar den Nachweis zu erbringen gesucht, daß die Behand- 
lung. von intervokalischem r im alten Epos und in der äolischen 
Dichtung verschieden sei. Er hat daher geglaubt, die auf diese 
Weise bei Homer entstandenen Diphthonge auf doppeltes Di- 
gamma zurückführen zu müssen, das wiederum auf Assimilation 
von Konsonant und Digamma beruht. So sehr das auch für die 
meisten Fälle stimmen mag, hom. «adlayoı ist auf diese Weise 
nicht beizukommen, vgl. Solmsen a.a. O. 171; Bechtel, Lexil. 76. 
Hier kommt nur Zurückführung auf driayoı in Frage. Mit ihm 
steht ade aus dre auf gleicher Stufe. 

Es hat sich also ergeben, daß die bedeutungsverwandten 
Wurzeln af und y4 mit einem Langdiphthong zu arn(ı)-, xei- 
erweitert werden konnten. Dazu konnte überall noch das soge- 
nannte Wurzeldeterminativ d antreten. Das ergab für au ein 
aud. Es liegt als Hochstufe in aödn vor, wozu im Ablaut das 
aus Homer’ von W. Schulze, Qu. ep. 17 Anm. 3 nachgewiesene 
obönsoon stehen würde‘). Die Tiefstufe zeigen ddw, ödelw, Dén: 
phun, Qó Theogn. Can. (Anek. Ox. II 19, 26), Solmsen a. a. O. 
266. Nun kann ein diphthongischer Anlaut im Indogermanischen 
Umstellung erleiden. Ich verweise auf eöxnlos neben rexndog, 
edeös neben ai. vdriyas, Eöovoliaos neben ai. varutdr-, eöyouaı 
neben ai. väghdt-, got. iusiza neben ai. vásu-, eövıs neben got. vans, 
dor. eð aus *edodw neben got. vizon (W. Schulze, ob. XXIX 
260) und die gleichen Feststellungen Joh. Schmidts, Plur. 212f.; 
Krit. 152 und Bechtels, Hauptpr. 142 bei m-, n-Diphthongen’). 
dr;9e0ov schreibt neben IV 38 dndeocovon. Vgl. G. Boesch, De Apollonii Rhodii 
elocutione 13 (Berlin 1908). Debrunner, IF. XXI 228 will dafür dıjdeov ein- 
setzen. Aber das paßt für den Homerimitator schlecht. Etwas anders über 
hom. čýńðcocov urteilt Wackernagel, Sprachl. Unt. 236. 

1) Anders darüber, aber nicht überzeugend Solmsen a. a. O. 81f. 


2) Auch ofpw gegenüber russ. jebátb wird man so am besten beikommen 
können. 


122 F. Specht 


Das ergibt neben aödn eine Wurzelform vad-, vod-, die im ai. 
vAdati, Ht. vadinti, ksl. vaditi’), in den Hesychglossen yodar- 
xAaleıw Koöngioı, yoôóv: yóņta gleich Foddv, Foödv und in dem 
Namen ‘Holodog vorliegt (W. Schulze, Qu. ep. 147 Anm. 3; Solmsen 
a. a. O. 82). Wurde dagegen auäi- mit d erweitert, so ergab das 
drelöw. Auf diese Weise erklären sich sämtliche Formen unge- 
zwungen, und man braucht für aöön, wie es Solmsen a. a. O. 267 
oder Walde-Pokorny I 252 tun, nicht zu ganz unwahrscheinlichen 
Erklärungen seine Zuflucht zu nehmen. 

Wie au, oe konnte auch Ghel-, gheh mit dem Wurzeldeter- 
minativ d versehen werden. Darauf hat bereits Persson, Zur 
Lehre von der Wurzelerweiterung 41 und 221 hingewiesen. Es 
gehören dahin ahd. gelzön, an. gelta „ertönen, bellen“, mhd. er- 
gelzen „die Stimme ertönen lassen“, für die erweiterte Wurzel 
xıyAlöo, dessen zweites ; lang sein kann. Vor allem muß man 
aber auch yeAidw» hierhin rechnen. Durch die Beischrift auf 
einer Tempelmetope in Thermon (Ätolien) ist geAıdr@v als griech. 
Grundform zu Tage gekommen (Eg. dox. 1903, S. 73; Bechtel, 
Griech. Dial. II 48). Dadurch ist nur eine Analyse xeliö + sw» 
möglich. Eine solche Bildung findet ihr Gegenstück in griech. 
Zion, drıeiowv, *neoa-Fov, *Eia-Fwv (Solmsen, Beitr. 52). Auch 
an den ähnlichen Tiernamen got. sparwa sei erinnert. Besonders 
produktiv aber ist con im Ai. geworden, wo es wie im Griech. und 
Germ. unmittelbar an die Wurzel tritt, vgl. Brugmann, Grundr.” 
II 1, 321 und Lindner, Ai. Nom. 106f. Ich nenne ydjvan „Ver- 
ehrer“, pätvan „fliegend“, yudhvan „Kämpfer“, drühvan „schädi- 
gend“. Nur sind die Nomina agentis und Adjektiva des Ai. im 
Gegensatz zu xeiido» stets auf der Wurzel betont. Das muß 
aber Ausgleich sein, wie allein die nicht seltne Schwundstufe 
neben Hochstufe trotz Wurzelbetonung zeigt. Dagegen hat das 
bereits ob. S. 120 erwähnte musivdn-, das gleich än Erweite- 
rung der Wurzel mit einem Langdiphthongen zeigt, wie dieses 
die alte Endbetonung noch Ai. bewahrt. 

Fraglich bleibt die Auffassung von dndov, da hier ein alter 
Beleg fehlt. Man könnte es wie xeliörwv auf *drnörwv zurück- 
führen, Da aber duäos auch die Bedeutung eines Nomen actionis 
haben kann, wie die Hesychglosse anddva' ġôńv oder Kallimachos 
Epigr. II 5 dnöoves „Gesang, Lied“ zeigt”), so könnte man es 
auch wie «Aendw» als drn-d@v analysieren. In diesem Falle hätten 


1) Mit gedehntem Vokal wie abulg. plaviti oder lat. söpire. 
2) In diesem Zusammenhang sei auch auf dndovis verwiesen. 


Beiträge zur griechischen Grammatik. 123 


die beiden Deltas in deidw und dnd@» nichts miteinander zu tun. 
Eine sichere Entscheidung könnte nur ein alter inschriftlicher 
Beleg für däs") bringen. 

Die erweiterte Wurzel ohne Wurzeldeterminativ d zeigt mhd. 
gli-en „schreien von Vögeln“, Vielleicht liegt sie auch im griech. 
eiigeA@avn vor, das Pollux 9, 125 als Name eines Spiels anführt, 
vgl. Diehl, Anth. Lyr. carm. pop. 35,1. Aus der Beschreibung 
bei Pollux geht hervor, daß dabei ein Topf gro" eine Rolle 
spielt. Aus den Gefäßnamen bei Athenaias im 11. Buche ergibt 
sich ein @ódós (Athen. 503d, ei und ein dyxöin (ebd. 782d, e). 
Beide Gefäßnamen könnte man mit gxelixeAwovn in Beziehung 
bringen. Zu der Bedeutung „Schwalbe“ würde „öds „Sänger“ 
passen. Aber noch ansprechender ist die Verbindung mit dyx%4. 
Denn nach Hesych bedeutet xeliöw» auch: ó xoilov ts mås 
roi Dron. xal Tod dvdoWnov tò dvwdev rof dya@vog TO td 
as naundg. Das stimmt in der Bedeutung zu dem Gefäßnamen 
dyxú4m, der gleichfalls beim Spiel verwendet wurde. Ist diese 
Übereinstimmung nicht bloß zufällig, so muß man in geliyeAovn 
gioun auf *ghelöinä zurückführen und es völlig von dem Namen 
der „Schildkröte“ trennen. Dann würde in yew- die Hochstufe 
von xedi- vorliegen und das ganze ein Kompositum nach Art von 
udouogos, ydeyapa sein. Allerdings steht die Bedeutung von 
zeliyeAovn nicht sicher fest. Die, wie ich glaube, fälschlich ver- 
wandte Hesychglosse yeiedö‘ gioun darf daran nicht irre machen. 
Musurus hat zwar dafür yeledg‘ yeAovn einsetzen wollen, während 
Mor. Schmidt die Interpunktion tilgt, xeleö xeAovn als Lemma 
faßt und dahinter mit Berufung auf éier (sic!) xeAwvn das 
Interpretament „naudıa napgdEvov“ ausgefallen sein läßt. Da 
Hesych auch die Glosse yeĝevs: side besitzt, «ıIdoa und xeiwvn 
außerdem Synonyma sind, so sehe ich gar keinen Grund in diesem 
Falle die Überlieferung yeleö‘ yeAovn überhaupt zu ändern. yedeö 
wäre dann einfach der Vokativ zum Nominativ xedevc. 

Es haben sich also folgende Gestaltungen zweier bedeutungs- 
ähnlicher Wurzeln ergeben: 1) au- in dr drws u. a: ghel- un- 
belegt’), umgestaltet in germ. galan. 2) vokalische Erweiterung awei- 

1) An und für sich wäre es denkbar, daß dnda» „Gesang“ auf drndwv, 
Grën „Nachtigall“ in Arndrsv zurückginge. Auch xnAinödves (Pindar frg. 53) 
könnte das Suffix A0 enthalten. 

2) So schreibt Eustathios Od. 191456 und gibt dazu die Erläuterung: Zoe: 
ô’ v roórots TÒ yEleı noooTanrınöv Pev, nagmyXoduevov tj XeAwy. 


3) Die Dehnstufe dazu liegt vor im germ. Präteritum gôl, in got. göljan, 
ahd. guollih, griech. xıynÄn. 


124 F. Specht 


vielleicht in dndw» in der Bedeutung „Gesang, Gedicht“, doch 
unsicher; ghelei- in mhd. gien, vielleicht, aber unsicher, in "ed: 
eiwvn. 3) Erweiterung der einfachen Wurzel mit d als aud- in 
aùôń, w, Fodd usw.; als gheld- in ahd. gelzön, an. gelta. 4) An- 
tritt des gleichen d an die vokalisch erweiterte Wurzel in aueid- 
in deiöw, dowöds u.a. und in dndwv» in der Bedeutung „Nachti- 
gall“, falls es auf *drnörwv» zurückgeht: ghelid- in yellörwr, 
xıyAllo. | 


2. Griech. ita. 


Go ist eine sa-Bildung. Dazu stimmt genau lat, rädix, nur 
ist wie in yevéterga — genetrir u. ñ. auslautendes z durch ein 
k-Suffix erweitert worden. Auch das entsprechende got. waürts 
muß die gleiche Stammbildung haben. In dem ¿ des i-Stammes 
steckt das gleiche griech. wo lat. 3 Nun entsprechen sonst dem 
devi-Typus im Germanischen aber Bildungen wie got. mawi, Ber, 
hulundi oder mit Umbildung in die #n-Stämme gibandei u.a. Da 
im Germ. in die gleiche Flexion auch langsilbige Verbalabstrakta 
auf ia wie got. bandi hineingerieten (vgl. z. B. Lommel, Studien 
über idg. Femininbildungen 73f.), so würde ein got. *waúrti nicht 
weiter auffällig sein‘). In der Flexion von mawi, maujos ist nach 
Ausweis von griech. yev&rsıgav und ved. derëm", devis der Ak- 
kusativ des Singulars und Plurals analogisch umgebildet. Er hätte 
bei regelmäßiger Entwicklung got. *mawi, * maweis lauten müssen. 
Urgermanisch ergäbe das auf waúrts übertragen einen Akk. Sg. 
*yurtim und Akk. Pl. *vurtis. *rurtim mußte in der weitern Ent- 
wicklung mit den i-Stämmen wie *anstim zusammenfallen, und es 
ist nahe liegend, daß dann auch das urgerm. ganz ungewöhnliche 
* yurtis durch *vurtins ersetzt wurde, da ja Bildungen von :-Stämmen 
im Gegensatz zu den 3-Stämmen auch sonst in der Minderzahl 
waren. So sind also die Akkusative *vurtim und vurtins in gleicher 
Weise für die Flexion nach den i-Stämmen maßgebend geworden, 
wie die ursprünglich konsonantisch flektierenden Akkusative 
*tunbum, *tunpuns, *fotum, *fotuns für die Umbildung nach den 


1) Ebel ob. V 355 nimmt für den Sg. eine Flexion wauris mit stamm- 
haftem s an und hat z. B. noch bei von Unwerth, P.Br.B. XXXVI 25 Beifall 
gefunden. Diese Annahme beruht auf der Schreibung Po waürts Rom. 11, 18. 
Der sonst zu diesem Zwecke herangezogene Dat. Sg. waurtsai Rom. 11, 17 ist 
Konjektur für überliefertes waurhtai, wo h wahrscheinlich auf Rasur steht. 
Man wird daher bo waúrts nur für Schreibfehler halten können. 

2) Zuletzt darüber H. Pedersen, La 5. déclinaison Latine 29ff. 


Beiträge zur griechischen Grammatik. 125 


u-Stämmen. Allerdings besteht ein Unterschied. Die u-Flexion 
bei fotus und tunus ist nur gotisch, während die i-Flexion bei 
waurts gemeingermanisch ist. Der Grund wird darin liegen, daß 
im Plural noch andre Formen vorhanden waren, die eine Durch- 
führung der Flexion nach den i-Stämmen unterstützten. Der 
Instrumental devibhis setzt ein *vurlimis voraus, das wie der Ak- 
kusativ Pluralis leicht nach den i-Stämmen hat umgebildet werden 
können. Der ursprüngliche Nominativ Pluralis *vurtis (ved. devis) 
mußte außerdem früh mit ansieis aus *ansteies zusammenfallen. 
War also im Plural der Übergang in die Flexion der i-Stämme 
besonders günstig, so ist es gewiß kein Zufall, daß im Gotischen 
der Plural waurteis „die Wurzel der Pflanze“ bedeutet, also für 
den griech. Singular did steht, während waurts im Singular nur 
übertragene Bedeutung hat. Das steht schon bei E. Schulze, Got. 
Glossar 421. Auch aus den andern germ. Sprachen gewinnt man 
den Eindruck, daß dies Wort ganz überwiegend im Plural vor- 
kommt. Man darf daher vielleicht den Schluß ziehen, daß im 
Germ. der Typus devi in der Regel durch Bildungen wie mawi, 
maujos ersetzt wird, bei vorwiegend pluralisch gebrauchten 
Wörtern aber durch die :-Flexion. 

Wenn also der devi-Typus im Germanischen neben der ge- 
wöhnlichen Vertretung wie in got. mawi — maujos auch vereinzelt 
durch einen Stamm wiedergegeben wird, so ist das aus dem 
ehemaligen Paradigma heraus wohl verständlich. Es liegt viel- 
leicht ein ähnlicher Fall in as. meri vor. Auf die auffällige Über- 
einstimmung in der Stammbildung zwischen einem Stamm auf 
iă und in in yAooon- yAwyxiv- und Maiga- got. marein- hat W. 
Schulze, S. B. A. 1910, 794f. hingewiesen. as. meri könnte nun 
genau wie as. wurt aufgefaßt werden, nur mit dem Unterschied, 
daß es als kurzsilbiger Stamm sein -i erhalten hat. Ganz ähnlich 
beurteilt as. meri Joh. Schmidt, Plur. 45. Nur führt er as. meri 
auf urgerm. * mar; zurück, während m. M. nach nur ein *mariz 
zu Grunde liegen kann. Da aber die kurzsilbigen femininen i- 
Stämme im As. gänzlich mit den got. Substantiven auf -ein- 
zusammengefallen sind, so ließe sich die Annahme, in as. meri 
liege der Reflex von got. marei vor, mit unsern Mitteln nicht 
widerlegen. 

Stimmen so Go, rädix, waürts in der Suffixbildung genau 
überein, so liegt es nahe, auch gleiche Wurzelgestalt anzunehmen. 
rädix und vaurts decken sich auch hier genau, nur dia macht 
Schwierigkeiten. Man stellt es heute gewöhnlich mit dem ¿ in 


126 F. Specht 


x94;ós neben y9šç u. ä. auf gleiche Stufe’), so Brugmann-Thumb, 
Griech. Gram.* 84; Hirt, Griech. Gram.* 105: Idg. Gram. II 80, 
ähnlich auch G. Meyer, Griech. Gram.* 68, und sieht darin Schwä- 
chung aus einem *oredia. Aber rädix weist auf eine zweisilbige 
Wurzel, während sich ein *vredia oder *vrdia nur auf eine einsil- 
bige beziehen kann. Oben S.83ff. war darauf hingewiesen worden, 
daß der zweite Vokal einer zweisilbigen Wurzel leicht zur Assi- 
milation hinneigt. In den angeführten Beispielen war sie stets 
progressiv. Ein solcher Fall ist in ġia unmöglich, weil sich die 
Vollstufe *verad- nirgends mehr nachweisen läßt. Nun gibt es 
aber eine Schwundstufe der zweisilbigen Wurzel von der Art, 
daß der erste Vokal ausfällt und der zweite erhalten bleibt, wie 
in lat. gravis, griech. ni&9g0v (s. ob. S. 117), ags. cran usw. Bei 
solchen Bildungen war nur eine regressive Assimilation möglich. 
Die sehe ich in ia < *rgaöta. Der auslautende Vokal der 
zweisilbigen Wurzel ist also durch das folgende į zu i assimi- 
liert worden. Dann stimmen ĝia, rädix, waúrts nicht nur in der 
Suffixbildung, sondern auch in der Wurzelstufe auf das schönste 
zu einander. 

Einen ganz ähnlichen Fall wird es bei der Seltenheit der- 
artiger Bildungen schwerlich geben. Aber an ein in gewisser 
Weise ganz ähnlich geartetes Beispiel möge doch erinnert werden, 
zumal unsre Handbücher entweder darüber schweigen oder ganz 
unmögliche Erklärungen vorbringen. Zu hom. oixteös gehört das 
Verbum oixtigw. Brugmann, Grundr.’ II 1, 358; Brugmann-Thumb, 
Griech. Gram.* 353 Anm. 2 nehmen als Grundform von oixtlow 
ein *oixtigo- an und verweisen deshalb 227 Anm. 2 auf oixtiċw. 
Nun kann aber aus dem erst nachhomerischen oixti&w kein Stamm 
*oixtig- erschlossen werden. Ich sehe keine andre Möglichkeit 
als oixtiọw auf *oixtọ:w oder *oixz,o«w zurückzuführen. Hier ist 
unter der Doppelwirkung von o,—i das dazwischen stehende y 
oder ‚r zu ir umgefärbt worden. Diese, wie mir scheint, allein 


ansprechende Erklärung habe ich als Student bei W. Schulze in 
den Vorlesungen gehört. 


3. Die Bildung des Femininums der ö-Stämme im 
Griechischen. 


Soweit die Feminina der «-Stämme im Idg. auf ič CO ge- 
1) Die Kürze des ¿ in ó¿ša bezeugt ausdrücklich Herod. II L. 579, 19 = 


Choer. 256, 19: ġia Exeı yàg tò ı adving avveoralusvor Das be i 
H e e k 
wegen Fortunatov ob. XXXVI 37. G erke ich 


Beiträge zur griechischen Grammatik. 127 


bildet werden’), tritt das Motionssuffix unmittelbar an den schwa- 
chen Stamm, der vor Vokal als w erscheint. Vgl. ai. svädih — 
svädvti, lit. platüs — plati, got. hardus — *hardi mut Schwund des 
u, der in den obliquen Kasus entstanden ist”), und das aus 
* syädui umgebildete lat. suavis. Ganz aus dem Rahmen heraus 
fällt das Griechische, das scheinbar vor der Endung -¿ den 
starken Stamm aufweist, wie Zäeto Es ist nur die reine Folge- 
richtigkeit, wenn Wackernagel, IF. XLIII 123 in diesem Fall 
de Saussures flexion faible sieht”. Aber seine Vermutung über 
diese Formen vermag ich doch nicht zu teilen. Zunächst kann 
ich ihm nicht zustimmen, wenn er in dem e in %óéos dasselbe e 
wie in Zeie sehen will; ôéos zeigt nach m. A. den starken 
Stamm‘). Er weist ferner beiläufig auf die ai. Feminina auf -ävi 
(wie vasdvi zu vasih) und hält wohl stoe im Griechischen für eine 
Kürzung aus ai. o, Allein schon der Akzent in vasdvi und 
jahndvi ist auffällig, s. u. S. 131. 

Ferner verlangt viel eher die Dehnung in der Suffixsilbe 
-āvī eine Deutung, da sonst die -Stimme Langdiphthong nirgends 
aufweisen‘). Ich lehne daher eine Verknüpfung von sto mit -āvi, 
das auch Im Ai. ganz isoliert steht, ab. 

Im Ai. hat sich neben prthüh — prthvt in isolierter Bedeutung 
prthivt erhalten, dessen Verhältnis zu prthv Thurneysen, IF. IV 
84f. richtig bestimmt hat. Dabei waren für das adjektivische 
prthvi die vielen Bildungen von einsilbigen Wurzeln wie svädv? 
maßgebend, deren Maskulina mit prthúh genau tbereinstimmten. 
Da im Griechischen wie im Ai. der zweisilbige Wurzelvokal unter 
den gleichen Bedingungen blieb, so liegt es nahe, Bildungen wie 
prthivi auch im Griechischen zu vermuten. Auf die genaue Ent- 
sprechung I/Adtaıa oder Mâataiai hat Thurneysen a. a. O. bereits 


1) Vgl. Sommer, IF. XXXVI 166ff. 

2) Vgl. Job. Schmidt bei Mahlow, AEO 30 und Streitberg, IF. XIX 214f. 

3) de Saussure selbst Syst. 207 neigt eher dazu in wAuzeia als in prihvi 
das Alte zu sehen, spricht sich aber sonst über die Bildung nicht weiter aus. 

4) Alt ist der starke Stamm im Lok. Sg. #ó£r., im Nom. Plur. ZAädrec und 
wohl auch, wie die Übereinstimmung zwischen Griech., Germ. und Slav. lehrt 
schon seit idg. Zeit im Gen. Plur.; #ó£os ist kaum anders als Add: und +óéaç 
aufzufassen. Für den Akk. Plur. kennt Zenodot bekanntlich noch zo42s, vgl. 
Bekker, Hom. Blätter I 39. 

5) Es käme höchstens der Lok. Sg. in Frage. Man ist heute allerdings 
vielfach geneigt, Ableitungen vom Lok. Sg. aus anzunehmen, vgl. Brugmann, 
Gr.? I 1,218, der auch die ai. Bildungen auf 27 so deutet. Aber diese Erklärung 
bedarf einer großen Einschränkung; ai. närı und dbrahmäni weisen sicher in 
eine ganz andere Richtung. 


128 F. Specht 


hingewiesen. Vgl. auch Wackernagel, GGN. 1914, 116. Wie die 
Färbung des zweisilbigen Wurzelvokals gewesen ist, läßt sich mit 
Sicherheit nicht ausmachen. In Frage kommt oe eo vgl. W. 
Schulze, ob. XLV 23 und meine Ausführungen ob. S. 83ff. Falls 
nAddavov dazu gehört‘), würde man auf a-Färbung mit gewisser 
Wahrscheinlichkeit schließen dürfen. Dann wäre *niaraıa das 
Ursprüngliche. Nun hat die Lautgruppe oo griech. zu aa dis- 
similiert werden müssen, wie ‘Pnvausds zu Puer u. a. zeigen, 
und diese Erscheinung ist nicht bloß auf das Attische beschränkt 
gewesen. Vgl. Wackernagel, IF. XX V 332f.; Günther, IF. X XXIII 
414ff.; Bechtel, Gr. Dial. II 49f.; Jacobsohn ob. LVII 90 Anm. 1. 
Bei Mâdraıa erhielt sich as unter dem Einfluß von Mhataireús, 
im Adjektivum *nAaraıa stand die Femininform ganz isoliert, so 
daß sie regelrecht zu *niareın werden mußte. Zu dieser Um- 
färbung von < zu e trug nun auch bei, daß schon vor dem 
w-Schwund neben dem Femininum *niara-ut«a im Maskulinum 
und Neutrum der Stamm siar-eu- lag. Für das griech. Sprach- 
gefühl war aber die Analyse von *niara-uıa und ndar-eu-0g 
genau die gleiche, und so ist es begreiflich, daß auch von hier 
aus eine Umfärbung des a zu e eintreten konnte. Darauf weist 
nun auch der Akzent. Wie Lehrs, Qu. ep. 166ff. gezeigt hat, 
haben die Alten noch die Betonung Ydlsıa, Alysıa, (E)Adysıa ”) 
gekannt, und Wackernagel, GGN. 1914, 115f. hat weiter darauf 
hingewiesen, daß diese Betonung im N.Sg. alt sein muß, wie die 
Parallelbildungen auf -ı@ es fordern. Im Nomen propr. I/Adzaıe, 
Il/orauci ist die alte Betonung offenbar geblieben. Mit Mhataai 
auf gleicher Stufe steht ferner ausiai, tappeıai”) (Lehrs, Ari- 
starch *259). Dann kann *nlareia < *nlareuia < "niaraute nur 
wieder von rziateos und Genossen den Akzent erhalten haben, 
wo er für die Oxytona nach Ausweis des Altindischen alt ist. 

Es gibt schließlich noch eine weitre Erscheinung, die die 
Umfärbung des auslautenden Vokals der zweisilbigen Wurzel, 
falls er nicht von Hause aus e war, zu e gefördert hat. Bekannt- 
lich erscheint ein «-Adjektiv komponiert als s-Stamm, z. B. daovös 
— innodaons, Bagús — oivoßaors, ai. prthú — sapräthas-, mrdu — 
ürnamrodas- (Wackernagel, Ai. Gr. H 1, 232; Fränkel, ob. XLII 

1) Dagegen sprechen sich aus z. B. Lagercrantz, Zur griech. Lautgeschichte 
68 ff. und Bechtel ob. XLIX 118; aber vgl. z/arauwv. 

3) Dazu kommt noch zeodeıa nach Etym. Gud. Opus 37019. Die letzte 
Stelle ist identisch mit Cramer, Anek. Ox. 1256 und Etym. Magn. 565sff. (vgl. 
Lehrs, Qu. ep. 170). Nur fehlt in beiden der entscheidende Satz. 

3) Jaueıal: Qaud = @RÜS: xa USW. 


Beiträge zur griechischen Grammatik. 129 


205 und Anm. 1). Dazu kommt, daß im Plural in den meisten 
Kasus adjektivische u- und s-Stämme überhaupt gleich lauten, 
z. B. noltes — eùyevées, moAdwv — ebyevewv, nolkas — ebyevkag'). 
Von welchen dieser drei Erscheinungen die Umfärbung von « 
zu € am stärksten beeinflußt ist, läßt sich kaum ausmachen. 
Wie nAatös ist auch Baovs, lat. gravis eine zweisilbige Wurzel, 
so daß auch hier Bagei@ < *Baoa-u:a das Alte sein muß °’). Bei 
eboöüsg läßt sich die Färbung des auslautenden Wurzelvokals nicht 
sicher ermitteln. Daher könnte eögei« alt sein, es könnte aber auch 
wieder auf *eöoa-u!a zurückgehen. Dagegen ist die ehemalige Zu- 
rückführung von zoA447% auf *no/yu:e durch W. Schulze, Qu. ep. 82 
kaum möglich. Man würde dann wohl eher ein *noleia zu er- 
warten haben. - Es bleibt daher nur die Annahme übrig, daß zo42ós 
neben noAös auf *moAvAös zurückgeht (Thurneysen, IF. XXI 176), 
der sich auch W. Schulze selbst, Festschrift für Jagić 343 Anm. 1 
angeschlossen hat. Dagegen Wackernagel, GGN. 1914, 121. 
Wie im Ai. die Femininbildung der «-Adjektiva einsilbiger 
Wurzeln die der zweisilbigen verdrängt hat, so glaube ich, daß 
umgekehrt im Griechischen die Feminina der zweisilbigen Wurzeln 
über die der einsilbigen gesiegt haben. Das klingt zunächst un- 
wahrscheinlich, weil ja die einsilbigen Wurzeln rein zahlen- 
mäßig weit überwogen. Aber man mache sich einmal klar, wie 
bei regelmäßiger Bildung die Feminina etwa von ñcea9%s, vggrde, 
Zégc, EAayüs, "dude, Ange, Tagpüs, Yaldc, dogde usw. gelautet 
hätten. Das Ergebnis wäre nach Übertragung des konsonantischen 
-i aus den obliquen Kasus in den Nom. Sg. ein *ßadute, *xoa- 
tuia, "hdura, *Eiaxyura, *yAvauta, "Annie, *raoputa, * Jakuta, 
*öaouta gewesen, wo überall 4 zwischen beiden Konsonanten 
hätte schwinden müssen. Daraus wären entstanden zu Badös ein 
* 8ao(o)a, zu xoatós ein *xoao(o)a, zu $óós ein *nLa, zu Zioezde 
ein *2/aooa, zu y4uxús ein *yAvooa, zu Ange ein *Aıda, zu Tagpüs 
ein *zagrıra, zu Yalds ein *YuAla, zu doede ein doo usw.°). Das 


1) Auf Grund dieser Erscheinungen hat Jacobsohn, Hermes XLV 71f. auch 
erwogen, ob nicht die homerischen Dative Plur. ze /iëxeggt, nóñeooiw, zdÀAeoo" 
einfach Umbildungen nach den s-Stämmen sind. 

2) Wegen ved. pūrvī sollte man eine andre Form der Tiefstufe erwarten. 
Aber Partizipien wie dhamita-, samitä-, svanitd- u.a., die kaum etwas andres 
als Tiefstufe sein können (ob. S.88. 91 u. Anm. 1) stehen mit Bageia auf gleicher 
Stufe. 

3) Man vergleiche dazu die Komparative wie fodoowv, ndoowv, udocwv, 
yAbocowv, Bdoowv, Eidoowv, Ydoowv, dooov, Tocwv, ngEoowv, uellwv, Ölellwv, 
die z. T. Lentz, Herodian I 523s0 allerdings unter anderm Gesichtspunkt zu- 

Zeitschrift für vergl. Spracht. LIX 1⁄2 9 


130 F. Specht 


heißt also, überall wich das Femininum derart vom Maskulinum 
ab, daß das Gefühl der Zusammengehörigkeit zwischen Maskulin- 
und Femininform auf die Dauer für den Sprechenden kaum .vor- 
handen war. Damit war der Anlaß zu einer Neubildung sofort 
gegeben. Sie fand sich leicht, wenn man an Formen wie swlareie, 
Baosia, edoeia anknüpfte, die im Maskulinum genau mit den ein- 
silbigen Wurzeln übereinstimmten. Auch dabei kann das e der 
obliquen Kasus des Maskulinums und Neutrums mitgewirkt haben. 

Man kann zum Schluß noch die Frage stellen, ob nicht noch 
Spuren der alten Femininbildung im Griechischen vorhanden sind. 
Mit Sicherheit weiß ich nichts anzuführen, aber auf zwei Fälle, 
die unter Umständen Reste davon zeigen, möchte ich doch hin- 
weisen. Neben noaös aus *präjus besteht ein Adjektiv zo@os. 
Im Attischen scheint die Schreibung ohne ı subscriptum üblich 
gewesen zu sein, vgl. Meisterhans-Schwyzer, Gram. der att.Inschr.” 
64 und Bechtel, Histor. Personennam. 501. Aber daneben weist 
die Grammatiker-Überlieferung auch auf Schreibung mit i. Vgl. 
Herodian L. 1109, zmo@os und I 237,1. neaös und Etymologicum 
Gudianum 478, zmo@os, 2000 tò Ödov, Ó onuaiveı tò EÖxolov. Zret 
dë ro or: tQ eis ov nadaoa dıodilaße, óip9óyyo nagainydusva 
TE000gd Elo: xai tà uèv ÖVo Exrpwvodcı tÒ iðta, otov sılsiov, 
deion, tà Ôè úo oöyi, olov ğov, nodov. In neaüs aus *präius 
hatte das ı dvexp@vntov keinen Platz. zo@os führt Boisacq auf 
*präiuos als Weiterbildung eines z-Stamms mit ö-Suffix zurück. 
Hier war i berechtigt. Ganz ähnlich sieht Jacobsohn, Hermes 
XLIV 83ff. in Zwı000g'), das vorzüglich den dorischen Mundarten 
eigen ist, eine o-Erweiterung von Auıru-. Ich sehe nichts, was 
gegen diese Ansicht sprechen könnte. Erwägen ließe sich nur, 
ob nicht zəo@os oder wenigstens Zuogoc erst nach einem Femi- 
ninum "Togo aus *präiuid zu *präua®) oder *nuruta zu Huta 
sammengestellt hat. Hier haben sich die vom Positiv im Stammauslaut ab- 
weichenden Formen in den einzelnen Mundarten auch nur z. T. erhalten, da die 
Verbindung zwischen Positiv und Komparativ nicht so eng war, wie etwa 
zwischen Maskulinum und Femininum der gleichen Steigerungsform. 

1) Vgl. darüber Jacobsohn a. a. O. und Brugmann, Ber. S. Ges. 1901, 90. 
Die auf spätern Inschriften sich findende Form Zuiooc erklärt Jacobsohn an- 
sprechend als Kreuzung zwischen Zuıovs der Koine und Zone, Dagegen muß 
guıoov in der neugefundenen lokrischen Bronze für zu:000» stehen, was bei dem 
Alter der Inschrift kaum Schwierigkeiten macht, vgl. auch die Schreibungen 


ward = XAT 10, ndvıeow, dAaLEodö, yeygausvöv und v. Wilamowitz, Sitz. Berl. 
Ak. 1927, 13. 


2) Länge des zweiten Komponenten eines Diphthongs mußte gekürzt werden. 
Vgl. Optative wie einen, géoo, oder Dual Medii ai. bkárete aus *bhara-itai. 


Haplologie im Satzzusammenhang. 131 


zu "fue neu gebildet ist. Dann würde og in Zuuoos nicht 
auf zw, sondern auf q: beruhen. Welche Deutung bei #gugoos 
die richtige ist, läßt sich schwer entscheiden. Bei zo@os macht 
allerdings der Umstand Schwierigkeiten, daß ein Femininum vom 
ö-Stamm nicht vorhanden ist. Dazu kommt der Akzent. Denn 
das Verhältnis ngaös zu zo@os stimmt genau zu ai. vibhú-, vibhva- 
oder rbhú- rbhva-'). 
Halle (Saale). F. Specht. 


Haplologie im Satzzusammenhang. 


Seit Schwyzers schöner Entdeckung IF. XIV 24ff. Baar 
övvxas Hesiods Scut. 254 statt BdAlov Övvxas ist öfter über diese 
Frage gehandelt worden. Dabei ist auch manches mit zur Sprache 
gekommen, was nicht hierher gehört. Wegen der Literatur ver- 
weise ich auf E. SE Baltoslavica 47. Euripides’ Orest. 


502f. heißt es 
TÒ geh T £iaßev dvri ovupooäs 


xal Tod vóuov T Av sier eboeßis ç Av $. 

åvtì ovupogäs ist nur von einem kleinen Teil der Handschriften 
überliefert, die besten haben dafür ën ts ovupogds, vgl. den 
kritischen Apparat bei Murray. Dem Scholiasten scheinen beide 
Lesarten bekannt gewesen zu sein. Die früheren Herausgeber 
schreiben v “xç ovupoods, während sich Nauck, Wecklein, 
Murray für dvri ovupoods entscheiden. Beide Lesarten haben 
scheinbar eine Härte. Wählt man dvri ovupogds so fehlt čv, 
das in den beiden folgenden völlig gleich geordneten Sätzen vor- 
handen ist. Entscheidet man sich für &» zs, so ist der Genitiv 
unverständlich. Zwar hat G. Hermann in seiner Ausgabe auf 
Aischylos Agamemnon 350 

noAlov yàg EoIlov tývð? Övnow elAdunv 

verwiesen (vgl. auch Opuscula I 180) „hunc ego fructum multae 
prosperitati praefero“. Aber in diesem Falle steht sid in 
dichterischem Sinne für das Kompositum dvdeıldunv und teilt 
demgemäß auch dessen Konstruktion. Der betreffende Vers des 
Euripides ist dagegen sofort in Ordnung, wenn man Gut gleich 
äv duc nimmt. Dann ist v zç nichts weiter als alte Konjektur 
für das scheinbar fehlende dn Lehrreich ist der Fall insofern, als 
sich diese Haplologie bei einem Stilisten wie Euripides findet. Er- 
träglicher wurde sie durch die beiden du der koordinierten Sätze. 

Halle (Saale). | F. Specht. 


1) Vgl. auch ai. karit neben kärita- u. a. 
dk 


139 Erich Hofmann 


Kultur und Sprachgeist in den Monatsnamen. 


1. A. Meillet hat in seinem kleinen Aufsatz ,Sur certains 
noms de l’annde“ in den MSL. XXIII, Heft 2 (1927), 146f. gezeigt, 
wie sich die Tierzucht der Indogermanen in festen Gebräuchen 
der Jahresbezeichnung widerspiegelt. Hieran anknüpfend be- 
merken wir, daß eine jüngere Kultur, der die Seßhaftigkeit voraus- 
setzende Ackerbau, sich erst in dem Namen der zuletzt benannten 
Jahreszeit, in deren Benennung die Sprachen stark auseinander- 
gehen, im Herbst nachweisen läßt. Hierher gehört herbist selbst 
(zu carpere und xaonideıw) sowie die weiter verbreitete Sippe von 
slav. (j)esenv, apr. assanis, got. asans usw., zu der nach W. Schulze, 
Quaest. ep. 475 auch önwea „Herbst“ gehört, aus *ön- dodeav 
„nach der Erntezeit“. Die früher bekannten Jahreszeiten Sommer, 
Winter und ihr Zwischenglied Frühling sind nach Witterungs- 
erscheinungen benannt, nach der Hitze, dem Schnee und ver- 
mutlich der Zunahme des Lichtes. Die Jahressechstel der Inder 
sind nach diesem Witterungstypus ergänzt (varsah „Regenzeit“, 
sarad „der feuchte Herbst“, sisirah „Tauzeit“), während die 6 
gähanbär des Avesta auch Viehzucht und Ackerbau in ihr System 
hineinziehen (paitishahya „was die Aussaat, das Getreide betrifft“, 
ayädrima „Eintrieb von der Alm“), und ebenso steht es mit den 
iranischen Monatsnamen, auf die später noch zurückzukommen 
sein wird. 

Wenn wir hier von den Jahreszeiten hinüberspringen zu den 
Monaten, so darf dagegen nicht eingewandt werden, daß die Be- 
nennung der Monate erst viel später erfolgte, nachdem das Jahr 
in Monate eingeteilt worden war. Denn einmal liegen die Namen 
der Monate vielfach in derselben Richtung wie die der schon 
vorher eingeführten Jahreszeiten, und zum andern sind die Be- 
nennungen der Monate von Jahreszeiten auf diese übertragen 
worden, wobei der Name oft von einem größeren Zeitraum auf 
einen Monat eingeschränkt wurde‘). Diese Verengerung wird 
nicht nur dadurch deutlich, daß ein Name für verschiedene Monate 
in ein und derselben Sprache gilt (Hartmonat für November, 
Dezember, Januar und sogar Februar, Herbstmonat für September, 
Oktober, November; Beispiele aus den baltoslavischen Sprachen 
folgen später), sondern auch dadurch, daß ein Name in eng ver- 
wandten Sprachen verschiedene Monate bezeichnet (z. B. aksl. 
br&ezons April : čech. březen März, lit. birZelis April, Mai, Juni. 

1) Schrader-Nehring, Reallexikon II? 71. 


Kultur tind Sprachgeist in den Monatsnamen. 133 


Serb. lipanj Juni : klr. #ypen Juli : poln. lipiec Juli, lit. Hepos menuo 
Juli : lett. Aën mēnesis Juni, Juli. Aksl. listopads Oktober : čech. 
listopad November, lit. lapkri(s)tys Oktober, November : lett. lap- 
kritis November). Die Verengerung des Zeitraums wird auch 
dadurch vorgenommen, daß ein Name auf mehrere (meist zwei, 
seltener drei) Monate verteilt wird. Das geschieht auf verschie- 
dene Weise. Einmal durch Zählung; das findet sich im Germa- 
nischen. In bayrischen Kalendern des 15. Jahrhunderts werden 
folgende Monate durch Zählung geschieden: das erst, das ander 
ackermonat März, April; das erst, das ander mai Mai, Juni; der 
erst, der under augst Juli, August bzw. August, September; der 
erst, der ander, der dritt herbst September, Oktober, November’); 
ebenso der erst, der ander, der dritt herbstmän; daneben der erst, ` 
der ander herbstmän für Oktober, November; der erst, der ander 
winter November, Dezember’). Ähnlich ist die Zählung in dem 
von Beda überlieferten angelsächsischen Kalender, nur daB — 
außer beim Schaltmonat — kein Zahlwort verwendet wird, sondern 
„der vorderste“, „der frühere“, „der hintere“: forma giuli, eftera 
giuli; érra Hda, eftera Hda se dridda Hda. Ansätze zur Zählung 
zeigt auch der altnordische Kalender mit seinem einmänudr „Ein- 
monat (bis zum Beginn des Sommers)* und tvimänudr „Zwei- 
monat (bis zum Beginn des Winters)“. Das gotische fruma Jiuleis 
wird gleich anzuführen sein. 

Zweitens werden zwei Monate durch den gleichen Namen 
bezeichnet, jedoch eine Scheidung durch den Zusatz „groß“ bzw. 
„klein“ bewirkt. Insbesondere ist das slavisch. Die Bezeichnung 
der Jahreszeit wird auf zwei Monate übertragen, auf deren einen 
sie stärker paßt als auf den anderen. Der älteste Beleg für travon 
„Grasmonat“ findet sich wohl im altruss. galizischen Tetraevange- 
Hum von 1144 (Kryloser Ev.) mai rekomyj travns (vgl. Sreznevskij, 
Materialy s. v.), und Mai ist die vorherrschende Bedeutung, z. B. 
heute noch im Kalender der Tschechen. Ein aus dem Jahre 1466 
stammendes Verzeichnis slovenischer Monatsnamen (vgl. IF. A. XII, 
S. 311, Nr. 61) bietet maly trawen für den April, weliky trawen für 
den Mai. Ebenso ist es im Kroatischen: mali travan, veliki travan; 
hier bezeichnet aber travan ohne Zusatz noch den Mai Es ist 
der Monat in dem das Gras grünt, der April zeigt noch nicht den 
Höhepunkt des Grünens, sondern nur den Beginn, daher heißt 


1) Auch albanesisch: vjesht e pār, vjesht e dğt, vjesht e frei, 
2) Vgl. Karl Weinhold, Die Deutschen Monatsnamen (Halle 1869), 8. 13 
und passim im alphabetischen Register. 


134 Erich Hofmann 


er der „kleine Grasmonat“'). Čech. srpen, poln. sierpień, klr. serpen 
ist der August (Sichelmonat). Dagegen bezeichnet der Name im 
Slov. und Serb. den Juli (srpen, srpanj). Er ist offenbar von der 
Zeit der Sichelernte hergenommen in den einzelnen Sprachen 
verschieden auf die beiden Monate verteilt worden. Im Sloveni- 
schen gibt es aber auch (wieder 1466) maly serpan für den Juli, 
weliky serpan für den August. Hier ist allerdings merkwürdig, 
daß der Juli auch ohne Zusatz srpen genannt wird, obwohl der 
August der weliky serpan, der „eigentliche“ Sichelmonat ist”). Der 
Unterschied der so bezeichneten Saison in den beiden Monaten 
ist oft unerheblich, durch die Witterung können leicht Verschie- 
bungen eintreten, so daß auch eine Verschiebung in den Monats- 
namen begreiflich wird. Ein ganz krasses Beispiel bietet das 
čech. červen. Es ist zunächst Bezeichnung des Zeitraumes, der 
sich über Juni und Juli erstreckt. Im Alttechischen findet sich 
der Name auch für jeden der beiden Monate, wobei der Juli als 
červen druhý bezeichnet werden kann. Dann werden Unterschei- 
dungen vorgenommen: malý červen, červen menší = Juni, červen 
veliký = Juli. Genau entsprechend ist die Unterscheidung durch 
das Suffix (worüber später): červ(e)nec Juni, červen Juli. Aber 
genau umgekehrt schon altčechisch, und so heute durchgedrungen, 
červen Juni, červenec Juli. Ein Beispiel, das uns über das Slavische 
hinausführt, bietet das Bulgarische. Hier heißt der Januar golem 
secko, der Februar (malki) sččko, der große und der kleine Schneide- 
monat, doch wohl von der Kälte. Ursprünglich bezeichnete slav. 
sččoně einen Zeitraum, der sich etwa über die späteren Monate 
Januar und Februar erstreckte. Daher verteilt sich der Name 
verschieden auf die beiden Monate: serb.-ksl. und klr. ist der 


1) Es handelt sich natürlich nicht um die Zeit der Grasblüte. Ein russ- 
Bauernsprichwort aus Sibirien betont die Wichtigkeit des Mais für das Gras: 
Maj, sena daj, sam na pecku polëza; „Mai, gib Heu, klettre selbst auf den 
Ofen“; (es ist dort im Mai oft noch kalt). Vgl. Aleksěj Makarenko: Sibirskij 
narodnyj kalendar (= Zapiski imp. russ. geogr. obšč. po otdel. ätnogr. tom 36, 
St. Petersburg 1913) S. 81. Die Großrussen mähen das Gras .erst in der Blüte, 
nicht vor der Johannisnacht, vgl. D. Zelenin: Russ. Volkskunde (slav. Grundr.) 
S. 371. Daher russ. senozornik Juli (Zeit, wo das Heu von der Sonne ver- 
brannt wird), klr. sinokos Juli (Heumahd); im Poln. nicht zum Monatsnamen 
geworden: do sianokosow „bis zur Heuernte* Reymont, Chłopi III 18. Deutsch 
hewimänoth, Heuet = Juli; Edw. Schröder macht Forsch. und Fortschr. IV 
231 darauf aufmerksam, daß dieser Monatsname heute nicht mehr paßt, da das 
Gras jetzt im Juni geschnitten wird, ehe es ausgeblüht hat. 

2) Ähnlich ist maior Polonia, Großpolen, das ursprüngliche, das eigent- 
liche Polen; natürlich Altpolen, vgl. maior natu. 


Kultur und Sprachgeist in den Monatsnamen. 135 


Januar so benannt, abulg. (Assem.) und aruss. (Kryloser Ev. 1144) 
der Februar. Auch das sloven. Verzeichnis der Monatsnamen von 
1466 hat setsczan für den Februar; doch gilt daneben im Slov. 
und Kroat. der Name für die beiden Monate. Ja im Slovakischen 
haben wir wieder die Unterscheidung von groß und klein: veliky 
secen und malý zeien (bei Štur, vgl. Ilešič, A. f. sl. Phil. XX VII 
143f.)'), und bei den kleinrussischen Huzulen sind diese Monate 
durch Zählung unterschieden: sičenj pervyj, sičenj druhyj (Katuz- 
niacki, ebd. 272)°). Auf die Kälte geht auch der bei den Huzulen 
übliche zweite Name des Februars: /utyj, der auch allgemein klein- 
russisch ist sowie polnisch und altrussisch (vgl. Hofmann, Aus- 
dArucksverstärkung S. 130)°). Und auch hier findet sich dasselbe 
wie bei secons: im Altpolnischen bezeichnet luty sowohl den Januar 
als auch den Februar (Nehring, Altpoln. Sprachdenkm. 31f.; 
Brückner, A. f. sl. Phil. X 387). Auch der von Brückner S. 414 
erklärte altpolnische Name des Februars strompacz gehört in das 
gleiche Bedeutungsfeld, da er vom steif gefrorenen Erdboden 
hergenommen ist. Nachdem die Wege infolge des schlechten 
Wetters aufgeweicht und unpassierbar geworden waren, bringt 
die Kälte im Januar und Februar erst wieder die Möglichkeit, 
auszufahren. Da die Kälte im Januar stärker ist als im Februar, 
ist die Verteilung von groß und klein ganz verständlich. 

Nun finden wir etwas Entsprechendes im Deutschen: der 
große Horn „Januar“, der kleine Horn „Februar“. Also schließt 
man daraus (z. B. Hirt, PBB. XXII 232), daß horn ursprünglich 
mindestens einen zweimonatlichen Zeitraum bezeichnete. Aber 
leider ist uns horn nicht für die längere Periode überliefert, auch 
das mhd. horn „Januar“, das man in den Wörterbüchern findet, 
scheint nicht zu existieren; jedenfalls kann man an dem mentag vor 
dem tag horne in der Fischerordnung zu Auenheim 1442 (Mone 
in seiner Zeitschrift f. d. Gesch. des Oberrheins IV 79, dazu 81) 
nicht für den Januar anführen. Alt ıst nur hornunc „Februar“ 
seit Karl dem Großen festgelegt und weiter fortlebend. Der große 
und der kleine Horn sind uns erst seit neuhochdeutscher Zeit sicher 
beleet"), Und Rüdigers Erklärung (im Zuwachs II (1783) 85) 
1) Velký seden auch in dem von der Božena Nemcovä aufgezeichneten Märchen 
von den 12 Monaten. Vgl. Polívka, Zapysky tovar. Sevëenka 141—43, H 1f. 

2) Auch Zelechivskyj II 869: sjicen druhyj „Februar“. 


3) Vgl. Reymont, Chłopi II 251,7 ten lutowy, zimny wieczór „dieser 
kalte Februarabend“. 


4) Es scheint demnach mit der Überlieferung nicht übereinzustimmen, wenn 
Edw. Schröder, Forsch. und Fortschr. IV 230 sagt, daß zuerst großer und kleiner 


136 Erich Hofmann 


„Horn, der kleine, so nennet der gemeine Mann“ (in Halle')) 
„den Februar im Gegensatz des Januars als großen, weil er länger 
oder vielmehr, weil er kälter ist“ braucht für den ursprünglichen 
Sinn des hornunc nichts zu beweisen. Die Bezeugung der Namen 
großer und kleiner Horn in Thüringen, im Halleschen und in 
Schlesien läßt den Verdacht aufkommen, daß diese Namen unter 
slavischem Einfluß entstanden sind. Es gab das alte deutsche 
hornunc, dessen Endung nach der Verdunkelung des ursprüng- 
lichen Sinnes deminutiv aufgefaßt wurde. Da die Slaven manche 
Monate, darunter auch den Januar und Februar, durch den Zusatz 
von yroß und klein unterschieden, lag es nahe, zu dem als klein 
aufgefaßten hornunc einen großen horn neu zu bilden. Begünstigt 
wurde diese Entwicklung dadurch, daß schon früher bisweilen 
hornunc mißbräuchlich auf den Januar angewendet worden war 
(den ältesten Beleg scheint L. Dieffenbach im Novum Glossarıum 
aus dem Jahre 1486 zu zitieren), so daß die gleich benannten 
Monate Januar und Februar unterschieden werden mußten. Der 
große und der kleine Horn können auch nicht durch Volkssprüche 
wie der kleine Hornig spricht zum großen Hornig: Wenn ich die 
Macht hätte wie du, do ließ ich’s Kolb gefrieren ei der Kuh (schle- 
sisch; Vogt, Mitt. der schles. Ges. f. Volkskunde IX 3) als alt 
bewiesen werden. Denn wie bei vielen Bauernsprüchen erweist 
der Reim ahd. mhd. dé, du: kuo, daß der Vers erst jung ist. Daß 
ein solcher Vers (in Schlesien gibt es mehrere Varianten; Schleicher 
führt ihn auch aus Sonneberg an) auch in der Schweiz bekannt 
ist (Staub-Tobler, Schweizerisches Idiotikon II 1627), paßt durch- 
aus zu der angenommenen Entlehnung aus dem Slavischen; denn 
in den Ostalpen sitzen ja die Slovenen. Und diese haben Be- 
rührungen mit den am meisten zum Südslavischen neigenden 
Westslaven, den Slovaken, bei denen ein ganz entsprechender 
Spruch belegt ist: Keby malý seden mal také právo, ako hrubý secen, 
zamrazil by v krave teľa (um Preßburg, A. f. sl. Phil. XXVII 144). 
Ähnliches gibt es übrigens im Finnischen, wo Januar und Februar 
iso-tammi und pikku-tammi heißen (Groß-Eiche und Klein-Eiche), 
was doch wohl von dem eichenharten Erdboden hergenommen ist 
(vgl. Grimm, Gesch. der d. Spr. 1100). Und nun haben die Finnen 
ein Märchen, wo es heißt: Die kleine Eiche sagte zur großen Eiche: 
Wäre ich an deiner Stelle, so würde ich das Füllen an den Bauch 


Horn Januar und Februar bezeichneten und erst später Hornung auf den 
Februar festgelegt wurde. 
1) II 58 „mein besonderer Standpunkt ist Halle“. 


Kultur und Sprachgeist in den Monatsnamen. 137 


des Pferdes .. frieren lassen .. (Schiefner, Bulletin de la classe 
hist.-phil. de l’acad. St. Petersburg XIV (1857) 217f.; vgl. auch 
Sp. 189 mun kyrlad oix, kizin kyrlad oix „sehr steiler Monat, wenig 
steiler Monat“ für den zweiten und dritten Monat der 13 Monate 
der Tschuwaschen). 

Den Einfluß der Slaven auf die Monatsnamen') großer und 
kleiner Horn macht mir insbesondere der Umstand wahrscheinlich, 
daß die Unterscheidung in groß und klein bei Monaten zwar den 
Slaven geläufig ist, aber den Deutschen, wie überhaupt den Ger- 
manen, fremd ist. Während bei Orts- und Flurnamen beide 
Sprachen Unterscheidungen mittels groß und klein verwenden, ist 
das bei den Monatsnamen ungermanisch. (Diese Parallele ist des- 
halb möglich, weil die Orts- und Flurnamen oft von der gleichen 
bäuerlichen Anschauung aus gebildet sind wie die Monatsnamen.) 
Wenn der Deutsche Jahreszeitnamen auf verschiedene Monate 
verteilt, so zählt er (s. ol aber er sagt nicht groß oder klein. 
Daher beurteilt Bilfinger, Z. f. d. Wf. 1360 diese Erscheinung, eben 
weil sie deutschem Sprachempfinden widerstrebt, falsch: „In der 
Zeit, da diese Namen sich bildeten, muß also die Grundanschau- 
ung — die Größe des Januars, die Kürze des Februars — noch 
lebendig gewesen sein“. (Diese Anschauung spielte ja auch bei 
Rüdiger eine Rolle.) 

Das echt deutsche hornunc, das mißverstanden die slavisie- 
renden Neubildungen hervorgerufen hat, bleibt selbst weiter eine 
crux für die Erklärung. Die Verbindung mit anord. hjarn (Hirt, 
PBB. XXII 232f.; Walde, Anz. f. d. Alt. XXX 145f., 235f.) ist 
wegen des Ablautes unwahrscheinlich; da horn „Januar“ erst 
späte Neuschöpfung ist, wird sie auch von der Bedeutung her 
nicht gefordert. Die Ableitung von ahd. horo „Kot, Schmutz“ 
(Frisch, Adelung, J. Grimm; zuletzt Siebs, Mitt. der schles. Ges. 
f. Volksk. XI 27ff.) bietet sowohl formale als auch inhaltliche 
Schwierigkeiten. So bleibt doch wohl nur die Verknüpfung mit 
anord. hornungr „Bastard“; denn nur hier haben wir das gesuchte 
Wort im Germanischen tatsächlich überliefert. Die Bezeichnung 
des Februars als Bastardmonats (Grimm, Gesch. d d. Spr. 83; Kluge, 
Etym. Wb.) ist allerdings nur deutsch und ist einzigartig. Aber 
die Kürze des Februars ist auch einzigartig und setzt ihn in Gegen- 
satz nicht zum Januar (diese Beziehung ist erst jünger), sondern 
zu allen anderen Monaten’). Daraus erhellt, daß der Gegensatz 


1) Er ist noch heute fühlbar, s. u. am Ende des Aufsatzes. 
2) In einem makedonischen Märchen hinkt der Februar! (Von den 12 Mo- 


138 Erich Hofmann 


des kleinen Februars zum großen Januar nicht gegeben ist; großer 
und kleiner Horn geht eben auf die große und die geringere Kälte. 

Nachdem unter slavischem Einfluß großer und kleiner Horn 
entstanden waren, weiterhin, infolge der Bezeichnung des Januars 
als Hornung, auch großer und kleiner Hornung '), gab das Deutsche 
diese Namen an die in seinem Ostraum liegenden Fremdsprachen 
weiter, an das Obersorbische und das preußische Litauische: vulki 
rözk, mały rözk; didelis ragutis, mažas ragutis (um Ragnit). Bezzen- 
berger, Lit. Forsch. 162 führt an rags „auch Januar“ (d.h. nicht 
nur „Horn“, wie in Nesselmanns Wb.) und ragutis „Februar“, 
also einfach gleich d. Horn und Hornung. Bekanntlich ist Hornung 
auch ins Polabische als Lehnübersetzung gedrungen: bei Pfeffinger 
35, 11 (Rost) Fevrier ` Rüsatz, bei Hennig von Jessen 174,5 Fe- 
bruarius ` Risatz. Es ist Deminutiv von rüög „Horn“. 

Was sonst noch aus dem Südslavischen für die Unterscheidung 
zweier Monate in einen großen und einen kleinen beigebracht 
werden kann, ist anders geartet; denn es entstammt der Ter- 
minologie von kirchlichen Festen, von denen das eine das große, 
das andere das kleine war. Eins von ihnen fiel im einen, das 
andere in den benachbarten Monat, und diese erhielten danach 
ihren Namen. Kroat. velikomasnjak, malomasnjak „August, Sep- 
tember“, ebenso sloven. velikomesnjak, malomesnjak. Sie sind nach 
dem großen (15. August) und dem kleinen (8. September) Frauen- 
tag benannt: velka meša „assumptio Mariae“, mala meša „nativitas 
Mariae“. Im Slovenischen gibt es noch ein Paar: veliko — božičnjak 
„Dezember“, mali — božičnjak „Januar“ nach Weihnachten bzw. 
der Circumeisio benannt. Diese Monatsnamen gehören also in 
die Kirchenfestkalender, die im Südslavischen eine ganze Reihe 


naten ist nur der März eine alte Frau namens Marta, was durch den Namen 
hervorgerufen ist.) Vgl. Polívka, Zapysky tovar. Ševčenka 141—143 II 15 unten. 
In griech. Märchen borgt sich der März vom Februar einen Tag (doch auch — 
sicher sekundär — der Februar vom März und der März vom April, sogar bis 
zu 3 Tagen), Reinh. Köhler, Kl. Schriften I 380. In Heinrich Seidels Erzählung 
„Die Monate“ (Erzähl. Schriften VI (1900) 146) heißt es vom Februar „der war 
nur ziemlich klein und der Behendeste von allen“. Vgl. auch albanesisch shkurt-i 
„Februar“, d.h. „der kurze Monat“. 

1) Wenn es im Breslauer Monatsgedicht (Weinhold 8. 46) heißt: Von dem 
herten horne ist her hornung genant, Dy herteste kelde kommet denne yn 
die lant, so hätte das doch nur Sinn, wenn kornung „Januar“ wäre. Wir 
hätten also noch einen indirekten Beleg für die Ausdehnung des Namens kornung 
auch auf den Januar. Christ. Wolf, Mathemat. Lexikon II (1742) 465f. unter- 
scheidet den Hornung „Januarius“ vom kleinen Horn „Februarius“! 


Kultur und Sprachgeist in den Monatsnamen. 139 


von Monatsnamen hervorgebracht haben; über sie wird noch 
später zu reden sein. 

Nun gibt es im Slavischen noch andere Möglichkeiten, zwei 
Monate als groß und klein, sozusagen als Haupt- und Vor- oder 
Nachsaison, zu unterscheiden. Die Bezeichnung des „kleinen“ 
Monats kann auch entweder durch ein Deminutivsuffix oder durch 
ein Präfix geschehen. Jene Möglichkeit läßt sich an das oben 
erwähnle čech. malý červen und červen veliký anknüpfen, diese an 
die slovakischen Monatsnamen malý rujan „September“, veliký 
rujan „Oktober“ (wieder bei Štur; Desiö, A.f.sl. Phil. XXVII 143). 
Rujan gibt es auch serbokroatisch für den September, im älteren 
Slavisch häufiger: im Krylos. Ev. sbmtebrb rekomyi rjujens, schon 
altkirchenslavisch im Asseman. ruens und in dem im 12. Jahrh. 
nachgetragenen Synaxarıum des Zogr. sentjabro rekomy ruens; 
auch der UZhoroder Potustav des 14. Jahrh. bietet sentębro rekomyi 
rjuwins (Kolessa, Zapysky tovar. Ševčenka 141—143, Abh. 7, 31ff.), 
der Codex Hankensteinianus (12./13. Jahrh.) rjuens.. Mit diesem 
Monatsnamen gehört der des August zusammen: Ostr. Ev. 210b: 
do msca avgosta, rekomaago zareva; Kryl. Ev. desgl.; Hankenst. 
zarjev. Dieses Nebeneinander findet sich noch heute im Cechi- 
schen. Aber hier ist zaří der September, Zen der Oktober. Genau 
so war es schon im Alt&echischen des 14. Jahrh. Wenn in Jung- 
manns slovnik říjen auch als September aus dem Adech. ange- 
führt wird, so ist das falsch; denn die Quelle, auf die er sich 
beruft, ist der oben genannte Codex Hankensteinianus. Damit 
wird auch die Vermutung, die man hegen könnte, es hätte im 
Adech. ein zarev oder za für den August gegeben, hinfällig. Die 
verschiedene Verteilung dieser Jahreszeit auf den August/September 
bzw. September/Öktober ist durch die landschaftliche Verschieden- 
heit bedingt. Zugleich kann in allen diesen Fällen noch etwas 
anderes im Spiele sein: Die Naturerscheinung, nach der eine 
Jahreszeit benannt wurde, setzt nicht mit dem Beginn eines Mo- 
nats ein, sondern mitten in ihm, sie fällt in den Zeitraum, den 
später drei Monate umspannen, so daß für die Benennung der 
Monate ein gewisser Spielraum blieb. In diesem Falle handelt 
es sich wohl um die Brunstzeit der Hirsche (Miklosich, Denkschr. 
Akad. Wien XVII 10f.); von den sonstigen Erklärungsversuchen 
ist nur der als „gelber Monat“ diskutabel, man könnte dabei an 
die gelbe Färbung des Laubs denken. Doch widerstrebt dem, 
daß im Serb. nur rujno vino „gelber Wein“ vorkommt, sonst aber 
das Adjektiv nicht gebraucht zu werden scheint. Der spätere 


140 Erich Hofmann 


Monat ist also die eigentliche Zeit der Brunst, der vorangehende 
die ihres Beginns, was in diesem Fall nicht durch den Zusatz 
klein ausgedrückt wird, sondern durch das deminuierende, den 
Beginn anzeigende Präfix za-. Entsprechend ist im Cech. im 
14. Jahrh. (in Gebauers Mës B.) zu czeruen „Juli“ gebildet zaczeruen 
„Juni“, wie wir ähnlich oben S. 134 die Unterscheidung von červen 
veliký und malý červen kennen gelernt haben. Dort war auch 
schon auf die dritte Möglichkeit, den kleinen Monat zu bezeichnen, 
hingewiesen worden: die Deminutivbildung červenec. Die Ver- 
teilung des nicht deminuierten und des deminuierten Namens auf 
die beiden Monate schwankt sogar in gleichzeitigen Denkmälern. 
Zunächst hatten beide Monate den einen Namen: in dem von 
Flajšhans Č. Č. M. 96, 101 abgedruckten Monatshexameter um 1400 
(Gebauer, SI. stč. I 189 setzt ihn zwischen 1425 und 1427) steht 
zwischen mayg und srpen dwoy czerwen; zur Unterscheidung wurde 
der spätere Monat ausdrücklich als der zweite bezeichnet, schon 
in einer Urkunde 1308 (Gebauer 1. e.) czrwna druheho trzety den. 
Von den weiteren Unterscheidungen wurde die durch groß und 
klein S. 134, die durch za- eben erwähnt. Die durch die Demi- 
nutivendung findet sich in den beiden Möglichkeiten gleichzeitig 
wie folgt verteilt: (Reihenfolge Juni/Juli) 1) zw. 1279 und 1296 
Prager Cisiojan: chirunech, chirven; 1396 Pode&brader Psalter: 
czrwenecz, czrwen,; 1444 Cisiojan: czrwnecz, czerwen. 2) (wegen 
červen maly/mensi „Juni“ und zaczeruen „Juni“ jünger) etwa 1379 
Bohemarius maior Fl. earen, czrwnecz; Mes. A. 15. Jahrh. czrwen, 
crzwenecz; auch in dem von Flajshans, Nejstarší Památky jaz. i 
pisemn. česk. 183f. angeführten Hexameter: czrwen, czrwenecz. 
Und so noch heute neučechisch. Franz Carl Alter, Beitrag zur 
praktischen Diplomatik für Slaven (Wien 1801) führt S. 102ff. 
aus dem Cerronischen Codex an: czrwen menssy „Mai“, czrwen 
welyky „Juni“, czrwen „Juli“! Was nun die Verbreitung dieses 
Namens in den anderen Slavinen anlangt, so findet sich im Kryl. 
Ev. červeně „Juli“, das gleiche im Hankenst. und im Uzhoroder 
Polustav; im Klr. červeń und cerved „Juni“, im Poln. czerwiec, älter 
auch — unter klr. Einfluß — czyrwien „Juni“ (vgl. Nehring, Alt- 
poln. Sprachdenkm. 31f. aus dem 14. und 15. Jahrh. cchiruien, 
czyrvyen, czyrwyen; ebenso wie das letzte auch im Calendarium 
Plocense des 14. Jahrh. (Brückner, A. f. sl. Phil. X 387), doch ist 
es hier der August), und im Bulgarischen ist ervenik der Juni 
(A. Mazon, Contes Slaves de la Macédoine sud-occidentale, Paris 
1923, S. 62, Anm. 6). Schließlich ist im Litauischen kirmėlių menuo 


Kultur und Sprachgeist in den Monatsnamen. 141 


bei Szyrwid und Nesselmann für „Juni“ belegt und in Dowkonts 
Büdas (St. Petersburg 1845) 182 kirmieszu mienu als 6. der 13 
Monate der alten Litauer (woraus es Geitler, Sitz.-Ber. Akad. Wien 
108, 394 entnommen hat). Da auch das Weißrussische čerwień 
„Juni“ hat, so liegt die Möglichkeit vor, daß der litauische Monats- 
name aus dem Weißrussischen oder Polnischen entlehnt ist. Dafür 
würde der Umstand sprechen, daß er heute nicht mehr in Litauen 
üblich ist, weil in der litauischen Schriftsprache alle Slavismen 
ausgemerzt werden. Er könnte jedoch auch genuin sein. Manche 
solche Fragen dürften erst dann sicher beantwortet werden, 
wenn das weißrussische Material in allen seinen mundartlichen 
Varianten vorgelegt ist. 

Die Namen červen usw. erklärt man nach Miklosichs Vorgang 
zumeist als „Wurmmonat“ nach einer färbestoffhaltigen Schildlaus, 
dem coccus polonicus, die im Juni gesammelt und zum Färben 
verwendet wurde. Gegen diese von Miklosich mit kulturhistori- 
schen Daten belegte Deutung dürfte die Vermutung von Jözef 
Rostafinski nicht aufkommen (Symbola ad historiam naturalem 
medii aevi I, Krakau 1900, 375), daß diese Jahreszeit bei der Be- 
deutung der Bienenzucht nach dem Herauskommen der Bienen- 
brut benannt worden sei. Deminuierte Monatsnamen gibt es auch 
sonst: rumänisch brumarellu, brumaru (auch brumaru micu, brumaru 
mare) „Oktober, November“, italien. giugno, giugnetto. Noch ein 
weiterer Beleg aus dem Üechischen ist anzuschließen. Im Zogr. 
lesen wir met noebrš rekomy gruden, im Asseman. unter November 
gruden, ebenso im Hankenst. und im Uzhoroder Potustav; in der 
Laur. Chr. 1377 po grudnu puti. bé bo togda mčsęco grudenv rekse 
noebrv. Bei den Huzulen ist hruden; der November, sonst be- 
zeichnet im Ukrainischen, regional geschieden, hruden teils den 
November, teils den Dezember. Im slovenischen Monatsverzeichnis 
von 1466 ist gruden der Dezember, so noch heute sowie im Serbo- 
kroatischen. Im Polnischen ist grudzien „Dezember“, schon alt- 
polnisch (Nehring 31f.) grudzen, woneben grwdzen, grugschen als 
13. Monat vorkommt, also als Schaltmonat; doch ist es auch als 
November belegt: grudzen im Calendarium Plocense (Brückner, 
A. f. sl. Phil. X 387). Für das Slovakische führt Miklosich 13 hruden 
als September an. Und nun zum Üechischen. Neutechisch gibt 
es hruden nicht mehr, aber alt@echisch konnte hruden sowohl den 
Januar als auch den Februar bezeichnen: 14. Jahrh. M&s. C. leden 
neb hruden, Mam. C. hruden vel unor, was sich in der Museums- 
bibel von 1429 auch als Übersetzung zweier hebräischer Monats- 


142 Erich Hofmann, Kultur und Sprachgeist in den Monatsnamen. 


namen findet: hruden neb unor mensis Sabath; mesiece kassleu, to 
jest hrudna. Im allgemeinen aber ist hruden der zwischen Dezem- 
ber und Januar eingeschobene Schaltmonat, der intercalaris, em- 
bolismus. Der Hexameter bei Flajshans Č. Č. M. 96, 101 beginnt 
mit dem Schaltmonat: hruden a leden .. (weitere Belege bei Ge- 
bauer, SI. stč. 1 508f.. Dagegen hat der andere von Flajshans 
veröffentlichte Hexameter (Pamätky 84) den Schaltmonat zwischen 
März und April, und er hat den deminuierten Namen hrudnec. 
Weiteres, auch hrudnec „Schaltjahr“ bei Gebauer. Hier ist die 
Deminuierung wohl so zu verstehen, daß vor dem hruden „Januar“ 
(oder nach dem grudzien „Dezember“, denn auch im Polnischen 
ist es zugleich Name des Schaltmonats) der Schaltmonat einge- 
schoben wurde und den Namen des Nachbarmonats erhielt, nur 
zum Unterschiede deminuiert, nicht weil der Monat kleiner war 
oder ihm die ausgesagte Eigenschaft weniger zukam, sondern weil 
er seltener vorkam, nur in den Schaltjahren. Man könnte aller- 
dings noch an eine andere Erklärung denken, weil das Polnische 
die Deminutivform nicht hat. Čech. hrudnec ist auch das Schalt- 
jahr. Vielleicht ist das die eigentliche Bedeutung (mit dem Suffix 
-bcb, das den Träger einer Eigenschaft bezeichnet; da hruden von 
Haus aus Adjektiv ist, wäre diese Ableitung nicht unmöglich), 
und die Bedeutung „Schaltmonat“ wäre dann erst sekundär. 

An diesen besonders gelagerten Fall schließe ich noch einige 
Monatsnamen mit Präfixen an, die aber nicht aus der Teilung 
eines Namens auf zwei Monate entstanden sind, die aber das 
Streben nach einer gewissen Systematisierung erkennen lassen. 
Im Kleinrussischen heißt der Februar !'utyj oder l'uteń, der März 
entweder mart oder ähnlich oder er ist der Monat nach dem März: 
pol’utyj, pal’utyj. Anders liegt die Sache in polabisch (Pfeffinger 
35) seymemon „Novembre“ und pregnia seine mon „Septembre“. 
Denn hier ist nicht dieses von jenem abgeleitet, sondern jenes 
von seyma „l'hiver“, dieses von te pregnia seine „l'automne“. Sie 
sind also nach den Jahreszeiten benannt und entsprechen deutschem 
Winter- bzw. Herbstmonat. Ähnlich im Niedersorbischen: zymski 
mjasec „Dezember“, nazymski m. „September“ (Winter- und Vor- 
winter- = Herbstmonat), zu denen sich noch vezymski m. „Mitt- 
wintermonat = Januar“ und pozymski m. „Nachwintermonat = 
März“ gesellen. Das ist ein, allerdings nicht fortlaufender, Ver- 
such zu systematisieren. (Schluß folgt.) 


Göttingen. Erich Hofmann. 


J.F. Lohmann, Lat salinus (salinae, salinum) u. der kelt. Name des Salzes. 143 


Lat. salinus (salinae, salinum) und der keltische Name 
des Salzes. 


Die keltischen einzeldialektischen Bezeichnungen des Salzes 
lassen sich vereinigen unter einem vorkeltischen Ansatze *saleino- : 
ako. haloin (haloinor gl. salinator), bret. c’ hoalen, holen (mit der 
gleichen Metathese wie in moger „Mauer“, abret. macoer, ky. 
magwyr, aus lat. maceria, bret. oade, ode „Öffnung im Zaun“ 
gegenüber ky. adwy „Bresche“, vgl. Pedersen, VG.1322f., Grund- 
form also *haloen, *haloan, daraus dann hoalen, holen), ky. halen’), 
älter halaen, halwyn (Belege im Bulletin of the Board of Celtic 
Studies 4, 136, der gleiche Wandel in maharen „Widder“, mky. 
maharaen, aky. maharuin und in pared < paraed < parwyt, ako. 
poruit gl. paries, ferner vgl. nky. (h)ogalen, agalen, aky. ocoluin 
„Wetzstein“, nbret. higolen [aus *-aloen, vgl. holen aus *haloen)). 
Das Britische führt demnach auf eine Grundform *salen-, und 
diese, zusammen mit ir. salann, o-Stamm (G. sal/lJaind, D. salund, 
Windisch, Wtb. 756), dann weiter auf urkeltisch *saleno-, älter 
* saleino-"), das seinerseits zu lat. salinus, Adj., salinae „Saline“, 
salinum „Salzfaß“ (Plautus Persa 267) in nächster Beziehung zu 
stehen scheint. Daß das lateinische -inus z. T. auf ein älteres 
-eino- zurückgeht, wird auch durch Entsprechungen wie lat. ana- 
tina „Entenfleisch“, porcina „Schweinefleisch“, caro ferina „Wild- 
bret“, räpina „Rübenacker, Rüben“ (semasiologisch salinae am 
nächsten stehend), lit. dntiena, parsiend, Zveriend, ropienà, dasselbe, 
wahrscheinlich gemacht. Weiter erinnert ein solches saleino-, 
zunächst wohl adjektivisch, dann im Keltischen als Stoffbezeich- 
nung substantiviert, an die iranischen Stoffadjektiva auf -aina- 
(Brugmann, Grdr.” II 1, 275): av. zaranaena- „golden“, zamaena- 
„irden“, ?zaena- „ledern“, apers. ada”gaina „steinern“. 

Neben diesem n-haltigen Adjektivformans steht bekanntlich 


1) Eine Vereinfachung des aus 2 entstandenen Diphthonges in bestimmten 
Lautverbindungen hat auch im bretonischen Dialekte von Vannes stattgefunden: 
halen „Salz“ (*haloen, *haloan, vgl. oben), blé „an“, bléùeh „année“, in Léon 
bloaz bzw. bloavez, ky. blwydd, ir. bitadain (ebenso fréh, Léon frouez, ky. 
frwyth aus lat. fructus), während sonst für ky. wy, westbretonisch (Léon) oa 
im Vannetais in der Regel oé erscheint: skoé „Schulter“, Léon skoaz, ky. 
ysgwydd, ir. scíath „Schulterblatt, Schwinge“ (Pedersen I 76), koer, Léon koar, 
ky. cwyr aus lat. cera, koén, Léon koan, ky. cwyn-os (Pedersen I 208) aus 
lat. cena, loé „Löffel“, Léon loa, ky. llwy, ir. ltag (wie lat. ligula zu Aeixyw 
„lecke“, Walde, LEW.? 430) usw. 


D Zur Verdopplung des » im Irischen vgl. Pokorny, Altir. Gr. 8 92; 
Pedersen, VG. II 109. 


144 J. F. Lohmann, Lat. iter. — F. Specht, Lat. sidus; rüupes. 


in der gleichen Funktion ein erheblich weiter verbreitetes -e?o- 
(Brugmann a.a. O. 198f., vgl. ai. hiranydyah „golden“ neben av. 
zaranaena- dass., lat. aureus, gr. xovosos usw.), und dasselbe -ez;o- 
erscheint dann weiter in substantivischer Funktion als stamm- 
bildendes Suffix alter neutraler Wurzelnomina, vgl. gr. öoreov 
„Knochen“, ai. dsthi, asthndh, ai. hrdayam, av. zaredaya- „Herz“ 
zu ai. härdi, hrdi (lit. Sirdis, abg. srbds-ce, armen. sirt, sirti- usw.), 
lat. hordeum neben gr. xoi (<*xgi9), J. Schmidt, Pluralbldg. 250. 
Nun war das Wort für das Salz ja wahrscheinlich ursprünglich 
ebenfalls ein derartiges Wurzelnomen. Es erscheint als solches 
mit ¿ erweitert in lat. sale (Varro bei Nonius 223M; caeruleum 
spumat säle, Ennius Ann. Vers 385 bei Vahlen’), gr. Gi, abg. 
solb, lett. säls, Akk. sàli, ir. sail- in sailchithen gl. salinarum 
(Walde-Pokorny, VW. II 452), mit n (vgl. ai. ásthi, asthndh) in 
gr. diaoıw Ze, abg. slanz, russ. solonyj, urslav. *solns „Salz-, 
salzig“ (J. Schmidt a. a. O. 253 bzw. 182f.). Es sieht also so aus, 
als ob das keltisch-lateinische *saleino- einerseits eine Kombina- 
tion dieser beiden Stammerweiterungen darstellte, andererseits 
aber auch in Beziehung zu dem Adjektivformans -eino- stände. 
Berlin. J. F. Lohmann. 


` Lat. iter 
gehört wohl zunächst zu itäre (umbr. etaians „itent“, etato „itate“, 
air. eth(a)im „gehe“ [o. XXX 71ff.], gr. itņn-téov, elisch &nav-ıra- 
xog, Part. Perf. Akt., „reversus“, Brugmann, Grdr. II*3, 212). Zur 
Bildung vergleiche avest. tačar n. „Lauf, Bahn“ (tak- „laufen“). 
Berlin. J. F. Lohmann. 


Lat. sidus. 

Fröhde, BB. XIV 111 hat lat. sidus zu lit. svidus „glänzend“, 
svidü, svideti „glänzen“ gestellt. Die Zusammengehörigkeit beider 
Wörter wird klar durch Daukšas Postille 5495, kur svetieii svides 
kaip Zväizdes ant amžinų ámžių. 


Halle (Saale). F. Specht. 


Lat. rupes. 
Lat. rūpēs hat eine genaue Entsprechung in lit. rupis, dessen 
u lang sein kann. Das Wort ist mir nur bekannt aus Daukšas 
Postille 4675. Tu essi Céphas, o Céphas Žydiškai ir Syriyškai iz- 
guldžias rupis arba uołá. Es bedeutet also „Fels“. Wechsel 
zwischen &- und i-Stämmen ist lit. ganz gewöhnlich. 
Halle (Saale). F. Specht. 


JE E enen EEE p EEE, = ii . = — _ 


mmm, Q a. wëlt, unuy nn iin. 


< k PER K —1 un = ` 
x a em ç š 
= k EA. = E 
weg ` 


 Zetidgt Tur 
vergleichende‘ 
` Spradhforfdhung 


auf dem Gebiete der 


` Imdogermani en Sprachen 


BEGRÜNDET VON A.KUHN 


NEUE FOLGE / VEREINIGT MIT DEN 
Beiträgen zwe Kunde 
der mdogermanifhen Sprachen 


ie e VON A.BEZZENBERGER 


HERAUSGEGEBEN VON 
WILHELM SCHULZE UND HANNS (CERTEL 


59. BAND 
3./4. HEFT 


keng LI) ide! 
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au CAS 


A VA 
Lee Siotatcn NEE 


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Auf die anliegende Bejtellfarte des Verlages Walter de Gruyter weijen wir empfeblend bin. = 


Inhalt. 


F. Hartmann, Die Verbalsysteme der Schulsprachen (im Anschluß an einen 
1927 in Göttingen auf der Philologentagung gehaltenen Vortrag) . 

W.Schulze, Porsenna, Tolumnius und Mastarna . i 

H. Lewy, Etymologien. 1. Tedgyılos. 2. @Zoaxóoos. 3. Gene 4. Weitere Bei- 
spiele für Dissimilation. 5. xgarjoas. 6. Kvvöpaloı. 7. Aí% als Wind- 
name. 8. Weitere Beispiele für Wortkürzung. 9. udn. uaoyxain. 
10. Aaßdßno. 11. alyin „Ring“ und stammverwandte Wörter. 12. Lat. 
mappa. 13. Bıldzıov. 14. BR š š 

W. Schulze, Putedli . š š ° 

H.Lommel, Ablauts-Betrachtun ai 

W. Kioemann, Germ. *swerda- "eenig 

H. Sköld, Sudanparallelen zur grischischen Tanien TEE $ 

W. Sebhalee Toh; eo, < > EA E E » Sec 

F.Specht, Die Flexion der »-Stämme im Baltisch- Karischen and Verwandten, 

E. Hofmann, Register . 

Berichtigungen 

Titelblatt und Jahresinhalt EN ie am ` Schluß des Heftes, 


Preis des Doppelheftes in der Reihe 8 RM., einzeln 10 RM. 


Seite 


145 
178 


Beiträge, die allgemein sprachwissenschaftliche Fragen behandeln, oder die sich 
auf die asiatischen Indogermanen beziehen, wolle man an Prof. Dr. Hanns Oertel, 
München 27, Pienzenauerstr. 36, solche, die den indogermanischen Sprachen Europas 
gewidmet sind, an Prof. Dr. W. Schulze, Berlin W.10, Kaiserin Augustastr. 72, senden. 

Besprechungen können nur solchen Werken zugesichert werden, welche ein 


Herausgeber erbittet. 


Vor kurzem ist erschienen: 


Grammatik des neutestam. Griechisch 


von Friedr. Blaß urd Alb. Debrunner. 6. durchges. und 
erweiterte Aufl. 1931. XX, 3688. gr.-8°. Geh. 8.10, Lwd. 9.90 RM. 
Nachträge für die Besitzer der 5. Auflage 1,60 RM. 


„In der neuen Gestalt ist Blaß/Debrunner ohne Zweifel die zweckent- 
sprechendste Grammatik zum N.T., die wir haben. Man möchte sie gern 
in der Hand eines Jeden sehen, der sich mit wissenschaftlichem, ernstem Studium 
des N.T. befaßt.“ (Theologie der Gegenwart.) 

„Die Neuauflage des altbekannten Werkes stellt in seinem Text einen fast 
unveränderten Abdruck der fünften Auflage dar. Diesem ist ein Anhang von 
32 Seiten Kleindruck beigegeben, der die Nachträge und Berichtigungen enthält, 
die aus Ersparungsrücksichten in dieser Form hinzugefügt werden mußten. Ein 
am Rande des Textes beigesetztes N verweist den Benützer auf den Anhang, 
auf den auch das Wort-, Sach- und Stellenregister Rücksicht nimmt, so daß die 
große Menge neuen Stoffes leicht zugänglich gemacht wird. Was die dem NT 
nahestehende Literatur anbetrifft, wurden die apostolischen Väter mehr aus- 
gewertet als in den früheren Auflagen; zum ersten Male der Diognetbrief, Ignatius 
und die Didache. Die moderne Fachliteratur ist in einer seltenen Vollständig- 
keit, von den in den letzten Jahren erschienenen Standard-Werken angefangen, 
bis auf kleine Notizen in entlegenen Zeitschriften herab aufgenommen worden. 
Wollte man ein wahrheitsgemäßes Bild von der Bereicherung des Werkes geben, 
so müßte man den ganzen Anhang vorlegen. Denn nur wenige Abschnitte des 
Textes sind nicht ergänzt und neu beleuchtet... Die Fülle des Gebotenen wird 
künftighin den „neuen Debrunner/Blaß“ zu einem ebenso unentbehrlichen Hilfsbuch 
für jeden Bibelforscher und Gräzisten machen, wie es die früheren Auflagen ge- 
wesen sind.“ (P. Wahrmann, Indogerm. Forschungen, Bd. 2, 1931.) 


Verlag von Vandenhoeck & Ruprecht in Göttingen 


Felix Hartmann, Die Verbalsyteme der Schulsprachen. 145 


| Die Verbalsysteme der Schulsprachen 
(im Anschluß an einen 1927 in Göttingen auf der Philologen- 
tagung gehaltenen Vortrag). 

Den äußeren Anlaß zu den folgenden Ausführungen gab die 
oft gemachte Beobachtung, daß trotz aller historischen Sprach- 
wissenschaft eine starke Neigung besteht, Dinge gleicher Be- 
nennung auch als gleich anzusehen und sich über die geschicht- 
liche Entwicklung, die doch die Verschiedenheit der Verwendung 
erklärt, hinwegzusetzen. Die Beobachtung trifft ebenso für die 
Nominalflexion wie für die Konjugation zu, schneidet aber beim 
Verbum tiefer ein und begegnet erfahrungsgemäß weit häufiger, 
obwohl doch allgemein bekannt ist, daß das Griechische die alt- 
indogermanische Flexion noch recht getreu widerspiegelt, während 
sich das Lateinische ein ganz abweichendes Verbalsystem neu 
geschaffen hat. Die romanischen Sprachen bilden dies lateinische 
Verbalsystem in eigenartiger Weise weiter, sie unterscheiden sich 
also sowohl vom Lateinischen als vom Griechischen; ganz ab- 
weichend hat sich das Deutsche entwickelt, und auf germanischem 
Gebiet wiederum das Englische abweichend vom Hochdeutschen, 
aber vielfach übereinstimmend mit den nordischen Sprachen. Hier 
ist überall große Vorsicht geboten, und schon in der Verwendung 
der gleichen Fachausdrücke für sachlich gänzlich verschiedene 
Formenkategorien liegt eine große Schwierigkeit, die zwar dem 
Spezialforscher wohlbekannt ist, die aber dennoch nicht immer 
die nötige Beachtung findet. Es soll daher im Folgenden einmal 
der Versuch gemacht werden, an einer kurzen Oharakterisierung 
der Verbalsysteme der Schulsprachen, die ja gleichzeitig auch die 
Träger der Kultur der heutigen Menschheit sind, zu zeigen, welche 
Fülle schwierigster Fragen bei ihrer Entstehung und allmählichen 
Umbildung Beachtung verlangen, und es wird sich bei dieser 
Betrachtung ergeben, daß in diesem Komplex von Erscheinungen, 
in dem steten Hin und Wider gegenseitiger Beeinflussung, eine 
Menge ungelöster Probleme schlummert, die laut nach Lösung 
ruft und nur durch intensive Zusammenarbeit vieler Forscher 
Schritt für Schritt aufgehellt werden kann. Vor allem aber soll 
gezeigt werden, daß besonders die Entwicklung der modernen 
Verbalsysteme nicht ohne stetes Zurückschauen auf den Gang 
ihrer Ausbildung, auf die gegenseitige Beeinflussung, ja auf die 
veränderten Bedürfnisse, auf die eigenartigen und fortwährend 
wechselnden Lebensformen der Völker verständlich wird. Die 

Zeitschrift für vergl. Sprachf. LIX 3/4 10 


146 Felix Hartmann 


einseitige Betrachtung der einzelsprachlichen Formensysteme und 
ihrer Verwendung muß überall zu falschen Ergebnissen führen, 
oft wird der Sinn einer Neuerung erst klar, wenn ihr Fortwirken 
in späterer Zeit oder in einer entlehnenden Sprache verfolgt wird; 
hier erwächst in verhältnismäßig kurzer Zeit aus einzelnen, be- 
schränkten formalen Mitteln eine überraschende, fein nuancierende 
Formenfülle, dort geht ein großer Teil altererbter Formen spurlos 
zugrunde, an andern Stellen bemüht man sich gleichzeitig 
durch verschiedene Mittel eine notwendig werdende Ausdrucks- 
form zu schaffen, nach kürzerem oder längerem Kampf siegt 
unter den verschiedenen Versuchen hier der eine, dort ein anderer; 
nicht selten dringt ein solcher Versuch, bald aus lautlichen Gründen, 
bald durch die Ungunst der Zeiten gehindert, nicht durch, die 
Neugestaltung sinkt wieder unter. 

Um die Aufhellung dieser zentralen Probleme der Morphologie 
haben sich schon Grimm, Diez, Miklosich, Schleicher mit Erfolg 
bemüht; seit ihrer Zeit hat sich aber auf dem Gebiet der idg. 
Lautlehre ein bedeutender Umschwung der Ansichten vollzogen, 
der auch tief in die Beurteilung der morphologischen und syn- 
taktischen Fragen übergreift. Für die lebenden Sprachen ist zwar 
der Gang der Entwicklung der Formenbildung in den wesent- 
lichen Teilen sichergestellt, aber für die älteren Sprachen bleibt 
des Unerklärten und Unverstandenen noch sehr viel übrig. Leider 
hat sich das sprachliche Interesse heutzutage überwiegend ganz 
anderen Fragen zugewendet; es ist aber mein Wunsch, im fol- 
genden zu zeigen, daß das Studium der Morphologie der geschicht- 
lichen Sprachforschung Stoff in Hülle und Fülle darbietet und 
dabei den idealen Zustand aufweist, daß der Philologe den Pro- 
blemen gegenüber ratlos bleibt, wenn er nicht sprachwissenschaft- 
liche Schulung besitzt, daß aber umgekehrt auch die Methode 
der Sprachforschung versagen muß, wenn sie nicht durch die 
minutiöse Kleinarbeit des Philologen gestützt wird und wenn sie 
sich nicht um das genaue und sichere Verständnis jeder einzelnen 
Form bemüht, die in dem Aufbau des Formensystems irgendwo 
und irgendwie eine Rolle spielt. Daß sich bei der Erörterung 
solcher Probleme die Fragen der Lautentwicklung, Formenschöp- 
fung und Bedeutungsgestaltung überall berühren und durch- 
dringen, weiß jeder Kundige; dadurch wächst die Schwierigkeit 
der Fragen, aber auch der Reiz ihrer Behandlung und der Wert 
ihrer Lösung, soweit solche Lösungen gelingen. Aber jede Unter- 
suchung dieser Fragen ist von vornherein zum Scheitern bestimmt, 


Die Verbalsysteme der Schulsprachen. 147 


wenn sie nicht den morphologischen Charakter der Sprachen, 
die dabei verglichen werden, beachtet und wenn sie Formerklä- 
rungen oder Bedeutungsbestimmungen aufstellt, die dem Ent- 
wicklungsgang der Einzelsprache widersprechen. Das zeigt sich 
nirgend augenfälliger als am Griechischen. Auf dem ungemein 
fruchtbaren Boden dieser Sprache schießen wie in einem verwil- 
derten Garten mannigfaltige Neubildungen ganz unabhängig von 
einander tippig empor; hier gelangt diese, dort jene Form zur 
Herrschaft; die Dialekte gehen oft weit auseinander. Schließlich 
werden die meisten Verschiedenheiten durch die große Walze 
der hellenistischen Gemeinsprache eingeebnet; aber so erstaunlich 
das bei dem ungeheuren Wechsel. des Sprachgebrauchs sein mag: 
das System als Ganzes bleibt im wesentlichen unver- 
ändert, auch das heutige Neugriechische führt trotz einiger Ver- 
luste und Umbildungen (Rut, Inf. Perf.) das alte System des 
griechischen Verbums weiter und gestattet nur erst zögernd ge- 
wisse Anpassungen an den westeuropäischen Tempusgebrauch. 

Ganz anders verläuft die Entwicklung auf der Apennin- 
halbinsel. Auch hier beobachten wir im dritten, z. T. selbst ` 
noch im zweiten vorchristlichen Jahrhundert eine Überfülle von 
Formen und ein Nebeneinander verschiedener Bildungsrichtungen 
und Möglichkeiten; aber ähnlich wie mit der Mannigfaltigkeit der 
italischen Nationen und Sprachen und Regierungsformen werden 
die Römer auch mit den luxuriierenden Gliedern des Verbalsystems 
überraschend schnell und sicher fertig, und der neue, vom 
ererbten System völlig abweichende Bau ist, vergleichbar 
den Glanzleistungen der Römer in der Gestaltung der Staatsform, 
des Rechts, wie für die Ewigkeit geschaffen: er hat nicht nur 
das Altertum überdauert, sondern auch die Grundlage für die 
Verbalsysteme der romanischen Sprachen abgegeben, ja weit 
darüber hinausgehend hat er den germanischen Sprachen als 
Muster für Neuschöpfungen gedient und wirkt in dieser Weise 
noch immer weiter. 

Das Schicksal des germanischen Verbums ist nämlich von 
dem des griechischen und lateinischen sehr verschieden gewesen, 
man kann sagen, es hat sich in der entgegengesetzten Richtung 
entwickelt. Hier ist das Auffallende nicht die Fülle der Formen 
und Formengattungen, nicht die straffe, zweckmäßige Organisa- 
tion des Gesamtbaus, sondern die außerordentliche Knappheit der 
schließlich erhaltenen Ausdrucksmittel, der gänzliche, restlose 


Untergang großer Formenkategorien, die wir in den südeuropäi- 
10* 


148 Felix Hartmann 


schen Sprachen teils erhalten, teils umgebildet, aber doch fort- 
geführt sehen. Der gänzliche Untergang des Aorists, des Konjunk- 
Dep und des Mediums, von dem nur das Gotische eine schwache 
Erinnerung bewahrt, führen bis kurz vor der Blüte des Mittel- 
hochdeutschen zu einer bitteren, drückenden Armut, und der 
damals herrschende Mangel ist in den jetzt lebenden Dialekten 
auch heute noch nicht überwunden. Zu seiner Milderung werden 
in Deutschland seit der karolingischen Renaissance, in England 
wohl schon früher, immer erneute Versuche gemacht; bei manchen 
dieser Versuche, z.B. bei der Verwendung der Präpositionen im 
Gotischen, kommt es wenigstens vorübergehend zu einer fühl- 
baren Erleichterung der Formennot. Als schließlich aber das 
Vorbild des Lateinischen und des Romanischen wirksam zu werden 
beginnt, sind die altgermanischen Dialekte schon räumlich, politisch 
und phonetisch so weit getrennt, daß im Deutschen, Niederländi- 
schen, Englischen, Nordischen z. T. stark abweichende Lösungen 
des Problems einer zweckmäßigen Umgestaltung des Verbal- 
systems zustande kommen. 

Was hier die gemeinsame Arbeit des Philologen und des 
Sprachforschers besonders auf sich lenken sollte, das sind die 
meist noch zu wenig beachteten Übergangsperioden mit ihren Um- 
bildungsversuchen weniger der Formen, als der Formensysteme. 
Am besten ist hier auf romanischem Gebiete vorgearbeitet; hier 
steht als Ausgangspunkt das lateinische Verbalgebäude dem ita- 
lienischen, französischen, spanischen, portugiesischen gegenüber; 
über den Gang der Entwicklung besteht kaum irgendwo ein 
ernster Zweifel. Grade die leisen Abweichungen im Bau der ein- 
zelnen romanischen Sprachen sind besonders lehrreich; sie zeigen, 
wie Tempus und Modus ineinanderfließen, wie gleichbedeutende 
Formen auf verschiedenen Wegen zu stande kommen, und wie 
schließlich der struggle of life über Tod und Leben entscheidet, 
oder um es ganz prosaisch mit Horaz auszudrücken, der usus, 
quem penes arbitrium est et ius et norma loquendi. 

Aber während die tatsächlichen Vorgänge durchaus klar vor 
Augen liegen, fehlt doch über den Grund der Systemänderung 
und der Bedeutungsverschiebung noch jede Untersuchung, ja sogar 
jede Vermutung. Es fehlt, nachdem Lautlehre und Morphologie 
gesprochen haben, die Mitwirkung der historischen Syntax, die, 
unter Anpassung an die Absicht des Sprechenden, einfühlend fest- 
zustellen sucht, was die neue Form leisten sollte und worin die 
alte versagte. Es genügt nicht, darauf zu verweisen, daß aus 


Die Verbalsysteme der Schulsprachen. 149 


den seit Plautus belegten, schon im klassischen Latein überall 
begegnenden Verbindungen wie cognitum, perspectum habeo, de- 
prensum, captum teneo die Formen des romanischen Perfektums 
erwachsen sind; denn daraus ergibt sich nicht, worin je connus 
von fai connu abweicht, warum und wann so oder so gesagt wird. 
An und für sich handelt es sich dabei um Vorgänge, die sich in 
wechselnden Formen immer von neuem wiederholen: entweder 
tritt dort, wo dieselbe Form mehrere Funktionen vereinigt, mit 
der Zeit eine formelle Spaltung ein, indem die eine Funktion mit 
der ursprünglichen Form verbunden bleibt, die andre dagegen 
sich eine neue, den Unterschied scharf betonende Form schafft, 
oder aber es fließen dort, wo zwei Formen mit verwandten Funk- 
tionen nebeneinander bestanden, durch allmähliche Angleichung 
der Bedeutungen die beiden Funktionen so zusammen, daß die 
Unterscheidung überflüssig wird, und endlich eine der beiden 
Nachbarformen zugrunde geht. Im ersten Fall wächst der Formen- 
schatz und die Zahl der Ausdrucksmittel: die Sprache verfeinert 
sich. Im zweiten Fall verarmt die Sprache, verzichtet auf feinere 
Unterscheidungen, wird hart und unbiegsam. Es gab einmal eine 
Richtung in der Sprachbetrachtung, die, von ganz ungenügender 
Induktion ausgehend, den Formenreichtum an den Anfang stellte 
und die historisch belegten Formen daraus durch Entstellung und 
Verderbnis ableiten wollte; das ist theoretisch wohl allgemein 
überwunden, hat aber in der Praxis noch nicht die nötigen Kon- 
sequenzen gezeitigt, sonst hätte man der formen- und system- 
bildenden Kraft der Einzelsprachen und besonders den Ursachen 
und Gründen formaler Neuerungen schon längst größere Auf- 
merksamkeit zugewandt. Es ist schon a priori unzweifelhaft, läßt 
sich aber zuweilen mit überraschender Sicherheit nachweisen, daß 
Fortschritte und Rückschritte der sprachlichen Ausdrucksfähigkeit 
aufs engste mit Hebungen und Senkungen der allgemeinen Kultur- 
lage eines Volkes und diese wiederum aufs engste mit Verschie- 
bungen der führenden Volksschichten und äußeren politischen 
Ereignissen zusammenhängen. Aber es ist auch sehr gefährlich, 
aus bestimmten, oft zeitlich eng begrenzten syntaktischen Aus- 
drucksformen allgemeine Schlüsse auf den Volkscharakter im 
ganzen oder auf Eigenheiten bestimmter Volksschichten zu ziehen, 
wobei meist nicht viel mehr als stark subjektiv gefärbte Einzel- 
urteile herausspringen. 

Das Wesen der Aufgabe, die bei der hier geforderten Sprach- 
betrachtung geleistet werden soll, liegt in der Vereinigung sprach- 


150 Felix Hartmann 


wissenschaftlicher und philologischer Methode. Man darf nicht 
bloß, wie es in der Lautlehre vorzugsweise üblich ist, rückwärts 
blickend bis zu dem Punkt zu gelangen suchen, wo die Sprach- 
mittel mehrerer Sprachen identisch werden; das ist die rein 
sprachwissenschaftliche Seite der Betrachtung, die das Erbmaterial 
feststellt, mit dem der Systembau unternommen wird. Sie muß 
aber durch die Leistung des Philologen ergänzt werden, der nun 
festzustellen hat, in welcher Weise das Erbgut verwendet wird, 
wie es entweder ausgebaut, durch Umgestaltung vermehrt, durch 
Hilfswörter erweitert oder wie es anderseits durch Verzicht auf 
Überflüssiges vereinfacht, durch Anpassung an neue Ziele in 
seiner Funktion modifiziert wird’). Die gemeinsame Arbeit des 
Sprachforschers und des Philologen tritt auf diesem Gebiete wohl 
deshalb verhältnismäßig selten in Erscheinung, weil die rückwärts 
gerichtete Betrachtungsweise des Sprachforschers meist in Sprach- 
perioden führt, die durch weite Zeiträume, oft durch viele Jahr- 
hunderte, von den literarischen Denkmälern getrennt sind, die 
der Philologe bearbeitet; die weite Kluft zwischen den Arbeits- 
feldern erschwert die Verständigung und erklärt auch die nicht 
seltenen verfehlten Versuche, Spracherscheinungen, die nur aus 
dem Sonderleben der Einzelsprache verständlich werden können, 
mit einem allgemeinen logischen oder psychologischen oder am 
liebsten psychoanalytischen Maßstabe zu messen, für den die 
untersuchten Dinge gänzlich inkommensurabel sind. Selbst das 
Ungereimteste bleibt dabei nicht unversucht: man beurteilt noch 
immer hin und wieder ein ganz urwüchsiges, dem erreichbaren 
Zustande der Ursprache sehr nahestehendes Verbalsystem wie das 
griechische ganz dreist und naiv nach dem Muster des lateini- 
schen, das doch um tausend Jahr jünger ist, vor unsern Augen 
aus einem älteren Zustande ersteht und seinerseits nur beurteilt 
werden kann, wenn es an den Zwecken gemessen wird, denen 
es zu dienen bestimmt ist. Den methodischen Grundsatz, den 
Ernst Cassirer in seiner „Sprache“ für die Beurteilung der sym- 
bolischen Formen. aufstellt, jede Erscheinung mit dem ihr eigen- 
tümlichen Maßstab zu messen, gilt es bei der Morphologie der 
Sprachen ganz besonders zu beachten. 

1. Von den Verbalsystemen der Schulsprachen steht, wie eben 
gesagt, das griechische dem ursprachlichen sehr nahe, ja man 
darf sagen, daß es alle wesentlichen Züge des ursprachlichen 


1) Vgl. hierzu meine Besprechung von P. Chantraine, Histoire du parfait 
grec im Gnomon 6, 1930, S. 177. 


Die Verbalsysteme der Schulsprachen. 151 


Systems bewahrt, obwohl es das ursprüngliche Verhältnis der 
einzelnen Formengruppen schon stark verschoben, einige stark 
eingeschränkt, andere in gradezu hypertrophischer Weise fortent- 
wickelt hat. Nun ist aber alles, was wir vom Verbalsystem des 
ungetrennten Indogermanischen zu wissen glauben, Rekonstruk- 
tion, und im Wesen der Rekonstruktion liegt es, daß nicht alle 
erschlossenen Einzelheiten als gleich sicher bekannt gelten dürfen. 
Grundlagen für die Erschließung liefern außer dem Griechischen 
fast nur das allerälteste Indische und Iranische, und bei diesen 
beiden Sprachen bereitet der Charakter der erhaltenen Literatur- 
werke der genauen syntaktischen Bestimmung der einzelnen 
Formengruppen recht erhebliche Schwierigkeiten, so daß sie im 
allgemeinen mehr Licht vom Griechischen empfangen als auf dies 
zurückstrahlen. Es bestehen zunächst drei Stammgruppen, die 
man Präsens-, Aorist- und Perfektstammgruppe nennt. Jede dieser 
Gruppen ist vollkommen selbständig und von keiner kann auf 
die Existenz einer der andern Gruppen geschlossen werden. Aber 
nicht alle Gruppen sind gleich lebenskräftig und formbar; beim 
Aorist gibt es eine abgestorbene, nicht mehr zu Neubildungen 
verwendbare Gruppe, die nahezu ausschließlich auf die ältesten, 
einfachsten Verbalstämme zurückgeht. Daneben besteht eine ver- 
mutlich jüngere Bildung mit einer s-Erweiterung, der sogenannte 
sigmatische Aorist, der auch von jüngeren, abgeleiteten Verbal- 
stämmen gebildet werden kann. Noch enger begrenzt ist der 
Gebrauch des Perfektums, das in seiner ursprünglichen Form nur 
von bestimmten „Wurzeln“ ältester Prägung gebildet wurde und 
erst ganz allmählich in einer besondern Bildung den abgeleiteten 
Verbalstämmen zugänglich wird. Die Präsensgruppe hat zwar 
die ursprünglich weit zahlreicheren w-Bildungen großenteils in 
die »-Flexion übergeführt, aber doch alle Einzelformen der w- 
Flexion mit einer Ausnahme erhalten; die &-Konjugation ist aber 
ihrerseits in einer ganz außerordentlichen Weise erweitert worden, 
so daß die Anzahl der dem Griechischen geläufigen Präsensbil- 
dungen die Zahl der aus der Ursprache ererbten beträchtlich 
übertrifft und besonders die stetig wachsende Zahl neugebildeter 
Ableitungen aus Wörtern aller Art die ererbten Stammverba bald 
um ein vielfaches überflügelt. In der Ursprache war ferner ein 
Futurum vorhanden, das in übereinstimmender Weise im Grie- 
chischen und Arischen fortlebt und dessen Existenz auch durch 
die im Litauischen und Slavischen erhaltenen Weiterbildungen 
oder Spuren bestätigt wird. Aber dies Futurum war bei der 


152 Felix Hartmann 


Sprachtrennung wahrscheinlich nur erst in der Entwicklung be- 
griffen, übereinstimmende Formen aus mehreren Sprachen sind 
äußerst selten, die im Arischen und Griechischen weiterentwickelte 
Bildung ist im Italischen, Keltischen, Germanischen in gleicher 
Form entweder nie ausgebildet oder frühzeitig wieder aufgegeben 
worden, woraus man schließen darf, daß sie zur Zeit der Spaltung 
der Indogermanen sich noch nicht allgemein und sicher durch- 
gesetzt hatte. 

Dies Futurum bezeichnet im Griechischen und Arischen 
schlechthin die Zukunft, es ist also ein Tempus in dem ge- 
wöhnlichen, der lateinischen Grammatik entnommenen Sinne’). 
Damit aber tritt es in einen starken Gegensatz zu den andern 
drei Stammgruppen, bei denen die nichtindikativischen Formen 
den bündigen Beweis liefern, daß der Stammbildung selbst irgend 
welche Tempusbedeutung nicht innewohnt. Die Stammgruppen 
sind demnach keine „Tempora“ im landläufigen Sinne, man hat 
für das, was sie bezeichnen, den Namen „Aktionsart“ erfunden *, 
auf den nicht eben viel ankommt, wenn man sich darüber einig 
ist, was darunter zu verstehen ist. Allein hier besteht nun wieder 
eine große Schwierigkeit. Der Begriff der Aktionsart ist zuerst 
beim Studium des slavischen Verbums gebildet worden, wo man 
Verba perfektiva und imperfektiva (nicht „Tempora“ oder 
tempusähnliche Formengruppen) unterscheiden lernte. Die Be- 
griffe der abgeschlossenen und der nicht abgeschlossenen Aktions- 
art glaubte man nun in den altindogermanischen und griechischen 
Stammgruppen der Verba wiederzufinden und übertrug sie dem- 
nach ohne weiteres auch auf das griechische Verbum. Mit Un- 
recht. Das Slavische ist erst etwa seit dem achten nachchrist- 
lichen Jahrhundert bekannt; die Unterscheidung der Verba per- 
fektiva und imperfektiva ist allen slavischen Einzelsprachen ge- 
'meinsam, und die Verteilung der Verba auf diese Gruppen ist in 


1) Auf die Vermutungen über die Entstehung des Futurums und die damit 
zusammenhängenden Ansichten über seine Bedeutungsentwicklung gehe ich, weil 
sie mich nicht überzeugen, hier nicht ein. Ein wichtiges Problem bleibt die 
Untersuchung, wie die — trotz Blaß’ Ausführungen im Rhein. Mus. 47 — ursprüng- 
lich einheitliche Tempusbedeutung des Futurums im Neugriechischen, ganz wie 
in den slavischen Sprachen, nach den Aktionen gespalten worden ist. Das 
‚Perfektfuturum, das nur schwach entwickelt ist und mit dem gewöhnlichen Fu- 
turum nicht vermischt wird, kann in dieser Frage keine Entscheidung bringen. 

2) Die slavische Grammatik sagt dafür viď, was mit Aspekt übersetzt zu 
‘werden pflegt. Die neuere Unterscheidung zwischen Aspekten und Aktionsarten 
"bringt wieder Verwirrung in die Terminologie. 


Die Verbalsysteme der Schulsprachen. 153 


so weitem Maße übereinstimmend, daß man nicht umhinkann, sie 
schon für das Urslavische vorauszusetzen. Indes ist kürzlich mit 
guten Gründen gezeigt worden, daß in dieser Einordnung der 
Verba in perfektive und imperfektive — der Name ist dem Be- 
deutungsunterschied des lateinischen Perfektums und Imper- 
fektums entnommen — eine slavische Neuerung zu sehen ist, die 
also schwerlich über das fünfte nachchristliche Jahrhundert zurück- 
geht. Aber selbst wenn diese Neuerung viel älter sein sollte, 
bestünde doch kein Recht, sie unbesehen in die indogermanische 
Urzeit zu projizieren; vielmehr ist für die Sprachen, die das ur- 
indogermanische Verbum am treuesten bewahrt haben, also für 
das Arische und das Griechische, im einzelnen festzustellen, was 
in ihnen in ältester Zeit die einzelnen Formengruppen der Verba 
bezeichnet haben, und dann zu untersuchen, wie das Aktions- 
artensystem in ihnen beschaffen gewesen sein mag. Diese Unter- 
suchung ist nur erst eben begonnen und beginnt nur erst 
in ihrem ganzen Umfang als wichtig und nötig erkannt zu werden. 
Dabei hat sich gezeigt, daß das älteste Arische zwar wahrschein- 
lich die Urbedeutung des Aorists noch reiner als das Griechische 
bewahrt, daß es aber die Bedeutung des Präsensstammes und des 
Perfektums von der Urbedeutung schon stark abgebogen hat, 
während im Griechischen zwar die Bedeutung des Aorists viel- 
leicht schon erweitert worden ist, das Präsens aber und besonders 
das Perfektum die ursprüngliche Bedeutung noch treu wider- 
spiegeln. Immerhin ist damit zu rechnen, daß weitere Unter- 
suchungen auf diesem äußerst schwierigen Arbeitsfelde noch 
manche der bisherigen Erkenntnisse stark umgestalten werden. 

Für das Griechische darf als festgestellt gelten, daß der Aorist, 
die in ihrer Bildung einfachste Stammgruppe, die „Handlung“ 
oder den „Vorgang“, den das Verbum bezeichnet, an und für 
sich, als Ganzes, abgeschlossen darstellt, daß das Perfektum, 
die nächst einheitliche Formengruppe, den aus dem Abschluß 
folgenden Zustand benennt, daß aber das Präsens, unter dessen 
Namen zahlreiche, sehr verschiedenartige Bildungen vereinigt 
werden, der Bedeutung einen erheblich weiteren Spielraum läßt 
als Aorist und Perfektum, indem es Beginn, Verlauf und 
Wiederholung bezeichnen kann. Alle diese Stammgruppen 
können je nach Bedarf von gegenwärtigen, vergangenen und zu- 
künftigen Handlungen, Vorgängen, Zuständen gebraucht werden. 
Beim Indikativ wird die Vergangenheit außer durch die sekun- 
dären Endungen gewöhnlich durch das vortretende Augment, ein 


154 Felix Hartmann 


Adverbium e „damals“, bezeichnet; für Gegenwart und Zukunft 
gibt es ursprünglich keine Unterscheidung, erst gegen den Schluß 
der indogermanischen Periode kommt das Futurum auf, das aber, 
normaler Weise, weil es nicht zum Präsens-, Aorist- oder Perfekt- 
stamm gehört, sondern vom Verbalstamm aus gebildet wird, die 
Unterscheidung von Vorgang, Abschluß und Zustand nicht aus- 
drückt. Daran ganz besonders erkennt man, daß das Verbal- 
system des Indogermanischen nichts Unveränderliches, Unver- 
rückbares war; daneben weisen auch nicht nur die schon gekenn- 
zeichneten Abweichungen des Griechischen, sondern namentlich 
auch der ungemein schnelle Verfall der ganzen Verbalflexion im 
Arischen darauf hin, daß die Umbildung aus dem Aktionsarten- 
system in ein Tempussystem schon vor der Sprachtrennung be- 
gonnen hatte, aber noch zu keinem Abschluß gelangt war. 

So nahe also das griechische Verbalsystem dem ursprüng- 
lichen steht, ist es doch weder mit diesem identisch, noch eine 
fertige, einheitliche Schöpfung, vielmehr trägt es nicht nur die 
Spuren der Herkunft aus einer älteren Bildung, sondern, wie bald 
noch genauer ausgeführt werden soll, die Keime zur Weiterbildung 
an mehreren Stellen in sich, ist aber nie zu einem wirklichen 
Abschluß gelangt, vermutlich deshalb, weil es nicht logisch ge- 
gliedert war und weil im Einklang mit der individualistischen 
Denkweise der Griechen jedes Verbum seiner Grundbedeutung 
entsprechend zwar die damit vereinbaren Formen sämtlich, aber 
auch eben nur diese entwickelte. So gibt es von p&ow „tragen“, 
einem überaus häufigen und aus allen verwandten Sprachen wohl- 
bekannten Verbum, nur Formen der Präsensstammgruppe, denn 
„tragen“ bezeichnet etwas unabgeschlossenes; den Abschluß 
drücken wir im Deutschen etwa durch „hintragen“ oder „bringen“ 
aus, der Grieche bezeichnet es durch den Aorist Äveyxov, &vey- 
xeiv, zu dem wiederum ein Präsens nicht gebildet wird. Ähnlich 
ist es mit öo@v „schauen, beachten“, französisch „regarder“ gegen- 
über ideiv „sehen, voir“, Zoxoucı, elut „ich gehe“ gegenüber 7190» 
„ich kam, gelangte“ und vielen anderen, bei denen wir von 
unserem Standpunkte aus und nach dem Muster der lateinischen 
„Konjugation“ verschiedene Verbalstämme zu einem Paradigma 
vereinigen, die ursprünglich gar nichts mit einander zu tun haben. 
So z.B. wveio9aı „um den Kaufpreis einer Ware feilschen“ und 
rotaodaı „sich etwas verkaufen lassen“ oder n&ovnuı „ich stelle 
zum Verkauf“ und dredöunv „ich ließ mir dafür wiedergeben, 


Die Verbalsysteme der Schulsprachen. 155 


d. h. zahlen“’). Die scharfe Ausprägung der Bedeutung des 
Stammes ist der Sprache also wichtiger als die Zuordnung zu 
einem bestimmten Zeitpunkt. Wenn übrigens die nicht augmen- 
tierten Formen des Präsens- und des Perfektstammes gleicher- 
weise die Gegenwart zu bezeichnen scheinen, so sind sie doch 
keineswegs in temporaler Hinsicht bedeutungsgleich, das Perfek- 
tum bezeichnet die unmittelbare Gegenwart viel klarer und be- 
stimmter als das sogenannte Präsens, das auch zur Bezeichnung 
der zeitlosen oder an keine bestimmte Zeit gebundenen Handlung 
verwendet wird. Man vergleiche: otis ën todo Aéyn ualveraı 
gegenüber ueunvas! „du bist von Sinnen“, oder noAAdxıs ol dodloı 
drrodiöodoxovoıw „es kommt oft vor, daß Sklaven davonlaufen“ 
und ó óoó4os dnoötögaxe „der Sklave ist fort (und ich bin seiner 
noch nicht wieder habhaft geworden)“. 

Sehr auffällig aber ist die Tatsache, daß zum sigmatischen 
Aorist nirgend, zum älteren nichtsigmatisch gebildeten nur ganz 
vereinzelt die dem Präsens entsprechenden nichtaugmentierten 
Indikative mit primären Endungen begegnen. Man hat verschie- 
dene Erklärungen dafür versucht, am liebsten möchte man mathe- 
matisch beweisen, daß solche Bildungen wegen der Bedeutung 
der aoristischen Aktionsart nicht möglich sind. Das ist, a poste- 
riori betrachtet, gewiß richtig, aber mit logischen Deduktionen 
ist derSprachentwicklung nie und nirgend beizukommen. 
In den slavischen Sprachen sind die perfektiven Präsentia genau 
so häufig wie die dem Aorist in der Bedeutung entsprechenden 
Präterita, und sie werden in allgemeiner (d. h. präsentischer), 
aoristischer und besonders in futurischer Bedeutung gebraucht. 
Warum im Griechischen wie im Arischen das „Aoristpräsens“, 
wie man die fehlende Bildung genannt hat, gänzlich fehlt und 
durch das präsentische Präsens ersetzt wird, entzieht sich unserer 
Kenntnis; es muß darin das Ergebnis einer Entwicklung stecken, 
die zur Zeit der Sprachtrennung längst abgeschlossen war und 
sich damals vollzog, als ganz gleichgebildete Präterita wie Zpn» 
und &ornv oder sioun und Zuevov teils die Bedeutung der ver- 
laufenden, teils die der abgeschlossenen Handlung annahmen. 
Diese Spaltung der Bedeutung bei der selben Sprachform ist aber 


1) Umgekehrt sollte man viel häufiger als üblich Präsensstamm und Aorist- 
stamm, dort wo sie von demselben Verbalstamm gebildet werden, durch ver- 
schiedene Verba wiedergeben, so xeisdeıw „auffordern, bitten, mahnen“, xeleö- 
got „befehlen“, dıddvas „anbieten“, doövas „geben“, Bovisdeodas „beraten“, 
BovAevoacdaı „beschließen“, pgalveodaı „scheinen“, payqa, „erscheinen“, 


156 Felix Hartmann 


ein durchaus individueller, nur aus der Bedeutung des einzelnen 
Verbalstamms ableitbarer Vorgang, der an und für sich jeder 
logischen Erklärung spottet und einfach historisch festzustellen 
ist. Man darf dabei vor allem nicht vergessen, daß die alten 
Indogermanen ihre Verbformen nicht wie wir vom Präsens oder 
einer konstruierten Wurzel aus bildeten und daß sich der Aufbau 
und Ausbau eines Verbums oft in einer Richtung vollzog, die 
der uns aus der Grammatik geläufigen grade entgegengesetzt ist. 
So ist letzthin öfter darauf hingewiesen worden, daß zwar bei 
Homer schon zahlreiche Wörter auf -ów belegt sind, aber nur 
erst im Passivaorist auf ann oder im Verbaladjektiv auf -wıdg, 
Präsentia und Imperfekta sind dagegen noch selten. Übrigens 
ist esja nur natürlich, wenn von einem abgeschlossenen Vorgang 
erst (im Indikativ) berichtet wird, wenn er der Vergangenheit 
angehört, und so mögen das gewöhnliche Präsens und das neu 
aufkommende Futurum gemeinsam das allmählich seltener werdende 
Aoristpräsens schon frühzeitig erdrückt haben. Daß dieser Vor- 
gang schon der Ursprache angehört, ergibt sich auch aus dem 
Zeugnis des Lateinischen, das die Unterscheidung der perfektiven 
und imperfektiven Aktionsart nur für die Tempora der Vergangen- 
heit kennt. 

Dieses ererbte Verbalsystem gestalten nur die Griechen 
während des gewaltigen Aufstieges ihrer Literatur zusehends 
reicher. Sie wuchern mit dem ererbten Pfunde, aber alle Aus- 
gestaltungen des Systems erweisen sich doch immer wieder als 
direkte, gradlinige Fortsetzungen des Ursprünglichen und führen 
nicht, wie beim Lateinischen, zu einer gänzlich verschiedenen 
Neuanlage. Ich beschränke die Besprechung auf die bemerkens- 
wertesten Neuerungen. 

a. Eine eigenartige Betonung erhält die Selbständigkeit der 
Aktionsstämme dadurch, daß von allen die Modi Konjunktiv, 
Optativ, Imperativ durchgeführt und auch eigene Nominalformen, 
Infinitiv und Partizipium, abgeleitet werden. Ansätze zu dieser 
Entwicklung begegnen auch in den arischen Sprachen, aber sie 
sind nicht entfernt so konsequent durchgeführt wie im Griechi- 
schen. Nur das neue Tempus hinkt etwas nach: dem Futurum 
fehlt ein Konjunktiv und ein Imperativ: das Tempus verhält sich 
diesen Formengruppen gegenüber anders als die Aktionsart. Die 
erst von der Sprachwissenschaft hervorgehobene, vom Griechi- 
schen treu bis in späte Zeit bewahrte Selbständigkeit der Aktions- 
gruppen wird von unserer Philologie noch immer nicht ausreichend 


Die Verbalsysteme der Schulsprachen. 157 


beachtet und findet in der Schulgrammatik kaum irgendwo Er- 
wähnung. Ich erinnere deshalb an dieser Stelle ausdrücklich an 
die Bemerkung, die Georg Curtius in die Einleitung zu seinem 
„Verbum“ einflicht, daß man zum Verständnis des griechischen 
Verbums nur kommen könne, wenn man sich von der Auffassung 
frei mache, daß von jedem griechischen Verbalstamm sämtliche 
in der Grammatik gelehrten Formen gebildet werden können. 
b. Daß im Griechischen von Anfang an die abgeleiteten Verba 
einen ungewöhnlich großen Raum einnehmen und daß die w- 
Flexion von Anfang an der thematischen gegenüber im Zurück- 
weichen begriffen ist, wurde schon angedeutet. Beide Erschei- 
nungen hängen in gewissem Grade untereinander und gleichzeitig 
mit der Ausbildung des sogenannten Passivums zusammen. Die 
abgeleiteten Verba werden nämlich ganz überwiegend mit einem 
5j-Suffix nach der thematischen Flexion gebildet.. Ihnen entspricht 
im Altindischen die vierte Präsensklasse, zu der aber, wie übrigens 
auch im Griechischen, nicht bloß abgeleitete Verba gehören. Vor 
allem bildet das Altindische von Verben der verschiedensten Art 
mediale Präsentia der vierten Klasse mit ausgesprochen passiver 
Bedeutung. Diese Bildungsweise muß einst auch im Griechischen 
üblich gewesen sein, hat sich hier aber in eigenartiger Weise 
weiterentwickelt‘). Das Griechische bewahrt vermutlich eine 
Eigenart der Ursprache, wenn es jedes Medium, nicht bloß das 
der vierten Präsensklasse, außer in medialer auch in passiver 
Bedeutung zu verwenden erlaubt. Der gleiche Gebrauch des 
Mediums findet sich auch im ältesten Indischen, nur viel seltener, 
da das Indische schon frühzeitig die ausgesprochen passive Be- 
deutung dem medialen Präsens der vierten Klasse vorbehalten 
hat. So liegt neben dem Präsens aktivi der fünften Klasse tanoti 
„spannt, streckt“ nicht nur das gleichgebildete Medium tanute 
(távvtæt) „streckt sich“, sondern auch das Passivum tanyate „wird 
gespannt“ = teiveraı. Im Griechischen ist das bei Homer im 
Medium noch erhaltene Präsens der fünften Klasse durch das zum 
Passivum zeiveraı neugebildete Aktivum reine, zu dem es im 
Indischen keine Entsprechung gibt, ersetzt worden. Das Gleiche 
ist bei gewiß nicht wenigen andern Verben, die ursprünglich der 
uı-Flexion folgten, eingetreten, z.B. deutlich noch bei oxi&w und 
Asien, dem Präsens zu Znepvov, neparaı. Diese Neubildung setzt 
voraus, daß im Griechischen die passive Bedeutung der Medien 


1) Vgl. P. Diels, Jsb. d. schles. Ges. f. vaterl. Kultur 1913. 


158 Felix Hartmann 


allgemein geläufig war und daß die ursprünglich nur passiv ver- 
wendeten Medien der vierten Klasse wie zeiveraı, oxibera, Delve- 
tar nun auch wie andre Media in medialer Bedeutung gebraucht 
werden konnten. Das scheint ziemlich selbstverständlich, muß 
aber doch hier hervorgehoben werden, weil es mit der Bedeutung 
des griechischen Passivums eng zusammenhängt und diese oft 
genug mit der ganz anders entstandenen des lateinischen Passivs 
zusammengeworfen wird. 

Denn es wird wenig beachtet, daß an echt passiven Formen 
im Urindogermanischen nur die Partizipia auf -zós und -vós wie 
tardg „gespannt“, -parós „erschlagen“ und dyvds „geheiligt“, 
oeuvós „verehrt“ und daneben vielleicht ein Gerundivum auf 
-tevjos, griech. -téocs*) vorhanden gewesen sind. Daß die reflexive 
Bedeutung des Mediums der passiven verwandt ist, bestätigen 
andre Sprachen auf Schritt und Tritt; ich erinnere nur an das 
Französische, wo oft, und an das Slavische, wo allgemein das 
Passivum durch reflexive Pronomina ausgedrückt wird. Aber es 
gibt zahlreiche Fälle, in denen keine Sprache ein lebendiges und 
als solches empfundenes reflexives Verbum zur Bezeichnung des 
Passivums verwenden kann. In diesen liegt der Ausgangspunkt 
für die Ausbildung eines besonderen Passivums, wenn eine solche 
zustande kommt. Im Griechischen ist sie nicht zustande ge- 
kommen. Vielmehr gilt die bekannte Beobachtung F. N. Fincks, 
derzufolge die indogermanischen Sprachen sämtlich Sprachen 
hochgesteigerter Aktivität seien, in ganz besonderem Maße vom 
Griechischen, das in zahlreichen Fällen aktive Verba als Passiva 
zu andern verwendet, so dnodvfornw zu dnoxtelvw, ndoxw zu 
now, YPedyw zu dıwrw, Exnino zu Exßdilw usw., bei denen 
deutlich wird, daß dem Griechen auch bei dem, was er erleidet, 
das eigne subjektive Verhalten der fremden Einwirkung gegen- 
über das Wichtigste ist. So erklärt sich auch, daß die im Grie- 
chischen neu aufkommenden Passivaoriste, dorisch auch die 
Passivfutura, rein aktivisch flektiert werden (vgl. unten). 

Es entsteht nun die Frage, welchen Sinn ‘die große Mannig- 
faltigkeit der verschiedenen Präsensbildungen des Griechischen 
hat, die ja, wenn auch in weit geringerer Zahl, im Lateinischen 
vorhanden ist und, wie die dem Griechischen sehr ähnliche Prä- 


1) Das verhältnismäßig späte Auftreten dieser Bildung in der altind. und 
griechischen Literatur darf nicht blind machen gegen die völlige Übereinstim- 
mung in Form und Bedeutung. 


Die Verbalsysteme der Schulsprachen. . 159 


. sensbildung des Altindischen zeigt, auf die Ursprache zurückgeht. 
. Im Lateinischen dienen einige bestimmte Präsensbildungen dem 
. Ausdruck bestimmter Bedeutungsschattierungen, Captare, delec- 
lare, venditare, pulsare, prensare sind in ihrer Bildung leicht ver- 
 ständliche Ausdrücke der Wiederholung, incalescere, extimescere 
u.ä. sind Inkohativa, esurire, parturire Desiderativa, aber das sind 
Neubildungen, die sich bei Bedarf einstellen; die altererbten Prä- 
sentia lassen sich nicht in entsprechender Weise bestimmten Be- 
deutungsklassen zuweisen. Ähnlich liegt es im Griechischen. Es 
gibt eine nicht unbeträchtliche Zahl von Intensivbildungen wie 
TTOEYPÜEW ZU gogo, Nomviw zu nvew, Tovdogdto zu Yögvßog, 
totúw zu ¿roños; es gibt einige Desiderativa auf -oelw, ein 
Versuch für die Vergangenheit Iterativbildungen zu schaffen be- 
gegnet im Ionischen, wird aber bald wieder aufgegeben. Alles 
das sind aber rein griechische Neubildungen, höchstens in den 
Intensiva mag einiges Ererbte erhalten sein. Dagegen von einer 
Ausprägung der einzelnen ererbten Präsensklassen zu bestimmten 
Bedeutungsklassen ist keine sichere Spur zu entdecken. Ver- 
suche hier Unterschiede aufzufinden sind genug gemacht worden; 
die Ergebnisse sind wenig überzeugend, und selbst wenn sie 
Glauben verdienten, herzlich unbedeutend. Es gibt Dee, Ixnv&ouaı 
und ix&vw, es gibt xiyņu, xıyavo und xıyydvow, es gibt Aelnw 
und Aundvo, peúyw und pvyydvw, neddoum und nuvddvouaı, 
anoxselvw und dnoxtivvvu, čyw, loyw, ioxavdw, o%yéðw, uévw, 
uluvo und viele andre Doppelbildungen, und gewiß werden die 
Griechen nicht immer eine ohne Weiteres für die andre Form 
haben einsetzen können; aber wir sind heute nicht mehr im Stande, 
klassenmäßige Bedeutungsunterschiede der Formgruppen zu er- 
schließen. Vielmehr glaube ich, daß die Buntheit der Formen- 
bildung auch zur Buntheit des historisch gegebenen Präsens ge- 
führt hat; wo wie bei ßalvw (venio), Boxe (gacchami), Bißnur, 
Bıßaw, Baöltw anfangs verschiedene Präsensbildungen nebenein- 
anderliegen, siegt doch mit der Zeit eine einzige, die die andern 
verdrängt, aber ihre schwach abweichenden Bedeutungen in sich 
vereinigt. So mag sich erklären, daß der Präsensstamm so weit 
auseinandergehende Bedeutungen wie Eintritt, Zustand, Verlauf, 
Wiederholung, ja im Präsens historikum sogar Abschluß der Hand- 
lung bezeichnen kann, Die historische Betrachtung des Aufbaus 
der Präsensformen führt also zu einer ganz andern Beurteilung 
ihrer Stellung im System des griechischen Verbums, als sie aus 
dem Altertum überliefert ist; wir stellen den zweiten Aorist und 


160 Felix Hartmann 


das Perfektum als einheitliche Bildungen mit einheitlicher Be- 
deutung voran und sehen im Präsens eine sehr bunte und un- 
gleichmäßige Formenmasse, die sich keineswegs immer homogen 
mit den übrigen Stammgruppen verbindet. Es ist erst das Er- 
gebnis einer lange vor Homer einsetzenden, aber nie das Alte 
ganz überwuchernden Entwickelung, wenn das Präsens, von den 
sehr zahlreichen abgeleiteten Verben ausgehend, in den Mittel- 
punkt mancher Verbalbildungen tritt, so daß vom Präsensstamm 
aus Aorist, Perfektum, Futurum gebildet werden. Aber der Um- 
fang dieser Erscheinung darf nicht überschätzt werden, denn die 
große Menge der abgeleiteten Verba bildet zu allen Zeiten nur 
Präsens und Imperfektum. 

c. Eine Sonderstellung nehmen im griechischen Verbalsystem 
die sogenannten „Passivtempora“, die passiven Aoriste und Futura 
ein. Daß in der Ursprache das Medium des Aorists auch in pas- 
sivem Sinne gebraucht werden konnte, ist oben (S. 157) erwähnt; 
diese Verwendung des medialen Aorists begegnet bei Homer noch 
häufig, namentlich bei den altertümlichen Bildungen des soge- 
nannten Wurzelaorists (8Añto, &&taro) und des sigmatischen Aorists 
(züxto, Dënn 3. Dualis, éga), in klassischer Zeit aber scheidet 
die Grammatik medialen und passiven Aorist und, wenn auch 
weniger scharf, mediales und passives Futurum. Diese „Passiv- 
tempora“ sind sämtlich Neubildungen des Griechischen, und zwar 
können wir ihre Ausbildung noch mit ziemlicher Sicherheit ver- 
folgen. Das Sonderbare ist nun aber, daß beide Passivaoriste, 
der ältere zweite wie der jüngere erste, rein aktivisch flektieren 
und auch ihrer Bedeutung nach nicht besonders eng zum Passi- 
vum gehören. Den zweiten Passivaorist erklärt man als athema- 
tische Präteritalbildung zu einer durch 3 erweiterten schwund- 
stufigen Form des Verbalstamms mit intransitiver Bedeutung. 
Solche durch a erweiterten intransitiven Verbalstämme, besonders 
mit Zustandsbedeutung, sind in den verwandten Sprachen weit 
verbreitet, man vergleiche lat. algere, frigere, calere, tepere; ent- 
sprechende Bildungen begegnen in großer Zahl im Slavischen 
und Litauischen; im Griechischen ist nichts häufiger als die Er- 
weiterung des Verbalstamms durch n, dies 7 mag aber sehr ver- 
schiedenen Ursprungs sein. Daß die neue Aoristbildung nur in- 
folge ihrer intransitiven Bedeutung einen dem Passivum ähnlichen 
Sinn annimmt, erkennt man leicht, wenn man sieht, wie sie auch 
in aktiver Bedeutung begegnet: Zrdon, Zoos: ebenso können 
wir bei 2#yn» „ich zerbrach“, ändynv „gefror“, Goen „verfaulte“, 


Die Verbalsysteme der Schulsprachen. 161 


&rdxnv „schmolz“ die aktiv-intransitive Bedeutung gut zum Aus- 
druck bringen und werden dementsprechend auch die übrigen 
Bildungen zu verstehen suchen müssen. 

Ganz anders aber ist die Entstehung des ersten Passivaorists 
verlaufen, der sich vom zweiten scheinbar nur durch den Vor- 
tritt eines 9 vor die ö-Erweiterung unterscheidet. Während der 
zweite zwar nicht leicht, aber doch leidlich plausibel an die e. 
Bildungen des Griechischen und anderer Sprachen angeknüpft 
werden kann, bietet keine indogermanische Sprache etwas dem 
ersten Passivaorist Vergleichbares, auch zu den Präsensbildungen 
mit -9w und zu Aoristen wie doye$o» führt kein gangbarer Weg. 
Überzeugend dagegen ist die von Jakob Wackernagel aufgestellte 
Erklärung der Form, wenn man sie richtig in die Entwicklungs- 
geschichte des griechischen Verbums einordnet. Einst war die 
normale Sekundärendung der zweiten Person des Mediums due, 
der sigmatische Aorist von uelyvuu flektierte also im Medium 
Zueiyunv Gusti čueixto usw., Formen die auch in passiver Be- 
deutung bei Homer begegnen können. Aber die zweite Person 
fällt aus dem Paradigma heraus, man hat dazu die erste Zueiydnv, 
die dritte Zueiy9n gebildet und so die ganze Flexion nach dem 
nahezu gleichbedeutenden 2wiyn» „ich mischte mich, geriet unter ..“ 
ausgestaltet und durchgeführt. Anderseits bestand das Bedürfnis, 
das bei Konsonantstämmen vor den Medialendungen überall außer 
in der dritten Person Pluralis lautgesetzlich ausfallende o, den 
eigentlichen Tempuscharakter der Bildung, durch einen stützerden 
Vokal o wie entsprechend im Aktivum, vor dem Verschwinden 
zu schützen; so entstand Zusu&dunv ucio Zueldaro. Die beiden 
aus gleicher Wurzel erwachsenen Bildungen teilten sich dann in 
der Weise in das ursprünglich von Zuelyunv allein beherrschte 
Gebiet, daß Zusı&dunv nur medial, Zueiydn» intransitiv und passiv 
verwendet wurde. Eine besonders einleuchtende Bestätigung 
findet diese Erklärung durch die bei Homer vorkommenden Formen 
des Aorists von ddw, hier begegnen daodun» und dou (mit 
o!) in vollkommen gleicher Bedeutung „ich wurde verblendet, 
habe mich betören lassen, bin in Schuld verstrickt worden“. Nach 
dieser Erklärung haben wir im ersten Passivaorist ein besonders 
eindringlich sprechendes Beispiel für den Vorgang, den man 
(falsche) Analogie nennt. Der Passivaorist ist ein aus einer Me- 
dialform entwickeltes aktives Tempus, das neben intransitiver oft 
auch passive Bedeutung annehmen kann. Besonders wo wie. bei 
&ulynv und Zuslx$7» beide „Passivaoriste“ vorliegen, neigt der 

Zeitschrift für vergl. Sprachf. LIX 3/4. 11 


162 Felix Hartmann 


zweite (£ulynv) zur intransitiv-medialen, der erste (2ueiyd») zur 
passiven Verwendung’). 

Anders liegen die Dinge bei den Passivfutura. Ein Futurum 
auf -9rooucı konnte sich natürlich erst entwickeln, nachdem der 
Aorist auf un fest eingebürgert war und überwiegend passive 
Bedeutung angenommen hatte. Ein Bedürfnis nach einer solchen 
neuen Form bestand aber nicht, das Medialfuturum hatte nach 
allgemeiner griechischer Gepflogenheit auch passive Bedeutung. 
So begegnet dann ein Futurum auf -9Zooua, bei Homer über- 
haupt noch nicht; aber auch zu den Bildungen auf un wie ŝul- 
ynv brauchte man anfangs kein Futurum, da es doch in der Be- 
deutung mit Bildungen wie vel&oucı zusammenfallen mußte. Daher 
ist nur ein einziges Futurum dieser Art erst bei Homer belegt, 
eben uynoouaı, dessen Aufkommen sich aus den Parallelgruppen 
Zou orhoouaı, Zënn Bhoouaı usw. leicht verstehen läßt. Die 
Passivbedeutung dieser Futura ist wie die der Aoriste, aus denen 
sie abgeleitet werden, erst sekundär, die passive Verwendung 
der medialen Futura bleibt in allen Perioden weit verbreitet. 

Diese Entstehung der „passiven“ Formen des Griechischen 
zeigt nun deutlich, daß allen griechischen Passivformen die passive 
Bedeutung erst durch unsere Auffassung anempfunden wird, denn 
wir gehen bei dem Versuch, die griechischen Verbalformen zu 
verstehen, gewohnheitsmäßig vom Lateinischen aus, "das wir vor 
dem Griechischen erlernt haben, und übertragen unwillkürlich, 
unbewußt und unabsichtlich, aber auch unfehlbar die lateinische 
Passivbedeutung, die wir in unsere Muttersprache übernommen 
haben, auf das griechische Passivum, das seinem Wesen, seiner 
Grundbedeutung und seiner Entstehung nach etwas Grundver- 
schiedenes ist. Eine genaue Studie dieses Unterschiedes wäre 
sehr erwünscht. Über das lateinische Passivum vgl. unten. 

d. Die bisher behandelten Neuerungen des griechischen Ver- 
balsystems sind teils vor dem Eintritt des Griechischen in die 
Literatur, teils vor dem Auftreten des attischen Dramas im wesent- 
lichen abgeschlossen. Anders ist es aber mit der Verwendung 
des Perfektums, das grade erst in attischer Zeit, man kann sagen 


1) Damit hängt auch die weitere Erscheinung zusammen, daß dort, wo 
neben- einer intransitiven Aoristbildung noch ein mit æ erweiterter Medialaorist 
gebildet wird, diese jüngste Aoristform regelmäßig in transitiver Verwendung 
begegnet, so 2ormodunv neben Zoınv, Erpespdunv neben Ergardunv, Eyewdunv 
neben £yevdunv, Euesifdunv, Ennsaunv, Eoongdunv neben Eulynv, Endym, 
epoaynv. ` | l . 


Die Verbalsysteme der Schulsprachen. 163 


durch die Blüte der attischen Rhetorik, eine starke und in ihren 
Ausstrahlungen auf andre Sprachen äußerst weitreichende Be- 
deutungserweiterung erfährt. Die altererbten Perfekta haben, so 
lange sich ihre Verwendung erhält, ebenso wie die bei Homer 
schon neugeschaffenen sämtlich Zustandsbedeutung. Aber der 
Zustand haftet doch an der vollendeten Handlung, und so kann 
er, wie diese selbst, leicht temporale Bedeutung bekommen, um 
so leichter, wenn der Abschluß der Handlung nicht zu einem 
dauernden Zustand führt. Die Möglichkeit, das Perfektum temporal 
zu verwenden, ja die Neigung dieser ursprünglich nur auf die 
unmittelbare Gegenwart (vgl. oben S. 155) bezüglichen Form, Ver- 
gangenheitsbedeutung anzunehmen, kehrt in den verschiedensten 
Zweigen der indogermanischen Sprachgruppen wieder. Um so 
erstaunlicher ist es, daß in klassischer Zeit noch kein sicheres 
Beispiel dieses Bedeutungsübergangs vorliegt, daß vielmehr sichere 
Fälle der präteritalen Bedeutung erst in der hellenistischen Ge- 
meinsprache begegnen. Wie die Bedeutungsverschiebung aber 
eingetreten ist und in welche Einzelvorgänge sie zerfällt, über- 
sehen wir noch mit voller Deutlichkeit `). Das Zustandsperfektum 
bezeichnet bei Homer noch ausschließlich Zustände, die am Sub- 
jekt haften: B 135 doöoa o&onne „das Holz ist morsch (geworden)“, 
A 202 tint .. eilnlovdas; „wozu bist du hier (hergekommen)?“ 
Soll dagegen, wie das bei transitiven Verben der häufigere 
Fall ist, der das Objekt treffende Zustand ausgedrückt werden, 
so tritt der Satz ins Passiv, damit aus dem Objekt das Subjekt 
wird: B 135 ondora A&Avvraı „die Bänder sind locker (geworden)*, 
A125 tà èv nollwv EEenodYouev, tà Öedaoraı „was wir erbeutet 
haben, ist verteilt“. 

Dieser Übergang vom Passivum zum Aktivum führt aber zu 
einer Bedeutungsverschiebung, die dem neuen aktiven Perfektum, 
und zwar nur diesem, auch präteritale Bedeutung verleiht. Wenn 
Themistokles in Sparta die Meldung erhält cé telyn @xoddunzaı, 
so heißt das „der Mauerbau ist vollendet“; wenn aber die Spar- 
taner daraus machen ol Adnvaioı telyn @aodoufjxaoı, so liegt darin 
auch die Lokalisierung der Handlung in der Vergangenheit, und 
diese nähert die Perfektform wieder sehr dem Aorist, der ur- 
sprünglich allein für den Ausdruck des Gedankens im Aktivum 
zur Verfügung stand’). 


1) Vgl. Gnomon 6, 185ff. 
2) Es verdient Beachtung, daß die neue, von Wackernagel Resultativ- 
perfektum genannte Bildung sich nicht ohne Widerstand durchgesetzt hat, wei 
11* 


164 Felix Hartmann 


Diese bei Homer noch verhältnismäßig seltene Umwandlung 
ins Passivum nimmt in der Folgezeit, besonders bei Herodot, sehr 
stark zu; daneben aber beginnt schon im attischen Drama und 
dann mit immer steigender Häufigkeit in der Prosa das aktive 
Perfektum von zahlreichen Verben aufzutreten, die es vorher 
nicht bildeten, weil der Zustand nun am Objekt haftet, wie bei 
äu, óéóoxa, Akivxa, menmoupa. Damit ist das Perfektum in 
die Sphäre des Aorists eingedrungen und hat eine Bedeutung 
angenommen, die zuvor allein durch diesen ausgedrückt werden 
konnte, wenn man nicht den Umweg über das Passivum wählen 
wollte, so oben Z&enoddouev neben Ö£öaoreı, oft aber auch da 
anwandte, wo ein Perfektum zur Verfügung gestanden hätte: 
T 428: dGiuiec x mol&uov; ðs Wpelss adtóF 6Akodaı! ebenso in 
der Antwort auf Achills Frage rin!’ .. eilnAovdas; A207 Atov 
Zug Nadoovoa tò oòv u£vos, oder man vergleiche 42304 rä dë 
Asidyxacı loa coot von Kastor und Polydeukes gesagt mit A 49 
= Q70 tò yọ Adxouev yšoqs hueis von allen Göttern. 

Wenn nun von der Aoristbedeutung, z.B. einov „ich sagte“ 
und „ich bin der Meinung“, oder Äjxovox „ich habe gehört“ und 
„ich weiß aus eigner Erfahrung“, eionx« und dxnxoa in der zweiten 
Bedeutung abgespalten werden, ohne daß doch eran und ğxovoa 
die Fähigkeit auch in der zweiten Bedeutung verwendet zu werden 
verlieren, so wird der Grund zu dieser Neuerung vermutlich darin 
liegen, daß das Perfektum die Beziehung auf die Gegenwart 
deutlich ausdrückt, während der Aorist nur die abgeschlossene 
Tatsache berichtet und diesen Abschluß durch das Augment aus- 
drücklich in der Vergangenheit fixiert‘). Das ist der Unterschied 
der konstatierenden und der erzählenden Darstellung; die 
Erzählung ist episch oder historisch, die Feststellung dra- 


sie offenbar dem bisher Üblichen, also dem Sprachgefühl, widerstrebte. So er- 
klärt sich die auf eine kurze Zeit beschränkte, besonders bei Sophokles beliebte 
Umschreibung durch yw mit dem Aoristpartizip: yruas Zyo. 

1) Die hier dem neuen Aktivperfektum zufallende Bedeutung ist nach der 
Angabe der Grammatiker ursprünglich die einzige des altindischen Aorists, und 
Delbrück hält sie auch für die ursprünglich einzige des griechischen. Die An- 
sicht ist aber nicht notwendig. Die Unterscheidung zwischen Feststellung und 
Erzählung ist vielmehr erst historisch entstanden aus besonderen Bedürfnissen 
der Darstellung, und diese haben sich im Altindischen zweifellos ganz anders 
entwickelt als im Griechischen. Einzelheiten noch weiter unten. Konstatierend 
wird z.B. für wiederholte und verlaufende aber unabgeschlossene Vorgänge auch 
das Imperfektum im Griechischen sehr häufig gebraucht. S. o. XLVIII 18 und 
Neue Jahrbücher 1919, I 399. 


Die Verbalsysteme der Schulsprachen. 165 


matisch und rhetorisch, daher besonders häufig in der poli- 
tischen und gerichtlichen Rede. Erst mit der Verflachung des 
Dramas und dem Untergang der Demokratie und damit der öffent- 
lichen, meist von starkem Temperament getragenen Rede, beginnt 
die Vermischung von Aorist und Perfektum und zwar in der 
Weise, daß das Perfektum schließlich, aber erst nach sehr langer 
Zeit, aus dem Gebrauch verschwindet, soweit es nicht, wie ja 
im Passivum schon häufig seit alter Zeit, durch Umschreibungen 
ersetzt wird. 

Zusammenfassend ist zu sagen, daß das griechische Verbum 
in der durch die Literatur fixierten Form zwar einige Keime, die 
in dem System der Ursprache enthalten waren, in selbständiger 
Weise weitergebildet hat, aber den Charakter des indogermanischen 
Systems noch treu bewahrt, besonders auch der beginnenden 
Ausbildung eines Tempussystems (Futurum) keine weitere Folge 
gegeben hat. Wenn in nachalexandrinischer Zeit, in der Zeit 
des Attizismus, die Neigung hervortritt, von demselben Verbal- 
stamm viel mehr Tempora zu bilden als in klassischer Zeit ge- 
bildet wurden, so ist das keine natürliche Entwicklung, sondern 
beruht auf gelehrtem Einfluß in einer Zeit, in der die Volks- 
sprache ganz andre Wege ging. Daß es indessen auch so nicht 
zur Ausbildung eines Tempussystems und einer Konjugation im 
lateinischen Sinne gekommen ist, ergibt sich aus dem völligen 
Fehlen eines Ausdrucksmittels für die Zeitrelation: das Verhältnis 
eines Vorgangs des Nebensatzes zu dem des Hauptsatzes kann 
aus der Aktionsart bis zu einem gewissen Grade erschlossen 
werden, wird aber niemals unmittelbar ausgedrückt. Das aus dem 
Medium erwachsene und mit diesem aufs engste bedeutungsver- 
wandte Passivum ist überwiegend der Ausdruck eines intransitiven 
Tuns oder Vorgangs, nicht eigentlich eines widerstandslosen und 
willenlosen Erleidens. 

2. Durchaus verschieden vom griechischen ist das lateinische 
Verbalsystem. Leider ist die Art und Weise, wie es sich aus 
dem ursprünglichen gebildet hat, noch in tiefes Dunkel gehüllt; 
bei der geringen Beliebtheit morphologischer Untersuchungen 
sind auch die unerläßlichen Vorfragen nach der Stellung des 
lateinischen Verbums zum altitalischen und besonders zum kelti- 
schen noch sehr wenig geklärt. Was aber die Neuerungen des 
Lateinischen bedeuten und welchem Zwecke sie dienten, erfährt 
man wiederum, soweit man ihnen nicht historisch beikommen 
kann, nur, wenn man sie im Zusammenhange des neu entstehen- 


166 Felix Hartmann 


den Systems betrachtet. Wichtig ist, daß wir die Ausbildung 
des Passivs im Italokeltischen verfolgen können und auf Grund 
der von Zimmer aufgestellten, von Thurneysen und andern z. T. 
modifizierten Hypothese über seine Entstehung das eigentliche 
Wesen des lateinischen Passivs und seinen Unterschied vom indo- 
germanischen und griechischen ziemlich sicher feststellen können‘). 
Das lateinische Passivum ist, wie es scheint, auf dem Wege über 
das unbestimmte Subjekt „man“, das schließlich aus dem Sprach- 
empfinden ganz entschwindet, zur Bildung subjektloser Sätze wie 
itur, ventum est, moriendum est benutzt worden; diese Ausdrucks- 
weise ist im Lateinischen ebenso häufig und für die Sprache 
charakteristisch, wie im Griechischen selten und ungewöhnlich. 
Erst von ihr aus scheint sich das persönliche Passiv gebildet zu 
haben. Der Übertritt alter medialer Deponentia wie sequor, vgl. 
aind. sacate, Errouaı, in die neue Passivflexion hat allerdings dazu 
geführt, daß eine Anzahl echter Passiva wie ferri, vehi, videri 
sich der intransitiven Bedeutung stark nähern; in verti, dessen 
Perfektum aktiv flektiert (vgl. aind. vavarta und vävrte mit transi- 
tiver und intransitiver Bedeutung), wird man im Hinblick auf die 
„mediale“ Bedeutung vieler griechischer Perfekta wie Zaya, mé- 
sınya, Eoßnaa, nepvxa geneigt sein ein alles Medium zu sehen. 
Aber außer in solchen seltenen Relikterscheinungen hat sich ein 
Medium im Lateinischen nicht erhalten. 

Ebensowenig erhalten ist das ursprachliche Aktionsarten- 
system; die Unterscheidung der dauernden und der vollendeten 
Handlung kennt das Lateinische nur noch für den Indikativ der 
Vergangenheit; sie ist in besonderer Weise zustande gekommen 
und zeigt schon durch ihre Entstehung, daß sie nicht auf die 
Ursprache zurückgeht. Die eigentliche Struktur des Systems hat 
schon Varro im wesentlichen richtig erkannt, der das verbum 
infectum mit Präsens, Imperfektum, Futurum vom verbum per- 
fectum mit Perfekt, Plusquamperfekt und Futurum exactum 
unterscheidet. Entgangen ist ihm allerdings die Doppelstellung 
des Perfekts und ihr eigentlicher Grund. Denn der Sinn der 
Neuerung ist die Schöpfung eines konsequent durchgeführten 
Systems der Zeitbezeichnung, und zwar für den Hauptsatz die 
Unterscheidung von Gegenwart, Vergangenheit und Zukunft, für 
den Nebensatz die Unterscheidung der Gleichzeitigkeit, Vorzeitig- 
keit und in weitgehendem Maße auch der Nachzeitigkeit. Wo 


1) Auf die z. T. phantastischen Versuche, das tocharische r-Passivum mit 
dem italokeltischen zusammenzubringen, gehe ich nicht ein. 


” 


Die Verbalsysteme der Schulsprachen. 167 


im Hauptsatz die für die Vor- und Nachzeitigkeit geschaffenen 
Formen auftreten, handelt es sich um stilistische Umformung 
eines Nebensatzes in einen Hauptsatz. 


Hauptsatz | Nebensatz 
Gleich- | Vorzeitig- TER 
zeiti gke it keit Nachzeitigkeit 


Gegenwart| Präs. Präs. Perf. |Periphr. Präs. -urus 


sum 
Vergan- | | 
genheit |Impf. Perf.|Impf. (Gert Pigpf. „ Impf. -urus 
l | eram 
Zukunft Fut. Fut. Fut. ex. „ Fut. -urus 
| l ero 
re Prisa Pei | > Fut 
Inf. 


Während also im Griechischen die Aktionsart noch dominiert 
und die Zeitbezeichnung, besonders die Zeitrelation im Nebensatz 
und bei den Nominalformen, noch mangelhaft ist — ich erinnere 
hier nur an die verfehlten Versuche, gut bezeugte Aoristinfinitive 
mit nachzeitiger (nicht etwa futurischer) Bedeutung aus den Texten 
herauszuemendieren —, zeigt das lateinische System eine logisch 
gegliederte Anordnung von Verbalformen mit teils absoluter, teils 
relativer Tempusbedeutung und enthält demnach eine Anzahl 
von Neubildungen, die im Griechischen überhaupt keine ‚Ent- 
sprechung aufweisen können. 

Das Lateinische hat aus der Ursprache das Präsens ererbt und 
durch Verschmelzung des indogermanischen Perfektums mit dem 
sigmatischen Aorist sein neues Perfektum geschaffen. Das Präsens 
hat, wie das griechische, an die zahlreichen Bildungen der Ur- 
sprache manche Erinnerungen bewahrt, ist aber schon sehr 
gleichmäßig in der äußeren Erscheinung geworden, von der pu- 
Flexion bewahrt es nur noch Spuren. Bedeutungsklassen wie 
Iterativa, Desiderativa, Inkohativa treten stärker als im Griechi- 
schen hervor, sind aber Neuschöpfungen der lateinischen Sprache; 
bei den ererbten Präsentia der verschiedensten Bildung sind 
Klassenunterschiede in der Bedeutung nicht mit Sicherheit fest- 
zustellen. Das Perfektum hat die Bedeutung des Aorists ange- 
nommen, d.h. es bezeichnet die abgeschlossene Handlung; nur 
vier Perfekta werden stets, den germanischen Präteritopräsentia 


168 Felix Hartmann 


entsprechend, in der alten Gegenwartsbedeutung gebraucht, odi, 
memini, novi, consuevi; wo das Gleiche sonst begegnet, ist es 
seltene Abweichung vom sonstigen Gebrauch und manchmal der 
Nachahmung verdächtig. Von den Modi begegnet in sim und 
velim ererbter Optativ des Präsens; der „Konjunktiv“ des Per- 
fekts ist aus dem Optativ des Aorists der Ursprache abgeleitet. 
Ein echter Konjunktiv des Präsens lebt z.B. im Futurum ero 
fort; der Konjunktiv scheint auch sonst bei der Bildung des 
Futurums mitgewirkt zu haben, beim Futurum exaktum vermut- 
lich nur in der ersten Person. Doch lassen sich Konjunktiv und 
Optativ, weil sie in der Verwendung zusammenflossen, auch 
formell nicht immer reinlich scheiden. Die Bildung der Konjunk- 
tive des Imperfekts und des Plusquamperfekts ist bisher durchaus 
dunkel. Auch sonst weist die Geschichte des lateinischen Verbal- 
systems noch zahlreiche Unklarheiten auf, die Sprache gibt eine 
Menge früher üblich gewesener Formen wie fazo faxim, duam 
duim, attigas, oppugnassere, prohibessis, turbassitur in verhältnis- 
mäßig kurzer Zeit auf und führt ebenso schnell dafür neue ein. 
Aber das im klassischen Latein abgeschlossen vorliegende Verbal- 
system ist, im stärksten Gegensatz zum Griechischen, eine Schöp- 
fung, die durch ihre Klarheit, Übersichtlichkeit und Zweckmäßig- 
keit Bewunderung erregt und ein Beweis für die Fähigkeit der 
Römer ist, sich durch straffe, logisch geordnete Organisation auch 
die Welt des Verstandes untertan zu machen. Auffällig ist nicht 
bloß die Schnelligkeit, mit der sich das ganz neue System durch- 
setzt, sondern auch die Konsequenz, mit der es alle Widerstände 
überwindet, durchaus in Übereinstimmung mit der Ausbreitung 
römischer Sprache und Kultur über den gesamten Westen des 
Reiches. | 
Ich betone diese Eigenart des lateinischen Verbums und seinen 
Gegensatz zum griechischen deshalb, weil die Nichtberück- 
sichtigung der geschilderten Verhältnisse noch immer zu sehr 
verkehrten Auffassungen führt. Der methodische Grundsatz, die 
Dinge nicht aus ihrem natürlichen und geschichtlichen Zusammen- 
hange zu reißen, muß mit der weiteren Forderung, sie mit dem 
ihnen eigenen Maßstabe zu messen, in der Weise verbunden 
werden, daß man bei der Vergleichung der Spracherscheinungen 
verschiedener Sprachen nicht Form mit Form,  Formgruppe mit 
Formgruppe vergleicht, sondern bei jeder einzelnen Kategorie 
stets :auch die Stellung in dem System, dem sie angehört, mit 
in den Kreis der Betrachtung einbezieht.‘ Im Griechischen ergibt 


Die Verbalsysteme der Schulsprachen. 169 


sich die Bedeutung der Form aus ihrer Stellung im Aktions- 
artensystem, im Lateinischen läßt sich die Bedeutung der Einzel- 
form nicht aus dem Zusammenhang des Tempussystems lösen. 
Man kann daher wohl die Bedeutung jeder einzelnen griechischen 
Formengruppe auf eine allgemeine Formel bringen, für das 
Lateinische ist das aber nur insoweit möglich, als die Verbal- 
formen absolute Zeitangaben ausdrücken; wo sie zum Ausdruck 
der Zeitrelation dienen, können sie nur durch die Einordnung in 
das System, im Einzelfall also durch Beziehung auf andre Verba 
des Satzes oder der Periode zum Verständnis gebracht, erklärt 
werden. Es ist demnach z. B. unmethodisch, nach Ersatz oder 
Umschreibung des Konjunktivs der Futura zu fragen. Seiner 
Entstehung nach ist das Futurum wahrscheinlich selbst aus dem 
Konjunktiv des Präsens und dem Konjunktiv-Optativ des Perfekts 
hervorgegangen; wo Modusverschiebung eintritt, wird es daher 
wie das Präsens und das Perfektum behandelt, dem es entstammt. 
Mag daher das Futurum selbst schon als Indikativ empfunden 
werden, mag gelegentlich, bei der nahen Bedeutungsverwandt- 
schaft von dabo und daturus sum, die Umschreibung auch dort 
auftreten, wo dem und darem genügt hätten: diese Erscheinungen 
wollen historisch verstanden werden, es sind nicht etwa Mängel, 
die dem System zur Last fallen. Reminiszenzen an das ursprach- 
liche System sind es auch, die etwa bei postquam mit dem Per- 
fektum oder bei ne und dem Perfekt- (d. h. Aorist-)Konjunktiv 
zum Ausdruck des Verbotes durchblicken. Die Sprachgeographie 
hat uns Reliktwörter kennen gelehrt; ähnliche Relikterschei- 
nungen, Fossile, Petrefakte begegnen auf allen Gebieten des 
Sprachlebens, und die Leitfossile sind es grade, die zum Ver- 
ständnis des Aufbaus, Umbaus, Neubaus am meisten beitragen. 

Übrigens trägt das lateinische System trotz seiner Klarheit 
und Übersichtlichkeit doch den Keim zu einer Weiterbildung und 
Umbildung in sich. Die Weiterbildung ist im Romanischen 
durchgeführt und hat zu einer starken Umbildung geführt. Es 
geht darum auch wieder methodisch nicht an, das lateinische 
Verbalsystem ohne Rücksicht auf das romanische zu betrachten, 
denn man kann ein in der Entwicklung begriffenes Glied der 
Sprache nicht mit Sicherheit verstehen und deuten, wenn man 
nur den hypothetischen Anfang, nicht auch den bekannten End- 
punkt der Entwicklung in Rechnung stellt. 

Im lateinischen Tempussystem steht nämlich das Perfektum 
(vgl. oben die Tabelle) an zwei Stellen, einmal als absolutes 


170 Felix Hartmann 


Tempus zur Bezeichnung der abgeschlossenen Handlung der Ver- 
gangenheit, das andre Mal als relatives Tempus zur Bezeichnung 
einer zur Gegenwart vorzeitigen Handlung. Dies zweite Perfektum 
ist ebenso aoristisch nach Entstehung und Bedeutung wie das 
erste, man vergleiche z. B. in Ciceros Timaeus die regelmäßige 
Wiedergabe des konstatierenden Aorists durch das Perfektum, 
besonders auch im Konjunktiv. 


Wie wir also oben beim Aorist eine doppelte Bedeutung kennen 
lernten, die feststellende und die erzählende (vgl. oben d, S. 162 ff.), 
so finden wir sie auch hier beim lateinischen Perfektum, und da, 
wo das Perfektum des Nebensatzes die abgeschlossene Handlung 
auf eine Handlung der Gegenwart bezieht, steht es dem oben 
behandelten Resultativperfektum des Griechischen immer sehr 
nahe, während das Perfektum des Hauptsatzes, wenn es feststellt, 
so aoristisch bleibt *) wie der feststellende Aorist des Griechischen. 
Aber für den Hauptsatz kann der Ausdruck der Beziehung auf 
die Gegenwart ebenso erwünscht und wichtig werden, wie er es 
im Griechischen geworden ist, und ein solcher Anschluß des kon- 
statierenden Ausdrucks an die Gegenwart lag für das Lateinische 
um so näher, weil das passive Perfektum überhaupt mit dem 
Präsens von esse gebildet wird. Wenn hoc factum est nicht bloß 
„das ist geschehen“ sondern auch „das geschah“ heißt, so ist 
hier der konstatierende Ausdruck auch erzählend geworden, genau 
so wie cecidi auch die Bedeutung von Zneoov bekommen hat. 
Siculi fidem Ciceronis quaestoris cognoverunt sagt nur, daß die 
Sikuler (irgendwann) Bekanntschaft mit Ciceros Gewissenhaftig- 
keit machten, deutet aber nicht an, daß diese Beobachtung einen 


1) D. h. das konstatierende Perfektum des Lateinischen ist ein Perfectum 
historicum. Man nannte es früher eine Zeit lang Perfectum logicum. Der Name 
ist nicht besonders treffend, aber man vermied doch den Fehler, es an das Per- 
fectum praesens anzuschließen, was heute beliebt, aber. handgreiflich falsch ist. 
Übrigens entspricht fuit Ilium weder einem griechischen Aorist noch einem 
Perfektum, sondern kann nur durch das Imperfektum ausgedrückt werden. Das 
wird durch die Stelle Eur. Troad. 580ff. bestätigt, der Vergils fuimus Troes 
nachgebildet ist: zexea | Auev zéi note‘ | BEßan’ Abos, péßaxe Toola. Aber 
nicht das Perfektum Géëuye entspricht dem fuit, sondern die Bedeutung „ver- 
gehen“, die das Verbum hier in poetischer Rede für das üblichere ofyouas (vgl. 
ebendort oiyou&vas nöiews) angenommen hat. Das Umschlagen der Bedeutung 
in das Gegenteil ist dem Griechischen durchaus fremd; Aoriste wie Jod, 
ey&laoa, ¿ódxouoca u. š. stehen mit Präsensbedeutung, dem fehlenden Perfektum 
gewissermaßen vorgreifend; vöxit heißt daher zedvnxe, dem dixi Ciceros am 
Schluß der ersten Verrine entspricht bei Lys. 12, 100 madoucı xarnyopüv. 


Die Verbalsysteme der Schulsprachen. 171 


dauernden Eindruck hinterlassen hat; diese Unklarheit wird ver- 
mieden, wenn die zur Bezeichnung der Fortwirkung seit Plautus’ 
Zeiten übliche Umschreibung mit habeo oder teneo und dem Per- 
fektpartizipium gewählt wird: Siculi ad fidem meam, quam habent 
spectatam iam ac diu cognitam, confugiunt. Es wird sich schwer- 
lich beweisen lassen, ist aber bei dem starken Einfluß des Grie- 
chischen auf die lateinische Kunstsprache äußerst wahrscheinlich, 
daß die gleich zu Anfang der lateinischen Literatur auftretende 
Umschreibung des Verbum perfektum mit habeo oder teneo letzten 
Endes auf den bewußten Versuch zurückgeht, konstatierenden 
und erzählenden Ausdruck zu scheiden, das heißt einen adä- 
quaten Ausdruck für das griechische Resultativperfektum zu 
schaffen. Die gleichen Umstände, die zu der erstaunlich schnellen 
Ausbreitung des griechischen Perfekts im vierten Jahrhundert 
führten, das Bedürfnis des Dramas und der rhetorischen Prosa, 
begegnen im zweiten und ersten Jahrhundert in Rom, wo man 
ganz besonders bemüht ist, sich die Kunstübung und erprobte 
Technik der Griechen anzueignen. Und es ist echt römisch, wenn 
die dem Griechischen mit feinem Verständnis nachgebildete Um- 
schreibung nicht bloß mechanisch übernommen, sondern orga- 
nisch in das Verbalsystem eingefügt wird. 

Vor allem beschränkte sich die Umschreibung nicht auf den 
Indikativ des Präsens von habeo, sondern griff auch auf andere 
Tempora und Modi des Hilfsverbums über, und indem die Um- 
schreibung besonders für das Perfektum der relativen Vorzeitig- 
keit eintrat, verdrängte sie von dort ausgehend auch die übrigen 
vom Perfektum aus gebildeten Tempora der Vorzeitigkeit. Hierbei 
entstand konsequent, dem Unterschied von Imperfekt und Perfekt 
entsprechend, ein doppelter Ausdruck der Vorvergangenheit: 
spectaram wird in spectatum habebam und spectatum habui zerlegt. 
Vgl. weiter unten die Tabelle. 

3. Zugleich mit dieser Bereicherung des Formenschatzes voll- 
zieht sich nun im Romanischen eine Bedeutungsverschiebung 
bei der Umschreibung des Perfektums. In der Wortgruppe cog- 
nitum habeo überwiegt zunächst die Präsensbedeutung von habeo 
wie bei cognitum est (vgl. oben S. 170) die von est. Im heutigen 
gesprochenen Französischen hat das passe indéfini das passé 
defini ersetzt, ist also zum reinen Präteritum geworden. Da- 
zwischen liegt eine zwei Jahrtausende umfassende Entwickelung, 
in der die Bedeutungsentwicklung der romanischen Präterita auch 
für die germanischen Sprachen von Wichtigkeit geworden ist. 


172 Felix Hartmann 


Diese syntaktischen Vorgänge sind noch keineswegs abschließend 
und vor allem noch nicht in ihrer gegenseitigen Abhängigkeit 
untersucht, und doch liegt in diesen Vorgängen der Schlüssel 
für die verbale Syntax der modernen germanischen Sprachen. Ein 
Blick auf die Tabelle S. 175 zeigt, daß die romanischen Sprachen 
das einfache Perfektum zur Bezeichnung der Vorzeitigkeit über- 
haupt nicht mehr verwenden. Hier scheint also der Ausgangs- 
punkt der Umbildung des Systems zu sein. Allein die Unter- 
scheidung der abgeschlossenen und der nach dem Abschluß fort- 
wirkenden Handlung war für den Hauptsatz kaum weniger wichtig 
als für den Nebensatz, und so tritt neben die zweı einfachen 
Tempora der Vergangenheit spectabam und spectavi noch das 
umschriebene spectatum habeo. Der Vorgang, der zur System- 
änderung im lateinischen System geführt hatte, wiederholt sich 
also, wie es so oft in der Sprachgeschichte geschieht, auf einer 
jüngeren Stufe. Wie er in den einzelnen romanischen Sprachen 
dann weiterwirkt, gehört nicht mehr zu meinem Thema; auf den 
Untergang des französischen Passé défini wurde schon hingewiesen. 

Die Unterscheidung der drei Tempora ist von der romani- 
schen Grammatik längst versucht worden, der eigentliche Sinn 
der Dreiteilung ist indes, wie ich glaube, von ihr nicht gefunden 
worden, weil man die Erscheinung nicht im historischen Zu- 
sammenhang studierte, sondern ihr mit logischen oder „psycholo- 
gischen“ Erwägungen beizukommen hoffte‘). Nach dem, was 
wir am Griechischen und Lateinischen beobachtet haben, wird 
jetzt nicht mehr zweifelhaft sein, daß das umschriebene romani- 
sche Perfektum wie sein lateinisches Vorbild und wie das grie- 
chische Resultativperfektum die Aufgabe hat, die Vollendung eines 
Vorgangs für die Gegenwart festzustellen °), d. h. also eine Tat- 
sache zu konstatieren. Denn das Wesen des Konstatierens beruht 
darin, daß eine Handlung der Vergangenheit in die Gegenwart ge- 
rückt wird, das des Erzählens darın, daß der Sprechende sich und 
die Hörer in die Vergangenheit versetzt. Die Möglichkeit und 
Notwendigkeit des Konstatierens hat zu allen Zeiten bestanden; 
eine besondere Form für die Feststellung einer Tatsache hat — 


1 Vgl. ob. XLIX Gan. 

2) Was um so natürlicher ist, je kürzere Zeit seit der Vollendung ver- 
strichen ist. Daher die sonderbare Regel der älteren französischen Grammatik, 
daß das passe indéfini nur von Handlungen gebraucht werden dürfe, die nicht 
über 24 Stunden alt seien; daher auch die sehr ähnliche Ve der alt- 
indischen Grammatik für den Gebrauch des Aorists. 


Die Verbalsysteme der Schulsprachen. 173 


abgesehen vom altindischen Aorist — erst das griechische Re- 
sultativperfektum geschaffen, von dem diese nützliche Neuerung 
auf das lateinische und romanische umschriebene Perfektum 
übertragen worden ist. Die Möglichkeit, statt dessen im Lateini- 
schen das einfache Perfektum zu gebrauchen, hat, wie entspre- 
chend beim griechischen Aorist, nie aufgehört; auch das romani- 
sche einfache passe defini wird so, wenigstens in der Dichtung, 
oft gebraucht. Es verlangt und verdient eine besondere Unter- 
suchung, welche Umstände dazu geführt haben, daß das konsta- 
tierende Perfektum des Romanischen zwar auf das Deutsche über- 
gegangen ist, daß aber das Englische, die nordischen Sprachen 
und z. T. noch das Althochdeutsche an der Verwendung des ein- 
fachen Präteritums festhalten und das zusammengesetzte Per- 
fektum in einer abweichenden, dem griechischen Zustandsperfek- 
tum näher stehenden Bedeutung verwenden. 

Ich halte es nicht für überflüssig, in diesem Zusammenhange 
daran zu erinnern, wie der Begriff des Konstatierens in die 
Grammatik Einzug gehalten hat. Auch hierbei zeigt sich, daß 
die geschichtliche Untersuchung grammatischer Begriffe für die 
Verwendung dieser Begriffe in der Grammatik von Wichtigkeit 
ist. Nicht die romanische Grammatik, die sich mit ganz äußer- 
lichen, im Wesen der Sprache nicht begründeten Merkmalen für 
die Unterscheidung von passe défini und indéfini begnügte, auch 
nicht die deutsche hat für das zusammengesetzte Perfektum die 
Bedeutung des Konstatierens gefunden, sondern diese Benennung 
findet sich zuerst bei den Versuchen, die Doppelbedeutung des 
lateinischen Perfektums in der Schulgrammatik zum klaren Ver- 
ständnis zu bringen. Man beobachtete, daß dixi bald „ich sagte“ 
bald „ich habe gesagt“ heißt; man kannte ein Perfektum präsens 
wie odi, ornatus sum, man kannte ein Perfektum historikum wie 
veni, vidi, vici = TAdov, eidov, Eviunoa, und man beobachtete, 
daß dies historische Perfekt, wenn es nicht in der Erzählung, 
sondern in der Erörterung gebraucht wird, im Deutschen durch 
das Perfektum, nicht durch das Präteritum gegeben wird: abiit; 
excessit, evasit, erupit'). Weil es erörtert, nannte man es Per- 
fektum logikum und wies darauf hin, daß es die Konsekutio der 
Vergangenheit erfordert. Aber weder die Philologen, die diese 
Unterscheidung am Lateinischen beobachteten, noch auch Del- 
brück, der die entsprechende Beobachtung auf den griechischen 
Aorist übertrug, bemerkten, daß sie dabei die Bedeutungen der 

1) Vgl. Glotta IV 148 mit Skutschs Bemerkung. 


174 Felix Hartmann 


muttersprachlichen Tempora in das lateinische Perfektum und den 
griechischen Aorist hineintrugen, d.h. sie erkannten nicht, daß 
die verschiedene Übersetzung, die das Deutsche verlangt, auf 
der Verschiedenheit des germanischen Verbalsystems beruht, daß 
sie also den deutschen, nicht den lateinischen und griechischen 
Sprachgebrauch erklärten. Wie der griechische Aorist derselbe 
bleibt, ob er nun erzählt oder konstatiert, so ist auch das histo- 
rische Perfekt des Lateinischen mit dem „logischen“ identisch; 
ihre Bedeutungssphäre ist anders als die des deutschen Präteri- 
tums und des deutschen Perfektums. Denn bis zu dem Augen- 
blick, wo im Griechischen das Resultativperfektum, im Lateini- 
schen und Romanischen das umschriebene Perfektum die Funktion 
übernehmen, die abgeschlossenen Vorgänge der Vergangenheit 
an die Gegenwart heranzurücken, gibt es in keiner Sprache ein 
besonderes Tempus zum Ausdruck des Konstatierens, und das 
deutsche Perfektum ist seiner Entstehung nach ein erst in alt- 
hochdeutscher Zeit allmählich aufkommender Ableger des roma- 
nischen. So sind wir erst auf einem langen Umwege zur Er- 
kenntnis der Sonderbedeutung des umschriebenen Perfektums 
gekommen und haben wieder einmal unsere eigne Sprache durch 
das Studium des Lateinischen und Griechischen besser verstehen 
gelernt. 

Aus der hier folgenden Tabelle ist ersichtlich, daß im Ro- 
manischen von den alten lateinischen Tempora nur Präsens Indik. 
und Konj., Imperf. Indik., Perfektum Indik., Plusquamp. Konj. 
erhalten sind; das in modaler Bedeutung nur ım Spanischen er- 
haltene Plusquamperf. Indik. kann ich hier übergehen. Den vom 
einfachen Verbum gebildeten Tempora entsprechen die umschrie- 
benen genau, die sich an das Perfektum angeschlossen haben. 
Wie die untergegangenen Formen des lateinischen Verbums nicht 
plötzlich und auf einmal verschwinden, so vollzieht sich auch 
beim umschriebenen Perfektum und seiner Sippe die Auslese der 
Formen nur allmählich und nicht auf allen Gebieten des Roma- 
nischen ganz gleichartig. Immerhin liegen diese Vorgänge so 
früh und sind so verständlich, daß kaum Unklarheiten übrig 
bleiben; anders ist es bei der Gruppe von Formen, die das alte 
Futurum 1 und 2 ersetzt und dazu ein modal verwendetes Prä- 
teritum entwickelt haben. Zwar ihre Herkunft ist nicht zweifel- 
haft, aber die Umstände, die zu ihrer Bildung geführt haben und 
grade die nun vorhandenen Formen verstehen helfen, sind noch 
wenig geklärt. 


Die Verbalsysteme der Schulsprachen. 175 


Präs. Ind. canto Konj.cantem | habeo habeam 
Imperf. cantabam\ Konj.Plgpf. | habebam ` 
Perf. cantavi cantassem | habui Í en + 
—— sC 
Futur.(Präs.) cantare habeo habere habeo oh 
(Imperf.) „ habebam > habebam 
(Perf.) „ habui > habui 


Zeigt die Tabelle des lateinischen Verbums eine rasche, beinah 
zielbewußt anmutende Entwicklung bis zur Einführung der Per- 
fektumschreibung, so weist das romanische System schon durch 
die kleinen Abweichungen der Einzelsprachen auf die Stürme der 
Völkerwanderung hin; das neue System, obwohl scheinbar die 
gradlinige Fortsetzung des lateinischen, ist aus den Trümmern 
des alten zwar größer und nicht ohne Zeichen eigner Konsequenz 
erbaut, aber es entbehrt der inneren Geschlossenheit, die das alte 
auszeichnete, es fehlt der einheitliche alles beherrschende Grund- 
gedanke. 

4. Wenden wir uns endlich dem Germanischen zu, so finden 
wir als Ausgangspunkt der Entwicklung nur noch das Präsens 
und das Perfektum im Indikativ und Optativ; die Augmenttempora, 
der Konjunktiv, der Aorist, das Futurum sind, wie ich glaube, 
restlos zu Grunde gegangen. Von der Passiv- oder Medialflexion 
weist nur das Gotische noch vereinzelte Formen auf. Dies stark 
zusammengeschmolzene System zu erhöhter Biegsamkeit und Aus- 
drucksfähigkeit umzubilden muß schon in vorhistorischer Zeit 
versucht worden sein, denn nicht nur im Gotischen, sondern 
auch im Westgermanischen begegnen sichere Fälle, in denen die 
Aktionsart der Verbalformen durch das Hinzutreten von Präposi- 
tionen modifiziert wird. Während indes in den slavischen Spra- 
chen die Präpositionen auf den Ausdruck der Zeitverhältnisse 
einen durchgreifenden Einfluß ausüben, lassen sich im Germa- 
nischen nur gewisse Neigungen feststellen, deren weiterer Ausbau, 
z. B. im Angelsächsischen und im ‚Nordischen, an lautlichen Er- 
scheinungen scheitert, die zum Untergang der Verbalpräfixe 
führen. Es ist nicht einmal mit Sicherheit auszumachen, ob die 
Entwicklung an der Stelle, wo wir ihr in der Sprachgeschichte 
begegnen, noch nicht voll zur Entfaltung gekommen oder schon 
rückläufig geworden und im Verklingen begriffen ist. Vielleicht 
würden wir diese Fragen sicherer beurteilen können, wenn wir 
genauer wüßten, welche äußeren Umstände zu der außerordent- 
lich starken Einschränkung des ererbten Formenschatzes im 


176 Felix Hartmann 


Germanischen geführt haben. Übrigens läßt sich zwar auch in 
andern Sprachen ein gewisser Einfluß der Zusammensetzung mit 
Präpositionen auf die Aktionsbedeutung nachweisen, aber die Art 
dieses Einflusses nimmt sehr verschiedene Formen an. Ganz 
geringe Wirkung zeigt er im Griechischen, wo die Aktionsbedeu- 
tung in anderer Weise ausreichend bezeichnet wird, nur vorüber- 
gehend ist seine Wirkung im Lateinischen, wo er fast ganz auf 
das Altlatein beschränkt ist. Durchgreifend war er nur in slavi- 
schen Sprachen, und auch hier ist er es erst in später Zeit ge- 
worden. Vgl. oben S. 152f. und LV 280ff. (Koschmieder). 
Dagegen beobachten wir sehr frühzeitig im Altgermanischen, 
und zwar um so stärker, je mehr fremdsprachliche, besonders 
lateinische oder romanische Einwirkungen vorliegen, die Neigung, 
der Formenarmut durch Schöpfung zusammengesetzter Tempora 
abzuhelfen. Diese Neubildungen schließen sich meist sehr eng 
an die lateinisch-romanischen Vorbilder an, und so hatte sich 
unter dem Einfluß der altsprachlichen Grammatik die Ansicht 
gebildet, daß die lateinischen Tempora auch in den germanischen 
Sprachen, vor allem im Deutschen wiederkehren und im wesent- 
lichen die Bedeutung der lateinischen Tempora widerspiegeln. 
Dieser Irrtum weicht erst ganz allmählich besserer Erkenntnis, 
grade hier aber liegt noch ein großes Feld fruchtbarer Tätigkeit. 
Mehrfach sind die verschiedenen Umschreibungen des Futurums, 
mehrfach auch die Bedeutung der sogenannten progressiven Form 
im Englischen untersucht, aber immer handelt es sich um Teil- 
erscheinungen, die nach den voraufgehenden Erörterungen erst 
volles Verständnis finden können, wenn sie in den Gesamtzu- 
sammenhang der Geschichte des germanischen Verbums einge- 
ordnet werden. Denn es darf nicht vergessen werden, daß trotz 
der verschiedenen Wege, die die germanischen Dialekte bei dem 
Ausbau und der Anpassung ihres kärglichen Systemrestes an die 
wachsenden und wechselnden Bedürfnisse gegangen sind, die 
Keime der Neubildungen z. T. schon älter als das Sonderleben 
der Dialekte, die Einflüsse aber, von denen die Umgestaltung 
herbeigeführt wurde, wohl überall im wesentlichen die gleichen, 
teils direkt, teils indirekt wirkenden gewesen sind. Demnach ist 
es auch eine berechtigte methodische Forderung, die gesamte 
Ausbildung des Verbalsystems auf germanischem Boden in ein- 
heitlichem Zusammenhange zu untersuchen und darzustellen. 
Wohl hat Jacob Grimm das Problem schon erkannt und die Arbeit 
schon begonnen; aber die Ausführung ist bei seinen Nachfolgern 


Die Verbalsysteme der Schulsprachen. 177 


immer nur auf das Einzelne gerichtet gewesen, und auf die 
größeren Zusammenhänge, die teils mit dem Aktionsartensystem 
bestehen, wie bei der Präfigierung der Präpositionen und der 
englischen Gerundivkonstruktion, teils an fremde Tempusvorbilder 
anknüpfen wie bei der Futur- und Perfektumschreibung, ist wie 
auf die inneren Gründe und die äußeren Anlässe noch nicht die 
erwünschte Aufmerksamkeit verwendet worden. Wie sonderbar 
die Schicksalsfäden laufen können, dafür sei nur nebenher aus der 
allerjüngsten Geschichte unserer Schriftsprache der beginnende 
Untergang des präteritalen Konjunktivs erwähnt, der z. T. unter 
oberdeutschem, wahrscheinlich aber gleichzeitig unter jiddischem 
Einfluß immer weiter fortzuschreiten droht und nur aufgehalten 
werden kann, wenn es gelingt der zielbewußten Unterminierung 
aller Achtung vor dem Überlieferten Einhalt zu tun. 

Es war meine Absicht, in dem vorstehenden Aufsatz die 
Aufmerksamkeit auf drei nur zufällig hier zusammenlaufende 
Dinge zu lenken, um zu zeigen, daß man bei sprachwissen- 
schaftlichen Untersuchungen auch scheinbar weit auseinander- 
führende Zusammenhänge nicht übersehen darf. Das altindo- 
germanische Aktionsartensystem hat zwar in allen einzelnen indo- 
germanischen Sprachen eigenartige Umbildungen erfahren, ist 
aber in gewissen Erscheinungen in ihnen allen noch heut mehr 
oder weniger lebendig und verlangt deswegen besondere Beach- 
tung. Das griechische Resultativperfektum zeigt eine der Um- 
gestaltungen, die das griechische Aktionsartensystem erlitten hat, 
indem es die früher nur einigen uralten ererbten Verben zugäng- 
liche Bildung des aktiven Perfekts auch der gewaltigen Menge 
neuauftretender abgeleiteter Verba zugänglich machte. Ich hoffe 
zum Verständnis gebracht zu haben, daß sich diese Umgestaltung 
der ererbten Perfektbedeutung nur aus dem eigenartigen Gang 
der Kulturentwicklung des griechischen Volks und besonders der 
attischen Politik und Literatur erklärt. Dies Perfektum schafft 
eine eigne Form für die Feststellung einer Tatsache in der Er- 
örterung und scheidet diese somit von der bloßen Erzählung 
eines vergangenen Vorgangs. Die hiermit geschaffene Neuerung 
erweist sich so nützlich und wertvoll, daß sie nach kurzer Zeit 
von den Römern unter ähnlichen politischen Umständen in der 
eigenen Sprache nachgebildet und dort im Laufe der Jahr- 
hunderte der Anlaß zur Neugestaltung des romanischen Verbal- 
systems wird. Aber auch darüber hinaus noch geht die Wirkung, 
denn das romanische Verbalsystem hat im Verein mit dem lateini- 

Zeitschrift für vergl. Spracht LIX 3/4. 12 


178 W. Schulze, Porsenna, Tolumnius und Mastarna. 


schen auf alle germanischen Sprachen und Dialekte bald früher, 
bald später, bald stärker, bald schwächer eingewirkt und daher 
in allen, teils größere, teils kleinere Gruppen von Relikterschei- 
nungen hinterlassen, die auf die richtige sprachwissenschaftliche 
Wertung warten. Zusammenhänge zwischen Sprache und Kultur- 
entwicklung lassen sich mit Sicherheit nur ganz selten feststellen; 
um so wertvoller ist es, wenn es hin und wieder gelingt, zu 
zeigen, wie in dem Wechsel alles sprachlichen Geschehens 
Perioden auftreten, in denen sich die schöpferische Begabung 
eines Volkes auch in der Neugestaltung des geistigen Ausdrucks- 
mittels, der Sprache, ausprägt: bei der bewußten Pflege, die 
Griechen und Römer zu gewissen Zeiten dem gesprochenen Wort 
zuwandten, wird es nicht überraschen, grade in diesen Zeiten 
so hochbegabte Völker sprachschöpferisch tätig zu finden. Zu- 
gleich erweist die Beobachtung der sprachlichen Zusammenhänge 
die enge Kulturgemeinschaft des Abendlandes mit dem Griechen- 
tum und mahnt uns, dieser engen Geistesverwandtschaft auf allen 
Gebieten der Sprach- und Kulturentwicklung unsere Aufmerk- 
samkeit zuzuwenden. 


Berlin-Schöneberg, Sept. 1929. Felix Hartmann. 


Porsenna, Tolumnius und Mastarna. 


Daß die Etruskerkönige Lars Porsenna und Lars Tolumnius 
echtetruskische Gentilicia führen und daß diese Gentilicia bis in 
späte Zeit in lateinischer Überlieferung fortleben, zeigen die von 
mir Eigennamen 90. 245. 572. 586 (zu 107) zusammengestellten 
Belege. Für den Genossen des Caeles Vibenna, Mastarna (etr. 
macstrna), konnte ich das Gleiche S. 86 nur durch die des charak- 
teristischen na-Suffixes entbehrende Variante Mastrius belegen. 
Inzwischen ist uns gleich durch zwei Inschriften ein Soldat der 
zur Zeit der Flavier in Vindonissa garnisonierenden leg. XI Claudia 
bekannt geworden, der, noch ohne Kognomen, den alten Namen 
als Gentilicium trägt, M. Masterna CIL XIII 5197. 11501 = Dessau 
9272 (mit Danielssons Anm. zu CIE II 5267). Tolumnius aber habe 
ich insofern falsch beurteilt, als ich es mit dem Stadtnamen Te- 
Aauorv verbinden wollte: das hat der veldur tulumne einer archai- 
schen Inschrift aus Vei Ndsc. 1930, 327 Nr. 15 widerlegt, wie 
Giglioli ebenda 343 mit Recht bemerkt hat. W.S. 


H. Lewy, Etymologien. 179 


Etymologien. 


1. Tedgıkoc. 

Preisigke, Namenbuch Sp. 482, bietet aus Ägypten für diesen 
Namen von Juden 3 verschiedene Stellen: Teder/ioc, Teügpılos 
Tovöuios, "Toepc ó xal Tedgpılo(s). Während er ihn gleich 
@zögılos setzt, hält G. Sethe, GgA. 1923 S. 230 A. 1, diese Gleich- 
setzung für unzulässig wegen der übereinstimmenden Schreibung 
mit z und v und vermutet einen semitischen Namen, der im hinteren 
Teile griechisch etymologisiert worden sei, wie ägypt. Aonoxodıng. 

Aber der offenbar hebräische Name ’/oojg — er enthält in 
seinem ersten Teile den Gottesnamen; ’/wods ist bei Josephus 
Variante zu ’Io9auos, wie ein König von Juda heißt — deutet 
doch darauf hin, daß Teder/ioc griechisch ist. Die Schreibung 
ev für eo kann nicht Anstoß erregen (vgl. G. Meyer, Gr. Gr? 
S 119 g. E.; über Mevöds = Yeddwpog Krauß, Gr. u. lat. Lehnw. 
im Talmud II 584), und in dem z haben wir eine Dissimilation 
der Aspirata wegen des folgenden 9, ebenso wie bei dem auf 
Inschriften häufigen Ex&pvilog neben ’Ey&pvios und bei ’Exeo#E- 
vys, doneFewgos (G. Meyer” 8300); doch s. auch Mayser, Gramm. 
d. gr. Pap. 1179. 


2. 9Eoavöoos. 

Aischines 152 nennt als berüchtigte Päderasten Kndwvlönv 
al Aöbronielönv xai WEooavöoov. Zu der Stelle des Harpokra- 
tion, wo unter Berufung auf Aischines und Aristogeiton dasselbe 
von ®&ooavöoos gesagt wird, bemerkt der Herausgeber Dindorf 
(1152): „O&oavögogs Q et Epitome. ®&ooavögos vera nominis 
scriptura est, servata etiam in libris Aeschinis. @®&oavöoosg pro 
Q&ooavögos scriptum in Suidae codice Leidensi s. v. Kyôwviðnņs.“ 
An dieser Suidas-Stelle schreibt Bekker @&ooavögov. Zu Harpo- 
kration s. v. Aöroxielöngs (I 67): Knöwvlönv soi Aödtoxlelönv nal 
Oéocavðgov bemerkt Dindorf: „Libri xuvöwviönv. Gorrectum ex 
Epitome. Nominativos xudwwlöns, abronkelöns, HEgoavdoos ponit 
Ald. Et sic N., nisi quod 9£écazóoos, quemadmodum HEoav6gov 
C. F.“ Und Suidas bietet an richtiger Stelle: Oésavðgos: 
odrog Eis narðeoactiav erwõðs drefd//ero, xtÀ. 

Auch die Namensform Oécavðgos für diesen Mann dürfte 
nicht als Fehler schlechthin zu bezeichnen sein (vgl. meine Be- 
merkungen KZ. LV 24f.), sondern sich als Dissimilation er- 
klären. Über Unterdrückung des einen von zwei o, z. B. ö&roov 
= Öö£oroov, s. G. Meyer? § 301. 

12* 


180 H. Lewy 


3. XHÉĞVTOQES. 

Hesychios bietet an richtiger Stelle die Glosse: xdvroges' 
- ol xọatoŭvres. M. Schmidt merkt dazu an: „A xaivw xdvroges 
“"peremptores’, ut xgalvw xodvropges omudvroges al. xogdVTogeS 
coniecit Scaliger ap. Wolf Anecd. Gr. IV p. 255 et Mein.“ In der 
kleinen Ausgabe fügt er dann mit Fragezeichen hinzu: (xgdvroges?). 
H. Stephanus sagt: „Die xgaroövres heißen auch xodvroges. Aber 
xdvroges scheint vielmehr ‘Mörder’ zu bedeuten, von xafvw.“ 

Die Überlieferung «@vrooeg ist unanfechtbar, und die Form 
durch Dissimilation entstanden aus xgdvrogeg „Herrscher“, wie 
z. B. patola = poarola. 


4. Weitere Beispiele für Dissimilation. 


Zu der Hesychios-Glosse xAevtóv: zAguróz (die alphabetische 
Folge ist gestört: xéne, xAénteoðar, ulEnos, xAentouévov, Aen: 
odueda, xÀAeutón, dë) bemerkt M. Schmidt: „Sic codex, x4£%- 
ron: theðtãov Musurus, Teörlov Aldus. veöriov' reörkov, ut K 
ex IC natum sit?“. Johannes Baunack, Philol. LXX (1911) 456, 
schlug vor: xAevrtóv: xAsızdv, was schwerlich einleuchten wird. 
Ich nehme an, daß die V.erderbnis in Glosse und Erklärung durch 
das gleiche Verlesen entstanden ist. Dann wäre das Ursprüng- 
liche: xeörio»' teðtåov (attisch ist reüriov» statt des ionischen 
und gemeingriechischen oeöz/ov) „ein Küchengewächs, Mangold“, 
und wir hätten dieselbe Dissimilation wie in Kartoffel aus ital. 
tartufo, tartufolo. 

Zu meiner Erwähnung der dissimilierten Form ’Antölinös 
neben ’Antöninös im Talmud (KZ. LVII 18)') wäre aus der phöni- 
kischen Inschrift CISem. I Nr. 60. der dort als Melexenus = 
Meve£fevog erklärte Eigenname Ga M-I-g-s-n-s”) hinzuzu- 
fügen, wenn nicht durch Namen wie MeiAtayoos, Mele£irnog, 
MeA&vıxog auch MelE£evog als ursprüngliche Namensform ver- 
teidigt würde (R. Meister, Griech. Dial. II 322, A. 2). 

Dissimilation erkenne ich ferner in den (Berliner) Familien- 
namen Pinckernell, Pinckernelle, Pinkernelle, Pinkerneil, 
die ich auf den Namen der Pflanze Pimpinella, deutsch Pim- 
pernell, auch Bibernell, zurückführe. Hier mußte bei Verwand- 
lung des zweiten p in £ auch der unmittelbar vorhergehende 


1) Auch span. Antolin: Schopf, Die konson. Fernwirkg. 99. 
2) Die beiden Söhne dieses Mannes tragen die phönikischen Namen "ES. 
munsilleh und Marjehaj. 


bau 50207) (oc ` mme U eegen ba 


S EE 


Etymologien. 181 


Nasal sich ändern. — Dieser Personenname ist wohl ursprünglich 
Spottname gewesen. Denn im Elsaß wird eitlen, törichten 
Mädchen von den Kindern nachgerufen: Mamsell Bimpernell! 
(Bipernell, Bumpernell); von starken, männlich auftretenden 
Frauenzimmern sagt man: Jumfer Bimpernell (Martin und Lien- 
hardt, Wtb. d. els. Mundarten II 48). — Bei dieser Gelegenheit 
bemerke ich, daß der im 17. Jahrh. von deutschen Juden geführte 
Name Beyfuß, Beyfus etymologisch nichts zu tun hat mit der 
Pflanzenart Beifuf (Artemisia), vielmehr nur durch Anglei- 
chung entstanden ist aus dem seit dem Mittelalter bei Juden 
auftretenden, hebräisch geschriebenen Namen Feibus = lat. 
Phoebus, den Griechen und Römer trugen (s. Meyersahm, Deor. 
nomina hominib. impos., Diss. Kiel 1891, S. 10 u. 14)°). Auch der 
jüdische Familienname Dreifuß, Dreyfus, ist ja durch Anglei- 
chung entstanden: er geht zurück auf die hebräische Schreibung 
von Trèves, dem französischen Namen der Stadt Trier (s. Jewish 
Encycl. XI 243f.). 

Der Familienname Bompard (Anzeige vom Tode eines Henri 
Bompard in der „Frankfurter Ztg.“ 17.7.30 aus Dillingen a. d. 
Saar, Trauerfeier auch in Metz) könnte entstanden sein durch 
Dissimilation -aus dem Namen der Stadt Boppard am Rhein. 
Zu mp aus pp vgl. KZ. LV 29 und die Inschrift Monimus Ierombali 
f. mil. c(o)hor. I. Ituraeor. (Dessau, Inscr. Lat. sel. 2562). 

Dissimilation vermute ich in dem Familiennamen Pulver- 
reiter, der als Pulverbereiter zu deuten sein wird, vgl. Pulver- 
macher, Pulvermann. Dann könnte auch Salbreiter als Salbe- 
bereiter erklärt werden. 

Ferner zeigt sich Dissimilation in dem jüdischen Familien- 
namen Riwkind, entstanden aus Riwkekind d. h. „Kind der 
Riwke“ (jüd. Volksaussprache für Ribgā „Rebekka“. Über die 
Entstehung solcher metronymischen Namen spreche ich demnächst 
im „Archiv f. Religionswiss.“. 

Dissimilation liegt auch vor in der Glosse oðoaı: óoaxual, 
aus aram. zuzä (Sem. Fremdw. 119). 

1) Auch Sprüchlein: Mämsell Bumpernell| Häwersäck, Schnüpfdüwack 
(Koehnlein und Ande, Jahrb. f. Gesch. Spr. u. Lit. Els.-Lothr.'s XXV 220). Bei 
Bumpernell wird man doch nicht etwa an Pumpernickel, das auch einen un- 
geschlachten, groben Menschen bezeichnet (Grimm, Wtb. VII 2231), denken 
dürfen. 

2) Dagegen gehört der Familienname Beifuß (auch Beilfuß), soweit 


er nicht auf den jüdischen Namen zurückgeht, wirklich zu dem Pflanzennamen, 
vgl. Knoblauch, Petersilie. 


182 H. Lewy 


5. xoqt1 oas. 

Hesychios hat zwischen somtég und xontngıov» die Glosse 
xoatÃgas: tobS xoatoŭvras, die M. Schmidt verdächtigt und für 
die er in der großen Ausgabe zweifelnd xodropas vorschlägt. 
Aber die überlieferte Form läßt sich verteidigen, wenn man 
Dissimilation annimmt für xọartņnığoas. Zwar vermag ich 
gerade xọartņtýo neben xparntwo nicht nachzuweisen, aber das 
Vorkommen von duvvrno neben duövrwe, von vıxarno neben 
vırdwo und von onuavıno neben onudvıwge dürfte zur Recht- 
fertigung genügen, wenn es einer solchen, angesichts der vielen 
Bildungen auf -týọ, überhaupt bedarf. 


6. Kuvogpaloı. 

Hesychios hat Kondee/ior: Kopivdioı, ui, Is. Vossius 
wollte Kvvópvůort schreiben. Lecrivain bei Daremberg-Saglio HI 
873, der anmerkt: „Oder xvvögılor“, lehnt die Auffassung als 
„an der Scholle klebende Sklaven“ ab. J. Oehler bei P.-W. XII 1 
Sp. 26 denkt treffend an eine geringschätzige Bezeichnung nach 
der Mütze aus Hundsfell für die ländliche Bevölkerung und 
verweist auf Hermann-Thumser, Griech. Staatsalt.*1128, wo Myron 
von Priene (Athen. XIV 674d) zitiert wird: die Heloten in La- 
konien mußten eine xvv7 tragen. Ich setze Kvvöpaloı = Kvvo- 
x£pakoı, so daß wir hier eine Kürzung haben, wobei die Dis- 
similation über eine Silbe ungleicher Lautung hinweggreift, s. 
Brugmann, Ber. Sächs. Ges. d. Wiss., phil.-hist. Kl. LI 1901 
S. 31ff.'). 

V. Gebhard, Die Pharmakoi in Ionien und die Sybakchoi in 
Athen (Münch. Diss. 1926) S. 95, deutet ovßaxxoı als *ovxo- 
Baxyxo, „Feigenbakchen* und bemerkt, daß Professor Herbig 
ihm die Annahme einer solchen Dissimilation als unbedenklich 
bezeichnet habe. 

Eine ähnliche Kürzung zeigt in allerneuester Zeit das Wort 
Pacifist für Pacifieist. 
| 7. Aiw als Windname. 

Der Name des Südwestwindes wird auch von Prellwitz* und 
Boisaeq, ebenso wie Ai „Trankopfer“ (Aischylos u.a.), zu Zeie 
„träufle, vergieße“ gestellt. Allerdings bringt der Zi Regen: 
xal ciol olnöorwg of And Tadıng wis xwons (sc. ng Außuns) nv&ov- 
Tec, 6 Te vöros oi Ó Ai, dveuwv noAlov TÜV NdvTW@v DETWTATOL 


1) Sagenhaft ist das von Aischylos erwähnte Volk Kvvox&paAoı in Äthiopien. 
„vvornepaiog heißt auch eine Affenart. 


Etymologien. 183 


(Herod. II 25), und die Ableitung dieses Namens stimmt zu der 
Zusammenstellung von »dros mit voris „Feuchtigkeit, Nässe“, 
voritw „benetze*, zóruos und votegós „naß“, ahd. naz, idg. not: 
nod (Schrader, Reallex.” 656). Aber die Herkunft des Alw aus 
Libyen und sein lateinischer Name Africus läßt doch die Frage 
auftauchen, ob wir nicht in dem Windnamen Abt: eine (vielleicht 
aus der Schiffersprache stammende) Verkürzung von Aißvs er- 
kennen dürfen, wobei Angleichung an das andere Wort Aly 
nicht ausgeschlossen wäre. 
Nach Libyen ist ja doch auch gewiß Aıkößn, gewöhnlich 
"Aılvßaıov, die Westspitze Siziliens, benannt worden: man 
meinte, es läge gerade gegenüber von Libyen, vgl. die Stellen 
der Alten bei Freeman-Lupus, Gesch. Sizil. 151; Ziegler in P.-W. 
XIII 1 Sp. 542. Die Deutung aus lö-Lubi „nach Libyen hin 
schauend“ bei Kiepert, Lehrb. d. alt. Geogr. 472; so schon 
Movers, Phönizier II 2 S. 333°). 


8. Weitere Beispiele für Wortkürzung. 


Als „innere Kürzung“ erklärt P. Kretschmer, KZ. XXXVII 
129ff., den Namen Märs aus Mävors, wie Kurt = Kuonrät, 
Lore = Leonore, Mia = Maria. Über Kúðaðov als Kürzung von 
Kvöadnvaıov s. Kretschmer, Glotta XV 307. — Eine solche 
Kürzung ist auch ital. Monna Vanna e Monna Bice = Ma- 
donna Giovanna e Madonna Beatrice „G. und B., die Herzens- 
gebieterinnen“, heute nur noch scherzhaft cosa ne dice Monna 
Lucrezia? „Was sagt meine Frau Lukrezia dazu?“ 

Aorvo- für Agıoro- auf thessalischen Inschriften nennt M. 
Leumann, Glotta XVIII opt, eine in Namen ja begreifliche 
Schnellsprechform. 

Aus dem Vulgärlatein gibt Schuchardt, Vok. II, für Kürzung 
von Wörtern eine Menge von Beispielen, so S. 440 temre = tem- 
pore, citates = civitates, duocim = duodecim, fridam = frigidam, 
ligantium = litigantium. — Portugiesisch heißt der General eines 
Mönchsordens gerdl, der militärische Titel ist general’). 


1) Für AıAvdßarov, das „jeder Namendeutung spotte“, schlägt C. Fries, 
Rhein. Mus. NF. LXXIX (1930) S. 102, vor, „an Lulad zu denken, den semiti- 
schen Stamm, der Myrte bedeutet“. Aber hebr. /ulad ist ein Zweig, insbes. 
der Palmzweig, ein Bestandteil des rituellen Feststraußes am jüdischen Hütten- 
feste (vgl. Levit. 23, 40); zuweilen bezeichnet das Wort auch die 4 Pflanzen 
dieses Feststraußes (darunter Myrte) zusammen, weil der Palmzweig der größte ist. 

2) Auf der Besuchskarte eines k. u. k. Offiziers in der Herzegowina las 
ich einst Baon 2 = Bataillon. Das ist graphische Kürzung, die aber dann 


184 H. Lewy 


Im mittelalterlichen Hebräisch wurde lat. commentarius zu 
quntrus „Kommentar“, schon im Talmud lat. compendiaria (sc. 
via) „Abkürzungsweg* zu göpandarjä. 

Theognostos (Cramer, Anecd. Graeca) S. 111: erwähnt mea- 
lân. Dazu vgl. nengaöiiaı KZ. LVIII 21f., wo auch xedpako» 
behandelt ist. 

Bosuéyos = Beßosyufvos (von Bodxw) „madidus“ belegt 
Ducange durch mehrere Stellen. Im Neugriech. schwindet y vor 
u regelmäßig (Foy, Lautsyst. d. griech. Vulgärspr. 77) 5. 

xooövßaAiw@öes nE&dov, bei Luk. Tragodop. 223, wird als 
*4ogövloßeailides, von xogdvin „Keule“, erklärt und soll einen 
festgeschlagenen oder gestampften Estrich bezeichnen. Das wäre 
also wieder ein Fall, wo die Dissimilation über eine Silbe un- 
gleicher Lautung hinweggreift (s. Brugmann a. a. O.). 

Nikandros, Alexiph. 172 sagt: (9dåacoav,) v te xal druev- 
£t? dv£uoıs nógev ’Evvooiyaıos. Dazu das Scholion: druevew dé 
Öovievdemw, bmoxeiodaı‘ dru£ves yo ol dodloı. Demnach könnte | 
man, wie es schon geschehen ist, druedw als Kürzung aus *dr- 
ueveúw auffassen. Doch wie ist Grën abzuleiten? °) | 

Eine Anzahl Eigennamen, die in kürzerer und in längerer 
Form bezeugt sind, bringt Lobeck, Proleg. 147: so Kaivövös |! 
neben Kaiöxaövog (Fluß in Kilikien), Aoudoare, Aoudoara | 
neben Aooaudoara (Stadt in Armenien), KvAivgıoı neben 
KoAlıxvoıoı (Zinsbauern in Syrakus). 

Wenn bei Athenaios VII 318f. neben der gutbezeugten und 
von den Herausgebern aufgenommenen Lesart uaidxıq dë xadei- | 
rar ra Tevdıdaön (zu Å revdis) eine Variante cen dén lautet, 
so darf man diese wohl nicht als rein graphischen Fehler auf- | 
fassen (über solche s. Schopf, Die konson. Fernwirkungen 69ff.), 


auch wohl gesprochen wird. Anderswo ist mir ex offo „von Amts wegen‘ = 
ex officio begegnet. — Kürzung anderer Art zeigt ital. tenente „Leutnant“ | 
= luogotenente. — Vgl. noch kopt. z. B. IEMIAZ = IEPEMIAZ rn Per- ! 
sonenn. d. Kopt. I 105ff.). 
1) So hat auch Hesychios: zu droe: pdpnaxa, d.i. lat. pigmenta, und 
zıuevidgios' papnanös xal uvoepós. i 
s) Eustath. zur Od. 8.1750: oðtw dé, paci, xal drmevog oò Kë ó 
óob4os, &AAG06 xa) ô terayuévoçş Eieddepos. Hesychios druevia' de ein, 
dvorvyla. drwevov oltov: dovAındv udoov (Nauck treffend so für åtuevo- 
tóv'` uwodv). Čtuevov” čzavotrov olneınv. Aber Etym. M. áó ez (6eçs' ðoð 
Allerdings bei Hesychios neidaoral ol tà &onıðloxia čyovreçs (an richtige 
Stelle), und bei Suidas — wie auch sonst — vóðtov' tò vótiov (maoà ze 
oldeiv ré @ra!). Dazu s. Mayser, Gramm. d. griech. Pap. I 131. \ 


Etymologien. 185 


(äm sondern zevdwöng ist richtig von ó reödog oder tevés gebildet’). 
liari Auf einem rein graphischen Fehler beruht aber Joerodien: ` 

Baoßeoiteıv „unverständlich reden“ bei Hesychios, wo die nächst- 
hatu folgenden Glossen lauten: AargaßiLsıv: Zonovdaousvwos xa 
gier, donuws Aaleiv, Aaroaßós: auves „gierig verschlingend“. M. 

Schmidt setzt in der kleinen Ausgabe vor Aaroddew ein Frage- 
zk zeichen, in der großen schrieb er Aaroaßi[a]deı» und verwies auf 
iert Lobeck, Proleg. 147 (der von Auroddeıw und Aureaßideıw spricht). 
L Die alphabetische Folge wird durch Änderung in Aaroa(Bd)Leıv 
vr, oder in Aaroa(Bıd)deıw hergestellt; vgl. Hes. Adate: Bóq 
le (Anakr. Fre 90 Bgk.) zu Ados, Aaw, dies auch von undeut- 
Lee lichem, unartikuliertem Schreien, und dodıdlw zu óó9os „Rau- 
pr schen“, óód9;os „rauschend*. 


9. udin. uaoxdin. 
vi Die Achselhöhle, uaoydin”), wird nach Pollux II 139 von den 
A  Zös@reı, den Leuten aus dem gemeinen Volke, ud/in genannt, 
, jedoch nicht von den Attikern, âà tò m aŭti pegdusvov rò 
udins pEoeodaı Aéyovoiw. Auch Phrynichos, ’ExAoyn S. 196, 
„ sagt: udin oöx £oeis, Garë udinv (udins ed. Vasc.) uevroı. Ebenso 
bezeichnet Helladios ud/n als nicht attisch. mò udins „heim- 
lich“ bei Aristophanes, Platon und Demosthenes. Hesychios bietet 
udicaı: uaoydicı. Prellwitz? nimmt für ugi Beziehung zu ud-on 
„Hand“, lat. manus, an und erklärt uaoydin aus ua- (in udin) 
und -oxa4- in oxaiis „Gabel“, was Boisacq mit Recht als nicht 
überzeugend abweist. — Ich fasse das, augenscheinlich der Volks- 
, sprache angehörende, Wort ud/n als eine Kürzung aus ua- 

o xG An. 
Bestätigung hierfür liefert die Tatsache, daß Hesychios zd AT 
| auch durch ueidyn „Malve* erklärt. Von dieser Glosse wird 
sogleich noch die Rede sein. Also ebenfalls Kürzung. Malve 
wurde von den Armen als wohlfeil gegessen: das Wort war also 
a, wohl gerade im Munde des Volkes häufig (über die Etymologie 
vgl. meine Semit. Fremdw. 31). 

d Wenn man bedenkt, daß nicht nur im Deutschen Becken 


auch einen Körperteil bezeichnet (vgl. Brustkorb, Hüftpfanne), 
d H — 
u 1) Über die Etymologie g. meine Semit. Fremdw. 18. — Eher ist gra- 
GT, phischer Fehler die Lesart zoAözıov für noAvnddıov Aristot. H. A. V 18, 
d m (nicht etwa von moZXA6zos (ndivnos) = noAünovs abgeleitet. | 
n richtig 2) Davon zu trennen uaoydin „Palmstreifen, Binse“ (zum Flechten, semi- 


y (zoù Lem Ursprungs). 


\ 


186 H. Lewy 


sondern auch im Griechischen schon bei Homer xordAn sowohl 
einen kleinen Becher als auch die Pfanne des Hüftbeckens 
(ebenso später xorvAndwv), daß &uviov — bei Homer „Schale 
für Opferblut* — von Empedokles nach Poll. II 223 für eine Haut 
um den Embryo gebraucht wurde, daß ydyyauo» und oayivn 
„Fischernetz“ auch eine Stelle in der Gegend des Nabels heißt, 
so kann wohl die Möglichkeit nicht von vornherein ausgeschlossen 
werden, daß uaoxdin ursprünglich ein Gefäß war, dann 
erst zu der Bedeutung „Achselhöhle“ gelangte. Und da haben 
wir nun im Talmud das semitische Wort aram. mesiklä, m° šz- 
kletä oder (wie Dalman vokalisiert) maskiltä „Becken, Wasch- 
becken“, gebildet mit Präfix m von einer Saf‘el-Form saklel zu 
kul, eig. „umschließen*, dann „fassen, messen (von Gefäßen)“, 
vgl. mekilä, m°kiltä „Maß, Opferschale“ (Jastrow, Dictionary 852). 
Diese, zunächst gewiß kühn dünkende, Ableitung des griechischen 
uaoxdin erhält aber eine bedeutsame Stütze durch zwei an rich- 
tiger Stelle stehende Hesychios-Glossen, deren Überlieferung man 
jedoch bisher nicht gelten lassen wollte: uaoxaAdv' tòv të 
und udin' xAaiva. uaoxain. uaidyn.‘) Denn auch m*sikla ist in 
der Bedeutung „Kleid“ bezeugt, ebenso wie im Talmud wën 
sowohl „Gefäß“ als auch „Kleid“ bezeichnet. Auch hebr. keti 
ist „Gefäß, Sack (Tasche), Kleid“. 

Die Bedeutung „Becken, Wasserbecken* für uaoxdin 
führt nun auch zu besserem Verständnis der Ortsbestimmung in 
der Tafel von Heraklea (Inscr. Gr. XIV S. 168) Z. 58f.: n&o av 
Pvßilav xal zën Öıwgvya, und Z. Y2f.: nào av Bvßlivav ua- 
oyaiav xal nüo tüv diwgvya. Herwerden bekennt im Lexikon, 
BvBAia und BvßAiva uaoxdAa nicht zu verstehen. Früher dachte 
man an einen Winkel mit Anbau der Rebe ßıßAie, die nach Athen. 
I3lab den BißAwwog olvog lieferte (Peyron, La prima tavola di 
Eraclea, 1869, S. 68; R. Meister in Curt. Stud. IV, 1871, S. 437). 
Aber schon bei Dareste-Haussoullier-Reinach, Inser. jurid. I® serie, 
1895, S. 199, wird richtiger übersetzt: „pres de la grotte aux 
papyrus et du fossé“. Sodann erklärte Schwyzer, Dial. Gr. 
exempla epigr., 1923, im Index ßvßliva uaoxdia: „palus byblo 
consita“°), und Bvßliva: „sc. uaoxdia, angulus byblo consitus, 


1) Zu ersterer bemerkt M. Schmidt: „uaoyaiwröv yırava Salmasius, sed 
praestiterit (&ugpı)udoxaiov“, zu letzterer: „yAaiva fortasse ad uaĝaxý spectat, 
naidyn e dittographia natum“. 

2) Dazu verweist er auf Strab. S.268: 7 ud» Meoonjvn ts ITeiwmpıddos dn 
noing neitar, nauntoutvns Ent oi noòs Ew nal vaoydinv tiv noodons. 


Etymologien. 187 


vgl. uaozčůa“. Gemeint ist ein Wasserbecken oder Teich, 
an dem Papyrus wächst‘). | 
Merkwürdigerweise ist das aramäische Wort für „Wasch- 
becken“ viel später in anderer Gestalt als Lehnwort in die Sprache 
griechisch redender Juden Kleinasiens aufgenommen worden. 
Eine Inschrift aus Lydien lautet (Keil und Premerstein, Denkschr. 
Akad. Wien 1914 LVII 32£.): Tü &yıordın ovvayoyı av "Eßoaiwv 
Föorddıos ô Heooeßng Onto uvias Toü döeipodö “Eouopiiov +ó? 
zeaoxavinv dvednna dua tů vöupı uov Adavaoia. Dazu ver- 
wies Professor Grünert (Prag) auf das Wort für „Waschbecken“ 
im Talmud, das er als „maskel bzw. masköl (maskaul)“ anführte, 
und bemerkte, daß Waschbecken (aus Metall) sich noch heute in 
den Vorhallen der Synagogen finden und oft gewidmet werden. 
Nach S. Krauß, Synag. Altert. 313f., müssen wir uns das im 
Talmud erwähnte Gefäß, das nicht nur irden, sondern auch aus 
Erz sein konnte, als prunkvoll denken, da die Braut ein solches 
am Hochzeitstage benutzte‘). 


10. Aaßdaßno. 

Hesychios bietet zwischen Aaßas und Adßda die von M. Schmidt 
als dunkel mit + bezeichnete Glosse Aaßdßno‘ Aaxavioun. Pear- 
son hielt sie für lakonisch. Das Erklärungswort ist Deminutivum 
von Jaxdvn = Aen, wie Aexdvıov und Aexavis, die Suidas als 
tà uelbova av dEvBdpwv (Essignäpfchen, überhaupt flaches Tisch- 
geschirr) xal &xneraia (flach und umfangreich) bezeichnet. Pho- 


Dos sagt: EAN’ oi nalauoi, A hueis Aendvnv, nodavınvjoa (Wanne 
zum Fußbad) &xdiovv. 


Das rätselhafte Wort Aaßdßno könnte, wenn es Lehnwort 
in der Sprache palästinischer Juden wäre — in der es aber 
literarisch nicht bezeugt ist — die Wiedergabe von lateinischem 


1) Bemerkenswert erscheint, daß hier schon im 4. Jahrh. v. Chr. Papyrus 
wuchs. Denn bei Kerner von Marilaun °(1916) III 272 heißt es, daß die Papyrus- 
staude nach Sizilien — wo sie am Anapo 4—6m hoch wird — vielleicht erst 
von den Arabern verpflanzt wurde (also erst kurz vor dem 10. christl. Jahrh. 
aus Syrien). Geeignet für diese Pflanze, die seichtes Wasser an Ufern und 
Sümpfen liebt, ist ja auch das Mündungsgebiet des Siris, an dem Heraklea lag, 
gewesen. 

9) Bei dieser Gelegenheit trage ich nach, daß das von mir, KZ. LVII 28f., 
als Lehnwort aus einer semitischen Sprache nachgewiesene oeuldakıs aus 
dem Griechischen wieder in das Aramäische des Talmud und des Targum als 
semidä aufgenommen worden ist (Krauß, Lehnw. II 397), in das Arabische 
Ägyptens (Volles, ZDMG. L 618; LI 298) als semid, semit, und in das 
Armenische (Brockelmann, ZDMG. XLVII 27) als simindr. 


188 H. Lewy 


lavabrum „Badewanne“ sein. Verlust der Endung wie in sädär 
= lat. sudarium, tarlimar = toımmuögıov, glosgom = yAwoodxouov 
(S. Krauß, Griech. u. lat. Lehnw. im Talmud usw. 1119 8 217). 
b für lat. v in bibe = lat. vive, bibrin = lat. vivarium, bestyar = 
vestiarius, Beoridoros (Kr. I 47 861)'). 

Daß lavabrum in der lateinischen Volkssprache für läbrum 
(welches in dieser Bedeutung zu lavare gehört) gebraucht wurde, 
zeigt wohl die Mahnung des Marius Victorinus I 4, 10: „sed nos 
nunc et .... scribamus et pro lavabro potius labrum“. labrum 
ist ein großes Gefäß mit breiter Mündung, Becken, Wanne, in 
ein Bad gehörend, nach einer Glosse zum Baden von Kindern 
dienend, nach anderen Stellen in der Landwirtschaft für Öl und 
Trauben gebraucht. 


11. afyAn „Ring“ und stammverwandte Wörter. 


Hesychios hat folgende Glossen: alyAag' dugiö&as (Arm- 
bänder”), Ringe) soi dëi (Armbänder). tà megl nv Övıv co 
dodreov. alyAn‘ dën (Schmuck: Hals-, Arm- und Fußbänder), 
Sopoxins Tnoei. Ircé TU xai neön (Fußfessel) zaoà ’Enıxdaouw 
ën Banyaıs. aiyAn‘ Aaunndov, Gët, Pos, Aaunodıns. ëtt dë sot 
BóAos paŭåos xußevrnds. Dazu gehört die zwischen «iyixeoas 
und AiyíAnp überlieferte Glosse aiy.Ala' daxtvAldıa (Ringe), die 
in der Handschrift als aiyAi@ erscheint und nach M. Schmidts 
Vermutung Jäng gelesen werden soll (Hes. Aöyaıa' t megi 
roi xegol példa), die ich aber in aiyiAıa ändern und dadurch 
in die alphabetische Folge einordnen möchte. 

Von Boisacq wird nur alyin „éclat de lumière“ besprochen. 
Es erscheint mir ausgeschlossen, vii „Ring“ für ursprünglich 
identisch mit æřyåņ „Glanz“ zu halten, zumal Suidas lehrt: aiyAr' 
- - - xai nondvov elöog ÖnAoi, xal Yvolav, OS engt Asaydoas, 
sti, Denn nönave (Gebäck, besonders Opferkuchen) sind nach 
Schol. Plat. Rep. V 4550 nAaxodvue ierg xai lentà xal megi- 
peoij, also runde‘), etwa Kringel. Ich nehme an, daß ein 


1) Die lateinischen Lehnwörter, deren Zahl bei weitem geringer ist als die 
der griechischen, sind zum Teil unmittelbar, d. h. ohne Vermittlung des Grie- 
chischen, übernommen worden (Krauß I 231ff.). 

2) Nach Herod. II 69 steckte man in Ägypten einem Krokodil Gehänge 
aus Glas(porzellan) und Gold in die Ohren und Armbänder (dugıöeas) an die 
Vorderfüße. 

3) Von M. Schmidt als falsche Verbesserung einer Verderbnis erkannt. 

4) Lex. rhet. S. 294,27: ndnavdv gsti nAdtvuud ct orgoyydiov ¿mó orearos 
(Teig von Weizenmehl, Hes. or£ara' dievoa. Cöun) eis Hvolav Enırndeiov. 


Etymologien. 189 


fremdes, semitisches Wort mit der Bedeutung „Ring“ dem echt- 
griechischen alyin angeglichen wurde. Wir haben hebr. ‘äg3l 
„Ring“, insbes. „Ohrring“, Pl. ‘ägiim, Stamm "Goal „rund sein“, 
wovon "goë „rund“, “iggul „Kreis, runde Masse“. Wenn die oben 
vorgeschlagene Lesung eiyilıa richtig ist, so stände die Bildung 
aiyikıov dem hebr. Worte noch etwas näher; andernfalls wäre 
Gud zu betonen (von aiyAıov, einem Deminutivum zu aiyAn). 

Zu ‘ägöl „rund“ lautet das Fem. ‘ägulläa, und „die Runde“ 
soll ”AyvAAa, der alte, von den Griechen lange beibehaltene 
Name der Stadt Caere in Etrurien bedeuten, vgl. Hülsen bei 
P.-W.1913. Von demselben semitischen Stamme leite ich nun 
auch ab den Namen des Inselchens "@yvAog bei Kythera (hier 
uralter Kult der phönikischen Aphrodite d. i. Astarte), zu dem 
schon Fick, BB. XXII 32, auf die — wie ich glaube, ebenfalls 
semitische — Glosse des Hesychios ug //ourto: Ovverduntovro 
verwiesen hat. Steph. Byz. 706,3: "QyvAiog voos uetra He- 
Aonovvrnoov xal Kontns. Wenn Bursian, Geogr. II 203, Kieperts 
Identifizierung dieses Inselchens mit dem ebenfalls südlich von 
Kythera liegenden Aiyıla (bei Dionys. Perieg. 499 = Geogr. Gr. 
min. ed. C. Müller II S. 134 haben viele Hdschr. AiyvAa) an- 
zweifelte, so erscheint jetzt bei phönikischer Herkunft des Namens 
dieser Zweifel doch wohl weniger begründet. — Zroeoerd Au, 
„die Runde“, eine der Liparischen oder Äolischen Inseln, heute 
Stromboli, „aleiraı uèv åzò Tod oxnuaros, Strab. VI S. 276. 2zooy- 
yvAn war nach Diod. V 50, 1 der alte Name von Naxos, nach 
Plinius auch Name der Stadt auf dieser Insel. 

Von demselben semitischen Stamme (das hebr. Verbum be- 
deutet im Piel „rollen“, Hitpa’el „sich rollen“, ma’gilä „Walze, 
Rolle“) kommt lat. mägalia (Pl.) für die runden und fahrbaren 
Hütten nomadisierender Berberstämme, entweder als „Rund- 
hütten“ (Movers II 2, 400), oder aber als „Fahrhütten“ (Gese- 
nius, Monum. 392), vgl. ‘ägalä „Wagen“, ma’gäl „Wagenspur“, 
„Wagenburg“'). Die lateinische Überlieferung schwankt zwischen 
magalia und mäpälia, das ich nicht sicher abzuleiten weiß, das 
man aber jedenfalls weder auf eine Entstellung in der Volks- 
sprache, noch auf einen Irrtum der Abschreiber zurückführen 


1) Schröder, Phön. Spr. 104, setzte magalia — magaria (mit Wechsel 
von Z und +?) und nahm letzteres — phön. *me‘är, hebr. me‘äraä „Höhle“, also 
„elende Erdhütten, Höhlenwohnungen“. Daß die Erklärung des Servius zu Aen. 
I 421, pun. magar bedeute „villa“, ebenso wie die des Isidorus 15, 12 als „nova 
villa“, auf Mißverständnis beruht, ist bekannt. 


190 H. Lewy 


darf (Gesenius schwankte zwischen diesen beiden Möglichkeiten). 
Müller-Graupa, Philol. LXXII 1914 S. 308ff. (Mapalia. Eine kultur- 
geschichtliche Untersuchung.), denkt an die Möglichkeit eines Zu- 
sammenhanges mit dem nach Quintil. [ 5, 57 punischen Worte 
mappa, für das er die Grundbedeutung „Leinwand“ annimmt, 
so daß map(p)alia die leinene Zelthülle, das Leinenzelt be- 
zeichnen würde. Aber die Etymologie von mappa (s. weiter) 
schließt solchen Zusammenhang aus, und er selbst sagt ja, daß 
die Zelte aus Wolle, Kamelhaaren oder Tierfellen ge- 
fertigt waren, die Hütten aus Flechtwerk. — In Bezug auf das 
Verhältnis zwischen map(p)alia und magalia habe ich mich wohl 
schon gefragt, ob vielleicht im Lateinischen eine Verwechse- 
lung zweier ähnlich lautender punischer Wörter mit nicht allzu 
verschiedener Bedeutung erfolgt sein könnte: von hebr. nafal 
„fallen“, auch „einfallen“, ist abgeleitet hebr. mappäla, mappelä 
„zusammengefallene Gebäude, Trümmer“, aram. mappaltä 
„Ruine“. Der gemeinsame Begriff wäre etwa „armselige, bau- 
fällige Wohnung“. An Ableitung von mapalia aus m-p-l dachte 
auch Gesenius, aber ohne weitere Erklärung. 

Von demselben Stamme näfal kommt hebr. mappäl „Abfall“ 
(mappal bar „Abfall des Getreides“), auf das oder auf dessen syri- 
sche Entsprechung lat. mamphüla zurückgeht (Forcellini-De Vit 
s. v., nur daß sein mappalä in dieser Bedeutung nicht nachweisbar 
ist). Festus S. 126 L.: „mamphula appellatur (pa)nıs Syriaci ge- 
nus, quod, ut ait Verrius, in clibano antequam percoquatur, de- 
cidit in carbones cineremque. Cuius meminit Lucilius (1250): usw.“ 


. 12. Lat. mappa. 


mappae tricliniares erwähnt Varro LL., mappa *) ist ein Lein- 
tuch zum Abwischen der Hände oder des Mundes bei Tische 
(Hor., Petron., Mart.); auch das Signaltuch, welches bei Spielen 
der Veranstalter oder leitende Beamte in die Arena wirft, damit 
die Schranken geöffnet werden und die Rennen beginnen. Quin- 
tilian I 5, 57: „mappam, usitatum circo nomen, Poeni sibi 
vindicant“. Pottier bei Daremb.-Saglio HI 2, 1593ff. bemerkt, 
es gebe keine semitische Etymologie (Gesenius, Monum 393, be- 
stritt 1837 den punischen Ursprung, wollte aber dem Quintilian 
glauben, daß mappā auch punisch war). Nun findet sich mappa 
ebenso im Talmud für „Tuch, Hand- oder Mundtuch“, und an 


1) Für die dissimilierte Form nappa s. Niedermann, Contrib. 311. (zitiert 
von Walde?). 


Etymologien. 191 


einer Stelle des Midras') für „Fahnentuch, Fahne“ (s. J. Levy, 
Neuhebr. Wtb. [1883] III 198, der zwar zu dem hebr. Worte in 
Klammern mappa, udzza hinzufügt, aber über die Frage einer 
Eintlehnung sich nicht deutlich erklärt). Fürst, Glossar. Graeco- 
Hebr. (1890) leitet das hebr. Wort von dem späten udnna ab. 
Krauß, Gr. u. lat. Lehnw. im Talm. (1899) führt das hebr. Wort 
nicht auf, hält es also nicht für entlehnt. Endlich Jastrow, Dic- 
tionary (1903), verweist für hebr. mappä auf näfä, im Piel nippä 
„fächeln (schwingen, sieben)“, Denom. v. näfa „Fächer (Schwinge, 
Sieb)“. Dies ist verwandt mit naf, schon biblisch im Hd 
„schwingen“ (auch die Hand, um ein Zeichen zu geben). 
Und dazu gehört nun im Talmud menafa, m'nifä „Fächer“. 
Nach talmudischen Angaben stand in der großen Doppelhallen- 
synagoge zu Alexandria während des Gottesdienstes der Aufseher 
auf einer Tribüne in der Mitte und schwang Tücher eut 
besudärin) oder ein Tuch (men:f b’sudär, dieses sadar Lehnwort 
aus lat. sudarium) °), so oft die Gemeinde mit „Amen“ einzufallen 
hatte (s. J. Levy HI 361f.; Elbogen, Der jüd. Gottesd. 486). 

Somit stammt lat. mappa von dem punischen Worte, welches 
dem hebr. mappä aus *manpä = m°näfä entspricht (vgl. z. B. 
näfal „er ist gefallen“, ’eppöl „ich werde fallen“ aus *’enpöl und 
oben mappäl aus *manpäl) und ursprünglich „geschwungenes 
Tuch, Fahne“ bedeutet hat, erst später auch für andere Tücher 
gebraucht worden ist. 


13. Bıdaxıov. 

Suidas hat die Glosse Bıdaxiwv' umgoov Aldwv. Ducange 
übersetzt „lapillus, fragmentum lapidis“, er führt außer der Glossse 
noch an aus Makarios sf ts Gro Jon óbpas und aus Antio- 
chos Monachos mxoðv Bılariwv. 

biáxiov ist Lehnwort: aram. bizgä, bīz°qā „abgebro- 
chenes Stück, Scherbe, Steinchen“. Hebr. bezeg kommt nur 
als Ortsname vor, hebr. bäzäg „Blitz“ ist nag eignu&vov?). Jastrow, 
Dictionary, setzt als hebr. Wrz. bäzag, als aram. b°zaqg „brechen, 
zertrümmern“ an. 

Das späte ua@apögıo» (Ducange) bezeichnet ein Frauen- 
kleid: n&nkov, yvvaıneiov iudrıov, uapdgıov, und tò ts xegpaA4s 
1) Über diese spreche ich demnächst im „Archiv f. Religionswiss.‘. 

2) Auf lat. mappale = vexillum und mappula = sudarium der Mönche 
im Mittelalter verweist Müller-Graupa, Philol. LXXIII 316, A. 29. 


3) Dieses, durch die alten Übersetzungen gesicherte, Wort wollen Smend 
und Cornill in das gewöhnliche däräg ändern. 


192 W. Schulze, Putedli. 


sceoißAnua, bei Eustathios xondeuvov N tò uaepögıor'); spätlat. 
(Ducange) mafors, mavors, maforte eine Kopfbedeckung, be- 
sonders der Frauen. Doch auch ein Mönchskleid: „angustum 
pallium, quo utuntur monachi, collum pariter atque humeros 
tegens“ (Glosse)”). Das Wort ist bereits von M. Sachs, Beitr. z. 
Spr.- u. Altertforsch. I (1852) 86ff., auf hebr. ma’äföret, maʻa- 
feret, aram. ma'afrā, ma'afora, ma'ŭfor'tā zurückgeführt 
worden, nach ihm ein zum Überziehen oder Umhängen bestimm- 
tes linnenes Gewand, nach J. Levy, Neuhebr. u. chald. Wtb., 
1) eine Art Hülle, deren oberer, engerer Teil zur Kopfeinhüllung 
und deren unterer, vom Halse an weiterer Teil als Überwurf 
diente, 2) ein feinlinnenes Staatskleid, Ehrenmantel. Dazu vgl. 
S. Krauß, Talmud. Archäol. I 166 nebst den Anmerk. 518—523 
auf S. 599f. Aus dem hiervon abgeleiteten aram. ma’afräjä 
„Träger des Ehrenmantels“ erklärt Sachs den Titel Maphrian 
in der syrischen Kirche für Bischöfe und Patriarchen, die bei 
der Ordination mit dem Pluviale belehnt werden’). 


14. uayagic. 

Die Hesychios-Glosse uayaols‘ wıxg& onddn scheint noch 
unerklärt: Prellwitz? und Boisacq führen sie nicht an. onddn 
hat u. a. die Bedeutung „breites Schwert“, ebenso das daraus 
entlehnte lat. spatha. Daher könnte uayaoig zurückgehen auf das 
semitische Wort hebr. m°gerä f. „Säge“, von gärar „ziehen, 
zerren, sägen“. nolwv» uaxaıowrös „messer- oder säbelförmige 
Säge“ für die Steinsäge ohne Zähne findet sich bei Galenos, und 
auch die m°gerä dient zum Sägen der Steine. 


Berlin. Heinrich Lewy. 


Putebli. 
Den beiden Apex-Belegen für den Stadtnamen o. LVII 75 
hätte ich aus Eph. epigr. VIII 104 Nr. 394 (Puteoli) Puteölanus 
hinzufügen sollen. Nicht beweiskräftig ist Dessau 6339. W. S. 


1) naopdeıov zeigt die „Verzweifachung eines Konsonanten durch Fern- 
versetzung, einen dem dissimilatorischen Schwund gerade entgegengesetzten 
Vorgang“, z. B. zoig Aoın(e)ois moo&evoıs (Nachmanson, Beitr. z. Kenntnis der 
altgr. Volksspr.). 

2) Bei Goetz, Thes. gloss. emend. 1668, auch mafortia ` marsupium 
und mauortia : marsuppius (Geldbeutel). 

š) Für uagógrov neben uapderns nimmt also Meinersmann, Die lat. Wört. 
u. Nam. in d. griech. Pap. 105, zu Unrecht Einfluß von gége an. 


H. Lommel, Ablauts-Betrachtungen. 193 


Ablauts-Betrachtungen. 


Das -@ im Nom. und Akk. Sing. der Feminina des Typus 
púta, pégovoa usw. wollte Brugmann als übertragen von Feminin- 
stämmen auf -æ wie nr£ova, u£gıuva, yévva, doovoa usw. erklären, 
da nach den für ihn geltenden Anschauungen die Tiefstufe des 
Suffixes, das in den obliquen Kasus -i(i)ā- ist, nur š sein konnte, 
in welcher Gestalt es ja auch im Altindischen (bharant) und 
anderen Sprachen (lit. vesanti; got. frijondi usw.) erscheint. Doch 
dürfte die Annahme solcher Übertragung des -æ nur wenig Zu- 
stimmung gefunden haben; Thumb z.B. hat sie in der von ihm 
besorgten Auflage von Brugmanns Griech. Gram. (S. 214) aus- 
drücklich abgelehnt. Das führt uns zurück auf die andere von 
Brugmann im Grdr.’ II 1, 212 angegebene Möglichkeit, daß im 
Indogermanischen bei dieser Femininbildung die Ausgänge 3 und 
-i9 nebeneinander bestanden, und nur das Griechische die letztere, 
offene Form bewahrt hätte. Während also Brugmann eine solche 
Annahme zwar erwähnt, aber als unwahrscheinlich bezeichnet 
hatte, wird man nicht umhin können, sie gelten zu lassen. 

Näher eingegangen ist auf diese Frage Holger Pedersen in 
seiner Abhandlung „La cinquième Declinaison latine“ S. 31f. (Kgl. 
Danske Vidensk. Selsk., Hist.-fill. Medd. XI. 5. 1926). Er kehrt 
darin die Ansicht Brugmanns geradezu um und läßt die Kürze 
von Wörtern wie sdiug durch Übertragung von den Feminina 
auf -.& an Stelle von ursprünglichem -æ, wie es in zóZum ja auch 
vorliegt, entstanden sein. Darin stimme ich ihm zu. Auch tut 
er recht daran, daß er das Suffix -¿& nicht lediglich als einen 
Einzelfall betrachtet, sondern im Zusammenhang mit den Er- 
scheinungsformen, welche die Verbindung von Sonant mit Schwa 
indogermanicum darbietet. Da ist Pedersen der Ansicht, daß 
neben der Verschmelzung von silbischen Sonanten mit 2 zur 
Länge der silbischen Sonanten (z, 2, 7, 7) diese beiden Elemente 
auch ohne Vereinheitlichung fortbestehen können. Allerdings 
sagt dabei Pedersen, das Verhältnis -ja- (seine Schreibung für 
-i-):i beruhe auf der zwiefachen Entwicklung eines sonanti- 
schen Koeffizienten, dem ein 2 folgt: entweder werde das erste 
Element silbisch und das > verschmelze dann mit dem silbischen 
Sonanten, indem es ihn verlängere (3, ü, 7, ñ) oder umgekehrt, 
das erste Element bleibe unsilbisch und das folgende 2 übernehme 
die Rolle der Silbebildung (ja, wa, ra, na). Darnach könnten 
also uneinheitliche Lautgruppen mit silbischen Sonanten (iə, uə, 

Zeitschrift für vergl. Sprachf. LIX 3/4. 13 


194 H. Lommel 


re, na) nicht vorkommen. Tatsächlich aber finden wir sie in Fällen 
wie uia, wdirgıa, nörvıa und wir werden anderes der Art so- 
gleich noch in anderen Fällen kennen lernen. 

Schon deshalb, weil wir also mit einer Dreiheit der Erschei- 
nungsformen: je, i2, 3') zu rechnen haben, dürfte die von Pedersen 
mitgeteilte Slomann’sche Regel über das Erscheinen von o nach 
dem Akzent, dagegen von # vor dem Akzent und unter dem 
Akzent, schwerlich genügen. 

Ich will, im wesentlichen mit Beschränkung aufs Griechische, 
einige Fälle besprechen, wo Sonant und folgendes Schwa nicht 
verschmolzen sind. Eine bestimmte Regel für die Erscheinung 
kann ich nicht geben und es scheint mir das auch nicht so 
wichtig als die Feststellung der Tatsachen. Diese ließen sich 
allenfalls vermehren. Ich möchte mich jedoch hier, wie in meinen 
Vorlesungen, wo ich diese Dinge schon seit Jahren lehre, nur 
auf anerkannte Etymologieen stützen. 

In ngie-o9cı haben wir g“rio- als indogerm. Nebenform von 
g"ri, welches in ai. kri-nd-ti, kri-td- „er kauft, gekauft“ erscheint. 
Diese Auffassung, wenigstens die gleiche Abtrennung der Bestand- 
teile des Worts, findet sich schon bei Fick, GGA. 1881, 1432. 
Im Gegensatz dazu wird jedoch gemäß der verbreiteten Anschau- 
ung über Kontraktion von silbischen Sonanten mit Schwa dies 
Wort zerlegt in nel-a-od«aı, wobei nur das erste Stück des Worts 
(zgı- aus zmou- vor a) dem ai. kri- entsprechen würde. Dann 
muß für das c eine Erklärung gesucht werden, die nicht anders 
als gekünstelt ausfallen kann. Eine solche Erklärung hat Osthoff, 
Z. Gesch. d. Perf. 408 gegeben; diese überzeugt gar nicht. 

Ein weiterer Fall ist xove-ods, das sich zu ai. kra-rd- „wund, 
blutig, roh, grausam, furchtbar“, aw. zrära- „blutig, grausig, blut- 
dürstig, grausam“ ebenso verhält wie woıe- zu kri-. Da ich das 
griechische und arische Wort nicht nur als etymologisch ver- 
wandt, sondern als einander völlig identische Wortbildungen be- 
trachte, mag es gut sein, ihre enge Bedeutungsverwandtschaft 
zu betonen. In den Lexika wird vielfach bei xgvsoös — und 
ebenso bei xgv6sıs — die Bedeutung „eisig“ vorangestellt. Ohne 
die ganze Wortsippe in ihrer weiten Verzweigung zu verfolgen, 
bemerke ich nur, daß die mit zugehörigen Wörtern verbundenen 
Bedeutungen des von Frost Erstarrten darauf beruhen, daß die 
Wurzel nie das lebendig in den Adern pulsierende Blut, sondern 


1) Gemäß dem Vorigen sei © und ¿ hier Repräsentant für die Sonanten 
überhaupt. 


Ablauts-Betrachtungen. 195 


das geronnene Blut, das vergossen worden ist, das um die Wunde 
erstarrt ist oder toten Fleischteilen anhaftet, bedeutet. So kann 
dann auch, ohne daß Blut geflossen ist, die Todeskälte im Gegen- 
satz zur Lebenswärme so bezeichnet werden, etwa bei dem Er- 
trunkenen, Simonides 114 (Bergk) .... èv ndvrw xgveods véxvo. 
Und die allgemeinere Bedeutung „schaurig, grausig“, die das 
griechische und das indische Wort gemein haben, vereinigt das 
blutrünstige und die Todeskälte..e Aber die sinnliche Grund- 
anschauung ist zunächst die des vergossenen Blutes, und das 
spürt man noch ganz deutlich an homerisch xọvósıs: „der blutige 
Angriff“ (ioxn E 740), „die blutige Hündin“ (Z 344). 

Ich betrachte also e ebensowohl wie < als Vertreter von a 
Es werden im folgenden noch andere Beispiele zur Sprache 
kommen, bei denen ich verschiedene Vokalfärbung des im Grie- 
chischen aus idg. a entwickelten Lautes annehme, so daß ein 
Fall den anderen stützt. Es lassen sich keine besonderen Be- 
dingungen aufzeigen, unter denen die eine oder andere Vokal- 
färbung erscheint; wenn auch die Tönung des Hochstufenvokals 
dabei eine Rolle spielt (orards, erós, dords), so ist sie doch nicht 
allein entscheidend. Und fragt man sich weiter, ob die ver- 
schiedenartige Vokalfärbung, die das Griechische zeigt, etwa 
schon der idg. Grundsprache zuzuschreiben sei (a, e, o statt 3) — 
ob also das Griechische eine vielleicht nicht sehr ausgeprägte Ver- 
schiedenheit der Reduktionsvokale bewahrt, die andern Sprachen 
sie dagegen verwischt hätten, so wäre mit einer solchen Annahme 
nichts gewonnen. Denn es wäre dann das Problem nur aus dem 
Urgriechischen in die Grundsprache zurückverschoben, aber nicht 
weiter geklärt. So sei denn statt aller Theorien nur betont, was 
eben einer Erfassung in Regeln sich so sehr widersetzt, daß bei 
der gleichen Wurzel das Schwa, also vielleicht ein gleichartiger 
Laut a, sowohl als e xgve-ods, wie als a: xọéas (idg. krevas; vgl. 
ai. kravis „Blut*) erscheint. 

Dieser Fall läßt an die dialektische Verschiedenheit (oode 
ieods denken, wo das q, e gleich idg. ə ist (vgl. ai. isird- „kräftig“). 
Überhaupt enthalten die Ausgänge -«a-go-, -&-00- offenbar vielfach 
ein am Ende der Wurzel stehendes idg. 2, und sind, wo das nicht 
der Fall ist, wohl von solchen organischen Bildungen aus der 
Wurzel übertragen. Aus dem Ai. kann man hier nennen sithi-rd-, 
sithi-ld- „schlaff“ (mittel-indische Lautgestalt für *srthi-rd-) von 
der set-Wurzel srath- „schlaff werden“, Verb. Adi. srthi-td. Im 
Ai. kann freilich solches -i-rd nur selten sein, da es nur bei 

13* 


196 H. Lommel 


Wurzeln mit innerem Verschlußlaut oder Sibilant auftreten kann, 
während bei solchen mit innerem Sonanten es nur bei unregel- 
mäßiger Akzentuierung und Ablautstufe erscheinen kann, nämlich 
in dem Falle sthdvi-ra „fest“ neben und statt sthu-rá „dicht“. 

Aus dem Griechischen ist zu nennen za4a-oós „schlaff“, viel- 
leicht auch $aleods „blühend“, iAaods „heiter“, hauptsächlich 
aber kommt es hier auf solche an, die Wurzeln mit innerem Halb- 
vokal enthalten. Nämlich ßọra-ọós „schwer“ neben Bgi-I-Vs 
„schwer, wuchtig“, B&ßoide „ist schwer“. Ferner liegen zwei- 
silbige und zusammengezogene Tiefstufe neben einander vor in 
dıe-odg „flüchtig“ neben di-vog „Wirbel“. Daneben die Hochstufe 
in diw-x-w „treibe an, beschleunige, verfolge“, wo das -x- als 
etwas zur Wurzel hinzugekommenes angesehen werden kann wie 
das -x- von óZéxeo „verderbe“ = ÖölAvu. Im Zusammenhang 
damit liegt es nahe, anzunehmen, daß die o-Färbung des langen 
Hochstufenvokals Abtönung ist, die dem Perfekt entstammt (s. 
Boisacg, s. vi: da wir jedoch über das Verhältnis der Vokal- 
färbung des Reduktionsvokals zum Hochstufenvokal keine be- 
stimmte Meinung haben können, ist diese Annahme nicht unbe- 
dingt nötig, wie sie denn auch nicht beweisbar ist’). Die tief- 
stufige Wurzel dii? scheint also weiter vorzuliegen in die-oYaı 
(vgl. nola-odaı), Evöieoav „sie trieben an“, Ölevıaı „sie eilen“, 
lov „ich eilte“. Hier wäre dann der wurzelhafte Schwa-Vokal 
zum thematischen e/o-Vokal umgedeutet, also anders behandelt 
als in den bekannten Fällen wie 2ue-w. 

Ich will nicht von hier aus übergehen zu Hypothesen, wonach 
der thematische Vokal allenfalls identisch wäre mit dem Vokal 
der zweiten Wurzelsilbe (2-ßa4-s, Beie-uvov, BE-Bin-xe). 

Vielmehr bebe ich hervor, daß Solmsen, Untersuchungen 151, 
Formen wie dievraı, Evdiesav gerade umgekehrt ansieht als ana- 
logisch in die unthematische Abwandlungsart hinübergebracht, 
während in diouev, ôlw die ursprüngliche thematische Bildung 
„noch“ vorhanden sei. Es läßt sich schwerlich die eine oder die 
andere Ansicht in bezug auf ein einzelnes Verb beweisen; wenn- 
gleich ein di + e/o (tiefstuf. Wurzel + themat. Vokal) = urgr. 
dii — e/o neben dì -+ geing (tiefstuf. Wurzel 4 Suffix der A ai. 
Präs. Kl.) = ai. di-ya-ti mir nicht wahrscheinlich vorkommt. 
Denn die Beurteilung des Einzelfalls wird immer mitbestimmt 
werden von der Gesamtauffassung des Formenbaus. 


1) Meillet, MSL. 23 (1923), so lehnt die obige Erklärung der o-Färbung ab. 
[K -N.] 


Ablauts-Betrachtungen. 197 


Umgekehrt wie bei Boi-9-» und 8oa-oÁós dürfte das Verhältnis 
sein bei uet-e-xta-9-ov `) und xivew; xzóaq-9oçs „Becher“ : xõua. 

Was die Wurzelgestalt betrifft, besteht nun weiter zwischen 
opaoay&w „prassele, zische“ und ai. sphärjati „prasseln“ dasselbe 
Verhältnis wie zwischen neglaodaı und ai. krinäti, zwischen xgveods 
und ai. krürd-. Innerhalb des Griechischen aber besteht dieselbe 
Verschiedenheit zwischen Jdvaros und Yvnrös, xduarog und xun- 
tóc und wir haben hier die offenen Tiefstufenformen (so will ich 
sie nennen) sphrag-, dhuns-, kma- neben den zusammengezogenen 
sphrg-, dhvü-, km-. Gründe oder Bedingungen, warum bald die 
eine, bald die andere Gestalt erscheint, kann ich nicht angeben. 
Man hat sie etwa in der Akzentverschiedenheit von Idvarog und 
Şvyrós gesucht, die ja auffallend genug ist. Aber xgveods ist 
genau so betont wie krürd- und Bande, ist aber in dem Ver- 
hältnis von Sonant und Vokal doch dem Typus $advarog gleich. 
So einfach liegen also die Dinge nicht. Ich gehe auch garnicht 
darauf aus, diese Doppelheit zu erklären; hier handelt es sich 
vielmehr darum, darauf hinzuweisen, daß in bezug auf die Ab- 
lautstufe beide Erscheinungsformen einerlei Ranges sind. Das 
ist zwar auch die Ansicht Hirts, der $vnrdg ebensowohl wie 
Iavarog als „Reduktionsschwundstufe“ auf eine Formel ənə (früher 
enə geschrieben) bringt. Aber ich kann weder diese Formel für 
geeignet halten zur Herleitung einer einsilbigen Gruppe -vü- 
(entsprechend bei den andern Sonanten), noch nehme ich über- 
haupt die Lehre von einer Reduktionsstufe an. Auch sonst treffe 
ich an manchen Punkten mit Hırt nahe zusammen, oft zu meiner 
Überraschung, weil ich auf recht andern Wegen dahin gelange 
und vieles andere völlig ablehne. Daher schränke ich Ausein- 
andersetzung von Übereinstimmungen und Abweichungen mög- 
lichst ein. 

Dennoch muß ich da bei einem Hauptpunkt weiter ausholen. 

Hirt sagt gar trefflich (Indogerman. Vokalismus S. 92; ähn- 
liches öfter): „Es kommt wirklich nicht darauf an, was im Indo- 
germanischen gesprochen worden ist, sondern es kommt auf die 
Ablautsverhältnisse an“ (Verhältnisse unterstreiche ich dabei). 
Schon J. Grimm hat den Ablaut nicht als phonetische Regel, 
sondern als etwas Dynamisches ansehen wollen, d.h. als Funk- 
tion von Formverhältnissen. Bei diesen Verhältnissen und ihren 
Funktionen kommt es auch nicht darauf an, wie sıe entstanden 


1) Mit metrisch gelängtem 7 statt *-exiadov, Schulze, Qu. Ep. 241. 


198 H. Lommel 


sind. Es ist also z.B. gleichgültig, ob die Stammform zarge- (in 
rratods) aus der Stammform mareg- (in nareoa, martges) entstand, 
indem das e plötzlich und mit einem Schlag hinausgeworfen 
wurde, oder ob dasselbe durch sogenannte Übergangsstufen in 
allmählichem Schwinden immer mehr reduziert worden ist, bis 
zuletzt nichts mehr davon übrig geblieben ist. Es ist allerdings 
wahrscheinlich, daß dieses Verhältnis sich eher ın dieser allmäh- 
lichen Weise herausgebildet hat; und ferner ist ja deutlich, daß 
der Akzent dabei als Ursache gewirkt bat. Der Verhältnischarakter 
ist durch diese Einsicht aber nicht deutlicher, als etwa der von 
tego ` toga, precor ` procus, bei welchem wir über die Ursache 
ebensowenig wissen als darüber, ob der Unterschied von e und 
o allmählich oder plötzlich, über Zwischenstufen (etwa a oder ö; 
oder welche sonst?) oder ohne solche eingetreten ist. 

Von grammatikalischem Interesse ist die Annahme von Zwi- 
schenstufen nur dann, wenn sie nicht lediglich um bekannter 
phonetischer Vorgänge willen gemacht wird, sondern in geschicht- 
lichen Spracherscheinungen sich ausprägt. Das ist der Fall bei 
einer „Spaltung“, wenn unter bestimmten Bedingungen ein Sta- 
dium dieses Entwicklungsvorganges erhalten ist, während derselbe 
unter anderen Bedingungen weiter fortgeschritten ist, wie z. B. 
im Lateinischen ein a der nicht-ersten Silbe zu e wurde und auf 
dieser Zwischenstufe stehen blieb, wenn Konsonantengruppe 
(außer ng) oder r folgte, sonst aber sich weiter zu ¿ entwickelte. 
Ohne besondere Bedingungen, welche die Entwicklung anhalten, 
läßt sich doch nicht annehmen, daß ein Teil der Fälle, die an 
einem Vorgang beteiligt sind, plötzlich bei einem erreichten Zu- 
stand stehen bleibt, während ein andrer Teil sich in der einge- 
schlagenen Richtung weiter entwickelt. 

Warum also e zwar im allgemeinen sich bis zu völligem 
Schwund vermindert haben sollte (udovauaı, mrnäti), in einzelnen 
Fällen aber in einem Zwischenstadium solcher Verminderung 
stehen geblieben sein soll (niAvauaı, xlovnu), ist nicht einzu- 
sehen. Die Annahme einer Reduktionsstufe ist also vom Stand- 
punkt der Lautentwicklung nicht befriedigend, und für eine Lehre 
vom Ablaut, also von funktionellen Verhältnissen, bietet sie auch 
keinen Vorzug, da xiovnuı ` &xeoaoa weder zu negvnu, nEodo, 
äneoaoa noch zu ddurnu, &öduaca in einem richtigen Verhältnis 
von gegenseitigen Beziehungen steht. Erst recht ergeben sich 
für rerrages, niovoss, Tod-neba, Adygıos, Aıxoıpis „schräg“ keine 
Verhältnisbeziehungen. 


Ablauts-Betrachtungen. 199 


Wir haben in dem ı eine lautliche Unregelmäßigkeit vor uns, 
die allenfalls aus der indogermanischen Grundsprache stammen 
kann. Aber mit dieser Annahme ist sie nicht „erklärt“ und erst 
recht nicht als Ablautsstufe eingeordnet. 

Setzt man damit eine Unbekannte an Stelle einer andern, 
so macht man uns ein X für ein U vor mit der Reduktionsstufe 
in raueiv Baleiv u. dgl. Gleichviel, ob die Tiefstufe bei Sonant 
vor Vokal gewisse lautliche Besonderheiten hatte, darauf kommt es 
ja nicht an, sondern auf die Ablautsverhältnisse, und da sind 
zausiv, Bo/iefn derselbe Typus wie oxeiv, neir, dganeiv. Mag 
man dafür im-®/,-, tmm-®/o-, tem-?/o- oder tbm-°/, ansetzen, gleich- 
viel: das e ist nicht mehr da, und &rauov verhält sich zu z£&u?xa 
wie čoyov zu čoyņxa, und Epddonv zu -¿p9ooq wie &rodpnv zu 
z£Eroopa. Die einen sind so gut wie die andern Tiefstufe. Die 
Verwirrung, welche die Annahme einer Reduktionsstufe hinein- 
trägt, kommt einerseits von der rein phonetischen, und nicht 
auf die Verhältnisbeziehungen akzielenden Frage, ob vor dem 
silbebildenden Sonanten noch ein unsilbischer sonantischer Über- 
gangslaut anzunehmen ist, oder ob man die spezielle liquide oder 
nasale Artikulation des Sonanten überhaupt nur in konsonanti- 
scher Geltung annimmt als „Übergangslaut* zwischen dem fol- 
genden Vokal und einem bloßen Stimmton, den als das silbische 
Element des Tiefstufensonanten oder als Rest des geschwundenen 
e anzusehen immer noch freisteht, auch wenn einem phonetisch 
er (usw.) besser zusagt als rr. 

Anderseits aber kommt die Verwirrung daher, daß es neben 
dieser sogenannten und umstrittenen Reduktionsstufe auch die 
unbestrittene Schwundstufe mit unsilbischem Sonanten vor Vokal 
gibt: yi-yv-o-uaı, &-ne-pv-e usw. Diese Ablautserscheinung ist 
aber nicht eine andere Stufe, sondern nur eine phonetisch andere 
Auswirkung des Schwundes von e. 

Und da steht dann, um ganz gleichartige Bildungen neben- 
einander zu stellen, nyodunv, Eyoero (von yelow „wecke*) auf 
genau derselben Stufe wie älındunv, &rgandunv. Es ergibt sich 
die einfache Regel, daß der Sonant der tiefstufigen Silbe 
vor Vokal silbisch ist (bzw. einen Stimmton oder Vokalanstoß 
vor sich hat), wenn er am Anfang des Worts oder hinter 
dem wortanlautenden Konsonanten (Konsonantengruppe) 
steht, daß dieser Sonant dagegen unsilbisch ist, wenn 
er nicht der ersten Silbe des Wortes angehört, sondern 
im Wortinnern steht. Das Augment, als ein nicht unverlier- 


200 H. Lommel 


barer Wortbestandteil, nimmt den betreffenden Konsonanten 
nicht den Charakter des Anlautenden. 

Die Regel ist nicht ausnahmslos, aber sie genügt meiner 
Ansicht nach, die Erscheinungen im Ganzen zu begreifen. Jede 
Ablautlehre muß Ausnahmen zulassen, weil es sich darum handelt, 
ein grammatisches Schema der Grundsprache aufzudecken, das 
in den Einzelsprachen nur noch trümmerhaft vorliegt oder stark 
umgebildet ist. Eine Ablautlehre, die jede Abweichung von einer 
einfachen Regel in ein System aufnehmen will, macht dieses 
System so kompliziert, daß es als grammatisches Schema un- 
glaubhaft wird. 

Es kann hier nicht alles angeführt werden, was zu Gunsten 
dieser Regel spricht. Vielmehr sollen neben summarischen Hin- 
weisen auf die einschlägigen Formen einige Ausnahmen erwähnt 
werden. 

Zunächst ist ein Beleg für unsilbische Geltung des Sonanten 
im Wortinnern das Suffix, von dem wir ausgegangen sind: ¿cg 
in göba u. dgl., wofür vo eintritt nur in Fällen, wo eine phone- 
tische Notwendigkeit dazu durch eine Mehrheit von voraus- 
gehenden Konsonanten gegeben ist GpdZAwouta). 

Dieses Beispiel fällt insofern nicht ganz notwendig unter die 
hier besprochenen Erscheinungen, als es sich in allen andern 
Fällen um einen Sonanten als Tiefstufe einer Verbindung mit e 
handelt (reu-, tau-, -zu-), während das Femininsuffix -¿- als 
Tiefstufe von e zu betrachten doch nur eine ganz theoretische 
Konstruktion wäre. 

Neben Zygero stellt sich als tiefstufiger thematischer Aorist 
Tiygero „versammelte sich“, &ygdwevos. Ausnahme scheint zu sein 
&niero, aber es ist doch schwerlich Zufall, daß gerade bei diesem 
Aorist keine einzige unaugmentierte Form bei Homer vorkommt, 
außer den in Komposition ganz fest verbundenen Partizipien u- 
und zegi- nAduevos, so daß die Gruppe z4- wohl als inlautend gelten 
kann. 

Dem bezeichnenden Nebeneinander von Bal-&odaı und ¿yoéo9asr 
treten nun gegenüber die reduplizierten Aoriste des Typs Zreruov 
&nepvov. Da gibt es richtige Ausnahmen: xexdoovro, nenaAwv. 

Unter die Regel fallen die reduplizierten Präsentia wie 
yiyvouaı, uluvo, die Hinterglieder von Komposita wie tà runde, 
veöyvog, óÓípoos u. dgl. mehr, sowie die thematischen Weiterbil- 
dungen von abstufenden Suffixen: -teọ- : -zg-o; Aluvn, noluvn usw. 

Einzelne Wörter wie due, Zoo, udia will ich hier nicht an- 


Ablauts-Betrachtungen. 201 


führen. Ihre Zahl wäre groß. Unter sich ähnlicher Art scheinen 
zu sein die Ausnahmen y»vVE ai. jAu- „Knie“ (als Hinter- und 
Vorder(!Jglied); germ. kniu neben y6vv, dee, germ. triu neben 
dée, Nicht eigentlich als Ausnahme zähle ich ghnanti: ein *ghnenti 
wäre durch abweichende Silbenzahl aus dem Paradigma gefallen. 
Überhaupt soll die Regel sich zunächst am Griechischen bewähren. 

Bei den zweisilbigen Wurzeln ist es mit -n>-, -r9- usw. im 
Wortinnern ebenso: téĵvauev, reriadı, niungauev, nlunlauev. 
Man hat freilich letztere Form auch dem ai. pi-pr-mak gleichge- 
setzt (s. Brugmann-Thumb Š 330 gemäß der älteren, stärker vom 
Sanskrit abhängigen Anschauung). Ich neige da jedoch mehr 
dazu, -Aa- = lə als Tiefstufe von lē anzusehen, wobei ich wieder 
mit Hirt zusammentreffe. Ist diese Anschauung richtig, so wider- 
streitet sie, wie ich nebenbei bemerke, der Lehre von der kon- 
sonantischen Natur des > (ə in der Bezeichnung von Kurilowicz, 
Prace filologiezne XI (1927) 202); denn darnach müßte sich *pi- 
pla-mes ergeben. Besonders bei den Perfekta wie r&riadı scheint 
gar keine andere Möglichkeit der Erklärung zu bestehen, als die 
der unsilbischen Tiefstufe. 

Es gibt nun genug hierhergehörige tiefstufige Wörter, die 
in der Stellung nach Wortanlaut silbischen Sonanten zeigen, die 
sich also neben r&dvauev, teriadı u. dgl. der Regel fügen; z. B.: 
BdAayos „Eichel“, Bdea900» „Kluft“, dauding „Bezwinger“, dáva- 
tos, xduqtoç, uaA4aqxós, naidun, tdiavıra „Wagschalen“, zagayr 
„Verwirrung“, xaiaods „schlaff“. Als Gegenbeispiele dazu haben 
wir jedoch nicht, wie zur Bestätigung unserer Regel erwünscht 
wäre, Formen mit unsilbischer Tiefstufe im Wortinlaut, sondern 
nur solche mit zusammengezogener silbischer Tiefstufe nach 
Wortanlaut: lat. glans „Eichel“, Bowoıs „Speise“, duntös, Yonvds, 
xuntds, BAGE, BAaxós „schlaff“, lat. palma, TAnvaı, $0R00w, TETENKa 
„verwirren“, und diese Verhältnisse können nur in zweiter Linie 
als Bestätigungen in Betracht kommen. 

Weiterhin wäre es nun von Interesse, zu sehen, welche 
widersprechenden Ausnahmen es gibt. Solche lassen sich zahl- 
reich finden, wenn man sich nicht an konkrete Wörter hält, 
sondern an Etymologieen, welche jenseits der wirklichen Wörter 
Wurzeln aufsuchen, die nicht unmittelbar greifbar sind. 

So haben wir z. B. die Wurzelformen kel in x£&iados, kla- 
in xaĝé-ow, kle in x&xinxa. Mit g erweitert finden wir diese 
Wurzel in xexinyos, wozu xA4dro, čxůîayov, xłayyń, also klə-g, 
mit unsilbischem Sonanten hinter Wortanlaut entgegen obiger 


202 H. Lommel 


Regel. Diese beansprucht aber nicht Geltung für kombinierte 
Wurzeln mit Wurzelerweiterung im Verhältnis zu einfacheren 
Wurzeln, sondern für die hier in Frage stehenden Ablautserschei- 
nungen kommen nur tatsächliche Wörter, zunächst der griechi- 
schen Sprache, in Betracht, und da gibt es eine Wurzel kel- 
(nEiados), He (xéxAmxa), kle (?, xaintıog), klə- (xaultow) und da- 
neben eine Wurzel kleg, klag, die mit der festen Konsonanten- 
gruppe Muta cum liquida beginnt, und in der diese Liquida nicht 
mit hereingezogen wird in die Ablautvorgänge, welche den Vokal 
betreffen. Dergleichen Verhältnisse kann man unzählige Male 
finden. Und das ist kein Wunder. Vielmehr ist es eigentümlich, 
daß das Verfahren der Etymologen aus dem Wortschatz der idg. 
Grundsprache Quadratwurzeln und Wurzeln höherer Potenz zieht, 
die — sofern man ihnen eine historische Wirklichkeit zusprechen 
kann — in weit zurückliegende Epochen der idg. Grundsprache 
zu projizieren sind. Ob da überall die gleichen Regeln des Vokal- 
schwunds und der Vokalschwächung geherrscht haben wie in der 
griechischen Verbalflexion, insofern sie der Nachklang ist eines 
Zustandes, der unmittelbar der sogenannten Völkertrennung 
vorausging, ist doch zum mindesten höchst unsicher. Mit diesen 
Bedenken sage ich nicht, daß die Etymologie eine andere Methode 
haben könnte, als die von historischen Wörtern und Flexions- 
vorgängen abgelesenen Ablautsvorgänge auch an prähistorischen 
Wurzeln und Wurzelgestaltungen vor sich gehen zu lassen. Die 
z. T. sehr problematischen Vorgänge der Wurzelumgestaltung und 
der Ablaut werden dadurch in &ine geschichtliche Ebene proji- 
ziert, was vielfach richtig sein kann, denn wenn es ein *keläg 
gegeben hat, so kann das dieselben vokalischen Veränderungen 
erleiden wie ein *kelä. Aber diese Annahme muß nicht immer 
richtig sein, denn es kann sein, daß noch ehe das kelä, etwa als 
Wirkung des Akzents, die bekannten Ablautsvorgänge durchmacht, 
es infolge des Antritts einer Wurzelerweiterung eine andersartige 
vokalische Veränderung, etwa zu Log erfahren hat, so daß gar 
nicht mit *keläg zu rechnen wäre und nicht *kläg, *klog, sondern 
nur klag entstehen könnte. 

Kurz, die Ablautsvorgänge, die wir zunächst zu betrachten 
haben und wohl allein wirklich studieren können, sind diejenigen, 
welche in der uns einigermaßen erkennbaren Flexion fertiger 
Wörter der Grundsprache vor sich gehen. Und da ist xalt-o 
(*aale-u, klo-mi) „rufe“ ein anderes Wort als xAd&w (klang-io) 
„schreie“, und eines nicht ohne weiteres Ablautform des anderen: 


Ablauts-Betrachtungen. 203 


Ablaut ist das Verhältnis verschiedener Formen von einerlei 
Wörtern zueinander. 

Es lassen sich also eine Anzahl von Wörtern beiseite schieben, 
die man zunächst als Gegenbeispiele ansehen könnte. Freilich 
ist solche Ausschaltung des Widersprechenden nicht in allen 
Fällen gleich naheliegend. Z. B. steht yAdyog „Milch“ (glag-) 
trotz der Verschiedenheit des wurzelschließenden Konsonanten 
dem gie (glokt-) doch recht nahe. Oder yvd$og „Kinnbacken“ 
(gnadh-) bildet zwar innerhalb des Griechischen kein ablautendes 
Paar mit y&vvs, ist jedoch Tiefstufe im Verhältnis zu lit. żándas 
„Kinnbacken“, dessen Stoßton ja auf ein genədh weist. Bei yAdoo« 
„Zunge“ (y4ax-) im Verhältnis zu ylöoo« ist ein Urteil schwierig, 
weil man — wie so oft — nicht wissen kann, ob -Aw- Hochstufe 
lo oder die andere Form der Tiefstufe I ist; und sofern es sich 
dabei um alten Deklinationsablaut handeln mag, kann System- 
zwang mit dem Streben nach gleichbleibender Silbenzahl im 
Paradigma mitspielen. 

Während also bei der Tiefstufe vom Typus zaueiv nichts 
darauf ankommt, ob man tm- oder tem- ansetzt, vorausgesetzt 
nur, daß man trotz etwaiger phonetischer Modifikationen die 
proportionale Gleichheit solcher Formen mit ögaxeiv nicht ver- 
kennt, ist es bei der Tiefstufe zweisilbiger Lautgruppen mit 
innerem Sonanten keineswegs gleichgültig: Denn nur die offene 
Tiefstufe läßt gleichermaßen kmə-to oder k¿mə-to zu, während die 
zusammengezogene km- wohl als Umgestaltung von kms-, nicht 
aber als Ergebnis aus k,m>- angesehen werden kann. 

Dies Bedenken betrifft die lautliche Seite der Sache. Wenn 
ich recht verstehe, so wird dieser naheliegende Einwand von 
manchen Forschern nicht erhoben oder nicht für entscheidend 
erachtet. Auch ich möchte nicht das entscheidende Gewicht darauf 
legen, da wir ja wirklich die phonetische Natur des Lautkomplexes 
nicht genau bestimmen können, der die einsilbige Tiefstufe der 
zweisilbigen Wurzeln gebildet hat. Aber ganz ohne Rücksicht 
auf die phonetische Seite der Frage ist entscheidend die Tatsache, 
daß es innerhalb dieser als Schwächungsprodukt einheitlichen 
Ablautsstufe wenigstens im Griechischen zweierlei Erscheinungs- 
formen gegeben hat, eine zweisilbige und eine einsilbige; diese 
mit der gleichen grundsprachlichen Formel — sei es nun ma 
oder mə — zu bezeichnen, geht nicht an. Vielmehr ergibt sich 
die geeignete Formel für die Liquida- und Nasalsonanten nach 
Analogie der halbvokalischen Sonanten: 


206 H. Sköld 


Die Verbindung kw, die neben 0 vorkommt, kann ursprüng- 
lich sein oder aus ku Vokal, ko + Vokal und ko') + Vokal ent- 
standen sein. 

Die regelmäßige Entwicklung von kw, ó und ihren Ent- 
sprechungen ist in den verschiedenen Sprachen die folgende: 

Ewe. Die Verbindung kw, ku- Vokal nirgends erhalten 
außer in Lehnwörtern aus dem Ci und der Dahome-Mundart. Vor 
a entstand aus kw häufig ko, meist ist aber kw zu ó geworden; 
p findet sich vor allen Vokalen und vor ¿. 

Gà. Hier kommt kw vor allen Vokalen außer w vor, D vor 
allen Vokalen und /, r mit folgendem Vokal. 

Ci. Allgemein erhalten ist kw nur vor a. Vor anderen Vo- 
kalen findet es sich nur in den Fante-Dialekten. Vor den pala- 
talen Vokalen, wo das Fante kwe, kwe, kwi hat, ist in den übrigen 
Dialekten Palatalisierung zu tw’e, twe, tw'i eingetreten; vor velaren 
Vokalen hat das Fante kwo, kwo, kwu, wo die übrigen Dialekte ko, 
ko, ku zeigen. Wie man sieht, haben die Fantedialekte ein altertüm- 
licheres Gepräge. Die palatale Verbindung tw’ kommt auch vor 
a, 0, o, u vor, ist dort aber häufig als sekundär nachzuweisen; 
sie kann auch aus fo, tu entstanden sein; o fehlt gänzlich. 

Guang. In dieser Sprache kommt ý vor allen Vokalen, 
vor r, l vor; kw sowie ku”, tw’ (das wie im Gi sowohl aus kw wie 
aus tw, tu entstanden sein kann) erscheinen vor a, è, e, i, 0. 

Folgende Fälle sınd möglich: 

1. Ewe ko — übrige Sprachen kwa, kwo, ko: 
e, kò Hals, č. ekon, g. kue‘), gu. kwa; 
e. kó ‘Faust’, č. kutukü’), g. koko, gu. go-kwan; 
die Urform hat nach Westermann ursprünglich kua (wahrschein- 
lich kua). 
9. Ewe ko ~ Ci kwa, ko, ko ~ G. Gu. pa, po: 
e. kúko, kóko ‘gackern’, č. kwane, g. pa, gu. pde; 
e. akó Brust, č. ekoko, gu. apo; 
das letztere Wort gehört vielleicht unter 5. Die Wörter der 
zweiten Gruppe gehen auf älteres kwa zurück. 
3. Ewe p ~ kw (tw) der übrigen Sprachen: 
e. pa ‘Farbe verlieren’, ë. kwa, kwaw, g. kwa; 
e. po ‘sehen’, g. kwe, gu. kwe; 


1) o, e sind offene 0-, e-Laute. 
2) Das auslautende z wird im G. oft e 
3) Hier ist a nicht angetreten und deshalb a erhalten. 


Sudanparallelen zur griechischen Lautentwicklung. 207 


e. Dopo') e Bohnenart’, č. ate ë, g. akwe; 
4. Či kw, tw ~ ó in den übrigen Sprachen: 

e. pla ‘umarmen’, ë. kwan ‘to wind round’, g. pla round 

about, gu. la unter dem Arm tragen’; 

e. paple "zusammen mit, und’, č. kwā ‘joint, juncture’, g. pe 

‘to join’, gu. pa “zusammenfügen’; 
e. aplo, apo Umhängetasche’, č. etw’eä ‘sack’, gu. epepe id.; 

e. (di) di ‘überraschen’, č. tw'iri ‘to be in a stir, confusion’; 

5. Ci ko ~ po in den übrigen Sprachen: 

e. po “Hügel, Erhöhung’, č. ekoko, g. po; 

e. Dolohö “wohlgenährt, dick’, č. kokroko, gu. poplō. 
Die Wörter dieser Gruppe gehen auf älteres kwo zurück. 

6. Ci p ~ p der übrigen Sprachen: 

e. på ‘kahl sein’, ë. pa, g. pa, gu. Da, Papa; 

e. apé ‘tausend’, ë. oé, g. ape, gu. ape; 

e. pi “viel, sehr’, č. pi, g. fi ‘thick, thickly’; 

e. aplokú ‘junger Mais’, č. poporokú “new corn’, gu. poli ‘Mais’. 

Wie die verschiedenen übrigen Gruppen zu beurteilen sind, 
darüber äußert sich Westermann nicht. Nur über die Fälle wo 
p im Či, dem ý der übrigen Sprachen gegenübersteht, läßt er 
sich ausführlich aus. 

Zunächst behauptet er, daß es sich in vielen Fällen um Ent- 
lehnungen aus dem Ci handle, wo ý im Anlaut für p substituiert 
wurde. Diese Annahme reiche aber nicht zur Erklärung aller 
Fälle aus. Eine andere Möglichkeit sei die, daß im Ci kw zu pw 
geworden und w danach ausgefallen sei. Ganz abzuweisen sei 
eine solche Annahme nicht, da analoge Lautwandlungen sich in 
westsudanischen Sprachen tatsächlich nachweisen lassen; es sei 
aber unwahrscheinlich, daß w abgefallen sei, ohne einen der be- 
nachbarten Laute, wie sonst üblich, zu beeinflussen. Am meisten 
Wahrscheinlichkeit habe aber die Annahme, daß die Wörter dieser 
Gruppe früher auch im heutigen Sprachgebiet des Gi mit 2 an- 
gelautet haben, daß dann aber dank dem Einfluß einer ein- 
dringenden fremden Bevölkerung, die den p-Laut nicht gekannt 
habe, wohl aber den p-Anlaut gehabt habe, dieser den ersteren 
ganz verdrängte. 

Als Nicht-Afrikanist maße ich mir keine bestimmte Meinung 
über diese Hypothesen an. Es sei mir aber erlaubt zu bemerken, 
daß die Annahme des Überganges kw > pt > p ganz unnötig 
scheint, so wie auch die einer fremdsprachigen Beeinflussung. 


1) Älteres e ist durch Assimilation an w zu o geworden. 


208 H. Sköld 


Denn geht man von p als dem ursprünglichen Laut aus, dann 
gelangt man ja zu p auf sehr einfachem Wege durch bloße Auf- 
hebung des Verschlusses am Velum, bei Beibehaltung des Lippen- 
verschlusses. 

Westermann spricht sich nicht darüber aus, ob neben dem 
aus kw, ku, ko, ko unter den bewußten Umständen entstandenen 
ý es auch ein ursprüngliches, selbständiges > gegeben hat. Auch 
nicht über das genetische Verhältnis der fünf ersten Gruppen 
untereinander. 

Die Entwicklung bei gw, b ist etwas abweichend. So fehlt 
vor allem im Ci eine der Wandlung > p entsprechende Laut- 
entwicklung 5 > b. Dies erklärt Westermann so, daß b in der 
Zeit noch nicht vorhanden sei, als ý sich zu p entwickelte; da- 
mals sei nur gw gesprochen, das sich später im Ci der Palatali- 
sierung unterzogen habe. In den verschiedenen Sprachen liegen 
die Verhältnisse folgendermaßen: 

Ewe. Hier kommt 5 vor allen Vokalen vor, und gw ist 
nirgends erhalten. In einigen Fällen ist gwa wahrscheinlich zu 
go geworden. 

Ci. Nur in Teilen des Fante-Dialektes kommt gw und zwar 
vor den Vokalen a, e, i, o vor. Vor o ist diese Verbindung nicht 
ursprünglich, sondern das o ist durch den Einfluß des w aus a 
oder e assimiliert. In den meisten Mundarten treten für gwe, gwe, 
gwi die palatalisierten Verbindungen due, de, dw'i auf. Auch 
vor aus a, &, e, i assimilierten o, o, u kommt dw’ vor. Möglich 
sei, daß dw’ zuweilen aus du + Vokal entstanden sei. Es könne 
sogar vorkommen, daß wv sekundär sei. Wenn vor gw ein Nasal 
‚getreten ist, entstand aus gou die neue Verbindung vw. Das A 
fehlt ganz. 

Gä. Wahrscheinlich kommt oe nur in Wörtern, die aus 
dem Ci entlehnt worden sind, vor und zwar vor a, 0, o. Als 
Vertreter einer früheren gw in palataler Lage kommt dw’ vor, 
und zwar vor a, e, e, i und durch Assimilation entstandenen o 
oder o. In bebe = bokwe = džokwė < *gwakwe ist gw zu dë ge- 
worden. Vor allen Vokalen und vor Z kommt b vor. Wo vor 
das gw ein Nasal trat, hat sich am < *»w entwickelt. Später 
kann das » oder das m abfallen. 

Guang. Außer in Lehnwörtern aus dem Ewe scheint b 
nur in bestimmten Mundarten vorzukommen. Daneben oe vor 
a, dw bzw. dz, nw, um. Die vielen Lehnwörter aus dem Ci haben 
den Tatbestand verdunkelt. 


Sudanparallelen zur griechischen Lautentwicklung. 209 


Folgende Fälle sind möglich: 

1. Ewe g~ Či gwa ~ Gä gwa. 

Nur ein sicheres Beispiel: 

e. ago “Gesäß’, č. agua “seat, chair’, g. gwa ‘chair’ (das letzte 

vielleicht Lehnwort). 

2. Ewe b — Či gw, dw ~ Gä b ~ Guang b. 

e. ba ‘zerbrechen’, č. gwa, dwa “to cut to pieces’, g. ba ‘to 

break, rend, smite’, gu. ba ‘brechen’; 

e. be ‘Tag’, g. bi ‘day’; 

č. gwete, dw’ete ‘silver’, gu. bite ‘Silber’. 

3. Nasalierte Formen. Ich nehme nur den Fall auf, wo tat- 
sächlich das Vorhandensein eines früheren gw bewiesen 
werden kann. 

Ewe b ~ Či dw‘) ~ Gä am ~ Guang vm oder au, 

e. baba ‘große Antilope, Einhorn’, g. vmauma “large antelope, 

unicorn’; 
e. ababa ‘Okroart’, g. eumomi ‘ocro’, gu. euwäuwä ‘getrocknete 
Okro’; 

č. adw’e ‘palm kernel”, g. nme ‘palm nut’; 

č. dw’ere ‘to bind, tie up, g. »mo ‘to tie, bind’, gu. »mene 
“binden, verbinden‘; 

č. edw’ie, edwuw ‘louse, g. »mö» ‘louse’. 

4. Či dw ~ Ewe dz. 

Viele Fälle sind Entlehnungen des Ewe aus dem Či, „das 
trifft aber kaum bei allen zu“. Außerdem ist auch nicht jedes 
dw im Ci aus gw -entstanden. 

e. dza ‘träufeln, tropfen’, č. dw’a Io gut, eviscerate'; 

e. dze ‘zerreien’, č. de, dw’o ‘to cut, sever. 

Entsprechungen aus den übrigen Sprachen werden nicht ge- 
nannt, obgleich Westermann nicht weniger als 9 Beispiele anführt! 

Betreffs des b gilt was oben von dem 8 gesagt wurde: Wester- 
mann spricht sich darüber nicht aus, ob neben dem aus gw, gu 
entstandenen b es auch ein ursprüngliches 5 gegeben habe oder 
nicht. Er scheint aber der Meinung zu sein, daß die Velarlabiale 
ausschließlich sekundär aus kw, ku, ko, ko; gw, gu, go, go ent- 
standen seien. 

Wenn wir der Übersichtlichkeit halber die Tatsachen ta- 
bellarisch zusammenfassen, erhalten wir folgendes Ergebnis: 

A) Verbreitung der Laute: 

a) tenues: 

1) Beispiele nur in palataler Stellung. 

Zeitschrift für vergl. Sprachf. LIX 3/4 14 


210 H. Sköld 


Ewe o kw kommt nicht vor, auch nicht ku Vokal (außer in 
Lehnwörtern aus dem Gi); 

GA p, kw, tw’; 

Guang ?, kw, tw; 

Či fehlt; die Fante-Gruppe hat überall kw, die übrigen 
daraus k, und in palataler Stellung, tw’; 


ß) mediae: 
Ewe b; gw fehlt; | 
Gà b; dw + pal.; am, vn, m; gw nur in Lehnwörtern aus dem Ci; 


Guang b nur in gewissen Mundarten und Entlehnungen aus dem 
Ewe; gw, dw’, dz’, øm, vw; die vielen Lehnwörter aus 
dem Ci haben Kreuzungen hervorgerufen. 

Ci b fehlt; gw nur in Teilen des Fante-Dialekts; ww; dw”. 


B) Entsprechungen der Laute: 


a) tenues: 
Ewe ko ko p p Do p 
Gà kwa, kwo, ko | Da, po | ku, tw p po D 
Guang > n n n n n n p Do p 
Gi > n»n n |kwa, ko, koj , „ |kw twW| ko p 

8) mediae: 

Ewe go b | b dz 

Gä — b am — 

Guang (gwa) b nw, 9m — 

Či gwa gw, dw’ dw | dw 


Eine Durchmusterung dieser Tabellen sowie der von Wester- 
mann angeführten Beispiele erweckt den Eindruck, daß der ur- 
sprünglichere Lautbestand für Ewe, Gä und Guang ù, b voraus- 
setzt, wo Gi ursprünglich kw, gw, in palataler Lage (dialektisch) 
tw, dw‘ hatte. Die übrigen Fälle würden dann sekundär und 
entweder als sekundäre Lautentwicklungen oder als Lautent- 
lehnungen anzusprechen sein. 

Nur in einem Fall möchte ich noch eine primäre Lautent- 
wicklung sehen, nämlich dort wo £ im Či einem ù der übrigen 
Sprachen gegenübersteht. Den entsprechenden Fall, daß Či g 
eine Entsprechung durch 5 in den übrigen Sprachen hat, ist von 
Westermann nicht ausdrücklich besprochen worden. Derselbe 
liegt aber vor, wie aus den folgenden Wortgleichungen hervor- 
gehen dürfte: 

e. blo ‘kraftlos, schwach’, č. görow ‘weak, fant: 

e. blo “lauwarm’, č. görow ‘lukewarm’; 


Sudanparallelen zur griechischen Lautentwicklung. 211 


e. bodzo ‘schwach sein’, g. bo ‘to be infirm, weak’; bod3o 
“to become weak’; č. gow ‘to slack, relax, weaken, be- 
come weak’. 

Westermann verweist für diese Fälle auf Le, p. 254, wo er 
denn auch sagt: „Es ist also anzunehmen, daß [im Či] ursprüng- 
liches gwo, gwu > go, gu geworden ist, entsprechend kwo > ko.“ 
Dasselbe was von der Lautentwicklung kwo, ko oben gesagt 
wurde, gilt aber auch von derjenigen von gwo zu go. 

Da nun ó und b von drei von den untersuchten Sprachen 
bezeugt wird, fragt es sich, ob denn nicht eher auch für das Ci 
dieselben Laute ursprünglich vorausgesetzt werden sollten, als 
umgekehrt die Labiovelare der übrigen Sprachen aus den kw, gw 
des Gi hergeleitet werden. Selbstverständlich können ja ó und 
b ursprünglich aus kw, gw entstanden sein, wie man denn auch 
für die indogermanischen Labiovelare einen ähnlichen Ursprung 
vermutet hat. Selbstverständlich könnte auch das Ci den anderen 
Sprachen gegenüber das Ursprüngliche bewahrt haben. 

Wenn aber die Fälle mit k, g im Ci gegenüber den ý, b der 
übrigen Sprachen autochthon sind — und es ist schwer einzu- 
sehen, wie fremde Eroberer ein wirklich vorhandenes 2, b aus 
der Sprache der Eingeborenen haben ausdrängen können —, dann 
wird die Annahme eines älteren p, bzw. b geradezu zur Not- 
wendigkeit, wie denn auch Westermann selbst für diesen Fall 
auch im Ci ein älteres ý annimmt. 

Nur hier ein älteres p (bzw. b) anzunehmen ist aber un- 
möglich, weil dann zuerst gezeigt werden müßte, weshalb dieser 
Fall allein dasteht. 

Nimmt man aber auch für das Ci ältere ý, Ë an, dann kann 
die Sache leicht erklärt werden. Aus p, b entstanden durch 
Lockerung des vorderen Verschlusses bei Erhaltung des hinteren 
Verschlusses kw, gw, die im Ur-Ci in allen Stellungen vorlagen, 
später aber in palataler Lage dialektisch zu tw, d'w wurden. Die 
Artikulationsstelle des palatalen ?’, bzw. d’ liegt ja derjenigen des 
palatalen E, bzw. g’ so nahe, daß die Laute oft zusammenfallen, 
vgl. z. B. scheed. tjusa ‘bezaubern’, kjusa "Tälchen’, welche Wörter 
in der Aussprache der modernen Reichssprache ganz zusammen- 
gefallen sind. Ein Übergang von palatalem Guttural zum pala- 
talen Dental liegt z. B. in tschech. ande! Engel vor. 

Wo p, b vorliegt, sind sie dadurch entstanden, daß der hintere 
Verschluß aufgegeben, der vordere beibehalten wurde. 

Es fragt sich nun, wie man die Fälle mit k, g im Ci erklären 

14* 


212 W. Schulze, Toch. ratäk. 


soll. Hier ist der vordere Verschluß ganz aufgegeben worden. 
Am leichtesten lassen dieselben sich begreifen, wenn man an- 
nimmt, das sie aus ö, -+ w entstanden sind. Eine Verbindung 
Du, bzw. bw setzt aber voraus, daß 2, b, nicht aber kw, gw im 
Či ursprünglich vorlagen. 

Wenn dies nun stimmt, dann liegen hier schöne Parallelen 
zu der sonst unbelegten Lautentwicklung der indoeuropäischen 
Labiovelare im Griechischen vor: 

Enopar See *sep-, d. h. ieu. 8 ergibt im alsameinen griech. z; 
de < ieu. *pis-, d. h. ieu. ġ in palataler Stellung ergibt griech. ç; 
Abxos < ieu. *lup-, d. h. ieu. 9 unter Einfluß eines labialen Lauts 

wird griech. x; 

Balvo < ieu. *bem-, d. h. ieu. Ë ergibt im allgemeinen griech. $; 
dor < ieu. *bie-, d. h. ieu. b in palataler Stellung ergibt griech. 6; 
doe < ieu. *bow-, d. h. ieu. b unter Einfluß eines labialen Lautes 

wird griech. y 

Man könnte vielleicht die Parallele noch weiter erstrecken 
und annehmen, daß die bisher ziemlich schwer erklärlichen Fälle 
mit x, y aus ieu. *pw, *bw entstanden sind, also: 2úxos < *lupw-, 
vos < *bwow-. 

Jedenfalls ist tis aus *t'wis entstanden, clarita aus *d'wiaita, 
mit dem bekannten Schwund des Digamma im Griechischen. 

Lund. Hannes Sköld. 


Toch. ratäk. 


Npers. rada „series, ordo, acies“ geht nach Hübschmann, 
Pers. Stud. 66 Nr. 609 auf mpers. ratak zurück. Damit stimmt 
fast genau überein das toch. Wort für „Heer“ [vgl. ai. senā 
„Schlachtreihe, geordnete Heerschar*] ratäk (so in A). Sieg- 
Siegling, Tochar. Gramm. 88 83. 194. Mit den in B üblichen 
Veränderungen heißt es dort retke. Darf man schließen, daß in 
der Gleichung A a = B e die Mundart A das Ursprünglichere 
bewahrt hat? Vgl. was ich in den Sitzungsberichten der Berliner 
Akademie 1924, 171. 173 über den Vokal der Reduplikationssilbe 
bemerkt habe. W.S. 


F. Specht, Die Flexion der »-Stämme im Balt.-Slav. und Verwandtes. 213 


Die Flexion der »-Stämme im Baltisch-Slavischen 
und Verwandtes. 


Leskien, Lit. Nom. 395ff. hat das lit. Suffix -znas als Ent- 
lehnung aus dem Slavischen angesehen. Im Hinblick auf Ent- 
sprechungen, wie apekünas = poln. opiekun, begünas = poln. 
biegun und die Femininbildung, die nach Kurschat, Lit. Gram. 88 
auf -nkà lautet’), hatte diese Annahme eine gewisse Berechti- 
gung. Aber Leskien hat bereits hervorgehoben, daß sich -Znas 
auch bei zahlreichen, rein litauischen Stämmen findet. Es bleibt 
Bügas Verdienst, in einem Aufsatz: Priesagos -Znas ir dvibalsio 
uo kilmė in Lietuvos mokykla IV 417ff. an zahlreichem neuem 
Material den Nachweis erbracht zu haben, daß -znas ein echt- 
litauisches Suffix ist. Mit Recht haben ihm Endzelin bei Büga, 
Kalb. ir sen. 190 und Gerullis, Arch. f. slav. Phil. XXXIX 276f. 
zugestimmt. Da neben -änas und -znis”) auch ähnliche Bildungen 
auf -uonas, -uonis stehen können, wie palaidūnas — palaiduonas, 
*atskalunis — atskaluonis, *marünis — maruonis, *palikunis — 
palikuonis, *pasalunis — pasaluonis, *pirmünis — pirmuonis (Būga 
a. a. O. 421ff.) und ferner im Altlit. reine n-Stämme daneben 
liegen, wie aptayduo, paktayduo, gietuo (gieluonis), numaruo, eduo 
(Eduonis), Sermuo (Sermünis, sermüne) (Būga a a O. 423f.; Ver- 
fasser, Syrvid XXVI), so schließt Büga auf ein abstufendes Para- 
digma eines n-Stammes, in dem der starke Stamm -uon- und der 
schwache -ūn- miteinander wechselten. Von dem starken Stamm 
-uon- sei dann -uonis, von dem schwachen Stamm -zn- der Nom. 
*_unis oder -ünas ausgegangen in ähnlicher Weise, wie sich im 
Äolischen nach dyóz, -&vos ein Nom. Sg. dywvog eingestellt hat 
(vgl. Ahrens, De ling. Gr. dial. 1120). Dies aus jenen Suffixen 
-uonis, *-unis, -unas erschlossene Paradigma findet nun Büga 
wieder in der Flexion von Zmuo bei Daukša. Hier lautet der 


1) Daneben kennt das Ostlit. die regelmäßigen Bildungen auf -g2¿, z. B. 
Basanavičius, Liet. Pas. II 1059 atajüne, 1067 valketüne aus Svėdasai, ferner 
aus Ruhig I 14a II 279b 367b begune, 164b paklaidune, IL 374b 409b Leppüne, 
II 2618 pataiküune, II 4048 zinnune. Das gleiche Bild bietet Mielcke. Auch 
moderne Lexika wie das Litauisch-lettische Wörterbuch von Ryteris (Riga 1929) 
führen zu den Substantiven auf -ünas regelmäßig das Femininum als Gud an. 

2?) Ich halte -anis nur für eine dialektische Schreibung von -uoxis, 8. u. 
S. 223f. Jedenfalls braucht man nicht, wie es Būga a. a. O. 421 tut, 3okünis aus 
Daukantas mit dem femininen 30oküne aus Daukša 483ss auf gleiche Stufe zu 
stellen. Denn 3oküne kann wie Daukša Post. 67ss — 9310 palaidünes (fem.) 
gleicher Bildung mit den in Anm. 1 genannten sein. 


214 F. Specht 


Akk. Sg. Zmunj, der Dual Zmune. Endzelin und Gerullis a. a. O. 
haben auch hierin zugestimmt, der erste mit Verweis auf die 
Flexion der femininen -n-Stämme im Ahd. wie zunga, zungün, 
zungönö, wo er gleichfalls den Gegensatz zwischen an. und -un- 
zu sehen glaubt. Meines Wissens hat auf diese Parallele zuerst 
Bezzenberger bei Trautmann, Germ. Lautgesetze 29f. hingewiesen. 

Aber ich kann dieser Ansicht nicht beipflichten. Denn zu- 
nächst sind die germ. Bildungen femininisch und haben außerdem 
mit den maskulinen lit. Nomina agentis auf -uonis in ihrer Be- 
deutung auch gar nichts gemein. Zum Überfluß ist die ganze 
Flexion got. tuggo, tuggons, ahd. zunga, zungün eine rein germa- 
nische Neubildung, so daß sie für alte Abstufung der n-Stämme 
überhaupt nicht in Frage kommt’). Was Būga selbst a. a. O. 449 
und Bezzenberger bei Trautmann als Stütze einer abstufenden 
Flexion a -ön-, -an- anführen, sind die bereits bei Brugmann, IF. 
XVII487, XXIX 233, Grundr.* II 1,280 genannten y&ivs, xeivvn, 
yeAwvn; noAwvöc, xoAwvn, lit. kalva, lat. columen; xogwvös, #00Wwvn, 
lat. corvus; viwvós, vids, dazu xivövvog, das aber anders zu beur- 
teilen ist, vgl. darüber W. Schulze bei Sittig ob. LII 207 und 
Kretschmer ob. LV 90f. Dagegen läßt sich ein n-Stamm durch 
diese Bildungen überhaupt nicht erweisen. Sie zeigen nur, daß 
neben einem aus ö(u) geschwächten % eine n-Erweiterung stehen 
kann. 

Wie ich über Zmunj und Zmune denke, habe ich bereits IF. 
XLII 281 Anm. 1 ausgeführt. Bügas Gegenbemerkung kalb. ir 
sen. 190 Anm. 1 ist mir ganz unbegreiflich. Denn tatsächlich 
werden bei Daukša, wie sich jeder leicht selbst überzeugen kann, 
die Akzentzeichen “ und ’ gleichmäßig für Länge und Kürze ge- 
braucht. Nur läßt sich gelegentlich feststellen, daß in einigen 
Teilen des umfänglichen Werkes manchmal ^, manchmal aber 
auch ' für das eine oder das andre bevorzugt werden. Zum 
Überfluß stehen sich in der Schreibung die völlig gleichbedeuten- 
den 339s0 = 454,1: Zmünj und Or. 459, Zmiünj gegenüber. Meine 
Ansicht, Zmunj hätte sich nach š2m¿ gerichtet, bekommt eine ge- 
wisse Bestätigung durch Daukša selbst: 454,;,s (= Or. 339:0) Ko 
iiemus padesti bedieves tiesos, kures jstatindie už Zmüni desimti grivnü, 
o už sun; dvidesimti arba daugesn’, wo die Reimwörter Zmän; und 
Sun; gegenüber gestellt werden. Vgl. dazu noch 4541: (= Or. 
33920) daugesn’ sav bragina šunį geg Zmögy. 

1) Brugmanns Versuch IF. XVIII 423ff., diese Femininbildung als alt zu 
erweisen, ist trotz Streitbergs Zustimmung IF. XIX 391 nicht geglückt. 


Die Flexion der »-Stämme im Baltisch-Slavischen und Verwandtes. 215 


Būga nimmt ferner ohne jede Begründung für Zmunj gestoßene 
Betonung an. Das stimmt aber schlecht zu dem Schleifton in 
atejünas, lakūnas, narünas, palaidünas usw. Nun gibt es zwar 
auch Bildungen auf -Znas mit gestoßnem Ton, wie karaliünas, 
verkünas u.a. Auf sie beruft sich Būga a a 0.421, und er sieht 
zwischen beiden den gleichen Gegensatz in der Intonation wie 
zwischen sartökas „ziemlich rot“ und sartökas „Rotfuchs“, naujókas 
„ziemlich neu“ und naujökas „Neuling“, stötas (Partizipium) und 
stötas „statura“, spetas (Partizipium) und spetas „Muße“, š&utas 
(Partizipium), saütas (Substantiv), žibintas (Part.), Zibintas „Licht- 
halter“. Damit hält er den Einwurf, den man ihm wegen der 
Intonation machen könnte, für erledigt. Gerullis a. a. O. 277 hat 
ihm auch darin beigestimmt. 

Ich muß hier leider widersprechen. Der Intonationswechsel 
in den von Büga angeführten Beispielen beruht auf dem Gegen- 
satz zwischen adjektivischem und substantivischem Gebrauch des 
gleichen Wortes. Er ist von Erscheinungen wie griech. Aedan — 
Aevxn, Yeoun (Herodian L. I 25516 32435) — Yepun, an. haugr — 
got. hauhs, ags. wöd — wód, ahd. forhana — griech. negxvds usw. 
nicht zu trennen. Die scheinbar widersprechenden Intonationen 
von karaliünas und palaidünas lassen sich aber unmöglich 
damit in Einklang bringen. Prüft man aber die verschiedenen 
Bildungen auf -ünas und nos genauer, so ergibt sich ein ganz 
andres Bild. Gestoßnes -ünas haben karaliünas, perkünas, virsüne 
und Namen wie Gailiünas, Rimkünas usw. (Jablonski, Lit. Gram.* 
210). Hier ist von der Bedeutung eines Nomen agentis, die den 
Bildungen auf -nas zumeist eigen ist, keine Spur zu finden. 
Man wird daher die verschiedene Intonation mit der verschiedenen 
Bedeutung und, wie sich zeigen wird, auch verschiedenen morpho- 
logischen Bildung in Beziehung setzen müssen. Eine dritte Gruppe 
bilden malünas, maigünas, die mit den beiden ersten nichts zu 
tun haben. S. darüber unten S. 231f. 

Von den stoßtonigen Bildungen auf -änas gehören karaliünas?) 
zu karälius, perkünas zu lat. quercus aus *perguus, virsüne”) zu 
virsüs, Gailiünas zu Gailius, Rimkünas zu Rimkus usw. Sie stehen 
also auf gleicher Stufe mit lat. tribūnus zu tribus, lacuna zu lacus, 


1) Vgl. auch ob. LI 10918. 

2) Der Schleifton in karaliünas bei Kurschat muß eine Neuerung sein. 

3) Nach vörsune ist dann das synonyme galune gebildet worden, ebenso 
galutinis nach viršutinis; lit. alkune, apr. alkunis muß gleichfalls Weiter- 
bildung einer -“-Erweiterung sein, wie aksl. Zak8fd zeigt. 


216 F. Specht 


pecünia zu pecus u. a., d. h. der «-Stamm ist mit n erweitert und 
dabei gedehnt worden. Da wir wegen der Intonation der idg. 
Längen außerhalb des Auslautes im wesentlichen auf das Lit. 
angewiesen sind, so lernen wir aus diesen Bildungen, daß ein 
solcher gedehnter Vokal idg. gestoßen betont gewesen ist. Lit. 
malünas, das Brugmann a. a, OU. mit tribūnus in einem Atem nennt, 
zeigt sowohl durch seinen Schleifton, als auch durch den fehlenden 
ŭ-Stamm, daß es anders gedeutet werden muß. Damit scheitert 
Bügas Versuch, den widersprechenden Schleifton in Nomina agentis 
wie narünas durch Bildungen wie karaliúnas zu erklären, bereits 
an der Analyse des stoßtonigen -ünas, das zu n-Stämmen über- 
haupt keine Beziehungen hat. 

Die große Masse der Bildungen mit zirkumflektiertem -nas 
besteht aus Nomina agentis wie klaidünas „Herumtreiber“, tekünas 
„Läufer“, apr. walduns „Herrscher“ u. v.a. oder Ableitungen von 
Adjektiven oder Substantiven, wie drgsünas') „Frechling*, laivanas 
„Schiffer“ (Leskien, Nom. 395f.), die in ihrer Bedeutung den 


1) Bei drasünas (z. B. Wolter, Lit. Chrest. 4851, ı6) scheint der Akzent 
zu widersprechen, da ja das Wort zu einem u-Stamm gehört. Aber wie smar- 
kūnas zu smarküs bei Chylinski „Tyrann“ ist es ganz Substantiv geworden 
und gehört völlig in die Bedeutungssphäre von begünas, vgl. dazu auch didziünas. 
Bei der Produktivität dieses -Unas wäre zu drgsüs, selbst wenn es kein v-Stamm 
gewesen wäre, kaum etwas andres als drgsünas gebildet worden. Schwie- 
riger ist die Frage bei Ableitungen von einem adjektivischen -Stamm zu ent- 
scheiden, die Būga a. a. O. 452 vermerkt hat. Es sind saldünis, saldüninis 
obuolys zu saldüs. Dazu kommt aus Juskieviös Wörtb. II 478 kartüninis 
obuolys „ein etwas bittrer Apfel“ zu kartüs. Was sonst bei Būga noch steht, 
wie baltüninis obuolys „ein etwas weißer Apfel“ zu bdltas und die ebenfalls 
mit obuolys verwendeten kersüdinis zu kersas, rügstüdinis zu rugšitas, 
zaliüdinis zu Zälias können den zuerst genannten nur nachgebildet sein. Allein 
bei zaliüdinis sind Zweifel möglich. Alle diese Adjektiva scheinen nur als 
unterschiedliche Benennungen von Äpfeln möglich zu sein. Man wird daraus 
den Schluß ziehen können, daß ihre Bedeutung hart an die eines Substantivums 
streift. Dann läge also hier der gleiche Intonationswechsel wie zwischen sartökas 
(Adj.) und sartökas (Subst.) vor. maziünikas mazciünikas, das Būga außer- 
dem noch nennt, wird -ünas vom Oppositum didziünas erhalten haben. Schließ- 
lich führt Būga, a. a. 0O. 452 aus Juskieviös Wörtb. I 416b namünaitis an „Sohn 
des Wirtes“. Die Intonation des o läßt sich nicht feststellen. Da lit. das alte 
Wort für das Haus, das im verwandten Slav. als domd noch vorliegt, durch 
namai verdrängt ist, namaī zudem darauf reimte, so liegt es nahe, das g in 
namünaitis mit dem ü-Stamm im altbulg. domě in Verbindung zu bringen. 
Ferner sei an ved. damüna- „zum Hause gehörig“ erinnert, das in Bedeutung 
und Ableitung genau zu dem durch namünaitis vorausgesetzten *namünas 
stimmt. Bartholomaes Analyse BB. XV 194f. kann ich mir nicht zu Eigen 
machen. Lit. Zevünatitis (Juskievil, Wörtb. I 416b; Būga a. a. O. 451), das der 


Die Flexion der »-Stämme im Baltisch-Slavischen und Verwandtes. 217 


Nomina agentis außerordentlich nahe stehen. Sieht man sich 
nach Parallelen in den andern idg. Sprachen um, so gibt es außer- 
halb des Baltischen nichts, was dem -änas unmittelbar an die 
Seite gestellt werden kann. Höchstens an die slav. Bildungen, 
wie begun könnte man erinnern. Sie sind jedoch selbst ohne 
nähere Beziehungen und könnten höchstens im Ablaut dazu stehen. 
A ber die Isoliertheit der baltischen Bildungen verliert sofort alles 
Befremdliche, wenn man nicht vom Maskulinum auf -änas, sondern 
vom Femininum auf -üne ausgeht. Aber ehe ich darauf eingehen 
kann, muß ich mich zunächst mit einer Ansicht Sommers, IF. 
X XXVI 165ff. ausführlich auseinandersetzen. 

In dem genannten Aufsatz hat Sommer überzeugend die 
k’emininbildung der adjektivischen x-Stämme im Arischen darge- 
stell. Demnach haben primäre «-Stämme im Femininum -v, 
Bahuvrihis -us, Adjektiva auf -ru, -Iu, -yu, -nu entweder -us oder 
-zs. Aber zu dieser Regel der Femininbildung stimmen die übrigen 
idg. Sprachen doch nur teilweise. Das Irische wage ich nicht zu 
beurteilen, ich muß es daher bei Seite lassen. Das Germanische 
bietet nur wenig, weicht aber ab. Die lit. Beispiele sind weit 
zahlreicher, als es bei Sommer a. a. O. erscheint, s. u. S. 277ff. Auch 
sie wollen nicht ganz zum Arischen stimmen. Ferner widerspricht 
bei Homer allerlei der arischen Regel; A6ös dürun ist mit Versnot 
kaum erklärt, ebenso bleibt zou4ó> als Femininum auffällig, gleich- 
gültig, ob die sonstige Flexion eine angemessene Deutung ge- 
funden hat. Die sonst angeführten maskulinen Formen von ein- 
fachen ö-Adjektiven bei femininen Substantiven sagen über die 
ü-Stämme nichts aus, sondern lehren nur, daß bei Homer und 
den Tragikern gewisse Adjektivbildungen für Maskulinum und 
Femininum die gleiche Form haben können. Nur feminines I7Avs 
läßt Sommer gelten, weil es gut in seiner Bildung zu den arischen 
Parallelen stimmt’). Ja, Sommer geht noch weiter und sucht die 


gleichen Bedeutungssphäre wie namuünatitis angehört, kann diesem nachge- 
bildet sein. ! | 

1) Die Dinge werden verwickelter dadurch, daß es noch einen Rest einer 
andern Femininbildung gegeben hat. So setzte mir vor Jahren einmal W. Schulze 
auseinander, daß ahd. Zungun, G. Sg. Zungunne, das auf ein vorgerm. *inghni 
zurückgeht, genau einem griech. *2Aaydvıa entspräche, das nur Femininum von 
&iayös sein kann. Dieselbe »-Erweiterung eines u-Stammes liegt sicher auch 
in hom. ulvvvda und idövrare vor. Weiter steckt das n in ai. Zdruna- „frisch, 
jung“ gegenüber zeov‘ čoðevéç Asnıdv Hes. und in den verbalen Ableitungen 
auf Ara wie nddvw. Dann verhält sich nach W. Schulze *8fayóvo : ahd. lungun 
= dvddvo ` hdorn oder kypr. dvravor::lit. dovand, d. h. die Trennung zwischen 


218 F. Specht 


ganze feminine -Motion als arische Neuerung zu deuten. Ver- 
ursacht wäre sie durch das ‚eine Vorbild svasrüh, das sicher alt 
ist. Darnach hätten sich vadhüh „Braut“, agrüh „Jungfer“, nrtüh 
„Tänzerin“ und pumscalüh „Hure“ gerichtet. Ferner ist dann zu 
einem prdaku- ein feminines prdaküh gebildet, während umgekehrt 
agrüh ein maskulines agrú- nach sich gezogen hat (Sommer a. a. O. 
198). Den Ausgangspunkt für diese Sonderung der -Stämme 
sieht er im Instr. Sg., der sowohl für die Maskulina als auch für 
die Feminina gleich ist, und in den Komposita mit e Wurzeln im 
2. Glied, wie prabhäh, zu denen gelegentlich das Maskulinum nach 
den «-Stämmen umgebildet wurde. Auf diese Weise stand einem 
maskulinen prabhu- ein feminines prabhüh gegenüber. So scharf- 
sinnig die Erklärung im einzelnen ist, so bleiben doch Lücken, die 
mir seine Deutung der #-Motion unmöglich machen. Denn das 
Altbulg. kennt gleichfalls o. Motion Auch hier geht Sommer 
a. a. O. 196 von svekry aus und läßt darnach jetry „Schwieger- 
tochter“, pastoreky „Stieftochter* und neplody „Unfruchtbare“ ge- 
bildet sein. Demnach muß er also annehmen, daß sowohl ai. 
svasrü- wie altbulg. svekry unabhängig von einander eine -Motion 
erzeugt haben. Das ist schwer zu glauben. Dazu kommt ein 
Zweites. Bereits Kretschmer ob. XXXI 332f. hat adjektivische 
barytone x-Stämme zusammengestellt, neben denen feminine oxy- 
tonierte #-Substantiva stehen. Wenn auch einige von Sommer 
wohl mit Recht beseitigt sind, so bleiben doch sicher kádru- — 
kadrü- und trotz Sommer auch tanú- bestehen, obwohl tanu- als 
Maskulinum erst später belegt ist. Kretschmer a. a. O. 333 hat 
ferner auf das ganz gleich geartete Paar Zäéc (Adj.) und ¿9%s 
(Subst.) hingewiesen. Das Verhältnis von Ze zu ı$vg ist aber 
bedeutungsgeschichtlich nicht anders zu fassen als etwa das von 
oos zu Goin, d.h. im Idg. ist das Femininum eines Adjektivs 
gern als Substantiv, meist im abstrakten Sinne verwandt worden, 
vgl. vor allem im Germanischen got. triggwa „Treue“ zu triggws, 
sunja „Wahrheit“ zu sunjis, sibja „Verwandtschaft“ zu sibjis, 
halba „Hälfte“ zu halbs, ahd. liuba „Liebe“ zu liufs (Kluge, Germ. 
Stammbildung® 57 und sonst). Von diesem Standpunkt aus können 
sowohl tanú, kadrü als auch i$vs nur alte Feminina zu Masku- 


Verbal- und Nominalstamm gehört einer späteren Periode an. Natürlich ist 
auch das a bei den neutralen «-Stämmen des Griechischen und namentlich des 
Ai. das gleiche. Die außerindischen Parallelen, die in ihrer Isoliertheit sehr 
stark ins Gewicht fallen, lehren aber, daß das a nicht bei den Neutra, wie es 
Debrunner-Wackernagel, Ai. Gram. III 132 annehmen, entstanden zu sein braucht. 


x 


Die Flexion der »-Stämme im Baltisch-Slavischen und Verwandtes. 219 


linen auf -% sein. kadrü- würde als ru-Bildung den sonstigen 
Geepflogenheiten der arischen Femininbildungsregel entsprechen, 
für tanú kann ich trotz Sommer a. a. O. 175 Anm. wegen ai. uttänd- 
(ob. LV 168 und Anm. 1 und LIX 36 Anm. 2) nur eine Analyse 
tən-ú- annehmen. Es würde also gleich Zoe der sonstigen arischen 
Regel widersprechen. Auch griech. nAn$vs, das sich im Epos und 
den Dialekten findet, kann nur wie 199; Femininum zu einem 
maskulinen *z4m9%ó%s sein, das sich zu nA73og verhält wie Bagds 
zu ßdoos usw. 

Diese femininen z-Adjektiva im Sinne von Abstrakten kennt 
nun auch das Slavische. Ich erinnere an }uby „Liebe“, cely 
„Heilung“ (Kretschmer a. a. 0.333ff.). Aber bereits Zubaty, Arch. 
f. slav. Phil. XXV 360 hat hervorgehoben, daß es nicht mehr 
angängig ist, für jedes slavische #-Abstraktum ein dazu gehöriges 
4-Adjektiv zu suchen. Offenbar ist der Typus stark verallge- 
meinert worden. Immerhin wird zu cély durch apreuß. kailustiskun') 
für das Balt.-Slav. ein x-Adjektiv *kailus erwiesen, zu dem *kailas 
= cely die Femininbildung ist. In der Hesychglosse xov: tò 
xaidv (O. Hoffmann bei Bezzenberger BB. XVI 240) liegt der 
reine ü-Stamm noch vor. Einen weiteren Fall könnte man in 
lat. helvus gegenüber y&ivc, aksl. Zuly (Zely) vermuten. Dann läge 
in helvus nicht das bei Farben sonst übliche Suffix -wo vor, sondern 
es wäre in helu-os zu zerlegen. Darüber s. u. S. 255. 

Auf alte -Motion weist schließlich auch die auffällige Flexion 
der «/ua-Stämme im Griechischen. Zunächst ist festzuhalten, daß 
kurzsilbige «-Stämme eigentlich nur bei den Adjektiven zu finden 
sind. Von den Substantiven haben die alte x-Flexion nur er- 
halten, z. T. mit einigen Umbildungen, zšzxus, nelexvs, doru und 
teilweise noch viög. Bei ZyxeÄvs hat Aristophanes als Vertreter 
der Attis im Plural 2yx&ieaıs, im Sg. fehlen die entscheidenden 
Formen’), aber Homer hat 2yx&ivss, ebenso Archilochos frg. 115 
Zyy£ivas. Selbst Neutra, wie uéðv, die zwar im allgemeinen die 
obliquen Kasus zu vermeiden suchen, formen sie im Bedarfsfall 
nach den #-Stšmmen um, vgl. u&3vog Nik. Ther. 582, Plato (Diehl 
Anthol. Ier.) frg. 194. Viel häufiger begegnet bei den Substan- 
tiven die Flexion nach den @-Stämmen, es läßt sich jedoch beob- 


1) kailustiskun setzt zunächst ein *kadlüsta- „gesund“ voraus, Traut- 
mann, Balt.-Slav. Wörtb. 112. 

°) Der Akkusativ &yxeida, den die Herausgeber bei Philoxenos Athen. IV 
146f. (Diehl, Anth. lyr. 1315) lesen, ist nicht sicher. Kaibel hält die ganze 
Stelle für verderbt. | 


220 F. Specht 


achten, daß sie im Verlauf der Sprachentwicklung immer mehr 
eingeschränkt werden. 

Die reinliche Scheidung zwischen ŭ- und z-Stämmen, wobei 
ich von Übertritten von der einen Klasse in die andre absehe, 
hat neben dem Griechischen nur das Ai. und Altbulg. bewahrt. 
Untersucht man die z-Stämme in diesen Sprachen hinsichtlich 
ihrer Bedeutung, so heben sich deutlich zwei Gruppen heraus, 
1. Motionsfeminina, wie ai. svasrüh, nrtüh, altbulg. svekry, neplody, 
griech. etwa *Eouus oder dor. Zeie zu ows (Kretschmer, Glotta 
XV 306f.). 2. Adjektivabstrakta, die im Grunde, wie ob. S. 218 
gezeigt ist, den gleichen Ursprung wie Gruppe 1 haben, z. B. 
ai. kadrů, altbulg. ljuby, griech. äoe, Dazu kommen einige Kon- 
kreta, die kaum auf eine besondere Bedeutung zurückgeführt 
werden können, wie ai. camüö „Schüssel“, altbulg. Zreny „Mühle“, 
griech. véxūs „Toter“. Hier liegen z. T. alte öu-Stämme zugrunde. 
Aber das Griechische zeigt daneben noch allerlei Abweichungen. 
So erscheint der «-Stamm ai. hánu- griech. als #-Stamm yévvs. 
Dagegen weist die Ableitung y&verov auf 2#-Stamm und sie stimmt 
darnach zum Ai. Griech. iyvös, -dos enthält im 2. Teil das gleich- 
falls nur in der Komposition erscheinende ai. jñùŭ-, was auch in 
yvvrsereiv vorliegt. Trotzdem flektiert das Griechische wieder 
nach den langen z-Stämmen. Auch das üblichere iyvúņ stimmt 
dazu, denn es verhält sich zu iyvös wie òpọúņ zu Öpeös oder 
teırda zu torrrög (Schneider, Callim. frg. 403). Dem tz-Stamm 
im griech. zízus steht ai. der tu-Stamm pitu, Gen. pitváh gegen- 
über. Auf ehemaligen t«-Stamm im Griechischen muß man aus 
itéa = citéa’) (Kretschmer, ob. XXXI 383f.; Fick, BB. XXX 274) 
für irög schließen. Auch aus daıtvuoveg läßt sich für daurvg ein 
ehemaliger kurzer tu-Stamm gewinnen. Desgleichen kennt die 
alexandrinische Dichtung ein «Airog für xAeirog (z. B. Apoll. Rhod. 
1599) neben sonstigem xeos. Das ist das gleiche Verhältnis, 
das sonst nur zwischen kurzem «-Stamm und s-Stamm besteht. 
Sie alle zeigen, daß die Länge in den griechischen Verbalabstrakten 
auf -zos°) nicht ursprünglich sein kann. 


1) oioda neben o¿zéa ist wie deed, lyvön, toittóa zu beurteilen. 

3) Die Verbreitung des -toç ist sehr auffällig. Während es bei Homer durch- 
aus lebendig ist, kennt die Folgezeit es kaum. Nur xAsırös, das durch seine 
konkrete Bedeutung abseits stand, und die termini wie zeızös und NEVINKOGTÜS 
haben sich besser erhalten. Die homerischen Hymnen haben nur (Apoll. 513, 
Cer. 200) Eönzös. Die Anthol. lyr. bietet 8oozúç (Philoxenos frg. I 6ss, Diehl 
1307), xıSagıarös (Phanokles 121) Euripides Kykl. 171 óoyxmorós. Auch Herodot 


Die Flexion der »-Stämme im Baltisch-Slavischen und Verwandtes. 221 


Den größten Teil der griech. z-Stämme machen aber Verbal- 
abstrakta aus, wie yijovs, Jorge H, 6dilüg, opos (ob. LII 311), 
dxivs, done ¿gos Hes., xdzmus*), oder mit n-Erweiterung Auyvog, 
EAuvöeg „supplicatio“ (Kretschmer a. a. O. 332), dyvög (Etym. Magn. 
182:1): $ Aen Diesen griech. Bildungen stehen im Ai. kurze 
ü-Stämme gegenüber, wie cikitú (fem.) „Einsicht“, druhú (fem.) 
„Beschädigung“, panú (fem.) „Bewunderung“, bándhu (masc.) 
> Verbindung“, jásu (fem.) „Erschöpfung“ oder mit n-Erweiterung 
bhänd „Glanz“, vagnú „Ton, Ruf“. Das Altbulgarische hat davon 
zwar nur wenig erhalten, aber es weist wie das Ai. auf kurze 
ü-Stämme, wie krat) „Mal“ zu ¿rštg oder mit n-Erweiterung 
Eins „Ordnung“ zu ¿mq und stans „Aufstellung, statio“.. Mehr 
davon hat das Lettische bewahrt. Leskien, Nom. 240 und End- 
zelin, Lett. Gram. 325 führen an: kasus, niezus „Krätze“, kasus, 
klepus‘) „Husten“, Zagus „Schlucken“, naidus „Haß“, nurgus, nurdus 
„Streit“ und mit tu-Suffix mietus „Tausch“, viltus „Betrug“. Aus 
dem Lit. gehört hierher gedus „Schamhaftigkeit“, das Nesselmann 


hat nur die vereinzelten xaraniaords, Anıorös, »riords. Dagegen finden sich 
bei Antimachos zwenrös (rg 5€), örevvrös (frg. 91) aus Schol. zu T 233, wo 
auch aus Eratosthenes ein dvrıuaynords notiert ist, und zweifelhaft dßoAnrds 
(frg. 108). Überraschend häufig ist dann der Gebrauch bei Kallimachos. Pfeiffer 
notiert zu frg. Aua Ayıorös, dAnrös, donanıds, donaords, dppaords, yaAacrós, 
Öıwxtös, vaoıds, nAayxrös. Dialektisch ist -ruş im Kret. üblich geblieben. Vgl. 
Fraenkel bei Collitz-Bechtel, Saml. IV 1098. Im übrigen verweise ich auf die 
ausführliche Materialsammlung bei Gunnerson, History of -u stems in Greek 43ff. 

1) Falsch darüber IF. XLII 294. wo ich auf die griech. Verhältnisse zuviel 
Wert gelegt hatte und deshalb auch Zjudy fälschlich zu Zjubiti statt zu 16% zog. 

2) W. Schulze, Qu. ep. 340 ist geneigt, in xdrrvg alten -ws-Stamm zu sehen. 
Dazu veranlaßte ihn X 467 £xdrzvoosev. Aber daneben erkennt er auch einen 
alten x-Stamm an, zu dem mit -k-Erweiterung die Hesychglosse xarvxıd‘ 
rve&ovia (Schulze a. a. O. 340 Anm. 3) gehört. Zu dieser Erweiterung von u- 
Stämmen durch -% vergleiche noch ai. kärd- neben griech. xjevf, Henwus 
neben 20%, lit. žůves (N Pl.) neben Zukmistras, žúklė. zuklys apr. suckans, 
lat. sūs neben sucula, die Erweiterungen mit E von adjektivischen #-Stämmen 
im Slavischen, wie 7bgëk% und die Bildungen auf -öoow neben -dw, wie ¿póo, 
&pócow u. a., die W. Schulze, Qu. ep. a. a. O. und GGA. 1897, 874 zusammen- 
gestellt hat, anders darüber Bechtel, Lexilogus 33f. 266f. Diese Bildungen auf 
-Ö00@, -úw haben nun eine genaue Entsprechnng in gt. uswalugjan „hin und 
her wälzen“ zu walwjan. Streitberg, Got. Bibel 343 zu Ephes. 4, 14 sieht mit 
Unrecht in vswalugjan das gleiche u wie in miluks. 

3) Dazu vgl. at krtvah in Verbindung mit Zahlen. 

*, Aus typographischen Gründen habe ich den offenen e-Laut des Lettischen 
unbezeichnet gelassen. Ebenso habe ich für erweichtes n, r, Ia r’, U ge- 
schrirben. Im Litauischen ist die Länge des o bei Schleifton öfter unbezeichnet 
geblieben. 


222 F. Specht 


aus dem Wörterbuch von Brodowski’) anführt. Für das sonst im 
Lit. übliche gyrius „Ruhm, Rühmen“ kennt Daukša Postille (15017 
24714 312, 317, 390.0 43911 55319 5594: 562, Bea 5792: 586 10 
61945) ging, Auch vitus „Betrug“ (873, 389,5) findet sich neben 
gewöhnlichem vglius. Dagegen könnte 389; pavidi (Akk. Sg.) 
„Neid“ Druckfehler sein. Aus dem Got. sind grödus, hührus u.a. 
zu nennen. Sie sind sämtlich Maskulina. Das weist für das Balti- 
sche wieder mit einiger Sicherheit auf kurze x-Stämme. 

Bei der Übereinstimmung zwischen Ai. und Altbulg. kann es 
keinem Zweifel unterliegen, daß in der -Flexion von y&vvg, 
Lage und Verbalabstrakten wie atos, Auyvoc, Öilvg usw. eine 
griech. Neuerung vorliegt. Sie ist dadurch veranlaßt worden, 
daß die Mehrzahl dieser griech. -Stämme Femininum war. Mas- 
kulina sind nur das sicher fremde ßödrevs (Meillet, MSL. XV 163), 
außerdem Ə9ošwus, das vom gleichbedeutenden ovos beeinflußt 
sein könnte, und ordxyvs, dorayvs. Die tü-Stämme, die im Idg. 
kurzes % hatten und Maskulinum waren, können im Griech. ihr 
Geschlecht von den t-Stämmen erhalten haben, mit denen sie 
seit idg. Zeit eng verquickt waren (vgl. Wackernagel, SBA. 
1918, 380f.). Nun hat man seit langem erkannt, z. B. Wernicke, 
Tryphiodor S. 288; Ahrens ob. III 97f., daß -vs der 2-Stämme 
gedehnt ist, wenn es den Akzent trägt, dagegen kurzes -vç zeigt, 
wenn es Barytonon ist). Die Länge kann aber nur von den 
a-Stämmen herrühren, die entweder o Motion zeigten oder Verbal- 
abstrakta waren. Beide Klassen waren Feminina und hatten stets 
im Nom. Sg. betontes -ús. Ihnen sind also die Verbalabstrakta 
auf -vs und -rvs ganz mechanisch nachgebildet worden. Lag 
der Akzent nicht auf der Endung, so blieb -üs zwar kurz, da 
die Vorbilder für die Länge fehlten, aber die Flexion richtete 
sich trotzdem nach den endbetonten Stämmen. So weisen also 
indirekt auch die Verbalabstrakta auf -vc, De, -zoç auf alte ehe- 
malige Motionsfeminina auf Ge". 

Die -Abstrakta können nun weiter im Slavischen durch -nī 


1) Diese Bildungsweise scheint lit. sehr selten zu sein. Mielcke, der laut 
Vorrede das gleiche Wörterbuch gründlich benutzt hat, hat das Wort nicht 
aufgenommen. Offenbar war es ihm fremd. 

2) Über die Ausnahmen vgl. Kühner-Blaß, Griech. Gram.? 1439. Dazu 
füge ich noch Euripides frg. 5306 yEvdv, Sophokles Antig. 1127 Auyvös, Aischylos 
Cho. 757 géie, Nikander Alex. 34 xAsıröv, Kallimachos anonym. frg. 111 
difös, Theokrit. 214 ¿x@%w. Für die spätre Zeit gibt Material Wernicke a. a. O. 
mit älterer Literatur. 

3) Über die Dehnung bei Zeie u. a. vgl. unten Exkurs II, S. 280ff. 


Die Flexion der »-Stämme im Baltisch-Slavischen und Verwandtes. 2923 


erweitert werden, wie frout, vlegyni u.a. zu den alten -Stämmen 
in logeke, vlegsks (Zubaty aa O. 360). Daß derartige Bildungen 
nicht bloß auf das Slavische beschränkt gewesen sind, lehrt apreuß. 
maldunin (Akk. Sg.) „Jugend“, das einen &-Stamm *maldus voraus- 
setzt. Er liegt vor in ai. mrdú und verbaut in griech. duaAdvvw. 
Genau das gleiche ag tritt bekanntlich auch an die z-Feminina, 
die zur Motion verwendet werden, wie bogyni zu *bogy, rabyni 
zu *raby. Es verhält sich also bogyni zu dem #-Stamm *bogy wie 
alit. Viespatni zu dem konsonantischen Stamm Viespat-. Also auch 
durch diese Analyse werden wieder feminine #-Stämme, wie 
*bogy, *raby, die zur Motion dienen, gewonnen, und es hält 
schwer, auch diese Bildungen mit Sommer als Nachahmung von 
svekry ansehen zu wollen. Jedenfalls scheint es mir auf Grund 
der angeführten Tatsachen kaum möglich zu sein, an einer idg. 
o Motion zu zweifeln, wenn ich auch ohne weitres zugebe, daß 
sich im Ai. und Altbulg. #-Bildungen analogisch haben weiter 
ausdehnen können. 

Aber Motionssubstantiva auf -yńi wie bogyri werden nun 
genau wie die Abstrakta auf -yni als baltisch-slavisch erwiesen. 
Übersetzt man nämlich dieses -yri ins Litauische, so ergibt das 
ein -#m¿ Ein zur Motion taugliches -i ist aber im Litauischen 
aus Gründen, die ich hier nicht ausführen kann, in der Regel 
durch eine Bildung auf -ia oder -e ersetzt worden (vgl. auch 
Zubaty a. a. O. 363). So wurde also ein -ūni zu -ūnė. Nun ger 
hören zu den Feminina, wie deive, vilke, darbininke, lupike, vadöve, 
die sämtlich Motionssubstantiva sind, die entsprechenden masku- 
linen di&vas, vilkas, darbinifikas, lupikas, vadövas. Genau so hat 
man zu -une ein maskulines -nas gebildet, also zu atejüne ein 
atejünas. Demnach gehört lit. Gud mit Bildungen wie slav. bogyńi 
genau so eng zusammen, wie apreuß. maldüänin mit Abstrakten 
wie altbulg. Jong Meillet, Le slave commun 308 hat dieses 
altbulg. -yni mit dem -äne in lit. virsüne verbinden wollen. Aber 
dagegen spricht, daß die Abstrakta auf -yńi auf einem Adjektiv 
beruhen, während virsüne die Weiterbildung eines &-Substantivs 
viršùs, vrsch® ist, und die abweichende Intonation, vgl. ob. S. 215f. 
Da ferner neben Feminina, wie séné und Deminutiven auf Ale, 
-ele, -jte, dite, Gë die Maskulina senis, -Elis, -Elis, -ýtis, -aitis, 
-ü2is liegen, so könnte man von vornherein zu äng auch ein 
-inis erwarten. In der Tat führt Būga a a O. 421 derartige Formen 
an. Aber ich habe zu ihnen kein rechtes Vertrauen, s. ob. S. 213 
Anm.2. Sie finden sich zwar auch teilweise im Wörterbuch von 


224 | F. Specht 


Juskievid, z. B. 1394* landünis, liegünis, aber da entstammen sie 
sicher dem südostZemaitischen Dialekt (nach Baranowski Z.R.), 
wo uo zu ù werden mußte. Da diese Bildungen hochlit. heute 
unbekannt sind, so war es begreiflich, daß sie Juškievič als -znis 
aufzeichnete. Was Būga anführt, stammt außer aus Juškievič nur 
aus Daukantas’ Schriften. Da könnten sie ebenfalls Reflexe des 
südöstlichen Zemaitischen sein. Nur wenn sich ein -Znis mit 
Sicherheit im nordwestlichen Zemaitischen oder Ostlitauischen 
nachweisen ließe — andre Mundarten kommen dafür heute kaum 
in Frage — hätte es wirklichen Wert. Zu beachten bleibt aber 
immerhin, daß Ruhig Il 115 ein pabegünis, -Ane und paklaidünss, 
-ûnėé anführt, das Mielcke II 15° ihm nachgeschrieben hat. Es 
wird ihm also nicht fremd gewesen sein. Sonst pflegt auch er 
pabegünas zu sagen. Bei Ruhig II 2795 Zvaigzde begune kann 
begüne auch zu begunas gehören. 

Das von mir erschlossene lit. -äni statt -uné läßt sich nun 
tatsächlich alit. noch nachweisen. In der Wolfenbüttler Postille 
ist bekanntlich das der ai. Femininbildung patni entsprechende 
viespatni erhalten. Vgl. 85° 155° vespatni (N. Gel, 88° vespatnias 
(Gen. Sg.), 85° vespatniy (Gen. Plur.), 274% vespatimus ir viespatnia- 
mus (D. Plur.). In ihr wird man also am ehesten noch Bildungen 
auf -uni erwarten dürfen. In der Tat heißt es 42% kaipagi taskat 
Simonas prarakas ir Anna prarakuni abu vi/semus girdint Svesei 
liudija ape Christun Jesu. Der Gegensatz prarakas, aber prarakuni 
ist nun insofern noch lehrreich, als er genau dem von abulg. 
bogz, aber bogyni entspricht, -uni also nur zur Motion dient und 
einem Substantiv angehört, das zwar eine Person bezeichnet, 
aber nicht Nomen agentis im eigentlichen Sinne is. Dadurch 
daß dies -uni auch auf das Lehnwort prarakas übertragen ist, 
geht weiter hervor, wie lebendig einst -uni zur Motion in gewissen 
lit. Mundarten gewesen sein muß. Andre Femininbildungen auf 
-uni (-une) sind leider in der Wolfenbüttler Postille nicht belegt. 
273° steht für prarakuni praraka (Instr. Sg.). 

Wie sehr dieses -Znas lit. produktiv wurde, lehrt nun einfach 
der Umstand, daß es schließlich zu jedem Nomen oder Verbum 
gebildet werden konnte. Dann erhielt das Substantiv auf -Znas 
die Bedeutung von einer Person, die die Eigenschaft des Nomens 
oder Verbums besitzt und somit ganz nahe an die Bedeutung 
eines Nomen agentis kam. Dabei suchte dieses Substantiv auf 
-ünas engsten Anschluß an sein Grundwort. So konnte bei do. 
Stämmen durch falsche Abteilung ein -inas neben einem -@nas 


Die Flexion der »-Stämme im Baltisch-Slavischen und Verwandtes. 2925 


entstehen. Auf die Doppelheit galänas und galiünas nach galiü 
habe ich schon Syrvid XXVIII hingewiesen, desgleichen auf 
prakelunas = prakeliünas aus Syrvids Wörterb.* 247° zu keliù. 
Ich füge aus Leskiens Nom. 396f. hinzu: didZiänas zu didis, pa- 
giriünas zu pägirios, Ziniüne (und ebenso Ziniuonis) zu Zinid. 

Dieses für Nomina agentis zu Aug neugebildete -Znas hat 
im Gegensatz zu -ünas, das Weiterbildung zu «-Stämmen ist, den 
Zirkumflex. Beide scheinbar völlig gleichlautenden Bildungen 
verbinden also mit ihrer verschiedenen Ableitung und Bedeutung 
auch verschiedene Intonation. Das kann schwerlich Zufall sein. 
Aber die Deutung ist sehr schwierig, denn die verwandten Sprachen 
geben nur wenig aus. Man könnte die Regel so fassen, daß dem 
-ú, das aus š gedehnt worden ist, der Akut zukam, dagegen 
einem alten č, das eine Weiterbildung erfährt, der Zirkumiflex. 
Dafür gibt es eine scheinbare Parallele. Bekanntlich haben Verbal- 
stämme, die auf langen Vokal endigen oder mit langem Vokal 
erweitert sind, auf dieser Länge den Stoßton, z. B. dúoti, dëtt, 
paklöti, büti, gauti, tureti, eketi, Zinöti, mazgöti, girtuoti, važiúoti, 
ganyti, Sienduti. Aber die substantivischen Ableitungen dazu haben 
Schleifton, wie duökle, paklöte „Bettlaken“, pabūklas „Werkzeug“, 
pagaüte „alles, woran man sich halten kann“. turekles „Lenk- 
riemen“, ekdje „Egge“, Zinövas „Kenner“, mazgöte „Waschlappen“, 
girtuöklis, vaiuöte „Fahren“, gandyklg, sienaüte „Zeit der Heu- 
ernte“ '). 

Hierhin gehören auch die Nomina agentis, die mittels -nö- 
Suffix zu Verben mit zweitem Stamm auf -ō gebildet worden 
sind. Das Material hat Būga a. a. O. 453ff. zusammengestellt, wie 
valdönas zu valdöti, derkliöonas „Unflat* zu derklioti, kiūtõnas 
„Laurer“ zu kiätoti, niürönas zu niüroti, mirkliönas „Blinzler* zu 
mirklioti, sketrönas „Hahn“ zu sketrötis, vepliönas zu veplioti, žiū- 
rönas zu Ziüro, *Ziuroti. Demnach wird man auch kuprönas „Mann 
mit dem Buckel“ eher als Ableitung zu dem durch kuprötas 
vorausgesetzten *kupröti verstehen müssen, als daß man es mit 
kuprä verbindet’). Auf Grund solcher Bildungen hat man auch 
zu andern Verben, denen die verbale Ableitung auf -oti zufällig 
fehlte, auch Nomina agentis auf -nas gewagt, wie dilbönas „Gluper* 


1) Die Komposita wie paklöte, pabüklas, pagaüte sind insofern nicht ganz 
sicher, als ihr Zirkumflex wie in pakalne zu kálnas auch auf Kosten der 
Komposition kommen kann. 

2) Da zirkumflektiertes -önas eine Person bezeichnet, so könnte aber 
kuprönas auch auf diese Weise zum Zirkumflex gekommen sein. 

Zeitschrift für vergl. Sprachf. LIX 3/4. 15 


226 F. Specht 


zu delbiü, dryköne „langgewachsenes Frauenzimmer“ zu drykti, 
gaudöne „Pferdebremse“ (eig. Summerin) zu gasti, nevidönas „Böse- 
wicht“ zu vid- in pavidalas, slamstönas „hohler Wind“ (eig. „Rau- 
scher“) zu slamsti'). Dazu füge ich aus Ruhig I 177? II 3388 verpöne 
„Spinnerin“ zu verpti. Den Akzent dieser Wörter habe ich mit 
Būga überall als -nas angesetzt. Das wird im allgemeinen richtig 
sein. Aber bemerken will ich doch, daß bei den Wörtern, die nur 
aus Ruhig, Mielcke und Daukantas bekannt sind, die Intonation 
nicht eher gesichert ist, als bis sie durch einen heutigen Dialekt 
bestätigt wird. Auch das durch die Margar. theolog. überlieferte 
klaigonas „fanaticus“ wird man mit der ö-Bildung in kleigoti 
„schreien“ lett. klaigät (kliegt, klaiguonis) in Verbindung bringen 
müssen. 

Diesen von Verben abgeleiteten Nomina agentis auf -ön«s 
stehen in der Intonation und Bedeutung schroff gegenüber Sub- 
stantiva von @-Stämmen, so dirvonas zu dirvd. Wenn Kurschat 
hier und sonst diese Ableitungen auf -onas zirkumflektiert, so be- 
ruht das wie bei karaliünus auf einem Ausgleich. Ebenso heißt 
es zu ligà ligönas (Zem.). Auch märskonas zu märska, vilnonas zu 
vilna beweisen durch ihren Akzent auf der ersten Silbe für -onas 
Stoßton. Für trusonas „Federbusch“ zu träsai oder trüsos steht 
die Intonation nicht sicher fest. Kurschat betont zwar trusönas, 
aber das beweist schon darum nichts, als er ausdrücklich bemerkt, 
daß er die Sippe aus Mielcke habe, der ja die Intonation nicht 
unterscheidet und an der betreffenden Stelle überhaupt die Wörter 
ohne Akzent schreibt. Wenn Būga ferner a. a. O. 456 Anm. gal- 
vonas „Häuptling“ aus Bretke zu galvà mit Zirkumflex versieht, 
so bedeutet das bei dem ihm unbekannten Wort das gleiche, als 
wenn er Zmünj, Zmünj aus Daukša durch Zu gz auflöst (ob. S. 215). 
Veranlaßt hat ihn zu dieser Betonung sicher die persönliche Be- 
deutung, die in galvonas liegt, vgl. auch ob. S. 226 Anm. 2. Auch 
lit. /()avönas wird man wegen des Stoßtons eher als Ableitung 
zu einem Nomen */(i)avaä ansehen müssen als zu einem Verbum, 
wie apreuß. aulaut „sterben“. Neben Verben, wie liduti, liöviau, 
griduti, grióviau, pjduti, pjöviau usw. stehen lit. Substantiva wie 
griovä, kovà zu käuti, krova zu kräuti, paliova u.a. (Leskien, Nom. 
232). Das Lettische hat aber daneben noch die Schwundstufe, wie 
kava „Schlag“ zu kaüt, krava (kruva), atkräva (dazu nuokr'avät) zu 
atkraüt, gr ong, grava, gruva zu graüt, plava „Wiese“ zu pf ont 
„mähen“, selbst im Präteritum findet sich gelegentlich pl’ävem 


1) Vielleicht ist aber eher Jamstuonas zu schreiben. 


Die Flexion der »-Stämme im Baltisch-Slavischen und Verwandtes. 297 


neben pl’ävam (Endzelin, Lett. Gr. 603 Anm. 5). Auch das Lit. hat 
noch Spuren dieses Ablautes, z. B. iskräväti „hinausschaffen“ 
(Bezzenberger, Forsch. 128) krävoties žem. statt krovdties (Juškievič, 
Wörtb. II 2228), ostlit. pakrävai und pakräva „Bestattung“ (Būga, 
Kalb. 171) vgl. auch E. Fraenkel, W. u. Sach. XII 187, pašavà „Bei- 
faden beim Weben“ vgl. Zupitza ob. XI, 253. Aus alledem folgt, 
daß Substantiva, wie lit. paliovd, griova usw. einst ablauteten und 
Formen, wie *paliaväd, griavà daneben standen. Von einem solchen 
*liavd etwa „Tod“ ist IG)aoónas abzuleiten. Wie puronas „eine 
Pflanze“ zu betonen ist, weiß ich nicht. So bleibt einzig gyslönas 
„plantago maior“ neben gyslödiai, das doch sicher zu gyslä gehört. 
Hier weiß ich den Zirkumflex nicht zu deuten. Sieht man von 
diesem einen ab, so ist die Regel ganz deutlich: -önas ist -na-Er- 
weiterung, gehört zu einem zweiten Stamm auf -o und bildet 
Nomina agentis, -ónas bildet alte ursprüngliche Adjektivableitungen 
zu Substantiven auf -a. | 

Aber es bleibt doch fraglich, ob der Zirkumflex der Nomina 
agentis auf -Anas auf diese Weise gedeutet werden kann. Denn 
bei all den angeführten Beispielen mit Intonationswechsel handelt 
es sich zwar um eine ursprüngliche, nicht erst durch idg. Dehnung 
entstandene Länge. Doch besteht stets der Gegensatz zwischen 
vokalisch auslautendem akutiertem Verbalstamm und zirkumflek- 
tiertem Stamm in nominalen Ableitungen. Ob das Zufall ist, weiß 
ich nicht zu sagen. Bei -Znas läßt sich jedenfalls keine entsprechende 
verbale Ableitung auf e oder dergleichen nachweisen. Man könnte 
außerdem an den Parallelfall dirvönas erinnern. Hier liegt genau 
wie bei -@mas eine n-Erweiterung von einem gleichfalls langvo- 
kalischen Stamm dirva- vor, und trotzdem besteht ein Gegensatz 
in der Intonation. Allerdings könnte jemand behaupten, die Ab- 
leitungen auf -önas gingen nicht auf einen langen ö-Stamm, son- 
dern auf einen verkürzten, wie er in nviawods, Ölxaıos USW. vor- 
liegt (vgl. Debrunner, IA. XL 11) zurück, und diese Dehnung 
erfordere genau so Stoßton wie die von A zu ú in karaliünas. 
Eine eindeutige Entscheidung läßt sich kaum geben, nur der 
Schleifton bei den Nomina agentis auf -Znas steht fest. 

Dabei muß man ferner mit der Möglichkeit rechnen, daß in 
diesem zirkumflektierten -Znas nicht erst eine auf balt. Intonations- 
regelung beruhende Neuerung vorliegt, sondern unter Umständen 
etwas Uraltes stecken kann. Darauf möchte ich trotz des spär- 
lichen Materials wenigstens in aller Kürze eingehen. Griechisch 
stehen sich bei den #-Stämmen gegenüber akutiertes # bei mehr- 

15* 


228 F. Specht 


silbigen Stämmen, wie force, ditös, "Forge, Eixnorig und Zirkum- 
flex bei ursprünglich einsilbigen Wörtern, wie óoës, ds, oùs, ógpoos, 
ix$ösg'). Dabei ist sonst für die Intonation Herkunft und Funktion 
der -Stämme scheinbar ganz gleichgültig. Dieser Gegensatz ist 
vielleicht schon idg.; Ac, oög fallen für das Lit. aus, óoëóç ist eine 
Neuerung s. u. S. 280. Die Wurzel ist zwar baltisch vorhanden, 
aber nicht als o Stamm, öpeög findet sich in Wörtern wie juod- 
bruvele u. a., aber so, daß sich die ehemalige -Flexion nicht mehr 
verwerten läßt”. Anders ist es bei Zuvis. Die vorbalt. Flexion 
autete "äs, Akk. Sg. Zuu,m, woraus urbalt. "äs, *Zuvim wurde. 
Da *Zuvim auch auf die ;-Stämme bezogen i. konnte, so ist 
Zuvis neu dazu gebildet worden" (Joh. Schmidt, Plur. 66). An 
Ableitungen sind vorhanden ein ostlit. isZüti, Präsens is2yvu, i5Zunü 
oder iščústu, Prät. i$Zuva@ (vgl. auch Syrvid, Diet: 354%), ein (850. 
klauti, Zukljs (z. B. Jablonskis, Lit. Gr.’ 190, 197), ostlit. Zükle 
„Fischerei“. Ferner führt Wolter, Lit. Chrestom. 362s: aus ostlit. 
Sprachgebiet ein Präteritum Zakliävd = hochlit. Zäklidvo an. Die 
übrigen Ableitungen können hier beiseite bleiben, s. u. S. 281. 
Was den Stoßton in :isZüstu, iszüti angeht, so stimmt er genau zu 
den sonstigen Gepflogenheiten der Sprache bei diesen Bildungen 
(W. Schulze, SBA. 1904, 1441). Für irgendwelche historischen 
Feststellungen ist er aber nicht zu verwerten, da hier starke Aus- 
gleichungen stattgefunden haben. Dagegen weist der Infinitiv 
Zukläuti auf zirkumflektiertes o. Man muß daher auch für urbalt. 
*Zus wohl mit ehemaligem Zirkumflex rechnen. Dann stimmt 
dieses *3üs auch im Akzent genau zu iy$öc. Ist diese Überein- 
stimmung, die allerdings bei der Seltenheit dieser ganzen Stamm- 
bildung nur auf geringem Material beruhen kann, mehr als zufällig, 
so folgt daraus, daß gewisse einsilbige -Stämme idg. den Zirkum- 
flex hatten. Dann liegt die Annahme nahe, ebenso in dem Akut 
der mehrsilbigen z-Stämme des Griechischen etwas Altes zu sehen. 
In diesem Falle müßte im Baltischen, das die mehrsilbigen o. 


1) Dazu kommt dopös vgl. Herodian L. I 2368 23817 II 615% 62511 7076 
763: 9373, dein II 763,, drpös 123617 II 936. Bei dem letzten wird der 
Akzent mit Hypokoristika wie Asovös (Herodian I 23814) u.a. in Verbindung stehn. 

°) Die Sippe ist zwar lit., dialektisch reichlich belegt, vgl. druvis (Syrr. 
Dict.* 15b), żem. drünes (Trautmann, Balt.-slav. W. 38), Drünas, brunjs, jüod- 
runis (Juškievië, Wort I 241, 689), juodburvas, juodbruvas, Jüodburvis, Jüod- 
bruvis, jüodbrunis (Šlapelis 316), juodbriunio (G. Sg.) (T. ir. Zod. I 219), juod- 
bruvine (T. ir. Zod. I 240). Aber leider kann ich die Intonation bei erhaltener 
Länge nicht feststellen. 

3) Über die ursprüngliche Flexion dieses Wortes vgl. außerdem u. S. 281. 


Die Flexion der »-Stämme im Baltisch-Slavischen und Verwandtes. 229 


Stämme nur noch in Resten bewahrt hat (IF. XLII 293f.), das 
zirkumflektierte ë der Einsilber, wie -Zne zeigt, auch auf die Mehr- 
sılber übertragen sein". 

Für diese ursprüngliche Verteilung: Akut bei mehrsilbigen, 
Zuirkumflex bei einsilbigen -Stämmen spricht auch das Verhalten 
der #+Stšmme. Die mehrsilbigen haben lit. Akut, wie mort, su- 
/canti. Eine Beeinflussung durch die einsilbigen 2-Stämme, war 
lit. nicht möglich, da es diese dort bis auf das pronominale ss 
überhaupt nicht gab. Was sich griech. an mehrsilbigen :-Stämmen 
findet, ist zwar morphologisch anders zu beurteilen. Aber die vor- 
Ihandenen Reste weisen wie bei den mehrsilbigen -Stämmen 
wieder einheitlich auf Akut, z. B. xvnuis, »onnis, opoayis, wnypls, 
Beaißis, eönhonauls, #Ansis, anals. Daneben hat das Griechische 
einsilbige :-Stämme in Je und e, Das letzte Wort wird in der 
Poesie kaum üblich gewesen sein. Über den Akzent von Aig be- 
richtet Herodian, neol TAıaxjs neoowölas zu A 239: ó uèv 
“Aoloragyxos dëng, ô dé Aloxolov negiond. Herodian selbst ist ge- 
neigt, Aischrion beizustimmen, obwohl Aristarch und die Paradosis 
Als und demnach auch xis, ĝis, Hs betonen. Dagegen wird der 
Akkusativ von Herodian a.a.O. zu A480 ausdrücklich Ai» betont 
unter Berufung auf uöv, uväv, oüv, An, „leiv. Ganz ähnlich heißt 
es Bekker, An. Gr. 1194: xis— de, Als—Aıös, Plur. Ales und mit 
Übertragung des ; aus dem Nom. Sg. auch Aies und ebenso Aie 
als Neubildung zu Aude (Rhinton, Frg. 14). Ferner heißt es Bekker 
a. a. O. 1231sff. uöv, oüv, dgüv, Ap, yoqoy, Con, Yeüv (= Fedr), 


D Da einsilbige stoßtonig betonten Wörter den Akut in den Zirkumflex 
verwandeln, so könnte schließlich *zas auch auf diese Weise seinen Zirkumflex 
erhalten haben. Dadurch wird die Entscheidung noch schwieriger. Dieses Akzent- 
gesetz habe ich Lit. Mund. II 201ff. nur als Spezialfall eines besondern Gesetzes 
angesehen. Gegen meine dortigen Ausführungen hat van Wijk, Z. f. slav. Phil. 
V 12f. ausführlich Stellung genommen. Zweifellos ist sein Einwurf gegen meine 
recht voreilige Erklärung von büčià berechtigt. Denn sie war nicht darnach 
angetan, das Gesetz zu empfehlen. Wie ich aber bereits Syrvid XLII Anm. 3 
bemerkt habe, hat der Optativ 5uci& überhaupt nichts mit düaco(n) zu tun, mit 
dem ich ihn dort verknüpft habe, sondern er weist auf eine ganz andere Endung 
mit kurzem -4&. Vgl. dazu auch PorZezinski, Ks istorii 57. Auch kleine 
Richtigstellungen in Einzelheiten will ich ihm gern zugeben. Aber seine Aus- 
führungen im ganzen haben mich nicht überzeugen können, am wenigsten, was 
er selbst als neue Deutung anführt. Jedenfalls hat mein „Gesetz“ den Vorzug, 
daß es alle Fälle bequem und einfach erklärt, aber gerade dagegen wendet sich 
van Wijk a.a.0. 14f. 

s) Die wichtigste antike Literatur darüber hat Lehrs, De Aristarchi stud.?, 
2571. zusammengestellt, 


230 F. Specht 


1231. ff. vën, on, wën, dein, vaŭrv, yoadv, Con, dein, 12325. 
alels—aAeiv, Ale — Ain, sie xiv. Wie ist dieser Gegensatz zu inter- 
pretieren? Zunächst haben die zeyvıxoi folgende Regel abstrahiert, 
die immer wiederkehrt: n&oa aluaxi uovooó44eños eis -v Ańyovoa 
rreguonätan. Es ist selbstverständlich, daß diese Regel, die für viele 
Beispiele richtig war, auch automatisch weiter übertragen wurde. 
Dahin gehört Ze und die mehrmalige Schreibung oa, wozu der 
Nominativ Bekker aa O. 1196s: als øs, Gen. Sg. als Co ange- 
führt wird, vgl. Herodian, L. I 243, 404, II 7781. Besonders ist 
aber wieder Herodians Bemerkung x. IA. no. zu E 887 anzuführen, 
woraus hervorgeht, daß Ptolemaios (oc gegen die Regel zirkum- 
flektieren wollte, doch offenbar im Anschluß an oös. Da Zoe auf 
Code, orv auf Ẹwóv zurückgeht, so ist für beide natürlich nur 
der Akut am Platze. Fragt man aber weiter, wie der Gegensatz 
zwischen Ais—Aiv, xIs—xiv, xAeis—xAeiv, historisch zu verstehen 
ist, so könnte man zunächst daran denken, in dem Gegensatz 
der Intonation zwischen Nom. und Akk. Sg. etwas Altes zu sehen. 
Dazu könnte man sich auf lit. tàs — td, tà— td, mergà — mergq usw. 
berufen. Aber das geht nicht an. Denn man fragt sich vergeb- 
lich, warum der gleiche Gegensatz nicht bei Boös — Boüv, vaüs — 
vaŭr `), nAnyn —ninyhv usw. besteht und warum bei den Einsil- 
bern nur die auf -ıç den Intonationsunterschied zwischen Nom. 
und Akk. zeigen, während bei denen auf ac nichts davon zu 
spüren ist. Ich glaube, die Erklärung liegt auf der Hand. Neben 
Ais, ie stehen is’), Arte dis, »Aels. Die drei ersten bilden den 
Akkusativ lva, iva 6iva‘), »Aels in der Regel xAeida. His, dis 
und für das griech. Sprachgefühl auch is sind also ursprüngliche 
Stämme mit -n, die von Hause aus mit vie, Ais nichts gemein 


1) Zevs— Zi wird vermutlich Nachbildung des alten Gegensatzes Baoslevs 
—*BaoıAnv sein, vgl. auch Joh. Schmidt, SBA. 1899, 314; Wackernagel, Sprach. 
Unt. z. Hom. 160 Anm. 1. 

2) Gelegentliche Bemerkungen wie Bekker, An. 1232: "äi madogpúya 
adın yà ovoreike tò o xal oby Öuorovel tÅ neoionwuévy eéëäeie fallen 
kaum ernstlich ins Gewicht. Der Vers ist nach Schol. Towl zu Ø 22 in !ydww 
xaiĝopáyov zu korrigieren und gehört Pindar an. Es ist schwer zu beurteilen, 
woher der Grammatiker wissen konnte, daß hier Kürzung von ‘v’ vorlag und 
demnach Akut in Frage kam. Denn da konsonantischer Anlaut folgte, war ja 
die Silbe metrisch immer lang 

3?) ¿ç wird von den Herausgebern, ohne daß ich einen Grund sehe, oft zirkum- 
flektiert. Historisch mag das richtig sein; aber der 3-Stamm ist nur noch in 
Ipı erhalten, sonst geht es wie dis. dem es auch im Akzent folgt. 

t) Aristarch wollte hier sogar els, geis schreiben, vgl. Herodian, L II 4314. 
Dazu haben ihn falsche etymologische Spekulationen veranlaßt. 


Die Flexion der »-Stämme im Baltisch-Slavischen und Verwandtes. 231 


hatten und denen Stoßton zukam. Nun waren aber Ac, ée, Iç, 
denen sich Als anschloß, ihrerseits vor Einführung des Zirkum- 
flexes sicher, da ihr Akkusativ nicht einsilbig war. So bildete 
man A4is, sie für Are ste nach His, is (Ts) um und versah auch 
umgekehrt gelegentliche Neubildungen wie viet mit dem Zirkum- 
flex, obwohl er einem solchen Akkusativ gar nicht zukam’). Wenn 
dagegen Aischrion Ac forderte, so war für ihn nur der Akkusativ 
Aiv maßgebend. Daß er dabei auf das historisch allein Richtige 
kam, ist barer Zufall. Auf diese Weise erklärt sich der Gegen- 
satz zwischen Aie — Aiv, „is—xiv ganz ungezwungen. Ziehe ich 
also die Folgerungen aus diesen Auseinandersetzungen, so hatten 
im Griechischen die einsilbigen z- und z-Stämme im Nom. Sg. und 
Akk. Sg. den Zirkumflex °). Diese Regelung wird idg. sein. Ich 
halte daher die Annahme, nach der im Baltischen die mehrsilbigen 
2-Stämme den Zirkumflex von den einsilbigen erhalten haben, 
für erwägenswert. Denn die langsilbigen z-Stämme sind lit. nur 
noch in Ableitungen und geringen Spuren vorhanden und sonst 
geschwunden, während einsilbige -Stämme in Resten jedenfalls 
urlit. in *zes und *brüs noch vorgelegen haben. Freilich ein 
zwingender Beweis läßt sich nicht erbringen. 

Aber neben -änas zu ü“-Stämmen und -Znas, das erst nach 
dem femininischen -Zne gebildet ist, gibt es noch ein drittes -Znas, 
das gleichfalls Zirkumflex hat. Es wird durch die beiden Wörter 
lit. malūnas, apreuß. malūnis und lit. maigüänas repräsentiert. Von 
der ersten Gruppe wie karaliünas trennt es die Intonation, von 
der zweiten, wie beganas die Bedeutung. malūnas gehört zu mälti, 
lat. molere, und es ist gewiß kein Zufall, daß das Lat. vom gleichen 
Verbum die gleiche v-Erweiterung kennt. Bei Festus (Lindsay) 
124 heißt es: Molucrum non solum quo molae verruntur dicitur, id 
quod Graeci uvAnnooos appellant, sed etiam tumor ventris, qui etiam 
virginibus (incidere) solet: cuius meminit Afranius in Virgine: 

Ferme virgini 
(tam crescit uterus) tamquam gravidae mulieri. 
Molucrum vocatur, transit sine doloribus 

1) Vgl. noch Herodian I 10722, der für den Akkusativ von Eigennamen auf 
-ıv den Zirkumflex fordert, wie bei Bevdis— Bevöiv. Es handelt sich dabei wohl 
ausschließlich um fremde Namen. 

2) Unten S. 286f. wird sich ergeben, daß in den einsilbigen z- und -Stämmen 
zwei ganz verschiedene Klassen zusammengeflossen sind. Für die eine, die 
im Griech. stark überwiegt, ist sicherlich der Zirkumflex das alte gewesen. Die 


andere Klasse, die griech. durch öpeös vertreten ist, hat ihn wahrscheinlich erst 
von jener durch Übertragung erhalten. 


232 F. Specht 


Cloatius etiam in libris sacrorum: „Molucrum esse, aiunt, ligneum 
quoddam quadratum, ubi immolatur.“ ldem Aelius in explanatione 
carminum Saliarium eodem nomine appellari ait, quod sub mola sub- 
ponatur. Aurelius Opillus appellat ubi molatur. Ich will dahin ge- 
stellt sein lassen, wie weit molucrum in der Bedeutung „tumor 
ventris“, was Walde, Etym.Wört.”492 durch „Mißgeburt“(?) wieder- 
gibt, von molere zu trennen ist und als Nachahmung von griech. 
uvin zu dußiloxw gehört. Ganz unwahrscheinlich ist mir dagegen 
Waldes Ansicht, wenn er in molucrum Entlehnung aus griech. 
* uvAaxgov (udAaxgoı) „dentes molares“ sehen will. Das ist laut- 
lich ohne Annahme volksetymologischer Umgestaltung gar nicht 
möglich, und nach den Vorbildern, denke ich, sucht man vergeb- 
lich. Schon die reiche Bedeutungsentwicklung von molucrum, die 
manchmal unmittelbare Beziehungen zu molere fordert, und die 
Verwendung in sakralen, kaum noch verstandenen Formeln, macht 
es ganz unwahrscheinlich, daß hier ein Fremdwort vorliegen kann. 
Außerdem findet es in seiner Suffixbildung Anschluß an involu- 
crum, und wie zu diesem das Präsens mit «-Erweiterung involvo, 
got. walwjan gehört, so steht neben molo, got. malan ein got. 
gamalwjan, ahd. melo, Gen. mel(o)wes, poln. mlewo „Mahlen“ „ge- 
mahlenes Getreide“. 

Eine Bildung wie involvo, involucrum ist nun völlig deutlich. 
Ich verweise auf Froehde, BB. IX 123, W. Schulze, Qu. ep. 317 und 
Anm. 1. Es handelt sich dabei um eine Wurzelerweiterung vel-%'), 
zu der elo im Ablaut steht. velu- liegt z. B. vor antevokalisch als 
velu in volvö, got. walwjan, vlü- in neAlvroov (W. Schulze a. a. 0.336 
Anm. 1). Aber frühzeitig, bereits idg. ist auch # aus vlz auf gel 
übertragen worden, vgl. volümen, involacrum, ai. varūtár- gegenüber 
&ivroov (Hesych yElovroov), Zovua. In molucrum wird u in dem 
Vers bei Afranius (= Ribbek frg.’I1248) als Kürze gemessen im 
Gegensatz zu involücre in Plautus Capt. 267. Den Grund dieses 
Ausgleichs wird man darin suchen müssen, daß neben involücre 
ein involatus lag, während molere ein derartiges Partizipium nicht 
kannte. Auf die dreimalige Messung involucris bei Prudentius 
(Cathem. V 36, contr. Symm. praef. 54, Hamart. 921), die schein- 
bar etwas Altes birgt, ist natürlich nichts zu geben. Denn einem 
Dichter, der auch duitas, söcors, söcordia, lügubris, rübigo usw. 
mißt (vgl. Dressel, Prudentii carmina XVIII Anm. 54), sind der- 
artige Altertümlichkeiten kaum zuzutrauen. Dagegen muß lit. 


1) Die Vollstufe einer solchen Erweiterung liegt in dAoofzgoxos vor (W. 
Schulze, Qu. ep. 317 Anm. 4; Bechtel, Lexil. 248). 


Die Flexion der »-Stämme im Baltisch-Slavischen und Verwandtes. 233 


malūnas mit langem % wie lat. volätus beurteilt werden. Die gleiche 
u-Erweiterung findet sich bei Bretke, Exod. 11,5 in malluve, das 
zu malluves korrigiert ist — am Rande steht dafür girny — und im 
Predig. 12,4 mallunikes (Gen. Sg.), wofür am Rande melnikes ge- 
schrieben ist. Für den Akzent lernen wir aus malünas, daß die 
Tiefstufe von Wurzelerweiterungen, wie sie in volütus, malūnas 
vorliegt, zirkumflektiert betont wurde. Diese Erkenntnis ist allein 
aus dem Lit. zu gewinnen. Für die Wurzel in maigünas kann 
ich eine Erweiterung wie für mälti nicht nachweisen. Aber es 
ist wohl möglich, daß die beiden Substantiva bildungsgleich waren. 
Allerdings hat miegüstas „schläfrig* daneben auch miegüistas den 
gestoßenen Ton. Ich wage diesen Gegensatz in der Intonation 
zu maigünas nicht zu deuten. 

Überblicken wir hier noch einmal das bisherige Ergebnis 
unserer Untersuchung, so hatten sich drei grundverschiedene 
Bildungen auf -nas ergeben. 1. Ableitungen zu -Stämmen mit 
gedehntem Themavokal, wie lat. tribunus, lit. karaliünas. Die In- 
tonation ist gestoßen. 2. Motionskomposita auf -zne, zu denen 
-ünas als Maskulinum neu geschaffen worden ist. Dieses Aug ist 
Umbildung von Ant, das genau zu altbulg. -yńi stimmt und als 
Weiterbildung von u-Stämmen gedeutet werden muß. Diesen 
Bildungen kommt Schleifton zu, der vielleicht von einsilbigen #- 
Stämmen aus verallgemeinert wurde. 3. Ableitungen von Wurzel- 
erweiterungen auf (e)ü, A, wie volvo, volatus, got. gamalwjan, lit. 
malünas. Auch hier war die Intonation geschleift. Daneben hatten 
sich Substantiva auf -önas als n-Ableitung einer Basis auf 6 er- 
geben, die gleichfalls wie die Bildungen auf -znas in ihrer Bedeu- 
tung den Nomina agentis im allgemeinen gleich sind. Aber irgend 
eine Beziehung zu den n-Stämmen, wie Būga will, besteht bei 
keiner der drei Bildungen. Das ist aber ganz anders bei den 
Substantiven auf -wonis, die in ihrer Bedeutung mit denen auf 
-ünas völlig übereinstimmen. Ja, zuweilen liegt -@nas neben -uonis 
bei ein- und demselben Wort. Zu ihnen will ich mich jetzt wenden. 

Die Substantiva auf -uonis sind, wie bereits bemerkt, zum 
größten Teil Nomina agentis. Soweit keine Neuschöpfungen 
modernster Art oder Entlehnungen aus Mundarten vorliegen, sind 
sie der heutigen Schriftsprache und einem großen Teil der lit. 
Dialekte fremd. Sehr groß ist die Anzahl im Gegensatz zum 
Lettischen überhaupt nicht. Es kommen ungefähr in Frage") ata- 


1) Das Material habe ich entnommen aus Būga a a OU. 422ff. und den 
Wörterbüchern von Juskievi@ und Slapelis. 


234 F. Specht 


juonis „Ankömmling, Fremder“, atalikuönis, atliekuonis, -uönj 
„Letzter“, atskaluönis (Daukša Atskaluonis) „Abtrünniger“, delsuonis 
„Langsamer“, eduonis „Fresser“, galuonis „Mutwilliger“, giezuonis 
„aufdringlicher Mensch“, grobuonis „Räuber“, gyZuonis „Aufdring- 
licher“, karuonis') „Aufgehängter“, keikuonis „Verflucher“, atlar- 
kuonis „überflüssiger Mensch, Ausschuß, kytruonis „verschlagener 
Mensch“, pälikuonis „Nachkomme“, šuð pasaluonis „Hund, der von 
hinten beißt“, pirmuonis „Erstling“, rijuon?s „Fresser*, skenduonis 
„der dem Ertrinken nahe ist“, trakuonis „unruhiger Mensch“, žin- 
iuon!s „Zauberer“. Dazu kommen noch ldnkuones und das ent- 
sprechende Femininum ieskuönes bites „Spürbienen“, ferner aus 
Daukantas Bienenb. 34, 35, 49 angstounes (= angstuones) „Arbeits- 
bienen“. Ursprünglich war wohl auch geluonis ein Nomen agentis 
mit der Bedeutung „Stecher“, woraus sich dann „Stachel“ ent- 
wickelt hat. Dasselbe würde ich von einer Reihe Krankheitsnamen 
annehmen, wozu auch wieder das Lettische stimmt, s. u. S. 262f., 
wie landuonis (in Kalv. löndounis), lieZuonis, auguonis „Geschwür“, 
dazu gehört wohl auch gyvuonis, gyluonis „Nietnagel“. Den Über- 
gang zeigt deutlich eduonis, das außer „Fresser* auch „Knochen- 
fraß“ bedeutet, auch an den reinen n-Stamm nuomuruo „Fall- 
sucht“ sei erinnert. In der heutigen Schriftsprache wird -uonis, 
wie bereits bemerkt, gern zu Neubildungen verwendet, wie de- 
guonis ‚„Sauerstoff*, gesuonis „Stickstoff“, antruonys „vielzellige 
Tiere“ ua, die dann als Maskulina nach den io-Stämmen flek- 
tieren. Auch hier wird man ursprünglich diese Worte als Nomina 
agentis gefühlt haben. Abseits in ihrer Bedeutung stehen nur 
gel(e)Zuonis „Eisenschlacke“, geleZuonis „Drüse beim Pferd“ und 
Zaliuones „Gemüse“, s. u. S. 255. 

Diese Bildungen auf -uonis stehen fast sämtlich, wie Büga 
mit Recht hervorgehoben hat, mit den »-Stämmen in allerengster 
Beziehung. Man muß sogar sagen, sie sind ihre direkten Fort- 
setzer. Was man sonst gemeiniglich in den Grammatiken als lit. 
n-Stämme anzuführen pflegt, wie akmuö, akmeñs, geht im wesent- 
lichen, wie sich unten zeigen wird, auf idg. -men- (griech. -uw», 
-unv, -uq) zurück. Diese Gruppe hat die Dehnstufe nur im Nomi- 
nativ Sg. und sonst überall die &-Stufe durchgeführt. Daneben 
hat es aber im Baltischen eine ganz andere Flexion der n-Stämme 
gegeben. Sie setzt sich zum größten Teil aus Nomina agentis 
zusammen. Hier ist wie in lat. /atro, latronis, griech. Acıuw», 
Aecıu@vos das o des Nominativs durch das ganze Paradigma durch- 

1) Basanavičius, Pasak. II 2826 ff. 


Die Flexion der »-Stämme im Baltisch-Slavischen und Verwandtes. 235 


geführt worden, so daß sich ursprünglich folgende Flexion ergab: 
N. Sg. -uo, Gen. Sg. -uones, Dat. Sg. -uoni, Akk. Sg. -uonj, Instr. 
Sg. -uonimi, Lok. Sg. *-uonip. N. Pl. -uonës, G. Pl. *-uony, Dat. 
Pl. -uonimus usw. Diese Formen lassen sich in alten Texten im 
einzelnen fast alle noch nachweisen. Da allerdings der Akk. Sg. 
auf -uonį auch auf die i-Stämme bezogen werden konnte, so ist 
nach bekannten Mustern in der Regel darnach der N. Sg. auf 
-uonis gebildet worden, und wie es im Lit. bei konsonantischen 
Stämmen immer geschieht, ist daneben auch die Flexion nach 
den i-Stämmen möglich geworden. Das ist das gleiche, wie ob. 
S. 228 Zuvis nach Sin? oder dieveris (Syrvid Dict.‘ 418) noch dieverj. 
Ebenso haben die men-Stämme gelegentlich nach dem Akk. Sg. 
auf eng im N. Sg. eine Neubildung -enis statt -uo vollzogen, z. B. 
semenis (Bretke, Mark. 4,23), piumenis (Morkunas 7®,), stamenis 
(Syrvid Diet," 363®), rudenis (T. ir. Zod. I 272), ündenys (T. ir. Zod. 
JII 409 Nr.61). Man hat bisher diese Zweiteilung der lit. n-Stämme 
nicht beachtet. Das wird dadurch begreiflich, daß das Hoch- 
litauische diese Bildungen auf -uonis nicht mehr kennt. Sie finden 
sich heute nur noch dialektisch im Zemaitischen, Ostlit. und wohl 
auch im Westdzükischen. Wenn daher z.B. Kurschat, Lit. D. 
Wörterb. zu /[palaiduo einen Genitiv *palaidens bildet und sogar 
der Begründer der heutigen lit. Schriftsprache, Jablonskis als 
Herausgeber des Juskieviden Wörterbuches E — J zu eduö einen 
Genitiv *edens ansetzt, den es niemals gegeben hat, so zeigt das 
nur, wie unbekannt ooch heute diese Bildungen ganz hervor- 
ragenden Kennern des Litauischen sein können, falls sie in ihrer 
Mundart nicht vorkommen. 

Ganz klar auseinandergehalten sind nun die Bildungen auf 
-muö -meis und Aë, -uones noch im Alit. Ich führe aus dem ge- 
samten alit. Material bis einschließlich Klein die Bildungen auf 
-40, -wones einzeln vor. In manchen Texten treten allerdings die 
Nomina agentis auf -uo (-wonis) stark zurück, und geluö ist dann 
oft nur der einzige Rest, der bleibt. Was aus Syrvid hierher ge- 
hört, habe ich bereits in meiner Ausgabe XX VI aufgeführt: N. Sg. 
gietuo (= geluö oder geluö), nuomaruo, neusauguo, padauzuo, aptai- 
duo, paktaiduo, paniuruo, palaiduo, Sirsuo; Akk. Sg. gieluoni, nuo- 
maruoni, N. Pl. pirmuones, dazu das Femininum ne(u)Sauguone. Der 
ostlit. Katechismus von 1605 bietet bei seinem geringen Umfang 
kein Material. Aus der Literatur der Reformierten hat der Kate- 
chismus von 1598 nur das wenig auffällige 79:0 tas gieluo (aus 
Psalm 91). Die recht umfangreiche Wilnaer Postille des Morkunas 


236 F. Specht 


von 1600 gibt gleichfalls sehr wenig: 111% 1575,, 230% 1, 2995,, 
327%, III 58, gietuo; 131°, 1585, 170%, IH 49%, 675,5, 91 gietuo- 
nim(i) (Instr.), 321%, III 57%, giatuoni (Akk. Sg.), III 585,, tiemus 
visiemus gayliemus gieluonimis') (Dat.). Überall ist geluo maskuli- 
num. Die Nomina agentis sind hier durch gatünas, klaidunas, 
begunas ersetzt, aber nur galünas ist häufiger. Auch die refor- 
mierten Schriften von 1653 (ob. LVI 268) beschränken sich fast 
ganz auf gieluo, z. B. Sum. 8213, un, Knig. 162%. Einmal hat 
Sum. 96; auch den Akk. Plur. kiemionis, wo aber -onis mit -wonis 
nichts zu tun zu haben braucht. In der Regel flektiert man nach 
den ö-Stämmen, wie Sum. 211: paviduonus (Akk. Pl.), 18312 patay- 
duonay, sonst noch pateykünay, tapüunay, giriunas, uZejunas, galünas, 
didziunas. Chylinski kennt die Flexion nach den n-Stämmen über- 
haupt nicht mehr. Er gebraucht dafür vatdonas, pateykünas, ga- 
tunas, uZejunas, didZiunas, smarkünas und Esther 9,19 kiemioniey 
mit dem auch sonst bei ihm üblichen Wechsel zwischen jo- und 
i-Stämmen. Die Margarita Theologica, deren Verfasser aus der 
südöstlichen Žemaitija stammt, hat nur 52%, gieluonis, das also 
im Nom. bereits in die i-Flexion übergetreten ist. Sonst finden 
sich dort in diesem Sinne 1135, 120° 179® klaigonas „Irrlehrer“, Ais 
valdonas, 95° 104° paklaidunas, XXXV Diewonis „Gottessohn“, 
und die fremden upekanas und zemlonis (N. Pl.) „Landsleute“. 
Außerordentlich reiches Material zu der Frage liefert nun 
Daukša. Nur hat er überall den Nom. Sg. auf -uo bereits nach 
dem Akkusativ zu -vonis umgebildet. Ebenso ist im Gen. Plur. 
keine konsonantische Flexion mehr nachzuweisen. Ich gebe der 
Kürze halber für die gleiche Form mit verschiedenen Schreibungen 
immer nur eine und korrigiere auch stillschweigend kleine Ver- 
sehen im Drucke: Nom. Sg. ätskaluonis (324: = 434., 402s; = 
53655), Dat. Sg. atskaluoni (40225 = 53655), Instr. Sg. atskaluonimi 
(490), Nom. Plur. ätskaluonjs und ätskaluonis (19, = 2923, 2244 = 
3315, 44a = 6244, 5110 = T219, 6lıe —_ 855, 10330 = 140 14, 11030 = 
14916, 11554 = 1553», 12835 = 17219, 13027 = 17434, 21216 = 28031, 
218, = 28826, 225, = 298,1, 234,: = 31112, 2813s — 374ss, 29235 
— 839020, 3193: = 42750, 3231: = 43216, 32325 = 43224, 344, = 
460s, 348s = 46525, 349, = 4675, 361, = 487s, 37115 = 49624, 
Rf == 516s, 4034 = 537s1, 40348 = 53826, 41526 = 558332, 46711 
514; 51816 53455, u 56810); Gen. Plur. ätskaluoniy (313 = Ts, 23a7 
= 3414, 4421 = 6239, 50.4: = 716, 6lsı = 8519, 84, = 11452, 8826 = 
12030, 901: = 12316, 9225 = 12620, 12112 = 1634, 168®,, = 22516, 


z) Über die Dative auf -mis vgl. ob. LIII 151. 


Die Flexion der »-Stämme im Baltisch-Slavischen und Verwandtes. 237 


20750 — 27510, 21934 = 29034, 2572 Se 3415, 26683 == 35410, 27650 = 
36816, 2942: = 3931, 301ss = 40254, 30316 = 40512, 32134 = 43011, 
858, = 479s, 364: — 48621, 364, = 48755, 365; = 4886, 374.4 = 
500ss, 402s = 536536, 4444, = 59229, 444,, = 59255, 46614 469.5 
4731s, 499, 5095: 535; Dat. Plur. ätskaluonimus (103. = 1401», 
119. = 161s); Akk. Plur. ãtskaluonis (1 163: = 15714, 1201: = 16130, 
1204 = 16227, 1265: = 1701s, 21819 = 28933, 27826 = 37026, 3204s 
= 429,9, 41626 = 55510, DÄI: 56425). Instr. Plur. ätskaluonims 
(31921 = 42715); Lok. Plur. atskaluonise (4042: = 53923), atskaluo- 
nisemp (26713 = 35517). — G. Sg. päklaiduonies (4411s = 588), N. 
Plur. päklaiduones (28213 = 37617), Gen. Plur. paklaiduoniump (37%&s 
= 5006). — N. Sg. pälikuonis (51sı = 7211, 50440, 4), Gen. Sg. pa- 
likuonies (4434 = 59025), Akk. Sg. pälikuon; (46419), Instr. Sg. päli- 
kuonimi (49810); Nom. Plur. pälikuones, pälikuonjs (44:1 = 6223, 54s 
= T5is, 54, = T520, 9454 = 1282, 94,. — 12835, 11034 — 1499, 
2463: — 32629, 311s: = 4174, 4595: 4834); Gen. Plur. palikuoniy 
(5522 = Tis, 248; = 32850, 33553 = 4493, 39750 — 5844, 45939 
46951); Dat. Plur. palikuonimus (284: = 3785.) und mit Übergang 
in die Flexion der io-Stämme palikuoniamus (4751s); Akk. Plur. 
pälikuonis (11955 = 16lıs, 37313 = 498314, 57827; Instr. Plur. EI 
kuonimis (ae = 12857, 53850); Lok. Plur. palikuonise (4606). — 
G. Sg. pirmuones (10720 = 145:); Nom. Plur. pirmuones (59013), Dat. 
Plur. pirmuonimus (424: = 56512); Akk. Plur. pirmuonis (50541). — 
Gen. Sg. nemaruones (56017), maruonies (11sı = 18271, 334 = 4819 
5672s), maruoniesp (2111s = 28012), nemaruonies (542s: 56021); Akk. 
Sg. nemaruon; (54210), Akk. Sg. nuomaruonį (577:0). — N. Sg. ge- 
luonis (187s: = 2485s, 187ss = 24855); Gen. Sg. geluones (4544: = 
60919); Instr. Sg. geluonimi (5061). — Instr. Sg. tëvuonimi (1031: 
= 139;ı), Instr. Plur. tëvuonimis (77355 = 10629, 23011 = 3052, 46450). 
Daneben stehen auch Bildungen wie paklaidūnas, palaidūnas, šau- 
kūnas, lapunas, pataikūnas, palaidune, (fem.), sokune (fem.). 

Auch in der ostpreußischen Literatur läßt sich in ältester Zeit 
diese Flexion der n-Stämme nachweisen. Moswid’) hat zwar neben 
511 lepunai nur 265, 548 (= 86) den Akkusativ geloni = geluonį. 
Zweifelhaft ist 100 sgtevoni (Akk. Sg. Form. kr.) 113 tevonimi 
(Form. kr.). Denn wegen 33 satievanems könnte ó = hochlit. ó sein. 
Eine sichre Entscheidung läßt sich nicht geben, da Ztevuonis und 
tevonis gleichberechtigt nebeneinander stehen, vgl. Būga a.a. O. 
451. Auch die Wolfenbüttler Postille hat nur 628 gieloni = hochlit. 


1) Stangs Lokalisierung des Dialektes muß ich trotz Fraenkels Zustimmung 
DLZ. 1930 1030f. ablehnen. 


238 F. Specht 


geluonį als Femininum. Sonst kennt sie nur Nomina agentis wie 
kleidünas, klaidunas, pateikunas und mit hochlit. ó 1928 G. Sg. 
kiemianes, 2495 N. Pl. kemianis. Wenig mehr bietet Willent: 88. 
pirmuones (N. Pl.), 1001, pirmuones (Akk. Pl.) und mit Umbildung 
nach den iö-Stämmen 132, pirmuoneis. Wie das o in DI, 76ıs 
tievonimi, (Die 49, s kievonimis, 1054 sqtievonimis aufzufassen ist, 
könnte auch wegen 4s: kiemianims nicht zweifelhaft sein; denn 
In der Regel wird auch bei Willent hochlit. o durch o wieder- 
gegeben‘). Sonst hat er noch 1015 klaidune (Vok.) und das auffällige 
561. prarakuonaine‘). Wenig Material bietet auch Klein: Gebet- 
buch Biss gellonis. In dem Liede 99:3 = Sengstock 49 = Bretke, 
Gesangb. S. 11, Nr. 10 = Moswid 265 ist geloni nicht selbständig. 
Fremdes Suffix liegt wohl in 16 pillonis (N. Sg.), Be 33, 7810 
pilloni (Akk. Sg.) 4, pillonimi vor. Dazu bleibt bei allen Beispielen 
unsicher, ob o = hochlit. wo ist. An Nomina agentis verwendet 
er kleidunas, begüunas, nevidonas, valdonis. 

Etwas reichlicheres Material bietet Bretke. Doch meist ist 
es im Texte übergeschrieben oder als solches am Rande vermerkt. 
So steht Hiob 18,19 über vaiky vaiko ein palikuonies, dafür am 
Rand nepčio, Reg. 121,21 palikuonis (Akk. Pl.) als Variante zu 
patamkus, Ps. 48,14 als Variante palikkonims, Ps. 49,14 am Rand 
palikonis (N. DI, Ps. 71,18 am Rand palikonims, Hos. 9,7 am 
Rand atskalonis (N. Pl.) für sekty dvases des Textes. Der Akk. 
Pl. sirsonis begegnet Ex. 23,28, Deut.7,20, Sap. 12,8 als Sirsones 
am Rand Josua 24,12. Im Text steht dafür vapsas und als Vari- 
ante Sarsus. Wahrscheinlich soll sirsones am Rand einfach den 
Nom. Plur. bezeichnen. Denn -es ist als Endung konsonantischer 
Stämme für das Femininum bei Bretke nicht selten, begegnet 
aber beim Maskulinum nur Hes. 34,2 piemenes. Üblich ist auch 
wieder N. Sg. gelonis (Post. 1751s) und giellonis (eb. H 8,,). Der 
Akkusativ geloni findet sich in den Liedern 12; 496, ist dort aber 
nur z. T. bodenständig, s. ob. 238. Hesek. 28,24 steht der N. Pl. 
gelonis mit der getilgten Variante usnes in der Bedeutung „Klette“. 
Das Geschlecht ist Femininum. Unklar ist mir, ob Lev. 11,29 

1) Durch irgend ein Versehen sind dem sonst so sorgfältig arbeitenden 
Bechtel in seiner Ausgabe des Willent XIX über die Verteilung von ó und & 
ganz falsche Angaben unterlaufen. Sie sind dann kritiklos weiter übernommen 
worden, z. B. von Gaigalat, Mit. lit. Ges. V 23. 

3) prarakuonaine setzt ein *prarakuonas voraus wie Bretkes prara- 
kunaine (Post. I 1146) neben sonstigem prarakiene (z.B. Post. I 11612.28 12415) 


ein *prarakünas. Lehrreich ist dabei, daß hier erst ein aus slav. prorokö 
entlehntes prärakas diese Umbildungen erfahren hat. 


Die Flexion der »-Stämme im Baltisch-Slavischen und Verwandtes. 9239 


N. Sg. $ermonis oder sermenis zu lesen ist. Am Rand steht $armuo. 
Rein graphisch würde ich mich eher für $ermenis entscheiden. 
Sehr merkwürdig ist bei Bretke ein Wort aguonas, seltener aguona, 
das an vielen Stellen in der Bedeutung „Knauf“ oder „Schmuck- 
stück“ vorkommt. Es steht regelmäßig als Variante am Rand 
oder im Text übergeschrieben. Zweimal Ex. 25,34. 36 findet sich 
dafür auguonai. Demnach gehört das Wort zu dugti, und es 
scheint als terminus technicus Bretke nicht geläufig gewesen zu 
sein. Es ist also möglich, daß Bretke dguonas gehört und dem- 
nach geschrieben hat, falls überhaupt das Wort von ihm stammt. 
Dann ist am wahrscheinlichsten, daß neben augmuö, augmeñs = 
varsius mit andrer Ableitung ein *auguö, *duguones gelegen hat, 
das in die Flexion der ö-Stämme tübertrat. Das würde ein Seiten- 
stück finden an $irsuo, N. Pl. Sirsounes = širšuones (Baranowski 
329,19) und $irsuonas, Sirsunas (Būga a, a O. 425) und an palay- 
duonay der Sum. S. ob. S.236. Dieses o bei Bretke in -onis kann 
überall als vo aufgefaßt werden. Sonst kennt er Nomina agentis 
wie pabastünas, tekunas, klaidunas, lepünas, pateikunas, Zinünas, das 
z. B. Sam. 128,3 am Rand in der Bedeutung „Zauberer“ steht, 
aber II. Chron. 33,6 = ženklus ist, und Jer. 10,18 kleiduonas (Post. 
1122,12) velduonas etwa „Bewohner“ Jac. 1,8 Zvilonas „Unbe- 
ständiger“. Schließlich verwendet er häufig pirmüne. 

Selbst im 18. Jahrhundert kann man bei Ruhig noch Spuren 
des alten Zustandes finden. Nur sind Nomina agentis seltner und 
In die Flexion der io-Stämme übergegangen, so I 108° pirmönis, 
önio „Erstling“, fem. II 128° pirmone „erste Frucht“, II 147° edonös, 
-on(i)o, rijonis, -on(i)o, dazu auch II 448 „ausgestorbenes Haus“ 
Namai ismirre, Ismaronu = iSmaruoniy (Mielcke Il 59%). Dagegen 
gehen die Wörter auf -vonis, die keine Person bezeichnen, nach 
den i-Stämmen und sind in der Regel Feminina geworden, so 
11231® „Krebs, Krankheit“ landonös, -iês (f.), 138° 408 Il 74° 276° 
336% gelonis, -ês (fem.), I 455 gyvonis, ês (fem.) „das Leben unter 
dem Nagel“, aber II 240° gyvonis, nio (masc.) IL 5° geleZönys, óniů 
(masc.) „das Abgefeilte“, aber II 117° „Eisenschlag* geleZonis, 
ês (fem.), 189® geleZones, -niü (fem.) „Hammerschlag“. Mielcke hat 
alles treulich übernommen, sogar bis auf die Verschiedenheit der 
Geschlechter. Neu ist I 47° II 317% delsuonis, nio „ein Langsamer“, 
das er dann auch mit anderer Orthographie wo schreibt, und 
vielleicht I 82° uZgirronis, nio „der hinter dem Walde wohnt“. 
Allerdings könnte die Schreibung mit o auch idg. ë entsprechen. 
Auch Daukantas kennt girionis. Man wird daher auch bei ihm 


240 F. Specht 


noch eine gewisse Bekanntschaft mit Resten dieser Bildungsweise 
annehmen müssen. Sonst ist auch bei Ruhig -unas das üblichere 
bei Nomina agentis, so begünas, klaidünas, paklaidünas, kleidünas, 
lakünas, lappünas, rijunas, pataikünas, patakünas, pirmtakunas, 
tekünas, Zygünas (Bote), Zinünas'). 

Nur an einer Stelle wird die sonst regelrechte Flexion -wo, 
-uon(i)es scheinbar durchbrochen. In Rhesas Psalter heißt es in 
der Bedeutung „Abtrünniger“ 66; atpuolenei (N. Pl.), 68: atpuo- 
lænius (Akk. DILL, 68:1» atpuoleniams (D. Pl... Man könnte geneigt 
sein, darin die Fortsetzung eines *atpuoluö, uones zu sehen, aber 
das geht nicht an. Bei Haack und ebenso bei Ruhig und sonst 
heißt der „Abtrünnige“ atpuolinys. Diese beiden Bildungen ge- 
hören ähnlich zusammen wie etwa piktenjbe und piktinjybe. Dann 
müßte man wohl an Ableitung von einem men-Stamm *atpuoluö < 
*atpuolmuo „Abfall“ denken, vgl. vemd „das Erbrechen“ (Bezzen- 
berger, Lit. For. 196), das allerdings keine obliquen Kasus mehr 
bildet. 

Da dies -wonis in seiner Bedeutung als Nomen agentis genau 
mit -änas übereinstimmt, so ist es nicht verwunderlich, daß oft 
beim gleichen Wort ein -Znas neben -uonis liegt. Ich nenne 
*heguonis auf Grund von beguonelis”) (T. ir Zod. I 253) — bégümas, 
keikuonis — keikünas, eduonis — edünas, lett. palaiduonis — palai- 
dünas, paklaiduonis — paklaidünas, atajuonis — atejünas, rijuonis 
— rijünas, atskaluonis — atskalünas, Ziniuonis — Zinünas. Darnach 
ist auch zu $irsuonis ein sirsunas (Daukantas, Bitt. kn. 11,90, 91) 
gebildet worden. 

Aus den oben angeführten Bildungen auf -uonis ist aber noch 
eine besondere Gruppe herauszuheben. Während die Mehrzahl 
zu Verben in Beziehung steht, läßt sich eine weit kleinere Gruppe 
nur mit Nomen in Verbindung bringen, wie pirmuonis zu pirmas 
afitruonys (Būga, Kalb. ir sen. 132) zu aütras, atlaikuonis zu dtlaikas, 
kytruonis zu ktras, trakuonis „unruhiger Mensch“ zu träkas, traküs. 
Dazu kommen aus dzükischen Liedern die Deminutiva pitkuonelıis, 
-&#e und šilkuonëlis zu pilkas und šiľkas, z.B. Taut. ir Zod. II 291 
ir pamatė voveretj pitky, pilkuoneli, 11360 takia trys pilki karveleliai, 


1) Im Text steht I 1888 zinkünas, aber richtig H 4048. Auch hier ist 
Mielcke wieder Ruhig genau gefolgt. 

2) Dahin gehören auch die Deminutiva aus Juskievils Liedern, die Leskien, 
Nom. 393 zusammengestellt hat: jáutis bubuonelis, dusuon&le, Iyduonelis, mi- 
ruonele, striguonelis, uzuonelis und Taut. ir Zod II 388 aglala sinbuonela. Sie 
haben alle ein Verbum neben sich. 


Die Flexion der »-Stämme im Baltisch-Slavischen und Verwandtes. 241 


visi, pilki pilkuoneliai, H 359. pas mani 2otale, tai Silkuonele, aus 
Daukantas artimonis, € z. B. Darb. 114,8 artimones kaimas. Auch 
das Lettische kennt Ähnliches. Ganz eindeutig sind: dišuonis 
„Großtuer, starker Mensch“ zu di2s, dikuonis „Müßiggänger“ zu 
diks, greizuonis „verkehrter Mensch“ zu greizs „schief“, Dkuonis 
„schiefgewachsener Mensch“ zu liks, meZuonis „Wilder“ zu mežs, 
mikstuonis „Weichtier“ zu mîksts, niekuonis „Possenreißer* zu 
nieks, tüumsuonis „Ungebildeter“ zu tumss u.a. Sie stehen alle 
im gleichen Verhältnis zueinander wie griech. orgaßög zu Zrodfon, 
lat. caput zu Capito, got. blinds zu blinda, und sie haben wie die 
Nomina agentis auf -uonis, denen sie ja auch in der Bedeutung 
vielfach gleichkommen, die Länge des Nominativs durch das ganze 
Paradigma durchgeführt. Unten S. 250 werden sich genaue Ent- 
sprechungen aus dem Slav. ergeben. 

Wenn ich also zusammenfasse, so ist das Ergebnis ganz ein- 
deutig. Im ältern Litauischen und heute im Ostlit. und Zem. be- 
steht eine besondere Flexion der n-Stämme von solchen Sub- 
stantiven, die in der Regel Nomina agentis sind. Diesen haben 
sich einige andre angeschlossen, s. ob. S. 234. Überall ist -uo des 
Nom. Sg. durch die ganze Flexion durchgeführt worden, meist 
ist auch der Nom. Sg. auf -uo durch -uonis verdrängt worden. 
In gewissen Texten sind bereits alit. die eigentlichen Nomina 
agentis sehr eingeschränkt und durch andere Bildungen ersetzt 
worden. Nur geluö, das durch seine Bedeutung herausfiel, hat 
sich weithin gehalten. 

Dieser Flexion auf Aë, uončs stehen nun schroff die alten 
-men-Stämme gegenüber, die überall die &-Stufe durch das ganze 
Paradigma durchgeführt haben, also Bildungen mit m vor uo, wie 
augmuö, Zelmuö, tesmuö, akmuö, melmuö, lemuö, piemuö, pjumuö, sé- 
muö, raumuö, stuomuö usw. vanduö, das scheinbar abweicht, ist 
Fortsetzung von ehemaligem *vandor und gehört als alter r/n- 
Stamm nur scheinbar hierher. Es weicht auch bei Daukša und 
sonst dialektisch darin von der Flexion der übrigen n-Stämme 
ab, daß es starre Wurzelbetonung hat. Es widerspricht scheinbar 
auch ruduö „Herbst“ und ma2uö in der Formel ¿š mažeñňs „von 
klein auf“. Beide sind Ableitungen aus Adjektiven, und wie ai. 
svddman- (ntr.), svädmän- (mask.) zu svādú-, varsmän- (ntr.), värs- 
man- (mask.) zu Superlativ varsistha-, dräghmän- zu dirghä-, párī- 
man- zu purú-, varıman- zu urú-, häriman- zu häri-, premän- zu 
präyas, prathimän- zu prthü-, bhūmán- zu bhü-ri (Komp. bhü-yas), 
päpmän- zu päpd-, mahimän- zu máhi u.a. lehren, sind diese Ad- 

Zeitschrift für vergl. Sprachf. LIX 3/4. 16 


242 F. Specht 


jektivabstrakta nach der n-Flexion ehemalige men-Stämme. Aus 
dem Griechischen könnte man an Bildungen wie noixılua zu roi- 
xiAog denken, aber da das Substantiv auch auf noıxlAiw bezogen 
werden kann, bleibt es zweifelhaft. Viel wichtiger ist, daß der 
men-Stamm sich gelegentlich im Baltischen erhalten hat, wie in 
Iygmuö zu lygus. Also gehört ruduö zu rüdas, raüdas und geht 
auf ein *rudmuö zurück '), desgleichen mažuð auf *mažmuð. Ob 
dabei raumuö, ruduö aus einem Paradigma entstanden sind oder 
beide erst zu den Adjektiven radas, rüdas neu gebildet sind, 
läßt sich nicht mit Sicherheit sagen. Bei der stark abweichenden 
Bedeutung ist mir doch das letzte wahrscheinlich. Dann ist auch 
das Verhältnis von apreuß. * maldus in maldunin zu dem n-Stamm 
* malden- aus * maldmen- in maldenikis, altbulg. mladenbco (mladonvco) 
das gleiche wie das von ai. svādú- zu svddman-. Auch aus Weiter- 
bildungen, wie didenýbė, piktenjbe u. a. ist auf alte men-Stämme 
*diduð aus *didmuö, *piktuö aus *piktmuö.zu schließen. Daß neben 
-uo im N. Sg. auch -ë gebräuchlich war, wird sich unten S.252f. 
ergeben. Dann sind auch germ& mit den Ableitungen germenà’), 
gefmenys zu geras, plönmenas zu plönas, störmenas zu stóras (Juskie- 
vič, Wort, I 7035), gelme, gilmd zu gilüs u. a. völlig in Ordnung. 
Unter welchen Bedingungen die Gruppe mn zu n erleichtert 
wurde, ist schwer zu sagen. Ob Joh. Schmidt, Krit. 119 das 
Richtige getroffen hat, bezweifle ich. Man wird mit der Möglich- 
keit rechnen können, daß zu einer Zeit, als noch Bildungen mit 
Schwundstufe mn üblich waren, die Gruppe Konsonant 4 mn zu 
Konsonant + n erleichtert wurde. Vgl. über ähnliche germ. Er- 
scheinungen meine Ausführungen in Festschrift für Voretzsch 
S. 42ff. Aber daneben haben Analogiewirkungen nach dem dazu 
gehörigen Adjektiv, zumal dann, wenn die Zusammengehörigkeit 
zwischen beiden sehr eng empfunden wurde, und nach den Kasus 
mit vollem Suffix -men stark eingewirkt. Auch das Wort dubuö 
in der Bedeutung „Schüssel“, das ich aus der modernen lit. Lek- 
türe kenne und auch in den Wörterbüchern von Niedermann und 
Šlapelis verzeichnet ist, scheint eine moderne Bildung zu dubüs 
zu sein, um das fremde bliädas zu ersetzen. In den Wörter- 
büchern von Kurschat, Nesselmann, Miežinis, Juskievi& und Lalis 
steht es noch nicht. 


1) Schwerlich richtig Brugmann, Gr.? II, 1, 294. 

2) Wie germenà zu geras ist auch mažena aus *mazmena zu mäzas 
in der Formel Wolf. Post. 111a ¿¿ maženas, Dauks. Post. 95s 9616 ¿zg mazenos 
aufzufassen. 


Die Flexion der »-Stämme im Baltisch-Slavischen und Verwandtes. 243 


Fragt man nach den Ausnahmen, so heißt es zwar kirmuö, 
kirmeñs und vielfach auch von dem ähnlichen men-Stamm sarmuö, 
sermuö, Sarmenis, Sermeiis, so Ruhig I 148? 150° H 1918, darnach 
Mielcke I 2712). Wenn ferner Klein, Comp. 34 $ermuö mit van- 
duo, akmuo, stuomuo, liemuo, Zelmuo, augmuo, raumuo, tešmuo, rud- 
duo in einem Atem nennt, so wird man wohl auch auf einen 
Genitiv šermens schließen dürfen. Auch bei Bretke scheint sich 
ein sermenis zu finden, ob. S. 238f. Aber Mielcke I 9718 kennt auch 
ein $armonys, nio (m.) und Būga, a. a. O. 424 führt dazu noch an 
aus Daukantas, Valančius und žem. Mundarten ein šermuonelis, 
Sermüune, Sermünis, wo ü allerdings = uo sein könnte, aus Juškievič’s 
Liedern germünelis und aus An. Šil. 144 und Dusetos $irmuonelis. 
Dieser Tatbestand ist unschwer zu deuten. Die Stammbildung 
erforderte natürlich eine Flexion -muö, meñs, aber als Lebewesen 
stand sermuo den Nomina agentis auf -uö, -uonös nahe. Zudem 
fand es Anschluß an dem andern Tiernamen sirsuo, uones. Für 
die Flexion $ermuo, ens war also die Suffixbildung, für sermuo, 
*_vones die Bedeutung maßgebend. Wenn bei kirmuö das 
Schwanken nicht besteht, so wird es daran liegen, daß bei ihm 
die Bedeutung des Lebewesens stark zurücktritt. 

Dagegen weiß ich nichts zu beginnen mit der Flexion von 
momuö. Kurschat, Lit. Wört. klammert das Wort als ihm unbe- 
kannt ein und erwähnt es auch nicht in der Grammatik. Nach 
Schleicher, Lit. Gr. 130 flektiert es muwomuö, muomenis, nach der 
Univ. 11 momo, momenio, momeniuy. Klein, Gr. 55 nennt muomuo 
in einem Zuge mit šuo, akmuo, vanduo, stuomuo, liemuo, Zelmuo, 
augmuo und rudduo zusammen. Syrvid Diet. (Ip, 23 steht es 
als momuo, aber ohne Genitiv angeführt. Aus alten Texten zeigt 
die Flexion mit en Willent 32, momeni (Akk.), Rhesa 71: momenies, 
68s: muomenimi, Bretke, Ps. 7,17 momenies (G. Sg.). Die übliche 
Form bei Bretke ist aber m(u)oma, os, so Post. II 369, Deut. 28,35 
33,16.20, Reg. II 9,35, Chron. I 11,10, Ps. 68,22, Luk. 23,23. Da- 
gegen ist Sam. II 14,25 ikki momos zu momones korrigiert. Davon 
hat nun auch Ruhig Reste. Zwar heißt es I 90° momuo, ens und 
II 187° 193% 403° muomuo, ens, aber daneben steht I 90° momonys, 
onio II 305° muomonys, onio. Mielcke hat nur II 408? muomonys, 
-nio, I 173° schreibt er momenys. Reichlicher belegt die Flexion 
mit uon- Būga a a. O. 425, so heißt es ostlit. in Dusetos mömuone 
oder ınomuö, mömuoni, in Zem, Mundarten und in Juskievid’s 
Hochzeitsliedern mömüne. Man wird moma vielleicht auf *momnä 


1) 11 2668 fehlt die Angabe des Genitivs. 
16* 


244 F. Specht 


zurückführen müssen. Im übrigen wage ich über die Flexion 
nichts zu sagen, da mir die Etymologie und daher auch die 
Stammbildung unbekannt ist. Schließlich bedarf noch einer Er- 
wähnung das Wort für „Gehirn“, „Mark“ auch „Zahnfleisch“ 
(Schwyzer ob. LVII 260), das als Plurale tantum smägens hie und 
da angesetzt wird. Da hier ein men-Stamm nicht vorliegt, wäre 
die Flexion gar nicht am Platze. Apreuß. heißt das Wort mus- 
geno. Das dem Baltischen am nächsten stehende Slav. hat den 
ö-Stamm mozg3, der durch die Übereinstimmung mit av. mazga- 
und ahd. marg als alt erwiesen wird. Demnach müßte man 
smägens als n-Erweiterung eines &/ö-Stammes ansehen. Dafür 
spricht allein schon, daß in alter Zeit der n-Stamm überhaupt 
kaum belegt ist. Der im Apreuß. überlieferte «-Stamm findet 
sich wieder bei Syrvid Diet. 3 40 dziesla gingivae smagienos, 11®, 
119® smagienos (N. Pl.), Punkt. 1 30329 304. smagl(i)enas (Akk. DL) 
Dazu wird man auch den Gen. Plur. I Lee smagenu rechnen 
müssen. Den ö-Stamm kennt ferner Klein, Gr. 70 smagenos, me- 
dulla, dazu Gebetbuch 95, kaulai smagienu, Ruhig H 1645 sma- 
ganos'). Neben dem -Stamm steht ein 2-Stamm smagines bei 
Ruhig (I 135? H 164 2065 (2 X) 251P 408). Mielcke hat wieder 
genau das gleiche. Auch Kurschat, Lit. W. gibt smägenes und 
'smägines an. Ein smaginai (N.Pl.) ist bei Bretke das übliche 
(Gen. 45,18 = riebuma, Hiob 21,24, Jes. 25,6, Ebr. 4,12), daneben 
aber auch Hes. 24,4 am Rand smaginei, ebenso schreibt Haack 
smaginnei neben -nes®). Syrvid Diet.‘ 294° sub spik w kosciach 
kennt außerdem den i-Stamm smagenis, ähnlich smäginis bei Bezzen- 
berger, Lit. Forsch. 173. Die Wolf. Post. 94%, 214° kennt die Genitive 
smaginy und mit falscher Schreibung im Anlaut 46° Zmageny. 
Durch 828 smaginamus wird auch hier ein alter ö-Stamm sicher 
gestellt. Da die Schwächung von en zu in in Mittelsilben dort 
sehr selten ist, muß man smagen- neben smagin- ansetzen. In 
gleicher Weise weist die dauernde Schreibung mit in bei Bretke 
auf smagin-. Zweideutig ist die Schreibung smagines (N.Pl.) im 


1) So ist für smganos oder singanos zu schreiben. Mielcke hat auch hier 
das unsinnige söinganos übernommen. Von da ist es in das Wörterbuch von 
Nesselmann und weiter mit falscher Auflösung von R. (Ruhig) zu Russ. in das 
von Kurschat gedrungen. 

°) In einem handschriftlich erhaltenen deutsch-litauischen Wörterbuch vom 
Jahre 1728, das in dem litauischen Seminar zu Halle angefertigt worden ist, 
heißt es unter den Stichwörtern: „Gaumen“ Padange, smaginns (wohl für 
smagines verschrieben), „Gehirn“ smagenos, „Hirn“ smagines, „March“ 
smagenos. K.-N. 


Die Flexion der »-Stämme im Baltisch-Slavischen und Verwandtes. 945 


Katech. von 1598 S. 56. Während dort in nur hochlit. ¿ enthalten 
kann, ist bei der Endung -es Länge und Kürze möglich. Es kann 
also entweder e- oder konsonantischer Stamm vorliegen. Wegen 
in ist das erste wahrscheinlich. Auch das Lettische kennt diese 
Buntheit, so smadzenes, smadzenis, smadzeni, smadzines, smadzini, 
smadzini, smaganas, smedzenis (= lit. smegenys). Es hat sich also für 
das Lit.-Lett. eine Stammgestalt smagen-, smagin-, seltener smagan- 
ergeben, an die die Flexion der o, e oder i-Stämme angetreten 
ist. So etwas findet sich bei keinem n-Stamm wieder. smagin-, 
das einer Ableitung von einem £/ö-Stamm mit n-Suffix zu wider- 
sprechen scheint, ist, wie schon Leskien, Nom. 383 hervorgehoben 
hat, nach der Analogie der zahlreichen femininen Stämme auf -ine 
umgebildet worden. Daran kann auch nichts ändern, daß sich viel- 
leicht schon bei Daukša auf Grund von 84, = 115,, 533ı smägeny, 
445; smägiany und 90, = 123, smägenis (Akk. Pl.) ein n-Stamm 
erschließen läßt. Doch widerspricht hier die Betonung den alten 
n-Stämmen. Auch Ruhig führt wenigstens einmal II 206? (= 274» 
Mielcke) ein smägens an. Nach alledem kann der gelegentliche 
Übertritt in die Flexion der n-Stämme erst spät erfolgt sein. Er 
ist ausgegangen vom Gen. Plur. smageny zum Nom. Pl. smagenos, 
der wie akmend aussah. Aber möglich war die Durchführung 
nach den n-Stämmen nur, weil der Singular so gut wie ganz 
fehlte’). Auch das häufige feminine Geschlecht ist bei einem n- 
Stamm etwas Ungewöhnliches (vgl. Verfasser, Syrvid XXIX)9. Da 
also alles im Litauischen gegen alten n-Stamm spricht, kann Ver- 
bindung mit ai. majjdn- nicht möglich sein. Es steht selbst gegen- 
über av. mazga- isoliert, und man wird in ihm wohl eine Nach- 
bildung nach plihön „Milz“, murdhán- „Kopf“ sehen müssen, die 
gleichfalls zum menschlichen Körper in Beziehung stehen. Auch 
an die Neutra ásan- „Blut“, cöksan-, dksan- „Auge“, äsdn „Mund“, 
dosän- „Arm“ sei erinnert, die z. T. selbst erst indische Neubil- 
dungen sein müssen (Debrunner-Wackernagel, Ai. Gr. III 316). 
Andererseits ist abulg. mo&dany (Akk. Pl.) Psalt. Sin. 65:1, für 
eine Flexion der n-Stämme nicht zu verwenden. Das Wort ist 
hier Adjektiv mit gleicher Suffixbildung wie medv zu medens, rog% 
zu roZans (Leskien, Abulg. Gram. 92f.). Auch moždeni (Akk.Pl.), 
mo2dens (Gen. Pl.), die sich in andern ksl. Redaktionen finden, 
brauchen nicht für alte n-Stämme zu sprechen, sondern können 


1) Ruhig II 251b kennt einmal ein smaginne, desgleichen Haack 192b. 
2) Dazu kommt noch Bretke Luk. 19,3 stomenes (N. Pl. fem.) Apok. 1,16 
dvi aömeni (Ebr. 4,12 su dviem asmenim). 


246 F. Specht 


wie lit. smägens erst sekundäre Umbildungen sein. Lehrreich ist 
auch, daß im Apr. neben musgeno in ähnlicher Bedeutung mit 
gleicher Suffixbildung ferner ein strigeno vorhanden ist, das in 
ähnlicher Gestalt auch das Slavische kennt, wie slov. str$en neben 
str2. Vgl. auch Trautmann, Balt. slav. Wort. 290. 

Eine ganz ähnliche Umbildung liegt in kepenos zu köpens 
„Braten“ vor, das Schleicher, Les. notiert. Leskien, Nom. 381 glaubt, 
daß das ganze Wort durch russ. pečenb beeinflußt ist, aber das 
ist nicht einmal nötig‘). Das gleiche Verhältnis wie zwischen 
kepenos zu këpens kehrt wieder in krekena (daneben auch kr&kenas) 
zum Plurale tantum krökens, krekeny (Būga in Juskieviös Wörter- 
buch H 2265). Diese Ableitungen auf -ena (-ana) stehen im Lit. 
in der Regel zum Verbum in Beziehung und haben dann die 
Bedeutung eines Nomen acti, wie kepenà zu kepti, krekenä zu 
(su)kreketi, griuvend (Ruinen) zu griäti, káišena (Hobelspäne) zu 
kaisti (hobeln), puvena zu púti, lüpenos zu lüpti, gyvenà zu abulg. 
Zivg (vgl. lit. gaivinti), žem. dovenà (hochlit. dovanà zu déot u.a. 
Vgl. die Zusammenstellungen bei Leskien, Nom. 382f. und Büga, 
Kalb. 51. Das letzte Beispiel weist auf griech. Bildungen wie ġðovń 
zu fjdouaı (ob. S. 217 Anm. 2) duneydvn’) zu duntyw, Beidvn zu 
lit. gelti. Daß sie irgendwie zu n-Stämmen in Beziehung stehen, 
ist durch nichts zu erweisen. Auch audenis Bretke Act. 27,14 = 
audinis „Nordostwind“* und der aus audenies korrigierte Genitiv 
audenes (Bretke Jes. 34,14) „Marder“, der sonstigem audinë") ent- 
spricht, kommen für alte n-Stämme ernstlich überhaupt nicht in 
Frage. Schließlich sei noch aus Bretke das Wort für den „Fuhr- 
mann“ vesmenas erwähnt (z. B. Sam. 6,3, Reg. I 22,34, Chron. I 
14,7, II 18,33, Jer. 51,21, Hes. 23,6f. 27,27). Leskien, Nom. 418 
verzichtet auf eine Deutung. Das Wort muß durch lett. väsmis 
„Fuder“ (Mancelius 66") mallkasväsmis (ib. 332) beeinflußt sein, 
Ulmann kennt als „Fuhrmann“ ein vesminieks*). Es kommt also 
auch als Gegenbeispiel überhaupt nicht in Frage. 


1) Bretke Lev. 3,10, Tob. 6,6, kennt nur den fem. ä-Stamm, der aber im 
ersten Fall im Akk. Pl. zu kepanus korrigiert ist. 

9) Zu der wechselnden Betonung des Griechischen vgl. Solmsen, Beitr. 52. 

3) Das Wort steht so bei Šlapelis und Niedermann, ist auch Daukantas z. B. 
Darb. 24 10 57u nicht unbekannt. Bezzenberger, Lit. Forsch. nennt audene „Marder“. 

*) Hierher gehören wohl auch ösvezmenti „daraus fortnehmen*, pavezme- 
nusi „heimlich fortgenommen habend“, die Bezzenberger, Lit. Forsch. 197 als 
Entlehnungen von poln. wezme, -wziąć ansieht, und vazmä (Zvingiai) Taut. ir 
Žod. 1 351. Sämtliche Beispiele mit z statt ž entstammen dem niederlit. Sprach- 
gebiet. Man wird daher in ihnen Reflexe des ehemaligen Kurischen sehen müssen. 


Die Flexion der »-Stämme im Baltisch-Slavischen und Verwandtes. 947 


Damit hat die Prüfung der scheinbar widerstrebenden Fälle 
bis auf momuö, wo ich die doppelte Flexion zu erklären außer 
Stande war, ganz eindeutig für das Litauische das Resultat er- 
geben, daß nur die ehemaligen men-Stämme im Genitiv -men(e)s 
haben, die alten en-Stämme hingegen das ö des Nominativs auch 
in den obliquen Kasus, wie -won(e)s durchgeführt haben. Im 
Lettischen sind leichte Verschiebungen eingetreten. Die lit. En- 
dung -uonis ist dort wie im Lit. im wesentlichen auf Nomina 
agentis und Krankheitserscheinungen beschränkt, findet sich aber 
gelegentlich auch außerhalb dieser Bedeutungssphäre, vgl. unten 
S.261ff. Dagegen sind öfter Bildungen von nicht men-Stämmen, 
denen lit. die Flexion -uo, -uones zukam, in die Flexion der men- 
Stämme übergetreten. Ich verweise auf das Material bei End- 
zelin, Lett. Gr. 242f., 321 und hebe daraus hervor sirsenis „Hor- 
nisse“ und zibens „Blitz“. Auch für das Slavische läßt sich eine 
ehemalige ähnliche Verteilung wie für das Litauische nachweisen. 
Die sogenannten n-Stämme haben bei neutralem Geschlecht, wie 
es sich gehört, stets men-Suffix, von den Maskulinen zeigen es 
kamen-, remen-, plamen-, kremen-, Zecken. So bleiben von den 
gebräuchlichsten übrig koren- „Wurzel“, jelen- „Hirsch“, stepen- 
„Stufe“, greben- „Kamm“, presten- „Fingerring“. Davon ist prsten 
deutlich eine ursprünglich adjektivische Ableitung von przstz, je- 
Zeng hat sein Gegenstück in alit. elenis, elnis, griech. lapos, &AAdc. 
Ein reiner „-Stamm läßt sich nur vermuten, in keiner Sprache 
mehr nachweisen. Man könnte mit gleichem Rechte auch von 
einer Erweiterung mittels (e)n- sprechen. Im Altbulg. rechnet 
man das Wort zwar zur konsonantischen Flexion, aber das Alit., 
das sonst konsonantische Flexion. sehr gut bewahrt hat, kennt 
nichts davon, sondern flektiert als ¿o-Stamm. Es wäre daher 
wohl denkbar, daß im Slav. der Akk. jeleno als iö-Stamm, der 
äußerlich zu kamen» stimmte, auch dessen Flexion angenommen 
hat. Das war umso eher möglich, als Vermischungen zwischen 
io- und i-Stämmen nicht selten sind, andrerseits aber ¿i und kon- 
sonantische Stämme in den meisten Kasus übereinstimmen, weit 
mehr als es die in der Grammatik angesetzten Paradigmen auf 
den ersten Blick zeigen können. Schwieriger ist mit stepenb und 
grebenb fertig zu werden. Seiner Bedeutung nach ist stepend 
Verbalsubstantiv und gehört zu einem Verbum *steti aus *stepti, 
das in stgpiti bewahrt ist. Dann könnte man es auf altes * step-men- 
zurückführen, wo in den schwachen Kasus *stepmn- zu *stepn- 
werden konnte, aus dem dann nach Beseitigung der schwachen 


248 F. Specht 


Kasus im Slav. stepen- wurde. Bei grebenv zu greti spricht die 
Bedeutung zwar dagegen, denn man müßte etwa den Sinn „das 
Kratzen oder Gekratzte“ erwarten. Aber eine ganz ähnliche Be- 
deutungsentwicklung liegt vor bei vreteno „Spindel“ zu ai vär- 
tana- „das Drehen“. Trotzdem macht die merkwürdige Überein- 
stimmung zwischen abulg. grebenv zu greti und lat. pecten zu pecto 
die Annahme wahrscheinlich, daß en auch als Suffix eines 
Nomen instrumenti verwandt wurde. Aus ai. ásan- neben dsman 
„Schleuderstein“ (Joh. Schmidt, Krit. 88f.) rasmdn „Riemen“ und 
Neutra wie syüman „Riemen“, särman „Schutz“, däman „Band“, 
ksädman „Vorlegemesser“ u. a., griech. zeiauwv „Tragriemen“ 
geht aber wieder hervor, daß sowohl pecten’) wie grebenv ur- 
sprünglich ein men-Suffix hatten. Russ.-ksl. serssenv fände An- 
knüpfung an lett. sirsenis (s. ob. S. 247), stünde aber im Gegen- 
satz zum Litauischen. Bei korenv weisen die nichtsüdslavischen 
Sprachen auf einen N. Sg. *koren, weshalb ich auf Zubaty, Rocznik 
slawistyczny II, 4 verweise. Hier ist die n-Flexion im N.Sg. 
allerdings nicht zu bezweifeln. Schwieriger ist die Ableitung. 
Die Grundwörter liegen vor in lit. köras „hoher, verwitterter alter 
Baumstumpf“, lett. cers „Strauch“, slav. Gap „Wurzel“, in den 
meisten slav. Sprachen aber „Strauch“. Dazu kommen noch Ab- 
leitungen, wie apr. kirno „Strauch“, lit. kirna „Windbruch, Ge- 
strüpp, Strauchband“. Vgl. auch Meillet BSL. XXIII 85f. Dann 
könnte das Wort ursprünglich heißen „alles, was zum Strauche 
usw. gehört“, d. i. „Wurzel“. Merkwürdig bleibt allerdings die 
o-Abtönung, die doch wohl ein Substantiv *koros voraussetzt. 
Seiner Bedeutung und Bildung nach fände dann kore eine An- 
knüpfung an ein paar gleichfalls sonst isolierten Bildungen des 
Griechischen. Wenn man die Substantiven auf on, die Solmsen, 
Beitr. 116ff. gesammelt hat, überprüft, so sind sie fast samt und 
sonders adjektivisch oder Personenbezeichnungen. Bei Acıynv 
„Flechte* könnte man von der Bedeutung „Lecker“ ausgehen 
(Solmsen a. a. O. 124). Dann bleiben nur, wenn man von den 
etymologisch nicht ganz klaren owAnv und dodınv absieht, win» 
„Hüftknochen“ zu xö4ov und nvgnv „Kern“ zu zmuoós. Auch an 
das gleiche Paar oeéidu zu aölös sei erinnert. Es liegen dann 
wie bei korę zu keras also auch hier Ableitungen von einem ð- 


1) Etwas anders darüber Lommel ob. LIII 309ff., zu dessen Zusammen- 
stellungen mit Z-Erweiterung ich hinzufüge das wohl derselben Sphäre angehörige 
ahd. retexuit (für retexit der Vulgata): widirwiftit (abd. Gloss. I 563»), dazu 
die Substantiva ags. veft, vift, mhd. wift u. a. 


BE Si WT TTT "8 


Die Flexion der »-Stämme im Baltisch-Slavischen und Verwandtes. 949 


Stamm zugrunde, ohne daß der »-Stamm eine Person bezeichnet. 
Altbulg. jesenv, apr. assanis ist deshalb dem Schicksal entgangen, 
als slav. n-Stamm angesprochen zu werden, weil es Femininum 
ist’). Jedenfalls können die vorgeführten Beispiele bis auf korę 
nirgends alte n-Flexion wahrscheinlich machen. Was aber das 
Wichtigste ist, nirgends findet sich bei den slav. n-Stämmen noch 
die Bedeutungskategorie der Nomina agentis, wie sie durch ai. 
rdjä, griech. denywov, lat. praedo, got. nuta, lit. paklaiduo, um je 
ein Exemplar zu nennen, geboten wird. Dafür mußten im Slav. 
ganz andre Formationen eintreten. Daraus ergibt sich schlagend, 
daß die Flexion der sogenannten slav. n-Stämme nur zu der lit. 
Gruppe akmuö stimmt, daß aber die Flexion, die durch lit. palai- 
duo, -uones geboten wird, im Slav. aufgegeben und durch andre 
Bildungen ersetzt ist”). 

Man kann weiter fragen, was aus den paar lit. Bildungen auf 
-uo, -uones im Slav. geworden ist, die nicht Nomina agentis waren. 
Die Antwort darauf gibt das Wort für die „Pferdedrüse“, russ. 
železá, lit. geleZuones. Lit. scheint es Plurale tantum zu sein. Der 
Singular würde geleZuö lauten, der bis auf das mittlere e genau 
einem urslav. *Zelza entspräche. Da es sonst Berührungen zwischen 
n- und ö-Stämmen nicht gibt, so kann *Zelza nur ein vorslav. * gelzö 
fortsetzen. Das Wort lehrt uns also, woran niemand hätte zweifeln 
sollen, daß auslautendes idg. -ð urslav. zu 3 geworden ist, vgl. 
auch N. Akk. Dual der ö-Stämme raba <ð. Ich verweise auch 
auf die Beispiele, die Zubaty, Rocznik slawistyczny H 4 zu- 
sammengestellt hat. Nur ist aruss. sersa nach den Ausführungen 
Leskiens, IF. XX VIII 137£. zu streichen. Um altbulg. -y des Nom. 
Sg., das nur der Suprasliensis kennt, zu erklären, bin ich so alt- 
modisch anzunehmen, daß die daneben stehende Form des Nom. 
Sg. auf on schon vorslav. -s aus andern Bildungen des Nomina- 
Des erhielt und über -öns schließlich zu -y wurde. Für den aber, 
der an solchen Übertragungen von -s zweifelt, verweise ich auf 
die Fälle, die ich schon Stand und Aufgaben der Sprachwiss. 628 
zusammengestellt habe, wie apreuß. kērmens, lett. akmens, wo der 
Stamm en auch in den Nominativ gedrungen ist, altlett. akmuons 
und bei r-Stämmen žem. moters. 

1) Über Versuche dieser Art vgl. Trautmann, Balt.-slav. Wört. 71. 

2) Die Arbeit von Vaillant, „Les noms slaves masculins en on" Slavia IX 
(1930/31) 490ff. kam mir erst während der Korrektur zu Gesicht. Ich kann 
daher auf Einzelheiten nicht mehr eingehen. In dem einen Ergebnis, daß nämlich 


die abulg. Flexion N.Sg. a G.Sg. -ene usw. nur den men-Stämmen zukommt, 
sind wir einig. 


250 F. Specht 


Auf Grund der geschilderten slav. Verhältnisse wird man an- 
nehmen müssen, daß die verschiedene Flexion zwischen n- und 
men-Stämmen, die im Lit. z. T. noch vorliegt, bereits baltisch- 
slavisch gewesen ist. Im Slav. ist dann die Flexion der n-Stämme, 
soweit sie Nomina agentis betraf, durch andre Bildungen ersetzt, 
der Rest fiel lautgesetzlich mit den ä-Stämmen zusammen und 
flektierte wie diese. Auch im Lit. ist mundartlich eine starke Be- 
schränkung der ehemaligen n-Stämme eingetreten. Ob die alten 
n-Stämme auch im Slav. wie im Lit. einst ön durch das ganze 
Paradigma durchgeführt haben, ist von vornherein nicht zu ent- 
scheiden. Doch weisen einige Besonderheiten der Stammbildung 
darauf hin. Bereits Berneker, Slav. etym. W. 372 hat, wenn auch 
zweifelnd, an Zusammenhang zwischen altbulg. orztonp und den 
lit. Bildungen auf -uonis gedacht. Dann muß die Bedeutung 
„Kehle“ sich aus dem Nomen agentis „Schlucker“ entwickelt 
haben. Solche Übergänge sind zahlreich im Sprachleben vor- 
handen. Demnach kann grztanb nur aus dem Akkusativ vorslav. 
*grton,m zu *grtönim erwachsen sein, natürlich zu einer Zeit, als 
der Unterschied zwischen belebten und unbelebten Wesen im 
Slav. noch nicht ausgebildet war. Gerade das auffällige Maskulinum 
macht eine solche Herleitung im höchsten Grade wahrscheinlich. 
Wenn ferner grštanbo so isoliert steht, so wird das dadurch ver- 
ständlich, daß es zu der Zeit, als Nomina agentis auf an durch 
andre Bildungsweisen ersetzt wurden, es diese Bedeutung bereits 
abgestreift hatte. Russ. brjuchán „Dickbauch* zu brjücho, loban 
„Großstirniger* zu lob, zuban „Großzahniger* zu zub, gorlän 
„Schreihals* zu görlo (Miklosich, Stammbild. 124f.) stehen in 
gleichem Verhältnis zueinander wie lat. Naso zu nasus’), Capito 
zu caput usw. Was aus dem Baltischen hierher gehört, ist be- 
reits ob. S. 240f. zur Sprache gekommen. Bei baján „Märchen- 
erzähler“ ist allerdings eine sichere Entscheidung nicht möglich. 
Es könnte auch zur Basis baja- mittels -no-Suffix gebildet sein, 
wie lit. kiutõnas zu kiuto- s. ob. S. 225f. Dagegen ist umrán 
„Toter“ in seiner Analyse wieder ganz eindeutig. Wie orgaßds 
zu Irodßwv, żyaľós zu Juden, pikos zu Diñfwv, got. blinds zu 
blinda verhalten sich ferner die Ableitungen slov. velikan „Riese“ 
zu veliks oder serbische Eigennamen wie Dugan zu dug (= disg), 
Milan zu mil, Zivan zu Ziv. Hier hat bereits Jagié, Archiv f. slav. 
Phil. XXXI 229 auf die genaueren griech. Entsprechungen hin- 
gewiesen. Vondrák, Vgl. slav. Gram.? 1547, Anm. 1 ist wohl ge- 
1 Doch vgl. dazu W. Schulze, Zur Gesch. d. lat. Big. S. 314. 


Die Flexion der »-Stämme im Baltisch-Slavischen und Verwandtes. 251 


neigt ihm zuzustimmen, leitet aber trotzdem 546 diese Bildungen 
auf -an von femininen -Stämmen ab, wie župan% von župa. Das 
wäre der ob. S. 226f, besprochene lit. Typus lavönas, ligonas. Aber 
das stimmt wie im lit. -onas nur für einen Teil der Bildungen. 
Schon bei slav. glavan habe ich trotz glava starke Bedenken. Man 
kann also abschließend sagen: im Slav. finden sich Bildungen auf 
-ans, denen in der Bedeutung außerhalb des Slavischen wie im 
Baltischen Substantiva auf oral entsprechen. Dann kann dieses 
-ans aber nur wieder aus dem obliquen Kasus stammen, in die 
das & des Nom. Sg. übertragen wurde. Ferner muß man bei -anz 
wie bei lit. palaiduonas neben lett. palaiduonis mit einem Über- 
gang in die Flexion der 0-Stämme rechnen. 

Auf eine andre Klasse, in der die konsonantische Flexion 
viel treuer bewahrt ist, hat weiter schon Meillet, Mém. XI 11; 
XIII 251 hingewiesen. Es sind die Volks- und Einwohnernamen 
auf Aus, die im Plural scheinbar ihr Zus") verlieren und kon- 
sonantisch flektieren, wie graždane „Städter* zu yrade. Das Be- 
deutungs- und Bildungsverhältnis ist etwa wieder das gleiche wie 
zwischen doöuos und doduw» oder odgdvıos und Odgaviwv. Nur 
eine Schwierigkeit besteht. Da im Slav. idg. ö mit e das nach 
Palatalen steht, zusammengefallen ist, so läßt sich die Qualität 
des ë nicht sicher feststellen. Meillet setzt es gleich ó und ver- 
gleicht damit lat. centurio. Dann würde graädane in seiner Bil- 
dung unmittelbar lit. palaiduones entsprechen. Da aber neben 
graždane auch Plurale wie Slovne stehen, so könnte auch ein 
vorslav. *gordjenes zu Grunde liegen. Das j würde dann über- 
tragen sein aus Bildungen wie zemljane?) „Landsleute“, das genau 
dem Grundwort zemlja angepaßt ist wie lit. galiünas neben galünas 
dem Präsensstamm gali-. Im letzten Fall würde graädane mit 
Slovene zu lit. Bildungen wie girönas „Waldbewohner* gehören. 
So faßt auch Brugmann, Grundr.” II 1, 308, 318 diese Wörter auf. 
Nur halte ich es für überflüssig, mit ihm girenas erst aus girienas 
herzuleiten. Im Ablaut zu girenas steht vielleicht uzgirronis aus 
Mielcke, ob. S. 239. 

Auch Slovene wie girönas weisen wieder auf Durchführung 
des langen Vokals aus dem Nom. Sg. durch das ganze Paradigma. 
Das hat bereits Brugmann a. a. O. 308 angedeutet. Oben S. 248 
hatte ich auf das russ. und wslav. *koren hingewiesen, wo der 
&-Vokal im Nom. Sg. vorhanden war, vgl. auch Vondrák a. a. O. 


1) Vgl. Grünenthal, Arch. f. slav. Phil. XXXVIII 137í. 
2) Etwas anders Vondrák a. a. O. I 660. 


959 F. Specht 


1543. Das würde einem Nom. Sg. wie griech. Jetzän, -ñvos ent- 
sprechen. Dies 2 ist also in Slovene oder lit. kalnenai genau so 
übertragen wie das a des Nominativs in russ. brjuchan. Nur ist 
in Slovene die konsonantische Flexion noch rein erhalten. Ferner 
stehen nebeneinander ksl. mladenvco, mladonpcv und mladenpev. Die 
beiden ersten sind Ableitungen von einem urslav. *moldmen- s. 
ob. S. 242; mladenvcv setzt ein vorslav. *molden voraus, das sich 
zu *moldos = mlads verhält, wie Irodßwv zu oroaßös. Nur ist 
bei diesen Bildungen im Slav. auch die ¿-Stufe vorhanden. Das 
deckt sich mit dem Griechischen, wo sich Eigennamen auf -yv 
besonders auf dorischem Sprachgebiet finden. Solmsen, Beitr. 116 
denkt an altächäisches Sprachgut. Neben -øn und -5 im Nom. Sg. 
hat es also auch ein an und e gegeben. Auf ein solches - muß 
man Srse neben Sirsuo zurückführen, das mir mit Stoßton aus 
Miknaitiai bei Naumiestis (Suv.) bekannt ist. Darauf hat schon 
Zubaty a. a. O. hingewiesen. Man wird nun auch verpflichtet 
sein überall da, wo im Nom. Sg. -me neben -muo steht, in me die 
Fortsetzung von alten, idg. -mö(n) zu sehen. Trautmann will 
zwar balt.-slav. Wort, 280 ein solches -mē auf ae zurückführen. 
Aber diese an und für sich mögliche Annahme scheitert an dem 
Paar sirsuo — Sirse. Vorhanden ist diese Doppelheit in kirmuö 
neben kiřmė. Der Gen. Sg. kirmes findet sich in kollektiver Be- 
deutung bei Bretke Gen. Lo und ist zu kirmeliy korrigiert"). Bretke, 
Giesm. 102, kennt ferner einen Gen. Sg. lemes, dem bei Seng- 
stock 41 ein liemens entspricht. Hier könnte vielleicht ein Druck- 
fehler vorliegen, denn der Reim dazu nuimts ist ohnehin so 
schlecht, daß er weder für das eine, noch für das andre sicher 
entscheidet. In der Knig. 2541s: steht ferner ein ant piumes neben 
sonstigem pjumenies (z. B. Mald. 5950 7121.25 742.22). Hier habe 
ich mir leider nicht notiert, ob pjumes im Reim steht und durch 
diesen bestätigt wird. Da aber piume in den Pamokstay von 
Jassykiewicz (vgl. darüber Leskien, Nom. 157) wiederkehrt, ist 
mit einem Versehen nicht zu rechnen. Neben almens gibt es 
ferner ein alme, elme, neben straumuo ein sriaume (Trautmann, 
Balt.-slav. W. 280)°). Weiter steht !ygmuö und lygme (oft bei Dau- 


1) Das Verhältnis zwischen kollektivem %ö7me und dem Einzelwesen kirmele 
entspricht dem von got. kaurn zu kaurno, poln. groch zu groszek, čech. kräch 
zu hräsek, W. Schulze ob. XLVI 191, Grünenthal a. a. O. XXXVIII 137f. Über 
das ganze Problem vgl. J. F. Lohmann ob. LVI 37f. LVIII 206ff. 

2) In dem handschriftlichen Deutsch-lit. Wörterb. von 1728 heißt es außerdem 
unter „Länge“ stume = stuome, unter „Manneslänge® stumu = stuomuo. KN. 


Die Flexion der »-Stämme im Baltisch-Slavischen und Verwandtes. 253 


kantas) zu /jgus im gleichen Verhältnis, wie ostlit. dräsme zu 
drüsus, gilme zu gilüs, tankme (bei Daukantas) zu tánkus, smulkme 
(Juskievic, W. II 196° 2440) zu smulkus. Man könnte daher auch 
Bildungen wie lygmenē, piumen® u. a. als alte Umbildungen'') von 
lygme, piume nach den obliquen Kasus ansehen. Jedenfalls zeigen 
Sirse neben sirsuo, kifme neben kirmuö, pjume neben pjumuö, leme(?) 
neben liemuö, sriaume neben straumuo, almë neben almens und 
Ableitungen wie lygmė neben lygmuð, daß auch im Lit. einst im 
Nom. Sg. -&(n) neben -ə(n) vorhanden war. Da dieses d mit dem 
Nom. Sg. der 2-Stämme und den zahlreichen Kontrakta auf 79 
zusammenfiel, so nahm es auch deren Flexion an. Aber daneben 
ist & bei nicht men-Stämmen auch in die obliquen Kasus gedrungen, 
und von hier aus ist dann on in den Nom. Sg. mit Umbildung 
nach den ó-Stšmmen °) zurückgeführt. Derartige Bildungen liegen 
in kalnenas, girönas usw. vor. 

Aus dem eben beschriebenen Tatbestand geht also deutlich 
hervor, daß schon im Baltisch-Slavischen nicht nur die Flexion 
der en- und men-Stämme geschieden war, sondern daß bei den 
en-Stämmen, soweit sie Lebewesen waren, auch die Länge des 
Nominativs als ö durch das ganze Paradigma durchgeführt wurde. 
Aber ebenso muß balt.-slav. neben om) im Nom. Sg. auch ein 
a(n) bestanden haben. Auch dieses ë des Nominativs ist bei den 
en-Stämmen durch das ganze Paradigma durchgeführt worden 
(Slovene, kalnenas). Daneben sind im Litauischen Sirse und die 
men-Stämme vom Nom. Sg. auf -mé aus in die Flexion der e 
Stämme übergegangen. Das war dadurch begünstigt, weil es 
sich bei diesen Bildungen um keine männlichen Lebewesen han- 
delte. Im Slavischen sind die en-Stämme bei Nichtlebewesen vom 
Nom. Sg. auf -a aus in die Flexion der ö-Stämme übergetreten. 
Ich glaube der Schluß ist unvermeidlich, daß es bereits Balt.-Slav. 
eine Flexion Nom. ol, Gen. -önes (und -&(r), -enes) für Lebe- 
wesen, aber -mö, Gen. -menes Lag, -menes und -mē, -mes) für men- 
Stämme gab. Etwas altes kann ich jedoch mit Brugmann, IF. 
XVIII 428 gegen Meillet, Mém. XI 11ff. XII 250f. darin nicht 


1) Die Umbildung wäre ähnlich wie bei vover&, wo aus ostlit. Nom. Pl. 
vóverës Gen. vovery ein Nom. *vově aus *vover zu erschließen ist, d. h. also, 
die Endung des Nominativs ist auf den Stamm der obliquen Kasus aufgepfropft 
worden. Wichtig ist aber pjumene neben pjume auch darum, als es uns zeigt, 
daß auch bei den men-Stämmen, die im Nom. Sg. -mé haben, die Länge des 
Nominativs nicht in die obliquen Kasus gedrungen ist. 

2) Zur Umbildung nach den ö-Stämmen vgl. das bereits ob. S. 236 erwähnte 
palaiduonas für palaiduonis. 


254 F. Specht 


sehen. Es fragt sich nur, ob man auf Grund dieses Tatbestandes 
den Gegensatz der Qualität des Vokalismus zwischen altbulg. 
kamy, kamene und lit. akmuö, akmens so scharf verwenden darf, 
wie es bisher geschehen ist. Ich wenigstens sehe keine Veran- 
lassung, da sich auch al im Nom. Sg. für das Balt.-Slav. nach- 

weisen ließ und das Griech., Lat., Germ. zwischen -ó@) und el 
ebenfalls schwankt, einen Nom: auf -e@) neben -5(n) nicht für 
idg. zu halten. 

Eine besondre Besprechung verdient noch die Betonung der 
lit. en-Stämme. Soweit ich aus meinen Quellen einen Schluß 
ziehen kann, betonen die Substantiva auf -uonis, die im Sg. Oxy- 
tona sind, bei Akzentzurückziehung die vorletzte, wenn die Wurzel- 
silbe kurz ist, dagegen die Wurzelsilbe, wenn diese lang ist. Vgl. 
atajuonis, -atajuöni, Ziniuöni, atlikuönys, atskaluönis (Šlapelis) und 
Atskaluonis, gesuönio (io-Stamm) und ebenso kepuönig. Dagegen 
bei Länge: gyvuonj, länduon; (Nom. Sg. löndounes, Kalvarija), lán- 
kuones, pirmuonj, afitruonys, lieZuon, gelzuont, gJZuoni, grobuoni, 
keikuoni, ¿duoni, Eduonig, mömuonj, tevuoni. Ausnahmen sind selten. 
Ich kenne geluoni neben geluoni und atliekuönj neben gleichbe- 
deutendem atlikuönj. Haben hier die Parallelbildungen die Aus- 
weichungen veranlaßt? Von galuonis, -iës heißt ferner der Akk. 
Sg. gäluonj „ausgelassener Mensch“. Aber hier bezweifle ich, ob 
das Wort überhaupt in diese Gruppe von vornherein gehört. Die 
Bedeutung weist es zu dem Infinitiv galúotis „ausgelassen sein“, 
nicht zu galeti. Dann liegt es aber nahe, es ähnlich wie kiutönas 
zu kiutöti als *galuo-nas zu analysieren, das dann nach den üb- 
lichen Bildungen auf -wonis, mit denen es die Bedeutungssphäre 
teilte, zu galuonis umgebildet wurde. Unklar bleibt mir die Be- 
tonung des 2-Stammes ieskuönes bites bei Šlapelis, die durch die 
gleiche Angabe bei Niedermann bestätigt wird. Aber genau der 
Regel folgt das bei Niedermann nach den :-Stämmen angeführte 
ieskuonis, ies (fem.!). Ostlit. geleZuones, auf das ich unten S. 266 
zurückkomme, neben ge£leZunes, geleZünes, geleZaunes kann als ein- 
ziges viersilbiges Wort einer andern Betonung folgen; Zaliuones 
ist von Büga mit Unrecht hierher gestellt worden, s. u. S. 255. 
Merkwürdig bleibt die Intonation des vo der Mittelsilbe. Man 
sollte Stoßton erwarten. Da ostlit. geleZünes, wo ū nur analogische 
Umbildung für *geleiuones sein kann, die alte Betonung indirekt 
bewahrt hat und das Wort durch seine Bedeutung ganz aus dem 
Rahmen der übrigen Bildungen auf -uonis herausfällt, so wird hier 
etwas Altes vorliegen. Dann muß der Schleifton auf mittelsilbigem 


Die Flexion der »-Stämme im Baltisch-Slavischen und Verwandtes. 255 


uo übertragen sein’). Als Ausgangspunkt kommen die Synonyma 
auf -nas und -@nas”) in Frage, auch das schleiftonige -uo im 
Nom. Sg. mag mitgewirkt haben. 

Mit diesem -uonis, -wone haben nichts zu tun die beiden 
apsaluöne „Glatteis“ und Zdliuones „Gemüse“, das Būga im Ver- 
bande mit atajuonis usw. nennt. Dagegen sollte schon die ab- 
weichende Bedeutung sprechen. Auch der Akzent in Zäliuones 
stimmt nicht dazu. Neben apsaluöne steht :issalveti „ausfrieren“. 
Das Verhältnis der beiden Bildungen zueinander ist das gleiche 
wie das von kalvà zu lat. columen, griech. xoAwvds, xoAwvn u.a., 
s. ob. S. 214. Auch Zäliuones kann ich nicht anders auffassen. 
Trautmann a. a. O. 365 nennt im Anschluß an Būga das Wort 
einen konsonantischen Stamm. Aber dabei bleibt doch auffällig, 
daß Būga a. a. O. 423 den Nom. Plur. wohl als Zdliuones und 24- 
liuonys, den Gen. Plur. aber nur als Zdliuoniy nicht als *Zaliuony 
anführt. Es ist sonst im Lit. üblich, daß die konsonantische 
Flexion am besten im Gen. Plur. erhalten bleibt. Da das Wort 
ostlit. ist und Būga a. a. O. 450 für die gleiche Gegend die Nom. 
Plur. duntes, Zuses, Zveres, Zuves, auses, naktes, Sirdes, gele2es, dures, 
puses, öbeles, vöveres und die dazu gehörigen Gen. Plur. auf a, 
nicht -ių anführt, so kann Zdliuones nur eine Neuerung nach den 
dort gebräuchlichen Nom. Plur. auf -ës sein, indem dies -uones 
den n-Stämmen, deren Flexion auf -uonis, G. Sg. -uones im Ost- 
lit. gleichfalls geläufig ist, mechanisch angeglichen ist. Der Gen. 
Plur. Zäliuoniy spricht entschieden gegen alte konsonantische 
Flexion‘). Nun gehört zu Zälias ein Zelvas, Zalvas, lat. helvus. Man 
könnte diese Bildung als žel + Farbensuffix -uos analysieren. Aber 
es ist auch durchaus die Teilung Zelu-os möglich, dann stimmt 
dazu, wie man längst gesehen hat, der Name der „Schildkröte“, 
ksl. Zely, griech. y&Adg, yedvvn, yeA@vn, aus dem Lit. ferner Zaliake 
„grüner Frosch“, Zalizkas „Mann mit frischen Kräften“, Zaliuöke 
„ein Pilz“ (Būga a. a. O. 425), Zelänas „einer, dessen ganzer 
Körper mit Haaren bewachsen ist“, Zaliüädinis (Būga 452). Es 
liegt nun auch nahe ags. zieloca aus gelukan- hierher zu stellen. 
Aber der Fall ist nicht ganz sicher. Denn wegen got. nagaps, 


1) Auch die oben erwähnten Bildungen wie girenas, kalnenas sprechen 
indirekt für alten Stoßton. 

3) In diesem Zusammenhang sei an die ob. S. 240 angeführten Parallel- 
bildungen, wie palaidünas — palaiduonis erinnert. 

8) Es stimmt allerdings auffällig zu dem Gen. Plur. der Nomina agentis 
auf -uonis bei Daukša, ob. S. 236. 


256 F. Specht 


ags. nacod ist es nicht unmöglich, *gelukan- auch weiter auf *ge- 
luakan- zurückzuführen, vgl. auch Weyhe, P.Br.B. XXXI 45. Es 
ist nicht ausgeschlossen, daß noch manches andre von dem, was 
Büga 424ff. angeführt hat, hierher gehört. Aber es fehlen die 
bestätigenden auswärtigen Parallelen. 

Man hat längst darauf hingewiesen, daß bei den men- 
Stämmen auch noch die alte Abtönung idg. on und a lange be- 
standen haben muß, vgl. Brugmann, Gr.* II 1, 233, Endzelin, Lett. 
Gr. 242f. Dahin weisen Ableitungen, wie ksl. kamönvje neben 
kamenpje, mladinoco neben mladenbco (ob. S. 252), lett. akmins, lett. 
luökmanis „Ellbogen“, lett. &dmana „Speise“ gegenüber lit. ¿dmenë 
u.a. Schwierig ist die Beurteilung von in wie in akmin- in lit., 
besonders Zem. Mundarten. Ich habe früher an einen reinen 
lautlichen Übergang von en zu in in offnen, unbetonten Mittel- 
silben gedacht. Auch Būga, Wort 43? unter äkminas ist der 
gleichen Ansicht. Aber für das Lett. scheint ein dialektischer 
Wandel von en zu in nicht möglich zu sein. Aus altlett. Texten‘) 
ist darüber wenig zu gewinnen, Canisius hat nur en in assens, 
dubbens, udens, desgleichen die Und. Ps. assens, duebbens, sobens 
und Kat. 1586 assens, udens, duebbens. Elger hat zwar udens, 
dibbens, zobens, zibbens, greedzens, melmen-, aber ebenso konsequent 
auch assins, akmins. Mancelius hat udens, ruddens, meilmenes, 
rehmenes, skreemens, sisens neben spillwäns, kohka zirrmäns, ghrä- 
dzäns, awäns, ihläns, pirdäns”), siwäns, kazläns, aber beständig as- 
sins, akmins, asmins, zibbins und Schwanken zwischen dibbins — 
dibbens und zohbens — zohbins®). Über die lett. Dialekte, die häufig 
zwischen en und in schwanken, wage ich nicht zu urteilen. Da 
aber Lett. und Zem. oft zusammengehen, halte ich es für das 
Zem. für sehr wohl möglich, daß einige der üblichen -in- für -en- 
auch alt ererbt sein können. | 

Aber Būga hat Wort, 45° auch Fälle angeführt, wo in žemai- 
tischen Mundarten die konsonantische Endung -mi, -mis unmittelbar 
an den n-Auslaut des n-Stammes ohne das sonst im Balt.-Slav. 
übliche ¿ getreten sein soll. Das ist etwas ganz Ungewöhnliches. 
Seine Beispiele sind akmemis aus einem Zem. Druck des 18. Jahr- 


1) Benutzt habe ich die Neudrucke von Günther, Undeutsche Psalmen und 
Katechismus 1586. 

°) Mühlenbach-Endzelin, lett. Wörterb. führen nur p»irdiens an. Daneben 
stehen mit Länge mitunter vom gleichen Worte awähns, siwähns, zirrzehns 
(Endzelin, Lett. Gr. 221). 

3) Einmal 343 heißt es auch denckaspillwins „Banckpfühl‘. 


Die Flexion der »-Stämme im Baltisch-Slavischen und Verwandtes. 957 


hunderts und vdndemi in adverbieller Bedeutung aus Rietavas, 
dazu aus Bretke akmemis, vandemi und vandeimi, wo ei offenes ë 
vertreten soll. Grundform wäre also *akmen-mis. Die modernen 
žem. Formen, die Būga anführt, sind unantastbar. Die Zurück- 
führung auf *akmen-mis, *vanden-mi muß ich aber ablehnen. Be- 
rufungen auf Formen wie Malda kn. 24ss sesermis, 244, duktermis, 
48,2 po akmis sind nutzlos; denn in ihnen ist ż¿ erst nachträglich 
geschwunden. In der Schrift kommt das nur selten zum Aus- 
druck. Aber die Sprache der Mald. kn. gehört nach Nordost- 
litauen, wo inlautende kurze Silbe öfter unterdrückt wird (vgl. 
lit. Mund. IL 305, Syrvid XLVI. Angenommen n + m wären ur- 
sprünglich zusammengestoßen, so wäre n unter Dehnung ge- 
schwunden, vgl. Zym& aus *Zin-me. Aber en ist im Zemaitischen 
geschlossen ausgesprochen worden, so daß das Ergebnis kein 
vöndemi, sondern nur ein *vöndzmi oder *vöndimi gewesen wäre. 
Aus diesem Dilemma könnte nur die Annahme retten, früher wäre 
en im Zem. offen ausgesprochen worden. Beweisen läßt es sich 
nicht. Denn schon unsere älteste Überlieferung weist auf ge- 
schlossenes en. 

Aber auch die Formen bei Bretke lassen sich nicht damit in 
Einklang bringen. Er kennt sie allein aus der gesamten ali. 
Literatur. Mosvid, Willent und die Wolfenbüttler Postille, die 
ihm sonst vielfach nahe stehen, haben nichts davon. Die Vertei- 
lung ist nun folgende: die Postille hat 3 vandemi, 5 vandeimi, 
6 vandenimi, von denen 139: 17211.15 Insofern nichts beweisen, 
als sie in den Evangelien stehen, vgl. E. Hermann, GGN. 1923, 
119f. Bei Seite bleiben muß auch vandenim 122ıs aus den Lie- 
dern, das ganz abseits steht und nicht Bretke zu gehören braucht. 
Die Bibel kennt 57 mal vandemi. Davon ist Makk. I 15,37 von 
2. Hand zu vandenimi korrigiert. Zu diesen kommen noch Reg. I 
22,27 vademi und Lev. 15,11 vandeme, die für vandemi verschrieben 
sind. Vandeimi findet sich 22mal. Davon ist Makk. I 15,14 von 
2. Hand zu vandenimi korrigiert. Joh. 2,17 steht am Rand dafür 
vandemi und Act. 1,5 ist es im Text zu vandemi geändert. Das 
regelrechte vandenimi steht nur an drei Stellen (Num. 19,20.21; 
31,23). Schließlich gibt es noch 5mal ein vandimi (Reg. I 18,4.13, 
Reg. II 3,20, Hiob 9,30, Thren. 3,48), das an der letzten Stelle 
aus vandiniu korrigiert ist. Dagegen findet sich akmemis nur 
Lev. 20,27, und Num. 14,10 ist ehemaliges akmemis zu akmenimis 
korrigiert. Sonst lautet der Plur. Instr. stets akmeneis, akmenimis 
und akmenemis, wo oft das eine aus dem andern korrigiert ist, 

Zeitschrift für vergl. Sprachf. LIX 3/4. 17 


258 F. Specht 


der Instr. Sg. fast ausschließlich akmenimi. Nur Makk. I 2,36 steht 
akmeniu daneben. Man sieht also, die Verteilung zwischen akmemis 
und vandemi ist ganz verschieden. Während bei Bretke vandemi, 
vandeimi die regelmäßigen Formen sind und vandenimi ganz selten 
ist, bleibt akmemis auf ein einziges Beispiel beschränkt. Daher 
kommt es in den Verdacht, einfache Nachahmung von *vandemis 
zu sein’). Dieser Plural ist sicher so anzusetzen. Wenn er nicht 
belegt ist, so beruht das darauf, daß der Plural „Gewässer“ in 
der Bibel unverhältnismäßig selten ist. Jede Betrachtung hat 
daher in erster Linie von den Unregelmäßigkeiten bei vanduö 
auszugehen. 

Das moderne vöndemi soll nach Būga genau vandeimi ent- 
sprechen, wo ei gleich ë sein soll. Aber die Schreibung ei be- 
deutet bei Bretke nie etwas andres als Diphthong ei. Ein solches 
ei erscheint aber žem. oft als Monophthong e, vgl. &ket = eikit aus 
Rietavas bei Stang, Mosvid 154. Dann könnte vandeimi bei Bretke 
genau vondemi in Rietavas entsprechen, allerdings in ganz andrer 
Weise, als Büga es wollte. Alle diese drei Bildungen vandemi, 
vandimi und vandeimi müssen irgendwie aus vandenimi entstanden 
sein. Die Grundform *vanden-mi, die Büga ansetzt, führt niemals 
zu offnem e, da durch vandinio neben vandenio und zahllose 
andre Beispiele auch für Bretkes Zeit bereits geschlossenes en 
vorausgesetzt wird. Wohl aber fallen vandenimi, vandenimus, van- 
denimis insofern aus dem Paradigma heraus, als sie eine Silbe 
überschießen und Ausfall des ; im Instr. Plur. wegen Länge im 
Zem. nur selten möglich war. Dazu kommt die Aufeinanderfolge 
dreier Nasale. Ich glaube daher, daß in vandenimi usw. Silben- 
angleichung an vandenio, vandeniui usw. auf zweierlei Weise ver- 
sucht wird. Erstens schwand das zweite n dissimilatorisch. Das 
ergab vandeimi. Das Wort fiel natürlich völlig aus dem sonstigen 
Paradigma heraus. Daher hat sich das moderne vöndemi auch 
nur noch im adverbiellen Gebrauch erhalten. Der Ausgleichstrieb 
führte wieder von neuem zu vandenimi’). Die zweite Art der 
Dissimilation, die man Silbenschichtung zu nennen pflegt, war 
gründlicher, indem von den beiden aufeinander folgenden Silben 
an und en die zweite ganz unterdrückt wurde. Das Ergebnis 
war zunächst vandimi. Da aber sonst im Paradigma auf d in 


1) Bei Daukša gehen vanduo und akmuo auch darin zusammen, daß sie 
beide starren Akzent auf der Wurzel haben. 

2) Der Instr. vandeniu, der die ganze Umbildung vermieden hätte, war 
bei Bretke nicht üblich. 


Die Flexion der »-Stämme im Baltisch-Slavischen und Verwandtes. 259 


der Regel e folgte, so trat natürlich vandemi daneben. Auf diese 
Weise erklären sich vandeimi, vandemi und vandimi ganz unge- 
zwungen. Der Plural *vandemis ıst dann auch gelegentlich der 
Silbengleichheit wegen auf akmemis übertragen worden. Aber 
sehr lebensfähig ist diese Bildung, da der Dissimilationstrieb fehlte, 
nicht geworden. Irgend ein Anlaß, eine Form *vanden-mi, die 
im Balt.-Slav. ihresgleichen sucht, anzusetzen, besteht also nicht. 

Da die Bedeutung der Substantiva auf -uo (-wonis) im wesent- 
lichen die der Nomina agentis war, so wurden sie mit den gleich- 
wertigen Bildungen auf -znas assoziert, und aus dem Nebenein- 
ander von -uonis und -ünas ist dann, wie bereits ob. S. 251 be- 
merkt, ein -uonas entsprossen. Eine große Verbreitung hat das 
Suffix allerdings nicht gewonnen. Būga, a.a.O. 421, 450 nennt 
palaiduonas, Sum. 211» Akk. Plur. paviduonus und aus Vadökliai 
den Eigennamen Kelmuonas, der ein Bruch mit Baumstämmen 
bezeichnet. Aber, da das Wort in der Bedeutung völlig abweicht, 
ist es wohl als -no-Bildung von der in kelmüoties vorliegenden 
Basis kelmuo- anzusehen. Dazu kommt aus Bretke Jer. 10,18 vel- 
duonus (Akk. Pl.), Post. I 122,» kleiduonas, das oben S. 239 ge- 
nannte aguonas in abweichender Bedeutung und aus Slapelis 
atskaluönas. Būga a.a. 0.449 sucht den Gegensatz palaiduonas 
— palaidūnas im griech. gioun — xeAüvn wieder. Davon kann 
nach der oben ausgeführten Analyse keine Rede sein. Ebenso 
wenig kann man -uonas als unmittelbare Weiterentwicklung aus 
dem Nom. Sg. auf -uo ansehen. Die Berufung auf griech. dywvog 
Alkaios frg. Bgk. 121 aus dyw» hilft bei der Seltenheit dieser 
Bildung nicht viel. 

Ich habe bisher die lettischen Verhältnisse absichtlich fast 
ganz aus dem Spiele gelassen. Sie geben eine Bestätigung des 
Vorhergehenden und vielfach eine willkommene Ergänzung. Das 
Lettische hat zahllose Bildungen auf -uonis, -uons') zunächst in 
der Bedeutung von Nomina agentis, zu denen ich auch die Ab- 
leitungen von Nomina rechne (ob. S. 240f.), daneben lassen sich 
noch andere Bedeutungsgruppen herausschälen. Neben -won(t)s 
steht nun oft in gleicher Bedeutung -uońa sowohl für Maskulinum, 
als auch für Femininum. Auch diese Bildung kann Nomen agentis 
sein, drückt aber noch häufiger jede Art des Geräusches aus. 
Litauisches -uwonia ist ganz vereinzelt. Būga a.a. O. 450 führt 
aus Leipalingis (Seinų apskr., also ganz im Süden) ein &duonia 

1) Das Material habe ich meist dem Wörterbuch von Mühlenbach-Endzelin 


entnommen. 
17* 


260 F. Specht 


an, das „Fresser* bedeutet, also gut zum Lettischen stimmt, da- 
neben aus Tverečius ein kepuonid, -iös, Akk. Sg. kepuönig in der 
Bedeutung „Hitze“. Auch dafür werden sich im Lett. Bedeutungs- 
verwandte finden. Es bleibt an und für sich gleichgültig, wie 
man lett. -uońa, das nicht Nomen agentis ist, deuten will. End- 
zelin, Lett. Gr. 241 neigt dazu, in -wona alte Nomina actionis zu 
sehen, aus denen heraus sich erst die Bedeutung des Nomen 
agentis entwickelt hat. Ich glaube nicht daran und würde für 
viele Fälle den umgekehrten Weg einschlagen (vgl. Kretschmer, 
Glo. XIII 101; W. Havers mit Literatur Wort, u. Sach. XII 163; 
H. Güntert, Grundfragen 53; Schwyzer, Rhein. Mus. LXXVI 438 
Anm. 2). So heißt lett. kratitäjs nicht bloß „Schüttler“, sondern 
auch „Fieberfrost“. Dazu stimmt sörpuona „Schauder, Fieber- 
kälte“, das auch als Plurale tantum serpuoni zum Sg. -uonis sich 
findet, dazu drebuoni „Schauder“ neben drebuona „Schauder, un- 
ruhiger Mensch“, sefmuoni „Grauen, Schauder“, saukuon(i)s 
„Schauder“, salkuonis (und -uona) „Gebrause, Schauder“, kra- 
tuona „Schütteln“. Bemerkenswert bleibt noch, daß sich das 
Lettische sehr dadurch vom Litauischen unterscheidet, daß in ihm 
Nomina auf -a, die männliche lebende Wesen bezeichnen, außer- 
ordentlich verbreitet sind. Daher ist der Gebrauch von -uora als 
Nomen agentis gar nicht weiter auffällig. Ich nenne folgende, 
neben denen sich oft in gleicher Bedeutung ein -uon(i)s findet. 
Während zu -uonis aber das Femininum -uone lautet, gilt -uona für 
beide Geschlechter: bizuona „Herumtreiber*, bländuona (-uonis) 
„Vagabund“, briösmuona (-uonis) „Wüterich*, dauzuona (-uonis) 
„Raufbold*, derguona „ein Ekel erregender Mensch“, drebuona 
„unruhiger Mensch, Zittern“ `), eduora „Essender“, in der Be- 
deutung „zänkischer Mensch“ auch -uonis, gräbstuona „diebischer 
Mensch“, guluöra „einer, der viel schläft“, iguona (-uonis) „Saum- 
seliger“, irguona „Spötter“, iztapuońa „Kriecher“, ?kstuona „wei- 
nerliche Person (-uonis = lässiger Mensch)“, kaucuona „Heulender, 
Geheul“, kaakuöna „Schreihals, Geheul*, klaiduöna (-uonis) „Vaga- 
bund“, kulduona „Nimmersatt“, kulstuona „Herumtreiberin“ (nur 
Femininum bekannt), kvêpuońa „schmutzige Person, Ort, wo es 
qualmt“, miguona „Schlafmütze“ (persönlich), miegstuora „auf- 
dringlicher Mensch“, mülsuona (-uonis) „Konfusionsrat, Verwirrung“, 
murduona „Murmler, Murmeln“, mùrguońa (-uonis) „Träumer“, 
ne(nüo)veluora „Mißgünstiger“, pasutuona „betrunkene Person“, 
peîguońa „unzuverlässiger Mensch“, piäkstuona „weinerliches 
1) Der Nom. Plur. drebuon’i zu *drebuonis heißt nur „Zittern“. 


Die Flexion der »-Stämme im Baltisch-Slavischen und Verwandtes. 261 


Kind“, pinkskuona „weinerliches Kind, Weinen ohne Grund“, 
plêsuońa (-uonis) „Raufbold“, pluosuora (-uonis) „Unartiger, Lärm“, 
raduona (Fem.) „Verwandte“, reibuona (-uonis) „Betrunkener, 
„Schwindel“, rijuora „Gefräßiger“, riöbuona „Widerlicher, Ekel“, 
skrabuona „wer rasselt, Rasseln“, slaikstuora, slaistuona (-uonis) 
„Herumtreiber“, slapuona „Kind, das oft die Wäsche näßt, Nässe“ 
u. a., släpstuona „der sich verbirgt, der immer durstig ist“, spär- 
duona „der mit den Füßen heftig ausschlägt“, spekuona (-uonis) 
„Starker“, spräguora (-uonis) „fauler, ungeschickter Mensch“, 
striduona (-uonis) „Streitsüchtiger“, stulbuona „Kurzsichtiger “ 
(verächtlich), stuwöstuora „Stammler“, sveluona (-uonis) „Jähzorniger 
oder schnell arbeitender Mensch“, svepuona „einer, mit dem es 
bergab geht“, sKetuona „wer zu zanken liebt“, tiepuona (-wonis) 
„streitsüchtiger Mensch“, uokstuona (-uonis) „Suchbiene“, urduona 
(urda), urguora „Antreiber“. 

Da manche dieser Nomina agentis auch Nomina actionis sein 
können, wie kaucuona „Heulende, Geheul“ "1, drebuora „unruhiger 
Mensch, Zittern“, kaukuöna „Schreihals, Geheul“, murduona 
„Murmler, Murmeln“, pijkskuona „weinerliches Kind, Weinen 
ohne Grund“, pluosuona „Unartiger, Lärm“, reibuona „Betrunkner, 
Schwindel“, wokstuona (-wonis) „Suchbiene, Ausschnüffeln“, so 
liegt es nahe die vielen andern Substantiva auf -woña, die ein 
Geräusch jeder Art bezeichnen, gleichfalls als ursprüngliche No- 
mina agentis anzusehen. Da bei Endzelin, Lett. Gr. 241 diese 
Bedeutungssphäre von -uońa nicht deutlich herauskommt, so führe 
ich das Material an: baksuona „Lärm beim Fallen ins Wasser“, 
blauiguona „Knattern“, blaukuora, brekuona „Geschrei“, briksuona, 
briskuona „Krachen“, čaluońa „Geplätscher“, carkstuona „Rau- 
schen“, Caukstuona „Rascheln“, Cirkstuona, Eirpstuona „anhalten- 
des Gezwitscher“, C7kstuona „andauerndes Knarren“, čīkuońa 
„Geräusch“, Cukstuona „Geflüster“, dimduona (-wonis) „Dröhnen“, 
dipuona „Getrampel*, drabuona „Getöse*, drebuora (-uońi) „Zit- 
tern“, dunuona „Getöse“, dukuona (-uoni) „Brausen“, derkstuona 
„Geknarre*, džinkstuońa „Klingen“, gauduona „Geheul“, gärkstuona 
„Geräusch“, grabuona „Rascheln“, kaucuora (-uonis), kaukuöna 
„Geheul“, klabuora „Geklapper“, klaŭdzuońa „starkes Gepolter“, 
klinksuona „Klingen“, klieguona „Geschrei“, kruduona „großes 
Gekreisch“, kräkuona „gewaltiges Krächzen“, kurnuora „Murren“, 

1) Nach den Angaben bei Mühlenbach-Endzelin ist kaucuon'a Nomen 


agentis und Nomen actionis, kaucuonis oder Plural kaucuon’i bedeutet dagegen 
nur „Geheul*, 


962 F. Specht 


kvärkstuona „gewaltiges Quarren“, kērcuońa „furchtbares Ge- 
kreisch“, mülduona (-uonis) „Geschwätz“, murduona „Murmeln“, 
nauksuona „Knistern“, ńārvuońa, nerksuona „Lärm“, ńurduońa 
„Gebrumme*, nuruona „Gemurmel“, piikskuona „Weinen ohne 
Grund“, pinksuona „klägliches Weinen“, pikstuora „Gepiepe*, 
plauksuona „Applaus“, plerksuona, pluosuona (-uonis) „Lärm“, 
plerkskuona „Geplärr“, ribuona „Lärm“, rücuona, rükuona (-wonis) 
„Brausen“, sanuora „Summen“, secuona „Ächzen“, skanuona 
„Schall“, skrabuona „Rasseln“, spiedzuona „Aurchdringendes 
Schreien“, spreguona „Prasseln*, sälkuöna (-uonis) „Gebrause*, 
Skinduona „Klingen“, sl’akstuona „Plätschern*, sl’akstuona (-uonis) 
„klatschender Schall“, smiukstuona, smikstuona „Klatschen“, šńđ- 
kuona „Schnauben“, snukstuona „Schnucken“, sursuona „Rauschen“, 
Svirkstuona „Geschwirre“, svikstuora (-uons), Svikuona „Geräusch“, 
tirkskuona „Schnarren“, trikuona (-uons) „Skandal“, urdzuona 
„Rauschen vom fließenden Wasser“, urkskuona „Gegrunze“, 
urkuöna „Lärm“, akuona „undeutliches Geräusch“, zvanuona „Ge- 
läute*. Neben -uora steht oft bloßes Substantiv auf 3. wie 
breka, čala, dimda, drebas, duna, gauda, kauca, kaqka, klabas, 
knada, kurnas, mülda, pluosa, riba, sawa, skana, Salka, Skinda, 
ñaka, trika. Aber gelegentlich ist auch das Substantiv auf -a 
Nomen agentis, während diese Bedeutung der entsprechenden 
Bildung auf -uońa fehlt, wie bl’auka „Schreihals“, ńura „Murr- 
kopf“, plauksa „Klatschbase“, räka „brummiger Mensch“, sräka 
„Schnauben und einer, der durch die Nase spricht“. 

Ferner heißt kvöpuona „schmutzige Person; Ort, wo es 
qualmt“, riebuona „Widerlicher, Ekel, Schmutz“, sveluona „jäh- 
zorniger Mensch, Hitze“'). Dazu vergleiche man wieder dümuona 
„Rauchmasse“, rägstuona „Rauch“, sutuona „Dünste“, sviduona 
„Schwitzen“, tirpuora „Schauder“, tvikuona Schwulen, Neben 
Krankheitserscheinungen auf -uonis (Brugmann, Gr.” II, 1, 638), 
wie aüguön(i)s „Geschwür“, diluön(i)s „auszehrende Krankheit“, 
&duonis „Haarwurm“, griezuonis „Drehkrankheit“, g‘eibuonis 
„Schwindel“, g’eluöns (jeluons) „Sodbrennen“, kaltuonis „Aus- 
zehrung*, kafs(t)uonis, kafsuöns „Fieber“, matruonis, matuonis 
„Haarwurm“, meimuonis „Dusel“, milzuöns „Geschwulst“, màl- 
duönis „Fieberphantasie (Flunkrer)“, niezuons „Krätze“, nzkuonis 
» Verderben (Hinsiechender)*, piluonis „Blutgeschwür“, pusg‘ibuo- 

1) Vgl. dazu sutuonis (-uon’a) „heißes, schwüles Wetter“. Es kann aber 


auch an die unten genannten Wörter für Witterungserscheinungen angeschlossen 
werden. 


Die Flexion der »-Stämme im Baltisch-Slavischen und Verwandtes. 263 


nis, pusreibuonis „halber Schwindel“, reibuönis „Schwindel“, sir- 
guons „Krankheit“, släpuonis „Ohnmacht“, smakuoni „Atemnot“, 
tirpuonis „Erstarrung“* gibt es auf -uona niezuona „Krätze*, 
smelkuona „anhaltender Schmerz“, tirpuona „Erstarrung“, reibuońa 
„Schwindel“, das außerdem noch die Bedeutung eines Nomen 
agentis „einer, der immer betrunken ist“ haben kann. 

Man wird auch in den übrigen Fällen bei -uońa vielfach mit 
ursprünglichem Nomen agentis rechnen müssen. Ich gruppiere 
nach Bedeutungen: Witterungserscheinungen mirkuona „an- 
dauerndes Regenwetter“, smirkuona „feuchtes Wetter“, $kaiduona 
(-uonis), Skiduona (-uonis), infl. m’eikstane = mikstuone „Tauwetter“, 
spalguona, spelguona (-uonis), sperguona, spröguona (-uonis) „heftiger 
Frost, kaltes Wetter“, sT’akuora „Guß“, makuóña (-uonis) „Wolke“, 
slapuona „Kind, das oft die Wäsche näßt, Nässe, nasses Wetter, 
feuchter Boden“. Die letzte Bedeutung leitet zu folgender Gruppe 
über: likstuona „sumpfige Stelle“, tekuora „Stelle, wo immer 
Wasser fließt“, slapuona „Nässe“, straiguöna, strieguona (-uonis) 
„eine morastige Stelle“. Von den Substantiven auf -uonis ge- 
hören hierher außer denen schon in Klammer genannten: atku- 
suonis „Tauwetter*, murduonis „sumpfige Stelle“, plüduonis 
„Überschwemmung‘“, saltuonis „Frost“, spreguonis „durchdringende 
Kälte“, staiguonis, stiguonis, streguonis, striguonis „Aurchschießender 
Sumpf“, snäkuonis „Unwetter“. Daß gelegentlich -uońa auch 
ganz andrer Herkunft sein kann, lehrt saluona (-uonis) „Frost“, 
das von lit. apsaluöne ob. S. 255 nicht getrennt werden darf. An 
und für sich ist es nicht unmöglich, daß bedeutungsverwandte 
Wörter wie die eben genannten diesem nachgebildet und von 
den oben behandelten Witterungserscheinungen zu trennen sind. 
So bleiben übrig etwa deguöna „Eile, Eifer“, jutuońa „Stim- 
mung“, milzuona „große Menge“, nikuonas (-uonis) „Ruinen“, 
rirbuona „Geflimmer*, »retdiluona „Mittel gegen Schwindsucht‘“, 
slüuduona (-uonis), Slakuona „Gletscher“, smalkuora „Abfall“, smif- 
duona „Gestank“, snieguora (-uonis) „Schneegipfel*, spaiduona 
(-uonis) „Druck“, spiguona „durchbohrter Holzpflock“, spulguöna 
„ Widerschein, Abglanz“'). Darunter sind eine Reihe ganz moderner 
Wörter, die die Lebenskraft dieser Bildungen im heutigen Letti- 
schen veranschaulichen. 

Ich glaube daher, man wird mit der Annahme kaum irre 
gehen, daß ein großer Teil der Bildungen auf -uonis und -uońa 


1) Vgl. auch die Neubildung »l’autuoni (Lok.) „im Mähen“ für pl’autana, 
Endzelin, Lett. Gram. 241. 


264 F. Specht 


auch da, wo die heutige Bedeutung nicht mehr recht stimmen 
will, auf Nomina agentis zurückgeht. Vorbilder, in denen die 
ehemaligen Nomina agentis diese Bedeutung ablegten, gab es 
genug. Da aber die ganze Bildungsweise heute außerordentlich 
lebendig ist, so geht es natürlich nicht an, in jedem einzeln Wort, 
das nicht Nomen agentis ist, diese Bedeutung noch aufspüren zu 
wollen. Dazu gab es viel zu viel Muster, nach denen ein solches 
Wort, ohne den Bedeutungsumweg über das Nomen agentis ge- 
bildet werden konnte. Da außerdem die Substantiva auf -uonis 
und -vora in allen ihren Bedeutungsschattierungen vollständig 
übereinstimmen und von den gleichen Stämmen oft beide Bil- 
dungen möglich sind, so geht es nicht an, beide Suffixe ver- 
schieden erklären zu wollen. Lett. -won(i)s stammt wie das viel 
seltnere lit. -wonis sicherlich von den n-Stämmen. Da, wie bereits 
oben bemerkt, im Lett. Substantiva auf -a, die eine männliche 
Person bezeichnen, ganz gewöhnlich sind, so hat für -wonis auch 
-uońa eintreten können. Litauisch hat sich -uonia nur an der 
Peripherie des Sprachgebietes erhalten. 

Dagegen gibt es im Lettischen das Suffix -Znas, äng in der 
Bedeutung eines Nomen agentis kaum. Was ich im weitesten 
Sinne dafür anführen kann, ist piekūns „Wanderfalke“, klabzna 
„Plaudertasche* neben klabunes „loses Maul“, klabuora „Geplap- 
per“ zu klabet, kratuna „Ausgelassener“ neben kratuona „Schüt- 
teln“, kalpune „Magd“ neben kalpuöne, kalpaune, bricuna „un- 
ruhiges Kind“. Dazu kommt noch sirsänis. Fernzubleiben hat 
wohl melkunis „Leugner“ (vgl. Endzelin Wort) Man muß außer- 
dem mit der Möglichkeit rechnen, daß manches der Wörter auf 
hochlett. Aufzeichnung beruht und dann für An nicht in Frage 
kommt. Jedenfalls ist deutlich, daß sich im Lettischen im Gegen- 
satz zum Lit. und apreuß. waldäns ein Maskulinum zu -zne nicht 
entwickelt hat. Dafür traten ganz die Nomina agentis auf -uonis, 
-uona ein. Das hat dann selbst dazu geführt, daß sogar ein -zn-, 
das zu alten -Stämmen gehörte, neben am) ein uo(n) erzeugte. 
Man muß sagen, daß in diesem Falle lett. vor) das übliche ge- 
worden ist und (n) meist nur noch dialektisch erscheint. Ich 
nenne perkuöns neben perküns, virsuone, virsuonis neben virsäne, 
darnach galuone neben galäne, auch dlkuonis neben elkūne (dial. 
auküne) wird hierher zu rechnen sein; ferner peluode neben peläde, 
salduoksne neben saldüksne Bezeichnung für den „Vogelbeerbaum“ 
(vgl. Endzelin, Lett. Gr. 234f.). Endzelin, Lett. Gram. 240, der 
in solchen Fällen alten Ablaut sehen will, kann ich nicht bei- 


Die Flexion der »-Stämme im Baltisch-Slavischen und Verwandtes. 265 


stimmen. Selbst auf Fremdwörter hat diese Neubildung über- 
gegriffen, wie kartüns neben kartuöns „Kattun“, bizüne neben 
bizuons „Peitsche“, kalpune neben kalpuöne. Noch deutlicher ist 
der Gegensatz bei dem Nomen agentis Satuons „Herumtreiber“ 
aus russ. Satin, wo wohl wegen der Bedeutung als Nomen agentis 
ein *satuns gar nicht vorhanden ist. Allerdings wird auch sonst 
russ. w in lett. Lehnwörtern durch uo wiedergegeben (vgl. Būga 
a. a. 0.447). Selbst zu kurzem š ist vo neu dazu gebildet worden, 
wie galuokne aus galuotne zu galutne, deguons zu deguns, beguones 
„kleine Fichte“ neben beguns, begune. Das Wenige, was ich sonst 
an Bildungen mit ün noch nennen kann, gehört weder zu den 
Nomina agentis, noch zu den A Stëmmen und ist z. T. entlehnt 
aus andern Sprachen: ceküna (neben ceguna) „Schopf“, kapüna 
„Frosch als Köder“, likunas, mikunas „Verdingungstag“ neben 
mikuonis, mikuona. 

Auch im Altlettischen herrscht schon der gleiche Zustand, 
scheinbare Bildungen auf -zn-, wie bei Mancelius kallkunis „Puter“, 
kappunis „Kappaun“, basune „Posaune“, allune „Alaun“ sind Fremd- 
wörter. Und. Ps. und Kat. sagen noch kalpune neben maskulinem 
kalps, Elger hat dafür kalpuna, Canisius kalpo(e)n, Mancelius hat 
schon kallpone, ällkohns, pährkohns'). 

Da das Zemaitische dem Lettischen am nächsten steht, so 
könnte man ähnliche Umbildungen auch dort vermuten. Auf Zem. 
virsuone, das genau zu lett. virsuone stimmt, habe ich bereits 
Stand und Aufgab. der Sprachw. 627 hingewiesen“). Būga a. a. O. 
425 führt ferner aus Settegasts Bienenbuch ein gallones = galuones 
an. In Daukantas’ Übersetzung steht 44 ein virsoniej (Lok.) aulo, 
das nur einem hochlit. virsuoneje entsprechen könnte. Vgl. auch 
49 die Schreibung lapotus neben 38 lapoutomis. Daukantas’ darb. 
35 hat ferner ein perkounouy (Dat.), das einem hochlit. perkuonui 
entsprechen würde. Da es dort aber sonst immer perkunas heißt, 
so ist Schreibfehler nicht ganz ausgeschlossen. Nicht hierhin 
gehört der Gegensatz zwischen Zem. virsuojis und hochlit. virsujis, 
wie ich unten S. 269ff. zeigen werde. 

Am auffälligsten bleibt aber, daß das Lett. zu diesen Bil- 
dungen auf -zn-, -uon- zuweilen auch noch ein -aun- zeigt. So 
steht neben elkäne, elkuonis ein hochlett. alkaune, neben perküns, 
perkuons ein perkaune, neben perkuones „Hederich“ ein perkaunes, 

1) Kat. 1586 1222 muerrunnes steht wohl für -ones, denn so heißt es 


sonst stets altlett. S 
2) Büga, Taut. ir Zod 1353 sieht allerdings darin nur eine Schreibmarotte. 


266 F. Specht 


neben virsüne, virsuone ein virsaune, und darnach ist sogar zu 
dem aus dem Deutschen entlebnten Synonymum spice ein spi- 
caune gebildet. Bei Nomina agentis ist -aune selten. Ich nenne 
kalpaune neben kalpüne, kalpuöne. Hier kann au gleichfalls nicht 
alt sein, da kalp- erst aus slav. *cholp- entlehnt ist. Ferner grie- 
zaune „Verführerin, liederliches Frauenzimmer“. Vielleicht liegt 
dies -aune auch vor in Weiterbildungen wie spardaunica, spär- 
dauniece (aber auch spertavnica, spertuvnica) neben spärduonis, 
spärduona, in stikaunietis „geriebener Mensch“ zu stiķis, stukaunieks 
„plitfiger Betrüger“, stuka „Arglist“ zu mnd. stucke, grieztaunica 
„eine, die sich hin und her dreht“. Der Bedeutung des Nomen 
agentis steht fern pirkstaunieks „Fingerhandschuh“ neben pirk- 
stuone oder biezaunice „etwas dickes“ neben biezuoknis „Dickicht“. 

Wie lettisch außerdem neben bloßem o in der Ableitung ein 
uo steht, so findet sich weiter daneben in gleicher Weise ein 
au, z. B. cermauksis „Wiesel* neben cermuoksis, cermulis, oder 
sermauksis neben sermuolitis, sermulis (Mancelius 276 särrmulis), 
wo dem Lit. die Stufe mit au wieder ganz fehlt. Ferner cör- 
maüksa, cermaüksis, sermauksis „Eberesche“ neben cermuoksis, 
cermüksa, sermuökslis u. a., wo im Lit. wieder nur Formen mit u 
vorhanden sind, vgl. sermüksne (K. L. D.), $ermüksnis (Bar. I 328,) 
oder sermuksnius (Akk. Pl.) Daukantas’ bitt. kn. 25. Bei dzenaukste 
„Riemen“ neben dzenuöska, dzenuska fehlt die lit. Entsprechung, 
bei dzerauksnis neben dzeruöklis, dzeruoksnis, dzerükslis gegenüber 
lit. geruokstas, žem. gerükstis wieder die au-Stufe. 

Auch hier ist der Ablaut -wo-, -au- ganz mechanisch weiter 
gebildet worden. Das zeigen z. B. iguonis, das zu igaunis (and. 
schaft Ugaunia) neu geschaffen worden ist, oder Rkuopa zu Rkawps 
aus Deutschem „Leihkauf“. Weitere Beispiele für den Wechsel 
-uot-, -aut- stellt Endzelin, Lett. Gr. 287 zusammen, ebd. 274 
erwähnt er das Paar garuöza und garaüza „Brotkruste“. Schließ- 
lich kehrt der gleiche Gegensatz auch in Ortsnamen wieder, z.B. 
Balduone, Platuone oder Bērzaune, Bigauri (Endzelin, a. a. O. 235, 
240). Das Litauische zeigt von diesen Gegensätzen nur sehr ge- 
ringe Spuren. Was ich namhaft machen kann, ist das bereits 
ob. S. 254 genannte geleZaunes neben geleZuones, geleZünes (Jūžintai), 
geleZünes (Dusetos) (Būga, Russkij Filol. Věstn. LXVII 249), das 
wie ëduonia aus Leipalingis stammt, und galautinis statt galutinis, 
das Jablonskis, Juškievičs Wort, I 405° 698° aus Panevėžys an- 
führt und auch Šlapelis kennt. Dies galautinis setzt von Rechts- 
wegen ein *viršautinis voraus. Nichts will lit. medauničiomis 


Die Flexion der »-Stämme im Baltisch-Slavischen und Verwandtes. 267 


(Daukantas, Bitt. kn. prak. II) besagen. Es bedeutet eine Schenke, 
-in der „Honigbier* getrunken wird. Da medus alter u-Stamm 
ist, so könnte man den Gedanken hegen, in medau- die vollere 
Stufe zu sehen. Aber das geht nicht an; medaunidia hat wie 
pustaunica neben sonstigem pustavnica, vynaunidia und turgau- 
ničia (neben turgavicia Bretke Hesek. 27, 13.24) aus Bretke') die 
fremde Endung -aunica = slav. -ovnica, die an alten z-Stämmen, 
wie smoky, dazu russ. smokövica aus ksl. smokevica oder an Ad- 
jektiven auf -ově wie ofrokovica „Mädchen“ zu otrokovs oder medovz 
u. a. erwachsen sein kann. Hinweisen will ich auch auf die 
Möglichkeit, daß o in kariümene, karümen® mit dem au in kariduti 
zusammenhängen könnte. Aber ich halte dieses Zusammentreffen 
für zufällig. Denn Verba auf -auti sind lit. so produktiv ge- 
worden, daß sie jederzeit zu kärias gebildet werden konnten. 
Dasselbe gilt natürlich auch für Verba auf -auti zu Adjektiva 
auf As, wie privalduti zu privalüs, meiläuti zu meilüs usw. Auch 
au in negatauja (Syrvid II 67::) „kränkeln“ hat natürlich mit 
dem w in galutinis nichts zu tun. 

Da die lett. Beispiele mit -au- meistens auf Neubildungen 
beruhen, so wird das Lit. wahrscheinlich mit seinen wenigen 
Beispielen dem ehemaligen baltischen Sprachzustand näher stehen. 
Endzelin, Lett. Gr. 235, 240 denkt offenbar an alten Ablaut. Aber 
die angeführten yeAwen — xeAdvn gehören einer ganz andern 
Klasse an (ob. S. 214) und xeoavvös hat mit altem au nichts zu 
tun, da es Weiterbildung eines alten -n-Stammes *xeoa-Fwv ist, 
ob. LIX 121. Ich sehe daher in dem Ablaut z (ù) — uo — au der 
betreffenden lettischen Suffixbildungen eine mechanische Nach- 
bildung nach wenigen Mustern, die sich nicht mehr genau fest- 
stellen lassen und die einen solchen Ablaut nicht einmal alt ererbt 
zu haben brauchen. Denn der Ablaut uo — au oder % — au ist 
im Baltischen ganz lebendig geblieben und konnte jederzeit neu 
geschaffen werden. So halte ich eine Bildung galautinis zu ga- 
lutinis auch ohne das Zwischenglied *virsautinis ohne weitres 
möglich, nachdem etwa ein Verbum *galauju, das zu galutinis 
dem Sinne nach Beziehungen hatte, einen scheinbaren Stamm 
galau- unterstützte. 

Es geht natürlich auch nicht an, dieses lett. au(n) in den 
slav. Bildungen auf An, wie begun wiederzusehen, die vielfach, 
aber nicht durchweg Nomina agentis sind.. Dem widerspricht 


1) Vgl. z. B. Post. II 34614 Jer. 50, 12 Hes. 6,6 Joh. 3,24 Mal. 1,14, Post. 
II 3581. 


268 F. Specht 


schon, daß grade bei Nomina agentis -aun- im Lett. fast gar 
keine Rolle spielt. Brückner, Arch. f. slav. Phil. XL 17 Anm. 1 
will un zu uw-Stämmen in Verbindung bringen. Das würde vor- 
aussetzen, daß -no- an den starken Stamm getreten ist. Aber 
derartige Ableitungen sind bereits idg. recht spärlich gewesen 
und fallen für das Slav. kaum ins Gewicht. Erinnern könnte 
man allerdings an vadova, ai. vidhávā zu vidhü-. Aber im Slav. 
haben die possessiven Adjektiva auf -0v3, die an den wenigen 
u-Stämmen wie synovpnd zu syn, volovs zu oos, medovs zu medž 
entstanden sind’), eine große Ausbreitung erfahren. An einem 
solchen -ov könnte in urslav. Zeit durch Antreten von -no ein 
-un entstanden sein, vgl. z. B. russ. begin zu begovöj, medünka 
„Futterklee* zu medövyj (Brückner a. a. O.), letün zu letovdj, 
brechüns zu brechovnd „Lügen“, čdúnz zu čdóvyj, chvastıln „Prahler“ 
zu chvastovid „Prahlerei“, poln. opiekun zu opiekowy usw. Brück- 
ner denkt offenbar auch an Zusammenhang zwischen un und 
Verba auf -ovati, wie sein Beispiel poln. piastun zu piastować 
zeigt. Auch diese Bildung kann für gewisse Fälle mit Vorbild 
gewesen sein, ich erinnere noch an russ. vorkovdto zu vorkin 
„Brummer“. Nur darf man diesen Einfluß nicht überschätzen, 
da die Verba auf -ovati erst im Westslav. ihre große Verbreitung 
erfahren haben und in den andern Slavinen doch nur selten sind. 
Ist diese Erklärung richtig, so würden die slav. Bildungen auf 
-uns erst einzelsprachliche Schöpfungen sein, die in den ver- 
wandten Sprachen keine eigentlichen Entsprechungen haben 
können. Allerdings bedarf es noch einer gründlichen Untersuch- 
ung über Verbreitung und frühstes Auftreten dieser Ableitungen 
in den einzelnen Slavinen. 

Būga verweist schließlich für den Wechsel uo — 6 noch auf 
den Gegensatz im Lok. žem. viduö, lett. viduo, aber hochlit. viduje, 
žem. virsuö, lett. virsuo, aber hochlit. virsuje und die Adjektiva 
viduojis (aus Valančius, also Zem.), hochlit. vidujis, viršuojis (aus 
Daukantas, also Zem.), hochlit. viršújis (Bezzenberger, Lit. Forsch. 
199; Būga aa O. 425). Dies Nebeneinander von wo und # im 
Lokativ und im Adjektiv hat mit den übrigen Erscheinungen 
überhaupt nichts zu tun. Der Lok. Sg. der «-Stämme hat nach 
Ausweis des ai. sanad Langdiphthong gehabt, der einem idg. 2(u) 


1) Ob daneben -ovg auch auf ö des ö-Stammes 4 Suffix wo zurückgeht, 
wie in ai. arnavd- „flutend“ zu drna- oder kesavd- „langhaarig* zu Akesa-, ist 
nicht mehr zu entscheiden, da diese Bildung längst vor unserer Kenntnis des 
Altbulg. produktiv geworden ist. 


Die Flexion der z-Stämme im Baltisch-Slavischen und Verwandtes. 269 


oder ö(u) entsprechen würde. Das lit.-lett. vo kann nur auf 
-ö(u) `) zurückgehen (vgl. Endzelin, Lit.-slav. Stud. 179; ders., 
Lett. Gr. 327; Verf., Lit. Mund. II 96f.), om ge gehört dagegen 
den -Stämmen an, -ŭje ist analogische Umbildung (IF. XLII 
295)”. Das Zemaitische und Lettische gehen wie so oft auch 
hier wieder in der Erhaltung des alten Lok. Sg. der u-Stämme 
Hand in Hand. 

Derselbe Gegensatz des Lokativs liegt nun in den Adjektiven 
virsuojis, virSujis usw. vor. Sie sind nicht, wie man heute zu 
sagen beliebt, vom Lokativ mittels Suffix -jis gebildet worden, 
sondern sie enthalten den alten Lokativ des Substantivs mit nach- 
gestelltem jis in relativischer Funktion. Vgl. dazu meine Aus- 
führungen Taut. ir Zod. IV 39f. und E. Fraenkel, W. u. Sach. 
XII 195 und Anm. A Ich habe dort namentlich aus Dauksa an- 
geführt dangujejis, Zemejejis, peklojejis, virsujejis, viduryjejis, arty- 
jejis, naktyjejis, dienojejis, paskujejis. Dazu kommen aus dem 
letzten inzwischen erschienenen Teil duobejejis, sirdyjejis, katnejis, 
pragarejis, gintyiejis (substantivisch 526°). In 522: ugniiy ist 
noch der alte Lokativ der konsonantischen Flexion auf -i ügni 
erhalten. Dagegen ist bei 394s, = 526s, gerkleiy, 31214 = lan, 
Kat. 48: (Sittig) Zemejis, Il. = 54851 pektejis eine doppelte 
Auffassung möglich. Entweder ist wie bei den zahlreichen Formen 
von der Art dangujis neben dangujejis an den bereits gekürzten 
Lokativ jis getreten. Aber Kürzung ist im Lokativ bei Daukša 
selten. Oder ich rechne mit der Möglichkeit, daß hier der Lokativ 
der ö-Stämme auf -2 aus -& erhalten ist, über den ich bei andrer 
Gelegenheit in größerem Zusammenhange handeln werde. 

Diese Bildungen des Lokativs mit relativischem jis sind im 
wesentlichen eine Besonderheit des Zemaitischen und nordöst- 
lichen Litauens. Sie fehlen in alter Zeit in der Wolf. Postille, 
im Kat. von 1605, bei Syrvid und Rhesa. Bretke hat oft dan- 
guiesis’), daneben dreimal (Matth. 6, 14. 32 15, 13) danguieghis (vgl. 


1) Von einer „Streitfrage“, wie es noch bei Debrunner-Wackernagel, Ai. 
Gr. III 155 heißt, kann überhaupt keine Rede sein. 

2) Ich habe fälschlich den Nom. Plur. Gs der -Stämme auf -uves zurück- 
geführt. Davon kann gar keine Rede sein, denn Daukša, der -čs im Nom. Plur. 
nie synkopiert, hat -üs oder -gs für die «-Stämme und ebenso -zs oder -zs für 
die ¿-Stämme. Es kann nur Neubildung nach dem Akk. Plur. vorliegen. 

8) Wie stark sich gerade dangujejis in vielen Schriften allein erhalten 
hat, zeigt der Gegensatz zwischen Mork. P. 757 girdeiey iau kaip Tewas 
apiviespatavo visas macis danguieias, Ziames ir peklas oder Knig. nob. 
127 ziamiskas, kuniskas, danguijs, dvasiskas gegenüber Daukša Post. 41140 


270 F. Specht 


darüber Taut. ir Zod. a.a.O.). Wenn sich diese Formen bei ihm 
hauptsächlich im N. Test. und in der Postille finden, so wird das 
wohl durch den Stoff bedingt sein. Daneben kennt er mit dem 
kürzeren Lokativ der «-Stämme Post. II 180: paskujas im Gegen- 
satz zu pirmas, 1.Reg.7,8 paskuiame dvare, Matth. 20,9 nuog 
paskyiy ir pirmyiy, Post. 11337; viduioie baznicoie (ebd. 3371, vidui 
Bažničios) und mit längerm Lokativ II. Chron. 18, 24 ing viduieie 
kamarg, Hes. 40, 27 viduieia (G. Sg.). Der alte Lokativ auf -ie von 
i/iö-Stämmen liegt noch vor in Sus. 18 per uZpakalieius vartus, 
Sus. 26 vartump u2pakalieiump. Den Akk. Sg. dangughi bei Mosvid 
faßt Stang a. a. O. 116 als Lokativ von dangus auf, aber kaum 
mit Recht. Willent kennt außer danguiesis nur 9714 Akk. Sg. 
galeghi pirsta, der Katechismus von 1598 außer danguiesis, dan- 
guiegis auch von der kürzeren Form den Nom. Sg. f. dangugi, die 
Margarita Theologia danguiesis, danguieghis, galieghis isgelbeimas 
und mit kürzerem Lokativ viduies vietas. Chylinski hat nur einmal 
Argum. zu Sam. II ein dgguja (Akk. Sg. f.) vom kürzeren Lokativ. 
Dagegen sind ungeheuer zahlreich die Formen von danguiesis bei 
Morkunas. Nur einmal 1715,; hat er vom kürzeren Lokativ ein 
danguio und 237%,, wie Willent galeghi pirstq savą. Zahlreich 
sind auch die Formen vom kürzeren und längeren Lokativ in 
den reformierten Schriften von 1653. Sie beschränken sich aber 
wieder auf das eine dangufie)sis, danguis. Klein kennt schließlich 
nur danguiesis, führt aber daneben Gr. 27 auch mit kürzerem Lok. 
ein paskujas') an. Aus modernen Texten notiert Leskien, Nom. 
342 von Adjektiven auf -ëjis (sic!) ein gal&jis und laukejisis, vgl. 
auch Sommer, Die idg. iā- und io-Stämme im Baltischen 320. 
Sie stammen wieder wie die übrigen aus dem nördlichen Litauen. 
Wenn schließlich Daukantas nicht selten »askoujis = hochlit. 
*pnaskuojis gebraucht, so erklärt sich das dadurch, was ich bereits 
Lit. Mund. II 176 ausgeführt habe, daß in den Formen von paskui 
der alte idg. -ŭ-Stamm ku- vorliegt. 

Die hier angeführten Formen auf A, -uje, -uo sind deutlich 
Lokative eines w-Stammes. Ebenso deutlich enthalten andere 
Bildungen bei Daukša den Lokativ eines i/jo-Stammes, wie vidu- 
riieiis. Die Folgerichtigkeit verlangt einfach auch für galäjis, 


— 5485ı Nessq man’ klöniosis vissökes kelis, daqguieiy zemeigiy ir pragareiy 
arba pekleiy u. a. 

1) Die Endung in paskujas könnte die ehemalige Form des idg. ¿os un- 
mittelbar fortsetzen. Gerade, weil sie hier schon früh als Adjektivendung 
empfunden wurde, blieb sie von der Beeinflussung verschont. 


Die Flexion der »-Stämme im Baltisch-Slavischen und Verwandtes. 271 


lauk&jisis, dazu Daukša Post. 411. = 5485: pragaréių 619; kał- 
neiump den Lokativ eines o-Stammes. Dann ist die Schreibung 
-Ejis bei Leskien falsch. Būga, Kalb. 155 hat für galejis schon 
mit Recht die Schreibung galejis gefordert. Sie wird durch 
Willents -e- bestätigt. Wenn Morkunas galeghis schreibt, so hängt 
das damit zusammen, daß bei ihm Nasal auch bei nachträglicher 
Komposition nur unter Schleifton geblieben ist. Vgl. Akk. Sg. 
kuringi, kangi, tangi, wienangi, kurint, Gen. Plur. tokiungi, kokiungi, 
3. Opt. butungu, nebutunt, ferner nungi, nesanga, aber kadagi, ku- 
rimegi u. v.a., 3005 piktąsias (Akk. Pl. f.) ist demgegenüber ganz 
vereinzelt. Dann kann man mit galejis nicht lett. galējs, sondern 
nur galijs‘) verbinden, dem dann vidijs nachgebildet wäre. Man 
hätte dann in gali-js den alten ehemaligen Lokativ auf -¿ aus -e 
noch vor sich. Vgl. Endzelin, Lett. Gr. 293. Da aber galieghis 
in der Margar. Theol. und ebenso numiejis bei Daukantas (Sommer 
a. a. O.) nur auf einen Lok. wie galie zurückgehen kann, so könnte 
in galijs auch die Fortsetzung von galie vorliegen. 

Die lett. Formen auf -&s stehen außerhalb meiner Betrachtung 
und sind in ihrer Beurteilung für das übrige gleichgültig. End- 
zelin, Lett. Gr. 203 erwägt die Frage, ob bei einigen nicht die 
Möglichkeit einer Anknüpfung an einen Lokativ auf ar) bestünde. 
Das wird zuweilen wie bei talējs stimmen. Denn sie können mit 
der Flexion in tolĝn, tolie, foi" in Verbindung gesetzt werden. 
In diesem Falle ist natürlich -jis nicht Suffix, sondern wieder 
Pronomen in der alten relativischen Bedeutung. Im allgemeinen 
aber glaube ich doch, daß sie durch die Nomina agentis auf rs 
denen sie in der Bedeutung nahe stehen, beeinflußt worden sind. 
Das lehrt auch die Ausbreitung auf ehemalige v-Stämme, wie in 
virsejais, viduvejais. 

Diese Bildungen mit dem relativischen -jis am Ende gleichen 
äußerlich in den Kasus obliqui und in der Bedeutung den zu- 
sammengesetzten Adjektiven. Das lehren die genannten Bildungen 
auf lett. -Zjais, die Umgestaltung im Nom. Sg. von -jis zu -sis 

1) Kaum richtig darüber Endzelin, Lett. Gr. 201. 

2) Būga hat Taut. ir Zod. I 433 Zolö und Zoli2 auf den ö-Stamm Zolas be- 
zogen und das Nebeneinander von -è und Ze durch „Intonationswechsel“ erklärt. 
Trotz Fraenkels Beifall ebd. III 482 und sonst muß ich diese Annahme ganz 
entschieden ablehnen. Denn so etwas gibt es Litauisch für Endsilben nicht. 
Die Berufung deshalb auf den Nom. Plur. der ö-Stämme ist viel zu unsicher. 
Bügas Hinweis auf griech. wavdnuel oder ’Ioduoi hilft insofern nichts, als hier 


der Intonationswechsel auf Voraussetzungen beruht, die im Lit. nicht vor- 
handen sind. 


272 F. Specht 


(vgl. Taut. ir Zod. IV 39ff.), laukëjisis’), virsuojisis (Bezzenberger, 
Lit. Forsch. 199) und Flexionen wie bei Willent 33. danguieioia”), 
Margar. Theol. Mi8.7 danguiemuoiem, ebd. 20 danguiemuiem, Bretke 
Matth. 6, 1 danguiaijp, I.Cor. 15, 48 danguieighi u. a. Aber im 
wesentlichen sind doch diese Versuche vereinzelt geblieben. Brug- 
mann, Gr.’111, 196 will ferner in lit. maszjis, jusajis”), die wieder 
dem preußischen Nordlit. eigentümlich sind, und Prüsaiciajis „der 
der Familie Prusaicei Angehörige“ Ableitungen vom Gen. Plur. 
mittels Formans-jis sehen. Natürlich liegt auch hier wieder Ver- 
bindung zwischen Gen. Plur. mit altem relativischem -jis vor. Auf 
Grund dieser Formen halte ich auch Endzelins Ansicht, Lett. Gr. 
204 über lett. mandji „die Mengen", taveji, savēji, musēji, für 
ansprechend, wonach er in dem -2 einen alten Lokativ man? usw. 
vermutet. Freilich würde ich in der Beurteilung von jis wieder 
von ihm abweichen. Auch lett. jäsijais und lit. mäsyjis, Endzelin 
a.a.O. könnten auf einen alten Lokativ auf -y weisen. Diesen 
Bildungen auf scheinbares äis sind dann, wie Endzelin mit Recht 
bemerkt, auch die bei Pluralia tantum üblichen Kardinalzahlen, 
wie viendji, divēji, trejöji usw. nachgebildet worden. 

Damit stehen alle die besprochenen Bildungen mit relativi- 
schem -jis im engsten Zusammenhang mit dem sogenannten zu- 
sammengesetzten Adjektiv des Baltisch-Slavischen, in dem Del- 
brück, Idg. Syntax I 432f. das alte Relativum erkannt hat (vgl. 
auch Wackernagel, Ai. Gr. III 556f.). Außerordentlich lehrreich 
ist dafür der Satz Morkunas Postille 141 nusiunte ticiomis iop 
žmones kurius didžiausius ir mokiciausius, idant patis regimai pri- 
siveyzdetu šventay deivistey io, wo kurius das Pronomen juos und 
somit das bestimmte Adjektiv vertritt. Das setzt doch voraus, 
daß eine Zeit lang kuris und jis als Relativa nebeneinander ge- 
braucht wurden, so daß kuris auch die Stelle von jis in der be- 
stimmten Adjektivflexion, wo es gleichfalls ursprüngliche relativi- 
sche Bedeutung hatte, vertreten konnte. Nun sind aber die An- 


1) Bei Zaukejisis könnte man auch an eine Umbildung denken, die durch 
ganz andre Dinge beeinflußt ist. Klein, Compendium 12 bemerkt zu der be- 
stimmten Flexion: „gerasis (sic!) gerasysis von mielasis mielasysis, von 
brängusis, brangüsysis. Und solche Adjektiva höret man öffters im gemeinen 
Gebrauch.“ Vgl. ferner Bezzenberger, Z. Gesch. d lit. Spr. 157. 

2) Auch Knig. nob. 25816 valgit avinela neiokaltoia im Reim zu tikroia 
ist Zo doppelt gesetzt worden. 

3) In Daukantas Darbai findet sich manchmal auch jusoujis = jusuojis. 
Das kann nur nach der Proportion pasküjis : Zem. paskuojis = jüsyjis : žem. 
x = jusuojis gebildet sein. 


Die Flexion der »-Stämme im Baltisch-Slavischen und Verwandtes. 273 


fänge dieses Gebrauches bereits idg. Denn man kann fast jede 
der eben angeführten Gebrauchsweisen in ihrer Art ohne weitres 
mit vedischen Beispielen in Parallele setzen", Um das aber ver- 
ständlich zu machen, muß ich zunächst ein paar Bemerkungen 
über das ai. Relativum vorausschicken. Das ai. Relativpronomen 
steht nicht unbedingt am Anfang des Satzes, vgl. dazu Porzig, 
IF. XLI 230ff. und wegen der Nachstellung im Ital. z. B. Hof- 
mann, Stand u. Aufg. 387. Zuweilen steht es nach der Negation 
na’), vgl. Rigv. II 38, nd yasya, VI 22.ı nd yá ddevo várate „die 
nicht ein Nichtgott zurückhält*, V 541: nd yó yücchati „der nicht 
fern bleibt“, VIH 101, nd yáh samprcehe ... rämate „der nicht still 
steht zu begrüßen“, ebenso bei na gleich „wie“ z. B. IX 52; carür 
nd ydh „der wie ein Topf“. Von dieser Stellung ist nicht zu 
trennen yah in Tmesis, z. B. V 85; IX 68, u. a. vi yó mamé 
(prthivim) „der (die Erde) ausgemessen hat“ (aber VI 49ıs yó 
rdjänsi vimame „der die Finsternis ausgemessen hat“), VI7, vi yó 
rdjänsy dmimita, VII8, abhí ydh pūrúm prtanäsu tasthäu „der das 
Volk der Püru in den Schlachten bezwang“ u.v.a. Diese Stellung 
stimmt zu alit. Verbindungen, wie neiokattoia (ob. S. 272 Anm. 2) 
Bretke, Post. IL 261: neiam turinčiam in dem Satze jei kas tur dwi 
sermegi tas teduod neiam turinčiam; nughipuotuosi oder praiis- 
puotes, praiusokusiy usw. (vgl. Būga, Kalb. 28; Sittig, Zeitf. slav. 
Phil. IV 246f.), in Wolf. Post. 140° nebeneinander praiepoli (= 
praiepolj) a paskandinteghi gresnikai. Ebenso ist die Nachstellung 
des Relativums wie im balt.-slav. bestimmten Adjektiv üblich, 
worauf bereits Wackernagel, Ai. Gr. III 557 hingewiesen hat, z.B. 
Rigv. II 22; ácchā deväan ūcişe, dhisnyä v£ „die Götter hast du 
herbeigerufen, welche die Weisen (?) (Geldner) sind“, III 61, prthu- 
pdjaso yë, V 3014 aucchat så råtrī pdritakmyä yá (mit der Variante 
yam) „auf ging die Nacht, die entschwindende“, V 4115 vdrütri 
vā Sakrá yá .. sisaktu „die Varütri, die starke, soll geleiten“, 
VI3s arusó yó (2mal); desgleichen beim Nomen agentis, wie 
IX 74, netd ydh oder sonstigen Substantiven, wie IX 24, sdsnir 
ydh „der Gewinnende*, IX 63,; = 6412 mádo yó devavitamah oder 
IX 99, mddo yá indrapdtamah. Allerdings könnte in den beiden 
letzten Beispielen auch ydk auf das Attribut bezogen werden. Sehr 
auffällig ist ein Satz wie VI 52, úpa nah sündvo girah srnväntu 


1) Mit Porzigs Ansicht, IF. XLI 210f., der in ai. ydh ein Demonstrativum 
sehen will, kann ich mich nicht befreunden, vgl. Wackernagel, Ai. Gr. lII 558. 
3) Andere Stellungsarten, die sich im Baltisch-Slavischen nicht wieder- 
finden, übergehe ich hier. 
Zeitschrift für vergl. Sprachf. LIX 1/2. 18 


974 F. Specht 


amrtasya yé „hören sollen auf unsere Lieder die Söhne, (welche) 
der Unsterblichkeit (sind)“. Hier ist offenbar der possessive 
Genitiv amrtasya als relativischer Nebensatz ausgedrückt. 

Nun dient bereits yah im Rigveda dazu, ein Wort im Satze 
hervorzuheben. Dabei ist es gleichgültig, ob diese Hervorhebung 
Subjekt oder Objekt ist (vgl. Wackernagel, Ai. Gr. III 554ff.). Ich 
gebe zunächst einige Beispiele für das Subjekt: Rigv. I 18: (Del- 
brück, Vgl. Synt. HI, 305) yó revdn yó amivahd, vasuvit, puştivár- 
dhanah, sá nah sisaktu yds turáh „wer reich, wer Unheil verhin- 
dernd, Schätze findend, Gedeihen fördernd ist, der geleite uns, 
wer kräftig ist“, VI 17: sd īm pāhi, yá rjist tárutro, ydh Zë 
pravan vrsabhö yó matindm, yó gotrabhid, vajrabhrd yó haristhäh 
så indra eiträn abhí trndhi väjan „als solcher trink ihn, der du 
vordringend, siegreich, der mit einem Schnurrbart versehen, der 
ein Befruchter der Lieder, der den Rinderstall spaltend, der den 
Donnerkeil tragend, der auf dem Rossegespann stehend, als solcher, 
Indra, bohre nach glänzender Nahrung“. V 68; samrdjä, yá ghrtá- 
yöni, VIII 8010 devä utå yäs ca devih „Götter und die ihr Göttinnen 
seid“. VII 50, ydh pravdto, nivdta, udvdta, udanvdtir, anudakds ca 
ydh, tåh ... bhavantu „welche Abhänge, Niederungen, Höhen sind, 
die wasserreichen und welche wasserlos sind, die ... sollen sein“. 
Die gleiche Hervorhebung gilt für das Objekt: II 32; yá guñgúr, 
yú siniwvalt, yá räkd, yá särasvati, indräanim ahva ütdye varunäanlm 
svastdye „welche Gungü, welche Sinivali, welche Raka, welche 
Sarusvati ist, die Indräni rief ich an zur Hülfe, die Varunäni 
zum Wohlergehen.“ Hier ist das Akkusativobjekt viermal durch 
einen Relativsatz, zweimal durch den Akkusativ gegeben. 1161: 
yd járantā yuvasd tå krnotana „welche alternd sind, die beiden 
machtet ihr jung“. VIIl51, (Valakh. 3) yó no dätd vásünām ín- 
dram tám hümahe vaydm „der uns Geber des Guten ist, den Indra 
rufen wir an“. Dieselbe Umschreibung gilt auch für andre oblique 
Kasus Il 41, våyo yé te sahasrino rathäsas tebhir å gahi „Väyu, 
welche 1000 Wagen dir sind, mit denen komm herbei!“ VI 44s 
yå te käkut sükrtä, yd varisthä, ydya süsvat pibasi mädhva ürmim, 
táyā pāhi „welcher Gaumen dir wohl beschaffen, welcher sehr 
breit, mit welchem du fortdauernd die Welle des Madhu trinkst, 
mit diesem trink“. II32; yd subāhúh, svangurih, susümä, bahusü- 
varı, täsyai vispätnyai havih sinivälyai juhotana „welche schönarmig, 
schönfingrig, leicht gebärend, viel gebärend, dieser Herrin Sini- 
vāli bringt Opfer dar!“ Das Objekt kann auch als Subjekt in 
den Relativsatz gezogen werden, z. B. 1183, d tisthatam suvrtam 


Die Flexion der »-Stämme im Baltisch-Slavischen und Verwandtes. 275 


yó rátho vam ... värtate „Besteigt ihr beide den schönrollenden, 
welcher Wagen euch ... rollt“. 

Überblickt man hier einmal das Material, so sieht man, wie 
gut das Ai. zum Baltischen stimmt. Umschriebene Adjektiva, wie 
yó revdn entsprechen genau lit. turtìngasis, ein yá járantā wäre 
lit., indem ich für den ungebräuchlichen Dual den Plural einsetze 
pasestantieji (Dual Prät. *pasenuseju); yó no dätd findet sein Gegen- 
stück in Getreide gieretoiasis (Dict.* 93° = krotofilny), falls in dem -is 
kein Reflexivum steckt. Lit. juszjis, mus@jis') läßt sich durch 
folgende Beispiele des Veda veranschaulichen IV 45, hamsdso wë 
väm „eure Hamsas“ VIII 49, (Valakh. 1) ajirdso hárayo yé ta äsdvo 
våtā iva prasaksinah „deine behenden, raschen Rosse sind wie die 
Winde überwältigend“. VIII 2:0 göras ca yds te „deine Lieder“, 
II 34,5 arväci så maruto ad va Gët ó sú väsreva sumalir jigātu „her- 
gewandt sei, o Marut, diese eure Gnade, dieses euer Wohlwollen 
soll fein wie die brüllende kommen“. V 30, prá nú vaydm sute 
yá te krtänindra bravama, ydni no jüjosah „Jetzt wollen wir beim 
Somasaft, o Indra, deine Taten verkündigen, welche du uns hast 
kosten lassen f.“ VII 3s imd u toa, purüvaso, giro vardhantu gd 
máma „diese meine Lieder, o du, der der trefflichen viel hat, 
sollen auch dich erhöhen!“ Zu bemerken bleibt nur, daß das 
Litauische diese Umschreibung von Gen. Plur. mit Relativum für 
das Possessivpronomen nur bei den Stämmen des Plurals der 
1. und 2. Person kennt. Für das Possessivpronomen der 1. und 
2. Person des Singulars trat lit.-lett. manas, tavas, savas ein; 
*musas und *jusas, die sich gelegentlich finden, sind wohl Nach- 
bildungen und schwerlich alt. Für anyesam vám VIII 3314 váhantu 
tvā ... lirds cid arydm sdvanäni, vrtrahann, anyesäm ad .. „sie 
sollen dich fahren hinweg über den Freund, die Trankspenden, 
die von den andern (kommen), o Vrtratöter“, kenne ich aus dem 
Lit. zwar kein entsprechendes *kitzjis, aber ein kitäsis bei Chy- 
linski z. B. Num. 11,26 vienoja — kitoja (G. Sg... Man könnte 


1) musuiy auch bei Bretke Act. 26,7. 

2) Zu dem ob. S.273f. erwähnten Satz sundvo .. amrtasya yè, wo amytasya 
ye den possessiven Genitiv widergibt, kennt auch das Litauische genaue Ent- 
sprechungen. Durch die jüngst von P. Arumaa herausgegebenen „Litauischen 
mundartlichen Texte aus der Wilnaer Gegend“, Dorpat 1931 lernt man, daß in 
Lazünai ein possessives Adjektiv üblich ist, das aus dem Gen. Sg. oder Plur. + 
Pronomen jis besteht, vgl. 3619 põnüjuoj, 68 Zmonitjei vaikai; medzias (Wald) 
dzievojis. Daß diese Verbindung zwischen Genitiv und Pronomen Ze nicht als 
Komposition aufzufassen ist, lehrt auch die Akzentregel, daß der 'Ton immer auf 
der Silbe steht, den sonst der Genitiv hat. K.-N. 

18* 


276 F Specht. 


auch an Wolf. Post. 171a annui (Instr. Sg. fem. bestimmt), Marg. 
Theol. 23 antraiei, 224 antroioie Chylinski I. Chron. 7,15 antroja 
und besonders Num.11,26 ko&naghi (Akk. Sg.) erinnern. Bildungen 
wie lett. żalējs entsprechen genau IX 78; jahi satrum antike dürake 
yah „töte den Feind, welcher in der Nähe, in der Ferne = nahen, 
fernen“, I 94, dpa dudhyd jahi dūré vā yé Anti „besiege die Bös- 
gesinnten, die in der Ferne, die in Nähe“. Lit. Bildungen, wie 
dangujejis, Zemejejis, katnęjis würde ungefähr ai. yá diví, yá prthi- 
vyåm wà pärvatesu, in 1914 yå te dhámāni diví yd prthivyåm yä 
pärvatesv, óşadişv, apsú, tébhir no visvaih .... práti havyd grbhāya 
„Deine wirkenden Kräfte, die am Himmel, die auf der Erde, die 
in den Bergen, in den Pflanzen, in den Wassern, mit diesen 
allen .... nimm unsre Opferspenden entgegen“ entsprechen. Nur 
ist dhāmāni statt dhdmabhis mit in den Hauptsatz gezogen. 

Verbindungen schließlich wie ai. I 23:: amür yá, VI 28; ¿ma 
yá gävah haben in lit. Verwendungen, wie Marg. Theol. 131? sighi, 
152 sij (N. Sg. f.), oft bei Daukša, Bretke Post. 162 sitoiu budu, 
Daukša sitöii (N. Sg. f.) sitaie (Instr. Sg. f.) ihr Gegenstück. Auch 
an ähnliche Fälle wie manieji, tavieji, savieji (z. B. Klein, Gr. 76), 
tavaio Bretke, saveiai Wolf. Post. sei in diesem Zusammenhang 
erinnert. 

Man sieht aus den angeführten Gruppen, wie nahe sich das 
Relativum im Ai. mit dem Gebrauch im Balt.-Slav. deckt. Der 
Unterschied besteht nur darin, daß das Balt.-Slav. die Form des 
Relativs und seines dazu gehörigen Nomens an das entsprechende 
Beziehungswort im Kasus assimiliert. Es steht hier auf gleicher 
Stufe mit dem Avestischen, vgl. Reichelt, Av. Elementarbuch 370, 
Endzelin, Slav.-balt. etjud. 131fg., Bartholomae, Air. Wörterbuch 
1222ff. Versuche der Art sind auch im Ai. gemacht worden, 
aber sie sind vereinzelt geblieben, vgl. Caland, ob. XXXIV 4561. 
Man wird also den hier kurz skizzierten Gebrauch des Relativums 
im Veda für idg. halten müssen. Das Baltisch-Slavische hat ihn 
insofern weiter gebildet, als erstens die Stellung des Pronomens 
im allgemeinen fest geworden ist und zweitens das dadurch mit 
dem Relativpronomen zusammengewachsene Nomen oder Pro- 
nomen an das Beziehungswort assimiliert wurde. 


Exkurs I. Der Gebrauch von adjektivischem -us als 
Femininum im Litauischen. 

Im Lit. wird bekanntlich bei den adjektivischen -u-Stämmen 

-us zuweilen im Sinne des Femininums gebraucht. Da Bezzen- 


Die Flexion der »-Stämme im Baltisch-Slavischen und Verwandtes. 977 


berger, Z. G. d. lit. Spr. 153 das Material nur zu einem kleinen 
Teil anführt, sind falsche Schlüsse daraus unvermeidlich gewesen. 
In Frage kommt eigentlich nur Bretke. Andre alit. Texte, wie 
Daukša haben nur ganz vereinzelt einmal lygus. Zweifelhafte 
Fälle habe ich meist ausgeschieden, so -us Adjektivum bei smertis, 
da hier auch Maskulinum vorliegen kann. Oft ist von fremder 
Hand der Text korrigiert und zwar so, daß die Form auf -us 
durch -i ersetzt wird. Das zeigt eben, daß nur auf einem eng 
begrenzten Sprachgebiet lit. diese Konstruktion überhaupt noch 
möglich war. Nur einmal, wenn ich nichts übersehen habe, ist 
der umgekehrte Weg gewählt worden, Hes. 23,23 ist gražę iauniske 
zu gražų korrigiert. Ein derartiger femininer Gebrauch von -us 
kommt prädikativ und attributiv vor. Das zusammengesetzte Ad- 
jektiv kenne ich nur aus zwei Stellen im Akkusativ, II. Makk. 7, 42 
baisughi muka, Post. 1422, ta baisu ir biaurughi muka. Im ersten 
Fall scheint es allerdings zu baisughe korrigiert zu sein. Beachtens- 
wert bleibt jedoch, daß auch js in diesem Fall sich rein äußerlich 
nach -us gerichtet hat und die maskuline Form bietet. 

Zu Sommers arischer Regel, IF. XXXVI 190 stimmen nur 
biaurus, budrus, stiprus, malonus und das fremde macnus. Die 
meisten Bildungen widersprechen, so: baisus, baugus, brangus, 
drąsus, (ne)gilus, gražus, greikstus, kartus, lygus, (ne)patogus, platus, 
puikus, riebus, rustus, smarkus, smulkus, stalgus, (per)sunkus, Sviesus, 
tankus, veikus, vielleicht auch saldus. Auf Grund der Angaben 
bei Bezzenberger a. a. O. hat Sommer a a. O. 222f. ferner im 
Lit. eine Verschränkung der femininen u- und :-Formen zu einem 
Paradigma angenommen. Zwar sind Nom. Akk. Sg. und Nom. Plur. 
am häufigsten beim Femininum nach den u-Stämmen belegt, aber 
das entspricht wohl ungefähr überhaupt dem Vorkommen. Das 
Material ist folgendes: Nom. Sg. Deut. 18,8 ligus dalis, II. Sam. 
14,26 (galva) persunkus, IL Reg. 18, 32 žeme kurri ligus, Hiob 8,17 
sekla-tankus, 38,18 plattus-Zeme, Prov. 5,19 ana malonus (zu -i 
korrig.), Prov. 7,10 kitra, baugus, nepassiduodanti, Prov. 9ıs durna 
moteriske baugus, Prov. 16,18 puikus širdis‘), Prov. 22,14. 23,27 
gillus duobe, Prov. 25,3 žeme gillus, Cant. 2,14 forma greikstus (ist 
über Textwort maloninga übergeschrieben), Jer. 30,7 (žeme) ligus, 
Hes. 8,2 sviesus skaista, Hes. 48,10 dalis platus, Dan. 5, 21 Sirdis')- 
ligus, Dan. 7,5 antra Zveris-ligus, 7,6 kita Zveris-ligus, Am. 5,24 
stiprus (zu -ra korrig.) strove, Sap. 7,23 malonus neben kitra, Sviesi, 


1) Da š¿rdis und akis bei Bretke auch Maskulinum sein kann, so sind 
diese Beispiele nicht sicher. Dasselbe gilt für Zveris. 


278 F. Specht 


rusta, Jes. Sir. 1,3 platus (zu -i korrig.) Zeme, Jes. Sir. 6,21 kartus 
(išmintis), I. Makk. 6,57 vieta macnus, Variante stiprus (zu -i korrig.), 
Ps. 32,4 ranka-sunkus (zu -i korrig.), Ps. 36,8 brangus-gieribe, Ps. 
38,5 sunkus nasta, Ps. 89,14 stiprus (zu -i korrig.) ranka, Ps.112,8 
Sirdis’)-drasus (zu -i korrig.), Matth. 13, 24.31.33.44.45.47. 18, 23. 
20,1. 22,2. 25,1 karalysta-ligus, Mark. 6,21 patogus-diena, Mark. 
14,38 dvase-veikus, Luk. 13,18.19. 21 karalyste-ligus, Act. 27,12 
statis-nepatogus, Röm. 5,15 davana-ligus, II. Kor. 6,11 sirdis')-drgsus 
(zu -i korrig.), Gal. 5,6 viera, kuri macnus, Apok. 4,7.13,2 Zveris')- 
ligus, Apok. 11,1 nendre ligus. Genitiv. Sing. Ps. 86,13 iš gillos 
Peklos, dafür steht von Bretkes Hand am Rande gillaus. Zweifel- 
haft bleibt Jes. 64,2 nog smarkaus ugnies, da ugnis bei Bretke °) 
auch Maskulinum sein könnte. Akkusativ Sing. Gen. 11,2 ligų 
žemę, Ex. 3,5 ing platų žemę, Ex. 31,8 gražų liktarną, Deut. 8,15 
per baisų pustine, II. Sam. 6,13 riebų avi, IL Sam. 13,1 gražų (zu 
-e korrig.) seserj, I. Reg. 4,29 drąsų sirdj'), I. Chron. 5,40 riebų 
ganiklą, Neh. 9,25 riebų (zu -ię korrig.) Zeme, Prov. 16,5 puikų 
širdį’), Jer. 48,21 ligų žemę, Jer. 48,29 ape Moab stalgų (zu -ię 
korrigiert) ... esančę, Hes. 23,23 gražų (aus -e korrig.) iauniske, Sap. 
5,17 gražų karuną, Sap. 5,19 rustų tiesą, Sap. 8,19 gražų (zu -ę 
korrig.) duse, Jes. Sir. 6,32 tą gražų karung, Jes. Sir. 38,11 saldų 
und riebų affierg”), I. Makk. 16,17 baisų nevierniste, II. Makk. 7,42 
ape baisughj muka, Ps. 45,2 gražų giesmę, Ps. 55,24 ing gilų duobe, 
Ps. 60,11 ing vietą stiprų, Ps. 126,6 brangu sekla, Ps. 136,12 per 
macny ranką, Matth. 13,5 Mark. 4,5 negilų žemę, Phil. 2,2 ligų (zu 
-iq korrig.) made, Apok. 22,1 upẹ-šviesų, Post. I 422, ta baisu ir 
biaurughi muka. Nominativ Plur. Gen. 6,2 gražus (dukteres), Gen. 
41,21.26 (karves) biaurus, Num. 24,5 gražus-budeles, Deut. 2,10 
thie buva dides stiprus ir aukštos žmones. Das Beispiel ist aber 
unsicher, vgl. ebd. 2,21 thie buva didi stipras ir aukštas žmones, 
I. Sam. 14,27.29 Prov. 20,13 akis’) budrus, I. Chron. 13,15 vissos 
lankos-ligus, Prov. 21,4 puikus akis’), Cant. 1,15 akis')-ligus, Jes. 
3,16 dukteres-puikus, Jes. 29,5 smulkus-dulkes, Hos. 14,7 (Sakos) 
gražus, Jes. Sir. 1,3 gillus-jures, Ps. 65,14 bankos tankus, Act. 14,11 


1) Vgl. S. 277 Anm. 1. 

2) So Deut. 4,36, II. Chron. 7,2, wo es zum Femininum korrigiert ist, 
Ps. 105,32, Jes. Sir. 3,33, II. Makk. 2, 10, Matth. 3,12, Luk. 3,17, Hes. 22,20 steht 
Mask. neben Fem. In der Regel ist ugnìs aber auch bei Bretke schon Femininum. 

3) Das Wort für „Opfer“ scheint auch als Maskulinum vorzukommen. Vgl. 
II. Makk. 6,7 Affieravoiama buva ant Altoriaus affierai sokone ussakili. 
In diesem Falle wäre das Beispiel unsicher. 


Die Flexion der »-Stämme im Baltisch-Slavischen und Verwandtes. 279 


deives')-ligus, II. Kor. 10,10 nes gromotos ira sunkios ir macnus, 
Judas 13 biaurus vilnias, Apok. 9,7 karunos ligus (zu -ios korrig.), 
Apok. 16,13 dvasios ligus (zu -es korrig.) Auch für den Genitiv 
Pluralis scheinen Beispiele vorhanden zu sein. Nur sind sie nicht 
unbedingt sicher. Denn der Unterschied zwischen maskuliner 
und femininer Form beruht nur auf der Erweichung, und Bretke 
läßt sie gelegentlich in der Schrift unbezeichnet. Immerhin 
bleiben erwägenswert: Gen. 41,19 baisų, Variante biaury (karvių), 
Hiob 42,15 gražu materu, Cant. 6,1 brangų žolių (ebd. 8,14 brangių 
žolių). Akkusativ Pluralis: Gen. 41,19 labai baises (Variante dazu 
biaurus) ir liesas karves, Jer. 4,29 ing tankus (über Textwort tirštas 
geschrieben) girres, Jer. 49,19 prieš stiprus tvarčes, Hes. 27,18 
brangus vilnas. 

Wenn es nicht möglich ist, ein vollständiges Paradigma zu 
bieten, so ist das nicht weiter verwunderlich. Denn bei Bretke 
überwiegt auch bei den «-Adjektiven, die Feminina sind, weit 
die Flexion nach den 3- oder @-Stämmen. Ferner ist bereits im 
Altlit. auch bei den Maskulina in den obliquen Kasus die x-Flexion 
durch die io-Flexion ersetzt. Das gilt auch für Bretke schon im 
weitesten Umfang. Dat. Sg., Dat., Instr. Lok. Plur.”) kennt bei 
ihm überhaupt keine Flexion nach den u-Stämmen mehr. Diese 
Kasus kommen also für Feminina nach der «-Flexion überhaupt 
nicht mehr in Frage. Im Sg. wird ferner der Genitiv schon oft 
nach den ið- oder o-Stämmen abgewandelt. Der Nom. Plur. ist 
wenigstens in bestimmter Form schon stets io-Stamm. Vom Instr. 
und Lok. Sg. hat sich die Flexion nach den u-Stämmen selbst 
beim Maskulinum nur in geringen Resten noch erhalten. Ich 
habe mir angemerkt für den Instr. Hiob 32,1 teisumi, Gen. 24, 16 
graZumi, Pred. 9,11 kitrum(i), Jes. Sir. 13,20 ligumi, für den Lok. 
Judic. 5,25 brangume am Rand für brangeme des Textes, Ps. 31, 22 
stiprame, das aus stiprume korrigiert ist, Ps. 45,9 graZume, Ps. 69,3 
Drach. 32 gilume, Luk. 23,40 ligume (aus -ame korrigiert) und 
Post. 139015. Bei diesem Tatbestand ist es im Gegenteil über- 
haupt beachtenswert, daß sich in Bretkes Sprache noch soviel 
Reste, in denen -us das Femininum vertritt, haben hinüberretten 
können. Jedenfalls kann von einer Verschränkung zwischen z- 
und «-Flexion, wie es Sommer möchte, für das Baltische keine 
Rede sein. 


1) Der Fall ist zweifelhaft, da deivė nicht selten auch Maskulinum bei 
Bretke ist neben gleichbedeutenden dievas und deivis. 
2) Post. I 19812 diaurosu würde nur zum Teil stimmen. 


280 F. Specht 


Exkurs Il. Ein indogermanisches Dehnungsgesetz. 


Oben S. 222 hatte ich über griech. -2ç bei Verbalsubstantiven 
gehandelt und die merkwürdige Dehnung als Nachahmung der 
movierten Femina auf -ús angesehen. Auch in griech. óoëós liegt 
Dehnung vor‘). Das hat Wackernagel, Sprachl. Unters. t. Hom. 
185f. mit vollem Recht betont. Nur hat er sie auf das Femininum 
zurückführen wollen und deshalb dies Genus für ursprünglich ge- 
halten. Das ist schwer zu glauben. Im Ai. hat dru- neben neu- 
tralem Geschlecht auch maskulines. Ebenso haben die Pelo- 
ponnesier nach Schol. zu Aristophanes’ Nub. 401 ödoös als Masku- 
linum verwendet. Es müßten also schon recht triftige Gründe 
vorliegen, wenn man sich trotzdem für feminines Genus ent- 
scheiden wollte. Wackernagels Hinweis auf griech. feminines 
-tús gegenüber mask. lat. -tăs verfängt nicht, da griech. -töç nicht 
alt sein kann, ob. S. 220°). Andrerseits sind Baumnamen in der 
Regel im Griech. Feminina. So wird das weibliche Geschlecht 
von doös ohnehin begreiflich’). Freilich geht es dann nicht mehr 
an, die Länge von deös als Folge des femininen Geschlechts 
deuten zu wollen. Die Dorer werden ohnehin trotz männlichen 
Geschlechts die Länge gehabt haben. Die Gründe müssen also 
andere gewesen sein. Ich sehe sie in der Einsilbigkeit des Wortes 
und verlege diese Dehnung nicht erst in das Griechische, sondern 
bereits in das Indogermanische. Damit will ich natürlich nicht 
behaupten, daß doös unbedingt schon gemeinindogermanische 
Bildung gewesen sein muß. Es könnte bereits vorgriechisch schon 
bestehenden Typen nachgebildet sein, zumal da das Sprachgefühl 
zu allen Zeiten eine Abneigung gegen gewisse einsilbige Bil- 
dungen hatte. 

Zum Beweise meiner Behauptung gehe ich von dem idg. Wort 
für die „Maus“ aus, das zwar an und für sich kein z-Stamm ist, 
aber im Nom. Sg. nicht von ihnen geschieden wird. Es hat idg. 
* müs gelautet. Das lehrt die Übereinstimmung von griech. us, 
germ. mūs, das ags. und an. z. T. noch konsonantisch flektiert, 
lat. mūs, ai. muh, abulg. myso. Lebendig geblieben ist die Wurzel 
vornehmlich im Ai. Hier weist alles auf einen Kurzdiphthong 


1) Ganz anders Hirt, Idg. Gram. II 96. 

2) Wenn Wackernagel ferner auf die Feminina auf - zu Maskulinen und 
Neutren auf -u verweist, so hätte dieser Hinweis nur dann Berechtigung, wenn 
der Nachweis erbracht wäre, daß dieses o in der Mehrzahl der Fälle auf alten 
u-Diphthong zurückgeht. 

3) Vgl. auch Walde-Pokorny, Vergl. Wort, I 804. 


Die Flexion der »-Stämme im Baltisch-Slavischen und Verwandtes. 281 


hin: mugati, musndti, mumösa'), musivdn, musäydti, mösati, mosa-, 
muşká-. Nur das einsilbige muh’) kennt die Dehnung. Von ihm 
wird das spätere mäsa-, das an seine Stelle tritt, in ähnlicher 
Weise die Länge erhalten haben, wie attisches ögduds von des. 
Über die griech. Formen s. u. S. 288f. Dann kann müs nur aus 
* mus gedehnt worden sein, das schon in idg. Zeit aus N. Sg. 
* meus, Gen. Sg. *müsös usw. zu *müs, *müsös ausgeglichen wurde. 
Aus *müs mußte dann durch Dehnung müs werden. Sobald mus- 
mehrsilbig wird, ist die Kürze tatsächlich erhalten, z. B. in dhrti- 
mus-, asvamus-, dhänyamus- u. a. 

Griech. iy$ös entspricht lit. Zuvis, das auf *2zs (ob. S. 228) 
zurückgeht. Auch hier liegt ein einsilbiger Stamm auf -ù vor. 
Im Baltischen ist die ganze Sippe reichlich belegt. Hier weisen 
apreuß. suckans, das im Encheiridion ohne Akzent überliefert ist, 
lit. Zukmistras, lett. zütis „Aal“, lit. Zvejdti?), Zvejüu, Zv&jas*), Zvejä, 
lett. zvejuot, lit. Zvyne sämtlich auf eine Tiefstufe 3x-, zu der die 
nicht bezeugte Hochstufe nur "Zen. hätte lauten können. Ostlit. 
Züti hat die in solchen Fällen bei vokalisch auslautenden Wurzeln 
übliche Dehnung, Zükle, Zuklyste, Züuklininkas und ostlit. Zuklys, 
Zükläuti haben ihr # von *2us. Das erweisen allein schon die 
daneben liegenden Ziükle, Zuklyste, Züuklininkas, Zuklys, Zuklduti, 
Zükla. Aus alledem geht hervor, daß auch hier Z¿- das alte war 
und 2ü- auf einer Dehnung des einsilbigen Wortes beruht. Auch 
bei dem Worte für „Schwein“ läßt sich eine langvokalische 
Wurzel kaum erweisen, vgl. Güntert a a. O. 111. Wie Kretschmer, 
Glotta XIII 132ff. aus ai. s@kard- mit Recht gefolgert hat, liegt 
der Flexion ds, oös, lat. süs, avest. Gen. hū — huvo, ahd. sū eine 
Interjektion su zu Grunde. In solchen Ausrufen kann der Vokal 
bald kurz, bald lang sein. Auf sz weisen lett. suvens, sivens, auf 
sù- aksl. svins, got. svein (Trautmann, Balt.-slav. W. 294). Man 
wird daher auch hier wieder die Dehnung auf Rechnung der 
Einsilbigkeit setzen müssen. 

Diesen drei Wörtern, in denen die Dehnung sicherlich schon 
idg. ist, reiht sich óoëç an. Man darf natürlich nicht die vedischen 
dru-, snu-, ksu- entgegenhalten. Denn die beiden letzten sind 
sicherlich erst aus Komposita wie ghrtasnu-, puruksú-, wo ihre 


1) musnäti zu mumoösa wie germ. liznön zu got.lais (Marstrander Norsk 
tidskr. f. Sprogv. II 102). 

2) Güntert, Idg. Ablautsprobleme 111 rechnet es zu den Abweichungen. 

3) Wo -vé sich zuweilen findet, handelt es sich um falsche Schreibung. 

4) Über die Wortbildung vgl. Lohmann ob. LVII 241. 


282 F. Specht 


Entwicklung regelmäßig war, herausgebildet worden. Auch be 
dru- könnte man an Komposita wie sudri- denken. Aber das ist 
wegen griech. ögös wenig wahrscheinlich. Idg. sind vom N. Sg. 
*dóru (= ai. ddru) im Instr., Dat.-Abl., Lok. Plur. *drubhis, *drü- 
bh(i)ös, *drusú die regelmäßigen Formen gewesen. Da sie zu 
den mehrsilbigen «-Stämmen stimmten, so ist dru- darnach ge- 
bildet worden, und dies hat wieder einen Gen. Sg. droh’) hervor- 
gerufen. Wenn nun griech. ögög Dehnung erfahren hat, während 
ai. dru- kurz geblieben ist, so läßt sich das nur damit deuten, 
daß ójoës einzeldialektische idg. Bildung ist, die also noch in vor- 
griechische Zeit hinaufragt, während ai. drü- erst zu einer Zeit 
geschaffen worden ist, als das Dehnungsgesetz nicht mehr galt. 
Bei der Übereinstimmung von drubhis, drubhyas, drusu mit einem 
ü-Stamm wie sätrubhis, sätrubhyas, sätrusu war eine Neubildung 
wie dru- in jeder Sprachperiode leicht möglich. 

Aus dem Ai. gehört weiter hierher sr- „Strom“. Die Wurzel 
weist sowohl mit ihren ai. Entsprechungen, wie srütd-, srüti-, srötas 
u. a. als auch außerindischen auf Kurzdiphthong’). Kretschmer, 
ob. XXXI 342 hat zwar auf Grund von ai. srävitave, srävitavai 
auch mit zweisilbiger Wurzel rechnen wollen. Aber sie beweisen 
sie so wenig, wie man etwa auf Grund von yamitavaz neben yatd-, 
ramitum neben ratd-, hanitum neben hatd-, haritum neben hrtá-, 
srayitum neben sritd-, namitum neben natd-, smayitva neben smita-, 
smaritvä neben smrta- u.a. auf alte Setwurzel schließen dürfte. 
Also muß eine ehemalige Flexion *sreus, *sr,uös > *sruuös, zu *srüs, 
srüuös umgebildet sein, wo das einsilbige *srüs wieder zu *srüs 
gedehnt wurde. Aus dem Germanischen wird man außer sa, müs 
auch das Reimwort las dahin rechnen müssen, das noch an. und 
ags. die konsonantische Flexion bewahrt hat. Die keltischen Ent- 
sprechungen akymr. leu-eseticc „von Läusen zerfressen“*, korn. lowen 
„Laus“ (Falk-Torp, Norw.-dän. etym. Wört. 666) scheinen auf Kurz- 
diphthong zu deuten. So entscheidet sich Pedersen, Kelt. Gram. 
1305. Nur vermißt er begreiflicherweise außerkeltische Parallelen. 
Pokorny bei Walde-Pokorny a. a. O. II 443 setzt jedoch als Grund- 


1) Ai. daru, griech. ódou, dovods weisen ursprünglich auf eine ganz andre 
Abstufung, ob. XXV 501. 

3) Lit. srove, Akk. sröve wäre für Langdiphthong ein sehr ungeeignetes 
Beispiel, so wenig wie prämone, núomonė, priemonė, sgmone zu maniti, 
naktigone zu ganyti, möle „das Mahlen“ zu mát, öre „das Pflügen“ zu arti 
(Büga, Kalb. 113). Schon der Schleifton zeigt, daß hier keine alte Länge vor- 
liegen kann. 


Die Flexion der »-Stämme im Baltisch-Slavischen und Verwandtes. 283 


form *löus an, noch anders Stockes bei Fick II* 256 *loves-. Bei 
dieser Unsicherheit, die in dieser Frage bei den namhaftesten 
Keltisten herrscht, muß ich mit meiner eignen Meinung zurück- 
halten’). 

Die übrigen einsilbigen #-Stämme haben alte Länge, so 
griech. öpoös, ai. bhrüh, wie ahd. brawa, gall. brīva zeigen. Die 
Flexion war also ehemals *bhreus, *bhrü-es > *bhruues usw. 
Daran möchte ich mit Prellwitz G.G.A. 1886, 764 trotz Kretschmer, 
ob. XXXI 341 doch festhalten. Vgl. auch Joh. Schmidt, ob. XXXI 
330. Das Verhältnis von *bhreuäs zu bhrah ist ungefähr das gleiche 
wie das von ai. däru, griech. óóou, ai. jänu, griech. yóvv zu got. 
triu, kniu. Ebenso sind die ai. jū- „eilend“, sū- „Erzeuger“, bhu- 
„Erde“, wohl auch das in der Bedeutung nicht ganz klare dz-, 
das später belegte syz- und der s-Stamm yäh, lat. zs Schwund- 
stufen von langdiphthongischen oder zweisilbigen Wurzeln. Alt- 
poln. kry, av. xrū ist die aus den obliquen Kasus in den Nominativ 
übertragene Tiefstufe, deren Hochstufe griech. xoer& als Nom. Plur. 
fungiert, Joh. Schmidt, Plur. 338f. Bleibt noch lat. grüs und av. 
srū „Horn“. Sie verhalten sich zu lit. gerve oder griech. xegards, 
xóou-9oç (Gen. Sg.), wie 2gv- zu v oder velü- zu vlū-, ob. S. 232. 
Also auch hier ist die Länge ursprünglich. Sie würde es auch 
für av. sü „Nutzen“, dazu Futurum saosyant-, sein, wenn J. Hertels 
Verbindung mit xaíe < *xarıo zu Recht besteht, Zur Erklärung 
des Avestas und des Vedas, Abh. Sächs. Ak. 1929, 151ff. 

Weiterhin gehört hierher das Wort für „Feuer“ griech. zëo, 
umbr. pir, osk. purasiai”), arm. hur, an. fürr, čech. pór, pýři 
„glühende Asche“. Bartholomae, P. Br. B. XLI 272ff. hat dafür 
eine Grundform *peuör gefordert und Walde-Pokorny a.a.O. II 14f. 
sind ihm darın gefolgt. Dieser Ansatz ist reine Erfindung und 
durch nichts zu stützen. Die obliquen Kasus nvgös, nögd usw. 
und die zahlreichen Ableitungen wie nvod, nvonia, muošooo, 
TTVOETÖS, TVPEUW, zugía, TTVO6W, 20000, TTVO00L, 20000, NVQAXTÉW, 
nvoxain, nvonoltw, nvolxavorog u. a. haben sämtlich kurzen Vokal. 
Umbr. pir aus mär" entspricht genau zëo, in umbr. purome, pureto, 
pure, osk. purasiai steht die Quantität des Vokals nicht fest. Ist 
er lang, so liegt Übertragung aus dem Nominativ vor. Auch an. 
fürr (mask.), čech. pýř, pýři wird man bis auf die Umgestaltung 
nach der vokalischen Flexion unmittelbar zög gleichsetzen müssen. 

1) Ich verweise ferner auf Lohmann, Zeitschr. f. celt. Phil. XIX 62f. K.-N. 


2) Lok. Sg. fem. einer adjektivischen Ableitung. 
3) Bartholomaes Herleitung aus *puör läßt sich schwerlich begründen. 


254 F. Specht 


Auch hier ist der lange Vokal des Nominativs wie in germ. ms, 
altbulg. myš durch das ganze Paradigma durchgeführt worden- 
Wie zu erwarten, hat also nur wieder das Griechische den alten 
Ablaut bewahrt. Er weist unbedingt auf Kurzdiphthong. Der 
Langdiphthong, der in der Regel angesetzt wird, beruht nur auf 
der falschen Verbindung mit ai. pävakd- „Feuer“, wofür die Metrik 
des Rigveda paräkd- fordert (Oldenberg, Hymnen d. Rigv. 477). 
Schon Bartholomae a. a. O. 272 Anm. 2 hat diese Verbindung mit 
Recht abgelehnt, da das Iranische nur die Verwendung als Ad- 
jektiv kennt. Auch im Rigveda ist der adjektivische Gebrauch 
sehr verbreitet. Mit Vorliebe wird hier pävakd- „glänzend“ mit 
agni- „Feuer“ verbunden. Aus dieser Verbindung hat sich dann 
pävakd- losgelöst und die Bedeutung von agni- übernommen. 

Da nög ein r-Stamm ist, so hat man ferner geglaubt, daß 
es die obliquen Kasus mit n bilden müßte, also Gen. Sg. * punes. 
Aber nirgends findet sich davon eine Spur. Das hat eine treff- 
liche Parallele in dem gleichfalls einsilbigen ai. vår, väri. Auch 
hier haben die obliquen Kasus nur r, wie värbhydh, värbhih, des- 
gleichen die außerindischen Entsprechungen av. var, lat. &rīna, 
an. úr, lett. jari- (Elger). Bartholomae, der sonst einen so 
großen Wert auf die Verwandtschaft zwischen „Wasser“ und 
„Feuer“ legt, hat sich merkwürdiger Weise auf das mehrsilbige 
griech. wọ, Öôatos, got. vato, ai. uddn- usw. berufen, obwohl bei 
dem einsilbigen nög die Berufung auf das gleichfalls einsilbige 
Wort für „Wasser“ ai. vár, väri viel näher lag‘). Allerdings ist 
dann jeder Grund, einen obliquen n-Stamm wie *pünds zu fordern, 
hinfällig geworden. Man hat zwar deshalb an got. fon, funins, 
an. fune, apreuß. panno, panustaclan erinnert, zu denen weiter 
got. fani, apreuß. pannean „Moorbruch“, lett. peńava, paña „Pfütze“, 
pane „Jauche“, griech. mevóv ` ueueiavwuevov gehören (vgl. S. B.A. 
1910, 792; ob. LII 116; LV 20; Trautmann, Balt.-Slav. Wort 205). 
Bartholomae a.a. O. hat auch als letzter den Versuch gemacht, 
diese beiden verschiedenen Sippen zu vereinigen. Aber abgesehen 
davon, daß sein Ausgangspunkt, die Parallelbildung zu Üöwe, 
ödarog falsch ist, spricht die Fülle von Analogiebildungen, die er 
annehmen muß, und der Ansatz von nirgends durch die Über- 
lieferung belegten Formen auf das allerdeutlichste gegen seinen 


1) Meine Annahme erfährt nachträglich eine gewisse Bestätigung durch das 
Tocharische. In der inzwischen erschienenen tocharischen Grammatik ist S. 223 
unter „Gruppenflexion® wär — por „Wasser — Feuer“ genannt, wo wär kaum 
etwas andres als der Reflex des ai. var, väri ist. KN. 


— — 


Die Flexion der »-Stämme im Baltisch-Slavischen und Verwandtes. 285 


Versuch trotz der Zustimmung, die er z. B. bei Walde-Pokorny 
a.a. O. II 14f. erfahren hat. W. Schulze hat außerdem S. B.A. 
1910, 792 die unmittelbare Entsprechung von korinth. ITfoorós in 
lit. puřvas wiedergefunden. Das Leugnen dieser Gleichung hilft 
nichts; denn die dort angeführten Tatsachen bedeutungsgeschicht- 
licher Art sprechen eine zu beredte Sprache. Mit der Annahme, 
das ursprüngliche *peuör — *punes sei erst einzelsprachlich zu 
org — nvods umgewandelt worden, ist es dann allerdings aus. 
Das haben auch Walde-Pokorny a. a. O. mit Recht hervorgehoben. 

Sowohl lit. puřvas mit seinem Schleifton, als auch die Kürze 
in sıvods u. a. weisen auf Kurzdiphthong. Nach alledem kommt 
nur eine Wurzel peu- in Frage, die die bei Neutren übliche r- 
Erweiterung erfahren hat. Wenn es nicht möglich ist, diese 
Wurzel etymologisch anzuknüpfen, so ist das gleichgültig. Gerade 
bei derartigen alten Bildungen kommt es nicht selten vor, daß 
sie etymologisch unklar sind, vgl. Schwyzer, ob. XLVI 166. Dann 
lautete die Flexion ursprünglich *peur — *pürös, das dann in 
andrer Richtung als vár zu *pür — püröds ausgeglichen wurde. 
Ein solches *pür mußte wieder zu *pür gedehnt werden. Das 
liegt im Griech., Ital. und mit Umbildung nach der vokalischen 
Flexion im Armen., teilweise auch im Germ. und Slav. vor. Bar- 
tholomae a. a. O. 293 weiß den Zirkumflex von nöe nicht zu 
deuten. Er wird nun bei dem nachträglich gedehnten Vokal 
völlig klar und stimmt genau zu us, ixdös, Ögüs, ds, oe, dem 
unten zur Sprache kommenden >ë? und dem zweisilbigen vedi- 
schen nū’). 

Die Behandlung der andern germ. Formen, wie ahd. fuir, 
fiur usw. kann hier gleichgültig sein. Sie sprechen jedenfalls 
nicht für einen Langdiphthong. Am richtigsten hat nach meiner 
Meinung darüber Brugmann, IF. XXXIII 311f. geurteilt. Er setzt 
Juir = *puu£ri, fiur = *peuri. Ich weiche nur insofern ein wenig 
von ihm ab, als ich bei der Grundform von fiur auch mit einem 
*péusr(i) rechne, das über fiuur(i) zu fiur wurde, wie *niuun zu 
got. niun. fiur würde sich dann zu zög verhalten wie ai. vdri zu 
vår). Die ehemalige Flexion *peu,r oder peuri — *püres ist dann 
germanisch zu Gunsten des Nominativs ausgeglichen worden. 


1) Auch im Litauischen erhält eine Partikel (Interjektion), die durch starke 
Betonung gedehnt wird, den Schleifton, vgl. Taut. ir Zod. IV 574 in einem Liede 
aus der Umgebung von Panevėžys: Oi cit cyt Sünys, nelokyte. 

2) Man erklärt var in der Regel zwar als Wurzelwort, aber nichts spricht 
dagegen, es wie zö-e in vã-r zu zerlegen. 


286 F. Specht 


Ein Rest der ursprünglichen konsonantischen Flexion liegt viel- 
leicht noch vor in den Monseer frg. 16; fyur forbrennitun. Es 
kann nur alter Lokativ auf -i sein, der instrumentalisch verwendet 
wurde. Die von Schatz, Ahd. Gram. 205 in gleichem Zusammen- 
hang genannten dorf, holz, hüs haben damit nicht das geringste 
zu tun. 

Auch fuir aus *puueri braucht nicht auf Langdiphthong zu 
weisen. Es kann idg. *p,ueri aus älterem *peueri sein. Dann 
verhält es sich zu *peu-;r(-i) wie ungefähr ai. ödhar-, lat. über zu 
griech. oë9ao, nur daß in oó9ao noch alter Dental am Ende ge- 
standen hat. Es kann aber auch — und das dünkt mich wahr- 
scheinlicher — das von Schwyzer, ob. XLVI 166f., für das Griech. 
und Avest. nachgewiesene Suffix -ver, vr (av. -var, griech. rao) 
vorliegen, das die Bedeutung eines Nomen actionis oder acti hat. 
Nur ist im Avest. und Griech., wo das Suffix noch einigermaßen 
lebendig ist, der Zusammenhang mit dem dazu gehörigen Verbum 
bewahrt geblieben, während er in dem ganz isolierten *pu-uér-i 
verloren gegangen ist. 

Noch ein weiteres Beispiel wird man hierher rechnen müssen. 
Im Rigveda findet sich öfter ein Adverbium sajöh in der Bedeu- 
tung „vereint“. Die teilweise gleichbedeutenden sajösa- und sa- 
jóşas- lassen keinen Zweifel darüber, daß in dem 2. Gliede -jüh 
die gleiche Wurzel wie in jusäte „genießen, sich erfreuen“ steckt, 
die sich außerdem im Iran., Griech., Lat., Germ., Kelt. und wahr- 
scheinlich auch im Alb. wiederfindet. Überall in dieser reich ver- 
breiteten Wortsippe erscheint Kurzdiphthong. Nur sajüh steht 
abseits. Nun kann es ursprünglich nur ein Nom. Sing. gewesen 
sein in der Bedeutung „zusammengenießend“, vgl. auch Wacker- 
nagel, Ai. Gram. Il 1,74. Dann hat zech darin die ursprüngliche 
Bedeutung eines Adjektivs oder Nomen agentis. Es deckt sich 
also dabei genau mit ai. müh zu mösati ursprünglich „stehlend“, 
„Stehler“, dann „Maus“ und wie dieses war auch jzs als Simplex 
denkbar. In dieser Verwendung ist es gleich muh zu jūh gedehnt, 
aber frühzeitig durch joştár- ersetzt worden. Nur in dem ad- 
verbiell erstarrten Kompositum sajüäh hat sich die alte Dehnung, 
die im Simplex entstanden war, erhalten. 

Es hat sich also ergeben, daß in mūs, sajüs, pūr und in einer 
Anzahl einsilbiger #-Stämme Dehnungen vorliegen. Demnach sind 
in den einsilbigen -Stämmen schon in idg. Zeit zwei ganz 
verschiedene Klassen zusammengeflossen. In der einen ist -% 
regelmäßige Tiefstufe einer langdiphthongischen, zweisilbigen oder 


Die Flexion der »-Stämme im Baltisch-Slavischen und Verwandtes. 287 


einer ehemals zweisilbigen mit u-Diphthong erweiterten Wurzel. 
In der andern Klasse gehört - zu kurzdiphthongischen Wurzeln 
und kann nur im Nominativ nachträglich gedehnt sein’). Dann 
stimmt diese Dehnung genau mit der von griech. »ö», ved. ahd. 
nū gegenüber vò, në, von ahd. dé, apreuß. tou gegenüber lat. tă, 
griech. ob überein’). Osthoff, M. U. IV 351f., der auf die zuletzt 
genannten Formen zuerst hingewiesen hat, wollte in der Dehnung 
von nū und dù seine nebentonige Tiefstufe sehen. Dagegen haben 
Bechtel, Hauptprobleme 149ff. und Kretschmer ob. XXXI 337f. 
angenommen, daß eu, ou in der Tonlosigkeit zunächst zu & wurden. 
Erhielt dieses & aus irgend einem Grunde nachträglich den Ton, 
so blieb die Länge erhalten, sonst wurde % in einer jüngern 
Sprachperiode zu č gekürzt. Diese Annahme ist heute fast All- 
gemeingut geworden. Vgl. Wackernagel, Ai. Gram. I 92f.; Hirt, 
Idg. Gram. II 95. Auch Güntert a. a. O. 108. 120f. steht auf diesem 
Boden. Aber nz und tz können nicht das beweisen, was sie 
sollen. Denn sie stehen genau mit *müs, “jūs, *srüs, *ghhus, 
*drus, *pür auf einer Stufe, d. h. alle diese Bildungen sind ein- 
silbig und haben von Hause aus kurzen Vokal, der bei der einen ` 
Gruppe durch ehemalige Enklise, bei der andern durch Ausgleich 
schon idg. hervorgerufen ist. Vgl. noch u. S. 2971. 

Diese Darlegung über die 2-Stämme erfordert nun aber z. T. 
eine andre historische Beurteilung des Wechsels von Länge und 
Kürze bei ehemaligen Einsilbern. W. Schulze, Qu. ep. 133 hat 
die Kürze des o im Dat. Plur. von öodol, ovol, iy9%66 povo, 
die seit Homer gilt, als alten Ablaut deuten wollen. Dem haben 
Brugmann-Thumb, Griech. Gram.* 208f. widersprochen und die 
Kürze als Übertragung aus ¿y9Zos usw. ansehen wollen. Wacker- 
nagel-Debrunner, Ai. Gr. II 192 haben zugestimmt. Eine solche 
Übertragung wird durch den homerischen Tatbestand nicht nahe 
gelegt. Denn es bleibt dann ganz unverständlich, warum die mehr- 
silbigen #-Stämme, die sonst völlig einheitlich mit den einsilbigen 
a-Stämmen flektieren, bei Homer gerade im Dat. Plur. in der 
Regel die Länge erhalten haben (W. Schulze, Qu. ep. 132) und 
erst in nachhomerischer Zeit auch hier die Kürze einführen. Wenn, 

1) Unmöglich ist auch die Annahme aus obliquen Kasus, wie etwa *"sruues 
aus sraues wäre sruu- in den Nominativ gedrungen. Dagegen spricht erstens 
müs, sajus und pür, die nicht so gedeutet werden können, zweitens auch dee, 
da es hier ursprünglich Formen wie *druues überhaupt nicht gab. 

2) Ob auch lit. ie usw. in gleichem Sinne verwandt werden können, bleibt 


doch sehr zweifelhaft, da sich die Dehnung hier auch in den mehrsilbigen Formen 
des gleichen Stammes findet. 


288 F. Specht 


wie wir ausgeführt haben, Länge des # in done, oös, ds, iydösg nur 
bei Einsilbern berechtigt war, so sind dovol, ovol, iy$Voı die regel- 
mäßigen Formen, die man zu erwarten hat. Dazu stimmen die 
Kürzen im Kompositionsvokal in avgooßds, üpooßös, avBwrns, ov- 
ßdcrov"), in einer Ableitung wie ovgeös, in ixdvßdAw (Aeschyl. 
Sept. 131) iy$ußolevs Hesiod, Fre. fals. 15, Nikander Ther. 793, 
um über die vielen Komposita mit iy9%- bei Späteren ganz zu 
schweigen, ferner in Ögvrduog”), ÔQUÓXOS, Hevnenns, ÖgvaoAdstıng, 
dovmerng, wohl auch doo, Dann müßte öygöcı diesen Wörtern 
nachgebildet sein. Denn hier wäre nur alte Länge am Platz. 
Die Kürze wäre auch bei der Schulzeschen Erklärung bei einer 
ehemaligen langdiphthongischen Wurzel nicht recht zu verstehen. 
Umgekehrt hätte sich im Ai. srasu statt *srüsu, srubhis usw. nach 
den andern einsilbigen ö-Stämmen gerichtet. Für beide Sprach- 
gruppen ist der verschiedene Weg, den der Ausgleich genommen 
hat, wohl verständlich. Im Griechischen überwogen die einsilbigen 
4-Stämme mit ehemaligem kurzen A, im Ai. mit langem o Dazu 
ist für das Griech. bildungsgleich mit den -Stämmen auch wöc. 
Schwieriger ist die Beurteilung des Lateinischen. Die Kürze in 
sücerda und sübulcus stimmt wohl genau zum Griechischen. Ob aber 
auch in subus neben säbus etwas Altes zu sehen ist, bleibt mir doch 
zweifelhaft. Hier könnte die Kürze auch aus suis usw. stammen. 

Auf einem besondern Brett steht das Wort für die „Maus“. 
Es hat im Griech. überall außer in den einsilbigen Formen kurzen 
Vokal, auch im Dat. Plur., wie Batrach. 173, 174, 178. Aber da- 
neben ist durch Choeroboscus auch ein uvol bezeugt, das W. 
Schulze, Qu. ep. 133f. überzeugend als #vo-ol deutet. Nachdem 
im Idg. einmal eine Flexion * müs, *muüsös entstanden war, lag 
es nahe, sie nach der Art der sonstigen Einsilbler zu regeln und 
müs- ist dann als sogenannter starker Stamm auch in den Nom. 
Plur. eingedrungen, vgl. ai. müsah. Im Griech. hat W. Schulze, 
Qu. ep. 134 Anm. 3 im Anschluß an Bergk, Opusc. II 270 diese 
Form bei Epicharm frg. 44 wiederfinden wollen. Falls der Vers 
bei Athenäos VII 308e richtig überliefert ist, so ist an der Länge 

1) W. Schulze, Qu. ep. 37 verlangt allerdings in der Komposition die „forma 
debilior“. Daran ist nicht zu zweifeln. Nur müßte dann ovß@zns nach dem 
bisherigen Standpunkt 2. Reduktion sein. Für derartige Formen aber ist in der 
Komposition kein Platz, wie auch vavayds, Bodßeweorıs, ai. gojtt, govfs u.a. zeigen. 

3) Wegen gelegentlicher, wohl durch metr. Dehnung bedingte Länge in 
deünena „olivam“, vgl. Wackernagel a. a. O. 186 Anm. 1. Nicht weiter auffällig 


ist auch die Länge in yegdv6gdo» Apoll. Rhod. I 1118, denn er mißt nach doe 
auch deduds, Wackernagel a. a. O. 185. 


Die Flexion der x»-Stämme im Baltisch-Slavischen und Verwandtes. 289 


nicht zu zweifeln. Die sonstigen Herausgeber haben aber, um 
noch eine More zu gewinnen hinter uveg eine Kürze ergänzt, so 
Ahrens = frg. 28 ër, Meinecke Athenäos a a O. åw’. Kaibel läßt 
beidemal in der Athenäosausgabe und bei Epicharm eine Lücke. 
Veranlaßt ist ihr Verfahren dadurch, daß sich sonst die Länge 
im Paradigma außerhalb der einsilbigen Formen nicht nachweisen 
läßt’). Wohl aber ist sie vorhanden in uvov und uvyaln, W. 
Schulze, Qu. ep. 134 Anm. 3, wo ich zu den dort genannten 
Stellen Nikander, Ther. 816 uoyal&nv hinzufüge. uvodoxos, das 
Osthoff, M. U. IV 217 aus Nikander, Ther. 795 notiert, ist für 
diese Zwecke belanglos, da Nikander kein rechter Gewährsmann 
sein kann. Dazu verweise ich auf Ther. 490 uvdygovs, Alex. 305 
uvoxtóvov, Ther. 225 uvovoog, aber ebd. 287 uvovoog und auf 
Schneider zu Ther. 287, der noch andere widersprechende Mes- 
sungen, wie Alex. 396 uvioscı, aber Ther. 787 uvia, Ther. 887 
oidas, aber ebd. 72 olöng u.a. notiert. Brugmann-Thumb, Griech. 
Gr.* 209, Anm. 1; Brugmann, Gr.’ II 1, 137 haben Ablaut geleugnet 
und nur uv- als das Alte anerkannt. Da müs als Einsilbler mit 
der betonten Genetivendung -¿s/ós Akzentwechsel gehabt hat, so 
muß auch Ablaut damit verbunden gewesen sein. Das ist so 
selbstverständlich, daß jede andere Erwägung dagegen verstummen 
muß. Allerdings neigen die idg. Sprachen dazu, den Wechsel 
zwischen langem und kurzem Vokal gern auf Kosten der Kürze 
einzuschränken. Ich erinnere nur an ai. vdk väcds, an Präsentia, 
wie ydti, yamdh, Wurzelaoriste wie ddäm, ddäma, čßņv, Eßnuev, 
wo manchmal nur geringe Reste noch die alte Abstufung erkennen 
lassen. Im übrigen ist m&h im ältern Indischen viel zu spärlich 
überliefert, als daß man unbedingt von durchgeführtem 6 sprechen 
könnte. Im Lat. ist von vornherein mit erhaltnem Ablaut nicht 
zu rechnen. Auch das Germ. meidet ihn bei einsilbigen Wörtern. 
So bleibt eben nur das Griechische. Brugmann gegenüber räume 
ich allerdings soviel ein, daß die Flexion oös, opd, ógpoos, povos 
usw. die Erhaltung von uös, uvdg gefördert haben, von, uvol und 
der Akk. Plur. uös müssen ihnen ohnehin nachgebildet sein. uvo®» 
hat die Länge aus wös, wie denn auch nichts dagegen spricht, 
daß die ganze Bildung erst urgriechisch ist. 

Etwas anders steht es mit der Länge im Dat. Plur. mehr- 
silbiger z-Stämme. Homer kennt sie noch an 5 Stellen für véxvo,, 
yevvor, nlıvoı, wofür um geschrieben ist, W. Schulze, Qu. ep. 

1) Vgl. uves Theokrit. 2248, Batrach. 6, 132, 301, Aischylos frg. 34, Aristo- 


phanes Ach. 762, Nikander frg. 83, Anaxandrides (K. II 153 frg. 4161). 
Zeitschrift für vergl. Sprachf. LIX 3/4. 19 


290 F. Specht 


132. An einer Stelle v 78 Zero ist bereits Kürze vorhanden. 
Dafür hat Schulze Zoe dugınoledsıw schreiben wollen. Für 
nötig halte ich die Änderung nicht. Genau wie im N. Sg. der 
Barytona ue die Regel ist, so wird auch in dem Dat. Plur., wo 
allein sich die Länge erhielt, die Kürze eingedrungen sein. Dafür 
könnte Zoo das älteste Beispiel abgeben. Die spätre Zeit 
kennt fast nur die Kürze. Im allgemeinen sind aber derartige 
Dative nicht zahlreich in der Poesie belegt. Das älteste nachhom. 
Beispiel iyvvoı (hymn. Herm. 152, Nikander Ther. 278) zeigt schon 
Kürze, ebenso ßorevas (Ilias parva frg. 6,, Euripides frg. 530s, 
Nikander Ther. 873). Ferner y&vvoı (Pindar Nem. 56, Soph. Antig. 
121, Euripides Phoen. 32, frg. 537, Aristophanes Av. 1065), vé- 
xvoıw (Aristoph. Thesm. 1055), doxvoı (Eurip. Bak. 231, 451), Di- 
kaiogenes (Nauck frg. 1ı), Ariphron (Diehl, Anth. lyr. II 131), 
vnövoı (Nikander Ther. 467). Sehr viel mehr Beispiele wird es 
bis zur hellenistischen Zeit in der Dichtung nicht geben. Nur 
einmal Pindar frg. 203, ist in y&vvooı, wofür y&vvor zu schreiben 
ist, die Länge erhalten. Der Unterschied zwischen N. Sg. und 
Dat. Plur. bei Barytona besteht also darin, daß der Nom. Sg. in 
der Regel Kürze zeigt, während der Dat. Plur. in ältester Zeit 
die Länge durchgeführt hat. Dazu stimmt auch hom. ßoreddör. 
Andere Ableitungen von diesen Stämmen schwanken zwischen 
Kürze und Länge, so ĉıvoós (W. Schulze, Qu. ep. 336 Anm. 2; 
ob. LII 311). Allerdings will W. Schulze a. a. O. 132 auch bei 
zízus und yévvs bei Homer mit Länge rechnen. Aber dagegen 
sprechen 0409, 462, 0 729 Yonvvv und E724 froe, Wenn véxõs 
bei Homer Länge zeigt'), so wird das auf seiner Herkunft aus 
Langdiphthong beruhen, Brugmann, IF. XVII 488, XXXIII 283. 
Dasselbe gilt sicher für x£4us, das mit Länge hymn. Herm. 24, 
33, 153 überliefert ıst. Wenn dafür auch die Kürze eintritt, so 
ist das damit zu erklären, daß die meisten Barytona von jeher 
-üs, Am gehabt haben, vgl. Sappho frg. 103, x&4v, Euripides Alk. 
447 y&Avv, Kallimachos hymn. 11 16 séin Merkwürdig ist nur, 
daß véxvçs außerhalb Homers im Gegensatz zu x&Avg die Länge 
nicht mehr kennt, vgl. Pindar, Päan 6, Simonides frg. 80s, 
Euripides Hik. 70, Alkest. 599, Theokrit. 221, Kallimachos Epigr. 
175 vexvv”). Liegt der Grund etwa darin, daß Wörter auf oe 


1) Bei neiendös T'60, neienov P 520 liegt Dehnung in der Arsis vor, vgl. 
Hartel, Homer. Stud. I 111; Dooxös B 862 bedeutet nichts, da der Genitiv 
Dopxüvog lautet. 

2) Vgl. auch das Material, das Gunnerson a. a. O. 37f. zusammengestellt hat. 


Die Flexion der »-Stämme im Baltisch-Slavischen und Verwandtes. 291 


die Maskulinum sind und eine Person bezeichnen, etwas Unge- 
wöhnliches sind? 

Man müßte die gleiche Dehnung auch bei den einsilbigen 
‚Stämmen erwarten. Aber das Material ist sehr dürftig, und die 
Dinge sind nicht so klar wie bei den #-Stämmen. In griech. Are 
ist 3 wahrscheinlich Reduktion eines Langdiphthongs, W. Schulze, 
Qu. ep. 70f., bei «ig ist das Etymon unsicher, so bleibt zunächst 
sis „Kraft“, das nur noch in fer alte -Flexion zeigt, im übrigen 
aber schon durch heteroklitisches tvdg') vertreten wird, dazu lat. 
vis, vim. Da nach Ausweis von ai. veti, váyas der Wurzel Kurz- 
diphthong zukam, so beruht vis wieder auf einer ehemaligen 
Flexion *veis, *v,ies > *viies. Dazu wurde idg. neu der Nom. *vis 
gebildet, der aber als Einsilber die übliche Dehnung erhielt. Das 
neben lat. vis stehende vires kann mit Joh. Schmidt, Plur. 384#£. 
Reduktion einer s-Erweiterung weies- sein, vgl. jedoch auch Sommer, 
Hdb.* 354. Aber schwierig ist die Deutung von ¿ in ai. vird-, av. 
vira-, lit. vyras gegenüber lat. vir, air. fer, got. wair. Man könnte 
annehmen, die Kürze wäre das Ursprüngliche und z stamme aus vis. 
Aber dann macht die Intonation des Litauischen Schwierigkeiten, 
da man wegen *Züs u.a. (ob. S. 231 und 285) Schleifton erwarten 
sollte. Außerdem wird der Wechsel zwischen Länge und Kürze 
bei -ro-Ableitungen durch andre Paare, wie oxıagdg — dvınods 
(W. Schulze, ob. LII 311) als uralt erwiesen. Ein zweites griech. 
sis wird durch die Hesychglosse vc: iuds (Fick ob. XLIV 338f.) 
gesichert. Fick hat dazu wohl mit Recht auch yeido0»' čvôvua 
= seidgov und yırda = Fırda gestellt, wofür recéo zu schreiben 
ist (ob. S. 220), ferner sei an ai. vdman- „Webstuhl“, av. vaeti 
„Weide“, griech. oioda u. a. erinnert. Aus ihnen ergibt sich 
abermals eine kurzdiphthongische Wurzel ve. Allerdings hat 
man auf Grund von lat. viötus”) auch eine Wurzel mit Sonant 
und langem Vokal angesetzt, so z. B. Kretschmer ob. XXXI 383, 
Ich glaube aber nicht, daß ihre Stützen sicher sind. Das Präsens 
lautet ai. vayati und vydyati. Die letzte Bildung hat durch W. 
Schulze ob. XXVII 605 ihre Aufklärung gefunden. Zu väyati 
stimmt altbulg. povijg, zu vydyati lat. viere. Lit. eeé kann váyati 
sein, aber auch auf *vjejú zurückgeführt werden und vyáyati fort- 


1) Anders darüber Scheftelowitz, IF. XXXIII 159. 

s) Auch ai. oyäna- stimmt nur scheinbar zu viētus. Wie ich über Hirts 
sogenannte schwere Basen denke, habe ich ob. LIX 81ff. auseinandergesetzt. 
Ich sehe in oyana- eine der üblichen Wurzelerweiterungen mit langem betontem 
Vokal. Vgl. Brugmann, M. U. I 1f. 

19* 


292 F. Specht 


setzen. Von dem Präsens *vi-&i-s lautet die Tiefstufe vg Sie 
liegt vor in vimen, falls es nicht richtiger = *veimen ist, und 
besonders in ai. vītá, lit. vytas, aksl. povite, lit. vytis, lat. vitis usw. 
Lat. vievi, vietus können zu viere gebildet sein, wie plēvi, pletus 
zu pleo. Maßgebend für diese Flexion war der einsilbige Stamm. 
Denn ein ursprüngliches *ovjeo stimmte genau zu pleo, neo. Also 
kann griech. gie, dessen weitre Flexion nicht feststeht, wieder 
auf Dehnung aus *uis beruhen. Ä 

Aus dem Ai. wird %- begehrend hierher gehören (Wacker- 
nagel, Ai. Gr. HI 179). Da das Präsens véti wie oben bei gie 
auf Kurzdiphthong weist, neben veti aber auch die Präsensbildung 
vyánti liegt, so kann die Länge in vitar- „Verfolger“ wieder 
Schwundstufe von einem Präsens *ui-ei-ö sein. Dagegen ist in 
ai. bhi- und dhi- der lange Vokal regelmäßige Schwundstufe. 
Das gleiche wird für z in srī- gelten müssen, obwohl außerarische 
Parallelen fehlen, vgl. Bartholomae, IF. VII 73 Anm. 2; str: ist 
etymologisch unklar. Auffällig bleibt, daß die Flexion für den 
„Vogel“ *veis, *v,ies, *vibhis nicht idg., wie es sonst zu sein 
pflegt, zu *vis > *vis, *viies ausgeglichen ist. Der Nom. *ueis und 
Plural *weíes ist bis in das Vedische hinein als veh und vdyah er- 
halten geblieben, und wie zu drubhis ein Gen. droh, so ist zu 
vibhis, vibhyah ein Genitiv ves neugebildet worden. Der Akkusativ 
*vayam ist bereits durch vim, das den mehrsilbigen :-Stämmen 
nachgeschaffen wurde, ersetzt worden. 

Auch beim Pronomen läßt sich bei Einsilbern die Dehnung 
noch nachweisen. Zwar das Fragepronomen dis, opd muß schon 
Idg. die Gestalt des ihm gleichgebildeten Indefinitums angenommen 
haben. Denn sonst läßt sich die Kürze überhaupt nicht deuten’). 
Dabei hat selbstverständlich mit beigetragen, daß -is, -im die 
regelmäßige Endung der i-Stämme war. Vgl. auch Meillet, BSL. 
Anz. XXIII 18f., der aus ganz andern Gründen für die Ursprüng- 
lichkeit des indefiniten q%is eintritt. Schwieriger ist mit dem 
Pronomen i- ins Reine zu kommen. In ai. ay-dm ist die Länge, 
die wir zu erwarten haben, noch erhalten, aber lat. got. is weisen 
bereits auf Kürze, und im Akkusativ liegt sie im ai. im-dm, 
(griech. iv), lat. im, got. ina vor. Thurneysen ob. XXXV 198 
hat auf Grund dieses Tatbestandes ¿m für Ide. gehalten, während 
er im Nom. ei für das Alte erklärt und im Westidg. sich is nach 
im neu dazu gebildet denkt. Bei dieser Deutung bleibt aber der 


1) Auch Hirt, Idg. Gram. III 26 läßt das Fragepronomen gws qvid aus 
dem Indefinitum entstanden sein. 


Die Flexion der »-Stämme im Baltisch-Slavischen und Verwandtes. 293 


Gegensatz zwischen Nom. ei und Akk. im, obwohl er scheinbar 
an ai. veh — vim ein Gegenstück hat, unerklärt. Ich sehe keine 
andre Möglichkeit der Erklärung als die Annahme, daß das Pro- 
nomen ¿ im Gegensatz zum ai. Gebrauch in ältester Zeit auch 
tonlos, d. h. Enklitikon sein konnte. Derartige Verschiebungen 
sind nicht selten, vgl. z. B. Wackernagel ob. XXIV 603; Arch. f. 
lat. Lex. XV 214f. Da die mit im- beginnenden Formen des 
Pronomens sämtlich ai. Neubildungen sind, so ist die orthotone 
Verwendung des neuen Stammes imd- nicht weiter verwunderlich. 
Dann beruht ei auf der betonten, is, im auf der unbetonten Form. 
. Als nun noch in idg. Zeit im wie nu, *tu wieder orthoton wurde, 
mußte es wie nū, *tū, gedehnt werden, das ergab im. Da man 
aber im Ai. später nach aydm ein imdm bildete und im seiner 
Form nach auch Femininum sein konnte, so schuf man weiter 
zu imám ein imdm, um das Genus zu charakterisieren. Sobald 
aber ein volleres imám einem īm gegenüberstand, wurde dieses 
von selbst auf enklitischen Gebrauch beschränkt. Als dann später 
die Enklise bei diesem Pronomen nur noch dem Stamm a- eigen 
war, wurde im als Pronominalform unverständlich und überflüssig 
und sank zur Partikel herab. Ich glaube auf diese Weise kommt 
man dem merkwürdigen ai. zm, über dessen Gebrauch ich auf 
Wackernagel, Ai. Gr. III 519f. verweise, am besten bei. Wacker- 
nagels eigene, wenn auch mit Zweifel vorgetragene Deutung, 
a.a. O. 520, wonach es Akkusativ zum femininen iydm sein soll, 
ist ganz undenkbar. Ob ai. sim, nach dem sich zm als Reimwort 
syntaktisch gerichtet haben mag, auf gleicher Dehnung beruht, 
wage ich bei der Unsicherheit der Herkunft nicht zu entscheiden. 
Wohl aber scheint kzm wie zm beurteilt werden zu müssen, das 
ved. hinter 6 und den Negationen na und mā erscheint. Nur 
bleibt unsicher, wo die Dehnung entstanden ist. Denn im Inde- 
finitum konnte ¿ nicht gedehnt werden. Das zeigen auch die ved. 
nákih, mäkih und das zur Partikel herabgesunkene cit. Außerdem 
ist bereits im Veda der Gebrauch des Stammes ki- so einge- 
schränkt, daß man annehmen darf, die Dehnung sei in Stellungen 
und Gebrauchsweisen entstanden, die man in unsern Texten 
nicht immer mehr antrifft. Wichtig bleibt aber immerhin, daß 
von hi eine gedehnte Form sich nur in der Verbindung nah? 
(nú) findet, also in gewisser Weise zu ndkim stimmt. Vgl. Zubaty, 
Wien. Z. f. K. d. M. IV 98. 

Schwierigkeiten macht mir das Fehlen der Dehnung bei den 
Zahladverbien dvis und tris. Sie haben ai. und griech. den Hoch- 


294 F. Specht 


ton. Da ist der Schwundstufenvokal überhaupt schon auffällig. 
Daß sie jemals idg. proklitisch verwandt wurden, läßt sich nicht 
erweisen. Außerdem sind die Bildungen so isoliert, daß eine 
Entstehung des i durch analogischen Einfluß wenig wahrschein- 
lich ist. Nur gegenseitig haben sich die Zahlen stark beeinflußt‘). 
Da halte ich es für sehr erwägenswert, daß tris erst durch dvis 
oder umgekehrt bedingt ist. Ich sehe zwei Erklärungsmöglich- 
keiten. Durch das Metrum ist im Rigveda neben dvik die Doppel- 
form duvih gesichert. Hier mußte im mehrsilbigen Wort die 
Dehnung unterbleiben. Dieses duvik könnte dann auf dvih und 
weiter auf itrik gewirkt haben. Daneben kann auch Folgendes 
zur Erhaltung von dvis beigetragen haben. Wie sich unten er- 
geben wird, ist die Dehnung im einsilbigen Wort unterblieben, 
wenn auf ¿ oder u mehr als ein Konsonant folgte. Die Zahl- 
adverbien deis, tris sind nur im Arischen, Griechischen und La- 
teinischen in dieser Form erhalten. Fragt man, ob noch ein 
Konsonant hinter -s geschwunden sein könnte, so käme nur -t 
in Betracht. Denn auf Grund von lat. ðs, griech. dor&ov ließe 
sich os aus *ost über *oss deuten, Sommer, Hdb.’ 278. Von den 
Kardinalzahlen 1—10 ist jede einzelne, worauf W. Schulze wieder- 
holt hingewiesen hat, mit besondern Mitteln ursprünglich gebildet 
worden. Freilich der Ausgleich hat dann nach allen möglichen 
Richtungen gewirkt. Denselben alten Zustand könnte man bei 
den Iterativzahlen vermuten, die im Idg. wenigstens bis 4 vor- 
handen waren. Erst kürzlich hat auch Lommel, Zeitschr. f. Indol. 
VI146f. darauf hingewiesen, daß eine arische Grundform *eaturs 
mit -s rein hypothetisch auf Grund von dvis und tris erschlossen 
ist. Er selbst entscheidet sich für ein endungsloses *čatur. Ist 
das richtig, so könnte man als Endungen der Iterativzahlen an- 
setzen für 2 -st, für 3 -s, für 4 Null. Ein solches st läßt sich 
durch die Wortbildung wahrscheinlich machen. Solmsen, ob. 
XXXVII 20f. hat auf mehrere Bildungen des Germanischen mit 
st verwiesen, wie an. fvistr „zwiespältig*, nhd. zwist „Streit“, 
mengl. tvist „Zweig“, nhd. dial. zwister „Zwitter“ ua, in denen 
er allerdings ein Suffix -sto suchen will. Noch deutlicher ist griech. 
dora „zweifle“. Die Annahme eines verloren gegangenen Ad- 
jektivs *dıoros, das die Grundlage für dıoralw") abgegeben haben 


1) So erklärt man auch / in dem in der Komposition verwendeten dvi- 
als bereits idg. Einfluß von Gi Vgl. Wackernagel, Ai. Gr. III 343. 

2) dıoralw wird aus euphonischen Gründen für *dsositw stehen, wie dıxalo 
für $ ërifeo, vgl. W. Schulze, ob. XLIII 186f. 


Die Flexion der »-Stämme im Baltisch-Slavischen und Verwandtes. 295 


soll, ist völlig überflüssig. Sowohl die germ. Formen, als auch 
griech. dıordöw können unmittelbare Ableitungen von *dvist sein. 
In diesem *dvist hätte die Dehnung unterbleiben müssen, *tris 
kann dann davon beeinflußt sein. Umgekehrt kann wieder tri-s 
auf Ableitungen von *dvi-st gewirkt haben”). Der Schwundstufen- 
vokal ¿ wird von den in der Komposition üblichen dvi- und tri- 
herrühren, die manchmal *dvi-st und *tri-s in der Bedeutung 
sehr nahe kommen. 

Nicht weiter auffällig ist das Unterbleiben der Dehnung in 
ai. yu-. Das Wort wird aus der Komposition stammen, wie in 
subhamyü-, samyü-. Auch auf vanargú-, ddhrigu-, prthustü, wo es 
einfaches *gu- oder *stu- gar nicht gibt, sei verwiesen. 

Auf einem besondern Blatt steht das Unterbleiben der Deh- 
nung bei einsilbigen konsonantischen Stämmen mit i oder w in 
der Wurzel, wie id „Labung“*, Ze „Erquickung“, ksip „Finger“, toís 
„Schrecken“, dvis „Haß“, nid „Spott“, pis „Schmuck“, vis „Haus“, 
úş „Morgenröte“, ksúd „Hunger“, ksubh „schnelle Bewegung“, túc, 
túj „Nachkommenschaft“, dyut „Glanz“, drúh „Leid“, dhür „Deich- 
sel“, múd „Lust“. Sie müssen sämtlich früher Ablaut gehabt haben, 
also etwa N. Sg. *neid-s, Gen. Sg. *nid-ös oder N. Sg. *meud-s, 
G.Sg. *mud-6s. Dann ist zu Gunsten der obliquen Kasus schon 
idg. Vokalausgleich eingetreten”). Wenn trotzdem im Gegensatz 
zu uös, iy$ös Dehnung im einsilbigen Nominativ nicht erfolgte, 
so trug die Schuld das auf den schließenden Wurzelkonsonant 

1) Mitunter ist bei derartigen Ableitungen gar nicht zu entscheiden, ob 
ihnen die in der Komposition üblichen dei, tri- zugrunde liegen oder die 
Iterativzahlen. 

2) In ai. yoh kann der volle Vokal des Nominativs noch erhalten sein, 
weil es keine obliquen Kasus kennt, ein Ausgleich somit unmöglich war. Wie 
es zwar etymologisch zu deuten ist, bleibt mir unsicher, vgl. Kretschmer, ob. 
XXXI 331. Der unmittelbare Zusammenhang mit lat. dos scheint mir sachliche 
Schwierigkeiten zu bereiten. Auch das Lautliche stimmt nicht. Brugmann, Gr.? 
II 1, 516 erklärt die Schwächung ¿jous aus joues im Anschluß an Bartholomae, 
Air. Wört. 1234 aus der Komposition. Das könnte man vom iranischen Stand- 
punkt aus begreiflich finden. In der Tat findet sich av. yao2- nur in Kom- 
positen mit Hinterglied, das zu dä gehört, wie in yaoZdä-. Aber alle diese 
Bildungen sind im Grunde religiöse Termini, die im engsten Zusammenhang mit 
der Lehre Zarathustras stehen. So werden diese ganzen Komposita erst Neu- 
schöpfungen sein nach dem alten Vorbild *kred-dhe, ai. $srad-dhä, av. zrazda, 
lat. credö. Dann ist av. yaož- für alte Kompositionskürzung nicht zu verwerten. 
Zudem ist es überhaupt fraglich, ob nicht wie in srad-dhä Kasuskomposition 
vorliegt. Man hat vielmehr die Verwendung als alt anzusehen, die der Veda 


bietet. Hier findet es sich nur als Nom. oder Akk. des Neutrums genau wie 
das mit ihm verbundene sam und nie in der Komposition. 


296 F. Specht 


folgende -s des Nominativs. Die Silbe war also, metrisch ge- 
Sprochen, schon an und für sich lang. Wie ferner is, dvis, tvis, wS 
lehren, können müs und -jūs (in ai. sajäh) im Nom. Sg. kein -s 
gehabt haben. Der einfachen Wurzel in der Bedeutung eines 
Nomen agentis kam also in idg. Zeit -s im Nom. Sg. nicht zu. 
So sehen beide rein äußerlich im N. Sg. wie g-Stšmme aus. 

Die Dehnung hat also in einsilbigen Wörtern vor Doppel- 
konsonanz im Idg. nicht stattgefunden. Das wird nun durch ein 
metrisches Gesetz im Rigveda aufs schönste bestätigt. Bekannt- 
lich ist dort auslautende Silbe eines kurzen Vokals häufig gedehnt 
worden. Vgl. darüber Benfey, Gött. Abh. Bd. XIX— XXI, XXV— 
XXVII; Oldenberg, Die Hymnen des Rigveda 393ff.; Wacker- 
nagel, Dehnungsgesetz 12f.; Zubaty, Wien. Zeitschr. f. K. d. M. 
II—IV. Im wesentlichen gilt dafür folgendes Gesetz: Die Deh- 
nung unterbleibt in Pausa, d. h. am Versende und starker Zäsur, 
ferner vor vokalischem und mehrkonsonantischem Anlaut, sie 
findet statt im Versinnern vor einfacher Konsonanz (Zubaty 
a. a. O. 11139). Im besondern sind die Gründe der Dehnung bei 
den einzelnen Formen sehr verschieden zu bewerten. Neben 
analogischer Dehnung oder unrichtiger Verwendung bestimmter 
Verbindungen finden sich auch rein metrische Längen. Vielfach 
hat außerdem die Betonung eine Rolle gespielt, wie bei der 
1. Plur. Perf. auf -md, der Imperativendung -sva athematischer 
Verben oder den Adverbien auf zë (Zubaty a. a. O. II 136; II 
153, 295; IV 8). Merkwürdigerweise hat man in den genannten 
Darstellungen die Sonderstellungen der einsilbigen Formen nicht 
recht gewürdigt. Es kommen in Frage nü, tă, su, u, smă, ghä. 
Wenn hi (Zubaty a. a. O. IV 97), ca (ebd. IV 12), ha (ebd. IV 93) 
nur in Ausnahmefällen einmal gedehnt werden, so beruht das 
darauf, daß die Wörter zu der Zeit, als im Idg. diese Dehnung 
eintrat, keinen Ton tragen konnten. Das lehren z. B. das stets 
hoch betonte ¿z (Delbrück, Ai. Synt. 495) oder Ai allein schon 
durch ihre Stellung, die genau zu der der Enklitika stimmt. Die 
ai. Betonung solcher Partikeln muß daher sekundär sein. Nicht 
immer braucht auch die Verteilung im Ai. zwischen Kürze und 
Länge zum Idg. zu stimmen. Es kann sehr wohl möglich sein, 
daß die aus dem Idg. ererbten Doppelformen für betonte und 
unbetonte Partikeln im Ai. gelegentlich nach gewissen rhythmi- 
schen Gesichtspunkten verwendet wurden, zumal dann, wenn im 


Ai. die betreffenden Partikeln nicht mehr Tonträger sein konnten. 


Zu dem Gegensatz *mud-s, aber *müs stimmt nun auf das 


Die Flexion der »-Stämme im Baltisch-Slavischen und Verwandtes. 297 


schönste, daß die Partikel tū im Innern des Verses vor einfacher 
Konsonanz, dagegen tă in Pausa und in der Regel auch vor 
Doppelkonsonanz erscheint (Zubaty a. a O. IV 103). Ebenso sind 
ghä und ghä verteilt (ebd. IV 12). Bei smā ist die Länge oft 
sogar in Stellung vor Cäsur vorhanden. Das widerspricht der 
sonstigen Auslautsdehnung und zeigt die Sonderstellung der Ein- 
silber. Sehr beachtenswert ist in diesem Zusammenhang, daß 
bei den Formen der 2. Pluralis auf -tha die Kopula sthä öfter 
auch wie smä dort die Länge zeigt, wo sie sonst nach den pro- 
sodischen Regeln nicht üblich ist. Diese Ausnahme hat bereits 
Zubaty (a. a. O. H 136; III 90f.) durch die Einsilbigkeit der be- 
treffenden Formen erklärt. Stark beschränkt sind die gedehnten 
Formen von nz, #, së und nur in gewissen Wendungen gebräuch- 
lich. Auch darin zeigen diese Einsilber wieder ihre Sonderstellung. 
Die Partikel nz steht am Anfang des Pada immer mit Länge, 
auch wenn Doppelkonsonanz folgt. Außerhalb dieser Stellung 
ist nū nur in der Verbindung nt cit üblicher (Zubaty a.a. 0. IV 
104f.). Ebenso wird z in der Regel nur in der Verbindung z tú, 
u nú, Z sú gebraucht (ebd. II 137; IV 99ff.). Dabei kann die 
Länge š sogar gegen das Metrum verstoßen (ebd. IV 102). Da- 
gegen ist së auch vor einfacher Konsonanz schon durch su ver- 
drängt. Es findet sich nur vor einfachen Vokalen, in Hebungs- 
Silben (Zubaty a. a. O. IV 107). Die Verwendung von nú cit, ŭu tu, 
und, ua sú — und dazu muß man wohl auch naht nú rechnen 
(Zubaty aa O. IV 98) — muß alt sein. Das lehrt allein schon 
der Umstand, daß sie gelegentlich auch gegen die Regeln der 
Prosodie gebraucht werden. Es stimmt ferner dazu griech. Zuoöye, 
Zuoıye, ugye, d. h. wenn ein Enklitikon sich mit einem andern 
zu einem Begriff verband, so wurde das erste Enklitikon orthoton. 
Im Griech. trat also entsprechend die betonte Form ein. Im ai. 
o und nz, die keine besonderen orthotonen Formen besaßen, be- 
wirkte die Betonung Dehnung. Der ai. Gegensatz in der Be- 
tonung nů cit oder @ sú hat mit der ehemaligen idg. Verteilung 
nichts gemein; ai. su ist ja sonst nicht einmal fähig, einen Satz 
zu beginnen. 

Überblicken wir noch einmal hier das Ergebnis, so hat sich 
Dehnung ergeben in müs, lüs(?), süs, drus, ghpus, gus (in ai. sajüh), 
pür vis (dreimal), im (kim, hi), nū, tū, sū, ū, smä, ghä. Sie sind 
sämtlich einsilbig. Die später gedehnten ¿ oder w sind zunächst 
als Kürzen durch Unbetontheit in der Enklise entstanden oder 
durch Übertragung von i oder u aus den obliquen Kasus in den 


998 F. Specht, Die Flexion der -Stämme im Baltisch-Slavischen u. Verwandtes. 


Nominativ. Es sind also Vokale, die ursprünglich im Hochton 
gar nicht stehen konnten. Die anders vokalisierten ai. Partikeln 
sma und gha weichen insofern von dem gewöhnlichen Bau der 
idg. Wurzel ab, als sie auf kurzen Vokal ohne konsonantischen 
Schluß ausgingen und somit gleichfalls der Dehnung fähig waren. 
Allein auf dem geringen Wortumfang beruht also die Dehnung. 
Sie erklärt sich daher physiologisch nach den Ausführungen 
Wackernagels, GGN. 1906, 147ff. > 

Wie bereits ob. S. 287 bemerkt wurde, jassen sich nū und 
das Pronomen tö von den übrigen Bildungen nicht losreißen. 
Sie können also nicht dadurch die Länge erhalten haben, daß 
sie in einer Periode der idg. Spracheinheit, in der unbetontes eu 
in seiner Entwicklung erst bis zu z gelangt sein soll, von neuem 
den Ton bekommen haben. Dagegen sprechen müs, srüs usw. 
Zwar könnte jemand annehmen, mūs hätte zu einer Zeit % aus 
den obliquen Kasus erhalten, als dort die Stufe ù noch nicht er- 
reicht war, und aus "as, Gen. Sg. *müsös wäre dann je nach 
Betontheit oder Unbetontheit des # ein *müs, Gen. Sg. müsös 
entstanden. Dagegen sprechen aber gebieterisch alle ob. S. 295 
angeführten einsilbigen Wörter mit w oder i in der Wurzel und 
Konsonant mit ehemaligem s, wie ksüdh, gúh, nid. Denn sie alle 
haben als Einsilber genau wie süs, srūs, müs usw. im Nom. Sg. 
den Akzent auf i oder u gehabt und trotzdem lautet er nicht 
mit langem 7 oder o *nid, *ksüdh, *güh usw. Das letzte Wort 
hätte dabei sogar Anlehnung an gühati gefunden. Somit bleibt 
gar keine andre Annahme übrig, als daß langes & und š in den 
angeführten Einsilbern auf idg. Dehnung in einsilbigen Wörtern 
mit einfachem Schlußkonsonanten oder vokalischem Auslaut beruht. 

Dann ist aber auch der Hypothese von Kretschmer und 
Bechtel, wonach aus unbetontem eu idg. ŭ über # geworden und 
ein so entstandenes & unter sekundärem Ton erhalten geblieben 
ist, jeder Boden entzogen. Aus den sonstigen Beispielen, in 
denen kurzer und langer Vokal in derselben Wurzel schwanken, 
läßt sich der Wechsel in der Quantität nicht einfach durch Be- 
tontheit oder Unbetontheit erklären, wenn auch dieses oder jenes 
Beispiel scheinbar stimmen mag'). 

1) Zudem sind auch andere Deutungen der Quantitätsschwankungen nament- 


lich von Meillet, MSL. XXI 193ff. versucht worden. Die Literatur darüber ver- 
zeichnet Marstrander, Norsk. Tidsk. f. Sprogv. IV (1930) 257 Anm. 3. 


Halle (Saale). F. Specht. 


Sachregister. 299 


Sachregister. 


Ablaut:81ff., 193 ff., Lommels Gesetz 1991. 


— Reduktionsstufe 197 f. — Schwund- 
stufe zweisilbiger Wurzeln 89—98. — 
Ablaut beim Femininum -3 : -22 : -ie 
193; art ua: ü, rə: T, mə : m 204. 
Akzent und Intonation: Idg.: Intona- 
tionswechsel bei Adjektiv und Sub- 
stantiv 215. — Tiefstufe von Wurzel- 
erweiterungen zirkumflektiert 233. — 
Akut bei einsilbigen, Zirkumflex bei 
mehrsilbigen 3- und ü-Stämmen 228f., 
231. — Lit.: Verbalstämme auf Lang- 
vokal haben Stoßton, substantiv. Ab- 
leitungen Schleifton 225. — ü + Weiter- 
bildung erhält Zirkumflex 225. 
Bedeutung: dünn : leicht : schnell 93. — 
Flüsse nach dem bewegten Wasser 
benannt 14. — Gefäß- > Körperteil- 
namen 185f. — Monatsnamen 132ff. 
— Wurzel als trinkender Mund der 
Pflanze 28. 

Etymologien: Keltische 13. 
Lautlehre: Dissimilation 179ff. — Deh- 
nung von Einsilblern auf 2 -u + einf. 
Konsonant 280ff., 298. — Rigveda: 
Dehnung auslaut. Kurzvokals 296. — 
Mittelind.: Kürzung von Vokal vor 
Konsonantengruppe 23. — Griech.: e 
und « Vertreter von a 195. — Dissi- 
milator. Digammaschwund 118f. — 
Vokalausgleich im Verbum und Ver- 
tretung von 7, } 98ff. — Dreifache 
Vokalfärbung zweisilbiger Wurzeln 
83ff. — Entwicklung der Labiovelare 
mit Parallelen aus dem Sudanischen 
205#. — Irisch: Vokalangleichung 10. 
— Wechsel von 4 und 21. — Lit.: 
ve- > va- 65 A. 3 (66). — mn >n 
242. — ó und å bei Willent 238 + A. 1. 
Wortkürzung 182ff. — Haplolgie im 
Satzzusammenhang 131. 
Relativpronomen; Stellung 273. — Ge- 
brauch im Veda 273. — Lit.: Lo- 
kativ + jis 269. — Genetiv + jis = 
poss. Adjektiv 275 A. 2. 

Verbum: Verbalsystem des Griech. 150ff., 
des Lat. 165ff., des Roman. 171ff., 
des German. 175ff. — Ausgleichung 
zwischen Iterativa-Kausativa und De- 


nominativa 67. — Aorist, feststellender 
und erzählender 162 ff. — Aoristpräsens 
155. — Impersonalia 60. — Griech.: 
Resultativperfekt 163f. — Passiv- 
tempora 160. — Lat.: Umschreibung 
des Perfekts mit kabeo und teneo 171. 


Wortbildung: Idg. -Motion 223. — 


Erweiterung von »-Stämmen durch A 
221 A.2. — durch -n 217 A. — fem. 
ü-Adjektiva als Abstrakta 218. — 
Im N.sg. neben au, A auch on, -ë 
2521. — -tero- 30. — Verbalabstrakta: 
griech. 2-St., ai.. got., lit., lett. abg. 
u-St. 221f. — Scheidung zwischen a. 
und ö-St. im Ai., Griech. und Abulg. 
2191. — Indo-iran. -ika- 29. — ai. 
deverbale Nomina agentis auf -%: 
Verbalabstrakta auf a 25. — ai. 
-ira- : gr. -ago-, -eoo- 195. — Griech.: 
Bildung des Femininums der u-St. 126#. 
— -goyds 75. — -tvds 291. — Verbal- 
abstrakta auf ce mit unursprüngl. 
Länge 220. — Ihre Verbreitung 220 
A. 2. — Verba auf -óvo 217 A. — auf 
-úw, -doom 221 A. 2. — Präsens zwei- 
silbiger Wurzeln auf -zjö- 40. — Kom- 
posita: mit verbalem Vorderglied 31 ff. 
— als Vorderglied reine Wurzel 76. — 
im Vorderglied o ` Anfügung von £ 
an die Wurzel und Erweiterung von 
Kons. St. in der Kompositionsfuge > 
i-St. 74. — Umstellung der Glieder 64. 
— n-St. im Baltoslav. 213. — Lit.: 
Zweiteilung der »-St. 235. — Flexion 
der men- und en-St. 247. — Betonung 
der en-St. 254. — Adjektiva auf -us 
als Feminina 276f. — -ena 246. — 
-önas 225. 227. — -dnas 226f. — 
-ünas 213. 233. — -ŭnas 216. 225. — 
-ünas 216. — üne : slav. -yni 223. — 
-uonas 259. — -uonis 233. — uonia: 
lett. -uona 259f. — Lett.: Suffix au : 
a (uo) 266. — -aun- 2651. — Unas 
264. — -uons 264. — -uona 261 (Ge- 
räusch), 262 (Krankheiten), 263 (Wit- 
terung). — Slav.: »-Stämme 250. — 
Erweiterung der a-Abstr. und o Rem. 
durch -n7 222. — -anz : balt. -ö(r) 


251, — und- 268. 


300 W ortregister. 
Wortregister. 

Tocharisch. tandti 36 A.2 sanat 99 dußokıeoyds 31 A.1 
ratäk 212 täruna- 217 A. sidhyartha- 23 A. |duviov 186 
B retke 212 dätivära- 719 erg, 282 Guneyövn 246 
wär 284 A. dänu 14 svadman- 241 avdödvo 217 A. 

daru 282 A.1 srütkarna- 14 A.3.\'Avdeoliaos 47 

Altindisch. duvih 294 79 åvtì — Av åvrl 131 
acchidat 19 dru- 282 ia asb anpös 228 A. 1 
acchinat 19 dvin 294 fer: SEH oads 93 
anda- 23 dhünksäa 23 A. zeichnet.) doworogs 97 
adhyuddhi 23 A. |dhrtimus- 281 i Aoxeollaos 63 

š ap. arika- 28 

antra- 23 A. nahı 293 garš- 94 Aouöoara 184 
api-sarvare 20 näri 127 A. 5 np. gila 24 Aouooilas 48 
aydm 292 nū cit 297 tacar 144 dotienis 75 
alika- 29 pattariga- 23 A. ap. parataram 29 "Aotrölas 37 
astar 98 pathikrt 73 A. ap. prirm 29 Goyeöwoog 50 A.1 
ahumsu 26 pära- 29 e åtucúw 184 

Sin? yaoz 295 A. 2 ç 
äkäle 22 pamsaka 23 A. Grp 184 u. A. 2 
8 er e ` mp. ratak 212 
d-pradivam 20 pävakd- 284 h š adödn 121 

Ç ç vi xada 30 

id 295 pävara- 21 A. ER ade 121 
idha 26 piyati 30 É BdAavos 116 
Ri nn sü 283 
imám 293 püstigu- 719 srū 283 BaiAio 98 
ihá 26 prthivi 127 Baoadoov 117 
im 293 bhadrakali 23 Griechisch. BeAdvn 246 
upa-nadam 20 bhära- 21 ğßa 120 Bevöis 231 A 1 
ürdhva 91 majjän- 245 åßńgovo. 120 Beoedoov 110 A. 113 
edändm 19 mahanta- 23 A. aßoo 120 Bılanıov 191 
kalya- 23 märtanda 23A. "Ayaocldauos 63 BAaBeoripowv 34 
kärd- 20 musiväan- 122 aynoliaos 54 Biawipowv 76 
kala- 20 musnäti 281 A.1 |"Ayvååa 189 ßåíittw 102 A. 2 
kälya- 22 mula- 28 dywvos 213 BovnoAlin 85 A.3 
kitavd- 21 A. müh 281 deidw 104. 1191. BodAouaı 104 
kim 293 mrdü 223 deoipowv 56 Bosu£vos 184 
krtä- 21 ydh 273 AL Grdro 57 Bowaoös 196 
krtvah 221 A. 3 yu- 295 dräi 120. 122. 123 | Boöcıs 201 
krpäna- 204 yoh 295 A.2 A. 1 Bvßilva uaoydia 
kridú- 25 rahula- 26 andeooov 120 u. A.3| 186 
garhase 24 vareyat 40 Alyıla 189 Borıdveıpa 38. 78 
garhä 25 vastu- 23 A. alyiAıov 189 ydyyauov 186 
giddhin- 26 A. var 284. 285 A.2 |aiyioxos 72 yaußods 96 
grddhin- 26 A. vi-khidati 30 alyin 188 yelsiv 85 
grdh- 26 vibhis 292 aldnuwv 51 yéverov 220 
gradhra- 26 A. vi- 292 Aivnoidauog 48 yévūv 222 A.2 
grh- 23 vitd 292 Aiginan 80 yeodvdovov 288 A. 2 
grhaye 27 vitar- 292 Greıpenouag 48 Iymeeis 85 
grhú- 25 vird- 291 aigpeoißoıos 64 yıyvoorw 114 
grhe 27 veh 292 dipnorns 55 yiş 291 
cakhäda 30 vyāna- 291 aionng 118 yAayos 203 
tanú- 218 sajuh 286 dußiös 93 yAdoca 203 


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yvados 203 
yvoocıöixa 43 A.1 
yvóğ 201 

yodpo 103 

dad; 220 
daudoaı 105 
dee DL 
deoauyeves 46 
dıadgasınoitins 18 
diasta 212 
dıayavcı 62 A. 
öızods 196 

ölsodaı 196 
Avovöc 228 A. 1 
dıoratwo 294 u. A.2 
óodooaro 104 
doxrnoloopos 66 
oócopoş 66 A.1 
doös 201. 2808. 
övravoı 217 A. 
Swoidıros 33 A.1. 45 
Eypdisı 99 
eynpaolyoAos 63 
Eygenddormos 76 A.1 
Eyyeivs 219 
Zeien 98 
Enßodrio 102 
Enßoncoeı 102 A.1 
Eiı&önegws 44 A. 6 
&Aitooxos 79 
EineoinenÄAos 64 
Eußacınottas 46 
"Eußaoiyvroos 46 
guéw 1181. 

Ewoöye 297 
£vagiußooros 80 A 1 
ET 
&vreoıegyods 57 
Zvvna 84 
Enereıhev 59A. 
EnAcro 200 
goaoınAdnauos 77 
¿oóo 103 
’Eontvuevns 37 
"EodunAos 36 
&oröporaı 84 A.3 - 
edonarenns 50 
ebonolnanos 50 
Eiogdlews 37 


Wortregister. 


Eöodusılos 37 
Eöovpdeooa 74 
Epdyeodaı 53 
Epavoa 61 
raotdauos 45 
reodeı 65 
ris 291 
Zeös 230 A.1 
EnAnwnoves 51 
Codcas 181 
Los 230 
Hyeönuos 54 
hysudyos 54 
hysuüav 51. 531. 
"Hysoilewg 51. 54 A. 
(85) 
hye&xogos 53 
“"Hynuavdoos 54 
hytinav 54 
höeta 127 
ový 246 
Z#utxgoos 130 
Vavaros 115. 197 
GEoavdoos 179 
Hvntds 197 
doürzo 102. 117 A. 3 
Jonvvs 222 
iyvön 220 
iyvös 220 


InxAng 80 A.3 (81) 


idövrara 217 A. 
teos 218 

Ze 230 

loyds 221 

itös 220 

iyd0v 222 A.2 
Loic 228. 281 
aıods 22 

xa À Ée 868. 
xaAuóvódóç 184 
xduaros 115 
»dvadoı 113 A. 
»dvroges 180 
xdnvs 221 u. A.2 
naonvov 117 
nateineı 99 A. 
nareinievdvia 53 A. 
nasmvege 57 
neninyos 201 


xendonucı 82 A. 2 
„Eiados 85. 201 
neiero 88 
neloucaı 86f. 
xeoaio 40 
neoavvös 267 
xeðråov 180 
xeydoovto 200 
andeuwv 53 


nAaoavyevedouaı 45 


nieıröv 222 A.2 
xeitos 220 
xintös 114 
„vodaiov 113 
„oliv 219 

„oAoıds Hä 

xózmte 108 

xdoda 92 
nooövBaAiides 184 
nog&oaı 107 

xorú A?) 186 

aëdio 43 A.2 
„oauadoaı 56 
xoatñoas 182 
xoera 283 
„onuvnu 97Í. 
xonuvös 97 

nojocaı 106 
nonoinauda 63 `. 
noveoös 194 
„ovdeıs 195 
„Vados 197 
Kviivdoıoı 184 
Kvvonegpaloı 182 A. 
Kvvögaloı 182 

x@ 47 248 
Aaßdßne 187 
Aadıpooodvn 39 
Ad/abe 185 
Acunaydoas 44 A.3 
Aarodģeiw 185 
Zéien 103 

Aciyýv 248 
Aeupovoia 45 
AeyenoinsT6A.1(77) 
Angıagxındv 43 
Aıyvóç 222 A.2 
Aiåóßn 183 

Als 22988. 


301 


Als 291 

Aip 1821. 

Aöro 61 

Avnos 212 
uooyagis 192 
Héier 185 
uaAdyn 185 
nain 185 
uaogpóoto 192 A. 1 
naoxadin 187 
naoyain 185 
uacyañóv 186 
uapdeorov 191 
uéĝv 219 
Mele£evos 180 
Meveoaıyuos 69 A. 2 
Meveorinins 58 A. 
uerentadov 197 
Mezeo(Aaoçs 47 
uiuvýoxw 104 
pivvvda 217 A. 
wös 280. 2881. 
valo 108 

venvs 290 
veoßowrdv 96 
vndds 222 A.2 
võv 287 

olyvvuı 105 

dıbös 222 A.2 
oixttoo 126 

olova 220 A.1 
oipo 121 A.2 
6AAduı 89 
öAoeitaı 13 
6Aooirooxos 232 A. 
öudeyvvuı 107 
övoraı 85 

seyn 91 
'Ooeo(Aeos 65 
do dç 91 

deıßarns 72 A. 2 
dopös 228 A. 1 
odönsooa 121 
dee 283 

nageıd 13 
neıdäavoop 76 A. 1 
neiedoov 117 
neAedodviov 37 A.3 
neienvs 290 A.1 


302 Wortregister. 

neiivroov 232 opaoayéo 197 yeiled 123 subus 288 
zéÀos 111 ZSwoınodıns 48 zedin 120 Tolumnius 118 
éent 105 talanevdns 76 A.1|yeiigeiorn 123 vietus 291 

nepn 61 (77) yeids 290 vievi 292 
znyeoinallog 64 |raAcı- 38H. "QyvAos 189 vimen 292 
anoaodeaı 30 talacipowv 55 öuitev 103 vorare 110 A. 
miuévta 184 A.1 taidooaı 105 öoca 107 Romanisch. 


rausiv 203 oroxdtafıs 64 


taueciyowç 56 


niuniauev 201 


riuninnt 106 port. geral 183 


it. Monna Vanna 


ziıvs 220 ravaos 35 A. 2 Lateinisch. 183 

zıpyadonw 62 tavéņ 36 A.2 anas 92 . i 
niddavov 128 taviopvoos 35 A.1 |arduus 92 E See es 
IlAdraıa 128 tavv- 35 calare 88 À. 

GEET tapdızo 102. 116 |cognitus 82 A.2 Keltisch (Irisch 
noinı/ua 242 redododeaı 113 Dänuuius 14 unbezeichnet). 
nöAıs 112 telvw 101 domitus 88 A. ad. reig 3 

noAAös 129 zeıgeoiniüta 72 A.1|glans 201 aig 7 

nvidnıov 185 A.1 |Telsinnov 63 A. grüs 283 ailtes 18 A. 2 
noAös 111 teieio 40 gurges 110 A. ainech 3. 9 

dn 50 teieoıovoyös 58 helvus 219 aire 3 

nönava 188 téov 217 A. involücre 232 aireglan 13A.1 
noadiin 184 teopiyogos 76 involucrum 232 aiscid 18 A. 2 
noãğıç 21 terAadı 201 iter 144 ara 13 

zekos 130 teroges 112 llabrum 188 gall. Arausio 13 
rotacdaı 194 reueg 184 lavabrum 188 arnach 6 
zrdpvvuaı 107 Tedypılos 179 mafors 192 at. baill 5 

zınooo 102 tıvaxnıonning 38 mägälia 189 at. raig 3. 10 
rıw00o 102 zç 212 mamphüla 1% aupaid 6A. 
nviäwods 227 tiroooxw 113 mapaälia 189 Bladma 2 

mo 283 zuarös 114 mappa 190 daig 1 

Ilverds 285 zunoiyooas 34 Masterna 178 dänae 14A.1 
nvonv 248 tooßnAds 34 A.1 molucrum 231 däne 13 

dan 94 toéyw 103 monitus 61 gall. deu- 15 
däoros 93 zeıridg 220 monui 68 gall. Diuiciäcus 15 
géto 103 pasolußoorog 58 Naso 250 eachtugud 6 

deta 931. pdvra 58 pecten 248 egdair 3 

detos 94 pdos 61 plenus 13 Egli 4 

Gë 108 pavaiußooros 62 Puteölanus 192 eile 6 

6nioın 94 psionvoe 42 rärus 93 eirg 4 

ġita 124 pılo- 80 regifugium 13 elit 4 

oayhvn 186 pda 61 rupes 144 -epir 5 
oaoolußgorog 49 poße- 80 sale 144 es(s)- 5 

oeuidahıs 187 A.2 |Yoßeoıoroden 65 salinus 143 fail 4 

orog&oaı 107 poßéw 65 saluos 13 gaim 2. 8 
Zroapiuévns 46 podyvvuı 107 sänus 13 gaimen 18A.2 
ZtooyydAn 189 pvoipooves 48 scidit 19 gebid 6 

orpuvvvu. 106 Xaıgeoiiaos 55 sidus 144 goite 10 

ovßdayoı 182 yadı- 39 sperno 100 graig 1 

ovßaınsg 288 A. 1 !Xavölaos 37 sterno 100 d Haichagi 185.2 


Wortregister. 


bret. kalén 143 A.1| Nordgermanisch. 


ako. haloin 143 

inchaib 9 

cailg 6A. 

cöoeca 12 

cóic 11 

cöica 11f. 

cöicthiges 11 

conda. sloic 12 

gall. Condate 15 

con. dieig 3 

crec TA.3 

laigid 2. 10. 

kymr. leu- eseticc 
282 

na. cail 3 

akymr.planthonnor 
16 

pre- 5 

regaid T A.1 

gall. Rhodanus 14 

saichi 4. 8 

saidid 2. 10 

saig- 2. 8 

sale 4. 8 

gäl. sile 8 

slán 13 

taige 2. 9 

teilm 2. 7 

Teilte 4 

tene 4. 8. 10 

tocad 11 

gall. Zout- 15 

kymr. Zraethatter 18 
a1 

treit 4 


Gotisch. 


faian 30 

fijan 30 

fon 284 

göljan 123 A.3 
gredus 222 
mawi 124 

tuggo 214 
uswalugjan 221 A. 
watrsiza 95 A.1 


akmemis 256 


schwed. kjusa 211 |alkune 215 A.3 


schwed. Zjusa 211 
an. Zvistr 294 


Westgermanisch 
(Hochdeutsch 
unbezeichnet). 


alme 252 
angstounes 234 
apidink 100 
apsaluöne 255 
artimonis 241 


as. ámbón 119 A.2 | «atpuoloenei 240 


ags. beom 61 A.2 
Beyfuß 181 
bittar 204 
Bompard 181 
ags. dead 115 
Dreyfus 181 

dû 287 | 
ags. egisigrima 73 
anfr. eiselika 73 
fiur 285 

fuir 286 

fyur 286 

ags. Zieloca 255 
Horn 135 
hornunc 137 
Klage 24 

lungun 217 A. 
lüs 282 

as. meri 125 
Pacifist 182 
Pinckernell 180 
Pulverreiter 181 
ags. röhte 103 
Salbreiter 181 
scram 204 
smerzan 204 
Sünde 57 

sweran 204 
swert 204 
widirwiftit 248 A. 


Altpreußisch, 
kailüstiskun 219 
kermens 249 
maldenikis 242 
maldünin 223. 242 
musgeno 244 


9 strigeno 246 


Litauisch, 


atsigul 100 
atskalonis 238 
atskaluönas 259 
ãtskaluonis 236 
audinè 246 u. A. 3 
audinis 246 
baltüninis 216 A. 
begüne 224 
beguonelis 240 
bruvis 228 A. 2 
bücia 229 A.1 
dangujejis 269 u. A 3 
danguieioia 272 
danguiesis 269 
deguonis 234 
deive 279. A.1 
delsuonis 239 
didenybe 242 
didziünas 225 
dilbönas 225 
dirgti 102 
dirvoönas 2261. 
dovana 217 A. 
drasünas 216 A. 
dryköne 226 
dubuö 242 
duökle 225 
eduö 235 
eduonia 259 
eduonis 234 
galautinis 266 
galünas 236 
galune 215 A.3 
galuonis 254 
galvonas 226 
gaudöne 226 
gedus 221 
gelezuones 249. 254. 
266 


*waurk 65 A.3 (66) /affiera(s) 278 A.3 |gelezuonis 234 
waürts 124 u. A.1 aguonas 239. 259 |gel(e)zuonis 234 


303 


geluö 235 
geluonis 234 
germe 242 
germenü 242 A, 2 
girenas 251 
girus 222 
gyslönas 227 
gyvuonis 234 
griova 226 
gvergsti 110 A. 
ieskuönes 234. 254 
iskrävati 227 
ismaruoniy 239 
isvezmenti 246 A. 4 
iszuti 228 
Jüs 287 A.2 
kalnenas 253 
karaliünas 215 A. 2 
kartüninis 216 A. 
kelena 18 
Kelmuonas 259 
kepenos 246 
kepuonia 260 
keras 248 
kiemionis 236 
kiřmė 252 
kirmuö 243 
kiütönas 254 
klaidüne 238 
klaigonas 226 
kleiduonas 259 
kuprönas 225 
kuris 272 
landonis 239 
landünis 224 
landuonis 234 
länkuones 234 
laukejisis 272 A.1 
lemes 252 
l(i)avonas 226 
Iygmene 253 
Iygmuö 242 
ligönas 226 
maigünas 231 
malluve 233 
malünas 216. 231. 
233 
märskonas 226 
mazena 242 A.2 


i 
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304 


maziünikas 216 A. 
mazuö 2411. 
medaunicia 266 
miegustas 233 
miltai 111 A.1 
momuö 243 
müsyjis 272 
müsüjis 272 
namünaitis 216 A. 
nemaruones 237 
nevidönas 226 
nuomaruo 234 
pabegünis 224 
pagiriünus 225 
pajüseti 106 
puklaidünis 224 
päklaiduonies 237 
paklöte 225 A.1 
pakrävai 227 
palaiduo 235 
palayduonay 239 
palikuonies 238 
pälikuonis 237 
paskujas 210 A. 
paskoujis 270 
pasava 227 
pavidu 222 
penkeli 112 A. 
periù 103 A.1 
pilis 112 
pükuonelis 240 
pirmuones 237 
piume 252 
piumenis 235 
pjumene 253 A.1 
prarakuni 224 
prarakuonaine 238 
u. A. 2 
puronas 227 
purvas 285 
raumuö 242 
rudenis 235 
ruduö 2411. 
rupis 144 
saldünis 216 A. 


W ortregister. 


satevoni 237 
semenis 235 
siubuonela 240 A. 2 
smägens 244 
smarkünas 216 A. 
srove 282 
stamenis 235 
stomenes 245 A.2 
stuome 252 A. 2 
svidus 144 

ser 99 

šermenis 239 
3ermuö 243 
Silkuonelis 240 
širše 252 

3irsonis 238 
sirsunas 240 
sirsuones 239 
slamstönas 226 
Soküne 213 A.2 
tevünalitis 216 A. 
tevuonimi 237 
toli(e) 271 A.2 
trusonas 226 
ugniių 269 
ündenys 235 
uzgirronis 239. 251 
valdönas 225 
vanduö 241 
vardas 65 A.3 (66) 
vazmà 246 A. 4 
vejü 291 
velduonas 239 
velduonus 259 
verpöne 226 
vesmenas 246 
vesminieks 246 
Viespatni 2231. 
vilnonas 226 
vilus 222 

vyras 291 
virsuojis 269 
virsuone 265 
vöndemi 2571. 
vovere 253 A.1 


zälias 255 
zaliüdinis 216 A. 
zäliuones 234. 254. 
zemejis 269 

zyme 257 

ziniüne 225 
Zinkunas 240 A.1 
žinúnas 240 
zmuni 214 


|zikle 281 


zukliauti 228 
zuti 281 
žuvis 228 


Lettisch. 
galijs 271 
Jüsijais 272 
kallkunis 265 
kava 226 
maneji 272 
muerrunnes 265 

A.1 
saluona 263 
satuons 265 
talejs 271 
väsmis 246 


Südslawisch 

(Altbulgarisch 

unbezeichnet). 
grazdane 251 
grebenb 248 
grötand 250 
jelenb 247 
jesenb 249 
korenb 248 
krats 221 
mladěnbcb 252 
mozdany 245 
pröstend 247 
Slovene 2511. 
stepenb 247 
slov. velikan 250 
vreteno 248 


Berichtigungen. 


S. 24,4 es mit „Vorwürfe 
S. 196, A. 1 so ist zu streichen. 


S. 247,9 v.u. d- 


Russisch. 
baján 250 
brjuchán 250 
ar. sersa 249 
ksl. sarg3end 248 
ar. fravbnd 133 
železá 249 


Westslawisch 
(Cechisch 
unbezeichnet). 
cerven 134. 140 
hruden 141 
apoln. kry 283 
říjen 139 


Hebräisch, 
ʻāgīl 189 
"agulla 189 
quntrus 184 
ma‘aföret 192 
ma‘gäal 189 
mappäl(a) 190 
megerä 192 


Aramäisch. 

(t. = Talmud). 
bizega 191 
t. mappä 190 
t. maskel 187 
t. menäfa 191 
mesiklä 186 
t. semidä 187 A.2 
t. sūdār 191 


Ewe. 

ago 209 
ba 209 
baba 209 
lo 210 
dza 209 
kö 206 
küko 206 
pa 206 
pa 207 
pla 207 
po 207 


S. 248,29 Substantiva 
S. 252,12 altachäisches 


SNE Google 


SNE Google 


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