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d RLEN FÜR
VERGLEICHENDE SPRACHFORSCHUNG
AUF DEM GEBIETE DER
INDOGERMANISCHEN SPRACHEN
BEGRÜNDET VON A. KUHN
NEUE FOLGE / VEREINIGT MIT DEN
BEITRÄGEN ZUR KUNDE
DER INDOGERMANISCHEN SPRACHEN
BEGRÜNDET VON A. BEZZENBERGER
HERAUSGEGEBEN VON
WILHELM SCHULZE UND HANNS (ERTEL
59. BAND
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PAZ
GÖTTINGEN /VANDENHOECK & RUPRECHT/ 1932
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Printed in Germany
“Gedruckt bei Hubert & Co. @.m.b.H. Göttingen
Inhalt.
R. Thurneysen, Keltisches. 1. Wechsel von & und ë im Irischen. 2. Eigen-
tümliche a im Irischen. 3. Re 4. Akynr.
planthonnor A SC EECH
‚ F. Specht, Lit. kelena dr ër ës S S: SU U OQ. A 2 u S
J. Wackernagel, Indoiranica. 3. Ai. acchidat. 4. edändm. 5. kālá-.
6. Ai. grh-. 7. Ai. mula-. 8. Altpersisch arika-. 9. Altpersisch
prirm. 10. jAw. vi xada . S NQ teo g. EE
F. Specht, Got. faian Be ee, ie a
—, Beiträge zur griechischen Grammatik. 1 Zu den Komposita mit ver-
ol balem Vorderglied. Exkurs I. Zur Assimilation des Schlußvokals bei
un zweisilbigen Wurzeln. Exkurs II. Zur Schwundstufe zweisilbiger
I Wurzeln. Exkurs III. Vokalausgleich im griech. Verbum und die
T Vertretung von +, 1. Exkurs IV. Dissimilatorischer Digammaschwund.
! Exkurs V. Griech. deldw. 2. Griech. ólta. 3. Die Kiesch des Femi-
M — ninums der %-Stämme im Griechischen .
—, Haplologie im Satzzusammenhang ;
E. Hofmann, Kultur und Sprachgeist in den Mohalsnaman ç
J.F.Lohmann, Lat. salinus (sahnae, salinum) und der keltische Name
des Salzes ;
—, Lat. iter
F. "Specht, Lat. sidus
—, Lat. rüpos . š
F. Hartmann, Die Vorhalsysteime der Schulsurächen (im Anschluß” an
einen 1927 in Göttingen auf der Philologentagung geag tenen Vortrag)
W. Schulze, Porsenna, Tolumnius und Mastarna
H. Lewy, Etymologien. 1. Teúgiĝoç. 2. @£ocazóoos. 3. xávtooes. A Weitere
Beispiele für Dissimilation. 5. »garnoas. 6. Kuvdpaloı. 7. Ai
als Windname. 8. Weitere Beispiele für Wortkürzung. 9. udin.
naoydin. 10. Aaßdpne. 11. alyin „Ring“ und stammverwandte
Wörter. 12. Lat. mappa. 13. en 14. vayapis ;
W. Schulze, Puteoli ; i Se A (š
H Lommel, Ablauts-Betrachtungen f .
W.Krogmann, Germ. *swerda- „Schwert“ .
H. Sköld, Sudanparallelen zur griechischen Lantentwicklung .
W. Schulze, Toch. ratäk
F. Specht, Die Flexion der »-Stämme im Baltisch-Slavischen und Verwandten
E. Hofmann, Register
Berichtigungen
Seite
19
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212
213
299
304
Zeitfcheift für
| wergleichende
Spradhforfhung
aufdemdGebieteder ` `
| dog smanifihen Sprachen
BEGRÜNDET VON A.KUHN
en FOLGE /VEREINIGT MIT DEN
Beiträgen zur Kunde S
der ndog ermanifchen Sprachen
BEGRÜNDET VON A.BEZZENBERGER
HERAUSGEGEBEN VON
WILHELM SCHULZE UND HANNS ERTEL de
59. BAND
1./2. HEFT
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Inhalt.
R. Thurneysen, Keltisches. 1. Wechsel von ä und ë im Irischen. 2. Eigen-
tümliche ie im Irischen. 3. A pad 4. ARENS, mg
thonnor . . ° “G S .
F. Specht, Lit. kólna . e A
J. Wackernagel, Indoiranica. 3. AL acchidat. 4. odiniai. B. käld-. 6. Ai.
grh-. 7. Ai. mula-. 8. FERIEN arika-. 9. IST ARE 10. geg
vi xada . . ° er
F. Specht, Got. faian .
—, Beiträge zur falen > i a Grammatik. 1. "Zu den Komposita mit verbalem i
Vorderglied. Exkurs I. Zur Assimilation des Schlußvokals bei zweisilbigen
Wurzeln. Exkurs II. Zar Schwundstufe zweisilbiger Wurzeln. Exkurs III.
Vokalausgleich im griech. Verbum und die Vertretung von 7,/. Exkurs IV.
Dissimilatorischer Digammaschwund. Exkurs V. Griech. deidw. 2. Griech.
elta. 3. Die Bildung des Femininums der “-Stämme im Griechischen .
—, Haplologie im Satzzusammenhang . . š
E. "Hofmann, Kultur und Sprachgeist in den Monatsnamen .
J.F. Lohmann, Lat. salinus (salinae, salinum) und der keltische Name des Salzes
—, Lat. iter. . d e & Kë š
F. Specht, Lat, oe.
—, Lat. ént . + soseo Gi
Preis des Doppelheftes in der Reihe 8 RM. dëss i8 RM.
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Beiträge, die allgemein sprachwissenschaftliche Fragen behandeln, oder die sich
auf die asiatischen Indogermanen beziehen, wolle man an Prof. Dr. Hanns Oert el,
München 27, Pienzenauerstr. 36, solche, die den indogermanischen Sprachen Europas
gewidmet sind, an Prof. Dr. W. Schulze, Berlin W.10, Kaiserin Augustastr. 72, senden.
Besprechungen können nur solchen Werken zugesichert werden, welche ein
Herausgeber erbittet.
Vor Kurzem ist erschienen:
Grammatik des neutestam. Griechisch
von Friedr. Blaß und Alb. Debrunner. 6. durdhges. und
erweiterte Aufl. 1931. XX, 3685. gr.-8°. Geh. 9 RM., Lwd. 11 RM.
Nachträge für die Besitzer der 5. Auflage 1,80 RM. =
„In der neuen Gestalt ist Blaß/Debrunner ohne Zweifel die zweckent-
sprechendste Grammatik zumN.T., die wir haben. Man möchte sie gern
in der Hand eines Jeden sehen, der sich mit wissenschaftlichem, ernstem Studium
des N.T. befaßt.“ (Theologie der Gegenwart.)
„Die Neuauflage des altbekannten Werkes stellt in seinem Text einen fast
unveränderten Abdruck der fünften Auflage dar. Diesem ist ein Anhang von
32 Seiten Kleindruck beigegeben, der die Nachträge und Berichtigungen enthält,
die aus Ersparungsrücksichten in dieser Form hinzugefügt werden mußten. Ein
am Rande des Textes beigesetztes N verweist den Benützer auf den Anhang,
auf den auch das Wort-, Sach- und Stellenregister Rücksicht nimmt, so daß die
große Menge neuen Stoffes leicht zugänglich gemacht wird. Was die dem NT
nahestehende Literatur anbetrifft, wurden die apostolischen Väter mehr aus-
gewertet als in den früheren Auflagen ; zum ersten Male der Diognetbrief, Ignatius
und die Didache. Die moderne Fachliteratur ist in einer seltenen Vollständig-
keit, von den in den letzten Jahren erschienenen Standard-Werken angefangen,
bis auf kleine Notizen in entlegenen Zeitschriften herab aufgenommen worden.
Wollte man ein wahrheitsgemäßes Bild von der Bereicherung des Werkes geben,
so müßte man den ganzen Anhang vorlegen. Denn nur wenige Abschnitte des
Textes sind nicht ergänzt und neu beleuchtet... Die Fülle des Gebotenen wird
künftighin den „neuen Debrunner/Blaß“ zu einem ebenso unentbehrlichen Hilfsbuch
für jeden Bibelforscher und Gräzisten machen, wie es die früheren Auflagen ge-
wesen sind.“ (P. Wahrmann, Indogerm. Forschungen, Bd. 2, 1931.)
Verlag von Vandenhoeck & Ruprecht in Göttingen
— H —. ww „SEEN. _ ms, | „mm. ` mmm a mm e" ` -——Yva- ` me
Keltisches.
1. Wechsel von ä und eum Irischen.
Meillet, Esquisse d’une histoire de la langue latine, S. 174
ist geneigt, einen Zusammenhang zwischen dem a von lat. fauilla
und dem von air. daig „Feuer“ anzunehmen. Das erinnert die
Keltologie daran, daß ein Problem, das einst Pedersen (Vgl.
Gramm. 139f.) und ich (Handb. I 525) angeschnitten, aber nicht
gelöst hatten, seither, soviel ich sehe, unberührt liegen geblieben
ist. Es besteht in dem Wechsel von kurzem a und e in voll-
betonter Silbe im Altirischen. So ist es wohl an der Zeit, zu-
nächst die Beispiele, altbekannte und neue, so vollständig sie mir
eben zur Hand sind, zusammenzustellen und die Frage neu auf-
zurollen. Über die ursprüngliche Färbung dieser Vokale soll
erst am Schluß der Liste gesprochen werden. Bei Seite lasse
ich den anerkannten Ablaut in -gainethar „wird geboren“ Subj.
-genathar; do-moincthar -muincthar (III. pl. auch -mainetar) „meint“
Subj. -menathar; -mairn, rel. marnas „verrät“ Subj. -mera; ot, bet
„stirbt“ Pl. -ballat (mit ll aus In) Subj. -bela.
I.
In diesem ersten Abschnitt nenne ich die Wörter, wo ¿ und
& in der Flexion wechseln und zwar in der Regel so, daß ¿ vor
palatalisierten Konsonanten erscheint. Das bekannteste Beispiel
sind die ö-Stämme, die im N. D. A. sg. palatalisierte Schlußkonso-
nanz haben, aber vor der Endung a -æa des Gap, natürlich
nicht (Handb. Š 302):
1. aig f.') „Eis“, G. ega (oft belegt).
2. daig, zunächst vielleicht m. oder n., dann f. „Feuer, Flamme“,
G. dego, dega. Ebenso der männliche Eigenname Daig, G. Dego,
Dega (für beide Wörter viele Belege bei Marstrander, Dict. of
the Ir. Language, Fasc. I 17—18).
3. fraig f. „Wand“, G. frega SP.
4. graig n. „Pferdeherde, Gestüte“, G. grega Anc. Laws. Der
N.A.pl. lautet zunächst graige, später grega (Belege bei Hogan,
Todd Lecture Series IV 198, VI 108), s/ed/-grage in dem alten
Text Ériu H 28 8 12, vgl. 3”.
1) Ob die Geschlechtsbezeichnung immer schon für das Altirische gilt, ist
zweifelhaft, für unsere Frage aber ohne Bedeutung.
Zeitschrift für vergl. Sprach. LIX 1/2. 1
d R. Thurneysen
5. tailm f. „Schlinge, Schleuder“ steht so im DA sg. z. B.
LU. 6211, IT.1207,24. Aber Cormacs Glossar 1215 hat den N. sg.
teilm für das sonstige tailm. Der G.sg. ist telma LU. 5875.
6. gaim „Winter“ als N. sg. oft belegt (nicht gam, wie noch
öfters in etymologischen Wörterbüchern zu lesen ist). Weiter-
gebildet gemred nir. geimhreadh „Winterzeit, Winter“, hier mit
palatalisierttem m, das aber von der Nebenform gaimred (z. B.
Cormac 673) bezogen sein kann; mit nicht-palatalisiertem: gem-
adaig „Winternacht“ LU. 10418 = ZOP. III 257 8 79. Von
andern Kasus des Stammworts ist nur der G.sg. belegt in m£
gam (Reim: Zoom, taram) „Wintermonat, November“ in einem
Gedicht des 7. Jahrhunderts (K. Meyer, Bruchst. d. älteren Lyrik
Irlands S. 41 Nr. 96, 7), später zu mi gaim (Corm. 687) umgebildet
im Anschluß an saim „des Sommers“, aber erhalten im Berg-
namen Sliab Gam, gewiß „Winterberg“.
7. Das Slieve-Bloom-Gebirge an der Grenze von King’s und
(Queen’s County heißt mindestens seit dem 11. Jh. immer Sliab
Bladma. Aber die ältere Poesie kennt nur Bledma, nach den
Reimen Bledmae zu lesen; so IT. III 1, 13 825 = 42 850 (Reim:
tedmaje]), Fél. 7. April (Reim: delma/e]), ebd. 20. Nov. Der Vokal-
wechsel würde sich am besten erklären, wenn das Wort, nach
dem der Berg benannt ist’), im N. sg. *Blaidm (n. n-Stamm)
lautete, nach dem sich später der G. sg. richtete.
8. Auch der G. D. sg. taige, taig neben tige, tig zum s-Stamm
teg, tech n. „Haus“ mag hier erwähnt werden.
Ein ähnliches Verhältnis findet sich bei Verben:
9. „sich setzen, sitzen“ II sg. saidi, III. -said, rel. saides,
Imperf. -saided, pl. -saitis, -saiditis (Pedersen $ 803), aber Präs.
III. pl. sedait LU. 4921, IT. III 1, 266° (in jüngeren Hss. setait,
setuit”)), rel. sedda und settai (l. settae) Fled Bricr. § 24, Pass.
sedair Eriu II 210 8 32.
10. „sich legen, liegen“ II. sg. laigid, rel. laiges (Pedersen
8 755) hat sicher genau ebenso flektiert, da es in der ganzen
Formenbildung mit said- sed- übereinstimmt; doch ist bis jetzt
zufällig keine der Formen belegt. die leg- erwarten lassen.
11. „auf etwas -zugehn“ Leg, saigim III. saigid -saig rel.
saiges, Imperf. -saiged pl. -saigtis, Abstr. saigid, aber Präs. III pl.
1) Daß es auch unabhängig von si/ab vorkam, zeigt die erste Belegstelle:
loech-ri Bledma.
2) Das braucht kein Fehler zu sein, sondern kann das bedeutungslos ge-
wordene Pron. affixum -¿¿ enthalten.
, — I _
— 5 xs. = üw x <
Keltisches,. 8
segait, -segat, Pass. segair, -segar, rel. segar (Pedersen $ 805). Das
Kompositum mit com-di- hat Wb. 23d 5 die regelrechte III. sg.
con-dieig (aus -di-saig); aber da der Plural con-degam mit dem
Simplex zusammenklingt, tritt dann auch im Singular II. con- daigi,
II. con-daig ein. |
12. ad-reig (für at-reig) „erhebt sich“ steht Wb. 13a 12; die
mittelirischen Hss. haben immer at-raig, selbst im Plural neben
ata-regat, at-regat auch at-ragat (Pedersen § 795, 2).
13. -ceil „verbirgt“, Imperf. pl. -céiltis (mit vor lt sekundär
gedehntem e), Subj. -cela usw. (Pedersen 8 714). Aber Hib. Min.
79 steht nicheil im Reim mit ¿ tigh; es ist gewiß na-cail „verbirg
(es) nicht“ und i taig zu lesen. Bei andern Verben mit gleicher
Präsensbildung wie gel- „abweiden“, mel- „mahlen“, ber- „tragen“,
fed- „führen“, reth- „laufen“, tech- „fliehen“, di-em- „schützen“
sind Formen mit a bis jetzt nicht nachgewiesen.
14. erbi- „anvertrauen“ hat palatalisierte Konsonanz regel-
recht nur, wo der Endvokal synkopiert ist (Handb. Š 157). Auch
in diesem Fall erscheint meist e-, z. B. Subj. Pass. a n-erpther,
Prät. conid-r-eirb, pl. ro-eirpset usw. (Pedersen § 714), aber Prät.
Pass. pl. ro-airptha Wb.8c 12.
15. ag- „treiben“ hat immer a-; nur in der III. pl. Pass. ist
dreimal egdair, æœgtair (in demselben Spruch) Táin B. C. (ed.
Windisch) 4718. 4722. 4727 geschrieben und nur in der Hs. LL
(12. Jh.), während alle andern, älteren und jüngeren Hss. an
derselben Stelle ag- lesen.
II.
Hier stelle ich die Fälle des Schwankens zwischen a und e
zusammen, wo kein Wechsel zwischen palatalisierter und nicht-
palatalisierter Konsonanz stattfindet, sondern alle Formen pala-
talisierte haben.
16. aitire und etire (eitire) f. „Bürgschaft, Bürge“ wechselt
in den verschiedensten Hss. fortwährend.
17. Ebenso ainech und enech (einech) n. „Antlitz, Ehre“, aber
D. pl. inchaib.
18. Dasselbe gilt von aire und ere (eire) „Last“, s. Ascoli,
Gloss. XXV; Meyer, Contrib. s. v. 4. aire. Keating im 17. Jh.
braucht eire (mit einem jüngeren Plural eireadha), schreibt aber
eine künstliche Sprache; das Dict. Scoto-Celt. verzeichnet éire
(so, mit Längezeichen) aus einem Gedicht. Volkstümlich scheint
das Wort in der neueren Zeit nicht zu sein; Foley bucht es
weder unter „load“ noch unter „burden“.
1*
A R. Thurneysen
19. treit „schnell“ Wb. 9d 6, trete „Schnelligkeit“ 18c 6, aber
trait MI. 104b 5, Félire (ed. Stokes)* S. 64, 8, Kompar. traitiu
MI. 92b 9; traite Fél.* S. 6,4 und später häufig belegt.
20. eirg, eirgg isolierter Imperat. „geh!“ (Windisch, IT. I 526
s. v. erigim, wo auch II. pl. eircid) neben airg LU. 5671 (= airgg
GBL. 1197), airc siu LU. 5094, airg, airg siu Windisch (a. a. O.).
Später aufgegeben.
21. sechi „wer, was auch immer“ ist die gewöhnliche Form
schon in den Glossenhandschriften; aber der älteste Glossator von
Wb. schreibt saichi crud „omni modo“ 23b 22; i sachi retib „in
quibus rebus“ Trierer Enchir. 61.
22. cretim „ich glaube“ hat in zahllosen Belegen immer e,
nur einmal Subj. corro-chraitea Wb. 12c 33').
23. Neben feil (fel), fil „es gibt“ usw. schon altirisch auch
fail (Ascoli, Gloss. CCCIV), das sich im späteren fuil fortsetzt.
24. sale A eg „Speichel“, D. sg. sailiu Thes. 11249, 2.3, A. pl.
na saile God "op (also n.), aber D. pl. selib „sputaminibus“ Tur.
91, nir. seile f. (gäl. sile ml Vgl. Hogan, Todd Lecture Series
IV 194.
25. Montem Egli hat Tirechan, Arm. 10b 2, aber hi Muiriscc
Aigli derselbe 13a 2. Später heißt der Berg Croaghpatrick (Grat.
schaft Mayo) immer Cruachan Aigle, die Landschaft Aigle z. B.
IT. I 1, 35 Š 16.
26. D.sg. hi Teilte Adamnan in Vita Columbae ge 700), ed.
Reeves S. 194, aber bei dem ungefähr gleichzeitigen Tirechan
ad Taltenam Arm. 10a 1. Der durch seine Jahrmärkte berühmte
Platz heißt später nur Tailtiu, G. Tailten, (engl. Teltown). Zwischen
I und ż¢ scheint ein e geschwunden zu sein, kaum ein x.
27. elit A.sg. „Hirschkuh“ Arm. 18b 1, alsN. sg. z. B. Cormac
(Zusatzartikel) 556, Goid.* 77 Nr. 126; aber A. sg. ailit Vita Trip.
230, 22, G. sg. ailite TBC, LU. 5257 (ailiti die andren Hss.) neben
elte Vita Trip. 232, 21, ellto Arch. f. Celt. Lexicogr. III 310 Str. 2
= ella ZCP. XII 360, 21, in der Glosse dazu: eillti. Gälisch heißt
die Hirschkuh eilid, G. eilde, Adi. eilideach „reich an Hirschen“, aber
neuirisch eilit, mit den Ableitungen eiliteach, eilitin. Das weist,
da das Gälische unmaßgeblich ist, auf ein Suffix mit #, nicht
mit nt, wie man meist ansetzt.
28. tene f. „Feuer“, G. tened, Dativ auch kürzer tein, erscheint
1) craitid II. pl. Imper. liest LL. 215b 11 (andere Hss. creitid), wo aber
Gwynn, Metr. Dinde III 8, 90 creitim in den Text setzt. Die Endsilbe reimt
mit tair.
Keltisches. 5
schon air. meistens mit e und so nir. gäl. teine, nir. auch tine.
Aber daneben N. pl. tainid Ml. 96c 11; tened, teneth (G. sg.) reimt
mit claideb (G. pl.) LU. 9356 = Anecd. HI 54, 9, ist also tained zu
schreiben; ähnlich ar tein mit domein (l. rom-ain „der mich schützen
möge“) Arch. f. Celt. Lex. III 6, 17, also ar tham zu lesen. So
mögen öfters solche Formen durch die späteren Schreiber um-
gestaltet worden sein. '
29. Lat. prae- ist als pre- übernommen, praedico als predchim
(öfter pridchim, zum Teil mit nicht palatalisiertem d: Prät. ro.
pridach, Pass. ro-pridchad neben ro-pridched usw.), aber III sg.
Präs. rel. praidchas beim ältesten Glossator von Wh. 120 27. Prae-
ceptor gewöhnlich preceptöir „Prediger“, aber. N. pl. praicibtorai
MI. 38c 9a. Im letztern Fall wird freilich aiccept „acceptum,
Pensum“, das precept „praeceptum, Predigt“ so nahe stand, eine
Rolle gespielt haben.
Den bekannten Wechsel bei der Präp. air-, er- (auch ir-,
Handb. § 817) lasse ich lieber bei Seite, weil hier auch eine Ver-
mischung verschiedener Präpositionen in Frage kommt und die
Gestalt, die e und a vor u-farbiger Konsonanz annehmen. Aber
erwähnt muß werden, daß die Präposition, die gewöhnlich ess-,
es- lautet, auch vor palatalen Vokalen (esseirge „Auferstehung“),
in zwei Komposita regelmäßig als as- erscheint, nämlich in:
30. -aisndet (as-ind-fet) „er erklärt“, Abstr. aisndis, aisndeis,
also deutlich mit palatalisiertem s;
31. asfenad „Bezeugen“ Trierer Enchir. 42, D. sg. aspenad,
aspenud, aispenud Ml. (Pedersen § 720), wo wenigstens die letzte
Form, wie mir. taisbenad „Vorweisen“, ebenfalls auf palatalisierte
Konsonanz weist.
32. ess- (exs-) + ber- „sagen“ bildet im Altirischen proto-
tonierte Formen fast immer mit e, z. B. IIL sg. -epir -epeir -eper
-eiper, Abstr. epert usw. (Pedersen § 665,3), aber doch dreimal
mit a-: Il. sg. -apir Sg. 66b 10, III. Pass. -aip(er) MI. 14d 13 (dazu
schwach betont -miaipir 56d 16), Abstr. aipert 50b8. Im Mittel-
irischen ist a- viel weiter verbreitet; besonders oft im Imperativ
II. sg. apair, abair, pl. apraid, abraid (mit depalatalisiertem b)
und so immer im Neuirisch-Gälischen, aber auch in den andern
Formen, z. B. Ill. sg. -apair, Pass. -apar(r) usw. Für das Abs-
traktum verzeichnet Dinneen nir. abairt und eibirt (im Gälischen
veraltet, vermutlich auch im Neuirischen durch rádh verdrängt).
33. at-baill „stirbt“ (Pedersen § 661) Subj. at-bela (at- =
ess- 4 Pron. inf.) hat prototonierte Formen mit palatalisierter
6 R. Thurneysen
Konsonanz nur im Subjunktiv, und hier treffen wir neben -eple,
-epeltais, -epiltis auch Prät. Subj. -aipled MI. 85d 8; ebenso im
Imperativ, der sich im Vokalismus an den Subjunktiv anzu-
schließen scheint, III. pl. aipleat 104b2 neben na-eiplet 73d7;
aber das a- erscheint auch im Präs. Ind. -apail 91d 2 (gewöhnlich
-epil), inad- (l. inid-)apail Anc. Laws V 450, 12, jünger -abuil ebd.
VI84; vgl. auch Abstr. apaltu Ml. 30d 14, sonst epeltu. Aber hier
hat zur Ausbreitung des «a jedenfalls mitgewirkt, daß in at- die
Gestalt der Präposition ess- verdunkelt war und sich von altem
ad- nicht unterschied.
Nicht hierher gehört air. aile „anderer“, das im jüngeren
Irischen als eile erscheint; hier liegt ein späterer Wandel vor.
Zwar hat auch das Altirische Formen mit e, aber es ist lang:
éile Wb. 6a 15, éle 6c 18, dréit 13a5 und von ce(i)le „Genosse,
der andere“ übernommen (Handb. § 481d). Ebensowenig mir.
gebid, -geib „nimmt“ für air. gaibid, -gaib, wo man mit Recht
Einfluß von do-beir „gibt“ annimmt. Oder gar die Verwechslung
von anlautendem ea- und a- in jungen schlechten Handschriften
wie arnach für earnach „Eisengeräte“ oder eachtugud für achtugud
„Abmachung“ u. dgl., die auf dem Zusammenfall von a- und ea-
in der Aussprache beruht.
UL
Überblickt man diese Liste, die gewiß nicht erschöpfend ist),
so sieht man, daß in gewissen Fällen Formen mit a und e Jahr-
hunderte nebeneinander her gehen, in andern nur noch einzelne
Belege der älteren Zeit verraten, daß auch in ihnen einst ein
Kampf zwischen beiden Vokalen bestand, der bald so, bald so
entschieden worden ist.
Als ursprünglicher Vokal ergibt sich in den allermeisten
Fällen ë. So in 4. graig greg- kymr. bret. gre, aus lat. grez greg-
entlehnt; 3. fraig freg-, das Loth, Rev. Celt. XXX VIII 301f. wohl
mit Recht mit mkymr. ach-wre „wattled fence“ verbindet, vgl.
al. vrajdh „Hürde“; 8. teg taig- gr. téyos; 9. 10. said- sed- „sitzen“
und laig- *leg- „liegen“, vgl. die Subjunktivstämme sess- und less-;
12. at-reig -raig lat. regere usw.; 13. -ceil -cail vgl. d. „hehlen“
1) Mit Absicht hab ich Beispiele weggelassen, wo palatalisierte Konsonanz
keine Rolle spielt, wie deg- neben dog „gut“ nach dem etymologisch nicht
zugehörigen Superl. deck „bester“ (Handb. 8 79), oder wo ursprünglich «-farbige
Konsonanz vorliegt wie in aupaid epaid „Zauber“, pl. aipthi epthai (ad-
Duith); auch unsichere Beispiele, wie cailg in der Strophe Corm. 386, das viel-
leicht A.sg. zu celg „List“ ist.
Keltisches. ` 7
usw.; 14. -airptha neben lauter Formen mit erb-; 16. aitire e(ütire
von der Präp. eter, etir „zwischen“ abgeleitet; 20. airg eirg wohl
sicher zu gr. Zoxeo9aı'); 22. cretim -craitea, vgl. kymr. credu usw.;
23. feil fail, eigentlich „sieh!“ zu kymr. gweled “sehen“;' 27. elit
ailit; das kymr. e- in mkymr. eleyn nkymr. elain „fawn“ ist an
sich mehrdeutig, da im Plural neben done? auch alaned bezeugt
ist; aber der weitverbreitete Stamm elen- „Hirsch“ läßt an der
Ursprünglichkeit von e- nicht zweifeln; 29.—33. mit den Prä-
positionen pre- und e(xs)- bedürfen keiner Erörterung. Bei den
etymologisch nicht durchsichtigen Wörtern spricht in 25. Egli
Aigli und 26. Teilte Tailtiu für das Alter von e daß es nur in
den allerältesten Denkmälern erscheint. Ebenso bei 5. teilm tailm,
daß jenes nur in CGormacs Glossar vorkommt, das zum Teil sehr
alte Wörter enthält; sonst könnte bret. talm neben kymr. tem
allenfalls einen Zweifel gestatten”). Bei 2. daig deg- wird außer
durch die Etymologie das e auch durch die Schreibung des Eigen-
namens auf Ogom-Inschriften gewährleistet: G. sg. Dego Maca-
lister, Studies in Ir. Epigraphy II 89, III 145, Deagos III 192, also
kelt. degi-.
Dagegen ursprüngliches a ist nur in drei oder vier Fällen
sicher, und bei allen liegt analogischer Anschluß sehr nahe. 1. aig
eg- „Eis“ kymr. ia (also kelt. iagi-) kann sehr leicht der durch
daig, fraig, graig gebildeten Klasse eingegliedert worden sem",
1) In seiner Besprechung des griechischen Verbs erwähnt Meillet, MSL.
XXIII 249. 257f. diese Form nicht. Er hat sie wohl, wie man früher, auch noch
Pedersen, tat, mit dem (späten) Imper. &-rig „erhebe dich“ zusammengeworfen,
obschon das längst zurückgewiesen ist; s. IF. Anz. XXXIII 36; Handb. 8 808,
ein Paragraph, den freilich Meillet nicht zu kennen scheint, da er ebd. sagt,
das Verb ei- ¿- sei im Irischen nicht mehr vorhanden, während doch ethae und
do.eth im Altirischen das Prät. Pass. der Verben „gehen“ und „kommen“ bilden.
Er polemisiert nur gegen Pedersens Verbindung von Zoyeoda: mit air. regaid
„er wird gehen“. Aber wenn dieses auf einem Aoriststamm beruht, könnte eine
zweisilbige Wurzel *eregh- mit verschiedener Betonung die irischen Formen
wohl erklären.
2) An alten Ablaut Zelm- ¿hm- (Pedersen 139) möchte man in einem
solchen Stamm nicht denken. |
3) In diese Klasse ist wohl teilweise auch das seine Gestalt vielfach
wechselnde Wort für „Klippe, Fels“ übergetreten, das erst seit dem Mittel-
irischen zu belegen ist. Das Dict. Scoto-Celt. gibt als gälische Flexion creag
f., G. craige und creige. Als altirisch haben wir darnach wohl anzusetzen crec
(aus *kreggä), G. craice cre(i)ce, D. A. craic creic, N. A. pl. creca, so daß es
auch in unser Kapitel gehört. Aber die Form:craic wurde, wie bei so vielen
dieser Feminina, dann auch nominativisch gebraucht (so auch in gälischen
Mundarten nach Macbain, Etymol. Dict.) und dann ein neuer irischer G. sg.
8 S RK Thurneysen
11. saig- seg-, Subjunktivstamm säss-, gehört zu lat. sägire usw.;
um seg- zu erklären, braucht man nicht die Einmischung einer
andern Wurzel ai. sah- gr. &x- anzunehmen, sondern es hat sich
nach laig- *leg-, das natürlich trotz der spärlichen Literaturbelege
ein sehr häufiges Verb war, (und nach said- sed-) gerichtet. In
diesen beiden Fällen hat also in der Tat das o einen gewissen
Einfluß ausgeübt, das Pedersen 138 überhaupt als Bedingung
dieses Vokalwechsels ansehen wollte. Dasselbe gilt dann auch
von 15. ægtair zu ag-, falls nicht nur ein Versehen des Schreibers
dieser einen Handschrift vorliegt. 24. saile seile „Speichel“ ent-
spricht kymr. haliw bret. halo (hal), und man hat gewiß zu
Unrecht an einer Entlehnung aus lat. saliua gezweifelt; se(i)le
ist wohl durch e(i)le „Salbe“ (aus kymr. eli?) beeinflußt, da beide
in der mittelalterlichen Medizin eine ähnliche Rolle spielen, gäl.
sile noch weiter durch silidh „träufelt“, sil „Tropfen“. Bei 28.
tene tain- „Feuer“ ist die Frage insofern verwickelter, als es kymr.
korn. bret. tan heißt; aber wenn die Erklärung — wie wahr-
scheinlich — recht hat, die es irgendwie auf die Wurzel tep- (lat.
tepere usw.) zurückführt mit keltischem Verlust des p, so ist e
das ältere und das britannische a eine Sonderentwicklung, die
gerade vor n mehrfach auftritt. Ist in dem etymologisch un-
durchsichtigen 21. sa(i)chi sechi der Vokal a der ursprüngliche,
worauf das Alter der Belege weisen könnte, so ist e wohl durch
die Präposition und Konjunktion sech „vorbei an“, „sowohl (— als
auch)“ bedingt.
Bei 6. gaim gem- ist die Grundform fraglich. Das Gallische
und das Britannische weisen auf einen Stamm giam-, vgl. gall.
Giamillus, Giamon[ (Monatsname), kymr. gaeaf, bret. goanv, goan
usw.. Aus giamo- (oder, wenn die Palatalisierung in gefi)m-red
alt sein sollte, aus giami-) würde sich ir. gem- gut erklären, aber
auch aus einer Ablautsform gimo-. Im G.sg. sollte man dann
entweder *giam oder *gem erwarten; man sieht in gam einen
Einfluß des o-Stamms sam „Sommer“. Wie der N. sg. lauten
„müßte“, will ich lieber nicht ausrechnen; wie gaim entstanden
ist, ist schwer zu sagen, vielleicht nach einem — nicht belegten
— D.A.sg. *gaim.
Bei 17. ainech enech scheint mbret. enep akorn. eneb das e-
als alt zu verbürgen, das in akymr. let-einepp (Gl. pagina, KB.
creca gebildet, s. die Belege bei Meyer, Contrib. unter craic, crec, Crece. In
neuirischen Mundarten ist sowohl das -r- als das -g bald palatalisiert, bald
nicht. Es ist ein Wanderwort, vgl. mkymr. creic nkymr. craig engl. crag.
Keltisches. | 9
VII 386), später wyneb (auch gwyneb) eine eigentümliche, allenfalls
auf palatalisiertes n weisende Entwicklung zeigt. Auffällig ist
die Ogom-Schreibung Inega-glas Journ. of the R. Soc. of Anti-
quaries of Irel. 1898, S. 57, auch Inaepius, wenn K. Meyer, Zur
kelt. Wortkunde § 91 in diesem Namen eines der angeblichen
Franci Patricii Arm. 9b 2 mit Recht denselben Wortstamm sieht.
Ein i erscheint allerdings auch im irischen D. pl. inchaib; aber
das dürfte eine speziell irische Erscheinung sein wie in frit/ch]ib
ML 44c 14 zu fretech „Verzicht“ (Verb fris-toing). Auch die ver-
wandten Wörter gr. &vwnıa usw. (ai. dnikam) lassen mindestens
ursprüngliches e-, nicht a- erwarten.
In den Fällen, wo sicher altes e mit a wechselt, hat man
bisher meist für jeden Einzelfall eine besondere Ursache ange-
nommen; aber die große Anzahl von Belegen läßt diesen Weg
doch als bedenklich und unzureichend erscheinen. Daß in ein-
zelnen Beispielen fremde Beeinflussung anzuerkennen ist, soll
damit natürlich nicht geleugnet werden, s. oben zu 33. -apail
und 29. praicibtorai. Auch bei 8. taige, taig hat man gewiß mit
Recht auf den Vokalismus des gegensätzlichen maige, maig zu
mag „Feld“ hingewiesen. Aber überall geht das nicht an. An
sich ist die Dissimilation oder Differenzierung eines e vor einem
Konsonanten in ¿-Stellung ja nichts Befremdliches und hat genug
Parallelen; aber sonderbar bleibt das starke Schwanken. Ich
möchte annehmen, daß die Ausbreitung dieses Lautwechsels erst
in eine Zeit fiel, da sich die irische Schriftsprache schon einiger-
maßen fest ausgebildet hatte. Als die Zeit dieser relativen
Fixierung hab ich früher (Ir. Helden- und Königssage I 111) etwa
das Ende des 7. Jahrhunderts angesehen, möchte sie aber jetzt
— namentlich in Hinblick auf die irischen Rechtstexte, die sicher
zum Teil diesem Jahrhundert angehören — etwa um eine, wenn
nicht zwei Generationen weiter hinaufrücken. Von wo der Laut-
wechsel ausgegangen ist, vermag ich nicht zu bestimmen; die
Ortsnamen 25. Aigle, 26. Tailtiu, auch 7. * Blaidm(?) finden sich
in den verschiedensten Gegenden Irlands. So würde sich z. B.
gut erklären, weshalb 16. etire und 17. enech, das namentlich im
Ausdruck lóg n-enech. „Ehrenpreis“ in Rechtstexten so häufig war,
die neuen Formen aire und ainech nicht durchdringen ließen.
Formen wie 22. cretim und 29. predchim, vielleicht auch sechithir
„folgt“, wo keine Formen mit o überliefert sind, konnten durch
das Lateinische festgehalten werden. Auch in andern Fällen
kann man wohl eine Ursache für das Durchdringen des einen
10 R. Thurneysen
oder des andern Vokals finden. 12. at-raig „erhebt sich“ war
unter dem Druck des gegensätzlichen 10. -laig „legt sich“, das
seltene -ragat im Plural dann etwa nach -aig „treibt“ Pl. -agat.
Daß sonst diese Präsensklasse (s. Nr. 13) kaum je eine Spur von
a zeigt, erklärt sich leicht daraus, daß z.B. in berid -beir „trägt“
ed nur in der III. sg. — wo überdies noch die Form -ber im An-
schluß an die na-Klasse daneben lag — und in der IL pl., in
einigen Imperativformen und im Imperf. Ind. vorkam, während
die L sg. biru -biur, Il. *biri -bir lautete, also der Vokalismus e%
(im Subj. beraid -bera, im Prät. -bert) überwog. Daß im Gegen-
satz dazu in 9. saidid und 10. laigid das a gesiegt hat, möchte
ich darauf zurückführen, daß es wohl ursprünglich i-Präsentien
waren wie in den meisten germanischen Mundarten (und gr.
ouar), also im ganzen Singular e hatten; der Plural sedait und
das Pass. sedair hindern diese Auffassung nicht, vgl. pl. -ecam
-ecat Pass. -ecar zu -icu -ici -ic (Pedersen § 752, 3.4), wo der
Vokalismus der Stammsilbe (i7k- aus ob) sicher auf folgendes i
weist. Daß es nicht *sid- und *lig- heißt (wie im Subst. lige
„Liegen“) kann auf altem Einfluß des Subj. sess- less- beruhen.
Ähnlich mag 28. tene neben tain- etwa durch tenlach (später tel-
lach) „Herd“, eigentlich „Feuerlager“, vielleicht auch tee, té „heiß“
gestützt worden sein. So läßt sich allerlei vermuten. Aber ich
gestehe, daß ich nicht zu sagen vermag, warum 18. ere „Last“
neben aire am Leben geblieben und weshalb 27. elit „Hirschkuh“
neben ailit und etwa seche „Haut“ oder der n-Stamm (Plur.
i-Stamm) neim „Gift“ (ohne Formen mit a) durchgedrungen ist,
da diese Wörter in der Schriftsprache keine große Rolle gespielt
haben können, wie das allerdings bei dem häufigen 32. -epir,
epert neben -apir usw. der Fall ist. Man müßte zunächst eine
Sammlung aller der Wörter veranstalten, wo e vor durchgehend
palatalisierter Konsonanz sich gehalten hat. Diese fehlt mir
einstweilen. Aber schon das Gesagte wird genügen, um zu
zeigen, daß man nicht irgend ein einzelnes Beispiel herausgreifen
und seinen a-Vokalismus etymologisch verwerten darf.
2. Eigentümliche Vokalangleichung im Irischen.
Das Verb gono „ich verwunde, töte“ III. sg. gonaid, -goin
und -gon, Prät. L. sg. -gegon, III. geguin (Pedersen $ 746; ZCP. XIII
106) hat das merkwürdige Prät. Pass. goite, göeta, mir. -gæt (aus
*_goit), Part. Pass. goite. Die Erklärung aus einer andern Wurzel
(zu lit. żaizdà „Wunde“ Stokes bei Fick H* 113; zu lat. caedo
Keltisches. 11
Pedersen I 494) hat keine Wahrscheinlichkeit, und die Frage von
Pedersen (II 548), ob es aus der zu erwartenden Form *gete *get
(= ai. hatd-) umgebildet sei, ist ohne Zweifel zu bejahen. Es
ist das o der andern Formen nicht an die Stelle von 2, sondern
zu ihm hinzugetreten, so daß der Diphthong oe, oi entstand.
Denn dasselbe findet sich in einem zweiten Beispiel.
Mir scheint nämlich das vielbesprochene Verhältnis der iri-
schen Wörter für „fünf“ und für „fünfzig“ hierherzugehören '):
air. cóic nir. cúig (gespr. küg‘) „fünf“, air. cóiced nir. cúigeadh
„fünfter, Fünftel“ einerseits, air. coica cóeca (Gen. -cat) nir. caogad
„fünfzig“ anderseits. In meinem Handbuch § 390 glaubte ich
air. coic (mit echtem Diphthong) oder zweisilbiges coïc ansetzen
zu sollen, bin aber bald von verschiedenen Seiten auf das Un-
zulässige dieser Annahme aufmerksam gemacht worden. Die
spätere Entwicklung, schon mir. cúic, cúiced, verlangt durchaus
einfachen Vokal, air., und die Verse (z. B. Fél. Prol. 327; 7. Aug.)
Einsilbigkeit, während coica, cóeca Diphthong hat. Wie ist zu-
nächst cöic aus urkelt. *krenk*e (britann.-gall. pimp-) entstanden?
Für die Umfärbung des e-Vokals in o hat man natürlich seit jeher
die beiden Labiovelare verantwortlich gemacht; das Beispiel von
osk. pomp- lag ja nahe. Aber woher die Länge? Daß out im
Irischen sonst zu óc (d.i. ögg, ög) wird (Handb. 8 207), gibt auch
Pokorny zu. Das beweisen nicht sowohl die Komposita mit com-
wie cocad, cocele, cocur usw., da dieses das kurze o auch vor s zeigt
(cosmil, cosnam usw., Handb. § 209), wo es nicht „regelmäßig“
ist, als air. toceth (Thes. II 47, 26 = 362), dann tocad Glück"
= bret. tonket „Schicksal“. Darum will er auf Grund des einen
Beispiels cöic die Regel aufstellen, in einsilbigen Wörtern trete
Ersatzdehnung ein, in mehrsilbigen nicht. Er stützt sich dabei
namentlich auf das in seiner Bildung nicht ganz klare Wort
coicthiges, Gen.-gis, „vierzehn Tage“ (eigentlich wohl „15 Nächte“),
das sicherlich das Zahlwort enthält, dessen neuirische Aus-
sprache aber auf kurzes o weist. Aber gerade in diesem Wort
ist die Schreibung cöic- mit Längezeichen in der älteren Sprache
so häufig belegt (s. Meyer, Contrib. s. v.), daß es sich nicht um
Verirrungen der Schreiber handeln kann, sondern daß unzweifel-
1) Vgl. namentlich Rich. Schmidt, IF. I 43ff., dem sich Brugmann, Grundr.
I? S.857 mit einem Fragezeichen anschließt; Pedersen, GGA. 1912 8. 29f.;
Hessen, ZCP. IX 28f.; Pokorny, KZ. XLVII 164 ff.
2) Vgl. Ogom Togittacc (Macal. I 53, dazu Pokorny, ZCP. XII 424), ir.
toicthech „glücklich“.
990685
12 R. Thurneysen
haft ist, daß es sich um sekundäre Kürzung in der späteren
Sprache handelt, wie auch in den paar andern von Pokorny auf-
geführten Fällen. Gegen seine „Regel“ spricht auch ro-ic „er-
reicht“, t-ic „kommt“ aus ink-, wo ein sz, wenn es regelrecht
wäre, im Subj. zss- eine Stütze gehabt hätte; wohl auch das Prät.
conda-sloic LU.10652 „so daß sie sie verschluckte“, wo mindestens
kein Längezeichen steht. Um diese Schwierigkeit kommt man
herum, wenn man annimmt, daß *krenk*e zunächst regelrecht zu
"agoe (das op als geminiert zu denken) geworden war und daß
erst dieses zu *krög*re oder *köge umvokalisiert wurde; op mochte
um so stärker wirken, als es ein in der Sprache ungewöhnlicher
Laut war, da ja altes o wohl längst in b übergegangen war.
Air. coica, cöeca betrachten R. Schmidt und Pokorny als eine
Parallelerscheinung zu der Tatsache, daß im Altirischen com-
imm- als coim(m)- erscheint und die Präverbien ro- fo- to- bei
fester Komposition vor reduplizierten Präterita und Futura als
roi- foi- toi-, wie in for-roichan, arrob-roinasc, in-roigrainn,
fris.foichiurr, do-toeth (Handb. § 177. 659); überall ist ein ein-
facher Konsonant, der, wenn er erhalten wäre, leniert erscheinen
müßte, dissimilatorisch völlig geschwunden, und der Reduplika-
tionsvokal -e-, -i- hat sich mit vorausgehendem o zu oe, oi, die
im Irischen nicht geschieden sind, verbunden. Aber in coica,
cóeca handelt es sich um keinen lenierten Konsonanten, da aus
nk ja g, ursprünglich wohl gg entsteht. Dieser Schwierigkeit
entgeht zwar Pedersen, indem er alle diese Fälle anders erklärt,
durch bloße Synkope des Vokals’), so daß -roichan zunächst aus
-roy eyan, -roy yan und coica aus kokexont-s, kokxo-, koyko- her-
vorgegangen wäre. Aber seine Erklärung ist mit Recht abgelehnt
worden, da sie z. B. auf coim- aus com’-im’m’- nicht anwendbar
wäre, indem das Irische keine Abneigung gegen aa hat, vgl. z.B.
beimmi, löimm „Schluck“ oder auch as-roinnea aus ro-snea. Ich
denke, daß das Beispiel goite für *göte nach gon- das Rätsel löst.
Aus krenk*ekont- (oder wie man den Mittelvokal ansetzen mag) war
wohl durch Haplologie krenkont- geworden, das regelrecht als
cēcot- (gespr. kegod-) erscheinen müßte; dieses nahm aus cöic
den Vokal o hinzu, d.h. übernahm den ganzen Anlaut co-, daher
coecot- coicot-.
1) Doch hat ja die Annahme des dissimilatorischen Schwunds des Kon-
sonanten keine Bedenken, vgl. etwa dynyoxa — dynoxa, Fauentia — Faenza ;
und daß e, ¿ dann ihre silbische Geltung verloren, entspricht der allgemeinen
für zweite Silben geltenden Regel.
Keltisches. 13
3. Etymologien.
Das Wort mir. ara „Schläfe“ ist in der älteren Sprache m.
io-Stamm: G. sg. arai Ane. Laws V 363d, A du. da are Thes. II
249,2; A. pl. aru (Gl. tempora) ebd. 46, 28 = 361. Erst im Mittel-
irischen geht es in die ch-Flexion über: G.sg., pl. arach, D.sg.
araid (wohl für araig), s. Ed. Gwynn, Metr. Dindshenchas IV 465.
Daß r nicht palatalisiert ist’), zeigt, daß zwischen ihm und der
Endung etwas geschwunden ist. Stellt man daneben gr. nageıd
sageıal lesb. zaogeóa hom. naprıov, so ist kaum zweifelhaft, daß
dem irischen Wort (p)arausios oder -sios zu Grunde liegt. Die
Schläfen können noch mit besserem Recht als neben oder vor
den Ohren befindlich bezeichnet werden als die Wangen. Daß
der gallische Stadtname Arausio „Orange“ dazu gehört”), macht
der ir. Ortsname Arai Chliach (Gen. von Cliu) wahrscheinlich.
Das Verhältnis von ir. slán zu lat. sānus, die sich in der
Bedeutung vollständig und in den Lauten beinahe decken, ist
zunächst nicht klar, vgl. Meillet, Bull. Soc. Ling. XXVII 2 Nr. 85
S. 42. Etymologisch ist slán leichter zu erklären. Denn ich teile
die Bedenken Meillets nicht, mit Pedersen, Vgl. Gramm. I 53
neben der einsilbigen Wurzel von ai. sdrvah gr. Bio oëioc und
ital. sollo- kymr. bret. holl, die das „Ganze“ bezeichnet, eine
zweisilbige Basis solöo- mit der Bedeutungsnuance „heil, gesund“
anzunehmen in gr. Öloeitaı‘ dyıalvaı (Hes.), ital. salauo- in lat.
saluos osk. owÄars, zu der ir. slán (= sIno- nach de Saussure’s
Bezeichnung) regelrecht gehört. Ihm wird ein ital. *slänos ent-
sprochen haben, das dann seinen Anlaut an sal(a)uos (salüs) an-
glich und so zu sänus wurde. Das konnte um so leichter ge-
schehen, als es nicht mehr durch das sinnverwandte *plänos
„voll“ (ir. lán) gestützt wurde, da dieses zur Unterscheidung von
plānus „eben“ durch plenus ersetzt worden war.
Endlich möchte ich der alten Gleichstellung von air. däne
mit dem Namen der Donau das Wort reden; sie geht auf Zeuß,
Gramm. Celt.’ 994 zurück, ist aber von verschiedener Seite,
zuletzt namentlich von Max Förster, Zs. f. slav. Phil. I 1ff., be-
stritten worden, der die Literatur wohl vollständig aufzählt. Air.
däne, jünger dána bedeutet „kühn, draufgängerisch“ und wird
1) Wenn K. Meyer, Contrib. 5 aireglan richtig mit „having bright temples“
übersetzt, so hat der Schreiber des 12. Jahrhunderts ein älteres are-glan ver-
unstaltet.
s) Vgl. auch die Personennamen Arausa (in Astorga), unsicher Arau-
sionis (Pest) bei Holder, Alt-Celt. Sprachschatz I 178, ferner eba. III 656.
14 R. Thurneysen
in der älteren Literatur von Menschen und Wildschweinen ge-
braucht’). Einmal wird es nach K. Meyer, Contrib. 588 auch von
den Wogen ausgesagt: no-toirmesctis na tonna dana „die heftigen
Wogen hinderten* in dem mittelirischen Text Cath Catharda °).
Eine Grundform dänouios oder eher dänouios ist die nächstliegende;
eine solche würden die Römer mit Dänuuius wiedergeben im An-
schluß an ihr flowius — fluuius, und sie entspricht — mit Genus-
wechsel — auch am besten den germanischen Namen wie ahd.
Tuonouua, über die man Förster vergleiche. Von der lautlichen
Seite geht denn auch sein Einwand nicht aus, sondern davon,
daß es in England zwei Flüsse Don gibt, deren Name auf eine
kürzere Form, etwa *dänu, zurückgeht. Der in Yorkshire erscheint
im It. Ant. als Danum (hier für das dortige Lager gebraucht),
bei Nennius als Cair Daun’). Dieses Wort stellt er zu avest.
dänu-$ „Fluß“ osset. don „Wasser, Fluß“, womit schon Frühere
Danuuius zusammengebracht hatten. Das ist einleuchtend. Aber
Flüsse werden ja häufig nach dem bewegten Wasser genannt,
wie eben unser „Fluß“ und „Strom“, lat. fluuius, flumen und
unzählige andere. Daß *dänu im Keltischen „heftige Strömung,
stark fließendes Wasser“ bezeichnete, darf man wohl dem Er-
klärer gallischer Eigennamen entnehmen, der Rhodanus als „ni-
mium uwiolentus“ deutete (IF. XLII 144). Das zugehörige Adjektiv
*dänouios bezeichnete also vermutlich zunächst die Eigenschaft
eines solchen stark strömenden, alles wegschwemmenden Wassers
und ist dann im Irischen auf Lebewesen übertragen und im
Neuirisch-Gälischen ganz auf sie beschränkt worden. Im Fluß-
namen Dänuuius erscheint es substantiviert, wohl mit Unter-
drückung eines maskulinen Wortes für „Fluß“. Dem steht nicht
entgegen, daß ai. dänu gerade „träufelnde Flüssigkeit, Tropfen,
Tau“, also kein mächtig strömendes Wasser bedeutet; denn bei
1) Ein dänae „begabt, tüchtig“, das Pokorny, ZCP. XVI 452 als Gen. PI.
von dan „Begabung“ faßt, kenne ich nicht.
2) Ich habe das Zitat in Stokes’ Ausgabe einstweilen nicht gefunden; im
Glossar s. v. tairmescaim (wo 264 statt 261 zu lesen ist) ist gerade diese Stelle
nicht angeführt. Ä
3) Nach Förster (S. 18) soll diese Städteliste um 840 entstanden sein.
Aber Nennius (besser Nemnius) sagt ja ausdrücklich, daß er die ciuitates von
Älteren übernehme (ed. Mommsen 207, 31); und daß er selber um 826 seine
Historia redigiert hat, glaub ich ZCP. I 165 wahrscheinlich gemacht zu haben
in einem Artikel, der freilich in der anschwellenden Nennius-Literatur nicht
abgelehnt, sondern mit Schweigen übergangen zu werden pflegt, an dessen
wesentlichen Resultaten ich jedoch festhalte.
< é mn, aëfgegegfeteteg gg,
Keltisches. 15
Verben der Bewegung kommen solche Verschiebungen öfters
vor. Vermutlich gehört hierher auch das im Gallischen häufige
Condate (Ack. Condätem Auson.) frz. Condé, Condes usw. für den
Zusammenfluß zweier Wasser, das die Lateiner mit Confluentes,
Confluens (Koblenz) wiedergaben.
Die Donau führt mich weiter zum Rhein, nicht um die
Etymologie von dessen ja klarem Namen zu bestreiten oder zu
stützen, sondern wegen der gallischen Aussprache desselben.
Neckel, Germanen und Kelten S. 44, schließt nämlich aus german.
Rin- gegenüber gallolat. Rhenus, die sich nur in einer Grundform
* Reinos vereinigen, daß die Kenntnis des Rheins schon der
keltisch-germanischen Urzeit angehöre, als die Kelten und Ger-
manen noch eine sprachlich ungetrennte Einheit bildeten. Die
Aussprache 2 für altes ei fiele also ungefähr mit dem Beginn der
Sonderentwicklung des Keltischen zusammen. Das heißt denn
doch ein Gebäude auf einem sehr schwankenden Grunde errichten.
Was wissen wir denn von der Aussprache bei den verschiedenen
keltischen Stämmen? Und wie hätten die klassischen Sprachen
ein ei wiedergeben können, wenn dieser Diphthong noch bei
Kelten bestand, da lat. ei und griech. er ja schon im 2. Jahrhundert
v. Chr. Monophthonge bezeichneten; höchstens hätte den Griechen,
wenn sie die Namen nicht durch lateinische Vermittlung über-
nahmen, vielleicht yı (oder sel zur Verfügung gestanden. So
wird ja der Name des Diwiciäcus, dessen erste Silbe 3 aus altem
e enthält (zu air. di-fch- „rächen“) auf den Münzen mit Asıov-
geschrieben. Damit will ich nicht leugnen, daß, wie die Insel-
kelten, auch manche festländische ¿ für altes ei sprachen und
daß z.B. die häufige Schreibung dēu-, gr. Anovova (Hs. Aoundva,
Ptol.) für idg. deiuo- wenigstens teilweise diese Aussprache
spiegelt. Immerhin nennt ja Ausonius die Quelle bei Bordeaux
Diuönä und eine Divonne fließt im Dep. Ain; Diuogenus -a findet
sich neben Deuognata, Deuignata, und was der bei Holder einzu-
sehenden Beispiele mehr sind. Ob überall Latinismen anzunehmen
sind, ist mindestens fraglich. Denn daß in der Aussprache von
Diphthongen in Gallien sehr große Verschiedenheiten vorhanden
waren, zeigt ja der alte Diphthong eu, wo die Schrift den Lauten
leichter gerecht werden konnte, deutlich. So werden die Leuci
(um Toul) immer so genannt. Aber der Stamm *teutä „Volk“
bewahrt bald sein e, wie in Lukans Teutates oder im Namen des
Galaters Av-tevrog (Strab.); am häufigsten erscheint tout- (Holder
II 1896—1900), aber neben Toutius -a auch Totius -a und Tutius
16 R. Thurneysen
-a usw. So wird auch bei altem ei die Aussprache zwischen ez,
ë und wohl auch: geschwankt haben, und die Germanen können
in alter oder jüngerer Zeit * Reinos von rechtsrheinischen Kelten
übernommen und ihrem Vokalismus angepaßt haben. Ob Cäsar
die Form Rhanus von einem gallischen Stamm, der 3 sprach,
adoptierte oder ob er * Reinos auf seine Weise wiedergab, können
wir nicht wissen. Auch ob der Rhein wirklich von den Kelten
benannt worden ist oder von einem älteren indogermanischen
Volk, muß natürlich dahingestellt bleiben; sprachlich ist jenes
möglich, da sie ja den Stamm nach air. rian „Meer, Strömung“
besaßen.
4. Akymr. planthonnor.
Daß ich diese altbekannte Form erwähne, geschieht nur, um
eine Unterlassungssünde wieder gutzumachen, die ich in meinem
Aufsatz „Zum Deponens und Passivum mit r“ oben XXX VII 92ff.
begangen habe, und die in den zahlreichen späteren Arbeiten
über die r-Formen bis auf die jüngste von Edith F. Claflin
(Language V 232ff.) ihre Spur hinterlassen hat’). Ich sagte dort
(S. 100), daß im Gegensatz zum Altirischen, das von der allge-
meinen Passivform eine III. pl. unterscheidet, die britannischen.
Dialekte keine besonderen Pluralformen kennen.
Als Stokes 1865 die Cambridger Glossen zu Juvencus heraus-
gab, besprach er (KB. IV 412) auch die Glosse plánt hönndr, die
über fodientur steht in dem Vers: Aeternum miseri poena fodientur
iniqui. Er deutete planthonnor als II. pl. Fut. Pass. zu nkymr.
plannu „pflanzen“ aus lat. plantare. Aber Ebel nahm die Form
in die Gramm. Celt.* nicht auf, und die Erklärung wurde von
Loth, Vocabulaire vieux-breton (1885) S. 205 verworfen, erstens
wegen des Sinnes, zweitens weil das Britannische keine solchen
Formen kenne. Das hat zur Folge gehabt, daß Dottin, Les desi-
nances verbales en -r (1896) S. 173f., die Glosse nur erwähnte,
um Stokes’ Deutung abzulehnen, und daß Strachan, Introduction
to Early Welsh, und Morris Jones, A Welsh Grammar, sie gar
nicht verzeichnen, und hat offenbar auch mich sie einst vergessen
machen. Jedoch Pedersen, Vgl. Gramm. II 393, führt sie an,
allerdings am Schluß des Abschnitts über Spuren der Unterschei-
dung von Sg. und Pl. bei den r-losen Tempusbildungen; er
1) Ein anderes ärgerliches Versehen war, daß ich ebd. 93 gwär statt gyr
„er weiß“ als kymrische Form angab.
Keltisches. 17
hat aber anscheinend — aus welchem Grunde, weiß ich nicht —
keinen Eindruck gemacht’).
An sich ist Stokes’ Erklärung untadelig: planthonnor Passiv
zu aktiven Formen wie III. pl. Subj. carhont; -nt- in der Endung
regelrecht zu nn geworden, während es sich in plant- vor dem h des
Subjunktivs noch gehalten hat (vielleicht als nth, wenn *planthhonnor
gemeint ist, vgl. nerthheint KB. IV 412); *-ntor Plural zu dem mehr-
fach in der alten Sprache belegten singularischen -tor; der Sub-
junktiv als Futur gebraucht, was auch sonst bei den A Formen
in der alten Poesie üblich ist und im Bretonischen bis heute fort-
dauert. Der erste Einwand Loths wiegt nicht schwer; „sie werden
ewiglich in Pein eingepflanzt werden“ ist zwar gewiß nicht, was
Juvencus meinte, aber als Mißverständnis eines Glossators, der
fodere in seinem gewöhnlichen Sinn nahm, leicht begreiflich. Den
zweiten Einwand wird er heute selber aufgegeben haben, da er
ja später (RC. XXXI 493) den präteritalen Plural: y llais y gwyr
llen „die Kleriker wurden getötet“ unmittelbar neben dem Sg.
y llas im Brut Tysilio entdeckt hat; dazu kommen einige passi-
vische Pluralformen des Plusquamperfekts, die z. B. Pedersen
ebd. aufführt, allerdings mit aktivischer oder wenigstens r-loser
Personalendung. Da wir nur fürs Kymrische, nicht fürs Breto-
nische und Kornische alte Denkmäler von einigem Umfang be-
sitzen, ist also nicht zu bezweifeln, daß das Britannische einst
ganz wie das Irische eine besondere III. pl. von der allgemeinen
Passivform unterschied, die somit keine „man“-Form war‘). Die
britannischen Mundarten, wie auch das Neuirische, haben dann
aber diese unterschiedene Pluralform aufgegeben. Die kymrische
Endung -(n)tor wird hinter dem r einen Vokal verloren haben,
da man sonst fr, altkymrisch etwa *-tir geschrieben, erwarten
müßte.
Weiter möchte ich auf das Problem nicht eingehn, und ich
wundere mich eigentlich, daß so Viele, auch solche, die nicht
durch die Verfassung einer historischen Grammatik dazu ge-
zwungen sind, darüber schreiben, bevor das tocharische und
1) Bei Baudiš, Gramm. of Early Welsh, I (1924), wo man eine eingehende
Erörterung des Falls erwartet, heißt es S. 139 nur: „note also »lanthonnor
gl. (see Loth. Voc.)‘. Kurz, aber nicht bündig.
2) Ich babe zwar RC. XI 91ff. darauf aufmerksam gemacht, daß der Schreiber
der Juvencus-Glossen den irischen Namen Nuadu führt und auch einige irische,
vielleicht auch einige hibernisierende Glossen beigeschrieben hat; aber eine so
„lautgesetzliche* Form wie planthonnor etwa nach irischem Muster zu bauen,
wäre er natürlich nicht im Stande gewesen.
Zeitschrift für vergl. Sprachf. LIX 1/2. 2
18 F. Specht, Lit. kelena.
hethitische Material einmal vollständig und gesichtet vorliegt.
Nur eines möchte ich nochmals betonen, da es in einigen der
neueren Arbeiten gar zu leicht bei Seite geschoben wird, daß
im Irischen die r-Endungen mit # im Deponens und im Passiv
streng geschieden sind; die mangelnde Synkope vor der depo-
nentialen Endung IlI. sg. -thar -thir, II. pl. -tar -tir im Gegensatz
zum Passiv und die Bewahrung des ¿Z in der III sg. des depo-
nentialen s-Präteritums -star -stir (gegenüber der II. sg. -sser aus
-ster) weisen ausgesprochen darauf hin, daß im Deponens sich
einst -fr- unmittelbar folgten; mit einer sekundären Beeinflussung
durch aktive Formen ist namentlich im zweiten Fall nicht auszu-
kommen. Dagegen im Passiv war # von r durch einen alten
Vokal getrennt, der mir im Irischen e oder i, möglicherweise im
Wechsel mit o, gewesen zu sein scheint (Handb. 8 575f.), während
das Altkymrische -tor/ hat". Damit wird sich eine künftige Er-
klärung auseinanderzusetzen haben".
1) Das einmalige kymr. traethatter (RC. XXXI 489) wird unter dem Bin-
fiuß der Josen Endung -ker stehen. — Zu den irischen Formen wie 2gthiar
s. ZCP. 14, 4.
2) [Korrekturnote. Zu I Nr. 15: egar „das getrieben wird“ steht AL.
11128, 1 unmittelbar neben ©-»-agar (4.2). Weitere Beispiele für den Wechsel
von & und à sind: gaimen „Fell“, A. pl. gaimniu — D. pl. gemnib, sam-ghemen
„Sommerfell“ AL. VI 439; ferner Dem. gaimnén Liadain a. Curithir 22, 14;
for-gemen, A.pl. forgemne und forgaimne TBC. (ed. Windisch) S.982. Viel-
leicht zu Nr.6 gehörig. — Ailtes „Lauheit“ ZCP. III 448, 14, D. pl. co n-altesaid
Ériu II 58 8 23, aber co n-eltessaib ebd. 1200 823, elltesaide „lau“ Cath
Catharda (Glossar). — In aiscid und escaid, eascaith „Lausen“ Ériu VII 177
(zu 83) wechseln die Vokale je nach der Färbung der Konsonanten; vgl. Nr. 30.
31. — Das Gebirge Slieve-Aughty zwischen den Grafschaften Galway und Clare
heißt fast immer Slab n-Echtge (-ga), aber in dem Gedicht Ériu II 50 Str. 3
ist ó Haichdgi geschrieben. ]
Bonn. R. Thurneysen.
Lit. kelena.
Bei Trautmann, Balt.-Slav. Wörterbuch 124 fehlt unter kila-
„Weile“ die baltische Entsprechung këlena, -os. Das Wort steht
bei Juskieviö Wort 1 223% blüngstelek sau kelenele „ruh Dich ein
Weilchen aus!“ und ebd. II 69® paviesck dar kelenele pàs mumis
„bleib noch ein Weilchen bei uns zu Gast“ u. a. Mit aöech.
Čila, Cila, got. hveila weist kelena auf eine Grundform "eer.
Halle (Saale). F. Specht.
Jacob Wackernagel, Indoiranica. 19
Indoiranica ^ò.
3. Ai. acchidat
hat Whitney Roots 50 als Aorist des IL Typus aufgeführt, und
Brugmann, Grundr.’ II 3, 125. 134. 468 hat dies dazu verwertet, aus
dieser angeblich altindischen Aoristform zusammen mit lat. scidit
grundsprachliches Dasein eines Aorists vom Typus ZAıno» für das
Verbum chid- zu folgern. Mehrere Forscher, zuletzt Hirt, Indogerm.
Gramm. IV 241f. (vgl. auch Sverdrup, Nordisk Tidskr. for Sprogv.
2, 49. 51) sind Brugmann darin gefolgt.
Nun ist die angebliche lateinische Parallelform zu acchidat
von vorn herein hinfällig: scidit war nur bei den „juniores“ ge-
bräuchlich (Priscian 1, 6,30 = Gramm. lat. 3,23, 2); Neue, Formen-
lehre III 344f. bringt ausschließlich Beispiele aus der Kaiserzeit.
Vorher sagte man scicidit. Die Form scidit ist gerade so wie tulit
zu beurteilen, d. h. der Komposition entstammt (Sommer, Hand-
buch’ 552f.; Leumann, Lat. Gram. 333).
Aber auch das indische Zeugnis versagt. Als Belege der
alten Texte für solchen Aorist von chid- dienen acchidan AV.
6, 104, 1 und acchidat AB.3, 26, 3. Nun hat man keinen Grund
die III. pl. acchidan auf einen Aoriststamm chidu- zu beziehen;
er kann die normale III. pl. des Wurzelaorists darstellen, der in
RV. 1, 109, 3a mit der I. pl. chedma belegt ist. Was aber die
Stelle des Aitareya-Brahmana betrifft, so steht dort das über-
lieferte acchidat mitten zwischen den Imperfekten samagrbhnät
ajahitam, upasamagrbhnät in § 2 und abhavat in § 3. Diese Im-
perfekta sind einzig sachgemäß, da es sich um eine Erzählung
handelt. Also ist für acchidat das Imperfekt acchinat einzusetzen.
Und gerade diese Form findet sich an den Parallelstellen Kath.
35, 3 (37, 15) und PB.9, 5, 4.
Erst in jüngeren Texten erscheint das zu acchidan hinzu-
gebildete acchidat und was dazu gehört: Taitt.Är., Epos, klassi-
sche Sprache (P. 3, 1,57). An acchidet lehnt sich pāli acchidä im
Suttanipata 357 (Geiger 131 Š 161) an.
4. edänam
wird von Caland, ŚBK. S. 53 aus der Känva-Rezension des Sata-
pathabraähmana 1, 3, 4, 4. 2, 2, 2, 8. 4,4, 2,4 als Ersatzform für
das übliche iddnzm „jetzt“ angeführt, das sonst, wie die Stelle
4, 9, 3, 21 erweist, im Känva-Texte nicht gemieden wird. Caland
1) Vgl. oben LV 204ff.
2%
20 Jacob Wackernagel
bezeichnet die Form als „curious“. Aber ohne Zweifel stellt sie
ein Avyayibhäva-Kompositum aus d und idänim dar, bedeutet
also „bis jetzt“, wie z.B. AV.4,5,7, ä-vyusdam „bis zum Morgen-
licht“ und otsürydm „bis zum Sonnenaufgang“, SB. ä-pravrsam
„bis zur Regenzeit“ usw. Dazu paßt, daß dem edändm von SBK.
1,3,4,4. 2,2,2,8 in der Madhyandina-Rezension 2, 4,4,6 bzw.
1, 2, 4, 13 ápy etärhi „noch jetzt“ entspricht. Dem edändm der
noch nicht im Druck erschienenen Stelle ŚBK. 4, 4, 2,4 entspricht
an der nach Caland damit parallelen Stelle SBM.3,4,2,4 yáthā
na ¿dám ä-pradivdm evdjarydm dsat anscheinend das formal gleich-
artige ä-pradivdm „für immer“.
Das Kompositum ist durchaus normal gebildet. Gerade so
ist ë in dem eben erwähnten SB .ä-pradivdm unter Anfügung von
-ám mit dem Adverb v. pradivi pradivah „von jeher“ zusammen-
gesetzt. Auch GB. S. yathä-puram „wie früher“ (zu v. purdh) und
SB. präg-apäm „von vorn nach hinten“ (zu v. apdk) kann man
vergleichen. Bei Nomina auf ¿z ist allerdings erst klassisch für
Avyayibhavas die Endung -ám sicher bezeugt z. B. upa-nadam
„am Flusse“ (P. 5, 4, 110), während vorklassisch, außer v. api-
sarvare& „frühmorgens* zu v. Sdrvari, nur ¿ als Endung solcher
Komposita belegt scheint: Drahy 4,4, 16 adhy-aumbari zu B.
dudumbari „Udumbarazweig“, was auch klassisch vorherrscht.
Aber iddnim lag von diesen Feminina fern ab; ein *edäni könnte
man sich gar nicht denken.
5. käld-.
Im Unterschied von dem Adjektiv kdla- „schwarz“ *), dessen
echte Form kala mit zerebralem 1 ist (Lüders, Antidoron 300f.),
enthält das Substantiv käld- „Zeit“ ein echtes I das zuerst durch
RV. 10, 42, 9b (krtam yác chvaghnt vicindti käle) bezeugt ist.
Nun pflegen den Wörtern, die im zehnten Mandala oder andern
jüngern Teilen des Rigveda / aufweisen, in den älteren Teilen
des Rigveda Formen mit r zu entsprechen; dies gilt z. B. für
pulu- plu- mluc- labh- loman- lohita-. Fragen wir, ob sich dem-
gemäß im Rigveda ein dem käld- entsprechendes kärd- findet,
so bietet die Mehrzahl der Mandalas (auch 10, 53, 11d) ein Sub-
stantiv kärd-. Es bleibt zu erwägen, ob kald- mit diesem kärd-
wirklich gleich gesetzt werden kann.
Roth, dem Graßmann folgte, deutete es als Bildung aus kř-
1) Die Paroxytonese dieses kala- ist nicht direkt bezeugt, ergibt sich aber
mittelbar aus Pän. 4, 1, 42.
-a __
EEE Er PP
£ En EWR N
mab ë e,
| Zn D
Indoiranica. 21
„gedenken, preisen“ mit „Lobgesang, Preislied, Schlachtgesang“ ;
richtiger Geldner (Ved. Stud. I 119f.; Glossar s. v.; zu 1, 121, ic
der Rigvedaübersetzung) als „Gewinn, Sieg“, daneben als Aus-
druck für „Agon“. Darauf hat einerseits Lüders (Würfelspiel 63
nebst Anm.), andrerseits Oldenberg (Göttinger Nachr. 1915, 370£.)
weitergebaut. Aus Stellen wie RV. 1, 131,5d cakartha kärdm
und der Zusammengehörigkeit von kärd- mit krtnü- ergibt sich
für kärd- Herkunft aus kr-, wie schon Geldner meinte, aber nicht
in seinem Sinn („machen“ im Sinne von „gewinnen“). Sondern
kärd- bezeichnet „das zu-Stande-bringen dessen, was man zu
Stande bringen gewollt hat“. Dazu paßt sehr gut, daß man kärd-
öfters mit „Sieg“, das daraus gebildete kärin- mit „siegreich“
übersetzen kann. Als griechische Parallele hiezu darf vielleicht
eine Stelle wie Pindar Ol. 1, 85 zo dë soë yilav dldor dienen,
was der Scholiast zutreffend mit ob u&vros ólóou tùv geg wiedergibt.
Besonders gern werden die zu dieser Sippe gehörigen Aus-
drücke vom Erfolge im Spiele gebraucht. So ist krtá- (eigtl. „das
erfolgreich zu Stande gebrachte“) Bezeichnung des besten Wurfes’),
krtnú- „der den besten Wurf zu Stande bringt“ (Lüders, Würfel-
spiel 63). Dahinein paßt nun das käle in RV. 10, 42, 9b vorzüg-
lich; es heißt „beim Austrag des Spiels“, „im Augenblick des
Erfolgs“ und deckt sich mit dem kärd- RV.8, 21, 12a jáyema käre
kärinah (vgl. 10, 53, 11d sisäsdnir vanate kārá íj jítim, wo Geldner,
Gloss. 45 kärd gegen den Padatext als käre zu fassen scheint).
Eine besondere Stütze erhält diese Auffassung durch die Par-
allelstelle 10, 102, 2b bhäre krtdm vyàced indrasend. Hier könnte
man für bháre auch käre einsetzen, da Geldner, Ved. Stud. I 119ff.
(wozu Oldenberg, Gött. Nachr. 1915, 371 A.2 zu vergleichen ist),
die Synonymität von bhära- und kärd- nachgewiesen hat. `
1) Zu krtd- als Bez. des besten Wurfes gehört doch wohl das seit dem RV.
belegte kitavd- „Spieler“, dessen Æ ein ursprüngliches £ ausschließt; kitavá-,
gebildet wie kesavd- u. ähnl., heißt eigentlich der, dem das krtam zufällt; vgl.
daß Yäska 5, 22 neben der Herleitung des Wortes aus kim tavästi die aus
krtavän „du hast gewonnen“ in Betracht zieht (Roth, Erläut. 69; vgl. Sköld,
The Nirukta 231). Die Phrasevlogie des Würfelspiels enthält auch sonst mittel-
indische Sprachformen. Zutrefiend hat Lüders, Würfelspiel 41 auf kata- für
krtá- und pävara- für dvapdära- in der Mycchakatikä hingewiesen; pävarea-
zeigt ähnliche Umstellung der Artikulationsart wie Tareoßdvn u. dgl. (Schulze,
GGA. 1896, 251); päva- aus päpa- „böse“ hat wohl beim Aufkommen der Form
mitgewirkt. Kitavd- bezeichnet also zunächst den glücklichen Spieler, was
z. B. auf RV. 5, 85, 8a paßt. Aber schon im Spielerlied 10, 42 wird damit
überhaupt der dem Spiel ergebene bezeichnet.
22 Jacob Wackernagel
Diese älteste Bedeutung von kālá- ist noch erhalten Chand.
Upan. 2, 13,1, wo vom mithuna- die Rede ist und nach den
Worten striyä saha sete (sa udgithah) und prati stri sete, (sa prati-
härah) die volle Durchführung der geschlechtlichen Vereinigung
mit kalam gacchati, (tan nidhanam) bezeichnet wird. Entsprechend
übersetzen Böhtlingk und Deussen kalam gacchati an dieser Stelle
mit „zum Ziele kommen, zum Ziele gelangen“.
In der alten Prosa ist sonst diese erste Bedeutung des Wortes
um eine Nuance verschoben; käld- bezeichnet hier in der Regel
nun nicht mehr die Entscheidung, den Erfolg, sondern den ent-
scheidenden Zeitpunkt, auf den es ankommt, die richtige Zeit,
also dasselbe was im Griechischen ursprünglich xaıods, und ver-
drängt so allmählich das ältere ri«-, außer in den Bedeutungen
„Jahreszeit“ und „menses“. Und wie sich xaıpös in der spätern
Gräzität zur Bedeutung „Zeitpunkt“, „Zeit“ schlechtweg ver-
flacht, so — und zwar anscheinend früh — auch Aaäld-. Ja sogar
in bezug auf zeitliche Ausdehnung wird es schon vorklassisch
gebraucht z. B. Rang 141, 37 tävat-kälam „so lange“. — Mit der
käla-Mystik von AV.19, 53 und 54 mögen sich andere herum-
schlagen.
Im Sinne von SB. kale „zur richtigen Zeit“ AB. akäle „zur
Unzeit“ findet sich TS. 2,2, 9,5. 6 akal¿ bzw. SB. 2,4, 2,4 (zwei-
mal, im Gegensatze zu käle) dn-äkäle. Es ist kaum möglich, dies
an ü-kr-, das im RV. „sich aneignen“ (Ludwig) oder „erbeuten“
(Geldner) heißen kann, anzuknüpfen, und ganz weit steht es vom
episch-klassischen akära- „Form, Gestalt“ ab. Eher wohl ist es
ein Adverbialkompositum mit Lokativendung wie im RV. api-kakse
„bei der Achsel“, api-karne „beim Ohre“, api-sarvare „frühmorgens“
(eigtl. „der Nacht zunächst“); vgl. o temporal „in“ mit voran-
gehendem Lokativ im RN",
Aus käla- abgeleitet ist das episch-klassische kālya- „morgend-
1) Zuletzt hat über die Herkunft von kald- Wüst gehandelt (Zeitschr. f.
Indol. V 164ff.). Er schließt es an kalayati „treiben“ an, woran, wie er bemerkt,
schon Yäska (Nir. 2, 25) gedacht hatte (Sköld, The Nirukta 231), und nimmt
an, käld- habe ursprünglich die Zeit des morgendlichen Austreibens des Viehs
bezeichnet. Er beruft sich dabei unter anderm auf vikälu-, das den Abend als
die dem Morgen gegenüber stehende Zeit bezeichne. Aber an der bisher ältesten
Belegstelle ÄpSS. 10, 13, 6 heißt vikäle „zur Unzeit“ (so Caland) entsprechend
dem anrtubhih der Parallelstelle MS. 3, 6, 7 (68, 13); ist also gebildet wie etwa
S. vi-kathä „nicht zur Sache gehörige Rede“ kl. vi-märga- „Abweg“ jAw.
vi-zaodrä „unrichtiger Weihegruß“ (Verf., Ai. Gram. II 1, 261 8 102ed). Also
scheint die Bedeutung „Abend“ sekundär zu sein.
Indoiranica. 23
lich“ (eigtl. „rechtzeitig“). Diese Form des Wortes mit o in der
ersten Silbe ist außer an den bei BR. angeführten Stellen schon
bei Patanjali zu Vartt 1 zu Pan 5, 3, 42 (S. 410, 12 Kielh.) be-
zeugt: kälye bhunkte säyam bhunkte, und im buddhistischen Sanskrit,
wıe mir E. Leumann mitteilt, auch außerhalb der von BR. an-
geführten Stelle der Vyutp. Die andere Form kalya-, die vom
Epos an vielfach belegt ist, beruht auf Kürzung des Vokals vor
Konsonantengruppe, nach mittelindischer Weise (so E. Leumann)').
Die Herleitung von käla- aus kr- ist übrigens nicht neu. In
anderm Sinne, als es hier geschehen ist, vertritt sie Pott, KZ.
IX 175A.: „käla- als Zeit benannt nach dem, was in ihr ge-
schieht.* Was das Eintreten von / in einer Bildung aus kr- be-
trıfft, so kann man das von den Sütras an als Name einer Göttin
belegte bhadrakali vergleichen; es ist Femininum zu dem im Pali
belegten Namen bhadrakära- (Oldenberg, Gött. Nachr. 1918, 51
A. 1), Nebenform von bhadramkara- und bhadrakrt-.
6. Ai. grh-.
Der früh, allzu früh verstorbene Gaedicke hat in seinem aus-
gezeichneten Buche über den Akkusativ im Veda S. 114 die
HI pl. grhate (RV. 5,32, 12c) und die L pl. grhamahi (RV.8, 21, 16b),
1) In meiner Ai. Grammatik I 44 (8 39 Anm.) ist diese Kürzung unge-
nügend behandelt. Sie ist vereinzelt schon in Schreibungen vorklassischer Texte
nachzuweisen. Dahin gehört z. B. dhünksa „weiße Krähe“ in dem Spruche
VS. 24,31 (= VSK. MS.) gegenüber dhunksnä TS. 5, 5, 19,1 (Käth. dhünksä),
das als Ablautform zu dem vom AV. an vielfach belegten Synonymum dhvanksa-
ursprünglicher sein muß als die Form mit kurzem u; ferner adhyuddhi für
adhyüudhni in den Handschriften des Apastamba (Garbe, Gurupüjak. 35 und zu
ApSS. 7, 22, 6), vergleichbar dem schon von mir a. a. O. angeführten marga-
für märga- im ApGS. — Der Zusammenhang mit dem Mittelindischen ist ohne
weiteres klar bei Wortformen der buddhistischen Literatur und der ihr nahe
stehenden Texte, wie pamsaka- pamsayati gegenüber ep. pämsana- (anders
E. Leumann bei Wogihara Asanga 33f.), und besonders beim Stadtnamen
Kapila-vastu-, der nur zu dem vom RV. an belegten vastu- „Stätte“, nicht
zu dem episch-klassischen vastu- „Gegenstand“ paßt (wonach auch Suśr. vrana-
vastu- „Sitz einer Wunde“ zu beurteilen ist). Schon dem Epos geläufig ist
märtanda- für vedisches und überhaupt vorklassisches märtändd- (von dessen
Wiederaufnahme in ka$mirischen Texten Zachariä, Wiener Sitzungsber. 141, V, 11
gehandelt hat). Auch anda- ist viel jünger als ändd-. Entsprechendes gilt
z. B. für ep. antra- „Eingeweide“ gegenüber vorklassischem äntrá-. Die Wort-
formen pattanga- neben pattranga- statt pattränga-, inschriftliches sedhyartha-
für siddhärtha- und mahanta- „Vorsteher eines Klosters“ aus mahänt- sind
auch sonst als junge Bildungen erkennbar. Es lohnt sich nicht die Beispiele
weiter zu häufen; die Erklärung von kalya- aus kälya- ist wohl schon so ge-
nügend gestützt.
94 Jacob Wackernagel
die bei Roth, Graßmann und Whitney als Formen von grabh-
aufgeführt sind, zu garh- gestellt. Geldner, Kommentar 229 hat
ihm für 5, 32, 12 zögernd, für 8, 21, 16 entschieden beigestimmt;
er übersetzt es „mit Vorwürfe machen“ im Anschluß an den
episch-klassischen Gebrauch von garhate, zu dem auch Äsv.GS.
garhita- gehört. Und Lüders in dieser Zeitschrift LII 102 bemerkt,
daß Gaedickes Deutung an beiden vedischen Stellen einen ganz
guten Sinn ergeben würde.
Form und Sinn der angeführten Verbalformen werden durch
das Awesta noch mehr aufgeklärt. Bekanntlich gehört ai. garh-
mit awest. garoz- (Bartholomae, Altir. Wb. 516) zusammen"), Nun
dieses liefert gerade die durch vedisch grhate geforderte Präsens-
bildung nach der altindischen IL Klasse: gAw. gərəždā „klagte“
und jAw. garazäna-. Die I. Sing. gAw. garazöi kann hiezu ge-
hören. Dieses awestische gərəz- hat die Bedeutung „klagen“, die
durch das neupersische Substantiv gila „Klage“ : jAw. gərəzë und
zahlreiche weitere Entsprechungen in den iranischen Sprachen
als gemein-iranisch gesichert wird (vgl. das damit anscheinend
urverwandte deutsche Klage). Gern wird awest. gərəz- mit einem
Dativ verbunden, der die Person bezeichnet, bei der man sich
beklagt. Zu diesem awestischen Dativ stimmt das dativische te,
das die beiden RV.-Stellen aufweisen, vorzüglich; wir können
5, 32, 12b kim te brahmdno grhate übersetzen „worüber beklagen
sich bei dir die Brahmanen“, und 8, 21, 16b indra md te grhamahi
„Indra, mögen wir dir nicht vorklagen“.
Formal und begrifflich paßt dazu eine dritte vedische Form:
garhase (4, 3, 5b). Man pflegt sie gemäß dem episch-klassischen
Paradigma des Verbums als II. Sg. Indic. zu fassen. Aber sie steht
in einer sich von da bis zur achten Strophe erstreckenden Reihe
von teils mit kathd teils mit kát beginnenden Fragesätzen, in
denen allen die IL Sing. Konj. brávah steht, nur in der voraus-
gehenden vierten Strophe indikativisches bhavanti. Also sind wir
berechtigt auch garhase als Konjunktivform zu fassen; als solche
paßt es vortrefflich zum athematischen grhate. Auch dieses garhase
ist mit einem persönlichen Dativ konstruiert: kathå ha tád varunäya
ivám agne, kathå divé garhase „wie wirst du dem Varuna, o Agni,
wie dem Himmel über dieses klagen“. — Zum Medium der drei
1) Justi, Handb. 102 zog garəz- zu ai. garj- „brüllen“. Nach Horn,
Neupers. Etymol. 208 A. wäre dies lautlich möglich und nur um des Sinnes
wegen die Kombination mit ai. garh- vorzuziehen. Aber die 3. sg. gAw. gərəzda
„er klagte“ verlangt alte Media asp. als Wurzelauslaut.
Indoiranica. 95
vedischen Belege stimmt auch die deponenziale Flexion des
awestischen Verbums.
Die Bedeutung des Klagens ist bei dem indischen Verbum
auch in der alten Prosa belegt. Oertel verdanke ich den Hinweis
auf JUB. 1, 16, 11 tad idam prajāpater garhayamänam atisthat :
idam vai mā pāpmanā sam asräksuh „dieses (das Saman) beklagte
sich bei Prajāpati: sie haben mich mit Übel vermischt“. Für
die hier vorliegende Form verweist mich Oertel auf Dhp. 10, 30
garha vinindane, wonach dieses grh- zu den Verben gehört, die
ihr Präsens außer nach einer andern Klasse auch nach der zehnten,
also ohne kausativen Sinn, bilden können (vgl. Liebich, Dhatup.
24,61). Man beachte, daß das Verbum auch hier medial flektiert
ist. Der Genitiv prajāpateh stimmt zu dem te und dem váruņāya
der vedischen Stellen. |
In der epischen und klassischen Sprache hat sich aus der
Bedeutung „über etwas klagen“ die des Tadelns entwickelt, so-
wohl mit persönlichem als mit sachlichem Akkusativ, wobei die
altertümliche athematische Flexionsweise durch die landläufige
nach der ersten Klasse ersetzt und aktive Flexion neben die
ererbte deponenziale getreten ist.
An dieses Verbum grh- „klagen“ schließt sich passend grhü-
(nach BR. „Bettler*) in RV. 10, 117,3 së ¿d bhojö yó grhäve
dádāty annakämäya cärate krsäya ` grhü- heißt derjenige, der klagend
zum freigebigen Gönner kommt. Das paßt nicht bloß begrifflich
sehr gut, sondern auch formal. Deverbale Nomina agentis auf
-4- pflegen Verbalabstrakta auf -ā neben sich zu haben. Ich
verweise besonders auf die beiden Typen bhiksu- : bhiksd und
Sravasyü- ` sravasyd; daneben beispielsweise auf das im RV. im
Sinne von „spielend“ belegte kridu- gegenüber dem von VS. an
belegten Abstraktum kridä „Spiel“. Gerade so nun steht grhú-
neben dem oben S. 24 erwähnten gAw. gərəzā npers. gila „Klage“.
Das klassisch altindische garkä „Tadel“, „Vorwurf“ ist vielleicht
unter dem Einflusse des klassischen garhate (oben) an Stelle eines
älteren *grhd getreten, weil es klassisch in dieser Sippe keine
Formen mit r mehr gab.
Allerdings ist auch grhú- bisher anders erklärt worden. Im
Anschlusse an Sayana zieht Roth es zu grabh-. Das hat man
mit Recht aufgegeben. Geldner, Der Rigveda in Auswahl II 229
leitet es im Sinne von „heischend“ aus dem sowohl vedischen
als klassischen grdh- „begehren“ her. Lüders in dieser Zeitschrift
LII 103 schließt sich nicht bloß an diese Herleitung von grhü-
26 Jacob Wackernagel
an, sondern legt auch den vorbesprochenen vedischen Verbal-
formen mit grh- dasselbe grdh-*) zu Grunde.
Diesen Deutungen steht ein starkes formales Bedenken ent-
gegen. Das Verbum des Begehrens mit seinen Ableitungen hat
sonst bis in die klassische Sprache hinein die ursprüngliche Media
aspirata durchweg bewahrt. Da wären vorklassische Formen mit
h für dh ganz abnorm. Überall sonst, wo schon vorklassisch h
für Media aspirata eingetreten ist, treffen wir das h auch in der
klassischen Sprache. Anderes bietet bloß das Mittelindische mit
seinem idha hida für das von RV. an belegte ¿há „hier“. — Bei
grhü- steht der Ableitung aus grdh- vielleicht noch ein weiteres
Bedenken entgegen. Soviel ich sehe, ist bis jetzt kein Fall eines
Ersatzes von dh (und überhaupt einer Media aspirata) durch A
nachgewiesen, wo u folgte; immer folgt auf solches À ein i oder
a (Übertragungen nach Art von grähuka- abgerechnet); erst das
Mittelindische weist solches hu auf, Asoka z.B. in «humsu, das
Pali in Zahu-, pahäta-, sähu- und vielen andern. Die Deutung von
rāhú- aus rabh- bei BR. kann nicht dagegen angeführt werden.
Unklar ist die Herkunft des Namens ai. rahula- (bei Asoka laghula-);
Hultzsch, C. Inscr. Ind. 1 S. CXXIII bringt ihn in Rücksicht auf
die eben erwähnte Dialektform mit dem alten Namen raghu- zu-
sammen; in diesem Falle wäre das h mittelindischen Ursprungs,
obwohl rahula-, abgesehen von der buddhistischen Überlieferung
schon im Pravarädhyäya belegt ist.
Begrifflich würde bei grhú- die Herleitung aus grdh- passen.
Dagegen bei den vedischen Verbalformen kommt zu dem er-
wähnten formalen Bedenken das begriffliche hinzu, daß man für
grdh-, wie sich Lüders S. 104 ausdrückt, Gebrauch im emphati-
schen Sinne annehmen müßte: „gieren, so daß es bei der Gier
bleibt und sie keine Erfüllung findet“. Ich entschließe mich
schwer Lüders zu widersprechen, aber ich kann eine solche Be-
1) Unter den zur Sippe von grdh- gehörigen Bildungen ist wohl auch das
vom RV. an belegte g#dhra- „gierig, Geier“ ererbt. Man darf es mit jAw.
gərəóa- gleichsetzen, das in bekannter Weise für *goroöra- eingetreten sein
kann und so gemäß der ebenfalls bekannten Kompositionsregel sehr gut zu
jAw. garaöi- als Vorderglied paßt. — Das ep. grddhin- grdhnini- grddhitva-
will Böhtlingk durch grdhyin- ersetzen, das man als Ableitung aus grahyati
oder grdhyä zu fassen hätte. Aber pāli g¿ddhin- schließt die Vermutung aus;
man müßte hier dann *gijjhin- erwarten. Vielmehr ist gerade von der mittel-
indischen Form auszugehen; giddhin-, das unter dem Einflusse von giddha-
giddhi- gijjhati- für das nach ai. gardhin- zu erwartende gaddhin- einge-
treten war, wurde alsdann unter Einführung von + für ¿ sanskritisiert.
Indoiranica. 97
deutung von grdh- nicht anerkennen. Er beruft sich auf Pan.
1, 3, 69 grdhi-vancoh pralambhane „im (Kausativum) von grdh-
und vañc- (tritt das Medium ein) mm Sinne von täuschen“; und
folgert daraus für gardhayate die Bedeutung „vergebliche Begier
erwecken“, und daraus für das Grundverbum die „vergeblich be-
gehren“. Aber gewiß bedeutet das pänineische gardhayate ein-
fach „im eigenen Interesse jemand gierig machen und dadurch
ablenken, auf einen Irrweg führen“. So wird das Medium, das
Lüders selbst eigentlich unbegreiflich findet, voll verständlich.
Das Moment der Vergeblichkeit des Wunsches ist für das Kau-
sativum unwesentlich, und somit keinesfalls für das Grundverbum
vorauszusetzen.
L. v. Schröder (MS. 1135 A. 9) hat mit den besprochenen
vedischen grh-Formen die III. Sg. orbe MS. 1, 9, 5 (135, 16ff.) zu-
sammengebracht, wozu der Optativ grhitd MS. 2, 5, 2 (49, 4) ge-
hört. Wie Oldenberg und Lüders oben LII 103 gezeigt haben, be-
deuten diese mit den Genetiven cdksusak und väcdh verbundenen
Formen „mangelt, entbehrt“. Zu welchem der drei in Betracht
kommenden Verben soll man sie stellen? Lüders teilt sie in
seinem grdh- „vergeblich verlangen“ zu, was nicht nur aus den
angeführten Gründen phonetisch und begrifflich unwahrscheinlich
ist, sondern auch für grdh- eine sonst ganz unbezeugte athema-
tische Flexionsweise anzunehmen zwänge. Gegen die Zugehörig-
keit zu grabh- hat Lüders a.a.O.100f. schwerwiegende Bedenken
vorgebracht; auch ist ein Präsens nach der II. Klasse, wozu die
Formen gehören müßten, bei grabh- nicht bezeugt. Formal würden
sie am besten zu grh- „klagen“ passen; bei seiner schon für
Indoiranische bezeugten athematischen Flexion (S. 24) wäre eine
III. Sg. auf -e ohne Anstoß. Aber der Weg von „klagt“ zu „er-
mangelt, geht verlustig“ ist etwas weit, und die Genetivkonstruk-
tion hätte zwar im Griechischen, aber nicht im Altindischen
Parallelen. So bleibt hier ein Rätsel; wer wird es lösen?
Kaum von Belang ist das grhaye, das an der Parallelstelle
des Kathaka 9, 13 (115, 13) für MS. grhe geboten wird. Da die
Stelle ohne Akzente überliefert ist, wäre es möglich mit Delbrück
einen Infinitiv grhaye nach Art von vedischem #gáye anzunehmen;
ein solcher ließe sich auch syntaktisch rechtfertigen: „kann nicht
verlustig gehen“. Aber es ist doch wahrscheinlich, daß das drei-
malige grhaye yah einfach durch eine Art von Dittographie aus
grhe yah entstellt ist (wieder anders Lüders 105).
28 Jacob Wackernagel
7. Ai. müla-.
In den Berliner Sitzungsberichten 1918, 410f. habe ich vor-
geschlagen m&la- „Wurzel“ mit deutschem Maul gleichzusetzen,
unter der Voraussetzung, daß es nahe lag, die Wurzel als trin-
kenden Mund der Pflanze zu fassen. Mein botanischer Kollege
G. Senn macht mich nun darauf aufmerksam, dass eine derartige
Gleichsetzung in den arıstotelischen Schriften öfters vollzogen ist;
vgl. de an 2, 1 (S. 412b, 3) al dë éier co oröuarı dvdioyov, —
parva natur. (S. 468a, 9) dvadioyov ydo elo al 6llaı roi Yvroig
xq) tò xalovdusvov otóuq tois oo, óC oÓ tà uèv Toopiv Šx ns
yns Aaußdvei, tà dë dr abıov, — de part. an. 4, 5 (S. 682, 20)
TÒ ron rerılywv yEvog ... Gre ... oröua, dr oð xadaneo dg Ging
Öexeraı nv Toopnv, — de part. an. 4, 10 (S. 686, 34ff.) ai yao
Gift tois pvrois orduaros xal xegaÀAs Eyeı dutt, — negi Coon
zoo. £ (S. 705b, 6) ... ai Gier sto tò dvw tois putois: Exeidev
yao Å toop) dtadlöoraı Tois pvouévois, xal Aaußdva Tavtaıs
auınv, video t ¿OG Tois oTduaoıv.
8. Altpersisch arika-
das an drei Stellen der Behistun-Inschrift belegt ist und meist
mit „Feind, feindselig“ wiedergegeben wird (Bartholomae, Ai. Wb.
s. v.), wird vielfach zu ai. ari- „Feind“ gestellt. So z. B. von
Hübschmann, Pers. Stud. 6 und anscheinend noch von Meillet, der
es (Vieux Perse 141) als ka-Erweiterung mit bandhaka- „Diener“
parallelisiert. Aber — um zu schweigen von den Schwierigkeiten,
die sich aus der eigentümlichen Bedeutungsgeschichte von art-
ergeben — wird das altpersische Wort nie genau im Sinne von
„hostis“ gebraucht; nicht einmal die Bedeutung „feindselig“ paßt
auf alle Stellen, jedenfalls nicht auf Bh. 4, 63 (8 63), wo Darius
von sich selbst sagt naiy ari/ka] äham naiy draujana äham naiy
zurakara äham. Auch die Übersetzungen führen durchaus nicht
auf die Bedeutung „Feind, feindselig“. Zutreffend hat schon der
erste deutsche Beurteiler der Inschrift, Benfey (Die persischen
Keilinschr. S. 73), bemerkt, daß das Wort dem Zusammenhang
nach „schlecht“ bedeuten müsse, wenn auch die von ihm fragend
geäußerte Vermutung, es stelle eine Privatbildung zu ai. rekhä
„Linie“ dar, natürlich nicht haltbar ist.
So entspricht Bartholomaes Kombination des Wortes mit aw.
avra- „böse“ dem Sinne von arika- viel besser; daher hat ihr
auch Jackson in den Indian Studies für Lanman S. 255 beige-
stimmt. Aber was soll dann das adjektivische, irgend eine Art
Indoiranica. 29
von Zugehörigkeit ausdrückende -ika-, das überdies im Altirani-
schen wenig bezeugt ist?
Horns Gleichsetzung mit neupers. ray „Haß, Feindschaft“
und araeka- awestischem Beiwort der Ameise (Grundr. der neu-
pers. Etymol. 6; Grundr. der iran. Philol. 1b 69), scheint lautlich
berechtigt, da man das altpersische Wort auch araika- lesen kann
(vgl. Meillet, Vieux Perse 38), und hat den Vorzug an einen tat-
sächlich bezeugten iranischen Stamm anzuknüpfen, trifft aber
gemäß dem oben Bemerkten den eigentlichen Sinn des Wortes nicht.
Ich ziehe vor ai. alika- zu vergleichen, das zu frühest AV.
5, 13, 5b im Vokativ als Beiwort von Schlangen belegt ist und
da von Whitney mit „offensiv“ wiedergegeben wird (Roth: „wider-
wärtig, unangenehm“). In der episch-klassischen Sprache wird
das Wort im Sinne von „unwahr, falsch“, als Neutrum in dem
von „Falschheit“ gebraucht. Damit synonym ist episch und
klassisch vy-alika-, nur daß es auch „Leid, Schmerz“ bedeutet.
Wie gut ein Wort, das besonders auf Falschheit geht, für einen
tadelnden iranischen Ausdruck paßt, brauche ich nicht hervor-
zuheben. Übrigens kann so Horns Vergleichung mit jAw. araeka-
bestehen bleiben, da man dieses auch arika- lesen kann. Eine
Etymologie von alika- zu geben bin ich nicht imstande; indo-
iranisches -īka- liegt auch in ai. mrdikd- „Erbarmen“, gAw. jAw.
maridika- „sich erbarmend, Erbarmen“ vor.
9. Altpersisch prtrm
ist von Weißbach (Sächs. Abh. 29126f. 34 und Keilinschr. 90) in
NRa.47 aus dem früher gelesenen kmrm verbessert worden. Er
schreibt es partaram und übersetzt „den kämpfenden (Feind)*,
dies in der Hauptsache richtig, da das Verbum des Satzes
p(a)tiy(a)j(a)ta „schlug zurück“ ein solches persönliches Objekt ver-
langt. Nur genügt es einfach „Feind“ zu übersetzen; „kämpfen-
den“ fügt Weißbach bei, seiner Herleitung des Wortes aus dem
Verbum des Kämpfens zu liebe, das durch jAw. parət- nebst den
Substantiven jAw. pərət- : ai. prt- und jAw. pasana- : ai. prtană-
bezeugt ist. Aber ein so abgeleiteter Stamm part-ar- oder part-
ara- (Weißbach denkt auch an phonetisch unmögliches partram)
stände außerhalb aller Analogie und würde der geforderten Be-
deutung nur halbwegs gerecht (trotz z.B. gr. noA&uıog aus zóZguos).
Ich schlage vor parataram zu lesen. Dem Altindischen ist
pára- (eigtl. „der Fernstehende“) in der Bedeutung „Feind“ vom
RV. an geläufig. Aus der alten Prosa sei den Belegen des Wörter-
30 F. Specht, Got. faian.
buchs etwa noch Jaim. Br. 1, 107 param grämam „die feindliche
Schar“ beigefügt. Ebenso ist der Gebrauch im klassischen Alt-
indisch lebendig; ich erinnere besonders auch an das alte Epithet
parantapa- „den Feind peinigend“. Nun ist es in den indoger-
manischen Sprachen üblich, Nomina, die den Bildungen auf -#ero-
begrifflich entsprechen, durch eben dieses -tero- zu erweitern.
Ich begnüge mich aus dem Altindischen pärvatara- „prior“ =
pürva- (zuerst RV.1,113, 11a) anzuführen. So heißt es nun auch
RV. 10, 95, 16 páratare .. dhan „am folgenden Tage“. Und diese
Weiterbildung liegt in dem altpersischen Worte für „Feind“ vor.
10. jAw. vi rada
in der Bedeutung „quetsche auseinander“ gehört natürlich zu-
sammen mit ai. vi-khidati KB. 2,9 (S. 8, 11.13.14) und vi-khidäya
in dem Spruche náma akhidäya vikhidäya ca Käth. 17, 15 (258, 11),
wo die MS. prakhidäya statt vikhiddya hat. Danach ist auch im
Awesta vi xida zu verstehn. — Als Perfekt von khidati lehrt
Panini 6, 1, 52 cakhäda. Deutlich liegt dies SB. 3, 6, 2,12 vor,
wo auf d cakhäda als zugehöriges Imperfekt dkhidat folgt. Auch
in RV. 6,61, ic å cakhäda, das man zu khäd- „kauen“ zu ziehen
pflegt? Vgl. vedisches amitra-khädd- vrtra-khädd-.
Basel. Jacob Wackernagel.
Gotisch faian.
Dem einmal Röm. 9, 19 belegten got. faianda „u£ugerau“
entspricht genau das gleichfalls isolierte griech. nnoaodaı' uEu-
waodaı Hesych. Damit erledigt sich auch Wiedemanns Gleichung
BB. XXVIII 38 Anm., dem sich Trautmann, Germ. Lautgesetze 32
angeschlossen hat. z7oaqo9a;, am nächsten steht das in seiner
Bedeutung etwas abweichende zjua. Die Deutung, die darüber
Wackernagel ob. XXX 293ff. vorgetragen hat, wird damit un-
möglich. Ob die Wurzel pē letzten Endes auf oer zurückgeht
und mit ai. piyati, got. fijan zu verbinden ist, W. Schulze ob.
XXVII 426; Fick, Germ. Spracheinheit 240 lasse ich dahingestellt.
Waldes Darstellung, Vgl. Wörterb. d. idg. Spr. H 8 u. 9 bedarf
auf Grund von znoaodeı einer Berichtigung.
Halle (Saale). F. Specht.
F. Specht, Beiträge zur griechischen Grammatik. 31
Beiträge zur griechischen Grammatik.
1. Zu den Komposita mit verbalem Vorderglied.
Wenn ich nach den zahlreichen Arbeiten’) über die griech.
Komposita mit verbalem Vorderglied auf einige wesentliche Fragen
dieser Bildungsweise ausführlicher zurückkomme, so veranlaßt
mich außer der Unsicherheit, die immer noch in der Beurteilung
dieses Typus besteht, die meines Wissens letzte Behandlung dieses
Gegenstandes durch Meillet, Rev. des ét. Gr. 1921, Bd. 32, 386.
Durch die Übereinstimmung mit dem Arischen wird als indo-
germanisch erwiesen der Typus dox&xaxos und regprplußoorog,
Wackernagel, Ai. Gram. II 1, 316f., 320f. Auf analogische Ver-
mischungen wie Aoxiloxos neben Aox&ioxos, Yvyontöisuos, dxego-
oexduns usw. gehe ich nicht weiter ein und verweise auf die
kurzen Andeutungen bei Debrunner, Griech. Wortbildung 70f. °).
Meine Darlegungen erstrecken sich besonders auf den 2. Typus
teowiußooros. Das Material hat Clemm gesammelt. Leider hat
er nur die Belege aus Homer, den hom. Hymnen und Hesiod als
1) An Literatur nenne ich Osthoffl, Das Verbum in der Nominalkomposition
1878, wo auch S. 137ff. ältere Literatur vermerkt ist; am wichtigsten davon ist
Clemm, De compositis Graecis, quae a verbis incipiunt, Gießen 1867. Ferner
Christ, Die verbalen Abhängigkeitskomposita des Griechischen, Sitzber. bair. Ak.
phil. Kl. 1890 I 143ff., besonders 186ff.; Jacobi, Kompositum und Nebensatz,
Bonn 1897; Brugmann, Ber. Sächs. Ak. 1899, LI 195ff. und IF. XVIII 68ff. Auf
Tosoenns, tà overa tùs EAlmvınns yAwoons bin ich erst nach Abschluß der
Arbeit durch den Hinweis Schwyzers, Rhein. Mus. LXXIX 106 aufmerksam ge-
worden.
2) Wenn Debrunner a. a. O. aus Hesiod d#ßoAuseyds hierhin rechnet und
in ihm Umgestaltung eines &ußo/n nach dvvoreoyds sieht, wobei die Erinnerung
an duwßoiln mitgespielt haben mag, so geschieht das kaum mit Recht. Denn
&ußoñisoyós Op. 413 geht parallel Op. 411 ¿rwciocoyós dvige. Da der Akzent
auf dem Ende liegt, kann es kein Bahuvrihikompositum sein, so bleibt nur die
eine Auffassung übrig, „ein Mann, der ohne Erfolg arbeitet“. Demnach ist ein
GußoAucoyds jemand, der dußoila „Aufschub“ macht. Wenn dupßoiln später
als dußoAn belegt ist, will das nicht viel sagen. Umgekehrt ist drıoroetn
hesiodeisch Op. 446 und £sıonood erst bei Späteren vorhanden. Homer kennt
gleichfalls ähnliche Bildungen, wie &unBoAin, Eneoßoiln, Heongonin u. a. Die
Unterdrückung des Kompositionsvokals hat zahlreiche Parallelen in der Bildung
von Eigennamen bei erstem Kompositionsglied auf -¿o, wie Asfıpavns : defıdc,
Anidodens ` Önios, Arovvoparng: Arovdaıa, DoaocíAas : Bodowos, T'aiuglöweos:
TaAddıos (Kretschmer, Gl. X 52 u. Anm. 1), oder Etym. Magn. 13435 ’Aoaıra-
oelöns' xarà ovynonimw ’Agpautaoioelöns, Sg O1oelöns GLelöns OVvyXonT Tod o
und dazu Alkman frag. 171. Ferner verweise ich auf die Bemerkungen Bechtels
zu den einzelnen Namen. Zur Erklärung kommt in Frage Joh. Schmidt, ob.
XXXVIII 39f.,; Jacobsohn, Herm. XLV 204 Anm. 1.
32 F. Specht
solche bezeichnet. Das ist bedauerlich. Denn man erhält auf
diese Weise keine genaue Kenntnis von der Verbreitung und Ver-
wendung derartiger Komposita. Reiches Material bieten auch die
Eigennamen, obwohl analogische Umbildungen hier am stärksten
um sich gegriffen haben. Ich habe sie zumeist den dankens-
werten Sammlungen Bechtels entnommen. Wo nichts bemerkt
ist, entstammen sie dem Buche: Die historischen Personennamen
des Griechischen. Unabhängig von Clemm habe ich die Bildungen
bis Aristoteles ausschließlich verfolgt. Was sich später findet,
habe ich selten berücksichtigt, in der Regel nur dann, wenn etwas
Besonderes zu bemerken war. Da stellt sich zunächst heraus,
daß es sich um einen absterbenden Typus handelt‘). Wahrschein-
lich ist er schon bei Homer nicht mehr ganz lebendig und aus
der konventionellen Sprache des voranliegenden Epos ererbt.
Das ist wichtig für die Beurteilung. Denn die nachfolgenden
Dichter, namentlich die spätern, haben allerlei gewagt, was der
alten Bildungsweise widerspricht. Sieht man von Avoızeing, urn-
oınaneiv, bıpaonis, oxi- (dexe-) in doxidEwgos, doyxtréxtoT u. a.,
EyEyyvos, gpeoéyyuos, xAepúðoa, valalnweos und den Kompositen
mit gılo-"), uıoo-, ucio- ab, die alle bis in die attische Umgangs-
sprache gedrungen, aber kaum noch als lebendiger Typus emp-
funden worden sind, so bleiben für die Redner: ueuyiuorgos
(Isokr.), &$eAex3ows (Demosth.), Angıaoxındv, Aınoradia (Aunoraglov
dien), dAeSıpdouaxov (Demosth.), für Platon: teĝecrovoyós, dAedi-
x@xoç, dAeSıpdouaxov, während övnoinolız aus Stesichorus stammt,
für Thukydides nur: PYıvonwoov, da Eixexirwves 3, 104 wieder
im Vers steht. Xenophon kennt &9&4exdoog (nach Moeris), geit.
vorwoov, Amnowvxeiv, Öcıoıdaluwv, xgvrpivovs, TAAROLOVOYEIV.
Wie wenig der eigentlichen Attis diese Bildungen vertraut
waren, zeigt nun Aristophanes: dy&xooos, diedinaxos, ßBoovtno-
xEoavvog, yvworuaxeiv, Öaögacınoditaı, EbonNoLEnNns, nAuvoluaxos,
Asıwvögıov (Nom. propr.), Avoavias, navolnovos, Tagasındadıog,
TAOREINTTOTERTOS, TAVVOLTTTEOOS, xuxToítepoos, xexoqËŠuóduqs, TQU-
oißıos, regosnolıs, orgeipodıxeiv stehen sämtlich außerhalb der
Dialogpartien. Von den Bildungen, die sich im Dialog finden,
stammt Ziacißoovı” (Equ. 626) aus Pindar, orgewodızonavovoyia
(Av. 1468) und ueilovinıdv (Av. 640) sind komische Bildungen,
1) Vgl. auch G. Meyer, Curt. Stud. V 28; Christ a. a. O. 203.
2) Wie lebendig Komposita mit gs/o- und uıoo- jederzeit im Griech. ge-
blieben sind, zeigen Augenblicksschöpfungen der Grammatiker, wie gilodevdpw»,
wıoonooeidwo» Herodian L. II 72738 = Choeroboscus (Gaisford) 74ee.
Beiträge zur griechischen Grammatik. 33
öSoxnoloopog (Pax 44) dient zur Persiflage, ebenso Joavodvrv£ (Nub.
1264), wie aus den Bemerkungen des Scholiasten hervorgeht,
poßsoworodın (Equ. 1177) ist altes Kultwort. Bvoauxnv, navo-
xdrn, oroepiuailog bleiben besser aus dem Spiel, da sie sich nur
in Fragmenten finden. So kommen nur noch owolnolıs (Ach.
163) und roubnuegeiv (Vesp. 849) in Frage, bei denen ich nicht
entscheiden mag, ob hier nicht auch ein komischer Sinn vorliegt.
Nicht viel anders ist es bei den Tragikern bestellt. Aischylos
kennt die Komposita mit o im Vorderglied, die bei ihm und
deri Lyrikern sehr zahlreich sind, nur im Chorlied. Bildungen
mit eu. ä., dox&isıog (Pers. 297), neıdavoe (Ag. 1639), neıdapxia
(Sept. 224), nel9aoxos (Pers. 374) finden sich auch im Dialog,
sind aber doch im Vergleich zu entsprechenden Belegen im Chor-
lied nur selten. Ganz ähnlich ist es bei Euripides. Außerhalb
des Dialogs stehen wieder de£iunios (Phoen. 632), de&inveos (Hik.
64), Yeidipowv (Bacch. 404), öleoldngos (Phoen. 664), navolsovog
(Iph. Taur. 451), zAņolotios (Iph. Taur. 430), paeotußoorog (Heraclid.
750); dox&xooos (Troi. 151), #£2ÉzeroAts (Iph. Aul. 1476, 1511), Ad-
yauos, Anondıwo (Orest. 1305), ebenso čyovzvos (Rhesos 3, 825).
Im Dialog findet sich nur de&iunfos (Andr. 1138) und navolivnos
(Bacch. 772), zçgao[uox9os frg. 998 bleibt als unsichere Überliefe-
rung besser aus dem Spiel. Abseits von beiden steht auch hier
wieder Sophocles. Bei ihm fällt der starke Mangel an Komposita
mit o auf. Wenn ich von denjenigen absehe, die nur in Frag-
menten überliefert sind — es sind navoläivnos (Chor) frg. 392,
Gevällewg frg. 129, dleaidgıov frg. 113, ueAldnoas frg. 965 —,
so bleibt nur zevoa@vwe (Phil. 209). Von Verbalkomposita auf -e
u.ä. im ersten Gliede finden sich im Dialog: &ox&niovrog (El. 72),
ueAAdvvugpos (Ant. 633), ravunovs (Aias 837), während die&luo-
005, danedvuos, Eypeudxas, weildyauos (vielleicht Interpolation),
ueiAdvvugos (Trach. 206), saiaxdodıos den Iyrischen Partien an-
gehören.
Auch die ionische Literatur bietet nicht eben viel. Herodot
vermeidet im allgemeinen die Bildungen. Außer leyenoins (9, 43)
und gvolboos (1, 67), die in Versen stehen, kennt er nur peg£&oıxos
(4, 46), óoo[ó,xos') und Komposita mit Asso-, Geo: Yılo-, wmoo-.
Asıyöögıov (5, 62) ist wie bei Aristophanes Lys. 665 als Eigen-
name zu fassen, vgl. Bursian, Geographie von Griechenland I 334
1) Dafür ist selbstverständlich (VI 42) dwoldıxos zu schreiben, das eine
späte Handschrift auch bietet, s. u. 45. Wegen des Schwankens zwischen
degt und doos- in der literarischen Überlieferung vgl. Lobeck, a 770.
Zeitschrift für vergl. Sprachf. LIX 1/2.
34 | F. Specht
Anm. 2. Bei Hesych steht ein dgauzernpixooulm und dusıyıgvoueiv,
die man dem Demokrit zugesprochen hat (Diels Vorsokr.‘ frg. 138,
1389). Aus Hippokrates weiß ich außer wenigen Komposita mit
Aıno-, u8išo-. pio- nur zu nennen: ¿Ezgyxéñ8ooyxo, Zëezän/onro,
uvnoltoxos.
Lehrreich ist das Verhalten der Alexandriner. Arat kennt
derartige Bildungen überhaupt nicht. Bei Nikander sind sie ganz
gering und auf die&ıaon, Eyenevans, xalixgaıos, xalainovs und
tavúpvåůos beschränkt. Auch Apollonius Rhodius steht seinem
Vorbild Homer außerordentlich nach. Er gebraucht nur degoi-
Aopog (II 1062), Avoueins (IV 1523), wisodias (IV 919), piciu-
Boorog (III 1356), weveöniog (II 114), peo&oßıog (HI 164, IV 1507),
talaeoyds (IV 1060), Aadıpooodvn (IV 356), xalixonros (I 473),
pıAontöieuog (II 780, 993). Auch Kallimachos verwendet in den
Hymnen und Epigrammen diese Bildungen nur ganz gelegentlich,
vgl. nepoentolıs, puyalyua, pHwönwgor, ninsınnos (Pfeiffer frg.
34s:). Theokrit macht gleichfalls keinen großen Gebrauch davon;
außer in Eigennamen und Komposita mit ein kennt er nur
dvvoısoyds (28, 14), Avoitwvog (17, 60), aAaoipowv (24, 50), ta-
ueolxows (25, 279), ralasoyds (13,19), ravúpåoros (25, 250), tavú-
pvAlos (25, 221), ueAldyauos (22, 140).
Etwas häufiger finden sich derartige Komposita bei Gram-
matikern und Lexikographen, die damit ihre gelehrte Bildung
kund tun wollen. So hat Hesych die Interpretamenta weurpiuoıgos
unter övorösg, rogßnAös'), Yılaltıos; ueurpluoıgo. unter gılaiuoı,
ueupıuogeiv unter reAßeodaı, BAapipowv: unter Gro,
Biaspipgovı unter daoippovı, Eyeooıudxas unter Epysudxas, xuT-
olyaıos unter Evvoolyauos, xıvnolpviiov unter Evvooipvilov, owot-
mokis unter £&pvointoiıs, owoloınog unter oWxog, owoloıxov. unter
gwxóov, eboesoıloyiaıs unter ebgeoen(e)iaıs, xgovouetowv unter
“oovoönu@v, oeıwoAdpos unter zrivaxronning, vnöinodes unter
venodss, oder Edoeoinaxog aus dem Scholion zu Euripides Med.
407, dsıoıdaluwv Scholion zu A88u.a. Darunter finden sich auch
sprachlich ganz unmögliche Bildungen’), wie Blaßeoipowv unter
daolyowv aus dem Homerlexikon des Apollonios oder zunoixooas
Schol. zu N 340 als Erklärung von zaueoixgoac.
1) vooßnAös durch Dissimilation aus *roißnAds gehört natürlich zu z£4-
ßBeodaı. [Damit erledigt sich A. v. Blumenthals Etymologie, Hesychstudien 46.
K.-N.]
2) Ich verweise auch auf zavaßlawıreieıa» oder weraueiloödvar bei
Kerkidas, Key P. Maas, DLZ. 1929, 1866f., und Diehl, frg. 17 zedvaxoxgalxidar.
— m. ——s un rn — — nn
Beiträge zur griechischen Grammatik. 35
Fasse ich also zusammen, so ergibt sich ganz klar,. daß die
klassische Zeit, abgesehen von den oben S. 32 angeführten Resten,
diese Verbalkomposita nur noch als Stilmittel gebraucht. Dabei
ist der Typus zegyiußgorog früher aus der Mode gekommen als
der Typus doy&xaxos. Das ist leicht begreiflich. Denn Komposita
von der Art wie dox&xaxog standen andern Zusammensetzungen
näher und fanden durch Umbildung von -e zu -o, wie in getËo-,
Aıno-, pivo- usw. leicht Anschluß an ähnliche Bildungen: Da-
durch wurden sie lebensfähiger, während Komposita mit ot: ganz
isoliert standen. Ehe ich aber auf den Typus tegwiußgotog ein-
gehe, möchte ich einige andre Verbalkomposita betrachten, die,
wie ich glaube, heute kaum richtig aufgefaßt werden.
Seit Homer geläufig sind zahlreiche Komposita mit avv- als
Vorderglied, . wie TaviyAwo00os, Tavvrhans, Tavvrıregvß, Tavvgaıdos
(Hesiod), savdopvoog') usw. In diesen Bildungen sieht man heute
allgemein das Adjektiv *ravós, das verbal umgedeutet wurde, so
Brugmann-Thumb, Griech.Gr.*199, ähnlich auch Debrunner, Griech.
Wortbildungslehre 71. Diese Lehre geht auf H. Weber, ob. X 252
zurück und ist dann durch Osthoff a. a. O. 148ff. weiter ausge-
bildet worden. Man übersetzt demnach travúztegos (Hesiod) „mit
ausgebreiteten Flügeln“ gegenüber verbalem zavvoı in Tawvointe-
005 (Homer) „„Hügelbreitend“*. Dazu beruft man sich auf die
Komposita mit uo, im ersten Gliede wie gYıAd£evos, wo eine
gleiche verbale Umdeutung eingetreten sein soll. Da neben ta-
vuhans ein etwa gleichbedeutendes zavanxng liegt, so scheint die
Deutung für sich zu sprechen. Aber man muß dem entgegen
halten, daß es im Griech. ein Adjektiv *r«vög überhaupt nicht
gibt. Es ist lediglich auf Grund der verwandten Sprachen und
aus. zavv- erschlossen worden. Üblich ist dafür vavads‘). Zweitens
!) zaviopvoos und zavipvilos bei Bacchylides beruhen auf Dissimilation
vou v— v zu ı—v, wie bereits Niedermann, Berl. Phil. Woch. 1907, 472 und
1911, 1040 ausgesprochen hat. Das ist mit Unrecht von Ehrlich, Idg. Sprach-
gesch. 26; Fraenkel, Denominativa 35, Anm. 1 und Brugmann, IF. XXXVIII 1181.
bestritten worden. Inzwischen sind neu dazu gekommen aus Hesiods Frauen-
katalog Oxyr. Pap. XI 46 Ire 1s zawsopdvow (s. auch Gl. XI 228), aus Ibykos
frg. 1ıı (User, Pap. XV 77, Diehl 311) zavi[op]ve[ov], aus Sappho frg. 558:s
des log Zeen,
2) zavads ist auf die Poesie beschränkt und selten. Außer Homer und den
Hymnen steht es nur bei Simonides frg. 1451, Aristeas frg. 2, Empedokles frg.
845,11, Euripides Bacch. 455, 831, Orest. 322, Menander Sam. 111, Apollonius
Rhodius I; 1192, IV; 30, 602. Von Spätern sehe ich ab. Ebenso ist es in der
Komposition auf das aus *zravadnoda entstandene zavadmoda (Bechtel, Griech.
Dial. 1234), zavaddeıpos Aristophanes Av. 254, 1394 (Chor), Empedocles frg.
3%
36 F. Specht
macht auch die Bedeutung gewisse Schwierigkeiten. Die außer-
griechischen Entsprechungen weisen alle auf den Begriff „dünn,
zart“, höchstens „schlank“, nicht aber „ausgebreitet“, während
man bei den Komposita mit ravv- überall mit der Bedeutung
„ausbreitend '), ausstreckend“ auskommt. Zudem liegt neben tavv-,
wie schon bemerkt, ein rein verbales gleichbedeutendes zavvor-.
Da zavv- verbale Kraft hat, was noch niemand geleugnet hat, so
sehe ich keinen Grund, derartige Komposita von solchen wie
doxexaxos, ralanevdns, TAnnıdieuog u.a. zu trennen, zumal sich
noch andre Parallelen daneben finden. Das heißt, als Vorder-
glied fungiert der einfache Verbalstamm. Nun ist das Präsens
nicht bloß im ai. tandti?), tanute athematisch, sondern auch bei
Homer steht neben dem nach der ö-Flexion umgebildeten tævúw
noch athematisches zdvvraı”). Demnach verhält sich doy&-xaxos
zu dexe-taı wie tavú-ntegos ZU Tavv-raı oder wie ty- zu An:
ntöieuos oder ai. sthä- zu sthä-rasman. Allerdings möglich wurde
diese Bildung im Griech. erst dadurch, daß der Präsensstamm
tavv- durch das ganze Verbum durchgeführt und so als reiner
Verbalstamm empfunden wurde.
Die gleiche Bildung wie in den Komposita mit zavv- liegt
nun vor in dem delphischen Eigennamen ’Eovundos (Coll.-Becht.
220255), den schon Bechtel a. a. O. 167 zu einem *čọvuı oder
*r£gvuı „schütze“ gestellt hat. Da man dieses 2gv- schwerlich
von der Wurzel in ai. várūtha-*) trennen kann, so wird man
122, zavasnıs und tavanans beschränkt; zavavpi; Sophocles Trach. 602 ist
Konjektur. |
ı) Eine Bedeutung „dünn“ für zavv-, die sich aus der Grundbedeutung
hätte leicht entwickeln können, läßt sich kaum nachweisen. Nur die Lexiko-
graphen haben Spuren davon, z. B. Hesych zavörgıya' daovsoıya, Aentdrpıya
usw. Da mag die interpretation AZenzdıgıya aus Stellen wie Semonides frg. Ve
¿Ë bós tavöıpıyos gegenüber Hesiod Op. 516, alya tavsrgıya, wo nur von
einer daodıeı& al& die Rede sein kann (vgl. noch Simias frg. 14: daodrpıyos
iEdAov alyös), oder Simonides frg. 6s zavvrıepöyov uvlas und dem epischen
tavavnoda uña entstanden sein.
3) Ai. Zandti ist idg. * tən-éuti, da ein * tən-neuti ai. *tänoti hätte ergeben
müssen, ob. LV 168 und Anm. 1. Wahrscheinlicher ist mir aber wegen ravads
die Grundform */sn-duti. Dann besteht zwischen zavads und tanodti das gleiche
Verhältnis, wie zwischen dhrsnü- und dhrsnöti (Fröhde, BB. IX 125). Hesych
hat allerdings auch ein zaven' dnorerauevn und votre: Enseraudvnv čyovti
mv dnuiv.
3) Bereits Clemm aa 0. 7 hat entsprechend seiner ganzen Auffassung
derartiger Verbalkomposita in zavv- reinen Verbalstamm gesehen.
t) Ich verweise wegen des schwierigen Anlauts auf W. Schulze, Qu. ep.
326 Anm. 3; Solmsen aa O. 168f. 245f. und Jacobsohn, Hermes XLV 99 Anm. 1.
|
Beiträge zur griechischen Grammatik. 37
Eöovusilog aus Thespiai (I. G. VII 1779.) ebendahin rechnen
müssen, zumal mit synonymem Vorderglied ein Zaúógedos aus
Lebadeia daneben steht. Bechtel a.a. O. 180 sieht in Eöpdueıkog
schwerlich mit Recht eögds. Solmsen, Studien z. griech. Laut-
und Verslehre 168f. führt eögvos- in Eögvollaos auf Ergvaliuos
zurück. Wahrscheinlicher ist mir, daß veru- zu eùọv- umgestellt
worden ist, wie in dem gleichklingenden eögds < *verus zu ai.
urú-*)\, Komparativ várīyas- und váras- oder wie in *vlkos zu
Avnog. Auch in Eigennamen, wie Eödovölxna, Ebgödeuıs, Ebogvör-
nos, Eögvnvios, Eögdiews, Ebogüloxos (Bechtel, a. a. O. 181) wird
man das gleiche eöov- sehen müssen. Besonders deutlich wird
das für EögdAews, das neben sich ein Eögvoliaog hat. Also ver-
hält sich eöev- ` edgvaı- = ravv- : ravvor-. Schließlich liegt die
gleiche Bildung noch im thessal. Xavúůaos, Bechtel 464 vor, wo
der erste Bestandteil zu gavveıw- Bov Hesych gehört. Man muß
wieder nur Übertritt von der athematischen in die thematische
Flexion annehmen.
Das Nebeneinander von ravvar- und zavv-, eögvar- und eögv-
hat dann auch zu ’Agrvollews die Neubildung AgröAas u.a. her-
vorgerufen, obwohl bei derdw niemals athematische Flexion vor-
handen war. Bei ’Eontvu&vns wird man ähnlich schließen müssen.
Nur fehlt hier zufällig ein Kompositum mit *èọņtvoi-. Reiner
Verbalstamm, der genau zu Bildungen wie tarv- stimmt, liegt
auch vor in Ayaxi£ns neben Ayaoınlis, Ayacdevns neben Ayao-
ogEvns zu dya-ıaı, raldpowv neben rainoipewv”) zu rald-couı
u. a. oder Tel&dwpos neben reisoıovpyds zu ursprünglichem *ré-
Acu, Dacvixns zur zweisilbigen Wurzel pde (= Aorist) (s. u. S. 59)
neben gasolußgoros’).
Neben doy&xaxos, talanevdns, TAnntöieuos, tæavúztegos, Te-
A&öwgog usw., die alle den reinen Verbalstamm zeigen, der bei
athematischer Flexion mit der Wurzel identisch ist, besteht als
1) Vgl. darüber auch M. Bloomfield, Language 188ff., der den schönen
Nachweis bringt, daß w-Adjektiva mit w in der Wurzel idg. im allgemeinen
gemieden wurden.
23 Weshalb za/aoipyew» nach M. Leumann, Glotta XV 154 jünger als
aidyew»v sein soll, ist mir nicht klar. |
3) Man könnte auch geneigt sein, die Hesychglosse neiedodvıov' noAv-
pdepaxo» hieherzustellen, indem zeie- die reine zweisilbige Wurzel gleich ai.
pari- darstellt. Aber zmoZ2ugpdonaxos ist nichts weiter als antike Interpretation
des Gebirgsnamens IleAedodvıov, dessen ursprüngliche Bedeutung nicht sicher
ist. Zudem ist das Interpretament roAvpdeuaxov Konjektur, so daß die ganze
Sache höchst unsicher bleibt.
38 F. Specht
besondre Bildungsweise der Typus reowiußooros, Eixeoinendos.
Wegen hom. ßwrıdveıga hat man das Element -os- auf te zurück-
geführt, ohne daß man in der Beurteilung des ct zu einer ein-
heitlichen Auffassung gelangt wäre. Gegen diese Zurückführung
von -oı- auf -zı- hat sich nun Meillet a. a. O.') ausgesprochen.
Er hält ø in at für ursprünglich, sieht darin ein altes Deside-
rativum und vergleicht mit oa in Avausing s in ai. däksu-,
ninitsü-. Gegen Brugmann, der in -aı- alte -t-Stämme sehen
wollte, wendet er ein, daß in ozdoıg gegenüber Irnalußgoros die
Ablautstufe nicht stimmt und in reıolußgorosg bei alter z-Bildung
wie in zmíot ein *ruorlußooros oder *neisriußooros zu erwarten
wäre. Er führt demgemäß Bildungen wie ralaı- in zaZ4alneoos,
ralaipewv auf *ralacı- zurück und sieht in zaiaolpewv, das
neben reiaipowv besteht, eine junge Neubildung. Prüfen wir
seine Einwände! Was zunächst die Bedeutung angeht, so ist von
einem desiderativen Sinne des Typus teowiußeorog nichts zu
spüren. ßwtidveipa ferner, das wegen des erhaltenen -«- ent-
schieden gegen seine Hypothese spricht, hat er BSL. XXV 103
(1924) zu beseitigen gesucht, indem er das t wie in ßordvn, Boröv
aus innoßdeng < *innoßor für übertragen erklärt. Aber selbst
wenn Meillet hier im Rechte sein sollte, was ich bezweifle, so
bleibt noch immer ’OgriAoxos neben ’Ogaikoxos, Wackernagel,
Sprachl. Unters. zu Homer 236 Anm. 1, &ọuenńs, W. Schulze, _
Qu. ep. 159 Anm. 1, de&taıyuos Bacchylides 164: und Wackernagel
bei Blaß zu der Stelle, vielleicht auch ßnrdouwv (Bechtel, Lexi-
logus 81f.)°). Weiter ist tıivaxtonńânņė: oeroółfopos Hesych hierher
zu rechnen, wo tivaxto- aus tivaxti-, Wie uso- aus uei- um-
gebildet ist”. Schließlich hat -zı- im ai. dätivära- u. a., Wacker-
nagel, Ai. Gram. II 1, 320 seine außergriechischen Entsprechungen.
Was zunächst das Verhältnis von zalaı- zu taůĥaoı- angeht,
so hat taĝaı auch andre Erklärungen erfahren. An die Gleichung
Fick-Bechtels zalaı = got. pulai vermag ich allerdings nicht zu
glauben. Über Komposita auf -ai im ersten Gliede hat dann aus-
1) Auch Bechtel, der die Komposita auf -o;- mit s-Aoristen in Verbindung
bringt, sieht offenbar in o, ursprüngliches s. Vgl. 148, wo er für "Eyepoıs ein
*"Eyepoluaxos zu Re und für 'Eyeorios ein *’Eyegriuayos zu *eydgrns
voraussetzt.
2) Anders Brugmann, Ber. Sächs. Ges. Wiss. 1899, Bd. LI 199 Anm. 1.
3) Williger, Sprachliche Untersuchungen zu den Komposita der griech.
Dichter des 5. Jahrhunderts 36 Anm. 2 sieht in zıwaxronnAn& Künstelei eines
späteren Dichters. Das beruht auf der falschen Auffassung von zivaxso- als
Participium Passivi.
_ a — .. s N T = E u
Beiträge zur griechischen Grammatik. 39
führlich E. Fraenkel, ob. XLII 114ff. ‚gehandelt. Für gewisse
Komposita mag er im Recht sein. Bei taa: muß ich doch Be-
denken hegen. Wackernagel hat Vermischte Beitr. 9 die Mög-
lichkeit - ‚erwogen, oi, als Kompositionsform von aAagos zu
fassen, wie ähnlich schon vor ihm W. Schulze, Qu. ep. 30 Anm. 2.
Aber ‚dazu stimmt nieht hom. xalipowv, xalıpooovvn, yakıpgove-
our, ` für die man dann xalalpew» usw. erwarten müßte. Aler-
dings sind aus späterer Zeit Komposita mit yaAcı- vorhanden,
so Nikander Ther. 458 ‘Hoaloroıo yañainoðos. Auch ya4aioumos
gehört hierher. Wie das Verhältnis zwischen oi. und xalaı- zu
deuten ist, bleibt schwierig. Neben zaZar- stehen za4a-, raiaoı-,
Län: tqo, aber nirgends ein *taæñı-. Dieselbe Doppelheit wie’
, zwischen xada- und yadı- findet sich nur zwischen xgarei- und
xoatı-'), z. B. xoatalnedov, kret. xagralnovs und Koazlönuos,
Kapuödues, Bechtel 256. Hier ist die Form auf -i ohne weitres
klar. Sie gehört zu dem bekannten Wechsel zwischen -r-, -n-,
-s-Stämmen, Fraenkel a. a. O. 124 Anm. 2. Aber zu zoiogde hätte
die Kompositionsform doch nur yaAaı- lauten können, da ich W.
Schulzes Ansicht, Qu. ep. 30 Anm. 2, nach der zweisilbiger Wurzel-
vokal vor i erhalten bleibt, für durchaus gesichert halte. - Dann
könnte zait trotz seines viel früheren Vorkommens nur analogi-
sche Umbildung für zeigt. oder yala- sein.. Vorbilder gab es
schon. Für xaAıpeoodvn verwendet Apollonios Rhodios in gleichem
Sinne IV 356 Aa$ıpooovvn, wo Aadı-.zu Ad$en völlig in Ordnung
ist und auch durch hom. Audıxndnsbezeugt wird. Da Andıpoooden
nicht erst von Apollonios erfunden zu Sep? braucht, sondern viel
älter sein kann‘), so wird nach diesem Vorbild die Umgestaltung
erfolgt sein. Schließlich halte ich es nicht für ausgeschlossen,
daß dabei auch die Doppelheit agazaı- und xgazı- mitgewirkt
haben kann, zumal da xgarı- und yaZ in einem gewissen gegen-
sätzlichen Verhältnis zu einander stehen. Ñ
Fraenkels Einwurf gegen Ableitung von zaZ4ar aus Sint
ob. 123 Anm. 1, wonach der zweisilbige Wurzelvokal in voie
vor i hätte schwinden müssen, stützt sich nur auf das eine yaåt-
p6w@rv.: Wenn er den Komparativen wie dgeliwv die Beweiskraft
abspricht, so geschieht das mit Unrecht. Gewiß ist bei der Kom-
paràtivbildung noch manches ungeklärt. Aber in dem Fall, um
den es sich hier handelt, Hochstufe für den Komparativ, dagegen:
D Ich verweise allerdings noch auf den mir unklaren ART I VEGI-
uévns, Bechtel 391 neben Iveı-.
2) Vgl. Hesych fadlgewv: dppwv, Enıihouwv.
40 F. Specht
Schwundstufe für den Superlativ, herrscht doch wohl allgemeine
Übereinstimmung. Übrigens hat sich W. Schulze durch Fraenkels
' Bemerkung nicht bestimmen lassen, von seiner Ansicht, daß zwei-
silbiger Wurzelvokal vor £ erhalten bleibt, abzuweichen. Noch
im Jahre 1912 hat er in seinen Vorlesungen unter Anführung
weit reicheren Materials daran festgehalten. Ich führe hier nur
eine, wie mir scheint, ganz schlagende Gleichung an. Das Grie-
chische besitzt merkwürdige Präsensbildungen von zweisilbigen
Wurzeln auf -alw, so 1203 x£oaıe, delphisch xegalzraı (BCH. 23,
611), kret. Goll.-Becht. 4982, 4989, Aayaiev. Die spätere Dichtung
hat gern davon Gebrauch gemacht, vgl. Empedokles frg. 35.
xegaroußvoroıw, Nikander Alex. 178, 511 xegawduevov, Apollonius
Rhodius II 628 xsdaıduevos, Nikander Alex. 458 xedaln, 545 xe-
ôarouévns’), Ther. 425 xedawouevn, Arat. Phain. 159 xedawou£vovg,
410 xedaıduevar. Aus den Grammatikern kommen noch hinzu
xpeualw, dyalw, xalalo und wohl auch nalelw und oralalw. Vgl.
Lobeck Rhem. 194, Herodian L. 1453, (aus Arcadius) und ebd. II
4275, = Theogn. 1452. Man hat bisher diese Bildungen mit Joh.
Schmidt ob. XX VII 294, Plur. 342, ob. XXX VIII 35 Anm., Solmsen
ob. XXXIX 216 aus *xgodoto abgeleitet. Aber von einem o
findet sich in diesen zweisilbigen Wurzeln keine Spur. Daß
man aber das doppelte Sigma von xegdooaı dafür in Anspruch
nehmen darf, ist nach den Ausführungen W. Schulzes ob. XXIX
267ff., XXXII 126ff. unmöglich. Dagegen stimmt zu den griech.
Bildungen auffallend ved. vareydt, das nur auf ar. *varə-iyāt zurück-
geführt werden kann’). Demnach können xepalw, Aayalw, nedaio
nur aus *xeg9-ıw, *Aays-ılw, *xeda-ıw entstanden sein, und man
hat aus den Gleichungen zu lernen, daß zweisilbige Wurzeln ihr
Präsens mit -iiö bilden konnten. Auf einen andern Fall hat
W. Schulze selbst Berl. S.-Ber. 1911, 755 hingewiesen. Es ist
äol. reielw, das nicht wie die gleichlautende epische Form aus
*zeleoım entstanden sein kann. Auch zelelo führt er auf *rele-uw
zurück und sieht darin die gleiche Suffixbildung wie in: r&isıog
< * Teid-ı10C. 2
Meillets andrer Einwand, der Gegensatz zwischen ordaıs und
Sinolußooros und zwischen zlorıs und zmeto[uBootos hat nur dann
Geltung, wenn man der üblichen Erklärung des Typus zegwiu-
Booros, die namentlich von Brugmann verfochten wurde und auch
1) Daneben stehen aber auch die üblichen Bildungen auf Zo, wie Nikander
Alex. 583 oxedödwv u. a.
3) Ganz anders über vareyat Bezzenberger, Geras 196 Anm.
Beiträge zur griechischen Grammatik. 41
bei Debrunner, Griech. Wortb. 39 Zustimmung gefunden hat, bei-
stimmt. Darnach liegen in den Kompositen alte -t-Stämme vor,
die wie im Baltisch-Slavischen infinitivisch-imperativisch gebraucht
wurden. Dagegen spricht grundsätzlich eins. Während die -ti-
-Stämme in der Regel die schwächste Wurzelstufe zeigen, hat
der Typus reowiußgoros, Eixeolnenios ausschließlich Hochstufe.
Die wenigen Ausnahmen werden sich unten leicht erledigen lassen.
Das muß ganz besönders deshalb betont werden, weil selbst ein
Forscher vom Range Wackernagels, Sprachl. Unt. zu Homer 77
von gSıorvwe, YYıolußooros behauptet, in solchen Bildungen sei
der Diphthong unursprünglich und man müsse demnach mit metri-
scher Dehnung rechnen. Um diesen Gegensatz zwischen Hoch-
und Tiefstufe zu verstehen, hat man an den s-Aorist angeknüpft,
mit dem scheinbar öfter die Nomina auf -tis in der Wurzelstufe
übereinstimmen, wie in &gyıs und repwaı, xrjoıs und xTnoaodeı,
Debrunner a. a. O. 39. Darnach soll dann auch ornaı- in Sryoiu-
Booros statt ortacı- nach orëogt oder wAeolxapgnos nach dAkoaı
entstanden sein, obwohl es ein *ö4soss ‚überhaupt nie gegeben
hat. Debrunner meint dann weiter, daß auch homerische Bil-
dungen auf eo, wie digpeolßorog, EAneolnenios, nınyeoluallog;
taueoiyows, pasolußgorog dieses einzige &Asalxaprıog als Ausgangs-
punkt haben, das selbst erst eine Nachbildung darstellen soll. Da
es weder Aoriste noch ti-Abstrakta, wie die, Eixeo-, runyeo-,
TauEo-, paeo- gegeben hat, so ist das alles sehr unwahrscheinlich.
Dazu kommt noch ein zweites. Wie sich unten S. 64f. ergeben
wird, steht &lxeoinenAog aus metrischen Gründen für * &lxnoine-
mhos, ë4xeor- gehört also zu ixew EAnjow. Wie aber E. Schwyzer,
IF. XXX 436 und im Anschluß daran Wackernagel, Sitz. Berl.
Ak. 1918, 384f. gezeigt haben, sind fi-Abstrakta von abgeleiteten
Verben wie îxéw zu homerischer Zeit noch ganz unmöglich.
Weiterhin gibt es zu Verbalkomposita im ersten Gliede mit gev£t-,
duër, gäegoot- Öwor-, eögnoı- u. a. weder Aoriste wie *gev£-,
noch ti-Abstrakta wie *peväı- usw., so daß man auch wieder mit
sehr verzweigten analogischen Neubildungen rechnen müßte. Auch
dazu wird man nur schwerlich seine Zustimmung geben können.
Indessen ist nicht daran zu zweifeln, daß der Aoriststamm ge-
legentlich auf den Typus zegwlußeoros eingewirkt hat. Aber ehe
ich darauf eingehen kann, muß ich das Material geben.
Ich führe es nach dem Alter der Überlieferung vor und be-
ginne zunächst mit den Bildungen wie zegwiußooros, die ihr -or-
Ger) unmittelbar an die Wurzel hängen ohne scheinbare Ver-
42 F. Specht
mittlung eines ë. Die Eigennamen gebe ich besonders am Schluß.
Komposita die außer bei Homer auch bei späteren sich wieder
finden, führe ich in der Regel nicht wieder an. Auch wenn das
erste Glied einer solchen Zusammensetzung mit verschiedenen
zweiten Gliedern verbunden erscheint, habe ich oft, namentlich
bei den Eigennamen, darauf verzichtet, sämtliche Einzelfälle vor-
zuführen. Kurzformen habe ich überall absichtlich bei Seite ge-
lassen. Es finden sich also bei Homer degainovs zu deg-, dotienis
zu ag-, Boridveıga zu Bo-, nAndınnog zu niny-, Önsnvogln, dng:
og zu 6ny-, Teowiußoorog Zu Teon-, YVolLoos zu pv-, dxegoenöuns
zu x£o-, schließlich Avoıueing zu Ad-, pIionvwo, PIioiußgoros zu
eier Die beiden letzten Bildungen könnten an und für sich:
als metrische Dehnungen gedeutet werden, da sie mit Kürze nicht
in den Vers passen. Aber Joo als erstes Glied solcher Kompo-
sita hat auch außerhalb des Epos Länge. Dazu wird sich unten
ergeben, daß diesen Zusammensetzungen mit ot überall die
starke Wurzel zukommt. Demnach muß das überlieferte poh-
voga, pYıolußgorog in pFEiohvoga, pFeıolußoorog geändert werden.
Bechtels Vorschlag Lexilogus 327f., *p9ıoonvwg zu schreiben,
kann ich nicht zustimmen.
Aus Hesiod kommen neu hinzu Boiodeuerog (Scut. 441) zu
ßoi9-, aus den homerischen Hymnen Anolußoorog zu 4n9-, xAe-
wipowv zu dent: dgolnovs zu do- < deg-, aus Pindar duevorenns,
duevolnogogs zu dusv-, dvaßıpdauys zu dvaxı-, Öwälnnog zu
dro, Ögointunos, 6goWwepis ZU óo-, neioıyalivog zu mer9-, ĝip-
adynv zu din-, oeıclydwv zu Jer, sehr fraglich ist de£&lyvios zu
de&- s. u. S. 50. Aus Bacchylides ddeıßdag zu der Öeflorgaros
zu den- (Ödex-), Zosıw[liaos), Egeupindlas zu Egen-, HYelfıenns,
HeiElußooros zu Yeiy-, neıolußooros zu zer, ostogizfon zu oet-.
Aus den sonstigen Lyrikern: poıdadxnv zu poıx- (Arion íis, außer-
dem frag. trag. unter den Adesp. 383 im Dialog), xapa&inovrog
zu xagax- (Simonides 42,), ındinodog zu tnx- (Crates Diehl frg.
71), ueıdövonos zu Aer: (Simonides 69,), negoentoils zu meo9-
(Lamprocles 1ı), ecefaironayńs zu Geo- (Philoxenos e 18), xAvoi-
doouag zu x4o6ó- (Timotheus Pers. 92), xaupıöiavlog ZU xau-
(Telestes 34), mooðwoérargos zu ðw- (Scolion 24,). Aus Aischylos
dond&avögos (Sept. 776) Korrektur G. Hermanns für dvaond£av-
door zu &ozay-, BAawyipgwv zu Blaß-, deuonvwg zu der-, ÖmSidv-
nos zu Önx-, Egeirpiroıyos ZU Egein-, xauıpinovs ZU xqauz-, Auger:
uw» ZU UVN-, NAVOAVEUOS ZU nav-, neioißgorog ZU mer9-, iy-
onos zu ġọin-, wÄmoındgdıos zu TÄn-, põegoyevýs zu ` pŠeo-;
Beiträge zur griechischen Grammatik. 43
pv&avoola, pv&iunia zu gpuy-. Aus Sophocles eviews (frg. 129)
zu Cevy-, navolivnog (frg. 392) zu nev-.: Aus Euripides: yvwo-
naysiv zu yvo-'). Aus Aristophanes ßvoadxnv (frg. 725K.) zu
8o-, ISoavodvıvf zu Hoavo-, xergudiöduas”) zu xoay-, nAavoluaxos
zu deu, orgesiuailog’) ZU 0T0Ep-, owolnolıs ZU 0W-, TONHNUEQEIV
zu zoıß-. Aus den Fragmenten der Komiker: dyegowößniıs (Kra-
tin frg. 62K.) zu dyeo-, dvefınwun zu x- (Kratin frg. 383K.),
xayıdo@zıov (bei Pollux 7,71 und Hes.), xawınnödalos (Kaibel
frg. com. S. 180f.) zu xan-, Ampıloyduodos (Ephip. frg. 14, K.)
zu Anß-, xosuypıdeargoı (Com. frg. inc. 1198K.) zu xoeun-, xAao-
avysvevonueı (Archippus frg. 45K.) zu x4a-. Aus den Rednern
ueumluogos zu ueup-, Angınoxındv zu Aur", Aus Demokrit
dusispıxoouin, duenpiıgvoueiv zu dusıß-. Aus Hesych duegaipewv
Biaßeod zu dusoö-, dvnouswga' Zë dré tò Tobg xagnods dviévat
zu N-. Yeoolxdwv Jeguaivwv yiv, xaiwv ZU Feọ-, xQougiÓóTu O
xoovoiuétowv, xgovomusiogeiv‘ EAlınös uEeroeiv nal Evöcösg, xgouoí-
Hvoov' uélos tt oÜros Exaleito zu x0000-, poadičwov: ÖLaoxento-
uevov eis Len zu gpoaó-. Aus Bekkers Anek. Gr. 161, send.
atta zu rıny-, dazu aus Athen. IV 1628 diveynaranngıyeveuog
aus Hegesandros und aus dem gleichen Schriftsteller Athen. a. a. O.
ovAlaßonevoılainıns zu nevd-. Die übrigen Schriftsteller bieten
nichts Neues. Aus den Eigennamen gehören hierher: Axovollews
zu dxovo-, AlErvwo zu dix-, ’Akllews zu dy-, Aorkınnos zu
dony-, AoöınAlds zu dox-, Ayasdooc zu ¿g-, "Avaßnoliews (Homer)
zu ßn-, Biewiönuos zu Gier: T'evaıoredın (Aristoph. Ekkl. 49)
1) Dazu gehört scheinbar auch der inschriftliche Beleg yvöoıdixa, wie
Hiller v. Gärtringen auf dem Gottesurteil von Mantinea lesen will. Vgl. auch
Kretschmer, Glotta III 293. Trotz des koischen Namens I'»wolöıxos, den Bechtel,
Griech. Dial. 1388 zur Rechtfertigung anführt, würde eine solche Bildung in
der Sprache der Inschriften recht auffällig sein. Man kann auch nicht von einem
terminus technicus reden. Aus diesem Grunde verdient die neue Lesung von
Buck, Class. Phil. XX (1925) 137 und Introd.? 174 yvöolaı xaxpı dee gewisse
Beachtung.
2) Die Reduplikation, die offenbar intensive Bedeutung hat, ist auch sonst
bei Aristophanes in diesem Worte ganz gebräuchlich, vgl. Equ. 285, 487, Ran.
258, 264, frg. 79 K xexpd£ouas, Equ. 287 xaraxenpd£onuaı, Equ. 137 xexodxzmç,
Equ. 304 [xara]xexgdxsa und oft intensives Perfekt xexpzya, vgl. auch Fraenkel,
Nom. Ag. 1167. Die unreduplizierte Form findet sich nur Equ. 287 xedlwv
und 487 in dem Substantiv “gdyov, aber beidemal immer in D Verbindung mit
xaranenpddoucı, bzw. xexpdderar. ` |
s) Vgl. noch orpewodınjoaı, oreewosınonavoveyia. `
#) Das mag Ablautsentgleisung sein, denn man pflegt die Wurzel als "Aen
anzusetzen, Solmsen, Stud. zur griech. Laut- u. Verslehre 82f. ©
44 F. Specht
zu yevo-, offenbar eine Komikerbildung, wie der Scholiast be-
merkt „apa in» Avosoredinv eionraı“, Acıonvwe (Homer) zu deı-,
Asv&löoros (Supplem. epigr. III 3611:) zu devx-'), "Eoäldıxos zu
&oy-, Eiäldeus zu eöx-, Zeväiöduas zu bevy-, “Holodos zu %-*),
Bvollews zu Do: Kievoruevns zu nÄev-, Kınoınnos (Homer) zu
xra-, Aaupayógas*) zu Aaun-, Aeipúðgiov (Scolion 24:1) zu Asın-,
Meëiäeoc zu ueıy-, Mnoleoyos zu unöd-, `Ogotlãoyos (Homer) zu
óo-, ITäolunlos zu na-, IIga&iöauos zu noay-, 'Pnoldinos zu óm-,
Imevoınoding zu onevö-, Stnolxogos zu orn-, Ta&iAoxos (Aristoteles
lyr. frg. 34.) zu rex-, Teioıngding zu tei- (tiw), Teioldınos zu te-
(< *grei-), Xonoldauog zu xon-, Xapoipılos zu Xag-.
Diesen Wurzeln mit Hochstufe: dyeo-, det, deo- (@g-),
dxovo-, dusıß-, dueoö-, duev-, Bien-, yevo-, ógr-, Öex- (ÖexX-), ógux-,
&oy-, £oeın-, Ebx-, &x-, Geo, Gevy-, Ain: FEQ-, Zou, G-xeQ-,
„Aav-, aien-, xAgu-, xoouo-, ÄEIT-, HEY-, MEUP-, dp: (Èọ-),
TNAV-, me, TEOH-, zen, GEI-, ONEVÖ-, OTEEP-, tei- (2mal), z£oz-,
eier: giäeg-, KOEUN- ; dony-, Pr-, Bo-, Hoi, Ôņx-, ÖIwH-, ĝw-, N-,
KEXORY-, xtG-, Anß-, An9-, AnK-, und-, uvn-, 220 any; 240: TÀNY-,
noeay-, Öm-, ÖNY-, OTN-, 0@W-, TNH-, TÅN-, xon-, wozu man auch die
a-haltigen *) Wurzeln dy-, dAx-'), &vaxt-°), donay-, &p-, do-, dox-,
BAaß-, xaun-, xar-, Jour: TaxX-, poaó-, xapax-, xag- rechnen
muß, sind ferner die oben mit aufgezählten Gott, Bu-, 9%-, ¿oux-,
Äv-, din-, tọiß-, pọix-, pù- gleichzustellen‘).. Sie zeigen zwar
1) Vgl. Hesychs dedxeı" peovslLen.
2) Vgl. noch #ozez%ç im Etym. Magn. 669-7.
3) Bechtels (a. a. 0.275) Zweifel sind wegen Aaunaydoas kaum berechtigt.
t) Unter diesen Wurzeln sind auch einige, wo a auf idg. n zurückgeht.
Was aber von Wichtigkeit ist, das Griech. hat überall im Verbum das < durch-
geführt, so daß vom griechischen Standpunkt aus eine andere Wurzelstufe als
a gar nicht in Frage kommt. Das gilt auch für Gieg-, das nur dialektisch in
substantivischen Ableitungen gelegentlich andern Vokal zeigt.
6) Neben dAx- steht eine vollere Wurzelgestalt &ĝex-, deren ursprüngliches
Verhältnis zu einander mir nicht klar ist. Vgl. de Saussure, M&m. 283 und
282 Anm.
° Ich habe hier auch o.-Bildungen von Denominativen, die nur gering
sind, mit notiert, wie dvaxr-, donay-, gagax-. Dahin gehört ferner Ai. in
dem späten &Aı&dxeows. l
7) Auch bei den Bildungen, die sich erst aus späterer Zeit belegen lassen,
steht die Wurzel gleichfalls in der Hochstufe, vgl. An&ınvgeros (spät. Med.) zu
Any-, £gev&igolos (spät. Med.) zu £oevy-, xavoalwrns (spät. Med.) zu xav-,
»vnolyovoos (Anth.) zu weg, xarapieslnoiıs (Anth) zu påey-, Eyepolyeiws
(Anth.) u. a. zu &yeg-, vn&lnovs (Gram.) zu vnxX-, opvooronoındga (Luk.) zu
zend-, Tewfdgıns (Batr.) zu rewy-, zgespixews (Aristot. bei Athen. VII 318b)
Beiträge zur griechischen Grammatik. 45
vom indog. Standpunkt aus keine Hochstufe, wohl aber vom
griechischen, was ich hier nicht weiter auszuführen brauche.
Auch ĝņ- und :/r-, die ich unter die langvokalischen Hochstufen
gerechnet habe, sind es nur vom griech. Standpunkt aus. Da-
gegen wird mân- Hochstufe sein, s. u. S. 106. Abseits steht og-.
Es wird aber dadurch verständlich, daß das Griechische überall
im Verbum bis auf die vereinzelten Hesychglossen geto: soundn,
goco: dıeyeigov, Zoon' ögunon den ö-Vokal durchgeführt hat.
Diesen zahlreichen Hochstufen stehen nun allerdings gelegent-
lich Tiefstufen zur Seite. Davon ist wo- in zahlreichen Kom-
posita, wie aischyleisch uı&oßdas, uěóðľęoos, uı&dußeoros einfach
zu Geo") zu korrigieren, wie allein schon die Steine lehren,
die nur usı&- kennen, vgl. Bechtel 302f. Nicht besser bestellt
ist es mit dem gleichfalls aischyleischen gv&avogla, pv&lunia, die
wohl im Anschluß an gvV&ıs und Yvyeiv mit v geschrieben sind.
Daß aber auch hier geuf: das Alte ist, lehrt der Kerkidaspapyrus
(P. Maas, Berl. Phil. Woch. 1911, 1011 u. 1214), wo frg. 3, (Diehl)
peväın. überliefert ist. Auf gleicher Stufe steht das gleichfalls
aischyleische (Ghoeph. 756) Aupovgla, das in Aeızpovgia geändert
werden muß. Hier ist der Grund der Schreibung mit ı klar. Denn
Aup- steht in seiner Bedeutung den zahlreichen Komposita mit
Aıno- nahe, während Aap- im Kompositum sonst die Bedeutung
von „fehlen, ausgehen“ hat. öooidıxog bei Herodot (vgl. ob. S. 33
Anm. 1) ist wegen der Eigennamen mit ôw- auf Steinen (Bechtel 148)
in Öwoldıxos zu korrigieren. Das scheinbar abweichende AootJeos
neben sonstigem Awoideos erklärt Bechtel aa O. 140 sehr an-
sprechend als Umstellung für gleichfalls geläufiges @eddoans.
Namen wie saolöauos, die Bechtel 85 gemäß seiner Auffassung
des ganzen Typus zu einem angeblichen *rdass stellt, können
ebenso gut, da sie nicht ionisch-attisch sind, Länge haben und
gehören demgemäß zu der Wurzel in fdonaı, dor. Goor, nvo-
doduodoc aus Timotheus’ Persern 92 spricht gleichfalls nicht gegen
die Regel, da das Griechische nirgends mehr in der Wurzel von
#Avö- (xAdCw) Hochstufe kennt. Dasselbe gilt für die Hesych-
glosse Q9guqp[yoos: Tovpeods zu tovo- und für die Komposita mit
xgviı- wie xgvwivovs zu xoug-. Ähnlich wird das scherzhaft
gebildete Komikerwort xAgoavxevevouaı (Archipp frg. 45 K.) zu
beurteilen sein. Das Verbum, mit dem das Wort im Sprachgefühl
zu zoen-, &pağíyeie (Anth.) zu doay-. Ebenso hat dvoıdalarıa (Anth.) zu óð-
oben seine Entsprechungen.
1) So schreiben auch jetzt mit Recht die neueren Herausgeber.
46 F. Specht
verbunden ist, kennt nur die Wurzelform xAao-. Der Zusammen-
hang mit vdpue ist kaum noch empfunden worden. Ebenso steht
es mit dem wohl gleichfalls von Komikern gebildeten xawıdew-
tiov: eldog yırwvioxov Hesych (ob. S. 43) und xawınndalos zu
xan-, wozu es im griech. Sprachgefühl keine Hochstufe mehr gab.
Auch das seltene yagoı- in Eigennamen macht vom griech. Stand-
punkt aus keine Schwierigkeiten. Neben der Wurzelerweiterung
xaıpn- gab es das regelrechte yæọ- in Bildungen, wie hom. xrjg«ro,
xexdoovro, xexapuaı (Eurip.), xagrös (Soph.). Von der Hochstufe,
die in osk. herest u.a. erscheint, hat das Griech. keine Spur mehr.
Auch Iroawıusvns aus Kreta für Iroewıu&vng erledigt sich leicht,
da die Dorer nach der Grammatikerüberlieferung, die Ahrens, De
ling. Gr. dial. II 117 vermerkt hat, ergoe, Toto, roden, Zoo
statt oro&pw, comte, topo, te&xw gesagt haben, wohin auch die
inschriftliche Überlieferung mit &rızgapiv, tedpeodaı, dnorgdyer,
Bechtel, Griech. Dial. II 745 weist. Der enge Zusammenhang des
tegrplußgoros-Typus mit dem Verbum, der allmählich im Griechi-
schen aufkam, hat die Umbildung hervorgerufen. Wenig Wert
besitzt die Hesychglosse deoauyeves' daxoi dré èx TÜV adyEvwv
deöeadaı. Ihre Richtigkeit ist schon im Altertume angezweifelt
worden, wie die Notiz bei Hesych unter ueoauxeves ergibt, wo es
nach dem Interpretament heißt dré Toö u yoanıdov ueoadyeves
...., vior dë dré Tod Ó yodpovar Öeoadyevss, oÓ xałñðs. Wegen
der Konjekturen, die zu deoadxeveg gemacht sind, verweise ich
auf Blaydes, Aristophanes fragm. 681, der schon richtig erkannt
hat, daß bei Zugehörigkeit zu ðéw „binde“ nur ein *öncadxyn» in
Frage käme. Es widerspricht ferner auch nicht &ußaaıxoiıns, das
anscheinend nur aus Athenaeus XI 36, 469a bekannt ist. Er zitiert
es aus Philemons Buch megl Artıxov Övoudıwv D yAwooav. Da
im Texte der Akkusativ Zußaoıxoltav wegen der Endung -@»
nicht attisch sein kann, so hindert nichts, ein &ußäorxolras anzu-
nehmen. Das wird durch Petrons embasicoetas (Kap. 24 u. 26)
und den zweimal belegten Akkusativ embasicoetan (Kap. 24) be-
stätigt `). Demgegenüber hat ’Eußaolyvroos Batrachom. 137 als
späte Bildung kein Gewicht’). Auch Zußaolxoıros, das die Lexika
aus Manetho anführen, ist so zu beurteilen. Für den epischen
Vers waren beide Wörter bei Länge des æ nicht geeignet.
1) Die dorische Herkunft wird auch durch das Schlußglied -xoızas gegen-
über duß@olxoızos aus Manetho bestätigt, Fraenkel, Nom. Ag. H 139.
2) Über die Batrachomyomachie als späte Dichtung vgl. Wackernagel,
Sprachl. Unters. zu Homer 188#:.
Beiträge zur griechischen Grammatik. 47
So bleiben als Rest nur einige Eigennamen. Es sind Mere-
olAaos, das Bechtel 313 zu einem *uereoa: : vedinu: stellt und die
kreischen /7ogdsollas, IIogreolius, die Fick-Bechtel, Person. 240,
Bechtel 380 unter der Zustimmung Solmsens, Stud. z. griech. Laut-
u. Versl. 94f. mit dem epischen IIowreoiAaos verbunden und
gleichfalls zu zçoocímu, gestellt haben. ’Aveoiuayos, das Solmsen
a. a. O. aus CIA. 1437, gleichfalls anführt, gehört einer Inschrift
an, in der E sowohl e wie n sein kann. Inzwischen ist es von
A. Wilhelm, Berl. Phil. Woch. 1902, 1098 und Beiträge zur griech.
Inschriftenkunde 214 nr. 195 in Mväoluaxos geändert und Hiller
hat in der Neuauflage CIA.I 937 diese Lesung aufgenommen.
Außerdem hat Jacobsohn, Aoristtypus dito SA. 38, Anm. 53 ein
Av&eoiiaos (= CIG. V 389,6) in gleichem Sinne angeführt. Aber
es enthält im 1. Gliede das Wort &v$og und ist aus AardvIng
durch Umstellung der Glieder entstanden. Vgl. Bechtel 55. Ich
kann allen diesen Eigennamen kein allzugroßes Gewicht beilegen,
zumal da es etymologisch gar nicht sicher ist, ob sie zu fut: ge-
hören. Ich würde im Gegenteil wegen der Kürze des Wurzel-
vokals behaupten, daß sie unmöglich damit verbunden werden
dürfen. Die Inschrift, die nur aus dem Namen Merzeolluos
besteht (BCH. XI 310 nr. 5), ist verhältnismäßig spät und auf
karischem Boden gefunden. Sie bedarf unbedingt der Nach-
prüfung. | i
Jedenfalls können die zuletzt genannten Eigennamen den
Satz nicht umstoßen, daß der tegyiußęoros-Typus Hochstufe in
der Wurzel verlangt. Andre Verbalgruppen, die ich unten be-
handle, werden das Resultat nur bestätigen. Der Einwand Meil-
lets, ergo in Ztnolyogos stimme nicht zu ordoıs, beruht also auf
einer falschen Voraussetzung. So wenig wie hom. ßovÄvrds mit
Avrds zu vereinigen ist, W. Schulze, Qu. ep. 321, so wenig ist
org. in Irnolgogos mit ordoısg zu verbinden. Auch der 2. Ein-
wand Meillets, wonach es *neıozlußgoros oder *nıoriußgorog statt
zreıolußgorog heißen müßte, erledigt sich leicht. Schon oben bei
der Besprechung von xAaoavxevevouaı, kret. Irgawıuevng, xe-
xoafıöduas war darauf hingewiesen worden, daß der Grieche den
Typus. zegwiußgoros wegen des verbal gefaßten Vordergliedes
gern mit dem Verbum in Beziehung setzt. Nun erfordert s-Fu-
turum und s-Aorist genau wie reoyı- Hochstufe. Bei allen Verben,
deren Wurzeln 'vokalisch endigen und ebenso bei allen auf Kon-
sonanten ausgehenden Verbalwurzeln mit Ausnahme der Verba
dentalia war also der Stamm zwischen s-Futurum und .s-Aorist
48 F. Specht
einerseits und dem Typus reet andrerseits identisch '),. Das hat
offenbar dahin geführt, auch für * eroti- usw. mero- einzusetzen.
Dem kam für das griech. Sprachgefühl zu Hülfe, daß scheinbar
dear. zu deldw") gehörte, wie neıoı- zu neldw. Homer und Hesiod
verwenden diesen Dentaltypus nur erst in Eigennamen wie Jel-
cavdgos, Ieiońvwę, IIsıalorgaros, Ileıoıd6n. Das könnte aber
Zufall sein. So erklären sich als Neubildungen Geo). Anoı-,
ILELOL-, TVEQGE-, xAvor-, FÜoı-, umot-, onevaor-. Lehrreich ist das
Nebeneinander von Aguoolias neben Apuo&iiuos, Bechtel 75 oder
Sworxgdinsg neben Sosdıreing, Bechtel 415. Beidemal haben die
beiden Aoristbildungen doudoaı — douösaı und oðoaı — ooldaı
ihren Einfluß ausgeübt. In den Pindarhandschriften schwankt
Pythien II, die Überlieferung zwischen dxeıgexöug”) und dxeo-
oexdug. dxsıge- verhält sich dabei zu dxeooe- wie rege zu
&xeooa. Auch hier wieder hat die doppelte Aoristbildung den
Anlaß zur Umbildung gegeben.
Ich hatte bisher nur Verbalkomposita betrachtet, deren Vorder-
glied zu einem primären Verbum gehörte. Gleichfalls Hochstufe
erfordern nun die abgeleiteten oder primären Verben mit einem
zweiten volleren Stamm. Dabei ist für die Erkenntnis des idg.
Ablauts lehrreich, daß der erweiterte Stamm auf -ë von intran-
sitiven Aoristen nicht hierhin rechnet. Das meiste Material bieten
die Eigennamen: &ynoixooog (Pindar), Aynolöauos, Aynollaog u. a.
zu hyn-, Aivnoıußoötas (Alkman 1:3), Aivnolöauog (Pindar) gegen-
über späterem Aiveoldauog zu alvn-. Auch hier hat die Neubildung
aiveocı für ursprüngliches alvjoaı‘) zu alvnoı- ein aiven- neu
hervorgerufen. Alonoınnos zu alpn-, »oarnoıßlas (Pind.), xọa-
ınoluaxos (Pind.), xearnoınnos (Pind.), xoarnoinovs (Pind.) zu
xoaTn-, xpornoıyoup- (Kerkidas 3,) zu xọotņ-, Kooumoiorgaros zu
»ooun-, Avnınoläoyos (Kratin frg. 343 K) zu Avnn-, onoönoıkadon'
Ñ tàs oùs Telßovon D èv tais dois toıßoue&vn Hes. zu onoön-,
gpıAmoiuoAnos (Pind.), DiAnoldeos zu Yıln-, Aoaclðauos zu doa-,
Boovrnonegavvog (Arıstoph.) zu Boovra-, ’Iaclöauos zu ia-, xuxT)ol-
tepos (Aristoph.) zu xvxa-, Nixnollas zu vına-, “Ooumoikaos zu
doua-, Tıumowngdınz zu tiuč-. gvolpoovss, was Dindorf und ihm
folgend Weil Aischylos Hik. 757 für überliefertes zegipgoves in
den Text setzen, ist lautlich auffällig. Hesych hat zwar ein pvor-
1) Vgl. auch Brugmann, Sächs. Ber. 1899, Bd. LI 208 f.
2) Vgl. Mahlow, oben XXIV 2931.
8) dxeıpenduas kennt auch Pindar Isthm. 1» und Sophocles frg. lyr. 45.
4) Vgl. Wackernagel, oben XXXIII 36.
Beiträge zur griechischen Grammatik. 49
pooves' nepvonu£vor ts pevas, Groo, das man mit Recht in
pvolyooves geändert hat, schon um ihm die richtige alphabetische
Reihenfolge zu geben. Was man erwartet, ist pvonoippoves zu
pvoč-, aus dem mit Unterdrückung einer der beiden ähnlich
klingenden Silben gvoipopoves hat werden können. Wegen Kier
oltıRog: zu xAeıcı- < xAereo-oı vgl. W. Schulze, Qu. ep. 281 und
Anm. 3. Der Vollständigkeit wegen führe ich noch an Kwåvoavé-
uas (Empedokles frg. 1511 154, 1551) zu xwiD-, EE
zu xapır-").
Dagegen spricht scheinbar ee Ó cotor dy9oÓ-
mous Hes., wenn man es zu dem hom. caóo stellen wollte. Aber
dazu liegt ein zwingender Grund nicht vor. Neben dem von dem
Adjektivum odog abgeleiteten ode hat es ein von géie < *owog
abgeleitetes wdw, ocw gegeben, W. Schulze, Qu. ep. 397 ff.
Ein primäres ode ist zwar angezweifelt worden, wird aber durch
oWrng vorausgesetzt, Fraenkel, Nom. ag. 1107 (anders Eulenburg,
IF. XV 138) und durch Zw- in dorischen Eigennamen, wo ow-
nicht auf Kontraktion aus oao- beruhen kann. Unter Umständen
liegt primäres ow- auch noch in o@co, Zowoa vor. Aber da diese
Bildungen nicht vor dem 5. Jahrhundert belegt sind, könnte man
in ihnen mit gleichem Recht die Fortsetzungen von hom. ode,
2Zodwoa sehen. Es lag demnach ein primäres ow- neben gleich-
bedeutendem denominativen oao-. Dazu kam noch der gleiche
Gegensatz im Adjektivum zwischen oðs < *o@rog und odog. Das
hatte nun zur Folge, daß auch dort, wo cw- allein berechtigt
war, auch gao- (dor. o@-) eintrat: Ich verweise auf die zahlreichen
Eigennamen mit Zao-, Sav-, Sa- im ersten Glede, die eine andre
Deutung gar nicht zulassen. Für stw ist nach gleicher Analogie
ein dvaoaolLeodaı (Salonius de dial. Epir. 96) eingetreten, Brug-
mann-Thumb, Griech. Gr.‘ 73 Anm. 1. Ferner weist Fraenkel, Nom.
ag. 1107 Anm. 6 auf oawtýọe, oawınela, die sich auf äol. Inschriften
aus römischer Zeit finden, und ähnliche literarische Belege hin.
In diesen Zusammenhang gehört auch oaoolußgoros für cwolu-
ßooros. Wie weit sonst in den Kompositen mit owoı- im Vorder-
gliede auch Kontraktionen aus oawor- stecken, läßt sich schwer
entscheiden. In Tauromenion schließt beispielsweise das Neben-
einander von IavAaog (Ooll.-Becht. 52191:ı) und Zwoıpdveog (ebd.
Los, 12491538) 186), Sworpdvns (ebd. Ins), Swodvögov (ebd. 52191144),
KEE (ebd. 5219176, 141, 187), ZIweiotparog (ebd. 5219 Isa, ı2s)
die. Kontraktion von oawo- zu owor- aus. Ebenso kann dort Zw-
3) Von später belegten Bildungen gehört hierher | (Aristot.h.a.).
Zeitschrift für vergl. Sprach!. LIX 1/2.
50 | | F. Specht
in Sonolıs 52191ısı, Sondtgov 52191, , Sonaroog 5219 1ası, Iw-
rein. 521911, u.a. nicht auf Kontraktion von oao- oder der-
gleichen beruhen, sondern es ist den oben S. 37 erwähnten Kom-
posita mit zavv-, dya-, tåņ- u.a. völlig gleichzustellen.
Auch die primären Verben mit erweitertem Stamm haben
in der Komposition stets die vollste Form: weinolußeoros (Pind.),
MeAnoidauos zu uein-, IynolnoAız zu 0xn-'), edenowenns (Pindar
und Aristoph.), Eögnoißıos, eögnelloyos u. a. zu edgn-, Övnolnolıs
(Simonides frg. Aa aus Platons Protag.), ”Ovnolßıog zu 6vr-,
Kıyfoınnog zu xıxn- (W. Schulze, Qu. ep. 123ff.). Darnach können
Bildungen wie die&ixaxos, #apazóoa (Dosiadas Diehl frg. 1) &uaq-
toenýs u.a. nicht zum Typus regwiußooros gehören. Es sind viel.
mehr die bekannten Umbildungen des Typus dox&xaxos ob. S. 31.
Fragt man nach den Ausnahmen, so ist auch hier wieder zu be-
merken, daß Bildungen auf -ņot usw. gelegentlich nach andern
Gruppen des Verbalsystems umgebildet werden können. Aiveoı-
für aivnoı- hatte ich bereits ob. S.48 erwähnt. Ebenso lehrreich
ist edenor-. Pindar Olymp. 9so ist edgeoseng überliefert, aber das
Metrum verlangt die Länge, die auch durch Aristophanes’ Nub.
447 bestätigt wird. Ganz ähnlich ist die Behandlung für die
später oft verwendeten edonoıloyeiv, edenoıloyia, über die Zucker,
Philologus LXXXII 256ff. gehandelt hat. Er zeigt dort, wie
eöonoı- der ältern Quellen allmählich durch jüngeres eögenı- er-
setzt wird. Darnach ist auch eögeoixaxos Schol. zu Euripides’
Med. 407 zu edpnoixaxog zu korrigieren.
Offenbar steht dieser Wandel im engsten Zusammenhang mit
dem Ersatz von edeyue durch eügeue nach eögeors, vgl. Fraenkel,
Nom. ag. I 187 Anm. 1 und die dort angeführte Literatur. Auch
bei den -ua-Bildungen ist in alter Zeit nur Hochstufenvokal am
Platze. Am frühsten zeigt das Dorische die Kürzung. So wagt
nóua bereits Pindar Nem. 379°), gegenüber NÕUL Euripides Hek.
392, Bacch. 279, ferner delph. éua (Coll.-Becht. 2561 Bso) und
Sicilien (ebd. 3246); vðeua Argolis Coll.-Becht. 3839,, , Rhodos
IG, XI 1, 642:, Kreta (metrisch) Coll.-Becht. 5084; dvddena
Messenien (Coll.-Becht. 4689ss, s9); &xxdena Kos (Coll,-Becht.
1) Komposita wie dox&öwgos, Kaibel, irg. com. 190 < *dvoyedwpos
(Kretschmer, ob. XXXVI 267), Iy&uaxos, Bechtel 413 gehören natürlich zu dem
‘Aoriststamm'oyeiv, wie dan&dvuos zu daneiv, EAentolıs zu &leiv, Aındvavs zu
Are, puydßevos zu Yvyeiv, Aaytuoıpos zu Aayeiv, Töxavdoos zu :zuyeiv,
Eygenddosnog,. Eypeudyxn zu Eygkodaı, TAırdunvos zu dire, Aapina zu Aaßeiv.
- © °) Vgl, die Nachahmung bei Kallimachos ¿> zduarı Oxyr. Pap. XI 85 frg. Le,
Beiträge zur griechischen Grammatik. 51
370561762), Örrexdeua „Ergänzungsrechnung“ Messenien (Coll.-
Becht. 4689s), dvdösue Messenien (Coll.-Becht. 468922); ege
Kos (Coll.-Becht. 3627: 362916). Selbst auf ionischen Steinen
findet sich, wenn auch nur ganz vereinzelt, schon der gleiche
Lautübergang, IG. XII 5, 1076» dvadesudıwv, ebd. 10801: òpe-
[uátwv]. ‚Vgl. noch m Sprachl. Unters. zu Homer 76
Anm. 1.
Wird so eöesor- neben ebeno- ohne weitres verständlich, so
bedarf doch der vereinzelte Eigenname ‘HyeolAews, Bechtel 189
neben den zahlreichen regelmäßigen Bildungen mit Annet. Bechtel
a. a. O. noch einer Besprechung. Das angebliche *py&oaodeaı, das
Bechtel wegen yeor- erschließt, hat es nie gegeben. Aber óyéouat
zeigt auch sonst eine Eigentümlichkeit in der Wortbildung, mit
der yeoı- unmittelbar zusammenhängt. Neben regelrecht geb.
detem Aynidlo, Ayntwo, Aynıno, dem späten fynua und den
Weiterbildungen dazu steht auffälliges hyeu®ov mit seinen Ab-
leitungen statt *Aynuwv. Denn die Nomina agentis oder Adjektiva
auf -uwv zu Verben auf -ew oder -aw haben sonst -nuwv, uwr,
vgl. dnAnuwv (Homer) zu dmAkouaı, vońuwv (Homer) zu vocw,
ainuwv (Homer) zu goua, &ienuwv (Homer) zu &iedw, dv$nuwv
(Nikander) zu dv9&w, dazu die aus späterer Zeit oder nur durch
Lexika überlieferten dßaxnuwv zu áßaxćw, veueonuwv ZU veucodo,
Grënn zu òtåéw, tnońuwv zu ıno&w. Ebenso tritt -uwv bei
Verben, die auch einen Stamm auf -ë besitzen, an diesen: Gie-
ornuwv (Nikander) zu BÄaorn-, uelednuwv .(Archilochos, Empe-
dokles) zu ueleön-, uaxhuwv (Homer) zu uexr-, dAuruwv (Homer)
zu dir: &$eAnuwv (Plato) !) zu 2$eAn-, danuwv (Homer) zu óan-.
Wie das daneben stehende dafuw» oder hom. řôuwv gegenüber
späterem eiönuw» lehrt, kann in diesem Falle -uwv auch an die
bloße Wurzel treten. Nach Ausweis des Ai., das die Entspre-
chungen von griech. -ua, -uwv nur unmittelbar an die Wurzel
hängt und daher Ableitungen von sekundären Verben mit diesen
Suffixen nicht kennt, wäre das sogar die ursprünglichste Ver-
wendung, Wackernagel, Sitz. Berl. Ak. 1918, 384 Anm. 1. Bei
alönuwv, das seit Xenophon gebräuchlich ist, Lobeck, Proleg. 160,
statt *aiðésuwv mag man an die oft nahe Berührung zwischen
s- und e Stëmmen erinnern, wie dvdos — åvðéw oder in andrer
Weise &uparıns — paviivaı. Auch die späten åyðýuov und 297uw»
(Hesych) gehören hierher. Ganz isoliert in seiner Bildung steht
das allein durch e 118 überlieferte CnAmuoves. Aus den Scholien
3) Hesiod hat dafür &deAnnög < *edeAnuvds.. |
js
52 F. Specht
erfährt man, daß man im Altertum auch drAnuoves hat dafür
lesen wollen. Das beweist, daß man schon damals das Wort
nicht mehr kannte. Die Annahme einer 3-Erweiterung, wofür
W. Schulze, Qu. ep. 249f. Beispiele gesammelt hat, scheitert daran,
daß SönAnuoves nur als Ableitung zu ños angesehen werden kann.
Aber dazu ist eine -Erweiterung ganz undenkbar. Denn nach
dxoeuwv zu dxgos, doreuwv zu dorós (alow) wäre das Ergebnis
nur *Eni&uoves gewesen, das für den epischen Vers keine Schwie-
rigkeiten gemacht hätte. So sehe ich nur eine Erklärungsmög-
lichkeit. Das Kompositum Zn/idrvnog lehrt, daß eine Verbindung
Ehhe drem dem Griechen nicht ungewöhnlich war. datts
heißt nun bei Homer im Gegensatz zu ßaAlsıv das „Treffen“,
„Schlagen“ im Nahkampfe (Lehrs, Aristarch ° 51ff.). Wenn auch
nicht synonym mit zönzeıw, so kommt ihm doch Tour dem Sinne
nach oft sehr nahe. Dazu kennt Homer 7886 die Weiterbildung
Nuoves. Ich fasse nun &nAnuwv einfach als Kompositum von &74(0-)
und uwv, das in seiner Bildungsweise genau hom. noAlvxınuwv
oder navannuwv (Hesiod Op. 811) entspricht. Allerdings bedarf
es da noch einer Bemerkung. In dem Vers e 118
oyétãiol Lore, Yeol, Eninuoves Eoxov dAlwv,
of re Yeais dydaode nag dvöpaoıw ebvdLeodai
kann £nAnuoves nur „neidisch“ heißen, während es nach meiner
Erklärung „Neid schleudernd, verursachend“ heißen müßte. Nun
schwanken die Scholien, ob nicht önAnuoves als Vokativ zu fassen
und mit col zu verbinden sei. Das hätte den Vorzug, daß das
ungewöhnliche Asyndeton zwischen oyerkıoı und Gninuoves be-
seitigt würde. Denn asyndetische Anreihung ist bei mehreren
Adjektiven homerisch nur häufiger, wenn sie Bestimmungen zum
gleichen Substantiv sind’). Bei dieser Auffassung könnte ÖnAnuoves
auch zur Not als „Neid verursachend* wiedergegeben werden.
Aber diese Interpretation ist kaum nötig. Eine Verbindung eol
SnAnuoves „Neid schleudernde Götter“ setzt voraus, daß die Deal
CnAnuovesg selbst EnAdrunos d. h. „vom Neid getroffen sind“. So
ist gerade in dieser Verbindung ein Bedeutungswandel leicht ver-
ständlich, zumal die alte Komposition dem Griechen kaum noch
klar war. deuönuwv, das gleichfalls nur einmal T' 56 belegt ist,
führt W. Schulze, Qu. ep. 88 und 249 auf *dedrejpnuwv zurück.
Das setzt allerdings voraus, daß deıdnuw» die ursprüngliche Vokal-
1) Richtiger ist vielleicht $nAnuoves substantivisch zu fassen, zu dem dann
oy&rkıoı als Adjektiv gehört.
Beiträge zur griechischen Grammatik. 53
stufe des gleichbedeutenden maskulinen Partizipiums Perfekts')
übernommen haben muß.
Dagegen ist -euwv sehr selten, Lobeck a. a. O. 159. Außer
den schon genannten dxgeu@» und dor&uw», die Ableitungen von
ö-Stämmen sind, aber in ihrer Bedeutung abseits stehen, nennt
Lobeck neben Aysuwv nur xndeuwv und dygeusv „Jäger“ für
sonstiges dygevrig. dyo&w ist aus *dygsuı umgestaltet. Daher steht
dyosu@v im Grunde mit telauov, TAnuwv, nolvaınuwv, yvouwv,
daluwv, nAeduwv, podduwv u. a. auf gleicher Stufe. xndeuwv
gehört zu xndoucı und verhält sich zu mleduwv, podduwv usw.,
wie gıl&w zu dyye&iiw (W. Schulze, Z. Gesch. lat. Eig. 435) oder
wie ai. devaydti zu vithurydti. Dann kann nach alledem Ayeuw» nur
zu einem primären */yw gezogen werden, von dem sich aber
sonst keine Spur findet. Mit „y&ouaı in der Bedeutung, wenn
auch nicht syntaktisch, deckt sich vielfach dyw, das in seinen
Ableitungen gern als 2. Kompositionsglied Verwendung fand. Be-
kanntlich wurde in diesem Falle in der Kompositionsfuge < ge-
dehnt. Ich verweise auf öxer-nyds, orgar-nyds, dex-nyEıns, xvv-
NYÉTNS, EÖ-nyeoln, nuv-nyereiv, dOX-NyEreiv, dox-nyeredeıv, OTOAT-
nyeiv, Xoo-nyelv, orgaT-nyla, OTERT-NYyLov, POQT-NYLKÓS, TTEQI-NYNS,
Wackernagel, Dehnungsges. 39. Besonders bei Bildungen wie
xoo-nyeiv oder segı-nyng konnten -nyeiv und uge im Sprach-
bewußtsein auch zu Ayeiodaı gezogen werden. Daß dadurch
gegenseitige Beeinflussungen zwischen duer und NHyeiodaı statt-
gefunden haben, lehrt das Westlokrische, wo yw von ysio9au
den Asper erhalten hat, IG. IX 1,333;,s hayev und auf der neu-
gefundenen lokr. Bronze v. Wilamowitz, Berl. Sitz.-Ber. 1927, 8
£&pdyso9aı. Wer behaupten wollte, daß auch die Länge mit über-
tragen ist, kann nicht widerlegt werden. Ich halte also ġyeuov
für einen Ausgleich zwischen Ay&ouas und dro, Auch ein aus
der Komposition losgelöstes Ay&ınsg konnte, da einmal Zorn
neben Ny£ouaı stand, auch auf Ay&ouaı bezogen werden. Für Aus-
gleich zwischen Ay&ouaı und ğyw sprechen nun noch folgende
Dinge. Es heißt bei den Nomina appellativa nur dye-, wie dyeleia
(Homer), dy&oroaros (Hesiod), @y&xogog (Aristophanes). Für das
zuletzt genannte hat allerdings v. Wilamowitz, Lysistrate 1282,
um in der Trochäenreihe eine fehlende More zu gewinnen, ye&xo-
oo» geschrieben, während Bergk das sprachlich kaum mögliche
d@ysolxogov vorschlug. In den historischen Personennamen führt
1) Vgl. darüber W. Schulze oben XXVII 547ff.; kyren. xareinilevdvia hat
v aus dem Maskulinum. |
54 F. Specht
Bechtel 11f. unter due 3 Namen an, dazu kommt je einmal die
Umgestaltung dys- und dyo-. Dagegen nennt er 187f. nicht weniger
als 12 Namen, die Zug im Vorderglied haben, wie ‘Hyéôņuos
neben 5 mit umgebildetem %yr- (&yr-), d. h. also: bei den Nomina
propria ist &ye- durch Ay&ouaı in der Regel zu Aye- umgestaltet
worden. Denn ein regelmäßig gebildetes Aye- zu Aydouaı ist
griech. ganz ungewöhnlich, s. u. S.80. Durch Hesych ist gleich-
falls ein Ayeudxog‘ moA&uaexos überliefert. Bei dieser Sachlage
kann es nicht Wunder nehmen, wenn Athenaeus Ill 55. 99b aus
Aischylos ein dynoliaog (= Nauck frg. 406) anführt. Umgekehrt
hat auf Grund von Ayeuw»v Kallimachos Hym. 51:0 aus metrischen
Gründen ein Ayeolig gewagt. Genau so ist das seltne ‘Hyeollewc,
Bechtel 189, zu beurteilen gegenüber 37 Vollnamen, die regel-
rechtes Aynoı- im ersten Kompositionsglied zeigen.
Wie sich ġye- und Aynoı- zu Aysor- und 2yg- ausgeglichen
haben, so könnte man auch ġyņ- in ‘Hynuavöoos als Kontamina-
tion von dye- und Auer ansehen. Der Name ist in Milet üblich,
s. Bechtel zu Coll.-Becht. 5500. Dann stimmten in der Bedeutung
etwa Aoxeuavöoos und “Avafluavdoos. Bechtel selbst 189 läßt
Hynuevögos durch Silbendissimilation aus *Hynuduavödoos ent-
standen sein. Das wäre an und für sich sehr ansprechend, wenn
ein *Aynwo- sonst überliefert wäre.
Schließlich spricht die Betonung ysu@» gegen Ableitung
von Ahyeouaı. Die Substantiva auf -uwv in der Bedeutung eines
Nomen agentis, die von Verben auf -ew, -aw usw. oder zweitem
Stamm auf e abgeleitet sind, haben sämtlich den Ton auf der
Länge der vorletzten Silbe, vgl. Arkadius-Herodian L. I 321s.
Zu den dort genannten dritten, vońuwv, doyhuwv, eboxnuwv,
xaonuwv, E&Aenuwv kommen ferner die bereits oben angeführten
Öninuwv, dinuwv, dvdnuwv, Ř&ßaxńuwv, veusonuwv, 6TANuwv,
tnonuwv, BAaornuwv, ueleönuwv, uaxhuwv, dAırhuwv, &Heinuwv,
danuwv, ciôjuwv, é%xðńuwv. Demnach lautet die regelrechte Ab-
leitung zu Ayeouaı hyruwv, das als Eigenname dem Griechischen
ganz geläufig ist, s. auch Lehrs’, de Arist. stud. 291. Bechtel
513 sieht mit Recht darin keine Kurzform, sondern faßt das Ver-
hältnis von Dune zu Hynuwv wie das von vonua zu vonuwv. Im
übrigen verweise ich auf Solmsen, Glotta 182; Beitr. z. griech.
Wortf. 52ff. Dagegen lehren xndeusv zu xndouaı, dyoeusv zu
dyge-, relauwv zu teia-, daß ġyeuóov nur auf yw bezogen werden
kann und für *dysuwv nach Ay&ouaı umgestaltet worden ist".
3) Nachdem das Manuskript bereits in der Druckerei war, erschien E.
Beiträge zur griechischen Grammatik. 55
Nach dem Verbum deutlich umgestaltet ist ferner Xaudeoqol-
Aewc, das für xaonor- steht. Hier ist wie im Futur yargńow das
aı des Präsens übertragen worden. Aber jedenfalls zeigt es doch
den vollen erweiterten Stamm. Später findet sich auch hier kurzer
Vokal in Xaıugeoliaog Delphi (Coll.-Becht. 1954. 2. Jahrh. a. Chr.
n.). Analogisch mitgewirkt bei der Einführung der Kürze haben
auch die andern Bildungen auf eet im 1. Kompositionsglied, die
unten zur Sprache kommen. So bleiben als einzige scheinbare
Ausnahmen übrig von den sekundären Verben poßeoworgdın s. u.
S. 65f., ’Oodsollews und ZAxeolmenios, von primären Verben mit
zweitem Stamm digeoißo.os, das seit Homer geläufig ist und
wegen 2iaipnosıs' Extuundnon ueydiws dnnö Tod dApalveıv Hesych
und wohl auch wegen digpnorns') ein *dAgpnoißoros erfordern
würde. Sie werden unten ihre Erklärung finden. Das Resultat
ist also auch hier das gleiche. Wie die primären Verben bilden
auch die sekundären Verben und die primären mit zweitem Stamm
die -oı- (-uı-JBildungen stets von dem stärksten Stamm.
Nun kennt aber das Indogermanische auch zweisilbige Wur-
zeln, die uns de Saussure verstehen gelehrt hat. Das Griechische
hat derartige Wurzeln erhalten. Es ist einfach eine notwendige
Folgerung, daß auch hier -oı- Cer) an die stärkste Wurzelgestalt
tritt. Dahin gehören taAa-ol-powv (Homer) zu reĝa- in reidooas'
roAunoa, Anvaı Hesych oder teiauw», während hom. raldooaı
wie takaoipguv schon eine duch sonst übliche Umbildung in der
ersten Silbe zeigen, s. u. S.-105; ferner dauaolußooros (Pindar,
Bacchyl.), dauaoipowv (Pindar), daudaınmos- (Bacchyl., Lampro-
cles 13), dauaoındvövAog (Eupolis bei Hesych), dauaoiydw» (Bac-
chyl.) zu daue-; &laoıßoövrag‘), &Adonnos (Pindar), &laoly$wr
(Pindar) zu £ia-; £2owoiuoAnos (Pindar), Zowoınidxauos. (Pindar,
Schwyzers Aufsatz, Rhein. Mus. LXXIX 1098. Darin berührt er 105 kurz das
Verhältnis zwischen Ayno:- und Ayeoı-. Schwyzer ist geneigt in ‘Ayeoı- der
spätern Dichtung, wofür er noch zwei weitere Beispiele beibringt, eine unter
metrischem Zwang entstandene Form zu sehen. Im att. ‘Hysoiisws (CI. II 869
Du um 350) will er alte Schreibung E für o sehen und thess. ‘Ayeolas (CI.
IX 2, 283s) ergänzt er mit Hiller von Gärtringen zu ‘Aye(ıJolas. Gewiß tritt
hyeoı- gegenüber Zug. sehr zurück, aber die Annahme einer Schreibung E = +
ist für 350 selbst im Namen nicht sehr wahrscheinlich. Ich sehe daher auch
keine Veranlassung, ‘Ayeolag von ‘Hyeoliews zu trennen. Vor allem aber wird
#yeoı- durch ‘die mindestens ebenso auffälligen Zoe. und Ayeucv gestützt.
1) Anders über dAgpnoıng Fraenkel, Nom. ag. I 38f. Das auffällige c teilt
es mit ĉọynotńs. Vgl. ferner Herodian L. I 78ıof. 79.1.
3) Aristophanes Equ. 626, der damit Pindar nachahmen wi Vgl. frg. 144
(Schroeder) 2Aaoißpovia mat `Péas. | |
56 F. Specht
Ibykos 16.) zu ¿oa-. Dazu kommen von Eigennamen Ayaocidauos
zu dya- und Aauaoı-, ’EAaor-, ’Egaoı- als erstes N amenselement-
Mit o-Färbung des zweisilbigen Wurzelvokals gehört hierher Evo—.
oly$ov und mit metrischer Dehnung eivooipvAdos, Evvooiyaıos,
W. Schulze, Qu. ep. 159f. zu &vo-'). Pindars ’Evvooldas Pyth. IV:s
beruht auf homerischer Nachahmung. Völlig in Ordnung sind
daher auch die zweisilbigen Wurzeln mit e-Färbung, wie 64eoi-
$neos (Euripides Phoen. 664), ö4eonvwg (Theognis 399), 6Aeoı-
oıwAoxdiauov (Athenaios 617e aus Pratinas Ia)! und mit metri-
scher Dehnung, weswegen ich auf W. Schulze, Qu. ep. 159 und
Solmsen, Stud. zur griech. Laut- und Verslehre 94 Anm. 1 ver:
weise: &4eolxaenos (Homer), &Aeoloıxog (Aischylos), anwiccioxov
nergdxıov (Bekker Anekd. 251s) zu ö4e-; ferner dg£raıyuos (Bac-
chylides), Ag&ocıyuos u. a. zu doe:
Ebenso regelmäßig ist ferner zeueo[yoos zu teua-. Nur ist
hier wie häufig der zweisilbige Wurzelvokal umgefärbt worden.
Das Alte zeigt zeuaxos. Der Aorist bildete, wie Wackernagel,
Sprachl. Unt. zu Homer 14 gezeigt hat, die Formen vom bloßen
starken Stamm, also ursprünglich *Zreua-r. Aber sicherlich schon
in vorgriechischer Zeit wurde *freuar zu *Ereuer assimiliert, so
daß es scheinbar zu Bildungen wie drexe oder Zoye stimmte. Vom
Präsens zduvw wurde dann c dialektisch in den Aorist übertragen,
so daß er ganz wie ein 2. Aorist aussah. So ist also roue <
teue-, < teua- entstanden, ähnlich wie tafa- < reia- oder daua-
< *Seua- u.a.’). Auf einer zweisilbigen Wurzel beruht ferner
hom. deoipowv, deowpgoodvn. Hesych hat neben deoipgwv, degt:
peocúvyoiw, deoluamwa' N vote nvebuaoı rou Guten uaıvouevn,
Jaidoons dë tò Eniderov ein daoippovi‘ Blarpipgovi, poevoßiaßei.
dot yëQ0 tò Bidde, wo die Wurzel wegen Hesych dyardodaı
BAdnteodaı auf åre- oder åra- zurückgeht. Bechtel, Lexil. 14 will
deoipewv in den Homertext setzen, weil es bei Photius hinter
posvoßAdßeıa heißt oi dë (ó) xoruwuévasş (tàs) going: Gren, Er
nimmt also an, deoipgwv sei Umgestaltung für acı- nach dreoaı
„schlafen“, für das ich wieder auf W. Schulze, Qu. ep. 71ff. ver-
weise. Aber solange wir die Etymologie des Wortes nicht kennen,
1) Ehrlich, Zur idg. Sprachgeschichte 37 führt &vvoolyasos auf *Evrod-
zurück, wo enuod die starke Form von ai. nud- sein soll. Ich habe für diese
Art Ablaut kein Verständnis.
2) Das Wort ist in vorliegender Form allerdings Konjektur: Bergks.
3) Ganz andrer Art ist natürlich xgaudoa: aus Epidauros Coll.-Becht.
3340s, das an Japanedeıw u.a. erinnert.
Beiträge zur griechischen Grammatik. 57
läßt sich überhaupt nichts Sicheres sagen. Nur soviel läßt sich
behaupten, daß die Zurückführung von drdra auf *n-sntä zu hd.
„Sünde“, was noch Boisacq erwägt, ganz unmöglich ist, da eben
Bildungen wie dreor-, draoı- gebieterisch Hochstufe fordern und
so nur eine zweisilbige Wurzel in Frage kommen kann. Genau
wie teua- zu teue- assimiliert werden konnte, war auch eine
Entstehung von draoı- < dreoı- möglich.
Weiterhin gehört hierher Zvreoıseyovs (Homer), das schon
Nauck, Mel. Grec. Rom. IV 602 beanstandet hat. Dem Sinne nach
trefflich passend hat er nach Theokrit 28,, ġvvoregyoús vorge-
schlagen. Nur bleibt dann unverständlich, wie Avvorsgyoös zu
Evreoıegyods hat entstellt werden können. Das Richtige darüber
hat W. Schulze, Qu. ep. 158 gesagt. Griech. dvöw entspricht in
seiner Bildung genau ai. sanöti, dessen Ablautsformen sätd-, säti-
neben der reinen Wurzel in sané- auf eine zweisilbige Wurzel
al. sani- = idg. *sene- weisen. Das griech. Präsens dude hat
allerdings wie rouge -vv- aus dem Präsens auf das ganze Para-
digma übertragen. Aber W. Schulze, Qu. ep. 158 Anm. 4 hat
neben sonstigem 7/vvoa auch den Aorist veca aus Kaibels Epigr.
und der Anthologia Palatina in zusammen drei Fällen nachge-
wiesen. Ich füge noch hinzu aus Sophocles Oed. Col. 432 xarrj-
veoe '), das die codices deteriores für xarjvvoe bieten. Dindorf
und ihm folgend Mekler*) haben es mit Recht als die lectio dif-
fieilior in den Text aufgenommen, obwohl sie dabei wohl an givéw
gedacht haben. Auch ¿zog in dem Vers des Phanocles 1:0, wo
es von Orpheus heißt, daß ihn Frauen getötet haben,
oŬvexa no@ros Zeen Evi Vorhıneooıw Eowras
dooevas oböE ndFovs vecse Imivregwv |
würde ich lieber zu dviw als aivew stellen und demgemäß veoe
schreiben. Ich verweise dazu auf die ähnliche Fügung bei Theo-
krit 195 tòv dvve ... ningov &owra’). Also ist für dvremisoyovs
ein *¿ve-oi-eọyoús einzusetzen, das, weil es sonst nicht in den
epischen Vers paßte, zu Zvve-or-eoyoös hat werden müssen. Da
man es aber nicht mehr verstand, ist daraus das scheinbar deut-
1) Natürlich darf man nicht, wie die Herausgeber tun, xarzjweos mit Jota
subscriptum schreiben.
2) Schon Brunck hat xarzjveoe in den Text genommen, hat es aber wohl
zu xataiwéw gezogen. Daran ist natürlich nicht zu denken, wie G. Hermann
zu der Stelle auseinandergesetzt hat.
3) Nur auf Konjektur von Ahrens beruht Theokr. 27es dvvero —
eövh). Überliefert ist dviozaro. =
58 F. Specht
lichere, aber ebenso unverständliche &vreosegyovg gebildet worden.
Da zu dude wahrscheinlich auch Zeaoa gehört (Bechtel, Lexil.
126f.), so wäre sena- das alte und sene- wieder Assimilation an
den Wurzelvokal e. |
Zweifel bestehen, ob auch zeisaı- in tefeoiroveyós (Platon),
teAeoolpowv (Aischylos Ag. 700) zur zweisilbigen Wurzel reie-
gehört oder zum Denominativum *rei&oıw. Lautlich korrekt wäre
bei Ableitung von eise ein *reieorı-'); aber da neben *releorı
zu teĝeo- in gleicher Bedeutung zeieoı- zu teile- lag, so wird
*zeleorı- zu tefeci oder nach der Doppelheit teĝéoaı und rei&ooaı
zu te/cooı- umgestaltet sein. Das ist sicher geschehen bei dem
ob. S. 49 erwähnten Eigennamen mit Kiero- nach Käievor-.
Dagegen gehört sicher hierher pasoiußgoros, das nur in
pas-ol-ußgoros zerlegt werden kann. Also muß auch hier eine
zweisilbige Wurzel zu Grunde liegen. Sie findet sich unmittelbar
wieder in dem Aorist pde £ 502, ode dé xouoó9oovos Tas, der
genau wie oben S.56 Zreus seiner Bildung nach zu beurteilen
ist. Das Partizipium xm4qi gdovoaı kennt Arat. Phain. 607. Aus
Hesych wird man ferner põvra: Adunovra auf *padovra zurück-
führen müssen. Dagegen kann pdvra‘ Adunovra, da a kaum aus
Kontraktion von afo entstanden sein kann, nur die Fortsetzung
eines alten *pauı = ai. bhäti sein und hat mit põvta nur die
Bedeutung gemein. Dieses pde stellen nun die etymologischen
Wörterbücher zu ai. bhäti „glänzt“ (Boisacq 1014) und da wegen
Sol, paŭos, pYavolußoorog bei Pindar u.a. pée auf pare zurück-
geht, so nimmt man neben bhä eine Wurzel *bhäu an. Dieses
*bhäu erschließt man also auf Grund von @dros und in diesem
páros könnte nur eine Reduktionsstufe des angeblichen *bhäu
vorliegen. Nun kommt aber den s-Stämmen Hochstufe zu. Ver-
wandte Formen zu @dos, die wie bei xodros, 2dooos u.a. die
Tiefstufe veranlaßt hätten, gibt es aber nicht. Außerdem fordert
paeolußgoros nach dem, was wir bisher über die Komposita mit
angeblichem -eoı- festgestellt haben, eine Analyse pee-or-, die
auf eine zweisilbige Wurzel weist. Aber alle Ablautskünste
reichen nicht aus, um ai. bhä- mit griech. pafe- zu verbinden.
So bleibt nichts weiter übrig als pdvra und P155 nephoetai
von ge zu trennen.
1) Eine derartige Bildung auf -cori liegt wahrscheinlich vor in dem lakon.
Namen Meveorinins (Coll.-Becht. 4537), auf dessen Deutung Bechtel 313 ver-
zichtet. Daneben steht aus Smyrna ein MevexAñs (Coll.-Becht. 561614). Nur fehlt
ein *uevéw oder *ueveiw. Aber nach tefe- : reĝeco- ` reieo- ` *reisorı- = peve- :
peveor- (8. u. S. 69 Anm. 2): veveo-: x — ueveor:- ist diese Bildung verständlich.
Beiträge zur griechischen Grammatik. 59
Geht 'man nun von gare- als zweisilbiger Wurzel aus, so
wird pdos < *gars-os sofort verständlich. Wurzelaoriste wie pde
haben ursprünglich Vokalabstufung zwischen Singular und Plural
gehabt, die aber sowohl ai. wie griech. fast immer ausgeglichen
worden ist. So mußte z.B. griech. ursprünglich *&reiav, *Ereias,
Sëre it, Erinuev, Eine, *Erinvı flektiert werden. Aber abge-
sehen davon, daß ein solches Paradigma zu sehr auseinanderfiel,
haben Aoriste wie *čraĝav mit a vor der Endung überhaupt keine
Lebenskraft gehabt, falls sie nicht wie treue, &pae wegen des
zweisilbigen Wurzelvokals e in den 2. Aoristen aufgingen. So
hat man den Stamm in Zrinuev auch für den Singular verwendet,
und z4w- ist im Griechischen ganz als Hochstufe gefühlt worden,
da es genau zu Bildungen wie Zon stimmte. Infolgedessen hat
man neben altertümlicherem zaAa-oı- schon frühzeitig ein Aner.
gewagt. Wenden wir das auf pae an, so hat ursprünglich die
Flexion lauten müssen: *Zparev, *čpares, *Eparer, Epvuer, Epvre,
*Zpvvr, d.h. pde ist die regelmäßige Hochstufe zu Zpvusv, das
nun wie ZrÄnuev seinerseits in andrer Bedeutung einen neuen
Singular pov schuf. . Diese Neubildung ist, wie das-ai. dbhat lehrt,
schon idg. vollzogen worden. Wenn sich trotzdem daneben in
páe das Alte bis in die griech. Periode gerettet hat, so ist daran
die besondere Verwendung von gde Schuld. Auch 290» oder
pöua ist vom griech. Standpunkt aus ganz als Hochstufe gefühlt
worden, wie schon die Neuerung &pv» — pvröv, also A — Oz statt
áve — üx deutlich lehrt. Dazu hat die Abneigung der Griechen
gegen den alten Ablaut der “-Wurzeln beigetragen.
In dem Satze pde dë xovoodoovos GO ist also pdz, wie es
sich für die Wurzel bhū gehört, rein aoristisch gebraucht und es
heißt ursprünglich: „die goldigthronende Morgenröte erschien“.
Indem man den Subjektsbegriff ños oder Gäioc als selbstver-
ständlich unterdrückte, blieb ode") für das Aufgehen der Sonne
oder Morgenröte reserviert und ward im Sprachgefühl soviel wie
„begann zu leuchten“, während die Neubildung čov an die Stelle
der andern Bedeutungen trat. Das war um so leichter möglich,
als ja von Zéioc oder nos ein Plural nicht recht denkbar war,
¿pas also in Wirklichkeit nur im Singular vorkommen konnte
und sich schon durch die spezielle Bedeutung vom Plural abhob.
Man wird mir einwenden können, daß als Subjekt auch ein Plural
1) pdev' néoreidev Hes. muß sicher in ändreıAev korrigiert werden. Das
hat bereits der Herausgeber vermutet. Genauer wäre das Interpretament &v£-
terdev, 8. u. S. 60. | | u |
GO F. Specht
wie dor£ges, IlAnıddes, ‘Yddes u. a. hätte in Frage kommen
können, und in Sterngedichten und Bauernkalendern begegnet
man ihnen neben den Singularen ’Qaolwv, Zeigios, A_gxTovgos
oder o9£oçs `Qaçlwvos und dergl. Aber für den Naturmenschen
spielt das Erscheinen der Sterne gegenüber dem der Sonne oder
Morgenröte eine ganz untergeordnete Rolle. Ich mache ferner
darauf aufmerksam, daß noch das Attische einen deutlichen Unter-
schied zwischen dem Aufgehen der Sonne und dem. der Gestirne
macht, vgl. Phrynichus 124: ’Avareileı uèv gocis ó Bhios, Enıreileı
dë ô xúwv, 9 ó Dolwv N dAlo u con uj woadrwg To åly soi tÅ
oeAnvn noAevdovrov und die Anmerkung Lobecks dazu, wonach
der Unterschied im allgemeinen gut bewahrt ist.
Verständlich ist bei gäe die Auslassung des Subjekts. Die
Frage der subjektlosen Sätze und Impersonalien ist in letzter Zeit
so gründlich behandelt worden, daß sich ein Eingehen darauf
erübrigt. Zudem hat Havers, Wört. und Sach. XI 76ff., bes. 105ff.,
eine kurze Zusammenstellung des ganzen Problems gegeben, dem
ich in den wesentlichsten Punkten zustimme. E. Hermann hat
in seiner sehr anregenden Abhandlung GGA. 1927, 274 ausgeführt,
daß bei Herodot im Gegensatz zu Homer, wo die Witterungs-
ausdrücke nie ohne persönliches Subjekt erscheinen können, im
allgemeinen die gleichen Ausdrücke ohne persönliches Subjekt
stehen. Er will diese Stellen unpersönlich fassen. Darin kann
ich ihm nicht zustimmen. Denn seit Jahren hat W. Schulze,
dessen Abhandlung über den gleichen Gegenstand leider nicht
gedruckt ist (vgl. Sitz.-Ber. Berl. Ak. 1927, 2), in seinen Übungen
auf Herodot IV 28 tò ôè H&oog Zon 06x dvleı hingewiesen, wo
das maskuline Partizipium unpersönlichen Gebrauch eigentlich
ausschließt. Ähnliche Parallelen aus dem Altindischen führt Zubaty
ob. XL 513 an: tapantam varsantam na nindet „auf den brennenden
(Adityam), auf den regnenden (devam) soll man nicht schimpfen“
oder ta (devatäh) eva asmai Parjanyam varsayanti, utá dvarsisyan
vArsaty vá „sie (die Gottheiten) selbst lassen ihm den Parjanya
regnen; selbst wenn er (sonst) nicht geregnet hätte, regnet er“.
Die gleiche Entwicklung also, die man etwa bei Ger von Homer
bis Herodot verfolgen kann, wird in früherer Zeit bei pde vor-
gelegen haben. Griech. yiyvouaı, das Perfektivum zu elvaı ge-
worden ist, also die gleiche Stelle im Griechischen vertritt, die
ursprünglich der Wurzel bhū zukam, wird gleichfalls vom Er-
scheinen der Morgenröte gebraucht. Ich verweise auf eine Stelle
wie Hesiod Op. 821 noös yıyrou&vns. Im Zusammenhang damit
Beiträge zur griechischen Grammatik. 61
möchte ich auch noch an die Hesychglosse négy: &pavn T nepö-
ott erinnern, obwohl ich sie in ihren Einzelheiten nicht zu
deuten vermag’). Auch hier stehen 2ydvn, das Synonym von
ode ist, und gdouaı als Interpretamenta nebeneinander. Damit
ist auch von seiten des Bedeutungswandels die Frage erledigt.
Daneben hat nun gdos auch die Bedeutung „Licht, Heil,
Rettung“. Genau dazu stimmt ai. bhava-, das gleichfalls die Be-
deutung „Segen, Heil“ besitzt. Im Ai. kann ferner bhū mit ävih
„erscheinen“ heißen. Stellen wie Rgveda 299.ı 914» Gris svàr
abhavaj jāté agnaú scheinen griech. pde, pasolußoorog in der Be-
deutung. nahe zu kommen. Nur ist zur Verdeutlichung ävik
hinzugetreten.
Man setzt die Hochstufe der Wurzel bhū allgemein mit
e-Vokal als *bhevo- an. Das wird aber durch geaeolußooros un-
möglich gemacht. Sie kann nur *bhavo- gelautet haben °). Nirgends
zeigt sich in den idg. Sprachen ene Form, die dagegen spricht,
auch nicht pda‘ ŝ£avðńuatra v oi owuarı Hes. (vgl. auch W.
Schulze, Qu. ep. 278 u. Anm. 2). Denn pda kann eich zu gde
verhalten wie öxoıs zu dxgos. Dagegen hat Hesych allerlei über-
liefert, was nur auf *bhavo- weist. Wollte man wie im Altind.
von der Wurzel bhava ein ö-Präsens bilden, so mußte der zwei-
silbige Wurzelvokal a vor Vokal ausfallen und griech. wurde
daraus ein *pdrw. Der s-Aorist dazu hätte *Zpdreoa lauten müssen.
Aber Bildungen wie nv&rw, Zrvevoa und vor allem das Bestreben
des Griechischen, den Vokalismus zwischen Präsens und s-Aorist
auszugleichen, bildeten ein *2yareo« zu čpavoa*) um. Ein solches
Zpavoa konnte ein zu pdw gewordenes "dro — es liegt in den
ob. S. 58 erwähnten Partizipien pdovoaı und põvrta vor — von
neuem zu padw umgestalten, vgl. ieoedw nach i&oevoan, davw' tò
xalw 2006 Zıuwviön „unolwv dedavusvwv“ apa tò ĝaiw Herodian
L. I 45319, wo allerdings dadw Grammatikerprodukt nach dedav-
u£vov sein kann, u.a. Es liegt also die gleiche Entwicklung vor wie
in Aor&ooaı, Aoŭoev gegenüber Präsens Adeov, Aoveodaı, Bechtel,
Lexil. 325. Alt war Präsens 4óro, Aorist Aor&oaı. Zu Adsw wurde
dann ein Aoödoaı, zu Aor&oaı ein ośw neugebildet. Ein solches
1) Wegen nepn' pávy vgl. Mahlow ob. XXIV 295 und de Saussure, Mém.
148 und 287.
2) Ags. beom kann bei dem starken Ausgleich, der in der ältern ags.
Überlieferung bei dieser und bei ähnlichen Formen stattgefanden hat, für e-Stufe
nicht verwandt werden.
s) Vgl. Eustathius 1728, 7 x rof pdw nÄeovaouo Tod v ode aloAınäs;
einen Aorist Apavos notiert Helladius 868, Lobeck, Rhemat. 13.
62 F. Specht
aktives padeı» müßte in der Bedeutung mit der zusammen-
treffen, also eine Art Kausativum zu gVeodaı sein. Dazu stimmt
nun genau die Hesychglosse pavsıw' moreiv, auf die schon O. Hoff-
mann, BB. XXI 137 hingewiesen hat. Der Herausgeber hat sich
durch Lobeck, Rhemat. 13 bestimmen lassen, das Interpretament
rroısiv durch paveodv zu ergänzen, da ihm offenbar der Begriff
„leuchten“ als Grundbedeutung vorschwebte. Aber die Bedeu-
tung „roiv“ ist völlig in der Ordnung. Durch die Neubildung
den zu gdecihot ist goe allmählich verdrängt worden.
Sobald in ode die Grundbedeutung nicht mehr deutlich war
und es ganz als „begann zu leuchten“ gefühlt wurde, konnte
auch der mediale Aorist pa&oaodaı, den uns Hesych überliefert,
zu der Bedeutung ideiv, uadeiv kommen, vgl. Bechtel, Lex. 325.
Auf gleicher Voraussetzung beruht der Bedeutungswandel in
nupavdorw, Erupadonovıa‘ dvarilovre, palvovıa Hesych, öndpav-
oc Herod. 7s und ähnliche, voie oc, péyyos, pwtavyia;
yaövos‘ palvwv aróv Hesych, lauter Bildungen, denen von
Rechtswegen die Tiefstufe z zukommen mußte. Der Vokal av
könnte gleichfalls eine Schwächung sein, aber er könnte auch
von gaveıw, pdrog herrühren. Da die Geschichte dieser Wort-
sippe sich größtenteils vor unsrer Überlieferung abspielt, ist eine
sichere Entscheidung unmöglich. dıapwoxsı Herodot II, „Tag
werden“ wird seiner Bedeutung gemäß, wie bereits Bechtel,
Griech. Dial. III 201 gesehen hat, durch oc umgestaltet sein.
Das gilt auch für &uıpooxw im N. Test, gwoxeı‘ diapavsı Hesych
neben sonstigem &rıpavoxw, Bechtel a. a. O. |
-= Da also neben pde, paeolußooros ein scheinbarer Stamm gav-
aufkam, so ist es begreiflich, daß Pindar statt paeolußgorog ein
pavolußooros gebraucht. Bei Bacchylides 12, ist zwar pasou-
Bodrov überliefert, aber Blaß hat mit Recht aus metrischen Grün-
den gavosußoörov dafür eingesetzt. Durch alle diese Bildungen
wurde der Anschein erweckt, daß pav- „leuchten“ bedeutet.
Daher ist es begreiflich, wenn Etym. Gud. 95 gegen mit Adunw
und «dw in der Bedeutung gleichgestellt wird. Auch das sonst
unbekannte Interpretament in der oben erwähnten Hesychglosse
pwoneı‘ Öıapadeı‘) weist darauf hin. Wahrscheinlich hat dieses
1) Lebendig geblieben ist dieses dıapavsı bis auf den heutigen Tag im
Griechischen Süditaliens. Rohlfs, Griechen und Romanen in Unteritalien S. got
führt aus Bova in Calabrien ein diafägvi — diapaveı „es wird Tag“ an und
notiert dazu aus der Septuaginta Reg. Il 232 dıgpyavosv, I 14se Zug Ödıapadoy
hpéga und aus dem Corp. Gloss. Lat. II 27529, 1243s, 14726 das Präsens dıapadeı.
Beiträge zur griechischen Grammatik. 63
paveıv mit goen: Zoe Hesych nichts zu tun, sondern ist erst
aus padoıs, Errıpadoxw usw. neu entwickelt worden. Darauf weist
auch die Namenbildung hin, bei der im ersten Gliede does Dav-
und w- nebeneinander stehen, z. B. Dasviuns, Daddauos, Dó-
xoıros. Alt allein ist Pas- s. ob. S. 37. av- verhält sich zu
Dac- = pavolußooros: paeolußgoros: Dw- kann nur nach Bildungen
wie pos < pdrog umgestaltet sein. _ |
Nur ¿yxoao[yo4os „ein kleiner Fisch“ eigentlich „mit Galle
gemischt“ widerspricht, wenn die Etymologie richtig ist, der
Lehre, wonach o an die starke Wurzel tritt. Wenn wir aber
erwägen, daß aus Eorgwuaı, Eoreodnp, :0TOWTÖS OTEw- auch in
den sigmatischen Aorist und schließlich in das Präsens verschleppt
worden ist, so ist die Annahme nicht zu kühn, daß auch in
xlovnu, xerpaucı, &xgaInv, ngürds xo& allmählich als eigentliche
Wurzel empfunden wurde,. Darauf weist auch der bei Hesych
überlieferte ion. Aorist xgjoaı‘ .xeodoaı hin. Wahrscheinlich steht
auch die ion. Glosse xonoinauda‘ Ev Zamaxn volg $ Agis gpéog-
rot: ÖMkov Örı uëon leoelwv Atyeraı Hes. mit &yxoaolyoios auf
gleicher Stufe. Auch zunolxgoas (ob. S. 34) kommt als Gram-
matikerinterpretament als. Ausnahme nicht in Frage. Richtig
gebildet ist dagegen das erst aus später Zeit überlieferte xaÀ4eooí-
xogos (Orph.).
Dahingestellt sein lasse ich, ob in dx&oueı eine SNE
Wurzel vorliegt. Das verbale Kompositionselement lautet ent-
sprechend der sonstigen Stammbildung dx£oouaı, nreodunv (NxE-
oul, dxeor z. B. dxeolnovov: Yeganevrndv (Bekker, Anek. 364),
“Axsolußgoros. Ganz ähnlich wird man doxéo auffassen müssen,
das nur den Verbalstamm doxe- kennt. Dem entsprechend heißt
es seit Homer doxeoı- in Agxeoliaog oder doxeoiyvios (Antiphanes
frg. 207: K als. Parodie auf Euripides). Unsicher bleibt auch, ob
In TEEGI- zweisilbige Wurzel zu Grunde liegt, wie in Teleolönuog')
u. a., s. ob. S. 58.. Endlich liegt die Hochstufe einer zweisilbigen
Wurzel mit konsonantischem Schluß in zaga&ıxdodıos (Aristophanes)
zu tapax- (s. u. S. 117 u. Anm. 3) vor. Auch das Vorderglied
bei zweisilbigen Wurzeln ist gelegentlich in seiner Form durch
den Aorist beeinflußt worden, z.B. böot. Ayaooidauos, Ayaoaıyirov
zu dya-, das einen Aorist mit äolischer Doppelkonsonanz *dydo-
oo voraussetzt. Dazu stimmt böot. oovvxal&ooavres, Bechtel,
3) Dagegen: weist auf veie-0s argiv. Teieinnov (= telehınnov) IV 6181s, o
Vgl. noch ebd. IV 1341 "Apx(e)hlAas, vgl. Bechtel, Gr. Dial. II 463; Jacobsohn,
Hermes XLV 93.
64 F. Specht
Griech. Dial. 1285. Soviel ist jedenfalls sicher durch die Unter-
suchung bisher klar gestellt worden, daß verbale Kompositions-
glieder auf zo entweder zu zweisilbigen Wurzeln mit schließen-
dem -e oder zu Verbalstämmen gehören, die auch sonst in der
Stammbildung kurzes ë haben. Ein eo wo e gleichsam eine
Art Bindevokal darstellen soll, ist also ganz unmöglich.
Dem scheint aber aus Homer zu widersprechen zunächst
zumyeoluaiios. Hier macht es schon die Bedeutung sehr unwahr-
scheinlich, daß verbales Kompositionsglied vorliegt. Kretschmer,
Glotta X 47 sieht darin einen metrischen Ersatz für *x+TyóuaA44os
und beruft sich auf Vorbilder wie zeıyeoınintng. Aber eine solche
Umgestaltung bleibt immerhin etwas auffällig. Viel wahrschein-
licher ist Bechtels Annahme, der 149 in nnyeoluaAAog Umstellung
der Kompositionsglieder für *ue@AAonnyns sieht mit Berufung auf
eörenyns. Ganz ähnlich urteilt schon Curtius ob. II 155f., der
jedenfalls in nnyeoı- wie in dvdeolxowg alten s-Stamm erkannte.
Für derartige Umstellungen, die in der Bildung von Eigennamen
häufiger sind, verweist Bechtel auf Eideollews < Aaroeıöng, Ao-
o[9eoç (s. ob. S. 45) < Yeddonıs, Alxtoınnos < “Innalung, Avde-
ollaog < Aardvdng u.a. Sehr lehrreich ist auch die Hesychglosse
otoxdrafıs‘ ra Gro TedAnouevos, die man auf Grund von Bekkers
Anek. 116s: &roxdrafıy: tòv ovvrergiuutvov tò ods. Agıoropavns
Baßviwvloıg Aristophanes zuweist. Sie kann nur für *xare&l-wrog
stehen. Ebenso ist ßooßogordewdıs Aristophanes Equ. 309 Um-
stellung für zaoaš/0óoBooos. Sonst sind noch zu nennen Bac-
chylides Vu © Zeë xegavveyy&s, aber Pindar Pyth. 4194 Eyxeıxe-
oavvov Zijva. Etwas umgestaltet gegenüber den oben genannten
ist Aristophanes nub. 265 Boovtnoixégavvos, aber pax 376 xegav-
voßoövras, vgl. Williger a. a. O. 36 u. Anm 2.
Ist so nnyeoiuaAAog in Ordnung, so widersprechen aus Homer
diesoifooc und ¿¿AxeoímemAos5. Jenes kann wegen dipn- (ob.
S. 55) nur für *dAg@noißouog stehen. Bei diesem ist Verbindung
mit Bio ausgeschlossen, da wir nach unsern Ausführungen dann
nur *&idinenilos erwarten könnten. Wohl aber kennt Homer
neben xw auch ein šë2xéo, Einnow, EAunoe. Zu diesem muß also
EAncolnenhos gezogen werden und demnach für *&lxnolneniog
stehen. Wenn die durch die Sprachgesetze geforderten *dipnoi-
boros und *EAxnolseniog durch Bildungen auf co ersetzt sind,
so waren dafür nur metrische Gründe maßgebend. Denn beide
1) Nicht zustimmen kann ich in der Beurteilung der Formen Fraenkel,
Nom. Ag. I 51 Anm. 1. |
Beiträge zur griechischen Grammatik. 65
waren sonst für den epischen Vers ganz ungeeignet. Auch ein
*Eintnenios oder *š4[memAos wäre kein passender Ersatz dafür
gewesen, da Kürzungen vor Konsonantengruppen wie ri home-
risch ganz außergewöhnlich sind und sich in der Regel nur auf
Eigennamen beschränken. Man wird also digeolßorog und &ixe-
oinersAog zu den Beispielen rechnen können, wie zidnuevaı, xaln-
uevaı u. a die W. Schulze, Qu. ep. 16ff. behandelt hat. Nur
handelt es sich dort um Dehnungen nach bekannten Mustern,
während hier der lange Vokal durch eine Kürze ersetzt ist. Aber
man fragt sich natürlich: Wo waren die Vorbilder? Mit Bildungen
wie @Aeolxaonos oder ähnlichen zweisilbigen Wurzeln hatten
*gigpmoißorog und *Eixnolneniog nichts gemein. Wohl aber weist
den Weg das schon mehrfach erwähnte durch Aristophanes im
Dialog überlieferte alte Kultwort goßeororodın'). Es gehört zu
poߣw, dessen stärkster Verbalstamm g„oßn- lautet, genau wie zu
Aaen Einn- oder zu dApdvo dipr-.
Aber trotzdem ist poß&w eine abweichende Bildung. Es ist
bekanntlich ein Kausatıvum oder Iterativum, das von vornherein
anders flektieren konnte, als die denominativen Verben auf -ew.
Ich stehe nicht an, aus dem altertümlichen, ganz isolierten o-
ßBeoiorgdtn einfach den Schluß zu ziehen, daß der volle Stamm
der Kausativa-Iterativa poßĝe-, also auf £ gelautet habe‘). Die
sonstige Analyse der verbalen Kompositionsglieder auf -ot zwingt
einfach dazu. Das wird durch ein weiteres Wort bestätigt. Bechtel
352 führt einen Namen ’Ogdeoilews an, dessen erstes Element
er für unerklärt hält. Und doch glaube ich, ist die Deutung sehr
einfach. Wenn yoß&w zu geßouaı gehört, so mußte zu einem
aus *ögdeoı- erschlossenen *óo9£e das primäre Verbum Zeie
lauten. Es liegt vor in der Hesychglosse Zoier: pYEyyeraı. Da
sie zwischen Zgaraı und čoßws: eöowg steht, hat man sie wegen
der alphabetischen Reihenfolge beanstandet, und Meineke hat
dafür @ederaı vermutet. Aber das Wort ist völlig in Ordnung.
Nimmt man ursprünglichen Anlaut mit Digamma an, so stimmt
seodeı genau zu lat. verbum, got. waürd, lit. vardas”), apreuß. wirds;
1) E. Schwyzer, Rhein. Mus. LXXIX 106 erklärt die Kürze 2 durch metri-
schen Zwang.
2) Auf diese Bedeutung von poßeoıoroedın hat schon vor mehr als 20 Jahren
W. Schulze in seinen Vorlesungen hingewiesen.
3) Lat. verbum verhält sich zu r&odsı wie r&oyov zu Zoóo, W. Schulze
ob. XLVII 236; Meillet, MSL. XXII 203. Got. waurd, apr. wirds sind als
Tiefstufen wohl verständlich, da zweisilbige Neutra bekanntlich zwischen Sg.
Zeitschrift für vergl. Sprachf. LIX 1/2. 5
66 F. Specht
dh ist also. nicht, wie man öfter angenommen hat, bloß auf die
Nominalbildung beschränkt. Verbale Vorderglieder auf -ņot von
Kausativa auf -zo, die dagegen sprächen, gibt es nicht; denn
xocunņot-, #g01n01-, omoönoı- sind Denominativa zu xdowos, xoótos,
oroöös und gehören also nicht hierher. Auch doxnaı- in doxmnol-
copog (Aristophanes), doxnowopla (Plato), doxnoıdeäıos (Komiker),
öoxnotvoos (Komiker). ist keine Gegeninstanz. Erstens könnte
doxnoloopos Kompositum wie Xeıploopos sein und doxmoivoog
wäre dann ein Bahuvrihi. In diesem Falle haben diese Komposita
mit den oben behandelten überhaupt nichts zu tun. Aber unbe-
dingt notwendig ist diese Annahme nicht. Denn die Zusammen-
setzungen mit doxnos- sind recht eigentlich Kunstschöpfungen
der Sophistik, die im Anschluß an den gleichfalls philosophisch-
sophistischen Terminus der ödxnoıs erfolgt sind’), Daher finden
sich diese Komposita vorwiegend in der Persiflage der Komödie.
Es sind verhältnismäßig späte Bildungen, die nicht geeignet sind,
und Plur. Akzentwechsel besaßen, wo mit der Endbetonung Schwundstufe der
Wurzel vertreten war. Abseits steht lit. vardas, das mit ö-Stufe nur bei mas-
kulinem Geschlecht verständlich wäre. Aber davon zeigt sich nirgends eine
Spur. Das Apreuß. kennt zwar noch Neutra, aber nicht im Katechismus, dem
wirds angehört. Ich würde schon deshalb va7das auf *verdas zurückführen
und darin die Vertretung eines alten *verdan sehen. Dagegen haben sich aber
Trautmann, Balt.-slav. Wort, 360 und ganz besonders Endzelin, Slavjano-balt.
etjudy 92 Anm. ausgesprochen. Die Frage nach dem Übergang von ve- zu va-
ist auch heute noch nicht geklärt. Für väkaras u.a. steht er für anlautendes
ve sicher fest. Folgendes o wird mitgewirkt haben. Gegenüber vergas wird
man doch die Intonation verantwortlich machen müssen. Denn das einmorige
e neigt im allgemeinen in der Aussprache viel eher nach a hin als das zwei-
morige. Da im Verbum wie v2da immer Formen wie vedè daneben standen,
so kann die Regel nur bei Substantiven erhalten sein. Die scheinbar wider-
sprechenden veřpalas, verpstas, verksmas sind durch das zugehörige Verbum
verpti, verkti beeinflußt, vertas und verbas sind Fremdwörter, während vardas
ganz isoliert steht. %ëzdas, das Kurschat aus Samogitien anführt, hat langes é,
vgl. Wolters Chrestomathie 333ıs u. f. Wenn sich Endzelin a a. O. für den
ö-Vokal in vardas auf die Dreiheit abulg. zlato, lett. zèlts, got. gulp beruft,
so stimmt das Beispiel morphologisch nicht. Denn *verdhom ist eine Art
nomen actionis zu verdh-, dem von Hause aus e-Stufe zukam, während zlato
eine partizipiale -Zo-Bildung enthält, die als Adjektiv fungiert und demnach auch
ö-Stufe haben konnte, vgl. darüber Meillet a. a. O. — Got. waurk, das Meillet
durch Angleichung an waurkjan erklären will, ist, worauf mich W. Schulze
aufmerksam macht, überhaupt nicht vorhanden. Es gibt nur ein gawaurki.
1) Das gleichbedeutende do&doopos (Plato) entscheidet eher für die An-
nahme, daß in ðoxņo:- Substantiv vorliegt; denn es kann nur für *do&aoogos
stehen. Die Annahme ójošóoogos sei Ersatz für *defioopos (vgl. Wackernagel
ob. XXXIII 371.) scheitert schon daran, daß das Wort erst der Sophistik angehört.
Beiträge zur griechischen Grammatik. 67
die bisherigen Ergebnisse umzustoßen. Es bleibt also nichts
andres übrig als den Verbalstamm der Iterativa goß&w und *óo9£o
als poße- und Aere anzusetzen.
Nun haben bekanntlich diejenigen Sprachen, die diese Art
von Iterativa kennen, also Altindisch, Griechisch, Lateinisch, Ger-
manisch die Iterativa-Kausativa mit den Denominativen nach den
verschiedensten Seiten hin ausgeglichen, Brugmann, Gr.° II 1,399.
Im Ai. hat das Iterativum über das Denominativum gesiegt, vgl.
bhämita-, rabhita-, duhkhita- (Withney, Ai. Gr.* 442) nach coditd-.
Das Gleiche gilt für das Germanische, z. B. got. fullibs nach nasips.
Im Griechischen hat umgekehrt das Denominativum über das dort
nur spärlich vertretene Kausativ-Iterativ den Sieg davon getragen,
also goonrög nach Yılntös. Wie steht dazu nun das Lateinische?
Hier lautet das Partizipium auf -itus, sowohl von Kausativa, wie
monitus, als auch von andern Bildungen der 2. Konjugation, wie
habitus, tacitus, veritus, meritus u. v.a. Da sich in der Stamm-
bildung auch Ableitungen mit -2 finden, wie verēcundus, so können
die Partizipien wie veritus nicht alt sein, sondern sie müssen sich
nach monitus gerichtet haben. Also liegt im Lateinischen wie im
Germanischen und Altindischen wieder ein Sieg des Kausativums
über die ähnlich lautenden Präsensbildungen vor. Dieses ¿ des
Partizipiums wird nun im allgemeinen zum Präsens in Beziehung
gesetzt, indem man *moneio in mon-ei-ọ zerlegt und in dem ¿ von
monitus die Tiefstufe von ei sieht, vgl. Brugmann, Gr. II?’ 3, 2451.
So erblicken denn auch Sommer, Lat. Gr. 559, 601 und M. Leu-
mann, Lat. Gr. 319 in monitus alten Vokal und führen demge-
mäß auch das Perfektum -ui der 2. Konjugation auf -ivai zurück.
Aber dazu stimmt nicht die Überlieferung. Alat. heißt es noch
mereto(d) mit e statt i (CIL. I 9, 31, 32, 45, 360, 384, 386). Ebenso
heißt es immer meretrix, K. Meister ob. XLV 186, was nur altes
e sein kann, da ursprüngliches ¿ nicht zu e geworden wäre. Auch
in e von CIL. I° 1739 monementum wird man demnach etwas Altes
sehen können. Da ferner Adjektiva auf -idus mit Verba auf are
in reger Wechselbeziehung stehen, so halte ich auch das e in
soledas CIL. I° 1529 für altertümlich'). Weniger Wert lege ich auf
umbr. Formen wie tases, virseto, da im Umbr. i sehr offen war,
so daß e auch offene Aussprache für i sein könnte. J. B. Hof-
mann verweist mich freundlicher Weise auch auf orbita < orbhita
1) Damit soll nicht gesagt sein, daß 2 in jedem einzelnen Fall aus alter
Zeit ererbt sei. Es kann gelegentlich auch in Texten stehen, die in der Wieder-
gabe von ¿ zwischen e und ¿ schwanken.
Eh
68 F. Specht
IF. XLVII 178 und umbr. urfeta. An der Identität beider Wörter
ist kaum zu zweifeln, wenn auch die Wortbildung italisch ziem-
lich isoliert ist.
Wenn also auch die umbr. Formen nicht zwingend auf -etos
weisen, so ist doch durch meretod, meretrix u.ä. für das Lat. alter
Vokal gesichert. Dann muß man aber auch das Perfektum auf
-ui wie monui auf *monevai zurückführen. Überblicken wir bisher
das Ergebnis, so ist das Germanische zweideutig, das Altindische
weist auf einen außerpräsentischen Stamm auf -i — die Zurück-
führung auf idg. a die lautlich möglich ist, kommt praktisch
nicht in Frage —, das Griechische mit goße- auf e, ebenso das
Lateinische. Die Beantwortung der Frage, ob das Griechische
und Lateinische oder das Altindische das Alte fortsetzt, kann nicht
zweifelhaft sein. Griech. gpoße- und lat. mone- (mere-) stehen so
isoliert, daß eine Beeinflussung von andrer Seite kaum in Frage
kommt. Man könnte allerdings bei dem Lateinischen an Beein-
flussung durch das Präsens denken, also *monetos nach dem e
von moneo, aber für das Griech. goßeororedın fällt auch diese
Möglichkeit weg, da ja die ähnlich klingenden xoounor-, x00Tn01-
usw. ganz andre Wege gegangen sind und das Präsens mit Bil-
dungen wie goßeoı- überhaupt in keiner Beziehung steht. Dazu
kommt noch ein Zweites. Idg. *bhoreiö, *moneiö, deren Akzent
durch die Übereinstimmung zwischen Ai. und Germ. sicher rekon-
struierbar ist, kann erst in einer spätern Zeit der idg. Sprach-
periode entstanden sein, als vortonige Silben nicht mehr geschwächt
wurden. Dann bleibt es aber ganz unverständlich, weshalb in einem
Partizipium *bhoreitös zwar ei zu i geschwächt sein soll, aber
in der Wurzel sich der volle Vokal erhalten hat. Eine Bildung
auf -itos wäre in diesem Falle nur denkbar, wenn andre Vorbilder
mit einem Präsens auf -éjð, und Partizipium auf -itös daneben
lagen. Aber nur das Ai. weist mit Bestimmtheit auf -itós und
gerade ai. -itas läßt sich als Neubildung leicht erklären.
Präsentia von primären Verben, deren Wurzel auf i-Diphthong
endigt, sind in den einzelnen Sprachen wie Lat., Griech., Germ.
überall verloren gegangen. Nur das Altindische neben dem
Litauischen hat eine größere Menge dieser Bildungen bewahrt.
Ich führe aus dem Altindischen an: #ráyati- sritá-, kşáyati- ksita-
(besitzen), ksayati- ksita- (vernichten), cayat- citá- (sammeln),
cayate- citd- (wahrnehmen), jáyati- jita-, smäyate- smita-, hayant-
hitá. Nach diesen Vorbildern ist ein ursprüngliches codäyati-
*codatá- zu coditd umgestaltet worden. Das konnte um so leichter
Beiträge zur griechischen Grammatik. 69
geschehen, als die Betonung im Präsens und Partizipium bei
beiden Gruppen die gleiche war. Ein Kausativ wie idg. *moneio
darf also nicht, wie bisher geschehen ist, in *mon-ei-5 zerlegt
werden, sondern in *mone-iö'), wo ein Ablaut zwischen Präsens
und Partizipium weder besteht, noch bestehen kann. Damit ist
aber auch jede Möglichkeit genommen, derartige Kausativa als
Denominativa alter i-Stämme zu deuten, wie es noch Brugmann,
Gr.II* 3, 245f. versucht. Für den Griechen ist im Grunde goge-
wie eine zweisilbige Wurzel ozoge- aufzufassen, nur mit dem
Unterschiede, daß @Qooz- als spätere Bildung dem Ablaut nicht
mehr unterworfen ist.
Das Resultat bleibt also bestehen, daß die Verbalkomposita
mit eo im 1. Glied bei Homer und Hesiod nirgends, wie man
bisher angenommen hat, etwas Auffälliges. zeigen, sondern völlig
regelmäßig sind; £ ist entweder Schlußvokal einer zweisilbigen
Wurzel oder eines volleren Verbalstammes auf -e, wie in doxe-,
poße-. Von einem sogenannten Bindevokal kann überhaupt keine
Rede sein. Nun steht aber ein tefe- in TeA&ußoorog neben zeicoı-
in Teisoiußoorog, ein pas- in Daevixns neben pasoi- in paesolu-
Booroc oder ein Eixe- in Eixexitwv neben Eixeoı- in EAxeolnendoc.
Auf Grund solcher Bildungen, wo das Nebeneinander von -e und
-eoi verständlich war, sind nun spätere Dichter weitergegangen
und haben allerlei gewagt, was in der homerischen Zeit noch ganz
unmöglich war. Die ältesten Beispiele zeigt Stesichoros. Er kennt
bereits ein doxeoiuoAnos, Bergk frg. lyr. HI fr. 77 aus Athenaeus
V 180e und frg. 17; (Diehl) Aıneodvogas (Akk. pl). Dazu kommt
der Eigenname Aoxeollas (5. Jahrh.)”). dyeoixooov Aristophanes
Lysistrate 1282 ist nur Konjektur Bergks, s. ob. S. 53. Heiyeol-
uvdog Anthol. Pal. IX 525, gehört einem ganz späten Dichter
an, der sich das Kunststück leistet, dem Akkusativ `zój442owra
Dutzende von schmückenden Beiwörtern, die im wesentlichen
alphabetisch geordnet sind, hinzuzufügen. Dem #Heiyeoluvdov
1) Damit ist ein urgriech. *gpıleyö und *@ogeyö beidemal in *gıle-ö und
poọe-¿ð zu zerlegen. Der Unterschied besteht eben nur darin, daß der Stamm
des Denominativums außerpräsentisch Dehnung erfährt, während sie beim Kau-
sativum unterbleibt.
2) Meveoaıyuos, das Bechtel anf Grund des Kurznamens Meveolag erschließt
und zu einem angeblichen ueveoa: stellt, kann in gleicher Weise aus * Aiyuo-
nevns umgestellt sein wie Meveoavögos, Meveoınnog aus ’Avdoouevns Ta zo-
uévns, Bechtel 149, 309. Nur ist ’Auywouevng rein zufällig nicht belegt. Außer-
dem kommt wohl auch zweisilbige Wurzel in Frage, Fraenkel, Nom. Ag. 154 und
Anm. 2 und oben S. 58 Anm. 1. Anders darüber urteilt Bechtel, Namenstudien 4f.
70 F. Specht
geht ein richtig gebildetes Hei&ipgova voraus. Natürlich haben
Heieyeoluvdov Versnöte veranlaßt, da es sonst für den Hexameter
unmöglich war. Durch Versnot hervorgerufen ist schließlich auch
xaurıeolyvıa aus der orphischen Dichtung O. Kern Orph. frg. 34..
Das gleiche wird man für xauneolyovvos vermuten müssen, das
Hesych als Beiwort der Erinye überliefert. Auch das ganz späte
Eyosolxwuos Anth. Pal. IX 524, neben ¿yoexúóóoruos (Hesiod), Eyge-
udxns (Sophocles) war anders nicht in den Vers zu bringen. Das-
selbe gilt für das späte dAyeoi$vuog aus den orphischen Hymnen.
Wegen BAaßeolyowv vergleiche ob. S. 34. So bleibt pegéoßios,
das durch falsche Abteilung von gegeooaxnis entstanden ist, W.
Schulze, Qu. ep. 20, 507; Solmsen, Stud. z. gr. Laut- u. Versl.
20f. Darnach hat ein Dichter der späteren Kaiserzeit ein groe:
oınövoıg (Kaibel, Epigr. 1026) gewagt, vgl. Solmsen a.a.0. ge-
oeoavdng in dem späten homer. Hymnus 30. ist falsche Kon-
jektur Ernestis. Das richtige eda@vde£oı hat längst G. Hermann
auf Grund der Variante og edavdeoıw hergestellt, vgl. auch
Christ a a O. 197 Anm. 1. Späte Künsteleien wie uedesintegos
Anth. Pal. VU 194, die nichts mit den oben behandelten zu tun
haben, übergehe ich hier und verweise auf die SEENEN
bei Lobeck, Phrynichos 687.
Es bleibt noch eine letzte Gruppe von Verbalstämmen übrig,
an die ot treten kann. Es sind Wurzeln mit Erweiterungen,
wie sie Froehde, BB. IX 122f. und W. Schulze, Qu. ep. 317ff. und
Anm. 4 besprochen haben. Die Hauptvertreter sind die beiden
Wurzeln 20v- „ziehen“ und „schützen“, deren Tiefstufe 60- heißt.
Beidemal tritt oı- wieder an die starke Wurzel ŝọv-, vgl. hom.
&ovodouarss, E&ovolntoAı und aus den Komikern £pvoixdwv, das
W. Schulze, Qu. ep. 318, ob. LV 112 Anm. 2 von den zuerst ge-
nannten trennt und zu lat. ruo, abulg. ryją „graben“ stellt; vci-
doo findet sich erst bei Pindar, dvoißwuog und 6volnolıs erst
bei Aischylos. Ebenso ist zgd01- in roVodvwe und rovolßıos zu
beurteilen, die durch Sophokles und Aristophanes belegt sind.
Wegen Hesychs von: dodeves, Aentóv, W. Schulze, Qu. ep. 317
Anm. 4; Bechtel, Lexil. 72, wäre *regvas- das Alte’) Im Grunde
ist vor- und tovor- nicht viel auffälliger als du. neben zaA4aot-,
pūci neben pasoi- Da ferner der Präsensstamm ravv- im Griech.
Verbalstamm wurde, so hat man von ihm aus nach dem Muster
TEAE- : TEAEOI- = Tavv-:x ein tavvor- bilden können, s. ob. S. 37.
1) Der gleiche Vorgang liegt bei dörwe statt *ëoóroo (Aischylos) vor.
Fraenkel, Nom. Ag. II 12.
Beiträge zur griechischen Grammatik. 71
Von dude, das gleichfalls vv durch das ganze Verbum durchge-
führt hat, ist von Theokrit ein dvvoıeoyds gewagt worden, während
Homer dafür noch das alte &vreoueoydg für *&veolegyog kennt, s.
ob. S.57f. Über Aorvoilews, Agzú4as, "Eomwvornusvng s. ob. S. 37.
Fasse ich zusammen, so ist das Ergebnis ganz eindeutig.
Überall ist a. (-zı-) an die stärkste Wurzelgestalt getreten. Bei
tavvoı- war Anfügung von o, deshalb möglich, weil das ursprüng-
lich nur präsentische vv im ganzen Verbum gebraucht werden
konnte. Das ergibt eine merkwürdige Parallele zu der Imperativ-
endung -dhi, die auch nur unmittelbar an die Wurzel antreten
konnte. Sie war aber gelegentlich auch möglich ai. als -nühi,
griech. als -vvðı hinter präsentischem nu, Wackernagel, SBA.
1918, 391. Daß diese Übereinstimmung nicht Zufall ist, wird die
Deutung des Typus zegwiußgoros ergeben. Einen besondern
Typus &ixeolneniog neben zeowíuBooros gibt es überhaupt nicht.
Denn in solchen Fällen gehört e entweder zu einer zweisilbigen
Wurzel oder einem Verbalstamm auf -e.
Es bleibt nun noch die Frage zu erörtern: Was bedeutet
dieses merkwürdige Element -oı- Gel Brugmanns letzte An-
sicht IF. XVIII 70f., nach der imperativisch gebrauchte ti-Stämme’)
vorliegen, scheitert schon einfach daran, daß erstens den %-Stämmen
zumeist Schwundstufe, den Verbalkomposita aber mit o Hoch-
stufe eigen ist, die sich bei diesen uralten Zusammensetzungen
nicht als analogische Umgestaltung deuten läßt. Zweitens sind
-ti-Abstrakta von sekundären Verben in älterer Zeit unmöglich,
s. ob. S. 41. Gegen Jacobis Annahme, Komposition und Neben-
satz 64f., nach der in den ti-Bildungen die 3. Person des Singulars
stecken soll, spricht die Tatsache, daß gerade die Verben, die
neben dem Präsens einen außerpräsentischen stärkeren Stamm
besitzen, wie u&iw, uein- diesen für die ti-Bildungen benutzen.
Außerdem fehlt regelmäßig bei den o-Verben der Bindevokal;
Wackernagel, Ai. Gram. Il 1, 320f. vermutet alte Imperative in
der von Brugmann angenommenen Weise.
Nach einer bekannten Regel der ai. Grammatik können Wur-
zeln auf kurzen Vokal, die in der Komposition im Sinn eines
verbalen Hintergliedes gebraucht werden, ein -£ annehmen, z.B.
jyotiskrt „Licht schaffend“, abhihrit „zu Fall bringend“, Wacker-
nagel, Ai. Gram. II 1,174. Daß diese Bildungsweise alt ist, lehren
1) Auch Christ a. a. O. 207 geht von z2i-Stämmen aus, faßt aber die Zu-
sammensetzungen als ehemalige Possessivkomposita auf. Das geht aber nur für
einen kleinen Teil.
72 F. Specht
griech. Komposita, wie dßint-, dyvor-, @uoßewr- usw. oder lat.
sacerdos (ob. XXVIII 281), locuples, mansues, Fraenkel, Glotta I
271ff., die zugleich zeigen, daß die Beschränkung des Altindischen
auf Wurzeln mit kurzem Vokal nicht idg. war, Fraenkel, Nom. Ag.
174; Brugmann, Gr." I 1,423. Ferner stehen konsonantischen
Stämmen nicht selten ;-Stämme gegenüber, vgl. ai. samit- sdmiti-,
dasät- dasati-, drs- drsi- u.a., Brugmann, Gr. II" 1,428. Die Ver-
teilung ist oft so, daß konsonantischer Stamm als erstes Glied
einer Komposition zu i-Stamm wird. Andererseits erscheinen
konsonantische Stämme innerhalb der Komposition auch als
i-Stämme. Aus dem Griechischen führe ich an off aber oeiui ip,
vó aber vuxrnlayarös u.a., dis aber ddundopveos (doch vgl.
auch Joh. Schmidt, Plur. 253), og aber nvgıpleywv (Euripides
Bacch. 1018), age aber vavolorovos (Pindar Pyth. 1,.), «jo aber
xnoiparoı (Hesych), Aixıuröns u.a. aber *d4Ë in dis yaoınjo
aber yaoroluapyoı, odo& aber ocaošípayos. Man hat zwar das i
auch als Kasuskomposition deuten wollen, was für einige Fälle
sicher stimmen mag. Aber man nehme nur so ein altes Wort,
wie aiyloxos oder aiyıßdras, wo man mit einer solchen Deutung
nicht weiter kommt. Dazu kommt i-Stamm in der Komposition
von s-Stämmen, wie in dem gleichfalls alten nnysoluailog’) (s.
ob. S. 64) gegenüber sénge, telesnnöwreıga (Euripides Heracl.
899) zu TElos, ŝęeoruńtonv: yewuerglav Hes., das der ion. Sprache
angehört (O. Hoffmann, Festschr. f. Bezzenberger SOT), in Eigen-
namen, wie Eleoußvs zu Elos, Eideollewg zu elos, Meveoınnog
zu u£vog (Bechtel 149, 151, 309) u.a. Diesen schließen sich aus
spätrer Zeit allerlei Neubildungen an, wie dvdeolxows zu dvdog,
uanxeolxgavos zu udxos, dAyeciöwopos zu dAyos u. a., vgl. Lobeck,
Proleg. 144, Phrynichos 420, 687 f., Tserepes a.a.0.139f. Da in der
Stammbildung r-, n-, i-, u-, s-Stämme miteinander wechseln können,
gehört auch joos gegenüber odgıdosntav (Euripides Hek. 205)
oder doıßaıns, óóou neben Ödoginovog u.a. hierher, wo wenigstens
in doıßarns”) trotz óosoízoopos an Kasuskomposition nicht gedacht
werden kann. Ferner seien von Eigennamen angeführt Kọari-
Önuos zu xgdros, Kvöiviıxos zu xödos, Pegoiuaxos zu YEgoog,
1) Auch zeıyeoıninta würde hierhingehören, falls Solmsen, Rhein. Mus.
LX 498 im Recht wäre. Doch vgl. dazu Jacobsohn, Hermes XLIV 106 Anm. 2.
2) Die Lehre Herodians Herodian L. II 410, = Etym. Magn. 6301s, nach
der es deet, yyer- vor einfacher Konsonanz oder Vokal, der, &yxı- vor Doppel-
konsonanz heißt, entspricht nicht den Tatsachen. Das oben erwähnte deiëdrge
ist Aristoph. Av. 276 durch das Metrum gesichert.
Beiträge zur griechischen Grammatik. 78
&caooiloyos zu 9dooos, Kegdıuevns zu xéoóoc, Kndınpaıng zu
2c?)Óoç, Meiöilews zu ueiöog, Kieldixog zu xAos, wohl auch Fey-
duas (Bechtel 184) zu sexos in Hesychs Zyeopıv, vgl. Fraenkel
ob. XLII 124 Anm. 2. Schließlich seien auch die von Joh. Schmidt
behandelten Bildungen wie ai. aksipat-, ahd. herzisuht, augiwis
u. a. erwähnt. Auch lat. Komposita, wie dentifrangibulum, regi-
Jugium u.a. könnte man hierher rechnen’). Für das zweite Kom-
positionsglied mache ich besonders auf den Gegensatz zwischen
griech. nöoıs, ai. pati-, aber Öeordıng, lat. hospes < * ghostipot-, lit.
viespat- aufmerksam, Fraenkel, Nom. ag. II 154; Meillet, BSL.
XX V 143.
Derselbe Gegensatz bei s-Stšmmen wie rınyeoluailos aber
zörınyns kehrt nun in Resten auf einem ganz andern Teil des
idg. Sprachgebiets wieder. In den ältesten Quellen des Ags., den
Epinaler und Erfurter Glossen ist beidemal unter larbula (larvula)
ein egisigrima überliefert, Sweet, The oldest Engl. Texts S. 72
nr. 569. Die späteren Corpusglossen bieten dafür egisgrima, Sweet
a. a. O. 73 nr. 1168. Der erste Bestandteil dieses Kompositums
egis entspricht griech. droe, got. agis. Das auslautende s im got.
Wort ist aus z entstanden, wie die Schreibung hatiz noch zeigt.
Dieses z ist ags. zu r geworden und dann abgefallen, und so ist
ege in die Flexion der i-Stämme übergegangen. Die alte Flexion,
die daneben die ehemaligen s-Stämme noch zeigen, Weyhe, PBrB.
XXXI 78ff. ist bei ege nicht mehr gebräuchlich. Die Weiter-
bildung ags. egsa (= ahd. egiso) kann nicht vorliegen, da sie sich
im 1. Glied der Komposition überhaupt nicht findet, Schücking,
Untersuch. zur Bedeutungslehre der ags. Dichtersprache 36. Also
muß in egis- der alte s-Stamm stecken und egisi- verhält sich
dazu wie eideo- zu eideoı-. Denn in diesen ältesten ags. Glossen
kann ¿ in Mittelsilben nur idg. i oder ë sein, Sievers, PBrB. VIII
324ff. Davon fällt ë von vornherein als unmöglich aus. Diese
vereinzelten ags. Glossen bekommen nun eine willkommene Be-
stätigung durch das benachbarte Altniederfränkische. Dort findet
sich in der Interlinearversion der Psalmen neben 65, egislikis
„terribilis“ 65; ein eiselika „terribilia“; durch die Lipsiusglosse 232
eiselika, die den Wert einer selbständigen Handschrift besitzt,
wird es als richtig erwiesen. Auf Grund des ags. egisigrima kann
man eiselika nur auf *egisilika zurückführen. Diese beiden Bil-
dungen egisigrima und eiselika stützen sich gegenseitig, und trotz
1) Dagegen müssen Komposita wie ai. pathikrt nach dem, was Wacker-
nagel ob. LV 108 darüber gesagt hat, wohl aus dem Spiel bleiben.
74 F. Specht
allerlei Umbildungen, die die Komposita mit Z erfahren haben,
kann ich Gröger, Die ahd. und as. Kompositionsfuge 30 in der
Beurteilung von eiselika nicht zustimmen.
Man braucht die eben behandelten beiden Erscheinungen,
Anfügung von € an die Wurzel und Erweiterung von konsonanti-
schen Stämmen zu i-Stämmen in der Kompositionsfuge nur zu
kombinieren, und die Erklärung des -or- (-tı-) ist gegeben. Das
wird besonders deutlich durch die Gegenüberstellungen folgender
Gleichungen: óduao < *Öau-aor aber dori-enns, wo der t-Er-
weiterung der Wurzel am Ende der Komposition eine ti-Erwei-
terung des ersten Kompositionsgliedes entspricht. Ganz ähnlich
sind dyvwr-, aber yvworuaxeiv, duat- aber dauaoı-. Ebenso ver-
hält sich hom. Hymn. 312,4 Eögvpdeooa, Beiwort der Mutter des
Helios oder I/aoıpdeoo« '), Beiwort der Aphrodite zu gaeolußooros.
Das doppelte ø kann nur aus *-paerza entstanden sein, und dieses
ist der Motion wegen für *pact, wie nela in doyvodnesa für
* gó?) eingetreten. Also steht auch hier ein *gaerı- des 1. Kom-
positionsgliedes einem *gaer- des zweiten gegenüber. Da im
Griech. konsonantische {-Stämme im zweiten Kompositionsglied
zu fä-Stämmen erweitert werden, vgl. öeondıns, so entsprechen
sich ferner Aert in ’Ogriloxog und dor-@ in Kvvögräs, Avxdgras,
oder bwr- in Bwrdveıga und Bwr-a in AaBor@s, oloßwras
(Sophokles Aias 614) usw. Darauf hat bereits Bechtel, Lexil. 65
aufmerksam gemacht.
Man wird fragen, wie es gekommen ist, daß ii in der Kom-
position obligatorisch wurde, während sonst die i-Stämme gegen-
über konsonantischen Stämmen bei gleicher Wurzel nicht immer
auf die Komposition beschränkt sind. Auch hier ist die Antwort
leicht gegeben. Sobald das zweite Kompositionselement konso-
nantisch anlautete — und das galt für die meisten Fälle —, wäre
bei Verwendung von t-Stämmen in der Komposition oft eine ganz
undenkbare Konsonantengruppe entstanden. Ich erinnere nur an
das Musterbeispiel reowiußooros, das dann *regnzußoorog hätte
lauten müssen °). Daraus hätte wohl nur ein *z£oßoorog entstehen
1) Daneben besteht eine andere Femininbildung in Kallıpasıa Pausanias
6, 22, zum adjektivischen -pasis.
3) Bechtel ob. XLIV 357 sieht in pdeooa ein Partizipium Präsentis mit
Abstufung (also für *pdaooa), das der 2. oder 6. indischen Klasse entsprechen
soll. Die 6. Klasse kommt bei der Hochstufenform nicht in Frage. Aber auch
für mi-Flexion gibt es in dem Verbum keinen Anhalt. Alles, was darüber ob.
S. 58fl. ausgeführt wurde, weist auf thematische Flexion.
3) Ein solches Kompositum sehe ich im ved. srütkarna-, das als Bahu-
Beiträge zur griechischen Grammatik. 75
können, wo unter Umständen die beiden o noch durch Dissimila-
tion verändert wurden. In einem solchen Worte wäre der erste
Kompositionsteil völlig verdunkelt worden.
Fasse ich zusammen, so können die Bildungen mit ti im
ersten Kompositionsglied nur die reine Wurzel enthalten, die
durch Anfügung von ti genau so als Nomen charakterisiert wurde,
wie am Schluß des Kompositums durch Erweiterung von ¿ Der
Gegensatz, der darin besteht, daß der Hochstufe im ersten Kom-
positionsglied in der Regel Tiefstufe im zweiten entspricht, ist
völlig in der Ordnung. Indogermanisch ist das Verbum im Neben-
satz stets betont gewesen, im Hauptsatz nur dann, wenn es am
Anfang stand. Im allgemeinen ist die Anfangsstellung selten. Das
Regierte steht in der Regel vor dem Regens. Der seltnen An-
fangsstellung des Verbums im Satze entspricht nun der gleichfalls
verhältnismäßig seltene Typus reowiußooros, und es ist daher ganz
selbstverständlich, daß das Regens regyı- auch den Ton tragen
muß. Auch wenn zegwiußegoros, wie es oft der Fall gewesen sein
mag, im Sinne Jacobis einen Nebensatz vertritt, so war gleich-
falls Betonung des verbalen Vordergliedes das Regelrechte. Mit
dem Ton aber verbindet sich Hochstufe der Wurzel. Ganz anders
aber ist es, wenn die Wurzel den Schluß eines Kompositums
bildet. In diesem Falle haben die Zusammensetzungen in den
einzelnen Kasus ursprünglich regen Akzentwechsel gehabt, und
die in der Regel durchgeführte Tiefstufe ist die Folge eines
Ausgleichs.
Ausnahmen in der Betonung zeigen einige Bildungen mit
s-Stamm im 2. Gliede, wie dotienns, Avorueins, Exenevnnis, taña-
nevdNs, Äuagproenng, duevorenns, Good, PiEgCLyernS u. a.
Diese Betonungsweise kann nicht altertümlich sein. Sie entspricht
dem Bestreben der Griechen komponierte s-Adjektiva gern zu
oxytonieren und steht hier im Gegensatz zum Ai. Vgl. Wacker-
nagel, GGN. 1914, 45f. Eine zweite Gruppe, die im Akzent ab-
weicht, sind die Verbalkomposita mit -soyós im Hinterglied, wie
TQÂÅQEQYÓS, Evreoieoyös, Avvarsgyds, Teleoıovoy6g. Auch hier liegt
eine Analogiebildung vor. Denn zusammengesetzte Nomina agentis
vrihi „tönende (oder lauschende) Ohren habend“ übersetzt wird. Aber śrut- ist
weder Partizipium noch kann es partizipiale Bedeutung haben. Ein Substantiv
śrut- wie etwa stut- gibt es auch nicht, wie denn primäre Z-Bildungen außer-
halb der Komposition überhaupt sehr selten sind. Ich kann daher śrut- in
srütkarna nicht anders verstehen als etwa in karnasrut (nom. prop.), wo es
am Ende des Kompositums steht, und übersetze es daher „mit den Ohren lauschend“.
76 F. Specht
mit langer Paenultima pflegen in der Regel im Griechischen End-
betonung zu haben, Wackernagel, GGN. 1914, 129f.
Auch für die Bedeutung des Vordergliedes bleibt noch einiges
zu bemerken. Brugmann und mit ihm Wackernagel faßt das
verbale Vorderglied imperativisch. Das wird vielfach richtig sein
und steht mit der sonstigen Verwendung der bloßen Wurzel im
schönsten Einklang. Auch gegen die Diathese ist die Wurzel
indifferent. Vgl. zu ähnlichen Fällen Fraenkel, Nom. ag. I 47ff.
68f. und Glotta I 273ff. Das ist deshalb wichtig hervorzuheben,
als noch heute vielfach die von G. Meyer, Curt. Stud. V 26ff.,
VII 180f. vertretene Ansicht gilt, nach der das hintere Glied nur
einen Akkusativ vertreten kann. Dagegen hat mit Recht Williger
a. a. O. 6 Anm. 2 Einspruch erhoben. Das vorhandene Material,
das zum größten Teil von Christ a. a. O. 201 ff., bes. 206 zusammen-
gestellt ist, läßt eine andere Deutung nicht zu. Es gehört dahin
gvolboos, wo g@vor- aktive Bedeutung besitzt, gegenüber paeo,
dessen endgültige Bedeutung aus dem Intransitivum entwickelt
ist; degor- ist im hom. degolmodes Gro transitiv „die Füße hebend‘“,
im hesiodeischen degoındınros dodxvns (Op. 777) und xúxwo, deo-
oıscöraı (Scut. 316) intransitiv „durch Flug sich erhebend“. Ferner
werden die Eigennamen mit $7noı- als Vorderglied wie Irnolxo-
oos in der Regel transitive Bedeutung haben, bei Srnoltıuog wird
man dagegen eher an intransitiven Sinn denken müssen. Man
braucht daher auch an Aischylos Sept. 725 Oidındda BAawipoovog,
das das Scholion durch Beßlauue£vov tàs poevas wiedergibt, oder
Hesychs daoipoovı: BAawipoovı, poevoßilaßei gegenüber Biet.
goen „den Verstand schädigend“ bei Späteren nicht Anstoß zu
nehmen. Auch uvnor- in urnolxaxog hat intransitive Bedeutung.
Transitiver Sinn läßt sich diesmal nicht mit Sicherheit nach-
weisen, da die vielen Eigennamen mit M»noı- eine einwandfreie
Entscheidung nicht zulassen. Lehrreich ist weiter der Gegensatz
zwischen zeowiußooros mit aktivem reon- und regipixogos mit
passivem. Allerdings kommt hier auch die etwas andere Auffassung
von Bechtel, Glotta 175 mit in Frage. Ganz eindeutig ist da-
gegen der Gegensatz zwischen aktivem reg") in TrEioißooTov
1) In dieselbe Richtung gehören auch aus Aischylos Agam. 1639 meıdävwe,
Sept. 224 neıdaoyxia, Pers. 374 neidaoyos, Wo ze: nur zu zeidouaı gehören
kann. Bechtel 366 stellt dagegen IIsıJayoons, ITeidavögos, IIsı$avwe, ITidapyos
(Tanagra) zu zneidw. Ob das für alle gilt, bleibt doch zweifelhaft Lehrreicher
sind noch die Komposita mit &yoe-, wie Hesiod Theog. 925 &yoexddoruos „Lärm
erregend“. Der transitive Aorist heißt schon von Homer ab nur yerga, der
Beiträge zur griechischen Grammatik. 77
Baxtoov Aischylos Choeph. 362, Adieu neiolußoorov Bacchyl. 8.
und intransitivem reoi- in douara neıoıyalıva Pindar Pyth. 211,
zwischen spät belegtem zn&ıueing (Anth. Pal. VII 284,) in aktivem
und znöinodog (Krates, Diehl frg. 7) in passivem Sinne. Des-
gleichen hat doppelte Diathese die ob. S. 48 erwähnte Hesych-
glosse onoönoılavea‘ $ tàs oùs telßovoa D èv Tais 6ójóoiç ro:
Bouévn. Wegen xıvnolpvilov vgl. W.Schulze, Qu. ep. 160 Anm. 1.
Passive Bedeutung liegt ferner vor in dem späten doadixewpa
töurave (Anth. Pal. VI 94), Lobeck, Phrynichus 770. Ferner ge-
hören hierher die Bildungen xvxnoırepoov xovias (Aristophanes
Ran. 710) „Lauge mit Asche durchrührt* oder 2yxoaoixoAos, Name
eines Fisches, eigentlich „mit Galle gemischt“. Auch Zpaoınid-
xauos als Beiwort von Frauen bei Pindar und Ibykos gegenüber
£oaoluoArog (Pind.) mit aktivem Vorderglied ist hierher zu stellen.
Es heißt also ursprünglich „geliebt durch die Locken“, was man
dann, wie es Williger tut a.a. 0.6 Anm. 2, durch „mit lieblichen
Locken“ wiedergeben kann. Allerdings kann ich Williger nicht
in der Beurteilung dieser Bildungen beistimmen. Er sieht im
Vorderglied Verbaladjektiva auf co. „die unter analogischem Ein-
fluß den Kompositionsvokal ı angenommen haben“. Dazu ver-
weist er auf xaAAı-. Aber nirgends sind sonst Verbaladjektiva
auf -to durch -ı in der Komposition ersetzt worden, und da
außerdem sii ganz anders zu beurteilen ist, gibt es überhaupt
keine analogischen Vorbilder für einen solchen Ersatz. Passiven
Sinn haben schließlich auch die 1. Kompositionsglieder mit uefo-
intransitive &yg&odaı. Hier ist also scheinbar der Stamm des intransitiven
Aoristes in transitiver Bedeutung verwendet worden. In Wirklichkeit war eben
der Verbalstamm ¿yoz- gegen Diathese ganz gleichgültig. Ebenso verständlich
ist der Gegensatz etwa zwischen zajarnevdrs „Leiden duldend* und zalaxdodıog,
zAndvuos „duldend im Herzen“, die Debrunner, Griech. Wortb. 79 nicht ganz
richtig beurteilt. Jedenfalls lehren diese Fälle, daß auch der dox&xaxos-Typus
einen gegen Diathese völlig indifferenten Verbalstamm zeigt. Das weist auch
den Weg zu der, wie mir scheint, ganz selbstverständlichen Erklärung von
Aeyxenolns, über das G. Meyer, Curt. Stud. V 109; Osthoff, Verbum in der No-
minalkomposition 139 Anm.; Christ a. a. O. 192; Schaper ob. XXII 519 unter
Zustimmung Bechtels, Lexil. 215, gehandelt haben. eye- kann nur der Verbal-
Stamm in Aeyeraı sein. Es bezieht sich also auf den Fluß oder Ort, der im
Wiesengelände liegt, bzw. ruhig hindurch fließt. Gegen die Deutung Bechtels
spricht e als Kompositionsvokal trotz ’Ayadeoredın Bechtel 8, Kisıwdias ebd.
249, Dılduayos, Dıldopyos, Beluvooros (Thespiä), Mospeosgaros, Aunepılos,
Tıu£ias, die meist auf Böotien und das benachbarte Eretria beschränkt sind,
und lokr. dvögepovindv. Als dorisch bucht dvöospdvos Eustath. 183, 6f. =
Herodian L. II 418. Ahrens de Graec. ling. dial. II 122.
78 F. Specht
die Williger a.a. O. erwähnt, wie weı&630005 Aeschylos Sept. 331,
ueı&dußoorog ebd. Hik. 568, ueıfovöuov &oipov Simonides frg. 69; ,
usı8oßaoßaoos, ueıondodevos u. a.
Auch die grammatische Beziehung zwischen verbal gefaßtem
Vorderglied und nominalem Hinterglied ist nicht immer die natür-
liche. Ich erinnere an Pindars Nem. 9, doua xgarnoınnov, Pyth.
101: ndreav xgarnolsoda, wo die beiden Komposita als „siegend
durch die Rosse“, „durch die Füße“ gedeutet werden müssen.
Ganz ähnlich ist das von Aristophanes ran. 1014 gebildete ĉia-
doaoınoAltns, das Bekker Anekd. I 34 durch ó dıadiögdonwv Tas
ins nödewg Önovoylas xal um BovAdusvog v tois dvayxaloıs xaıgoig
nageivaı tù nargldı. Es ist offenbar ein ursprünglich dreiglie-
driges Kompositum, wo das Mittelglied unterdrückt ist. Auf ähn-
liche Erscheinungen im Deutschen hat Behaghel wiederholt auf-
merksam gemacht. In dem späten Jeiyeoluvdog „durch Worte
bezaubernd* und Heidipewv (ob. S. 33) „den Sinn bezaubernd‘“
regiert $eAy- Instrumental sowie Akkusativ. Dasselbe gilt für
die bacchylideischen HeAdıenng und Yeifiußooros. In dem erst
durch Plutarch überlieferten, aber sicher alten nagaxiavoldvgov
zeigt die Stellung des zaga- die Freiheit der Rektion. Diesen ver-
schiedensten syntaktischen Bedeutungen des verbalen Vorder-
gliedes wird man nur wieder gerecht bei der Annahme, daß hier
die indifferente Wurzel zu Grunde liegt. Sonst ließen sich diese
Gegensätze gar nicht deuten. Natürlich mag manche der Bil-
dungen auf individueller Freiheit des betreffenden Dichters be-
ruhen. Aber möglich waren sie nur dadurch, daß alte Vorbilder
vorhanden waren. |
Wie der von Brugmann, Ber. sächs. Ges. d. W. 1899, 197 ff.
hervorgehobene Unterschied zwischen p#&ıonvwe u. a. mitSchwund
des ¿ vor ursprünglich anlautendem Vokal des 2. Kompositions-
gliedes gegenüber erhaltenem i bei fi-Stämmen wie radlaoxos zu
deuten ist, bleibt schwer zu sagen. Jedenfalls zeigt Bwridveige,
das Brugmann a. a. O. 198f. sicher nicht richtig erklärt, daß in
diesem Typus in ältester Zeit auch Verbindung von -ı und kurzem
Vokal möglich war, wie in doyıödovs, „vöıdveiga, "Ipıdveign,
Aidiones, rgotidooougı, Eröwoucdı gegenüber ganz anderm ó-
wouaı (Wackernagel, IF. XXXI 261f.).. Im Attischen sind noch
im Ausgang des A Jahrh. die sakral gebrauchten Zmu@waro,
Eniop9evrag üblich gewesen, Meisterhans-Schwyzer, Gram. att.
Inschr.” 194 und W. Schulze, Qu. ep. 421 und Anm. 2. Wegen
Bwrdveıga gegenüber deionvwg verweise ich noch auf Wacker-
Beiträge zur griechischen Grammatik. 79
nagel, Dehnungsges. 51. Übrigens haben die von Brugmann an-
geführten Beispiele, wie za&iaoxos alle im Anlaut des 2. Kompo-
sitionsgliedes positionslange Silbe, so daß Kompositionsdehnung
nicht möglich war.
Zum Schlusse bleibt die Frage zu erörtern, wie sich die volle
Wurzel des Griechischen zu den entsprechenden Bildungen des
Altindischen (Wackernagel, Ai. Gr. H 1, 320; Jacobi a. a. O. 64)
verhält. Zunächst hat das Ai. im Gegensatze zum Griechischen
nur ganz geringe Reste solcher Bildungen bewahrt. Von diesen
stimmt zum Griechischen scheinbar dätivära- „Schätze gebend“,
Rantideva- Eig., eigentlich „die Götter erfreuend“. Dagegen
zeigen püstigu- (Nom. propr.) eigentlich „Kühe aufziehend“,
rityap- „Wasser strömen lassend“, vitirädhas- „die Spende ge-
nießend“, vitihotra- „das Opfer genießend*, vrstidyav- „den Himmel
regnen lassend* im Gegensatze zum Griechischen Tiefstufe. Da
neben sämtlichen ai. Vordergliedern Substantiva auf # mit gleicher
Vokalisierung liegen, wie ddti-, puüsti-, riti-, viti-, vrsti-, so werden
diese für die betreffenden Komposita maßgebend geworden sein.
Darauf weist schließlich auch der Akzent hin, der in den er-
wähnten Verbalkomposita sich immer mit dem der Verbalsubstan-
tiva auf 6 deckt. In srütkarna- (s. ob. S. 74 Anm. 3) ist srúti- oder
srut am Ende der Komposition auch für das 1. Kompositionsglied
maßgebend geworden. Man wird aus diesen Analogiebildungen
nur den Schluß ziehen können, daß für das Ai. der betreffende
Typus völlig erloschen und unverständlich geworden war, so daß
er Anschluß an Bildungen suchte, die ihm äußerlich ähnlich waren.
Eine letzte Folgerung, die sich eigentlich aus der ganzen
Darstellung von selbst ergibt, will ich wenigstens in aller Kürze
noch ziehen. Wir hatten gesehen, daß als 1. Kompositionsglied
entweder ein Präsens- oder Aorist-Präsensstamm, wie &ye-, &ixe-,
axe- usw. erscheinen konnte. Die bloße Wurzel findet sich nur,
wenn sie vokalisch ausging, also bei langdiphthongischer oder
zweisilbiger Wurzel, wie tåņ-, 0@-, veie-, pae-, taAa-, dya-, denen
sich zavv- vom griechischen Standpunkt aus anschließt. Diese
unterschiedliche Behandlung zwischen einsilbiger und zweisilbiger
Wurzel ist sicherlich ganz gegenstandslos. Erste Kompositions-
glieder von der bloßen Wurzel, wie &x-, &ix-, dax- usw. sind wohl
einfach deshalb nicht gewagt worden, weil in den meisten Fällen
durch Konsonantenschwund die Komposition überhaupt verdunkelt
worden wäre (vgl. ob. S.74f.). Daß auch solche Zusammensetzungen
möglich waren, lehren &elixI$w» < *Elelingdwv oder EAitgoxos
SO F. Specht
(Aesch.) < *&Aıxtooxos, das aber nicht lautgesetzlich sein kann;
vielleicht hat &llyovoos < *EAıxyovoog mitgespielt. In diesen Fällen
liegt nicht einmal ein primäres Verbum zu Grunde’). Wer will,
kann auch Komposita mit vokalischem Anlaut im 2. Gliede so
fassen, wie doexnyös oder deionvweg. Die Dehnung in der Kom-
positionsfuge hätte sich nach den zahlreichen Vorbildern gewiß
auch sonst eingestellt. Von sekundären Verbalbildungen war Ver-
wendung des Präsensstammes in der Komposition offenbar nicht
möglich. Die Ausnahmen, die scheinbar dagegen sprechen, er-
ledigen sich leicht. Über ëue- zu Ayeoucı vgl. ob. S.53f. Aleinnn,
Bechtel 28 aus Eretria weist zwar auf aige-. Aber «aio&w ist an
die Stelle von dyo&w getreten, durch das es formal beeinflußt
worden ist; nadıvayoeros und Sol, dyo&devres IG. XII 2, 655 weisen
auf ein Präsens *dyosu, so daß also dyoe-, aige- in der Kom-
position mit reie-, taña- auf gleicher Stufe stehen, vgl. Ehrlich,
Z. idg. Sprachgesch. 44. Natürlich könnte man die zahlreichen
Komposita mit gılo-, uoo- hierher rechnen. Aber woo- ist erst
nach gılo- gebildet. Dagegen kann gı4o- mit dem gleichen Recht
wie zu gılEw zu dem Stamm ei in pliaro, pliteoos’) gestellt
werden. Daß die letzte Auffassung zwingend ist, lehrt einfach
der sonst völlige Mangel dieser Bildungen von abgeleiteten Verben.
Ein angebliches Zeie zu gıldw wird deshalb nicht möglich ge-
wesen sein, weil derartige Bildungen für verbale Rektion undurch-
sichtig waren und *gıle- (zu gılEw) ebenso gut zu gpilog hätte
bezogen werden können. Nun liegt in einigen Kompositen mit
pıAo- sicher überhaupt nicht erstes Verbalglied, sondern ein Bahu-
vrihi vor, wie etwa in gılögevog, Osthoff a. a. O. 159; Christ 198.
Das hat dann auch zur Umbildung von verbalem gıle- zu do:
mit beigetragen. Als Possessivkompositum ist auch Pindar Ol. 2;
dwrov deidaro/r, aufzufassen, Williger a.a.0.18. So bleibt allein
poße- in poߣoroarog Etym. Magn. 797,54 und in Versen, die bei
Galen, Dogm. Hipp. et Plat. (Kühn Bd. 5, 352) stehen. Falls die
Bildung alt ist, so erklärt sie sich durch die Sonderstellung, die
auch sonst poßeoı- besitzt, ob. S. 65ff. Ebenso ungeeignet in der
Komposition sind die volleren reinen Verbalstämme, wie óT-, ueÄn-,
die im Verbalsystem außerhalb des Präsens verwendet werden’).
1) Zweifelhaft bleibt, ob &vagiußooros (Pindar) aus *evagıdupßooros zu
&vaeitw erklärt werden kann. Es kommt auch Zugehörigkeit zum Stamm vag-
in vaio» in Frage (Aorist Zvaoov) mit Umbildung von -e zu -ı.
8) ei : piiteoos = ai. gam- : (ä)gdmistha- = tap- ` tdpistha- u. a.
Anders O. Hoffmann, Philol. LX In.
3) Bei den Eigennamen Aodın(n)os, Zußıos u. ähnl. wird Bechtel 141, 186f.
Beiträge zur griechischen Grammatik. 81
Viel wichtigeres Material für den Bau der idg. Wurzel liefern
nun die Verbalkomposita mit -ti im ersten Gliede. Hier hatte
sich ergeben, daß dieses Element stets an die stärkste Wurzel-
gestalt tritt. Die wenigen Ausnahmen erklärten sich vom Stand-
punkt des Griechischen aus sehr leicht, Legt man die Hirtschen
Ablautstheorien zu Grunde, so ergeben sich allerlei Widersprüche
mit den Resultaten, die rein aus der Analyse gewonnen sind,
Es heißt BAaspı-, nicht *BAaßnor-, dxegoe-, nicht *dxagnor-, nepi,
nicht *xAannor-, ueri- nicht wyno, orvoggo- (orempı-), nicht
* groapnor-, tegt, nicht *raonnor-, pFegor-, nicht *g9aqomor-,
scingı, nicht *rAnynoı (*nAaynor-), 6n&ı-, nicht *6aynor-, n£ı-,
nicht *raxnoı-, dauaoı-, nicht *ôauaoı (Hirt, Idg. Gr. II 212),
pūai- oder pdeor-, nicht *pe@or-, ao, nicht *¿4G6oÜ (Hirt a. a. O.
II 212), zausoı-, nicht *reuäcı (Hirt, Griech. Gr. 525), draoı-,
dreoı-, nicht *dr&or- (Hirt, Idg. Gr. a. a. O.), Zouor, nicht *&gevor-
(Hirt, Idg. Gr. 11213), aber ózTotr-, ueAnor-, eëoTor-, oxmot-, yaronor-,
xoatnoı- usw. Nach Hirt, IF. X 24 stehen zayn-, wıyn-, dayn-,
niayn-, ßAaßn- wenigstens für das Griechische mit daun- auf
gleicher Stufe. Griech. Gr.” 514; Idg. Gr. H 212 stellt er mit
BiAaßn-, nAayn-, dou. auch xaon- zusammen, Griech. Gr," 524
mit *daun- <*6aua- auch deg. aus övä-. Wäre Hirts Ablauts-
theorie also richtig, so könnten die ersten Vorderglieder nur
*Aanınor-, xalı)onor-, *dauaor-, vyo- lauten. Es widersprechen
demnach die Typen *#Aannoı- (*xaonaı-) und *öauaoı-. Für
jenes findet sich viet, für dieses dauaor-. Also muß die Hirt-
sche Theorie falsch sein’). «Aer-, xeo- usw. sind einfache einsilbige
Wurzeln, die den intransitiven Aorist mit einem ursprünglich be-
tonten -ë erweitern konnten. Dieses -Z hatte sonst zur Wurzel
keine weiteren Beziehungen. Dagegen sind uéĝîw, xalow, ebolonw
Verben, deren Präsens einen zweiten außerpräsentischen Stamm
auf -z oder -2(1) zur Seite hatte. Zum Präsens stand er in einem
ähnlichen Verhältnis wie etwa bei einem sekundären Verbum g¿4z-
zu gıde-. Jedenfalls, und das ist für den Ablaut das Wesent-
lichste, haben Bildungen wie yæọnņ-, weAn-, edon-, vn- mit xaon-,
ßAaßn- usw. nicht das Mindeste zu tun. Sie sind nur rein äußer-
lich gleich.
wohl mit seiner Deutung Recht haben. Bei ’Iyxi7s 215 weist allein schon die
Bedeutung ganz sicher auf ein substantivisches Vorderglied. Wegen "Hynuar-
deos 8. ob. S. 54.
1) Gegen Hirt spricht sich auch P. Persson, Beitr. z. idg. Wortforsch. aus,
besonders 623 ff. |
Zeitschrift für vergl. Sprachf. LIX 1/2. 6
82 F. Specht
Am wichtigsten ist die Folgerung für dauaoı-, TaAaoı-, paesoı-,
raueoı-, dreoı- usw. Auch hier verlangt die Hirtsche Theorie im
Prinzip eine Länge der zweiten Silbe, von der sich aber nirgends
eine Spur findet. Wie xæọņ- aus xeo + d entstanden ist, so kann
also daun- in daufjvaı nur auf des +- ë, uayntós auf vom + ë +- Los,
dxdontos auf xeoa + ë + tós, reen auf tega + (Oú, steru- neben
stere- auf stera + (e)ú beruhen‘). Ebenso kann die Analyse von
Bildungen wie ai. sanöti oder vanöti nur *sena+eEu-+ ti, *vena Lë Le
lauten. Der Gegensatz in der Behandlung von övna- und ða-
uooı- verlangt gebieterisch für övivnu eine Zerlegung in d-vı-
vn-u, für ödurnuı in *dau-ve-a-u. Alles andre, z. B. die Hirt-
sche Analyse *dau-v-@-u: widerspricht dem klaren Bilde, das die
Verbalkomposita auf ti vom Bau der idg. Wurzel ergeben. Die
Hochstufen müssen also daua- (deua-), teua-, pas-, taña-, &go-
usw. lauten. Ansätze wie *daud-, *reua-, *pan-, *tala-, *doö-
usw. haben in der Sprache nirgends einen Anhalt, sondern sind
rein theoretische Kombinationen. Vgl. auch W. Schulze ob. XLV
95f. Lediglich das ganz vereinzelte Nebeneinander von zwei-
silbigen und langvokalischen Wurzeln, wie ere- in äo&oow, ai.
aritra-, lit. rt gegenüber rō- in ahd. ruodar oder pele- in ai.
pårīman, griech. n&lsdgov, lit. pilnas, aber nie" in ai. dpräs lat.
plenus (vgl. Joh. Schmidt, Krit. 180ff.) und einigen andren hat
1) Da diese Wurzelerweiterungen mit ew wie der rege Ablaut lehrt, in
eine sehr frühe Zeit fallen, so hat sowohl in die Basis steru- wie stere ne
infigiert werden können, also ai. s#rnot¿ neben strnati.
2) Ich fasse Wurzeln wie »l2 neben pela oder rō neben era u. a. als
pelə + ë, era + öğ, die zu nie oder ró werden mußten. Dann stimmen sie fast
genau zu Bildungen wie hom. xexdenua:. Nur ist in der 1. Silbe von soeg der
aus einem ehemaligen Präsens *xdevvuu: als o übertragene Schwächungsvokal
erhalten, während er in ole ganz geschwunden ist. Da diese Wurzelerweiterung
durch betonten langen Vokal in die idg. Grundsprache hinaufreicht, so sehen
ple und +ó scheinbar wie die langvokalischen Wurzeln dë und do aus. Dann
stehen also Bildungen, wie plē < pela + č, streu in ai. sirndti, got. straujan
<stera + éu, voneu in ai. vandti < venə + éu oder grbhät in ai. gröhnäti <
gerbhə + G£ u. a. völlig auf gleicher Stufe. Für eine solche Deutung von pl
spricht der Umstand, daß scheinbare langvokalische Wurzeln neben zweisilbigen
keinen Ablaut zeigen. Das stimmt genau zu Bildungen wie ai. psäti- psätd-
zu bhas. Lat. cognitus gegenüber gnötus widerspricht nur scheinbar. Es ist
in seinem Ablaut genau wie ved. ástrta-, dnistrta- zu beurteilen, wie denn im
Lat. überhaupt Partizipia sich gelegentlich dem primären Verbum anschließen.
Dazu kommt, daß der Typus ple neben pela in Wirklichkeit verhältnismäßig
selten ist. Die stattliche Zahl, die zuweilen in Handbüchern angeführt wird,
beruht zu nicht geringem Teil auf bloßen Konstruktionen und zweifelhaften
Etymologien. Damit kehre ich auf Brugmanns Standpunkt, Morph. Unt. I 1f.
mm — —
Beiträge zur griechischen Grammatik. 83
zu Ansätzen wie *erö- *pele- usw. geführt. Sie sind dann auf
alle möglichen Verben ausgedehnt worden. Dadurch hat die
Etymologie zwar eine ungeahnte, aber kaum willkommene Be-
reicherung erfahren. Die Behauptung, daß dieses Ablautsystem
im Gegensatz zu der früheren Betrachtungsart, die nur reine in
der gesprochenen Sprache nicht vorhandene Wurzeln erschlösse,
das fertige Wort zum Ausgang der Untersuchung nähme, würde
sicher einen großen Fortschritt des Hirtschen Systems bedeuten.
Aber in der praktischen Anwendung ist diese Behauptung doch
eine Selbsttäuschung geblieben.
Es bleibt daher nichts andres übrig, als zu dem Ansatz der
zweisilbigen Wurzeln, wie sie de Saussure erschlossen hat, zurück-
zukehren. Da er die langsilbigen Wurzeln wie dhe-, dö-, st(h)ä-
fälschlich als Kontraktionen einer Kürze mit seinem Vokal A auf-
faßte, so war in seinem System eine Verbindung zwischen dem
Reduktionsvokal langsilbiger Wurzeln und dem zweisilbigen
Wurzelvokal möglich. Wir können heute nur feststellen, daß
die Schwächung einer idg. Länge ä, ë, ó und der auslautende
Vokal der zweisilbigen Wurzel wohl phonetisch in vielem über-
einstimmen, aber die bloße Vertretung i für beide im Ai. gibt
uns noch kein Recht, wie es Hirt und vor ihm Kretschmer ob.
XXXI 403f. getan haben, auch den zweiten Vokal der zweisilbigen
Wurzel auf eine ursprüngliche Länge zurückzuführen. De Saus-
sure, Mém. 242 hat diesen Schluß ausdrücklich abgelehnt. Die
zwar kurzen, aber inhaltsschweren Ausführungen W. Schulzes
ob. XLV 23 haben gezeigt, daß die Färbung dieses zweisilbigen
Wurzelvokals idg. Aë ë, ó gewesen sein kann'), im Gegensatz zu
dem Kürzungsprodukt aus ä, ë, ó, das eine einheitliche Färbung
gehabt hat.
Exkurs I. Zur Assimilation des Schlußvokals bei zwei-
| silbigen Wurzeln.
Die letzten Ausführungen haben auf die dreifache Färbung
des auslautenden Vokals der zweisilbigen Wurzel hingewiesen.
Aber der ursprüngliche Vokal ist nicht immer leicht zu bestimmen;
denn schon voreinzelsprachlich ist der Auslaut der zweisilbigen
zurück. Nur kannte er damals noch nicht den Unterschied zwischen einsilbigen
und zweisilbigen Wurzeln.
1) Da M. Leumann in seiner nicht glücklichen Replik, Lat. Gr. 851f. gegen
ıneine Besprechung Gnomon III 654 diese von mir zitierten Ausführungen ganz
unberücksichtigt läßt, ist mir eine Auseinandersetzung mit ihm leider nicht
möglich. |
6*
84 F. Specht
Wurzel leicht der Assimilation an den Wurzelvokal ausgesetzt
gewesen‘). Darauf haben bereits Hirt, Idg. Gr. II 121 und Walde,
Stand und Aufg. der Sprachw. 167f. aufmerksam gemacht. Sie
nehmen aber beide als ursprüngliche Färbung nur a an. Hirt
muß aber für aço- von seinem Standpunkt aus zugeben, daß eine
Erklärung des o nicht möglich ist. Für vo- in &vooixdo» würde
genau das Gleiche gelten. Auch lak. vvua (Kretschmer, Glotta
1353; Bechtel ob. XLIV 354) neben ğvoua weist mit apr. emmens
< *en-mens auf ein 2vo-°). Hirts weiterer Versuch, die wider-
sprechenden e in orog&oaı, xog&oaı als idg. e zu deuten, entbehrt
jeder Begründung und Wahrscheinlichkeit, vgl. darüber unten
S. 107. Schließlich läßt sich auch e in pde-, Ao&oaı, dA&ooaı, Gogo:
got, dveuos, vaćtwo Hes. < vars-ıwo (Fraenkel, Nom. Ag. H 11)
durch Assimilation überhaupt nicht deuten. Von Wurzeln wie
vaus- sehe ich dabei ganz ab, da sich nicht feststellen läßt, ob
nicht eine Hochstufe *yeue-*) daneben gelegen hat. Walde a. a. O.
hat die Erscheinung nur kurz gestreift und sich mit den Aus-
nahmen, die gegen ihn sprechen, nicht beschäftigt. Sein Versuch,
eine Regel für diese Assimilation im Griechischen zu finden,
scheitert schon daran, daß Assimilationserscheinungen meist nur
sporadisch aufzutreten pflegen, wie allein schon das Nebenein-
ander von téuayos — Ereue oder dgorgov» — doargov zeigt.
Ich bin dann auf die Frage der Assimilation des Schlußvokals
zweisilbiger Wurzeln Gnomon III 654 kurz eingegangen, wo ich
zu meinem Bedauern übersehen habe, daß bereits Schwyzer,
Glotta XII 1f. für Kürze von doa- in heracl. dodoovrı, kret. dga-
tg0v eingetreten ist. Zu den dort aufgezählten ark. ’Eoeuiva,
£oeın Hes. zu &ga-, tégeuvov zu tega-, B&oedgov neben 8doa9oor,
osk. anamúm gegenüber dveuog habe ich ob. S. 56ff. noch Zreus,
TEUEVOS, TAUEOLXEWS für * Teueoiygwg gegenüber téuagzos, daoipowv
1) Da Vokalassimilationen im Griech. bei unbetonten Vokalen immer mög-
lich waren und sich vor allem auch in hellenistischer Zeit stark ausbreiteten,
so ist es vielfach überhaupt nicht möglich, die Vokalassimilation im einzelnen
zeitlich zu bestimmen. So konnte etwa eine zweisilbige Wurzel, die im Vor-
griechischen von Assimilation noch nicht betroffen war, jeder Zeit in der griech.
Sprachentwicklung der Vokalangleichung verfallen.
2) Die Frage, warum o durch v ersetzt wurde, kann ich hier unberührt
lassen. Ich verweise aber auf Kretschmer ob. XXXI 377, Glotta a. a. O.. Güntert
Idg. Ablautsprobl. 35. | ) )
3) Da oroge-, #oge- für altes *oreoe-, *xeoe-
auch hier alte Assimilation vorliegen. Umgekeh
Griech. Dial. 1150) auf später Assimilation ber
stehen (s. u. S. 107), so könnte
rt wird Bol, &ordgoraı (Meister,
uhen können. |
Beiträge zur griechischen Grammatik. 85
neben deolpowrv, vveoiegyoús neben Zvaoa hinzugefügt. Ferner
gehört hierher yeleiv‘ Adunsıw, dv$eiv Hes. (Fick, ob. XLIV 337)
neben yeläv, die beide wohl auf ein *y&Aauı oder mit Assimila-
tion *yeisuı deuten. Weniger wahrscheinlich ist mir dagegen
eine Assimilation in hom. Groe, 6voord, ÖvordLew gegenüber
hom. dvaro, övaraı drıudlerar, Gëtesro Hes. Denn Bildungen
wie Öövoraı sind so vereinzelt, daß es leicht nach Präsentien wie
övlvaraı, loraraı, dyaraı u. a. in gleicher Weise hat umgestaltet
werden können, wie das Futur öuoözaı < ö6uo-ereı nach den
sonstigen Verba liquida zu öue-eraı, Gefrot, Wackernagel, Spr.
Unt. zu Homer 3f. Weiter rechne ich hierher aus dem Etym.
Magn. 231,2 das Partizip ynoeis, -Evros, das Xenophanes — über-
liefert ist Xenophon — zugeschrieben wird, Diehl frg.8,". Die
Wurzel lautet sonst yne@-, die wohl nach Osthoffs richtiger An-
nahme erst wieder eine Umgestaltung für ysoa- nach dem Op-
positum Dën ist. Aus yso@- wäre dann in der üblichen Weise
yege- und später ynos- geworden”). Dahin gehört ferner ynoeıa
aus Nikander, vgl. Scholion zu Alex. 126 yrosız dë tà dun tà
Ae xal moALosöi.
Etwas weiter ausholen muß ich wegen xé4aóos, aber xal&oaı.
Ein Suffix -aóos ist Griech. ganz vereinzelt, Lobeck, Prol. 349f.,
so daß es nicht klar wird, ob xeia-Öos oder *xeAa-ados abzu-
teilen ist. Das Nebeneinander von x&/ados mit den bedeutungs-
gleichen Zort Aoc, Ögvuay-Öds macht für xEiados und xoduados
eine Analyse weie xooua- im höchsten Grade wahrscheinlich.
Zu xeAa- stimmt in der Wurzel sëiog: pwvý Hesych, xeiaugdLeıv,
xeAwgdew. Zu e im Ablaut steht xóĝos < *xo4ə-os: 9óouB8os Hes.,
das sich zu xe/a- genau so verhält, wie póoos zu peọ-. Warum
die Herausgeber von den einzelnen Interpretamenten Ydovßos
eingeklammert haben und mit Verwechslung mit xoĝoovotóg rech-
nen, ist mir unverständlich’). ö-Stufe haben ferner hom. xoAwds,
xoAw@&v und das wieder durch Hesych belegte voiort: got,
Man wird auch kaum mxo4oós „Dohle“ davon trennen können.
Das hat längst Buttmann, Lexil. I 158ff. hervorgehoben. Wie
3) Vgl. außerdem noch fragm. iamb. adesp. 25 und Diehls Deere UBeN dazu.
) Ganz anders darüber Walde, a. a. O. 156.
o Hesych kennt außerdem AovxoAln‘ naxoAoyla, das dem Epos anzuge-
hören scheint. Es verhält sich zu xdios wie dropia zu ndoos, sövouln zu vdwos,
enıonogln zu ondoos, enoi zu nwAdos usw. Natürlich kann BovxoAln und
ebenso dußoÄln erst auf griech. Boden nach den erwähnten Vorbildern ent-
standen Sein. Wäre es aus idg. Zeit ererbt, so müßte es nach ob. S. 391.
* BovxoÄeln heißen.
86 F. Specht
Aexoos zu ÅeyÓ, so ist xoApös zu einem *xo4@% die adjektivische
Ableitung auf os, Nur der Akzent weicht ab. Das Verhältnis
zwischen xoAgpds und xoĝoróg ist das gleiche wie zwischen älteren
BooıAnios und jüngerem faorleiog oder kret. uvwia zu uvoia,
Bechtel, Griech. Dial. II 790. Die ursprüngliche e/o-Stufe der
Wurzel liegt also auf jeden Fall sicher vor. Dann kann man
den Gegensatz zwischen xeia- und xa4e- nur wieder deuten wie
zwischen r&uaxosg und raueolxowgs. Die Hochstufe muß demnach
xea- sein, die im Futurum und s-Aorist ihren ursprünglichen
Sitz hatte und dort zu xec- assimiliert wurde. xals- mit o als
Schwächungsvokal kann nur aus dem Präsens stammen. Leider
geben die verwandten Sprachen keinen Anhalt, ob xa4éo alte
athematische oder thematische Flexion fortsetzt. Auch das Griech.
hat nirgendswo, wie etwa bei argiv. noreAdtw Anzeichen, die
auf mi-Flexion hinweisen. Aber das könnte ein Mangel unsrer
Überlieferung sein. Trotzdem sehe ich keine Möglichkeit, aus
einer mi-Flexion die Stufe xaĝa- herzuleiten. Denn nach ai.
bravimi — brumah, griech. paz — gpöuev hätte sie nur *xedauı
Cadet — *aAnuev lauten können. Wohl aber führt ein Weg
zu xa/(e)- bei Annahme einer o-Flexion. In diesem Falle war
sowohl Wurzel- als auch Endbetonung möglich, vgl. got. teihan
— ai. disdti, griech. velpsı — alat. nivit, got. weihan — andwaihands,
got. giman — ags. cuman usw., wobei die endbetonten Bildungen
in der Regel aoristische Aktionsart hatten. Da die zweisilbige
Wurzel vor Vokal ihren Schlußvokal einbüßen mußte, so lautete
also das Paradigma entweder *x&/w oder *xaAw. Das Paradigma
Tode — *xeieow, *Eneleoan (< *xeiaow, *Exelaoa) wurde dann
in der Weise ausgeglichen, daß zunächst das zweite e des Futurs
und Aorists in das Präsens eindrang, also *xd/w zu xal&w wurde.
Später vollzog sich dann auch der Ausgleich des Wurzelvokals
nach dem Präsens.
Auch das oben als Präsens angesetzte *xéĝw ist als Medium
x£Aoucı vorhanden. Den Zusammenhang zwischen ihm und xæĝéw
hat bereits Buttmann a. a. O. hervorgehoben. Auch G. Meyer,
Griech. Gr.” 76 und Wackernagel, Sprachl. Unt. z. Hom. 175
Anm. 1 treten noch dafür ein. Im allgemeinen aber haben heute
die etymologischen Wörterbücher diesen, wie mir scheint, ganz
selbstverständlichen Zusammenhang zu Gunsten der Verbindung
mit xeEilo „treibe* aufgegeben, zuletzt darüber Walde, Idg. Wort,
1442. Man stützt sich dabei auf Q 326 innoı, toùs ó yEowv Epenwv
udoriyı xéłevev. Hier soll das mit xéfouaı verwandte zeledw die
Beiträge zur griechischen Grammatik. 87
ursprüngliche Bedeutung „antreiben“ bewahrt haben. Diese Stütze
halte ich für ganz morsch. Zunächst läßt sich überhaupt nicht
beweisen, daß hier die ursprüngliche Bedeutung des Verbums
vorliegt. Außerdem halte ich die Interpretation der Stelle für
falsch. Die Übersetzung kann nur heißen: „Die Rosse, die der
Greis, der nachfolgte, anfeuerte mit Hilfe der Peitsche“, d. h.
also: Er feuerte sie an, und dazu schlug er noch mit der Peitsche.
Jeder Kutscher, der sich der Peitsche bedient, macht das nicht
lautlos. Lediglich der bloße deutsche Ausdruck „treiben“, der
in ganz verschiedenem Sinne für xëiie und xelouaı paßt, hat
diese Etymologie scheinbar gestützt. Denn ich sehe auch gar
nichts, was sonst x&Aiw und xEiouaı (xeiedw) in ihren Verwen-
dungen nur irgend wie gemeinsam hätten. Wohl aber stehen sich
zeioun und xal&w sehr nahe. In Sätzen wie T'250 xal&ovom
doworor ... Šç neölov aaraßijvar, K 197 abroi yao xdAgow ovuun-
zıcaodaı, T 390 Alttavöods oe xaâci, olxov dë vecodaı, O 54 xal
Ödedoo xdåcocov ”’Iolv ce EAdEuevaı deckt sich xaleiv genau im
Gebrauch mit xeleodaı und xeledew. Ganz ähnlich sind auch
Wendungen wie o 330, 342, 507 Zei ol xañéoas (xaltoaoe) und
TI 382 ¿zi ó "Exrogı xenlero Monde, was das Scholion zum Ven,
mit ragexeiedero xat& Tod "Ertopog boudv wiedergibt, oder E 427
xai da nalcsooduevog 7T000Epn7 xovoenv Agpooöiınv mit 2391 xExicro
6° "Hyaıorov aAvrorexvnv eine ve uödov. Ein Unterschied besteht
allein darin, daß xaleiv das Objekt nur im Akkusativ bei sich
hat, während xe/ouaı auch den Dativ regieren kann. Das ist
eine leichte Nuance, in der Bedeutung etwa unserm „rufen Dich“
und „rufen Dir“ vergleichbar. Jedenfalls ist der Unterschied
keinesfalls stärker, als wenn der Aorist x&x/ero im Gegensatz zum
Präsens x&4ouaı in der Regel mit Objekt ohne Infinitiv gebraucht
wird. Der Ersatz für (2)xexiero ist dafür &xelevoev. Vielleicht
besteht sogar noch gelegentlich zwischen wiet und xelsodaı
der alte Unterschied in der Aktionsart. Am deutlichsten zeigt
den Gegensatz o 553: Zeive ndreo nalecı oe neolpyowv Ilmvelönsıg,
unno Tnieudyoo‘ ueralinoaı ti ë Aude upi ndosı xeleran xal
xhôed neg nenadvin. Unter Umständen liegt hier die alte Ver-
teilung zwischen imperfektivem xéĝouaı und perfektivem xaleiv
noch vor. |
Daß xéĝouaı ursprünglich das Präsens zu xal&ooato war,
wird auch dadurch bestätigt, daß x&loueı keine eigentlichen außer-
präsentischen Tempora entwickelt hat. Das ist sonst ganz un-
verständlich. Ein Futur xeAnoesraı ist nur x 296 gewagt worden.
88 F. Specht
Weiter gehen allerdings die dorischen Mundarten. Hier kennen
einen Aorist &xeAnoaro Epicharm und Pindar. Inschriftlich ist er
in Delphi, Epidaurus, Argos, Kreta und Elis bezeugt, Bechtel,
Griech. Dial. II 156; Jacobsohn, Aoristtypus čto SA. 75 Anm. 97.
Wegen Alkmans x&vro verweise ich auf Wackernagel, Sprachl.
Unt. z. Hom. 175 Anm. 1, ohne daß ich in allen Einzelheiten
zustimmen kann. Der Aorist &x&xieto ist bei Homer zwar häufig,
aber für eine besondre Bedeutungsnuance bestimmt. Der syn-
taktische Aorist zu x&louaı ist in der Regel Zx&ievoa. Das hat
alles mitgespielt, daß x&Aouaı schließlich ganz vor xelievw hat
weichen müssen.
Ganz isoliert steht in seiner Konstruktion u 175 alpa dé iaivero
xnods, nel nelero ueyaln fc ’Hellov € abyn "Inegiovidao dvaxros.
Denn weder x&4ouaı ohne Objekt, noch ohne Infinitiv ist sonst
je belegt. Wie iaivero aufzufassen ist, lehrt Apollonios Rhodios
H 741 ndyvnv, D te ueonußoıdwvrog ialveraı neAloıo, was der
Scholiast durch zrxeraı, dıaAveraı erklärt. Der Sinn des Vorder-
satzes ist also ganz klar. Für das ungewöhnliche x&4ero ver-
sagen die Scholien. Das Homerlexikon von Ebeling gibt es durch
„magna vis coegit“ wieder, indem in das Wort „anfeuern, be-
fehlen“ der Begriff des Zwanges hinein interpretiert wird. Erwarten
kann man im Grunde nur eine Wendung, wie „sogleich schmolz
das Wachs, da die gewaltige Kraft der Sonne es wärmte oder
warm war“. Dann hat aber dieses xéĝero, das ja syntaktisch
dem sonstigen xE/ouaı völlig fern steht, auch in der Bedeutung
mit ihm nichts zu tun, sondern es ist entweder ein Transıtivum
zum lat. calēre und dem lit. Inchoativum sìlti, oder, was mir
wegen des bedeutungsgleichen J&oouaı wahrscheinlicher ist, ein
Intransitivum. Wir haben also hier, wie öfter bei Homer, den
Rest eines sonst im Griechischen verloren gegangenen Verbums’).
Schließlich hat sich auch P. Persson a. a. O. 658ff. mit der
Frage beschäftigt, wie die dreifache Färbung des auslautenden
zweisilbigen Wurzelvokals oe g, o im Griech. zu deuten ist. Er
hält auf Grund des Ai. « für allein berechtigt und bemüht sich
~ 3) Lat. calare weicht im Vokalismus ab. Wie domare neben ahd. zamön,
manön, halön und lit. batdome zeigen, kam einer Bildung wie ai. damāyati
ursprünglicher ö-Vokal zu, aber ahd. holön neben halön zeigt daneben die Tief-
stufe, die wohl in Bildungen wie im Partizipium ai. gröhit« — lit. baidytas zu
Hause gewesen sein mag. So wird man das a in lat. caläre als Tiefstufenvokal
beurteilen müssen. domitus gegenüber domäre ist primäres Verbum mit Um-
bildung in der Wurzel nach domui aus *domä-vai. Ai, damitd- fällt rein zu-
fällig mit domitus zusammen.
Beiträge zur griechischen Grammatik. 89
zu zeigen, daß e und o thematischer Vokal ist. Er kommt aber
oft über bloße Erwägungen nicht hinaus. Ich verweise vor allem
auf das 665 über orog&oaı und 670 über dodonı Gesagte.
Fasse ich das Ergebnis zusammen, so ist es weder Walde,
noch Hirt und Persson gelungen, die Dreiheit der Vokalfärbung
der zweisilbigen Wurzeln im Griechischen durch Assimilation an
den Wurzelvokal oder sonstwie zu deuten). Die o-Färbung in
Godoaı, Evocixdwv, čvvua (övoua) und die e-Färbung in dveuos
aikoocı, 6AEooaı, doeh, gd, Aokooaı, vaćrwo findet auf diese
Weise überhaupt keine Erklärung. Wohl aber wird alles klar,
wenn man von der durch W. Schulze an lat. Parallelen nach-
gewiesenen dreifachen Färbung ausgeht. Während man längst
eingesehen hat, daß im ai. a drei verschiedene Werte vorliegen
und der Vokalismus des Griechischen und Lateinischen altertüm-
licher ist, hat man rein aus theoretischen Erwägungen bei ai. i
der sogenannten Setwurzeln gerade den umgekehrten Schluß ge-
zogen, trotzdem die Übereinstimmung zwischen Griechischem und
Lateinischem dagegen spricht.
Exkurs Il. Zur Schwundstufe zweisilbiger Wurzeln.
Kretschmer ob. XXXI 396 nimmt als Schwächung der zwei-
silbigen Wurzeln drei Möglichkeiten an, in griechischer Gestalt I. aĝa
in tdAaoa, H. l, + + langer Vokal o aam rAnzös, III. Schwund
des ersten Wurzelvokals in zeridusv, wo das Beispiel kaum glück-
lich gewählt ist. Für Nr.I bedarf die Lehre einer Einschränkung,
s. u. S.105ff. Nr. II hat dann Kretschmer ob. XXXI 402f. im
weiteren Verlauf der Untersuchung als eine II. Hochstufe gefaßt.
Für das Folgende ist das aber belanglos. Was ich hier ausführen
will, ıst der Nachweis einer weiteren Tiefstufe.
Aus wAeoixagnos, 6Aconvwe ergibt sich als starke Wurzel von
Avu: ein ie, Da oöAduevos metrische Dehnung für öAduevog
ist, W. Schulze, Qu. ep. 191ff., so fällt die Möglichkeit eines
Stammes öAv-, den noch Joh. Schmidt ob. XXXII 380 im An-
schluß an Fick mit in Erwägung zog, für die verbale Flexion
ganz weg. Also kann Gi/iour nur auf *öle-vei-u, Plur. *öle-
võ-uév zurückgehen, was sich für das Griechische in *öle-vo-uı,
*sAe-vü-uev umsetzte. Da oie- unbetont war, im Plural der Ton
sogar erst auf der übernächsten Silbe stand, mußte Schwächung
eintreten, entweder zu ‚ia oder } Aber das wirkliche Ergebnis
1) Meillet, Melanges Linguistiques afferts à Vendryes 284f. lehnt Assimila-
tion, wie ich glaube, mit unzureichenden Gründen, ab.
90 F. Specht
steht dazu im Gegensatz. Zwar läßt sich annehmen, daß oi < 1
durch Assimilation an die nächste Silbe zu åA hat werden können,
— und das mag für diesen Fall sicher stimmen —, aber die
andern Bildungen, die nachher zur Sprache kommen, lassen diese
Erklärung nicht mehr zu. So bleibt nur die Annahme übrig, daß
unbetontes oe mit Schwund des auslautenden Wurzelvokals zu
o- geworden ist. Diese Art von Schwundstufe ist nun ganz üb-
lich für ursprünglich vokalisch anlautende zweisilbige Wurzeln.
Sowohl ein *@AAvu: oder *Aavvu mit doppelter oder ein *Aw-
vvuı, *Aavvu mit einfacher Reduktion der zweisilbigen Wurzel
lagen von der Hochstufe Aie- zu weit entfernt, so daß ein Zu-
sammenhang zwischen Gier und den angeführten Bildungen
nicht mehr bestand. Man kann die Regel am besten so fassen:
Vokalisch anlautende, zweisilbige Wurzeln haben innerhalb eines
Paradigmas überhaupt keine Schwundstufe, oder sie verlieren den
zweiten Wurzelvokal. Wahrscheinlich war dieser Vorgang nicht
erst griechisch, sondern schon idg.
Wie ó4- zu öl&oaı wird nun genau auch ğuvvui < *Öuo-vev-uı
zu 6udoaı behandelt‘). Ferner lautet zu övouaı das Partizipium
övorn z. B. Apoll. Rhod. IV 91, wo 6vo- Tiefstufe vertritt. Ebenso
ist Zo in hom. Zoccde, čoauaı zu beurteilen. Tiefstufe ist ferner
üblich im Perfektum Medii und Aorist Passivi. Trotzdem lautet
von doóo, dodoaı das Perfektum hom. doengousvos, von doar
hom. nAnidunv, von dA&w — di£oaı dAnleouaı (Herodot, Thukyd.);
vo- In Evoolxdwv eivoolpvilog u.a. stellen die Etymologen zu
oäëo °). Dagegen spricht außer anderm schon die Verwendung
des schwachen Stammes bei verbalen ti-Bildungen. Eine Tief-
stufe zeigt sich nirgends, auch nicht in dem Verbalsubstantiv
&vooıs. Nirgends Tiefstufe kennt ferner dya- in dyauaı, hydodnv
(Hesiod), Zoe in der io-Bildung èọésow, was allerdings spätere
Bildung sein könnte, dre- (dre-) in hom. ddodn. Auch Zvvua
(Groo) hat überall den Vollstufenvokal durchgeführt. dveuos
kommt Schwächung nicht zu. Verbale Formen, die entscheiden
könnten, kennt das Griechische nicht. Zu der Wurzel doz- in
dost, do&ooaı findet sich die Tiefstufe dos in do&oxw, do- in
1) Wackernagel, Sprach. Unt. z. Hom, 206 fordert für uvvu: altes *öuvopsı.
Aber das wäre nur notwendig, wenn die zweisilbige Wurzel mit ue infigiert
wäre. Solche Bildungen sind möglich, brauchen aber hier nicht vorzuliegen.
Vgl. Joh. Schmidt ob. XXXII 378. Ich verweise ferner wegen *döuwous auf
Meillet, Mélanges Vendryes 275ff., ohne daß ich ihm in allem zustimmen will.
2) Wegen andrer etymologischen Vergleiche s. ob. S. 56 Anm. 1.
Beiträge zur griechischen Grammatik. 91
dgıoros, wo das Verhältnis zu dosiwv das gleiche ist, wie das
von av. fraesta zu fräyd, Joh. Schmidt ob. XXVI 380, XXX VIII 46.
Die gleiche Stufe zeigt ai. ary& < ariyd-. Ebenso heißt es zu
ai. aniti im Partizipium anitd-, während das Substantiv änd- die
regelmäßige Tiefstufe zeigt, offenbar weil die Zugehörigkeit zu
ani- gar nicht mehr empfunden wurde. Auch amiti bildet ein
nur durch die Grammatiker belegtes amitd- neben regelmäßigem
änta- und hat im Passiv sogar ein amyate’). Nur avati < *avə + ati,
das wie eine Anitwurzel aussieht, hat daher auch regelmäßig en.
Hier müssen auch die merkwürdigen o in óo9ós und Aert
Erwähnung finden, die de Saussure, Mém. 263 mit ai. ardhvü-,
ūrjå verglichen hat. Fick, GGA. 1883, 117 hat ein Foo9ós und
öe96s unterschieden und jenes mit ai. zrdhvd verbunden. In dem
letzten Punkt haben Joh. Schmidt ob. XXXII 383, XXXIII 456,
Wackernagel, Ai. Gr. 1262, Walde a. a. O. 182 ihm zugestimmt.
Aber zweifelhaft ist mir der Vergleich doch. Lat. arduus, av.
eredwa- haben sicher keinen w-Anlaut gehabt, desgleichen an. ordugr.
Das Ai. ist zweideutig. Für das Griech. steht r-Anlaut sicher fest
durch ßogodv‘ oravodv Hisro Hes. Ob auch der Eigenname
kret. Boo9íe (Coll.-Becht. 517313) sowie der lakonisch oft über-
lieferte Beiname der Artemis Fwodelaı, BwoYela, Doo9£éa usw.
zu óo9ósç gehören, ist gleichgültig. Es ist nun bare Willkür,
wenn man auf Grund des griech. Foo9ds für das zweideutige
ai. ürdhvd gleichfalls v-Anlaut voraussetzt. Wenn man den Finger-
zeigen des nächstverwandten Iranischen folgt, so hätte ardhva-
alten vokalischen Anlaut gehabt. Dann haben aber óg9ós — zrdhva-
unmittelbar zunächst nichts miteinander zu tun. Schwieriger ist
das Verhältnis dog — ürjå. Wenn auch die Bedeutung zunächst
zu widersprechen scheint, so stehen sich doch öoyds, our und
oi semasiologisch sehr nahe. Am nächsten liegt es, doyn wie
good zu deuten. Dann gehört es zu &odw. Dahin zielt auch die
Bemerkung Wackernagels, Ai. Gr. I 261°). Eine solche Bedeutung
liegt vielleicht noch vor Hesiods Op. 304
ro dë Jeol veusowor xal dveges, s xev deoyög
Con, xnohveooi xoFoVooıs EixeAos 6oynv, x
wo òọyýv dem Sinne nach gleich ọya sein könnte, obwohl es
die Lexika durch natürliche Anlage wiederzugeben pflegen. Ich
verweise dabei auch auf die beabsichtigte Gegenüberstellung am
1) Vielleicht gehört auch ĝuo- in dudiios hierher.
2) Andre Erklärungen s. bei Boisacq 710 und Walde 860.
92 F. Specht
Versende zwischen deoyös und ôọyńv. Auch in dem Epigramm
(Coll.-Becht. 5674) aus Chios
’EoAn[s] toŭto yvvaixòs òv apa rüude tò oŭua
Aewpógov Aonaolns Eofıli natranrdiulév]ns ..
Ooge d' dv] dyadıs Eóo[niJóns tóðe uvfň]ua
Gott EnEoınoev, rof nagdxoıtıs Env
kann çy in der Bedeutung mit ¿Zoya übereinstimmen. Ferner
macht mich Kollege Diehl auf Tyrtaeus frg. 8:f. aufmerksam,
iore yao dc "Ageos noAvöaxgdov Eoy dlönda'
ed ô’ Gout Zëdur doyalkov moltuov,
wo sich ¿Zoya und öoyr in gleicher Weise wie lote und dnr,
”Aosos und noA&uov entsprechen können. In diesem Falle wäre
dog Kollektivum zu čọyov und ganz regelrechte Bildung, und
die Schwierigkeit liegt auf seiten des Ai. Jedenfalls sind weder
óo9ós noch óoy im Bunde mit ordovvu irgendwie geeignet,
eine griech. Vertretung oo = idg. # zu erweisen. Walde a. a. 0.176
setzt auch xdeda& und ai. kürdati im Vokalismus völlig gleich,
obwohl das eine Substantiv, das andere Verbum ist. Dazu fehlt
jeder Anlaß, ehe nicht der Nachweis erbracht ist, daß Bildungen
wie xóoóqË, wie es Walde will, Schwächungen aus altem o-Vokal+ r
sind. Wegen all der Fälle, wo griech. og = 7 sein soll, verweise
ich auch noch auf P. Persson a. a. O. 631 Anm. 2, 657 Anm. 3.
Auch die vokalisch anlautenden Bildungen des Lateinischen,
wie arduus, antae, armus scheinen wie å- zu òåe- erklärt werden
zu müssen; denn die verwandten Sprachen verlangen zumeist
Tiefstufe.. Die Annahme einer Umstellung aus *räduus, *nätae,
*rämus mit Kürzung vor Doppelkonsonanz scheitert daran, daß
sonst lat. ursprünglich anlautendes nā und rā erhalten bleibt.
Man wird daher Schwund des zweisilbigen Wurzelvokals an-
nehmen müssen. Der Gegensatz zu anas, anatis lehrt, daß dieser
Vokalschwund schon vorlateinisch eingetreten ist.
Daß die regelmäßige Schwundstufe bei diesen vokalisch an-
lautenden Wurzeln von Haus aus möglich war, zeigt der Gegen-
satz zwischen anas, aber griech. vëogg ai. ātá oder zwischen
ğvoua apreuß. emmens, aber abulg. ¿me < "raumen und got. namo
mit andrer Reduktion. Auch ai. irmd-, ätd- zeigen bei vokalischem
Anlaut Tiefstufe. Aber bei allen diesen Fällen ist die Auswahl
immer so getroffen, daß jede einzelne idg. Sprache nur die eine
Formation durchgeführt hat. Nur wenn sich mit der verschiedenen
Form auch eine gewisse Bedeutungsdifferenz verband, ist auch
innerhalb derselben Sprache eine Doppelform vorhanden. Dahin
Beiträge zur griechischen Grammatik. 93
gehört dualds „weich, zart“. Die Tiefstufe lautet du- in &ußAös').
Die sonst bei zweisilbigen Wurzeln übliche Schwächung zeigt
uöfvs „erschöpft, träge, stumpf“, vgl. auch Hesychs Zoning:
Erradoaro, 784629.
Bei ehemaligem konsonantischen Anlaut ist die Tiefstufe auch
innerhalb eines Paradigmas ursprünglich vorhanden gewesen, ob-
wohl sie auch hier allmählich verschwindet. Ich verweise auf
Hesychs »nrea dvrivvia < *vnoaren mit doppelter Reduktion zu
sena-, W. Schulze, Qu. ep. 158 Anm. 3. Dahin gehört auch dowsös.
Es kann bei Homer überall F-Anlaut gehabt haben. Dagegen
spricht nur Hesiods Op. 809 2#as nnyvvodaı dowids. Aber das
will bei dem späten Zusatz nicht viel bedeuten. Dann ließe sich
also doaiós auf Faoqouós zurückführen. Im Superlativ war be-
kanntlich die Tiefstufe das ursprüngliche, die von Faoao- Fọ&o-
lauten würde. Mit der üblichen Endung ıorog ergibt das ein
* Foaoıworos = Ödoros. Dann müßte sich aus der Bedeutung „dünn“
der Sinn „leicht zu tun“ entwickelt haben. Allzu schwierig ist
ein solcher Übergang nicht. Wie unser „leicht“ von dem ge-
ringen Gewicht eines Körpers ausgeht, so legt das griechische
öğotos den geringen Umfang eines Körpers zu Grunde. Daß man
dabei häufig auch von andern Begriffen ausgehen konnte, wie
„schnell“, vgl. got. raßizo, erwähne ich nur nebenbei’). Aus dem
Lat. würde rärus < *vräsos genau entsprechen, ganz ähnlich schon
Osthoff, Perfekt 446 und Anm., der merkwürdigerweise nirgends
Zustimmung gefunden hat. Mit dieser Herleitung von d@orog,
dem sich wie oft in der Komparation ó¢gwv in der Tiefstufe an-
geglichen hat, stehe ich im Gegensatz zu Ed. Hermann, GGN.
1918, 281 und Ed. Schwyzer, IF. XLV 259f. Was mich bestimmt,
diese neue Erklärung vorzuschlagen, ist, daß auf diese Weise
der ehemalige Positiv als doasds wirklich noch vorhanden ist.
Wackernagel, Verm. Beitr. 11f. hat Gei = ña als Ausgangs-
punkt angesehen und nach dem Verhältnis téya ` rdxıoros ein
ödoros neu dazu gebildet sein lassen. Dazu bestimmen ihn die
homerischen Formen. Denn önlorn ist nur einmal in der Tele-
machie belegt. So sehr ich den Standpunkt Wackernagels unter-
streiche, von dem, was die älteste Überlieferung uns bietet, aus-
1) Anders über ufós Wackernagel ob. XXX 301f. und zurückhaltender
Syntax II 290.
2) Daß zwischen „dünn“ und „schnell“ gleichfalls Beziehungen bestehen,
lehrt die angeführte Hesiod-Stelle, wo ein Teil der alten Erklärer doaıds vaş
als entàs xal dAupods vias aufgefaßt haben.
94 F. Specht
zugehen, so glaube ich doch, daß er das einmalige dnlorn unter-
schätzt. Der Komparativ dnlrego: ist gerade zweimal bei Homer
vorhanden, der Superlativ önitaT’ ebenfalls. Das will gegenüber
einmaligem dnlorn nicht viel bedeuten, besagt aber noch weniger,
wenn man bedenkt, daß das Wort seine vorzügliche Anwendung
überhaupt im Adverbium haben muß. Darauf beruht natürlich
das längst von Wackernagel und Ahrens bemerkte häufige Vor-
kommen von dei, Zudem ist ó@oros eine völlig regelmäßig ge-
bildete Form. Ich glaube daher umgekehrt, daß nach dem Vor-
bild von zdxıorog ` rg zu ëëigroc ein Gë entstand. Als dann
der Zusammenhang zwischen doas und ddwv, ddoros nicht
mehr gefühlt wurde, verblieb natürlich dée in seiner Bedeutung
beim Komparativ und Superlativ. Zu dd«e ist dann der Positiv
6aldıos neugeschaffen worden, wie es Wackernagel a. a. O. 11f.
im Anschluß an Ahrens annimmt. Der Gegensatz: ġa aber `
daidıos < *6afo]a-ıöıog ist der gleiche wie Jeds zu Wovxvdlöng u.a.
Die Kontraktion von *6ae-ıdıos zu Ögdıos muß dem ion. Wandel
von 6& zu ó? vorausgehen. In diesem Falle hätte ı in aiios
mit dem ı in önftegog gar nichts zu tun. Nimmt man aber an,
óGa hätte wie dixda zu dıydadıos mit dem Suffix -toç ein neues
Adjektiv gebildet, so wäre * daa-dıog das Resultat gewesen, woraus
gleichfalls vor dem Wandel von da zu ou ögdıos geworden wäre.
Dann müßte d@dıos sein ı aus dem Komparativ und Superlativ
bezogen haben.
Unsere Annahme, daß doordc ursprünglicher Positiv zu ddw»,
ó@oros war, erhält nun eine willkommene Bestätigung durch eine
Notiz im Etym. Magn. 53920 ff. = Herodian L. II 413». Hier werden
Adjektiva auf -eiog aufgezählt, wie: Yeios, Keïos, ó tñs Kéw ró-
Acws, zÁgios, ueïos, Aelos, deios. Dann heißt es: odrw dë (näm-
lich cios) Aéyovoiw of Koroo tòv dodern naga tò Gei, Ó on-
uaiveı tò eöxeo&s. Die gleiche Stelle kehrt wieder Herodian L.
II 437.,f. Vgl. dazu Gaisford, zu Etym. Magn. 539,. Lenz, Herod.
II 413 hat als Quelle wohl mit Recht Herodian angenommen ".
Dann wäre Herodians Ansicht die gewesen, daß die Kyprer
„6eios“, das zu „deia* „leicht zu tun“ gehört, in der Bedeutung
„schwach“ verwandt hätten, d.h. also in einem Teil des griech.
Sprachgebietes hat dw», ödoros noch die alte Bedeutung „schwach“
gehabt, und es ist dazu ein Positiv deiog in gleicher Bedeutung
neu gebildet worden. Nur kann das Ethnikon nicht richtig sein.
1) Vgl. auch die stark gekürzte Fassung bei Herodian L. I 1106 = Theognost
Can. 4817. io: |
Beiträge zur griechischen Grammatik. 95
Denn er in öeiog steht wie in dei für ños, ña, und das ist
allein ıonisch für sonstiges dd@os, öda. Offenbar hat in Hero-
dans Vorlage eine ähnliche Wendung wie Herodot II 117: èv
uèv yọ Toicı Koroioot elontaı (oder Atyeraı) ... gestanden, in
der Herodian in v tois Kvrọolors fälschlich den Nom. Plur. Oi
Kovngıoı statt Tà Köngıa sah. So wird man deiog „schwach“
als gut epische Wortform den Könoıa zuschreiben müssen.
Im Komparativ war idg. Hochstufe mit Wurzelbetonung üb-
lich. Die entsprechende Form von Faoao- müßte veras- gelautet
haben. Sie liegt im got. wairsiza') vor. Aus der Grundbedeu-
tung „dünner“ konnte sich ebenfalls die Bedeutung. „schlechter“
entwickeln. Umgekehrt konnte das zu óéo? neu gebildete ódóroç
einen Sinn annehmen, der es z. B. zum Oppositum von ondvıos
machte, mit dem dead von Haus aus fast synonym war. Ich
verweise auf Archytas (Diels, Vorsokr.” frg. 3) &&evoeiv dë un Ça-
ronnt dnogov xqi ondvıov, Gatoüvra dë EÖNOo00v xal Ödıdıov.
Die Bedeutungsentwicklung von dowís zu got. wairsiza gleicht
fast genau der von ai. hrasvd- „gering, kurz, klein“ und griech.
xeoelwv, die man seit Fröhde, BB. III 5 Anm. einander ver-
bindet. Noch deutlicher zeigt den Bedeutungsübergang 2iayös
gegenüber hom. Superlativ &A&yxıoros, der die Hochstufe aus dem
Komparativ hat. Dazu wurde weiter äieyx&ss neu gebildet. In
einem ursprünglichen Paradigma Ziayds — * &leyx()iwv — EAdyı-
orog wurde also æ auch in den Komparativ übertragen. Um-
gekehrt aber drang en aus dem Komparativ auch in den Positiv
und Superlativ”). So entstanden zwei Paradigmen mit etwas
abweichender Bedeutung. Das alles steht schon bei G. Meyer,
Griech. Gr? 490. Brugmann-Thumbs Urteil 474, dem sich auch
1) Got. wairsiza mit s zeigt, daß im Germanischen der auslautende Vokal
zweisilbiger Wurzeln schon geschwunden war, als der freie idg. Akzent noch
bestand (vgl. auch Trautmann, Germanische Lautgesetze 36), denn es geht wegen
der andern germ. Sprachen nicht an, die got. Verhältnisse auf Grund des von
Thurneysen, Wrede, Hirt entdeckten Dissimilationsgesetzes zu deuten. Da der
Superlativ ursprünglich endbetont war, so mußte hier s > z werden (Kluge,
P. Br. B. VIII 519ff.), der Vokalismus des Komparativs galt aber auch für den
Superlativ, vgl. as. wirsa < *wirsisa — wirrista, ags. wiersa < *wersiza —
wierresta). Aber dieser alte Zustand ist getrübt. As. heißt der Superlativ in
der Regel nach dem Komparativ wirsista. Das gleiche gilt für das ahd. wir-
sisto nach wirsiro. Umgekehrt kann afries. werra, wirra und an. verre nur
durch den Superlativ beeinflußt sein. Dieser Ausgleich zwischen Komparativ
und Superlativ ist sicher einzeldialektisch. Darauf weisen auch Ableitungen
hin, wie an. versna < *versinon.
s) Über den Vorgang im einzelnen vgl. Jacobsohn, Aoristtyp. dAro S. A.22f.
96 F. Specht
Hirt, Griech. Gr.’ 411 anschließt, kann ich mir nicht zu eigen
machen.
Aber auch außerhalb des vokalischen Anlautes findet sich
die Schwundstufe einer zweisilbigen Wurzel in der Gestalt ö4-
zu ó4zs-. Das ist zumeist der Fall dann, wenn eine anlautende
Konsonantengruppe entstünde, die griech. nicht üblich ist. So
hat Zuew <*Feu&o') nirgends eine Schwundstufe. Es heißt &ueoıs
und spät Zuedüjvar. Ähnliches gilt für Aaydoaı, Aayapds oder
yaucıds zu yaućw. Daneben liegt Schwundstufe yau- vor in
yaußods. Zwar hat Wackernagel, Sprach. Unt. z. Hom. 174f. yau-
Boós < *yuaßods < Gmrös erklärt und es unmittelbar mit ai. jārá-
„Liebhaber“ verglichen. Aber dieser Vergleich ist kaum haltbar.
B in yaußọós ist nur Übergangslaut, genau so wie ô in IM 857,
X 363, Q 6 dvögorüjta, das bei Homer die erste Silbe kurz miñt*.
Also ist yau-8-oós wie dvöporjsa*) zu fassen, d.h. 8 und j sind
nachträglich eingefügt, und vor der Gruppe u o hätte so wenig
langer Vokal gekürzt werden müssen, wie etwa in xonu»vösg oder
äol. unvvög. Auf diese Beschränkung des griech. Kürzungsgesetzes
hat H. Jacobsohn ob. LIV 262ff. 263 Anm. 1, 267 Anm.1, Z. f. D. A.
LXVI 244 Anm.1 mit Recht hingewiesen. Anders geartet inso-
fern, als hier bei regelmäßiger Schwundstufe die Konsonanten-
gruppe sprechbar wäre, ist die Hesychglosse »ewßoprov N vew-
Bowröv' veworl xareodıdusvov, wofür im ersten Gliede wohl veo-
geschrieben werden muß. In derartigen Kompositen hat ur-
sprünglich Doppelakzent geherrscht, mit dem doppelte Reduktion
der Wurzel verbunden war. Also kann »eoßowr6v nur aus dem
Simplex stammen, während »eößogrov wie oå- zu beurteilen ist.
Wenn man nach den Bedingungen fragt, unter denen die
Schwundstufe ö4- entstanden ist, so wird man annehmen müssen,
daß sie in der Regel dann eintritt, wenn man doppelte Schwächung
der Wurzel verlangt. Dann lägen in ölXvuı, ğuvvu die Ergeb-
nisse des Plurals *öAvvu£v, *öuvvuev vor. Dazu stimmt »veößgo-
tov und ai. ar(i)yd. Auch dußivs kann seine Reduktion bei dem
1) Doch vgl. darüber unten S. 118f. Exkurs IV.
2) Noch Aischylos kann u-#-e kurz messen, so Choeph. 362 zeoiëeoron
VV Y. gegenüber Hik. 568 weı&dußoorov — — VV. Wenn das eine Mal
Ze, das andere Mal og geschrieben wird, so soll das nur heißen, daß bei Ge
die vorhergehende Silbe kurz, bei ##o lang gemessen wird. Aischylos hat sicher
in beiden Fällen #80 geschrieben und gesprochen. Vgl. wegen dvdgorjra noch
Wackernagel, GGN. 1909, 58 Anm.1 und GGN. 1914, 113 Anm. 1 mit Literatur.
š) Brugmann, IF. XII 26 Anm.1 will im Anschluß an Clemm dafür * doorizra,
*öoarira lesen, desgleichen Solmsen, Rhein. Mus. LXIl 319.
Beiträge zur griechischen Grammatik. 97
ehemals regen Akzentwechsel der v-Stämme etwa dem Femininum
*qußieıäs verdanken. Bei ¿oioros gegenüber desiwv» mag das
Prinzip mitgespielt haben, Komparativ und Superlativ ursprüng-
lich durch den Ablaut zu scheiden. Dagegen ist in den Fällen,
wo man einfache Schwächung der Wurzel verlangte, vokalisch
anlautende zweisilbige Wurzel meist unverändert geblieben, vgl.
yauerös, dongou£vog u.a. Bleibt nur yaußeös, wo ich keine Mög-
lichkeit einer Erklärung finde.
Ich sehe hier ab von ähnlichen Schwächungen, wie sie in
dusiyw, uaAndv: uaiaxdv Hesych, dor: taoafız Hes. usw. vor-
liegen. Denn der Ablaut der zweisilbigen konsonantisch schlie-
Benden Wurzeln ist griech. auch sonst stark gestört. Auch der
Gegensatz zooózos: r6gvos Tapavrivoı Hes. oder neodooaı — Tdovn
u.a. muß hier beiseite bleiben. Denn damit ist schon ein Gebiet
berührt, das außerhalb meiner Untersuchung liegt. Nur auf xenuvös
und. xonurnu: oder xoiuvnu. möchte ich noch kurz eingehen.
Man scheint xọņuvós allgemein als Hochstufe aufzufassen und
neben der zweisilbigen Wurzel xgeue- eine Wurzel xọņu- anzu-
setzen, so Boisacq 513 oder P. Persson a. a. O. 675. Aber dieses
xonu- stützt sich eben nur auf xọņuvós. Auch ai. Bildungen wie
tämyati neben tämtd-, bhrämyati neben bhrämtd-, sämyati neben
sämtd, Srämyati neben srämtd- darf man nicht als Parallelen heran-
ziehen. Denn diese Präsensformen zeigen trotz mädydti sicher
Tiefstufe.. Nun verhält sich xonuvösg ` ng&uauaı = oeuvösg ` oéßo-
Hot, d. h. xonuvdg ist altes endbetontes Partizip, wo Hochstufe
gar nicht angängig ist, sondern Tiefstufe verlangt wird”. Die
Grundform wäre also *kr;mənós, aus der griech. *xounvös hätte
werden müssen. Diese schwer sprechbare Form ist einfach zu
xonuvds umgestellt worden. Fraglich ist, wie weit die Schrei-
bung xenuvnu neben xgiuvnu berechtigt ist. Kretschmer ob.
XXXI 375 hält nur die Formen mit ı für richtig. Auch Nauck,
Mel. V 188f. glaubt den Nachweis führen zu können, daß die
besten Handschriften :, nicht o hätten und verlangt deshalb
überall xoluvnu. Trotzdem schreibt er in der Euripidesausgabe
Elektra 1217, Hercules fur. 520, Jon 1613 überall +, während der
neueste Herausgeber Murrey an den beiden ersten Stellen ¿, an
der letzten aber o vorzieht. Auch Kaibel, Athenaeus 13, 49 (585°)
setzt xonuvavıaı in den Text, während sich Wilamowitz in seiner
Aischylos- und O. Schröder in seiner Pindarausgabe für i ent-
1) So schon Joh. Schmidt, Pluralbild. 365, der sich aber über die Form nicht
weiter ausspricht.
Zeitschrift für vergl. Sprachf. LIX 1/2. q
98 F. Specht
scheiden. Es herrscht also heute in der Auffassung noch Schwanken,
weil offenbar auch in den besten Handschriften gelegentlich die
Schreibung 7 vorkommt. xọņuvós und die Ableitung xenurito
läßt nach meiner Ansicht auch ein xerurnus neben xoluvnuı zu.
Das Verhältnis der beiden Präsensbildungen zueinander wäre dann
so, daß xolurnu mit oxidvnw, mengt, »lovnuı auf gleicher Stufe
steht und aus *xọcu-vé-a-uı entstanden ist. xonurnu wäre da-
gegen wie ai. prindti durch Anfügung von betontem adr) an die
Wurzel xgeua- gebildet. Jedenfalls könnte auch xoñuwmut nur
Tiefstufe haben.
Exkurs IL Vokalausgleich im griech. Verbum und die
: Vertretung von 7, In.
Neben Bdilw gibt es mit e-Vokal tegeat. dod&Alovres, die
Hesychglossen Zeien: ZBalev, ndeke: nartßale, Etym. Magn.
408, 42 éw: BdiAw. Joh. Schmidt ob. XXXII 381 sieht in éw
das ursprüngliche und in Bd/lw Ausgleich nach ßaleiv. Wie
BeßAnucı, EBinto, Biurde zeigen, ist die Wurzel zweisilbig ge-
wesen. Bei der Zurückführung von BdAAw auf *Balıw, wie es
Brugmann, Grundr.’ II 3, 188 und Brugmann-Thumb, Griech. Gr.‘
347 tun, ist es unverständlich, wo im Präsens der Wurzelvokal
der zweiten Silbe geblieben ist, s. ob. S. 40. Nur eine Zurück-
führung von Bdilw auf *Bal-v-9-ö, wo n statt ne aus dem Plural
stammt, wird den vorliegenden Formen gerecht. Dann ist Bijou
mit zduvo, atl. téuvw völlig bildungsgleich. In einer solchen
n-Bildung ist aber für eine Hochstufe éw, wie sie Joh. Schmidt
annimmt, kein Platz. Das Futurum Ge/io hat vom Hause aus
Hochstufe haben müssen, ña4ó steht also für *deA® und verhält
sich zu Bdiiw wie teu zu tduvw. Den Aorist von dun,
£reuov hat uns Wackernagel, Sprachl. Unt. zu Hom. 14f. zu ver-
stehen gelehrt.. Es ist ein alter Wurzelaorist (vgl. ob. S. 56), der
gleichfalls im Singular Hochstufe erforderte. Genau so ist &öede,
Zeie aufzufassen. &dele ist dann wie £Zreus, čpae in die Flexion
der II. Aoriste wie £rexe, ine übergegangen. Das ursprüngliche
Paradigma ßBaiiw, *deAw, Edeie ist dann in den griech. Mund-
arten nach verschiedenen Richtungen ausgeglichen worden.
Diese Aoristbildung ist auch außerhalb des Griechischen ver-
breitet. Zunächst muß man wohl ai. Aoriste wie astar als Um-
bildung nach akar, aspar für *ästarit ansehen. Dann liegen sie
1) Mit der Schreibung 7, Z verwende ich nur eine bequeme Formel, über
die idg. Aussprache soll damit nichts gesagt sein.
Beiträge zur griechischen Grammatik. 99
vor in der 2. und 3. Sg. der sogenannten is-Aoriste, wie dpävis,
apävit, dkramit u. v.a. Bildungen wie dsramat, asamat u. a. könnte
man ähnlich aus *dsramit umgebildet ansehen, wie 1. Sg. čreuov
aus *2reuev. Auch Konjunktive wie ved. sanat können nur als
sana — at verstanden werden. Dafür finden sich nun genaue Ent-
sprechungen im Griechischen. W. Schulze, Hermes XX 491ff. hat
das Verdienst, zum ersten Male auf kurzvokalische Konjunktive
von s-Aoristen auf ionischen Steinen hingewiesen zu haben. Diese
kurzvokalischen Konjunktive finden sich auch bei sogenannten
II. Aoristen, zwar noch nicht bei Homer. Aber das kann Zufall
sein, da ja dort kurzvokalische Konjunktive nur erscheinen, wo
sie metrisch von der langvokalischen abweichen. Dagegen findet
sich auf ion. Steinen Coll.-Becht. IV 865 Nachtr. 39, ein Zyßaleı.
Nach der heute üblichen Anschauung müßte man darin eine
Analogiebildung nach der Proportion Jon ` &xßdAin = Avosı:x =
&xßdAeı sehen, so z. B. Solmsen, Rhein. Mus. LIX 162. Aber die
Übereinstimmung zwischen diesen Bildungen ist nur syntaktisch,
nicht formal. Dagegen ist &yßalcı < *&yßala Le völlig regel-
mäßig und stimmt auf das beste zu ved. Konjunktiven, wie sanat.
Da Zëoion ganz als IL Aorist griech. aufgefaßt wurde, so ist es
nicht wunderbar, daß auch andre II. Aoriste, die keine alten
zweisilbigen Wurzeln sind, eine derartige Konjunktivbildung über-
nahmen, so das ion. Coll.-Becht. 5662: xateine') und lesb. té-
xoıcı, Bechtel, Griech. Dial. I 94.
Auch das Litauische zeigt noch in Resten die gleiche Aorist-
bildung. Oben LV 173 habe ich auf ein lit. ser für hochlit. sere
aus dzükischem Sprachgebiet aufmerksam gemacht. Meine Er-
klärung des scheinbaren 2-Verlustes ob. 174 Anm.1 im Hinblick
auf *dö — dáu, däve wird kaum ausreichen, wenn auch diese
Form mitgespielt haben mag. Gehen wir von *&reue-t, * &öele-T
aus, so kann der Wurzelaorist von sérti (= griech. xog&-ocı) nur
*gerat gelautet haben, wo über *$ert ein *šer entstehen mußte,
das das auslautende r so gut wie ku? erhielt. Nach gleichbedeu-
tendem sërë ist dann *ser mit Länge versehen worden. Wie weit
derartige Formen im Dzükischen verbreitet sind, weiß ich nicht.
Sicher sind sie ganz vereinzelt und vielleicht wie das angeführte
Beispiel nur noch auf die Lieder beschränkt. In einzelnen Ge-
genden außerhalb des Westdzükischen wie in Kaltanenai scheint,
1) Bechtel sieht allerdings darin Konjunktiv von see, ähnlich W. Schulze
ob. LVI 308 in kyren. vizei Konjunktiv zu Arıxa; ion. &ußain Coll.-Becht. 565412
und kyren. &yßdinp ist Neubildung nach Ze, dnoddvn, droe Afen,
7*
100 F. Specht
nach den paar Beispielen zu urteilen (ob. LV 173), diese Bildungs-
weise weiter verbreitet und auch auf Verben, wie apidink, apikas,
übertragen zu sein, wo sie ursprünglich nicht berechtigt war.
Dagegen kann das Präteritum atsiyul für *atsigel mit u nach
guleti alt sein. Zur Erhaltung dieser Aoriste überhaupt hat zweifel-
los der Umstand beigetragen, daß in diesen Gegenden auch sonst
scheinbare Präterita ohne Endung üblich waren, die gleichfalls
von alten Wurzelaoristen stammten, ob. LV 169ff.
Weiter weist lat. sterno auf eine derartige Aoristbildung, die
nachher ganz in das lat. Perfektsystem eingereiht ist. Die Hoch-
stufe in lat. sterno kann so wenig alt sein, wie in d&AAw oder
téuvw. Man muß einen Aorist *sterevai oder *steravai voraus-
setzen, der nach strätum durch strävi ersetzt ist, aber seinen
Vokalismus noch auf das Präsens vererbt hat. Dasselbe gilt für
sperno, das von *sperevi seinen Wurzelvokal hat und selbst dann
nach sprötum zu sprevi umgebildet wurde; spretus selbst ist eine
Bildung wie Beßaonas, dxdentos usw.
Wie den Gegensatz Bdilw, *deio, £deAov hat auch sonst
das Griechische vokalısche Differenzen zwischen Präsens, Futur
und s-Aorist allmählich im Verbum ausgeglichen. Dieser Aus-
gleich ist in den einzelnen Gegenden verschieden schnell und
nach verschiedenen Richtungen vor sich gegangen. Wie schon
das Paradigma BaAlo — éw lehrt, ist bald der Vokalismus des
Präsens, bald der des Aoristes durchgedrungen. Reste des alten
Zustandes finden sich noch hie und da. Nur bei einem II. Aorist
ist die Vokaldifferenz zwischen Präsens und Aorist geblieben.
Offenbar war im griech. Sprachbewußtsein tief die Anschauung
durchgedrungen, daß zu einem kurzvokalischen Aorist ein volleres
Präsens gehören müsse. Denn nur so erklärt sich der Aorist-
gebrauch ehemaliger Imperfekta wie Zrexov gegenüber Zero,
Eyevdun® gegenüber yiyvouaı u. a. oder nuvddvoun. trotz nev-
Youcı neben Znvddunv, die spätern Auundvw, Yvyydvw neben
Atinw, peúyw. Zu aŭw hat man niemals ein *öy&dvw gewagt,
weil der dazu gehörige Aorist sigmatisch gebildet war.
Fast genau zu Bdllw — £öelov, nur daß s-Aorist vorliegt,
stimmt das Paradigma von xaA&wo, das ob. S. 86ff. besprochen
wurde. Ob auch &xauo» für *&xeue steht und ebenso wie £reus,
Zeie, Zoe zu beurteilen ist, läßt sich aus Mangel an entsprechenden
Formen nicht mit Sicherheit entscheiden. Dem s-Futurum kam
ursprünglich Hochstufe, dem s-Aorist Dehnstufe zu. Daher müssen
alle griech. Verben mit i oder w in der Wurzel Ausgleich nach
Beiträge zur griechischen Grammatik. 101
dem Präsens haben (vgl. Wackernagel, Sprachl. Unt. z. Hom. 76f.),
wie ripa nach ole, &yAvya nach y2ópo, &dovpa nach dodpw
usw. Dasselbe gilt für die Länge, wie Zero nach Boldw, lost
usw. nach ze, Auch auf vokalische Wurzel auslautende Verben
haben den gleichen Ausgleich.erfahren, wie gdouaı, wo % aus dem
Plural des Aoristes in den Singular drang (s. ob. S. 59), hier als
Hochstufe empfunden wurde und so ein neuer Ablaut z, š ent-
stand. In der ältern Sprache steht der Länge in den außer-
präsentischen Formen noch eine Kürze im Präsens gegenüber.
Die spätere Sprache hat auch hier ausgeglichen, hat aber bei
Verben wie dée — dnow die Vokaldifferenz erhalten, offenbar
weil Denominativa wie gıl&w, Yılnow daneben lagen. Umgekehrt
ist die Vokaldifferenz in nıvw, Zntvoa, gleichgültig, wie die auf-
fällige Kürze im Aorist gedeutet werden muß. Hier wie in Verben
wie hom. Avo — Avoa, att. Abw beruht der durchgehende u-Vokal
statt Diphthong erst auf Ausgleich. Bei präsentischen »-Bildungen,
wie xelvo, «Alva ist n mit in den Aorist verschleppt worden,
der wie das Präsens Länge hat. Bei ae, pẹivw, die anders im
Präsens gebildet sind, ist die Vokaldifferenz zwischen vue —
iioa, YPIIvw — EpYioa wenigstens geblieben. Für Homer ist
wahrscheinlich Zreıoa, Gäeren herzustellen, vgl. zuletzt Wacker-
nagel, Sprachl. Unt. z. Hom. 76f. Die ursprünglich nur für das
Präsenssystem geltenden tavýw, dude haben schon bei Homer
ihr Präsenssuffix durch das ganze Verbum durchgeführt. Aber
das Alte schimmert insofern noch durch, als sich bei Homer
präsentisches zeiv» erst einmal findet. Im wesentlichen ist die
Neubildung telvw nach Zreiwa erst nachhomerisch durchgeführt.
Über den Aorist Zveoa zu dviw s. ob. S.57. Auch das alte Ver-
hältnis xivew — &xıov ist schon bei Homer zerstört, indem &xtvnoa
als Aorist neu dazu gebildet worden ist und Geo durch eine
leichte Bedeutungsveränderung abseits von xivew trat.
Da präsentischen :i0-Bildungen ursprünglich nur Tiefstufe
zukam, so wird man wie telivw zu Greg auch delgw, yelow,
eiow, Yelvw, xelow, ptelow u.a. als Neubildungen zu den Aoristen
ansehen müssen. Durch Etym. Mag. 269, 50 ist das alte eiäocioo
noch als dorisch überliefert. Umgekehrt haben dvalvouaı, xoaivw,
balvo, oalvw, oalow, Yalvw, yaigw den Wurzelvokal des Präsens
auch auf Futur und Aorist übertragen, xalow hat sogar schon
seit Homer den Präsensstamm ins Futur verschleppt, während der
Aorist ëréogco davon noch ausgenommen ist. Im Attischen dalow
neben óéoe ist die Ablautdifferenz geblieben.
102 F. Specht
Ebenso ausgeglichen haben ihren Vokal die Verba mit œ im
Präsens, wo a sowohl Schwächung aus einer Länge als auch aus
em, en, er, el sein kann. Es genügt der Hinweis auf E&Uouaı —
Ato, yodpw — Zoo. Bianıw — EBiawa, opdaliw — Eopnia,
Bato — Baka, rdrrw — Erada u. a. Gelegentlich ist auch hier
der Ausgleich nach verschiedenen Richtungen vollzogen worden.
Für att. &xßodrw ist für Hippokrates durch Galen &xßonooeı'
Enßaileı, Exßodoosı (ed. Kuehn Bd. 19 S. 95) neben &xßodooeı
überliefert, wo die Länge aus dem Aorist stammen muß’). Ge-
wisse Schwierigkeiten macht zagdızw. Da es bei Homer über-
haupt nicht vorhanden ist, könnte man es als umgebildet nach
dem Aorist rdọaġa ansehen. Das wird scheinbar dadurch be-
stätigt, daß zu dem dazu gehörigen regelmäßigen Präsens Joarıw
seit dem 5. Jahrhundert der Aorist &3oa&« neu geschaffen worden
ist. Aber zagdırzw < *dharaghio deckt sich genau mit lit. dörgti,
dirginau, dirgau, was die etymologischen Wörterbücher merk-
würdigerweise nicht notieren, nicht nur in der Wurzel, sondern
auch in der Bedeutung und im Akzent. därgau, dirginu heißt
etwas „in Unordnung bringen, verwirren“, wird allerdings in der
Regel von einem Mechanismus gebraucht, dirkstu ist das In-
choativ dazu. Lit. dirgti erweist nun zapdırw als e-Wurzel. Also
kann der Aorist ursprünglich nur *regd&aı gelautet und sein o
aus dem Präsens zaodrzw bezogen haben. Man muß demnach für
das Präsens zwei Schwundstufen ansetzen zapdızw und Joärzw, vgl.
darüber unten S. 117 u. Anm.3. Die übrigen mehrsilbigen Verben
auf -4rzw sind meist Denominativa und gehören nicht hierher, vgl.
Debrunner, IF. XXI 214ff. Verba wie mọttw, zmAñoco, óñoco,
oxintw usw. haben die Länge aus dem Aorist. Auffällig ist
sıwoow, das bei Homer Präsens zu &nında ist, vgl. auch Sappho
frg. 66, äntadare. nınoow, das erst Xenophon und Aristophanes
kennen, ist sicher Rückbildung nach dem Aorist, während sich
von mtocow außerpräsentische Formen erst ganz spät finden.
Dieser letzte Grund neben scheinbarer Hochstufe bei einem jio-
Präsens veranlassen mich in aıwoow gegen Debrunner a. a. O. 248
Denominativum zu ntos, ntwxös zu sehen, das erst zu einer Zeit
gebildet wurde, als die alten Ablautsgesetze nicht mehr galten ^’).
1) Allerdings könnte man auch glauben, daß 2xßo7jooseı durch das bei
Medizinern fast synonym gebrauchte &xß700sı beeinflußt worden ist, vgl. bei
Galen a. a O. dneßodoosro' dneßnooero.
3) Alte Denominativa, die noch den idg. Ablautsgesetzen unterliegen, sind
selten, wie Airto zu Géi,
Beiträge zur griechischen Grammatik. 103
Die Verteilung zz@ooco — Enında ist möglicherweise so zu ver-
stehen, daß bei ä/ö-Wurzeln mit einfachem ö-Präsens, ó in der
Wurzel für das Präsens, o für den Aorist galt, also rödo, aber
räsi. Einem solchen Verhältnis könnte dann rıwoow — Entrüsa
nachgebildet sein.
Bei den Verben wie xAéntw, čoðw, &o&ntw — &o&trw kommt
als Denominativum kaum in Frage — ist der Aoristvokal durch-
geführt im Gegensatz zu dem gleichgebauten Gidero u. a., wo
der Präsensvokal gesiegt hat. Bei Zoóo, ģétw bleiben aber gewisse
Bedenken. óéZe selbst stammt erst aus dem Aorist, W. Schulze
ob. XL 121 Anm. Aber ¿oóe < *żọy:0 stimmt merkwürdigerweise
in seiner Hochstufe‘) mit dem Westgerm. überein, so ahd. wirken,
as. wirkian neben wurkian, merc. im Vesp. Psalt., wircan neben
wsächs. wyrcan. Hier kann die Hochstufe aus irgend einer Verbal-
form nicht übertragen sein. Denn den Präterita mit scheinbar
synkopiertem Mittelvokal kommt germanisch ö-Stufe zu, vgl. got.
brähta, as. warhta, nach dem sich das Partizipium giwarht ge-
richtet hat, wie umgekehrt ags. worhte nach giworht. Vor allem
hat aber das Ags. die ö-Stufe im Präteritum oft erhalten, z. B.
röhte zu reccean, tealde zu tellan, cwealde zu cwellan usw.°). Im
Partizipium stand ursprünglich Tiefstufe. Also stimmt 2Zodw nur
scheinbar zu westgerm. *werkjan. Ich sehe keine andre Möglich-
keit, als die Hochstufe des Germanischen als Anlehnung an das
Substantivum werk zu deuten.
Die Verben ore&yw, root, ofge, tonw könnten alten
Hochstufenvokal haben, wenn nicht die Dialekte es widerrieten,
vgl. ob.S.46. ro, rode kennt auch Pindar, rode Herodot.
Man muß daher annehmen, daß diesen Verben im Präsens ur-
sprünglich Endbetonung und damit Tiefstufe zukam. Sie haben
dann sämtlich ihren e-Vokalismus aus dem Aorist, während in
yodpw umgekehrt der Präsensvokal gesiegt hat. Wenn Verba
wie A&yo im Aorist nicht *&in&a lauten, so beruht das auf dem
gleichen Prinzip. Dabei mag die ursprüngliche Gestalt des Kon-
junktivs Aoristi und Futuri, wie Joh. Schmidt es ob. XXX VIII 49
annimmt, nicht ohne Einfluß gewesen sein. In diesem Zusammen-
hang mag auch an ðuižev (Hipponax) erinnert werden, wo das;
für er aus dem dazu gehörigen Präsens duigeiv stammt. Aber da
1) Die im Baltischen häufige Hochstufe bei jo-Verben, wie lit. periù u. a.,
beruht sicher auf Neuerung.
s) Blümels Erklärung des Ablauts werkj- warht- wurht- PBrB. LI 99
kann ich mir nicht zu eigen machen.
104 F. Specht
für öuiyeiv Hesiod. Op. 727 öuelxeıw zu schreiben ist’), so kann
auch @ui£ev und die Hesychglosse duifor: odọğoaı nur für duerfen,
duesisaı stehen. Vgl. Wackernagel, Sprachl. Unt. z. Hom. 225 Anm. 1.
In delöw soll nach Wackernagel ob. XXIX 151 der Vokalismus aus
dem Aorist stammen. Darin kann ich ihm leider nicht zustimmen.
Vgl. unten Exkurs V. Während zınloxw mit altem ; auch für ioo
(Pindar) und zioa (Pindar, Hippokr.) maßgebend wurde, ist in
uıuvjoxw, dem, nach reminiscor zu urteilen, im Präsens gleich-
falls -+ zukam, der Aoristvokal zur Herrschaft gekommen, , Joh.
Schmidt ob. XXXVII 39ff. Zu dox&w heißt der Aorist bei Homer
in der Regel dodooaro; &ö6xnoe ist nur zweimal in der Ilias vor-
handen. Morphologisch betrachtet ist aber dodooaro Aorist zu
dearaı. Da der o-Vokal in einem solchen Aorist ganz gegen alle
Regel ist, so hat Wackernagel ob. XXXIII 38 und Sprachl. Unt.
z. Hom. 61 dodooaro schlagend als Angleich an doxew erklärt.
Nach dodooaro hat dann schon Homer ein neues Präsens dodooeraı
gewagt. Ebenso sind ów, &do&a, die Homer noch nicht kennt,
im Vokalismus von dox&wo beeinflußt, vgl. Wackernagel ob. XXXII
38, der auch das Pindarische 2rooo«@ für *Zreooe in den gleichen
Zusammenhang stellt. dıddoxw hat Präsenswurzel und Präsens-
reduplikation durch das ganze Verbum durchgeführt. Auch die
dialektisch recht bunten Formen des Verbums Bovloueaı, Bwlouaı,
Bdloucı, BEAkoucı, ouai, Öellouaı erklären sich wohl am besten
bei der Annahme eines Paradigmas Präsens BdAoucaı < *g*,lomai,
Aorist Zdeuldunv (Ednidunv) < *egrelsamen. Das o in Bdlouaı
braucht nicht auf altäolischem Lautwandel zu beruhen, sondern
kann wie in die, mo4ós für ai stehen. Dieser Ausgleich in
zwei Paradigmen muß in eine sehr frühe Zeit fallen; denn schon
homerisch findet sich der erweiterte Stamm ßovir-, außerdem
ist auch der Stamm ßov4-*), der nur aus dem Aorist stammen
kann, für das Nomen Aktionis ßovin verwendet worden. Wegen
der Übertragung des i des Präsens in xaJl&w auf den Aorist
dou usw. s. Wackernagel, Sprachl. Unt. z. Hom. 63f. Das
| 1) Die Bemerkung von Choeroboscus An. Ox. II 245: = Herodian L. II 5606
dein" oöbgeiv dıa Toö ı rodgëergt ist wertlos. Herodian trifft bei der Schreibung
ei — + seine Entscheidung nach zwei Gesichtspunkten. Entweder befragt er die
Dialekte oder die Etymologie. Das Erste trifft etwa zu bei pŶelọw, wo er sich
wegen äol. g9&oow für sı entscheidet. Dagegen war ihm der etymologische
‚Zusammenhang mit #osxds unbekannt. Sonst hätte er sich ebensogut für duelyew
entschieden.
D Vgl. dazu auch Meillet, IF. V 328; BSL. (Anz.) XXIII 65, der im wesent-
lichen BodAoyas richtig beurteilt hat, und Kretschmer, Gl. II 160ff.
Beiträge zur griechischen Grammatik. 105
ursprüngliche e ist jetzt außer in Attika auch im kyren. soavta
zu Tage gekommen.
Auch die abgeleiteten Verben auf -edw zeigen Ausgleich
zwischen Aorist und Präsens, Joh. Schmidt, SBA. 1899, 302ff.
Nur xaiw, »Aalo haben sich trotz &xavoa, čxAavoa erhalten. Er-
‚wähnt seien auch die außerattischen Bildungen auf -7w, dei, die
an die außerpräsentischen Formen im Stammvokal angeglichen
worden sind. Auch zu Ce, tow — Biwooucı hat man, wenn
auch sehr spät, ein Brde gewagt, während ein Znoouaı, Zog
schon die Hippokrateer kennen.
Noch stärkeren Ausgleich zeigen die athematischen Verben,
xepdvvvu, oxeddvvvu, nerdvvvuı, xgeudvvvu sind Neubildungen
des 5. Jahrhunderts nach dem Aorist für älteres sien, oxidvnuı,
nitvnu, »oluvnu, Wackernagel, Sprachl. Unt. z. Hom. 205ff.
Ausgleich nach dem Aorist zeigt auch das für rniAvauaı einge-
tretene neidöw. Ebenso kann auch zéeunut seinen e-Vokal nur
dem Aorist verdanken‘), Die Hesychglossen nopvduev: nwAeiv,
noovdusvaı‘ ... rrwAovuevaı, von denen die erste auf böot. oder
thess. Sprachgebiet weist, haben den ursprünglichen Vokal er-
halten. Wenn dort umgekehrt ein Aorist *roodoaı auftauchte,
wäre das nicht weiter erstaunlich. Wie lat. domare, ahd. zamön
lehren, gehört die Wurzel in ô¢uvņuı der e-Reihe an, also müßte
der Aorist von Rechts wegen *deudoa: lauten. Das œ von daudoaı
stammt also wieder aus dem Präsens dduvnu. Das Verhältnis
zwischen daudoaı und erschlossenem *deudocı ist das gleiche wie
zwischen hom. za4dooa, und reidooaı‘ roAufjoaı, wAnvaı, Hesych.
Der a-Vokal kann nur aus einem Präsens *ra/vnuı stammen, das
genau zu lat. *tollo < *tolno, mir. tlenaim stimmt, aber zu Gunsten
des präsentischen Perfekts z&rinxa im Griech. aufgegeben worden
ist, vgl. Meltzer, IF. XXV 342. Durchgedrungen ist schließlich
aus dem Plural des Aoristes wie bei go- der Stamm dn, der
wie in Bn als Hochstufe empfunden wurde. Schwundstufenvokal
wird auch für &»vvus gefordert. Die Hochstufe stammt wieder
aus dem Aorist. Von ořyvvuı ist die Schwundstufe auch in den
Aorist ös&e gedrungen*). Im Äol. besteht außerdem eine Präsens-
bildung örelynv» mit Hochstufe. Auf öiyov, das als äolisch durch
Stephanus Byz. 359, = Herodian L. II 7771s überliefert ist, wird
1) Vgl. auch die Bemerkung W. Schulzes, GGA. 1897, 873 über lesb. deer,
2) Wenn man g#deslocı, Sueıdev usw. in die ältern griech. Texte für über-
liefertes ¿ einsetzt, so muß man mit gleichem Rechte bei Homer ðeiĝev schreiben.
"Doch vgl. argiv. võre (Coll.-Becht. 3339 er, as) aus Epidauros.
106 O F Specht
nichts zu geben sein. Aus dem Aorist ins Präsens verschleppt
haben ihren Wurzelvokal Geövyvvuı, delxvvuı, uelyvvu, kret. rro-
teıvörw (Bechtel, Griech. Dial. II 743, II 182). Für deixvvm heißt
es kret. Ooll.-Becht. 5112, noch nooöixvsrı. Ebenso sind önyvvus,
nhyvvui, 6o&yvvuı u. a. zu beurteilen, die Wackernagel, Sprachl.
Unt. z. Hom. 79 und Anm. 2 verzeichnet. groot sucht Joh.
Schmidt ob. XXXII 380 zwar lautlich zu deuten, indem er es
einem ai. *stirnömi — strnumäs gleichsetzt. Aber ich habe zu dem
Alter der Form kein Zutrauen. Es wird Neubildung nach orowoaı
sein, das selbst erst sein w dem Perf. und Aor. Passivi und Ver-
baladjektivum verdankt. Genau so muß ĝóvvvuı nach Zoo,
Sovvvu für *Eovvvu nach Zoo umgebildet sein. Im lit. pajuseti
(Lit. Mund. II 37 und Anm. 4) liegt diese Tiefstufe noch vor. In
der Hesychglosse xejoaı: xeodoaı ob. S. 63 ist die Schwund-
stufenform bis in den Aorist Activi gedrungen, ohne ein Präsens
*xoavvvuı zu erzeugen. Dabei werden Verbindungen wie x2o@00»
dxoarov (Aristoph. Ekkl. 1123) nicht ohne Einfluß gewesen sein,
vgl. ob. S. 63. In ôúvauaı ist sogar das ganze Präsenssuffix in
das Futur und den Aorist verschleppt worden. Vokale von ver-
schiedener Herkunft zeigt das scheinbar ganz regelmäßige riu-
dont, Das Verbum flektierte ursprünglich *mıuneieu — niunia-
uev, W. Schulze ob. XX VII 424. Da Verbalbildungen wie *zıu-
seeAeuı dem Griech. bis auf verschwindende Reste verloren ge-
gangen sind, so ersetzte man den Singular durch die langvoka-
lische Wurzel nAn-, die in ninons, nAndos, plenus usw. vorliegt,
ebenso wird man Aorist und Futur des Aktivs auf die gleiche
Wurzel beziehen müssen. Dagegen kommt dem medialen Wurzel-
aorist Tiefstufe zu, vgl. Zöoro, &pdıro. Also wird ple- in nAnto
wohl idg. pn sein. Wahrscheinlich wird man auch Perfektum,
Aorist und Partizipium des Passivs auf die gleiche Wurzelgestalt
zurückführen müssen. Allerdings absolute Sicherheit ist nicht zu
erzielen. Denn plē< pelə +- é ob. S.82 Anm. 2 ist ohne Ablaut,
so daß zur Not nAnjto, Eninodn usw. auch auf nie bezogen werden
können.
Die bisher besprochenen Fälle lassen auch für ögvvm, Ölivuı,
öuvvuı, Öudoyvvus, ordgvvuı, xog&vvvu für *xogvvuı und Iögvvodau
eine andre Deutung kaum zu. Walde, Stand und Aufg. der
Sprachw. 180ff. sieht in dem merkwürdigen o Hochstufenvokal o,
oder allenfalls Schwächungsvokal aus idg. o Davon kann gar
keine Rede sein. Denn alle diese Bildungen haben niemals auf der
Wurzel den Ton gehabt. Die Annahme aber einer Schwächung
Beiträge zur griechischen Grammatik. 107
aus o ist nur für die griechischen Fälle konstruiert. Denn Walde
muß selbst zugeben, daß sich für alten ö-Vokalismus in andern
Sprachen nirgends Parallelen finden. Sie weisen alle auf e, was
sich auch im Griech. noch zeigt. Ich sehe daher in diesen Bil-
dungen, zu denen sich noch óoo96zo neben ¿os9(Ëo, 6Aopvoouaı
neben äiepalow, EieAltw neben ölolvtw, Tevdenö@v neben zoz9o-
Go gesellt, Assimilationen eines geschwächten e-Vokals an das
folgende v. Ob im einzelnen den Ausführungen Joh. Schmidts
ob. XXXII 377ff. zuzustimmen ist, lasse ich, da es für dies Er-
gebnis gleichgültig ist, hier unberührt. Bei dem Aorist Geo kann
über die Herkunft des o aus dem Präsens überhaupt kein Zweifel
bestehen, da bei Hesych četo: @eundn, Zoogo: Öreyelgov, &oon'
öeuneon mit e-Vokal noch daneben liegen ob. S.45. Bei orog&oaı
zeigt zwar das Griech. keine Reste eines e-Vokals mehr, aber
nach lat. sterno ob. S. 100 zu urteilen, kann oroo&oaı nur für
*greg£oaı stehen. Bei xooéoa; kennt die lit. Entsprechung $erti
nur den e-Vokal und dessen Dehnung, so daß auch xogp&oaı ein
ehemaliges *xego&oaı vertritt’). Neben ödudoyvvu — drroudo&aro
liegt in etwas abweichender Bedeutung duéoyo — huso&dunv.
Nur für öi&ocı und Aude läßt sich aus verwandten Sprachen
die e-Stufe nicht mehr aufweisen. Da aber ö-Vokal im s-Aorist
ganz ungewöhnlich ist, so wird man nach den zahlreich vorge-
brachten Analogiebildungen ihn nur wieder als Ausgleich nach
dem Präsens deuten müssen. Von diesem Standpunkte aus lassen
sich diese Aoriste ohne weitres erklären, und sie bilden nur ein
kleines Glied in der großen Kette der gleichen Erscheinungen.
Lehrreich sind auch nrdgvvuaı und godyvvu, die beide Tief-
stufenvokal zeigen, aber trotz folgendem v nicht o aufweisen.
zrdovvum ist von Joh. Schmidt ob. XXXII 381 richtig als An-
gleich an Zntagov» gedeutet worden, godyvvu.ı ist erst durch
Sophokles Antig. 241 und Thukydides VII 74 belegt und hat seinen
a-Vokal von dem gleichbedeutenden pọdttrw. Die Flexion auf
-pvu ist höchst wahrscheinlich Umbildung nach dem synonymen
Zong, das seit Homer (x 238) geläufig ist.
1) Wenn Meillet, Mélanges Vendryes 275ff. mit seinen Ausführungen im
Recht ist, daß die Präsensbildungen wie dduvnu: nur bei zweisilbigen Wurzeln
möglich waren, die auf «-Vokal ausgingen, so müßte wegen ai. sirnäti das ge-
forderte *orso&oaı auf sehr alter Assimilation aus *oregdoaı beruhen. xoo&oaı
könnte ähnlich behandelt sein, nur fehlt hier eine entscheidende Präsensbildung,
Hirts Annahme, Idg. Gr. II 121, in beiden Verben e als thematischen Vokal auf-
zufassen, ist für mich ganz unannehmbar.
108 F. Specht
Es ergibt sich also im griech. Verbum zwischen Präsens,
Futur und s-Aorist überall das gleiche Bild, entweder Ausgleich
der Vokale nach Aorist oder Präsens. Fragt man nach den Aus-
nahmen, so fallen Verba defectiva wie ärgıdunv, dnnögwr, u. a.,
die außerdem keine s-Aoriste sind, ohne weiteres fort. Dasselbe
gilt für Verben mit verschiedenen Stämmen, wie p&ow, ofooi,
Aveyxov oder solchen mit o oder a in der Wurzel, wie x0000,
olyouai, zoue, naw, aldoucı u.a. Der singuläre Aorist YEo-
oa@c$aı liegt nach Wackernagel ob. XXXIII 36 in &nddeoox nach
nog&o umgebildet vor. xalvvuaı weicht zwar im Perfektum im
Vokalismus ab, kennt aber weder Futur- noch Aoristformen; ĝéw
kennt wohl wie nvew (ni&w) die regelrechten dedosoduı und
6eöoaı, hat aber meist ablautendes dvrvaı, das insofern wieder
nicht auffällt, als es kein s-Aorist ist. So bleiben zunächst nur
Verben, wie valw — vdoow — Evaooa, ualouaı -— udooouaı — Eudo-
catro, wo die Vokaldifferenz zwischen Präsens und Futur, Aorist
erst auf griechischem Boden entstanden ist und nicht anders
beurteilt werden kann, als etwa wie in dalvw — dag — Eogava.
daloucı ist nach diesen Mustern erst neu gebildet worden, W.
Schulze ob. XXIX 267 Anm. Abseits steht nur xdnzw insofern,
als es als io-Bildung Tiefstufe erfordern sollte’). Aber es stimmt
zu einem primären *xen-, wie lat. fodio zu lit. bedù, got. wahsjan
zu griech. dre&w, got. waltjan zu an. velta oder zu griech. Gogo,
got. ahjan, abulg. borjg, wo sich primäre e-Stufe gleichfalls nicht
nachweisen läßt. Anders über diese Formen Meillet, MSL. XIX
181ff. Über séiogoäo, ob. LV 19f. und hom. dvaßgöfeıs, xata-
Boden, dvaßgoy&v läßt sich überhaupt nichts Sicheres aussagen,
da weder Präsens-, noch Futurformen dazu überliefert sind.
Dieser Ausgleich im griech. Verbum zwischen Präsens, Futur
und s-Aorist ıst in der historischen Zeit noch völlig in der Ent-
wicklung. Er wird für viele Fälle nicht einmal urgriechisch sein.
Gerade Homer kennt noch abweichende Paradigmen. Auf eöde —
xaredoadov, nitev, nievoeodaı, 'aneniw, hxw, eigvoa (Hippo-
krates) hat W. Schulze ob. XL 120 hingewiesen. Anzuführen
wäre weiter für Homer eißo — Zorafa. Ebenso ergänzen sich
olvouaı — 6nAnoaodeı in vielen Fällen zu einem Paradigma. Manch-
mal muß ein Verbum, das selbst Präsens und Aorist bildet, für
das fehlende Tempus eines andern Verbums eintreten. So heißt
1) sönıw wird schwerlich Denominativum von xózoç sein. Vgl. auch
Debrunner, IF. XXI 208. |
Beiträge zur griechischen Grammatik. 109
zu Atöaodaı, exto das Präsens xoıudedaı'), zu Öpodcaı on&oxo-
Hot oder oedouaı, zu Ödvoodusvos ywóuevos, zu Grade manchmal
alvouaı, zu šóodooqto doxei s. ob. S. 104. Zu xeoaltw lautet der
Aorist n&goaı, zu Eneiyouas Eoovro”), zu dbouaı oer, zu uuoó-
uevos wohl xAaúcas oder Ödvodusvos, zu ônviw fuer (uvnoTev-
oaı), zu dxd6usvos dAynoas‘) oder driägoot Metrische Gründe
sind Schuld daran, wenn x4owéo im Aorist durch poßñoat, pgo-
véw durch woor oder unoaodaı, roou&w durch dıyjoaı, unga-
vdoucı durch rexvnoacdaı oder untlooaodaı, xegroutwv durch
6vsıdiong ersetzt werden. Auch innerhalb der gleichen Wurzel
ist die Verbalbildung zwischen Präsens und Aorist gelegentlich
verschieden. Ich verweise für Homer, um nur einiges zu nennen,
auf dieslvw — dievaro, dvrew — Tivoa, Gordon — Zorung, åpúcow
— ğpvoa, Pıdlouaı — Eßınoaro, yavvuaı — yńþðņoe, doot —
Eönoloaro, Edordoun — xadEleodaı, ¿A¿sa[oo — Eilnoa, Ao —
Eirnoa, Eowrdw — hodunv, ebvaloundı — EÖvnoa, EbXerdoua —
edEaodeı, (ode — deg, xeiddw — xelaönjoaı, uaoılw — ugota
(vgl. ob. XXXIII 129 Anm. 2), ueıdıaw — usıöjoaı, untidoua —
untlooaodaı (s. ob.), vlocouaı — Evdornoa, dvoudlw — Övdunve,
oùtčw — org, odınos, nANdW — Eninoa, nTW00w — Enınsa (s.
ob. S.102f.), oeßouaı — oeßdooaTo, Taviw — Ereiva (ob. S.101). Auch
an das Schwanken zwischen Verben auf -iw und -ew oder -dw
und do einerseits und -éw und -edw andrerseits, das metrische
Gründe hat, sei erinnert, Fraenkel, Denominativa S. 177f. Ge-
wiß ist zu manchen Verben auch ein Aorist wie 2idvvooa zu
come oder ein Präsens wie yrd&w zu yņłñoaı usw. daneben im
Gebrauch, aber dafür hat rewa kaum ein Präsens, ydvvuaı
noch keine außerpräsentischen Formen entwickelt.
Man wird fragen, warum ich diese vielfach bekannten Dinge
hier nochmals kurz zusammengestellt habe. Ich wollte dem Leser
eben deutlich machen, wie einerseits das Griechische völlig inner-
halb der beschriebenen Grenzen ausgeglichen hat, andrerseits
sich dieser Ausgleich weit in die historische Zeit hinein erstreckt.
Das muß nachdrücklich hervorgehoben werden, wenn man die
Arbeiten Waldes über den idg. Ablaut, Stand und Aufgaben der
Sprachwissenschaft 152ff. richtig würdigen will. Mich beschäftigt
hier im wesentlichen der erste Teil. Walde hat bisher mit seinen
1) Vgl. besonders z 49f. Zvôa zdeoc song, sre H "doe Unvos ixd-
vor Zéi dpa xal rdr Eiento xal Hóa iav Euiuvev.
2) Vgl. z.B. T 142, aber N 315 oder 404 oder B 354, aber I 398 u.a.
3) Vgl. E 354, aber M 206.
110 F. Specht
Ausführungen überall Zustimmung gefunden, Widerspruch ist
kaum aufgetaucht. Was er feststellen will, ist die Vertretung vom
m ñ, PI im Griechischen. Ich behandle zunächst die beiden
letzten Laute. Für ř und I das nicht sekundär betont wurde,
nimmt Walde o& und Je als regelrechte Vertretungen an; ọw,
Aw sollen griechische Neuerungen sein und zwar derart, daß bei
einem o als erstem Wurzelvokal in der Hochstufe diese Färbung
auch bei der Länge der Tiefstufe maßgebend wurde. Als Bei-
spiel sei angeführt orog&oaı mit o, daher orewrögs. Es läge also
eine Art Assimilation vor. Demnach müßte nach Walde ọw und
Aw nur dort vorhanden sein, wo das Griech. bei Vollstufe nur o
als ersten Wurzelvokal kennt. Er beruft sich daher wegen orew-
de auf ordovvuı, orog&oaı, wegen Aıßoworw auf Bood'), wegen
Ioworw auf Yogeiv, Yopovuaı, Ybpvvuı, Qoo0ós, Jog, wegen
Bioorw auf uolovuaı, uoheiv, wegen tiroocxzw auf Togeiv, wegen
nengwraı auf mogeiv, wegen dor. rerowxovra auf dor. TEToges.
Diesen Ausführungen Waldes könnte ich nur unter folgenden
Voraussetzungen zustimmen. Erstens müßte der o-Vokal von
orog£oaı, uoleiv, Topeiv, nogeiv, tétooes alt sein. Zweitens dürfte,
was Walde ausdrücklich hervorhebt, neben dem o-Vokale andrer
Vokalismus nicht vorhanden sein. Drittens wäre, falls die beiden
ersten Voraussetzungen zutreffen, für eine andre Tiefstufe als oo
kein Platz. Aber diese drei Voraussetzungen stimmen nur zum
Teil. Auf die Neubildung orog&oaı für *oreg&oaı nach otógvvui
habe ich ob. S. 107 hingewiesen. Zwar meint Walde a. a. O. 181
1) Ich hatte ob. LV 11 #goedoo», lat. vorare mit velarem g + u angesetzt.
Dazu bemerkt M. Leumann, Gl. XVIII 274: „vorare hat nach Specht v aus gu
(nicht aus Labiovelar); guor steht im Ablaut zu gurges. Ich meine, man sollte
lat. carnivorus, gr. Svmoßdeos, av. naragara mit Labiovelar schön beieinander
lassen.“ Die Ansicht L.s ist zwar in einem recht apodiktischen Ton gehalten, aber
nichts destoweniger falsch. Ich hätte auf Grund der von L. angeführten Bei-
spiele niemals behauptet, daß gu vorläge, schon deshalb nicht, weil sich das aus
ihnen gar nicht erkennen läßt. Die Beispiele, die unbedingt für gw und nicht
für Labiovelar sprechen, lit. gvergsti — aa O. steht fälschlich gveřšti —
gvargzdeti, lett. gver(g)zdet, gvergzdis übergeht L. mit Stillschweigen. Er wäre
mindestens verpflichtet gewesen, wenn er sie besser deuten kann, diese Deutung
den Lesern nicht vorzuenthalten. Zu einem solchen gue- in gveřgšti steht
gu- in apr. gurcle, lit. gurklys, lett. gurklis in regelrechtem Ablaut. Dann
darf man wohl für lat. gurges die gleiche Erklärung annehmen. Es liegt bei
ßeoedoov, vorare ein ähnlicher Fall vor, wie bei griech. Aée, pro, lat. ferus.
Auf Grund der lat-griech. Gleichungen würde man an Labiovelar denken, aber
lit. žvėris, abulg. zvěrb weisen einen andern Weg. Hier zweifelt niemand an
einem Anlaut ĝu. Was aber für Zveris recht, ist für gvergsti billig. KN.
Beiträge zur griechischen Grammatik. 111
im Hinblick auf den e-Vokalismus von jozum: in den ob. S. 107
erwähnten Hesychglossen, daß niemand dadurch zu dem Schluß
verleitet werden darf, in älterer Zeit sei die e-Form in der Über-
zahl gewesen, oder sogar bis auf ögwvuı die allein ererbte. Das
ist eine bloße Behauptung, für die der Beweis erst zu erbringen
wäre. Denn da bisher noch niemand ö-Vokalismus für den s-Aorist
oder das Futurum erwiesen hat und schwerlich jemals erweisen
wird, so bleibt mir der Waldesche Standpunkt ganz unverständ-
lich. Gerade diese e-Formen sind zwar unbequeme, aber gute
Zeugen gegen seine Theorie.
Auch bei den Aoristen roger, woleiv, HYogeiv, togsiv bewegt
sich Walde a a. O. 182 in einem Trugschluß. Weil seine Theorie
über die Tiefstufe in now-, Bio: 9ow-, tgw- ó-Vokal oder
Schwächung daraus für sogeiv usw. erfordert, nimmt er ihn für
die betreffenden Formen an. Der Versuch, für diese Aoriste zu-
nächst o-Färbung erst zu erweisen, ist von ihm nicht gemacht
worden, und ich sehe nicht die geringste Möglichkeit, aus dem
Griechischen oder andern idg. Sprachen für sie o-Vokal oder
Schwächung daraus festzustellen. Ganz unabhängig von Walde
habe ich dasselbe Problem in dem gleichen Buche 632f., soweit
es für das Baltische in Frage kam, kurz berührt, und ich muß
noch heute daran trotz allem, was darüber geschrieben ist, fest-
halten "1. uoleiv, nogeiv, Yogeiv, vogeiv zeigen die antevokalische
Tiefstufe zweisilbiger Wurzeln‘) und stimmen so genau zu nö4ıs
ai. për, purds, moAös ai. purü. Für zéie und noAdg läßt sich nun
eine Hochstufe mit o, aus dem sie geschwächt sein sollen, über-
haupt nicht nachweisen. zo4ós hat wie in got. filu*) nur e-Stufe
neben sich. Sie liegt griech. vor in dem ganz isolierten n&Ae900v
und zxé4oçs: u£ya, teodouov Hes., das sich zu noAvs*) verhält wie
xgET05 zu xgatös, égooçs zu Yowovs. Osthoff, Arch. f. Religions-
wissenschaft VIII 54 hat zé4os nicht anerkannt und will dafür
sıeAog schreiben. Aber zéioc ist das ganz regelrechte Substantiv
1) Zu lit. erzdeti — urzdeti a. a. 0.632 füge ich noch das ähnlich gear-
tete Paar rembeti — rümbeti hinzu (ob. LII 284). Völlig isoliert von seinem
Verbum ist das ehemalige Partizip »ilias, das nur im Plural mìltai in der Be-
deutung „Mehl“ sich findet. Da malti lit. nur a-Stufe, niemals aber e kennt,
so ist die ö-Färbung bei dem Waldeschen Standpunkt in dem isolierten miltai
überhaupt nicht zu erklären.
2) Das epische Zuuope wird Äolismus sein.
8) Vgl. Joh. Schmidt ob. XXXII 3821.
*) Günterts Erklärung des o von zo/ös Ablaut 40 scheitert an dem o von
däre, auf das seine Deutung nicht zutreffen kann.
112 F. Specht
zu noAög und zu einer Änderung liegt gar kein Grund vor. Da
es Osthoff mit dem gleichbedeutenden r&Awe usw. identifiziert,
das er wieder zu z&gag mit Dissimilation von g —0 zu A—o
stellt, so widerspricht n&Aog der Dissimilation, da sich am Schluß
der zweiten Silbe kein o befindet. Das hat ihn offenbar zu seiner
Konjektur *neAog für n&iog bewogen. Nirgends zeigt sich im
Griechischen bei der Wurzel pele- eine Spur von o-Stufe.. Das
dem griech. méie in seiner Bildung und Bedeutung genau ent-
sprechende lit. pilis müßte nach der Theorie Waldes eigentlich
*puls lauten. Man wird sich nicht einmal auf das Verbum pilti
berufen können und pilis darnach umgestaltet sein lassen. Denn
die Bedeutung von heutigem pilis und dem dazu gehörigen pìlti
liegen zu weit auseinander. Ich kann bei diesem Tatbestand
nur die eine Folgerung ziehen, daß róis, noAvg und die Aoriste
woieiv usw. mit ihrem ö-Vokal rein griechische Bildungen sind,
die mit scheinbar ähnlichen Erscheinungen in andern Sprachen
keinen Vergleich zulassen.
Was schließlich zérogsc angeht, so sehe ich mich außer Stande
das Wort zu deuten. Brugmann, Grundr.° II 2, 13 sieht den o-Laut
für alt an. Er wird wohl durch das ö des Neutrums in got. fidwor,
al. catvarı dazu veranlaßt sein. Aber wie neben es/os-Stämmen
Kollektiva auf -ðs liegen, so könnte mit gleichem Rechte € in
ion. t&oosges als die alte Vokalisation angesehen werden. Das
hat noch den Vorteil, daß der Konsonantismus völlig in Ordnung
ist, während Brugmann bei z£roges wegen des einfachen + im
Inlaut mit einer Analogiebildung rechnen muß. Zu 7&ooeges würden
im Suffixablaut auch lit. ketver}'), abulg. Cetvers stimmen, die aller-
dings distributive Bedeutung haben. Seit W. Schulze ob. XX VIII
281 stellt man mit griech. BAwdods ai. mürdhän- zusammen. Walde
erwähnt diesen Vergleich überhaupt nicht. Jedenfalls würde
BAwdoös, da Formen wie *ßo4- fehlen, seiner Theorie stracks
widersprechen. So bliebe für seine ganze Lehre als einzige, wenn
auch ganz unsichere Stütze nur 7&roges — TEere@xovra übrig.
1) In einer geistreichen Studie, Wa u. Sa. XII 253ff. hat A. Nehring zu
erklären versucht, warum im Idg. die Flexion in den Zahlwörtern nach 4 auf-
hört. Er stützt sich dabei 275 auch auf die Kollektivzahlen des Baltisch-
Slavischen und glaubt dadurch, daß sich lit. penkerì, šešeri im Suffix nach
ketveri gerichtet haben, den Nachweis zu erbringen, daß sie ursprünglich nur
bis 4 üblich waren. Diese Annahme ist aber irrig. Denn den uralten Bruch
in der Zahlenreihe zwischen 4 und 5 kennt auch das Lit. noch. Noch heute
heißt es ostlit. penkeli, šešelł usw., und das ist natürlich das Alte, vgl. Vert,
Syrwid 37, 871. Daß diese Zählungsweise früher noch weiter auch außerhalb
des Ostlit. üblich war, lehrt Daukšas Postille 699 = Orig. 4910 septinelis metüs.
Beiträge zur griechischen Grammatik. 113
Aber auch Waldes zweite Voraussetzung zeigt Lücken. Auf
Beosdoov, Bgoaðtgov neben ñood hat er schon selbst hingewiesen.
Er kann seine Theorie nur damit retten, daß er Gëoeäoon in der
Bedeutung von BıBowoxw. entfremdet nennt. Das mag für das
attische Wort, wo ßdeadoo» fast Eigenname ist, in gewissem Sinne
zustimmen. . Ob aber auch außerhalb Attikas der Zusammenhang
mit BıBowoxrw verloren gegangen ist, bleibt doch sehr die Frage.
Außerdem müßte diese „Entfremdung“ zwischen beiden Worten
ja schon im Urgriech. eingetreten sein. Für zroewoxw, Togeiv
stimmt Waldes Theorie nun gar nicht. Denn Hesych überliefert
dazu den s-Aorist r&geooev: Erowoev, Erdovwoe, wozu natürlich
auch 7£oeroov gehört. |
Auch die dritte Voraussetzung hat Lücken. Trotz #ogeiv,
Hogeiodaı, Boun, Foods, Yon, Yogloxoumı, Foŭgos < * Fooros
hat Hesych nicht nur Idovvodas und Yapvevc, sondern auch
neben 9oo- in $owoxw die Tiefstufe Be. in rededodaı: ayedodaı.
Von zırewoxw wird man weiter. nicht trennen können zereivaı,
Too, Tirgdtaı USW., so daß auch hier neben con. (zo@-?) ein
tow- steht. Viel schwerer aber fällt noch ins Gewicht, daß sich
auch bei einer m- und n-Wurzel Tiefstufe mit » findet, wo
nirgends ein ó in der Hochstufe daneben liegt. Bereits ob. S. 93
ist das ganz isolierte dualdgs — dußids, aber uöfivs zur Sprache
gekommen. Auch bei xv@wdaAor, zu dem lit. kándu und sicher
auch die Hesychglosse xdvadoı oıayoves, yvdadoı gehört’), versagt
Waldes ganze Theorie. Ich sehe keine Möglichkeit in dieser
Weise überhaupt die Frage zu lösen.
Schon de Saussure, Mém. 271 hat auf den merkwürdigen
Zusammenhang zwischen Färbung des auslautenden zweisilbigen
Wurzelvokals und der antekonsonantischen Tiefstufe hingewiesen.
Da das Ungewöhnliche in der Sprache oft auch das Altertümliche
ist, so könnte man die Vertretung oo, Aw, uw, vw für das Alte
halten und on, oë usw. als Assimilation an den schließenden
Wurzelvokal der Hochstufe ansehen. Ein Beweis dafür ist schwer
zu erbringen. Aber es spricht doch sehr zu Gunsten dieser An-
nahme, daß o@, om usw. immer nur eoa, ege usw. als Hochstufe
neben sich haben. Ich verweise auf r&uayos — ruürds, xduaros
— ğxuĞtOS, uas — ugatós, Gott — Öuärds, reidooanı — 240:
1) Man hält heute xdvado: allgemein für makedonisch, so O. Hoffmann,
Makedonen 52 und stellt es zu yvéo:, lit. Zandas. Aber dagegen spricht die
anlautende Tenuis. Verbindet man es mit xvodalov, lit. kándu, so ist alles
in bester Ordnung, und das Wort ist echt griechisch.
Zeitschrift für vergl. Sprachf. LIX 1/2. 8
114 F. Specht
tiov, negdoonı — NEĞTÓS, XEÇŘOOQL — XQĞTŃÇ, TEeAdooaı — TAQTÓS,
xégas — xodaros, Idvaros — Buërde, yegaoós — yoůs, tæaęçaxńń —
Joğttw, doads — ó@oroç, yeAdoaı — yåńvy (m wohl gleich œ) und
vielleicht auch ualaxds — 8468. Dagegen mit er yevétwę — yvy-
tös, nalkooaı — ainds, BÉAcuva — Båntós, tégetoov — rontög, ÔE-
Acao — BAÑE, néhedgov — into, oregedss — otoņvés(?). Nur ein-
mal besteht ein Gegensatz, der aber leicht zu lösen ist, zwischen
teuaxos — tuürds einerseits und xéZ4qóos — xAntds andrerseits.
Offenbar war die Beziehung von xâņtós zu xal£oaı, xaltw viel
enger als zu xéAaóos. Bei ru@rds kam ein ähnlich gebauter Aorist
oder Präsens, der deutlich den schließenden Wurzelvokal zeigte,
überhaupt nicht in Frage, und z&uaxos stand tu@tós im Sinne
viel näher als das in der Bedeutung abweichende z&uevog. Bei
xonuvög hat begreiflicherweise der Ausgleich an das e von xee-
udocı erfolgen müssen. Für das oben aus Hesych angeführte
reägdoäot fehlt überhaupt eine Form, die irgendwie den zwei-
silbigen Wurzelvokal noch zeigt. Man wird ihn aber nun um-
gekehrt als æ erschließen müssen.
Der Gegenbeweis wäre nun, daß überall dort, wo -ð als zwei-
silbiger Wurzelvokal erscheint, nur oe als Tiefstufe gelten dürfte.
Er läßt sich aber rein zufällig nicht erbringen. Denn fast alle
zweisilbigen Wurzeln mit schließendem o haben vokalischen An-
laut und, bei ihnen ist eine derartige Tiefstufe nicht gebräuchlich,
s. ob. S. 89, vgl. Zvoolixdwv, ğvouaı, Övoua, Öudonı, dodoaı. Kon-
sonantischen Anlaut zeigt nur yvo- in dyvoreiv. Hierzu könnte
yvo- in "md ohne weitres stimmen. Aber lat. cognosco,
ahd. einchnuodile (Ahd. Gl. I 3414s), ahd. archnait (ebd. I 128.)
können nur als langvokalische Hochstufe gedeutet werden, s. ob.
S.82 u. Anm. 2, und dieselbe Auffassung ist auch für yıyv@oxw
möglich. Wer aber behaupten wollte, in yıyvooxw, yvwtós,
Eyvwoucı, Eyvaodnv läge idg. gənə-, in čyvwv, yvooouaı idg. gnö-
vor, wäre schwerlich zu widerlegen. Denn ob. S. 106 konnte bei
dem Paradigma von ziuninuw mit einer ähnlich doppelten Ver-
tretung gerechnet werden.
Diese Angleichung der Tiefstufe an die Färbung des schließen-
den zweisilbigen Wurzelvokals ist wie jede Assimilation nicht
regelrecht durchgeführt. Das zeigt orgerde zu orop&oaı aus altem
* gregdoaı (ob. S. 107 Anm. 1), B&oedg0v zußowrcec. Doppelformen
liegen vor in zgntög nach regergov, aber tırowoxw und in oO xO,
tedododaı. Wie xa4éca,— xintog zeigen, setzt sie die Assimila-
tion des schließenden Wurzelvokals an den ersten voraus. Das
—
:— m
Beiträge zur griechischen Grammatik. 115
ist nicht weiter auffällig. Denn diese Angleichungen, die natür-
lich griech. in historischer Periode jederzeit noch möglich waren,
reichen, wie ich bereits ob. S. 84 Anm. 1 bemerkt habe, voreinzel-
sprachlich hinauf.
Waldes Lehre von der Assimilation von orewz6sg nach otoọéoat
stützt sich aber noch auf einen angeblich parallel laufenden Fall.
Neben den Tiefstufen v, u@ in Svntds, dxuntogs sieht er eine
zweite Vertretung ava, aua in Idvaros, xduaros. Hier soll ava,
aua aus nə, „ma entstanden sein, wenn sie sekundär den Ton
erhielten. Da nach Walde der Schlußvokal einer zweisilbigen
Wurzel immer a war, so liegt hier eine Art Assimilation nur in
umgekehrter Richtung vor. Diese seit langem übliche Deutung
von Ydvaros und xduaros, die hier Walde wieder aufnimmt,
scheint fast nirgends Widerspruch gefunden zu haben‘). Ich
stehe ihr mit schwerstem Bedenken gegenüber. Gewiß bezweifle
ich nicht eine derartige Reduktionsstufe (s. ob. S. 102), aber ihre
Entstehung läßt sich mit den Paradebeispielen Idvarog — Hvnrög,
xduatog — dxunvog nicht bestimmen und ist jedenfalls für Idvarog,
xduatos ganz unerweisbar. Niemand hat bisher gezeigt, daß
Yavaros, xduaros sekundären Akzent haben. Sie weichen in ihrer
Funktion von Hvntds, dxunvos ab, und mit diesem Unterschied
in der Bedeutung verbindet sich seit jeher ein Unterschied in der
Betonung. Während Partizipien wie $vntdg alte Endbetonung
eigen ist, haben die Verbalabstrakta Wurzelbetonung mit o-Ab-
tönung. Das lehren nAoörog, oltos, gdoroc, vóotos, xořtos, sicil.
uoïŭros und wohl auch xdorog, pöirog”), móxtos (Diehl, Anth. Lyr.
frg. mel. mon. adesp. 20); &oorog hat altes æ in der Wurzel und
èuc- in &uerog hat im Griech. Abtönung völlig aufgegeben.
Diese Wurzelbetonung wird nun auch durch außergriechische
Parallelen bestätigt, wie ai. srötas- „Strömung“ got. aips (Brug-
mann, Grundr.* II 1, 408f.).. Auch ags. dead „Tod“ aber dead’)
„tot“ könnte dahingehören, wenn es nicht näher läge, in dead
den Reflex von got. daudus zu sehen. Zu allen diesen Bildungen
stimmen im Akzent und in der Bedeutung genau Idvaros und
xduarog*‘). Die Wurzelbetonung dieser Verbalsubstantiva ist also
1) Nur Joh. Schmidt ob. XXXVII 46 möchte Jdvazos aus einer Flexion
*9évaros, Yavarov erklären, ohne das er Zustimmung erfahren hat. Gegner
ist auch P. Persson a a O. 632 Anm. 2.
2) Vgl. darüber E. Fraenkel, Nom. ag. I 243, II 115 Anm. 4.
s) Natürlich hat dead den Vokalismus von dead erhalten.
.4) Von diesen Bildungen ist natürlich erós, zayerös usw., denen ein Suffix
etos zu Grunde liegt, zu trennen.
Ch
116 F. Specht
seit idg. Zeit üblich gewesen und Endbetonung durch nichts er-
wiesen. So hängt die Entstehung von ava, aua durch sekun-
dären Ton völlig in der Luft. Alt wären *9óvatos und *xduarog,
die wie daudoaı aus ddurnuı ihr a aus Javeiv und xdurw, xaueiv
übertragen haben.
Wegen weiterer Beispiele, die den Wandel von ‚na usw. zu
«va bei sekundärem Ton erweisen sollen, beruft sich Walde auf
Hirt, Idg. Gr. 1 137, der in diesem Zusammenhang auch Bildungen
mit Liquiden «Aa, aça anführt. Von diesen sind zd4aoos, zG4Gs
wie raidoaı zu deuten, ob. S. 105, wo auch daudooaı besprochen
ist. B&avoç hat seine Entsprechungen in lat. glans, aslav. *Zeladt,
lit. gile. Die lat. und slav. Bildung stimmt im Suffix -andi- über-
ein. An und für sich könnten zwar ßdiavog und glandem als
* BaAa-vog'), *gla-ndem aufgelöst werden. Aber im Slav. hätte der
zweisilbige Wurzelvokal schwinden müssen, so daß *Zelgdo nur
als *Zel-andi verstanden werden kann. Deshalb muß auch glans
gleich gl-andi- sein. Da aber das av in Bdiavos von dem an in
glans, *Zelgdv nicht losgelöst werden kann, so ergibt sich auch
für das Griechische nur eine Analyse ßdi-avos. Ob Bdlavog als
einsilbige Wurzel oder als *Bala-avos zu verstehen ist, läßt sich
m. W. nicht entscheiden. Denn auch das lett. Wort mit einer
mir unklaren Dehnung betont zöle und zile, so daß infolge der
doppelten Intonation kein sichrer Schluß auf die ursprüngliche
Wurzelgestalt möglich ist. Für die Lehre von Walde-Hirt be-
weist aber BdAavog gar nichts. xdiauos wird, worauf auch die
germ. und slav. Entsprechungen hinweisen, wie œọo- altes œ in
der Wurzelsilbe haben. Was an sichern Gleichungen übrig bleibt,
wie duados, opdopuyos, naidun, dgauös, doduevaı, uqAaxós, ta-
0ETT0, Tapayr, xavéčw ist nicht dazu angetan, die Regel zu be-
stätigen. Von keinem läßt sich nachweisen, daß die Gruppe aza
usw. durch sekundären Akzent entstanden ist. ogdoayos steht
seiner Funktion nach mit Aöyog, pógos, gp9óyyos u.a. auf gleicher
Stufe und müßte, wie xdvaßog lehrt, *opógayosş heißen. Ebenso
ist zagaxn Umbildung nach zaodırw für *rogeyn, vergleiche oto-
vay zu orevdyw. Für aodrıw selbst kann das Gesetz auch nicht
stimmen, da fọńoow, Hgürtw mit ganz andrer Vokalentwicklung
daneben steht. Bei doduevaı‘ hovyadeıw Hes. müßte « aus dem
Stimmton des o entwickelt sein. Daher ist das Beispiel hier gar
nicht zu gebrauchen. ualaxos — 84à&š und doaiós vollends lehren
1) Kaum richtig darüber Brugmann, Gr? II 1, 259.
Beiträge zur griechischen Grammatik. 117
gerade das Gegenteil von dem, was Jdvarog — Funds beweisen
soll. Auch die zahlreichen Bildungen wie xavay&o, xavazń, xa-
vaxnöd, xava%xńs, xavazíčtw, xavayós haben niemals den Ton, was
man nach Waldes Lehre erwarten sollte, auf der Gruppe ava.
Allein Bdoa9go» neben Gëocoou fällt überhaupt ernstlich ins
Gewicht. Denn hier kann die Schwundstufe nur auf dem bei
Neutra üblichen Tonwechsel zwischen Singular und Plural ent-
standen sein, also ursprünglich ß&ged#oov, aber *8aoa9od, das
dann nach ñéos9ooz seine Betonung änderte. Aber der Gegen-
satz von hom. neledgov gegenüber att. n/&9oov, der genau so
zu deuten ist, lehrt wieder, daß auch eine andre Entwicklung
möglich war‘). Daß sie auch bei 8éog9ooz vorhanden war, er-
weist Etym. Magn. 194s, das für Krates und Euphorion ein ßé-
$oov anführt. Dies Géiioon < *8o£9ooz verhält sich zu Bégetgov
wie nAEdg0v zu neiedogov”). Außerdem läßt sich gar nicht be-
stimmen, wann der Ausgleich in der Betonung stattgefunden hat.
Er könnte verhältnismäßig spät eingetreten sein, als das angeb-
liche Gesetz: sekundär betontes ‚na wird zu due, gar nicht mehr
möglich war. Von xdonvov neben xoaards läßt sich schließlich
nicht beweisen, daß hier der Ton verrückt ist, og wird aus xden
stammen. Fasse ich also am Schluß das Resultat zusammen, so
ergibt sich klar, daß ein Teil der Bildungen mit ava, aua usw.
als Hochstufe zu fassen ist, in die die antevokalische Tiefstufe
analogisch verschleppt wurde. In dem andern Teil liegt sicher
eine Art Reduktionsstufe vor. Wie sich dieses aza in seiner
Entstehung zu den gleichfalls berechtigten væ und va verhält,
läßt sich vermuten’). Bemerkenswert bleibt jedenfalls, daß die
Mehrzahl der Bildungen mit tiefstufigem ava zu Wurzeln mit
konsonantischem Schluß gehört, wo die Ablautsverhältnisse im
Griech. stärker zerstört sind. Jedenfalls aber ist die Annahme,
ava, aua hätte sich erst bei sekundärem Ton aus ‚na, ‚ma ent-
wickelt, durch nichts gerechtfertigt.
1) Ich verweise oben LV 9 auf einen ähnlichen Ablaut in lit. žvałlůs,
jzvilnas, j2ulsnüs.
2) Anders über n&Asdoov, mAé9oow Kretschmer, Glo. IX 225f.
3) Ich sehe in Adoa9ooz und rapdırw urgriechische Analogiebildungen.
Regelmäßig wäre gewesen géoe®gov — *Bowdod, Aeärce — *reodfaı. Aber
diesen regelmäßigen Tiefstufen gingen die Vorstufen * 8ço29od, *rəo9ghie voraus.
Diese sind dann einfach in der Silbenzahl den daneben liegenden #&osdoov und
*zeod£aı angeglichen worden. Ebenso ist garde Angleichung der Silbenzahl
an *regelov (got. wairsiza), während däorog wieder die ungestörte Entwick-
lung zeigt.
118 F. Specht
Exkurs IV. Dissimilatorischer Digammaschwund.
Auf dissimilatorischen Digammaschwund ist verschiedentlich
hingewiesen worden. So hat Solmsen, IF. XXXI 470ff. die Flexion
moie — zmaióós, die Homer und das Kyprische statt *narıs —
*arıdos voraussetzen, durch Dissimilation von p— f zu p — Null
einleuchtend erklärt. Wenn dagegen im böot. narıdı I. Gr. VII
3989 r erhalten ist, so zeigt das nur, daß Dissimilationserschei-
nungen nie regelrecht aufzutreten pflegen. Den Versuch, Zoc mit
ai. vasd- zu verbinden hat E. Schwyzer, IF. XXXVIII 161 unter-
nommen, indem er in den Formen *reoerog, *FEOEFL, *FÉOEFEG,
*reoera gleichfalls dissimilatorischen Schwund des anlautenden
Digammas annahm. Einen ganz ähnlichen Gedanken scheint auch
Boisacg geäußert zu haben, wie ich Idg. Jahrb. XII 38 entnehme.
Ich füge zwei weitere Beispiele hinzu. Für den Namen des
Fuchses hat W. Schulze einen idg. Ablaut *vlop-& in dien,
* löp-e in lit. läpe, Soins in lat. volpes festgestellt. Im Griech.
konnte r einen Vokalvorschlag erhalten, Solmsen, Stud. zur griech.
Laut- u. Versl. 220ff., der sich mit f vor konsonantischem Anlaut
zu einem Diphthong verband. Daß diese neue Diphthongverbin-
dung nicht bloß auf das Äolische beschränkt blieb, wie z. B. Buck,
Introduction in the Greek Dial.’ 48 lehrt, zeigt etwa dor. aöingov
< *dringov, ep. ion. eding0v < *2rAngov, Solmsen a. a. O. 258.
Zum Überfluß heißt es aber auch bei den Äolern dion@ Alkaios
frg. 42, (Diehl), dessen Verhältnis zu dionng, W. Schulze ob. LII
311 bestimmt hat. Man wird daher dirf, dAona statt *adilw-
sing, *ablona <*driwnng, *drAwna wieder durch Dissimilations-
schwund in der Silbengruppe r — x erklären müssen.
Durch ai. vamiti, lit. vemti, lat. vomere wird für griech. Zu&o
ein ehemaliges *feuéw vorausgesetzt. Aber nirgends findet sich
mehr eine Spur von einem Digamma. Gewisse Erscheinungen
deuten sogar darauf hin, daß schon urgriech. das r nicht mehr
vorhanden gewesen ist. Zunächst heißt es bei Homer 011 alu
£&u£wv. Robert-Bechtel, Stud. zur Ilias 136 haben daher den Vers
als Ionismus gestrichen. Aber #437 findet sich in dnr£usooev
scheinbar ein neuer Verstoß gegen das Digamma gegenüber
dndegoe, dno£oyei, bnrösıne, Enıeiuevn, &rnıavddve und vielen andern
vokalisch auslautenden Präpositionen vor ehemaligem r-Anlaut.
Dazu gesellt sich folgendes. Die sogenannte attische Reduplika-
tion können bekanntlich nur solche Verben bilden, die ursprüng-
lich vokalisch anlauteten. Trotzdem heißt es von &uew seit Hip-
pokrates &unuexae, Wackernagel, GGN. 1902, 738. Dehnung in
Beiträge zur griechischen Grammatik. 119
der Kompositionsfuge ist nur gestattet bei vokalischem Anlaut
des zweiten Gliedes. Wiederum aber heißt es von. Z2u&o bei den
Hippokrateern sénge, dvonuns, dvnueros, Övonueros, dvonueiv,
was Wackernagel, Dehnung. 43 und 54 zu entschuldigen sich be-
müht. Dazu kommt noch eönue£ıns als bessere Lesart aus negi
doo, ¿u8o4. 40, ed. Kühlewein II 162, vgl. E. Fraenkel, Nom. ag.
I 234. Verba mit anlautendem e, vor dem j, o oder Fr’) ge-
schwunden ist, bilden das Augment mit e, z.B. elyov < *&oexorv,
eioydbero aus Ereoyalero. Dem widerspricht abermals Zu&w. Es
heißt z. B. Aristophanes Ach. 6 2&jusosev. In Hesiods Theog. 497
hat Rzach fälschlich gegen die Handschriften, die. &&önueo(0o)e,
€&nunoe bieten, im Anschluß an Fick, der es auf 2&er&usooe zurück-
führte, &&elueooe in den Text aufgenommen. Dazu kommt als
inschriftliches Zeugnis &$nuesoe aus Epidauros (Coll.-Becht. 3340:2s).
Allerdings wird es in seinem Wert eingeschränkt durch ¿oz
(ebd. 333907), onre (ebd. 3339s:), negijone (ebd. 3339:). Vgl.
Bechtel, Griech. Dial. II 450. |
Ich denke, diese vier Dinge zusammengenommen, Fehlen des
r im alten Epos, attische Reduplikation, Kompositionsdehnung
und Augment n sprechen eine zu deutliche Sprache, als daß im
Griechischen überhaupt noch ernstlich mit r-Anlaut gerechnet
werden kann. Dann muß aber wieder Dissimilationsschwund
von f in der Verbindung f— m vorliegen’).
Exkurs V. Griech. delödw.
Ob. S. 104 habe ich Wackernagels Erklärung von delöw (ob.
XXIX 151) abgelehnt. So gut auch griech. aöön, ðw, dödelw,
ai. vádati dem Sinne nach zu delöw passen mögen, die Herleitung
aus einem reduplizierten Aorist *aueudom zu *aueidon, aus dem
dann drelöw neugebildet sein soll, macht schon Schwierigkeiten
wegen der ablautenden doóds, dowön, doldınos und vor allem
wegen oëdé und dudd, ganz zu schweigen davon, daß eine Spur
eines solchen Aoristes sich nirgends mehr findet. Solmsen, Unter-
1) Daneben findet sich bei anlautendem Digamma auch Länge des Augments.
3) Auch an den dissimilatorischen Schwund von e in der gleichfalls labialen
Gruppe pọ — u in argiv. yodoua < *yoapoua, Solmsen, Rhein. Mas. LVI 497 ff.
mag dabei erinnert werden. Hierher gehört auch as. dmbon, Wadstein, Kleinere
as. Sprachdenkmäler 96bse, 105bs. Beide Glossen gehen vielleicht auf eine
Quelle zurück. Dazu kommen abdomina amban vel uuanst aus einer Pru-
dentiushandschrift bei Lehmann, Sitz.-Ber. Bair. Ak., Phil.-hist. Kl. 1930 Heft
II 36 und ahd. Gloss. III 451ss abdomus amban, wo überall amba aus wamba
nur auf dissimilatorischem Schwund von ¿o beruhen kann.
120 F. Specht
suchungen z. griech. Laut- u. Versl. 238, der Wackernagel zu-
stimmt, hat a.a.O. Anm. 1 in dndw» eine Dehnstufe sehen wollen.
Davon kann gar keine Rede sein. dndw» gehört seiner Bildung
und Bedeutung nach eng zusammen mit xelidov'). Dies zerlegt
sich deutlich in die Wurzel sed die im germ. gellan wiederkehrt,
und i4+6+w». Wendet man die gleiche Analyse auf dndwo» an,
in dem, wie die Hesychglosse dßnddva‘ dnddva zeigt, zwischen
a und n Digamma geschwunden ist, so ergibt sich eine Wurzel
au undn+6-+wv. Dann verhält sich -iwy in yelidov zu den
in dndov» wie etwa -ixes in Dolvines zu -Gxeç in Dalaxes oder
-icem in lat. cornicem wie -äco in umbr. curnäco (W. Schulze,
SSB. 1910, 803), d. h. Zon und -ndw» lassen sich unter der
ehemaligen Grundform -Zidön vereinigen. Dieses er mit der Tief-
stufe 3 kann nur eine Wurzelerweiterung sein, wie sie ähnlich in
lat. pet-t-vi oder ai. musnäti, musäydti, aber musivan u.a. begegnet.
Neben ¿ als Reduktionsstufe von ë; kann auch eioi erscheinen.
Es liegt vor in deidw, doıdds, das sich also zu dndwv verhält
wie etwa die gleichfalls reduzierten xeitaı, xoirog zu xwun.
Als Wurzel von dndwv, delöw, do,óós hatte sich au- ergeben.
Sie ist rein erhalten in den Hesychglossen čßaæ: zooxös, D Bon
oder dßwe‘ Bon ðs Adawves. Ahrens, De ling. Gr. dial. II 49
Anm. 22 hat zwar unter der Zustimmung von M. Schmidt die
letzte Glosse nicht anerkennen und sie in dßwe' nos Adxwwes
verbessern wollen. Aber die Emendation ist viel einfacher und
kann nur dßwe' Bor, oc Adxwves lauten, d.h. statt der zwei
aufeinanderfolgenden o ist nur eines geschrieben. Beide Glossen
also dr@ und drwg „Bon“ ergeben deutlich die Wurzel au. Dabei
ist das Verhältnis zwischen däre und drwg das gleiche wie zwischen
dem ähnlich lautenden Hol. aða und aöwg (Bechtel, Griech. Dial.
130, 52). Ferner sei an folgende Ableitungen bei Hesych er-
innert: dßngeı' ddeı; dßnoodcı: ddovoı. Auszugehen ist von einem
Adjektiv *dregds, das sich zu droe verhält wie zovpeods zu tov-
pn”). Hiervon ist ein Denominativum *dreoım geschaffen worden,
das dor. zu droe werden mußte. Demnach ist die verschieden
überlieferte Betonung zwischen dßngeı und dßngodoı auszugleichen
und dßroova zu betonen. Ferner gehört hierher auch die Hesych-
glosse dße&ooeı: Enınosei, Yogvßei. Dies dßeoosı stimmt seiner Bil-
dung nach genau zu hom. di;$eooov°), und wie dies zum s-Stamm
1) Vgl. auch die Vokative ¿óo¿ und yelıdoi.
2) Vgl. zu den Ableitungen auf -cọoç Lobeck, Prol. 260f.
3) Auffällig ist, daß der Homernachahmer Apollonius Rhodius dafür I 1171
Beiträge zur griechischen Grammatik. 121
nos, so gehört jenes zum s-Stamm droe Der Ausgangspunkt ist
beidemal ein to-Partizipium wie *@rdeorosg und *dreords gewesen.
Schließlich liegt derselbe Stamm auch im homerischen Im-
perfektum ade vor (A461, N 477, T 48, 51), das die Etymologen
einem trügerischen Gleichklang zuliebe zu dur&w, dvoaı zu stellen
pflegen, vgl. Boisaeq 103; G. Meyer, Griech. Gram.* 171; Walde-
Pokorny 1210; Walde, Lat. etym. Wort" 396. Der letzte führt
sogar ein Präsens dvw an, für das er kaum einen Gewährsmann
finden dürfte. Dann kann ein solches ade, das bloß in der Arsis
erscheint, nur Äolismus für dre sein. W. Schulze, Qu. ep. 52ff.
hat zwar den Nachweis zu erbringen gesucht, daß die Behand-
lung. von intervokalischem r im alten Epos und in der äolischen
Dichtung verschieden sei. Er hat daher geglaubt, die auf diese
Weise bei Homer entstandenen Diphthonge auf doppeltes Di-
gamma zurückführen zu müssen, das wiederum auf Assimilation
von Konsonant und Digamma beruht. So sehr das auch für die
meisten Fälle stimmen mag, hom. «adlayoı ist auf diese Weise
nicht beizukommen, vgl. Solmsen a.a. O. 171; Bechtel, Lexil. 76.
Hier kommt nur Zurückführung auf driayoı in Frage. Mit ihm
steht ade aus dre auf gleicher Stufe.
Es hat sich also ergeben, daß die bedeutungsverwandten
Wurzeln af und y4 mit einem Langdiphthong zu arn(ı)-, xei-
erweitert werden konnten. Dazu konnte überall noch das soge-
nannte Wurzeldeterminativ d antreten. Das ergab für au ein
aud. Es liegt als Hochstufe in aödn vor, wozu im Ablaut das
aus Homer’ von W. Schulze, Qu. ep. 17 Anm. 3 nachgewiesene
obönsoon stehen würde‘). Die Tiefstufe zeigen ddw, ödelw, Dén:
phun, Qó Theogn. Can. (Anek. Ox. II 19, 26), Solmsen a. a. O.
266. Nun kann ein diphthongischer Anlaut im Indogermanischen
Umstellung erleiden. Ich verweise auf eöxnlos neben rexndog,
edeös neben ai. vdriyas, Eöovoliaos neben ai. varutdr-, eöyouaı
neben ai. väghdt-, got. iusiza neben ai. vásu-, eövıs neben got. vans,
dor. eð aus *edodw neben got. vizon (W. Schulze, ob. XXIX
260) und die gleichen Feststellungen Joh. Schmidts, Plur. 212f.;
Krit. 152 und Bechtels, Hauptpr. 142 bei m-, n-Diphthongen’).
dr;9e0ov schreibt neben IV 38 dndeocovon. Vgl. G. Boesch, De Apollonii Rhodii
elocutione 13 (Berlin 1908). Debrunner, IF. XXI 228 will dafür dıjdeov ein-
setzen. Aber das paßt für den Homerimitator schlecht. Etwas anders über
hom. čýńðcocov urteilt Wackernagel, Sprachl. Unt. 236.
1) Anders darüber, aber nicht überzeugend Solmsen a. a. O. 81f.
2) Auch ofpw gegenüber russ. jebátb wird man so am besten beikommen
können.
122 F. Specht
Das ergibt neben aödn eine Wurzelform vad-, vod-, die im ai.
vAdati, Ht. vadinti, ksl. vaditi’), in den Hesychglossen yodar-
xAaleıw Koöngioı, yoôóv: yóņta gleich Foddv, Foödv und in dem
Namen ‘Holodog vorliegt (W. Schulze, Qu. ep. 147 Anm. 3; Solmsen
a. a. O. 82). Wurde dagegen auäi- mit d erweitert, so ergab das
drelöw. Auf diese Weise erklären sich sämtliche Formen unge-
zwungen, und man braucht für aöön, wie es Solmsen a. a. O. 267
oder Walde-Pokorny I 252 tun, nicht zu ganz unwahrscheinlichen
Erklärungen seine Zuflucht zu nehmen.
Wie au, oe konnte auch Ghel-, gheh mit dem Wurzeldeter-
minativ d versehen werden. Darauf hat bereits Persson, Zur
Lehre von der Wurzelerweiterung 41 und 221 hingewiesen. Es
gehören dahin ahd. gelzön, an. gelta „ertönen, bellen“, mhd. er-
gelzen „die Stimme ertönen lassen“, für die erweiterte Wurzel
xıyAlöo, dessen zweites ; lang sein kann. Vor allem muß man
aber auch yeAidw» hierhin rechnen. Durch die Beischrift auf
einer Tempelmetope in Thermon (Ätolien) ist geAıdr@v als griech.
Grundform zu Tage gekommen (Eg. dox. 1903, S. 73; Bechtel,
Griech. Dial. II 48). Dadurch ist nur eine Analyse xeliö + sw»
möglich. Eine solche Bildung findet ihr Gegenstück in griech.
Zion, drıeiowv, *neoa-Fov, *Eia-Fwv (Solmsen, Beitr. 52). Auch
an den ähnlichen Tiernamen got. sparwa sei erinnert. Besonders
produktiv aber ist con im Ai. geworden, wo es wie im Griech. und
Germ. unmittelbar an die Wurzel tritt, vgl. Brugmann, Grundr.”
II 1, 321 und Lindner, Ai. Nom. 106f. Ich nenne ydjvan „Ver-
ehrer“, pätvan „fliegend“, yudhvan „Kämpfer“, drühvan „schädi-
gend“. Nur sind die Nomina agentis und Adjektiva des Ai. im
Gegensatz zu xeiido» stets auf der Wurzel betont. Das muß
aber Ausgleich sein, wie allein die nicht seltne Schwundstufe
neben Hochstufe trotz Wurzelbetonung zeigt. Dagegen hat das
bereits ob. S. 120 erwähnte musivdn-, das gleich än Erweite-
rung der Wurzel mit einem Langdiphthongen zeigt, wie dieses
die alte Endbetonung noch Ai. bewahrt.
Fraglich bleibt die Auffassung von dndov, da hier ein alter
Beleg fehlt. Man könnte es wie xeliörwv auf *drnörwv zurück-
führen, Da aber duäos auch die Bedeutung eines Nomen actionis
haben kann, wie die Hesychglosse anddva' ġôńv oder Kallimachos
Epigr. II 5 dnöoves „Gesang, Lied“ zeigt”), so könnte man es
auch wie «Aendw» als drn-d@v analysieren. In diesem Falle hätten
1) Mit gedehntem Vokal wie abulg. plaviti oder lat. söpire.
2) In diesem Zusammenhang sei auch auf dndovis verwiesen.
Beiträge zur griechischen Grammatik. 123
die beiden Deltas in deidw und dnd@» nichts miteinander zu tun.
Eine sichere Entscheidung könnte nur ein alter inschriftlicher
Beleg für däs") bringen.
Die erweiterte Wurzel ohne Wurzeldeterminativ d zeigt mhd.
gli-en „schreien von Vögeln“, Vielleicht liegt sie auch im griech.
eiigeA@avn vor, das Pollux 9, 125 als Name eines Spiels anführt,
vgl. Diehl, Anth. Lyr. carm. pop. 35,1. Aus der Beschreibung
bei Pollux geht hervor, daß dabei ein Topf gro" eine Rolle
spielt. Aus den Gefäßnamen bei Athenaias im 11. Buche ergibt
sich ein @ódós (Athen. 503d, ei und ein dyxöin (ebd. 782d, e).
Beide Gefäßnamen könnte man mit gxelixeAwovn in Beziehung
bringen. Zu der Bedeutung „Schwalbe“ würde „öds „Sänger“
passen. Aber noch ansprechender ist die Verbindung mit dyx%4.
Denn nach Hesych bedeutet xeliöw» auch: ó xoilov ts mås
roi Dron. xal Tod dvdoWnov tò dvwdev rof dya@vog TO td
as naundg. Das stimmt in der Bedeutung zu dem Gefäßnamen
dyxú4m, der gleichfalls beim Spiel verwendet wurde. Ist diese
Übereinstimmung nicht bloß zufällig, so muß man in geliyeAovn
gioun auf *ghelöinä zurückführen und es völlig von dem Namen
der „Schildkröte“ trennen. Dann würde in yew- die Hochstufe
von xedi- vorliegen und das ganze ein Kompositum nach Art von
udouogos, ydeyapa sein. Allerdings steht die Bedeutung von
zeliyeAovn nicht sicher fest. Die, wie ich glaube, fälschlich ver-
wandte Hesychglosse yeiedö‘ gioun darf daran nicht irre machen.
Musurus hat zwar dafür yeledg‘ yeAovn einsetzen wollen, während
Mor. Schmidt die Interpunktion tilgt, xeleö xeAovn als Lemma
faßt und dahinter mit Berufung auf éier (sic!) xeAwvn das
Interpretament „naudıa napgdEvov“ ausgefallen sein läßt. Da
Hesych auch die Glosse yeĝevs: side besitzt, «ıIdoa und xeiwvn
außerdem Synonyma sind, so sehe ich gar keinen Grund in diesem
Falle die Überlieferung yeleö‘ yeAovn überhaupt zu ändern. yedeö
wäre dann einfach der Vokativ zum Nominativ xedevc.
Es haben sich also folgende Gestaltungen zweier bedeutungs-
ähnlicher Wurzeln ergeben: 1) au- in dr drws u. a: ghel- un-
belegt’), umgestaltet in germ. galan. 2) vokalische Erweiterung awei-
1) An und für sich wäre es denkbar, daß dnda» „Gesang“ auf drndwv,
Grën „Nachtigall“ in Arndrsv zurückginge. Auch xnAinödves (Pindar frg. 53)
könnte das Suffix A0 enthalten.
2) So schreibt Eustathios Od. 191456 und gibt dazu die Erläuterung: Zoe:
ô’ v roórots TÒ yEleı noooTanrınöv Pev, nagmyXoduevov tj XeAwy.
3) Die Dehnstufe dazu liegt vor im germ. Präteritum gôl, in got. göljan,
ahd. guollih, griech. xıynÄn.
124 F. Specht
vielleicht in dndw» in der Bedeutung „Gesang, Gedicht“, doch
unsicher; ghelei- in mhd. gien, vielleicht, aber unsicher, in "ed:
eiwvn. 3) Erweiterung der einfachen Wurzel mit d als aud- in
aùôń, w, Fodd usw.; als gheld- in ahd. gelzön, an. gelta. 4) An-
tritt des gleichen d an die vokalisch erweiterte Wurzel in aueid-
in deiöw, dowöds u.a. und in dndwv» in der Bedeutung „Nachti-
gall“, falls es auf *drnörwv» zurückgeht: ghelid- in yellörwr,
xıyAllo. |
2. Griech. ita.
Go ist eine sa-Bildung. Dazu stimmt genau lat, rädix, nur
ist wie in yevéterga — genetrir u. ñ. auslautendes z durch ein
k-Suffix erweitert worden. Auch das entsprechende got. waürts
muß die gleiche Stammbildung haben. In dem ¿ des i-Stammes
steckt das gleiche griech. wo lat. 3 Nun entsprechen sonst dem
devi-Typus im Germanischen aber Bildungen wie got. mawi, Ber,
hulundi oder mit Umbildung in die #n-Stämme gibandei u.a. Da
im Germ. in die gleiche Flexion auch langsilbige Verbalabstrakta
auf ia wie got. bandi hineingerieten (vgl. z. B. Lommel, Studien
über idg. Femininbildungen 73f.), so würde ein got. *waúrti nicht
weiter auffällig sein‘). In der Flexion von mawi, maujos ist nach
Ausweis von griech. yev&rsıgav und ved. derëm", devis der Ak-
kusativ des Singulars und Plurals analogisch umgebildet. Er hätte
bei regelmäßiger Entwicklung got. *mawi, * maweis lauten müssen.
Urgermanisch ergäbe das auf waúrts übertragen einen Akk. Sg.
*yurtim und Akk. Pl. *vurtis. *rurtim mußte in der weitern Ent-
wicklung mit den i-Stämmen wie *anstim zusammenfallen, und es
ist nahe liegend, daß dann auch das urgerm. ganz ungewöhnliche
* yurtis durch *vurtins ersetzt wurde, da ja Bildungen von :-Stämmen
im Gegensatz zu den 3-Stämmen auch sonst in der Minderzahl
waren. So sind also die Akkusative *vurtim und vurtins in gleicher
Weise für die Flexion nach den i-Stämmen maßgebend geworden,
wie die ursprünglich konsonantisch flektierenden Akkusative
*tunbum, *tunpuns, *fotum, *fotuns für die Umbildung nach den
1) Ebel ob. V 355 nimmt für den Sg. eine Flexion wauris mit stamm-
haftem s an und hat z. B. noch bei von Unwerth, P.Br.B. XXXVI 25 Beifall
gefunden. Diese Annahme beruht auf der Schreibung Po waürts Rom. 11, 18.
Der sonst zu diesem Zwecke herangezogene Dat. Sg. waurtsai Rom. 11, 17 ist
Konjektur für überliefertes waurhtai, wo h wahrscheinlich auf Rasur steht.
Man wird daher bo waúrts nur für Schreibfehler halten können.
2) Zuletzt darüber H. Pedersen, La 5. déclinaison Latine 29ff.
Beiträge zur griechischen Grammatik. 125
u-Stämmen. Allerdings besteht ein Unterschied. Die u-Flexion
bei fotus und tunus ist nur gotisch, während die i-Flexion bei
waurts gemeingermanisch ist. Der Grund wird darin liegen, daß
im Plural noch andre Formen vorhanden waren, die eine Durch-
führung der Flexion nach den i-Stämmen unterstützten. Der
Instrumental devibhis setzt ein *vurlimis voraus, das wie der Ak-
kusativ Pluralis leicht nach den i-Stämmen hat umgebildet werden
können. Der ursprüngliche Nominativ Pluralis *vurtis (ved. devis)
mußte außerdem früh mit ansieis aus *ansteies zusammenfallen.
War also im Plural der Übergang in die Flexion der i-Stämme
besonders günstig, so ist es gewiß kein Zufall, daß im Gotischen
der Plural waurteis „die Wurzel der Pflanze“ bedeutet, also für
den griech. Singular did steht, während waurts im Singular nur
übertragene Bedeutung hat. Das steht schon bei E. Schulze, Got.
Glossar 421. Auch aus den andern germ. Sprachen gewinnt man
den Eindruck, daß dies Wort ganz überwiegend im Plural vor-
kommt. Man darf daher vielleicht den Schluß ziehen, daß im
Germ. der Typus devi in der Regel durch Bildungen wie mawi,
maujos ersetzt wird, bei vorwiegend pluralisch gebrauchten
Wörtern aber durch die :-Flexion.
Wenn also der devi-Typus im Germanischen neben der ge-
wöhnlichen Vertretung wie in got. mawi — maujos auch vereinzelt
durch einen Stamm wiedergegeben wird, so ist das aus dem
ehemaligen Paradigma heraus wohl verständlich. Es liegt viel-
leicht ein ähnlicher Fall in as. meri vor. Auf die auffällige Über-
einstimmung in der Stammbildung zwischen einem Stamm auf
iă und in in yAooon- yAwyxiv- und Maiga- got. marein- hat W.
Schulze, S. B. A. 1910, 794f. hingewiesen. as. meri könnte nun
genau wie as. wurt aufgefaßt werden, nur mit dem Unterschied,
daß es als kurzsilbiger Stamm sein -i erhalten hat. Ganz ähnlich
beurteilt as. meri Joh. Schmidt, Plur. 45. Nur führt er as. meri
auf urgerm. * mar; zurück, während m. M. nach nur ein *mariz
zu Grunde liegen kann. Da aber die kurzsilbigen femininen i-
Stämme im As. gänzlich mit den got. Substantiven auf -ein-
zusammengefallen sind, so ließe sich die Annahme, in as. meri
liege der Reflex von got. marei vor, mit unsern Mitteln nicht
widerlegen.
Stimmen so Go, rädix, waürts in der Suffixbildung genau
überein, so liegt es nahe, auch gleiche Wurzelgestalt anzunehmen.
rädix und vaurts decken sich auch hier genau, nur dia macht
Schwierigkeiten. Man stellt es heute gewöhnlich mit dem ¿ in
126 F. Specht
x94;ós neben y9šç u. ä. auf gleiche Stufe’), so Brugmann-Thumb,
Griech. Gram.* 84; Hirt, Griech. Gram.* 105: Idg. Gram. II 80,
ähnlich auch G. Meyer, Griech. Gram.* 68, und sieht darin Schwä-
chung aus einem *oredia. Aber rädix weist auf eine zweisilbige
Wurzel, während sich ein *vredia oder *vrdia nur auf eine einsil-
bige beziehen kann. Oben S.83ff. war darauf hingewiesen worden,
daß der zweite Vokal einer zweisilbigen Wurzel leicht zur Assi-
milation hinneigt. In den angeführten Beispielen war sie stets
progressiv. Ein solcher Fall ist in ġia unmöglich, weil sich die
Vollstufe *verad- nirgends mehr nachweisen läßt. Nun gibt es
aber eine Schwundstufe der zweisilbigen Wurzel von der Art,
daß der erste Vokal ausfällt und der zweite erhalten bleibt, wie
in lat. gravis, griech. ni&9g0v (s. ob. S. 117), ags. cran usw. Bei
solchen Bildungen war nur eine regressive Assimilation möglich.
Die sehe ich in ia < *rgaöta. Der auslautende Vokal der
zweisilbigen Wurzel ist also durch das folgende į zu i assimi-
liert worden. Dann stimmen ĝia, rädix, waúrts nicht nur in der
Suffixbildung, sondern auch in der Wurzelstufe auf das schönste
zu einander.
Einen ganz ähnlichen Fall wird es bei der Seltenheit der-
artiger Bildungen schwerlich geben. Aber an ein in gewisser
Weise ganz ähnlich geartetes Beispiel möge doch erinnert werden,
zumal unsre Handbücher entweder darüber schweigen oder ganz
unmögliche Erklärungen vorbringen. Zu hom. oixteös gehört das
Verbum oixtigw. Brugmann, Grundr.’ II 1, 358; Brugmann-Thumb,
Griech. Gram.* 353 Anm. 2 nehmen als Grundform von oixtlow
ein *oixtigo- an und verweisen deshalb 227 Anm. 2 auf oixtiċw.
Nun kann aber aus dem erst nachhomerischen oixti&w kein Stamm
*oixtig- erschlossen werden. Ich sehe keine andre Möglichkeit
als oixtiọw auf *oixtọ:w oder *oixz,o«w zurückzuführen. Hier ist
unter der Doppelwirkung von o,—i das dazwischen stehende y
oder ‚r zu ir umgefärbt worden. Diese, wie mir scheint, allein
ansprechende Erklärung habe ich als Student bei W. Schulze in
den Vorlesungen gehört.
3. Die Bildung des Femininums der ö-Stämme im
Griechischen.
Soweit die Feminina der «-Stämme im Idg. auf ič CO ge-
1) Die Kürze des ¿ in ó¿ša bezeugt ausdrücklich Herod. II L. 579, 19 =
Choer. 256, 19: ġia Exeı yàg tò ı adving avveoralusvor Das be i
H e e k
wegen Fortunatov ob. XXXVI 37. G erke ich
Beiträge zur griechischen Grammatik. 127
bildet werden’), tritt das Motionssuffix unmittelbar an den schwa-
chen Stamm, der vor Vokal als w erscheint. Vgl. ai. svädih —
svädvti, lit. platüs — plati, got. hardus — *hardi mut Schwund des
u, der in den obliquen Kasus entstanden ist”), und das aus
* syädui umgebildete lat. suavis. Ganz aus dem Rahmen heraus
fällt das Griechische, das scheinbar vor der Endung -¿ den
starken Stamm aufweist, wie Zäeto Es ist nur die reine Folge-
richtigkeit, wenn Wackernagel, IF. XLIII 123 in diesem Fall
de Saussures flexion faible sieht”. Aber seine Vermutung über
diese Formen vermag ich doch nicht zu teilen. Zunächst kann
ich ihm nicht zustimmen, wenn er in dem e in %óéos dasselbe e
wie in Zeie sehen will; ôéos zeigt nach m. A. den starken
Stamm‘). Er weist ferner beiläufig auf die ai. Feminina auf -ävi
(wie vasdvi zu vasih) und hält wohl stoe im Griechischen für eine
Kürzung aus ai. o, Allein schon der Akzent in vasdvi und
jahndvi ist auffällig, s. u. S. 131.
Ferner verlangt viel eher die Dehnung in der Suffixsilbe
-āvī eine Deutung, da sonst die -Stimme Langdiphthong nirgends
aufweisen‘). Ich lehne daher eine Verknüpfung von sto mit -āvi,
das auch Im Ai. ganz isoliert steht, ab.
Im Ai. hat sich neben prthüh — prthvt in isolierter Bedeutung
prthivt erhalten, dessen Verhältnis zu prthv Thurneysen, IF. IV
84f. richtig bestimmt hat. Dabei waren für das adjektivische
prthvi die vielen Bildungen von einsilbigen Wurzeln wie svädv?
maßgebend, deren Maskulina mit prthúh genau tbereinstimmten.
Da im Griechischen wie im Ai. der zweisilbige Wurzelvokal unter
den gleichen Bedingungen blieb, so liegt es nahe, Bildungen wie
prthivi auch im Griechischen zu vermuten. Auf die genaue Ent-
sprechung I/Adtaıa oder Mâataiai hat Thurneysen a. a. O. bereits
1) Vgl. Sommer, IF. XXXVI 166ff.
2) Vgl. Job. Schmidt bei Mahlow, AEO 30 und Streitberg, IF. XIX 214f.
3) de Saussure selbst Syst. 207 neigt eher dazu in wAuzeia als in prihvi
das Alte zu sehen, spricht sich aber sonst über die Bildung nicht weiter aus.
4) Alt ist der starke Stamm im Lok. Sg. #ó£r., im Nom. Plur. ZAädrec und
wohl auch, wie die Übereinstimmung zwischen Griech., Germ. und Slav. lehrt
schon seit idg. Zeit im Gen. Plur.; #ó£os ist kaum anders als Add: und +óéaç
aufzufassen. Für den Akk. Plur. kennt Zenodot bekanntlich noch zo42s, vgl.
Bekker, Hom. Blätter I 39.
5) Es käme höchstens der Lok. Sg. in Frage. Man ist heute allerdings
vielfach geneigt, Ableitungen vom Lok. Sg. aus anzunehmen, vgl. Brugmann,
Gr.? I 1,218, der auch die ai. Bildungen auf 27 so deutet. Aber diese Erklärung
bedarf einer großen Einschränkung; ai. närı und dbrahmäni weisen sicher in
eine ganz andere Richtung.
128 F. Specht
hingewiesen. Vgl. auch Wackernagel, GGN. 1914, 116. Wie die
Färbung des zweisilbigen Wurzelvokals gewesen ist, läßt sich mit
Sicherheit nicht ausmachen. In Frage kommt oe eo vgl. W.
Schulze, ob. XLV 23 und meine Ausführungen ob. S. 83ff. Falls
nAddavov dazu gehört‘), würde man auf a-Färbung mit gewisser
Wahrscheinlichkeit schließen dürfen. Dann wäre *niaraıa das
Ursprüngliche. Nun hat die Lautgruppe oo griech. zu aa dis-
similiert werden müssen, wie ‘Pnvausds zu Puer u. a. zeigen,
und diese Erscheinung ist nicht bloß auf das Attische beschränkt
gewesen. Vgl. Wackernagel, IF. XX V 332f.; Günther, IF. X XXIII
414ff.; Bechtel, Gr. Dial. II 49f.; Jacobsohn ob. LVII 90 Anm. 1.
Bei Mâdraıa erhielt sich as unter dem Einfluß von Mhataireús,
im Adjektivum *nAaraıa stand die Femininform ganz isoliert, so
daß sie regelrecht zu *niareın werden mußte. Zu dieser Um-
färbung von < zu e trug nun auch bei, daß schon vor dem
w-Schwund neben dem Femininum *niara-ut«a im Maskulinum
und Neutrum der Stamm siar-eu- lag. Für das griech. Sprach-
gefühl war aber die Analyse von *niara-uıa und ndar-eu-0g
genau die gleiche, und so ist es begreiflich, daß auch von hier
aus eine Umfärbung des a zu e eintreten konnte. Darauf weist
nun auch der Akzent. Wie Lehrs, Qu. ep. 166ff. gezeigt hat,
haben die Alten noch die Betonung Ydlsıa, Alysıa, (E)Adysıa ”)
gekannt, und Wackernagel, GGN. 1914, 115f. hat weiter darauf
hingewiesen, daß diese Betonung im N.Sg. alt sein muß, wie die
Parallelbildungen auf -ı@ es fordern. Im Nomen propr. I/Adzaıe,
Il/orauci ist die alte Betonung offenbar geblieben. Mit Mhataai
auf gleicher Stufe steht ferner ausiai, tappeıai”) (Lehrs, Ari-
starch *259). Dann kann *nlareia < *nlareuia < "niaraute nur
wieder von rziateos und Genossen den Akzent erhalten haben,
wo er für die Oxytona nach Ausweis des Altindischen alt ist.
Es gibt schließlich noch eine weitre Erscheinung, die die
Umfärbung des auslautenden Vokals der zweisilbigen Wurzel,
falls er nicht von Hause aus e war, zu e gefördert hat. Bekannt-
lich erscheint ein «-Adjektiv komponiert als s-Stamm, z. B. daovös
— innodaons, Bagús — oivoßaors, ai. prthú — sapräthas-, mrdu —
ürnamrodas- (Wackernagel, Ai. Gr. H 1, 232; Fränkel, ob. XLII
1) Dagegen sprechen sich aus z. B. Lagercrantz, Zur griech. Lautgeschichte
68 ff. und Bechtel ob. XLIX 118; aber vgl. z/arauwv.
3) Dazu kommt noch zeodeıa nach Etym. Gud. Opus 37019. Die letzte
Stelle ist identisch mit Cramer, Anek. Ox. 1256 und Etym. Magn. 565sff. (vgl.
Lehrs, Qu. ep. 170). Nur fehlt in beiden der entscheidende Satz.
3) Jaueıal: Qaud = @RÜS: xa USW.
Beiträge zur griechischen Grammatik. 129
205 und Anm. 1). Dazu kommt, daß im Plural in den meisten
Kasus adjektivische u- und s-Stämme überhaupt gleich lauten,
z. B. noltes — eùyevées, moAdwv — ebyevewv, nolkas — ebyevkag').
Von welchen dieser drei Erscheinungen die Umfärbung von «
zu € am stärksten beeinflußt ist, läßt sich kaum ausmachen.
Wie nAatös ist auch Baovs, lat. gravis eine zweisilbige Wurzel,
so daß auch hier Bagei@ < *Baoa-u:a das Alte sein muß °’). Bei
eboöüsg läßt sich die Färbung des auslautenden Wurzelvokals nicht
sicher ermitteln. Daher könnte eögei« alt sein, es könnte aber auch
wieder auf *eöoa-u!a zurückgehen. Dagegen ist die ehemalige Zu-
rückführung von zoA447% auf *no/yu:e durch W. Schulze, Qu. ep. 82
kaum möglich. Man würde dann wohl eher ein *noleia zu er-
warten haben. - Es bleibt daher nur die Annahme übrig, daß zo42ós
neben noAös auf *moAvAös zurückgeht (Thurneysen, IF. XXI 176),
der sich auch W. Schulze selbst, Festschrift für Jagić 343 Anm. 1
angeschlossen hat. Dagegen Wackernagel, GGN. 1914, 121.
Wie im Ai. die Femininbildung der «-Adjektiva einsilbiger
Wurzeln die der zweisilbigen verdrängt hat, so glaube ich, daß
umgekehrt im Griechischen die Feminina der zweisilbigen Wurzeln
über die der einsilbigen gesiegt haben. Das klingt zunächst un-
wahrscheinlich, weil ja die einsilbigen Wurzeln rein zahlen-
mäßig weit überwogen. Aber man mache sich einmal klar, wie
bei regelmäßiger Bildung die Feminina etwa von ñcea9%s, vggrde,
Zégc, EAayüs, "dude, Ange, Tagpüs, Yaldc, dogde usw. gelautet
hätten. Das Ergebnis wäre nach Übertragung des konsonantischen
-i aus den obliquen Kasus in den Nom. Sg. ein *ßadute, *xoa-
tuia, "hdura, *Eiaxyura, *yAvauta, "Annie, *raoputa, * Jakuta,
*öaouta gewesen, wo überall 4 zwischen beiden Konsonanten
hätte schwinden müssen. Daraus wären entstanden zu Badös ein
* 8ao(o)a, zu xoatós ein *xoao(o)a, zu $óós ein *nLa, zu Zioezde
ein *2/aooa, zu y4uxús ein *yAvooa, zu Ange ein *Aıda, zu Tagpüs
ein *zagrıra, zu Yalds ein *YuAla, zu doede ein doo usw.°). Das
1) Auf Grund dieser Erscheinungen hat Jacobsohn, Hermes XLV 71f. auch
erwogen, ob nicht die homerischen Dative Plur. ze /iëxeggt, nóñeooiw, zdÀAeoo"
einfach Umbildungen nach den s-Stämmen sind.
2) Wegen ved. pūrvī sollte man eine andre Form der Tiefstufe erwarten.
Aber Partizipien wie dhamita-, samitä-, svanitd- u.a., die kaum etwas andres
als Tiefstufe sein können (ob. S.88. 91 u. Anm. 1) stehen mit Bageia auf gleicher
Stufe.
3) Man vergleiche dazu die Komparative wie fodoowv, ndoowv, udocwv,
yAbocowv, Bdoowv, Eidoowv, Ydoowv, dooov, Tocwv, ngEoowv, uellwv, Ölellwv,
die z. T. Lentz, Herodian I 523s0 allerdings unter anderm Gesichtspunkt zu-
Zeitschrift für vergl. Spracht. LIX 1⁄2 9
130 F. Specht
heißt also, überall wich das Femininum derart vom Maskulinum
ab, daß das Gefühl der Zusammengehörigkeit zwischen Maskulin-
und Femininform auf die Dauer für den Sprechenden kaum .vor-
handen war. Damit war der Anlaß zu einer Neubildung sofort
gegeben. Sie fand sich leicht, wenn man an Formen wie swlareie,
Baosia, edoeia anknüpfte, die im Maskulinum genau mit den ein-
silbigen Wurzeln übereinstimmten. Auch dabei kann das e der
obliquen Kasus des Maskulinums und Neutrums mitgewirkt haben.
Man kann zum Schluß noch die Frage stellen, ob nicht noch
Spuren der alten Femininbildung im Griechischen vorhanden sind.
Mit Sicherheit weiß ich nichts anzuführen, aber auf zwei Fälle,
die unter Umständen Reste davon zeigen, möchte ich doch hin-
weisen. Neben noaös aus *präjus besteht ein Adjektiv zo@os.
Im Attischen scheint die Schreibung ohne ı subscriptum üblich
gewesen zu sein, vgl. Meisterhans-Schwyzer, Gram. der att.Inschr.”
64 und Bechtel, Histor. Personennam. 501. Aber daneben weist
die Grammatiker-Überlieferung auch auf Schreibung mit i. Vgl.
Herodian L. 1109, zmo@os und I 237,1. neaös und Etymologicum
Gudianum 478, zmo@os, 2000 tò Ödov, Ó onuaiveı tò EÖxolov. Zret
dë ro or: tQ eis ov nadaoa dıodilaße, óip9óyyo nagainydusva
TE000gd Elo: xai tà uèv ÖVo Exrpwvodcı tÒ iðta, otov sılsiov,
deion, tà Ôè úo oöyi, olov ğov, nodov. In neaüs aus *präius
hatte das ı dvexp@vntov keinen Platz. zo@os führt Boisacq auf
*präiuos als Weiterbildung eines z-Stamms mit ö-Suffix zurück.
Hier war i berechtigt. Ganz ähnlich sieht Jacobsohn, Hermes
XLIV 83ff. in Zwı000g'), das vorzüglich den dorischen Mundarten
eigen ist, eine o-Erweiterung von Auıru-. Ich sehe nichts, was
gegen diese Ansicht sprechen könnte. Erwägen ließe sich nur,
ob nicht zəo@os oder wenigstens Zuogoc erst nach einem Femi-
ninum "Togo aus *präiuid zu *präua®) oder *nuruta zu Huta
sammengestellt hat. Hier haben sich die vom Positiv im Stammauslaut ab-
weichenden Formen in den einzelnen Mundarten auch nur z. T. erhalten, da die
Verbindung zwischen Positiv und Komparativ nicht so eng war, wie etwa
zwischen Maskulinum und Femininum der gleichen Steigerungsform.
1) Vgl. darüber Jacobsohn a. a. O. und Brugmann, Ber. S. Ges. 1901, 90.
Die auf spätern Inschriften sich findende Form Zuiooc erklärt Jacobsohn an-
sprechend als Kreuzung zwischen Zuıovs der Koine und Zone, Dagegen muß
guıoov in der neugefundenen lokrischen Bronze für zu:000» stehen, was bei dem
Alter der Inschrift kaum Schwierigkeiten macht, vgl. auch die Schreibungen
ward = XAT 10, ndvıeow, dAaLEodö, yeygausvöv und v. Wilamowitz, Sitz. Berl.
Ak. 1927, 13.
2) Länge des zweiten Komponenten eines Diphthongs mußte gekürzt werden.
Vgl. Optative wie einen, géoo, oder Dual Medii ai. bkárete aus *bhara-itai.
Haplologie im Satzzusammenhang. 131
zu "fue neu gebildet ist. Dann würde og in Zuuoos nicht
auf zw, sondern auf q: beruhen. Welche Deutung bei #gugoos
die richtige ist, läßt sich schwer entscheiden. Bei zo@os macht
allerdings der Umstand Schwierigkeiten, daß ein Femininum vom
ö-Stamm nicht vorhanden ist. Dazu kommt der Akzent. Denn
das Verhältnis ngaös zu zo@os stimmt genau zu ai. vibhú-, vibhva-
oder rbhú- rbhva-').
Halle (Saale). F. Specht.
Haplologie im Satzzusammenhang.
Seit Schwyzers schöner Entdeckung IF. XIV 24ff. Baar
övvxas Hesiods Scut. 254 statt BdAlov Övvxas ist öfter über diese
Frage gehandelt worden. Dabei ist auch manches mit zur Sprache
gekommen, was nicht hierher gehört. Wegen der Literatur ver-
weise ich auf E. SE Baltoslavica 47. Euripides’ Orest.
502f. heißt es
TÒ geh T £iaßev dvri ovupooäs
xal Tod vóuov T Av sier eboeßis ç Av $.
åvtì ovupogäs ist nur von einem kleinen Teil der Handschriften
überliefert, die besten haben dafür ën ts ovupogds, vgl. den
kritischen Apparat bei Murray. Dem Scholiasten scheinen beide
Lesarten bekannt gewesen zu sein. Die früheren Herausgeber
schreiben v “xç ovupoods, während sich Nauck, Wecklein,
Murray für dvri ovupoods entscheiden. Beide Lesarten haben
scheinbar eine Härte. Wählt man dvri ovupogds so fehlt čv,
das in den beiden folgenden völlig gleich geordneten Sätzen vor-
handen ist. Entscheidet man sich für &» zs, so ist der Genitiv
unverständlich. Zwar hat G. Hermann in seiner Ausgabe auf
Aischylos Agamemnon 350
noAlov yàg EoIlov tývð? Övnow elAdunv
verwiesen (vgl. auch Opuscula I 180) „hunc ego fructum multae
prosperitati praefero“. Aber in diesem Falle steht sid in
dichterischem Sinne für das Kompositum dvdeıldunv und teilt
demgemäß auch dessen Konstruktion. Der betreffende Vers des
Euripides ist dagegen sofort in Ordnung, wenn man Gut gleich
äv duc nimmt. Dann ist v zç nichts weiter als alte Konjektur
für das scheinbar fehlende dn Lehrreich ist der Fall insofern, als
sich diese Haplologie bei einem Stilisten wie Euripides findet. Er-
träglicher wurde sie durch die beiden du der koordinierten Sätze.
Halle (Saale). | F. Specht.
1) Vgl. auch ai. karit neben kärita- u. a.
dk
139 Erich Hofmann
Kultur und Sprachgeist in den Monatsnamen.
1. A. Meillet hat in seinem kleinen Aufsatz ,Sur certains
noms de l’annde“ in den MSL. XXIII, Heft 2 (1927), 146f. gezeigt,
wie sich die Tierzucht der Indogermanen in festen Gebräuchen
der Jahresbezeichnung widerspiegelt. Hieran anknüpfend be-
merken wir, daß eine jüngere Kultur, der die Seßhaftigkeit voraus-
setzende Ackerbau, sich erst in dem Namen der zuletzt benannten
Jahreszeit, in deren Benennung die Sprachen stark auseinander-
gehen, im Herbst nachweisen läßt. Hierher gehört herbist selbst
(zu carpere und xaonideıw) sowie die weiter verbreitete Sippe von
slav. (j)esenv, apr. assanis, got. asans usw., zu der nach W. Schulze,
Quaest. ep. 475 auch önwea „Herbst“ gehört, aus *ön- dodeav
„nach der Erntezeit“. Die früher bekannten Jahreszeiten Sommer,
Winter und ihr Zwischenglied Frühling sind nach Witterungs-
erscheinungen benannt, nach der Hitze, dem Schnee und ver-
mutlich der Zunahme des Lichtes. Die Jahressechstel der Inder
sind nach diesem Witterungstypus ergänzt (varsah „Regenzeit“,
sarad „der feuchte Herbst“, sisirah „Tauzeit“), während die 6
gähanbär des Avesta auch Viehzucht und Ackerbau in ihr System
hineinziehen (paitishahya „was die Aussaat, das Getreide betrifft“,
ayädrima „Eintrieb von der Alm“), und ebenso steht es mit den
iranischen Monatsnamen, auf die später noch zurückzukommen
sein wird.
Wenn wir hier von den Jahreszeiten hinüberspringen zu den
Monaten, so darf dagegen nicht eingewandt werden, daß die Be-
nennung der Monate erst viel später erfolgte, nachdem das Jahr
in Monate eingeteilt worden war. Denn einmal liegen die Namen
der Monate vielfach in derselben Richtung wie die der schon
vorher eingeführten Jahreszeiten, und zum andern sind die Be-
nennungen der Monate von Jahreszeiten auf diese übertragen
worden, wobei der Name oft von einem größeren Zeitraum auf
einen Monat eingeschränkt wurde‘). Diese Verengerung wird
nicht nur dadurch deutlich, daß ein Name für verschiedene Monate
in ein und derselben Sprache gilt (Hartmonat für November,
Dezember, Januar und sogar Februar, Herbstmonat für September,
Oktober, November; Beispiele aus den baltoslavischen Sprachen
folgen später), sondern auch dadurch, daß ein Name in eng ver-
wandten Sprachen verschiedene Monate bezeichnet (z. B. aksl.
br&ezons April : čech. březen März, lit. birZelis April, Mai, Juni.
1) Schrader-Nehring, Reallexikon II? 71.
Kultur tind Sprachgeist in den Monatsnamen. 133
Serb. lipanj Juni : klr. #ypen Juli : poln. lipiec Juli, lit. Hepos menuo
Juli : lett. Aën mēnesis Juni, Juli. Aksl. listopads Oktober : čech.
listopad November, lit. lapkri(s)tys Oktober, November : lett. lap-
kritis November). Die Verengerung des Zeitraums wird auch
dadurch vorgenommen, daß ein Name auf mehrere (meist zwei,
seltener drei) Monate verteilt wird. Das geschieht auf verschie-
dene Weise. Einmal durch Zählung; das findet sich im Germa-
nischen. In bayrischen Kalendern des 15. Jahrhunderts werden
folgende Monate durch Zählung geschieden: das erst, das ander
ackermonat März, April; das erst, das ander mai Mai, Juni; der
erst, der under augst Juli, August bzw. August, September; der
erst, der ander, der dritt herbst September, Oktober, November’);
ebenso der erst, der ander, der dritt herbstmän; daneben der erst, `
der ander herbstmän für Oktober, November; der erst, der ander
winter November, Dezember’). Ähnlich ist die Zählung in dem
von Beda überlieferten angelsächsischen Kalender, nur daB —
außer beim Schaltmonat — kein Zahlwort verwendet wird, sondern
„der vorderste“, „der frühere“, „der hintere“: forma giuli, eftera
giuli; érra Hda, eftera Hda se dridda Hda. Ansätze zur Zählung
zeigt auch der altnordische Kalender mit seinem einmänudr „Ein-
monat (bis zum Beginn des Sommers)* und tvimänudr „Zwei-
monat (bis zum Beginn des Winters)“. Das gotische fruma Jiuleis
wird gleich anzuführen sein.
Zweitens werden zwei Monate durch den gleichen Namen
bezeichnet, jedoch eine Scheidung durch den Zusatz „groß“ bzw.
„klein“ bewirkt. Insbesondere ist das slavisch. Die Bezeichnung
der Jahreszeit wird auf zwei Monate übertragen, auf deren einen
sie stärker paßt als auf den anderen. Der älteste Beleg für travon
„Grasmonat“ findet sich wohl im altruss. galizischen Tetraevange-
Hum von 1144 (Kryloser Ev.) mai rekomyj travns (vgl. Sreznevskij,
Materialy s. v.), und Mai ist die vorherrschende Bedeutung, z. B.
heute noch im Kalender der Tschechen. Ein aus dem Jahre 1466
stammendes Verzeichnis slovenischer Monatsnamen (vgl. IF. A. XII,
S. 311, Nr. 61) bietet maly trawen für den April, weliky trawen für
den Mai. Ebenso ist es im Kroatischen: mali travan, veliki travan;
hier bezeichnet aber travan ohne Zusatz noch den Mai Es ist
der Monat in dem das Gras grünt, der April zeigt noch nicht den
Höhepunkt des Grünens, sondern nur den Beginn, daher heißt
1) Auch albanesisch: vjesht e pār, vjesht e dğt, vjesht e frei,
2) Vgl. Karl Weinhold, Die Deutschen Monatsnamen (Halle 1869), 8. 13
und passim im alphabetischen Register.
134 Erich Hofmann
er der „kleine Grasmonat“'). Čech. srpen, poln. sierpień, klr. serpen
ist der August (Sichelmonat). Dagegen bezeichnet der Name im
Slov. und Serb. den Juli (srpen, srpanj). Er ist offenbar von der
Zeit der Sichelernte hergenommen in den einzelnen Sprachen
verschieden auf die beiden Monate verteilt worden. Im Sloveni-
schen gibt es aber auch (wieder 1466) maly serpan für den Juli,
weliky serpan für den August. Hier ist allerdings merkwürdig,
daß der Juli auch ohne Zusatz srpen genannt wird, obwohl der
August der weliky serpan, der „eigentliche“ Sichelmonat ist”). Der
Unterschied der so bezeichneten Saison in den beiden Monaten
ist oft unerheblich, durch die Witterung können leicht Verschie-
bungen eintreten, so daß auch eine Verschiebung in den Monats-
namen begreiflich wird. Ein ganz krasses Beispiel bietet das
čech. červen. Es ist zunächst Bezeichnung des Zeitraumes, der
sich über Juni und Juli erstreckt. Im Alttechischen findet sich
der Name auch für jeden der beiden Monate, wobei der Juli als
červen druhý bezeichnet werden kann. Dann werden Unterschei-
dungen vorgenommen: malý červen, červen menší = Juni, červen
veliký = Juli. Genau entsprechend ist die Unterscheidung durch
das Suffix (worüber später): červ(e)nec Juni, červen Juli. Aber
genau umgekehrt schon altčechisch, und so heute durchgedrungen,
červen Juni, červenec Juli. Ein Beispiel, das uns über das Slavische
hinausführt, bietet das Bulgarische. Hier heißt der Januar golem
secko, der Februar (malki) sččko, der große und der kleine Schneide-
monat, doch wohl von der Kälte. Ursprünglich bezeichnete slav.
sččoně einen Zeitraum, der sich etwa über die späteren Monate
Januar und Februar erstreckte. Daher verteilt sich der Name
verschieden auf die beiden Monate: serb.-ksl. und klr. ist der
1) Es handelt sich natürlich nicht um die Zeit der Grasblüte. Ein russ-
Bauernsprichwort aus Sibirien betont die Wichtigkeit des Mais für das Gras:
Maj, sena daj, sam na pecku polëza; „Mai, gib Heu, klettre selbst auf den
Ofen“; (es ist dort im Mai oft noch kalt). Vgl. Aleksěj Makarenko: Sibirskij
narodnyj kalendar (= Zapiski imp. russ. geogr. obšč. po otdel. ätnogr. tom 36,
St. Petersburg 1913) S. 81. Die Großrussen mähen das Gras .erst in der Blüte,
nicht vor der Johannisnacht, vgl. D. Zelenin: Russ. Volkskunde (slav. Grundr.)
S. 371. Daher russ. senozornik Juli (Zeit, wo das Heu von der Sonne ver-
brannt wird), klr. sinokos Juli (Heumahd); im Poln. nicht zum Monatsnamen
geworden: do sianokosow „bis zur Heuernte* Reymont, Chłopi III 18. Deutsch
hewimänoth, Heuet = Juli; Edw. Schröder macht Forsch. und Fortschr. IV
231 darauf aufmerksam, daß dieser Monatsname heute nicht mehr paßt, da das
Gras jetzt im Juni geschnitten wird, ehe es ausgeblüht hat.
2) Ähnlich ist maior Polonia, Großpolen, das ursprüngliche, das eigent-
liche Polen; natürlich Altpolen, vgl. maior natu.
Kultur und Sprachgeist in den Monatsnamen. 135
Januar so benannt, abulg. (Assem.) und aruss. (Kryloser Ev. 1144)
der Februar. Auch das sloven. Verzeichnis der Monatsnamen von
1466 hat setsczan für den Februar; doch gilt daneben im Slov.
und Kroat. der Name für die beiden Monate. Ja im Slovakischen
haben wir wieder die Unterscheidung von groß und klein: veliky
secen und malý zeien (bei Štur, vgl. Ilešič, A. f. sl. Phil. XX VII
143f.)'), und bei den kleinrussischen Huzulen sind diese Monate
durch Zählung unterschieden: sičenj pervyj, sičenj druhyj (Katuz-
niacki, ebd. 272)°). Auf die Kälte geht auch der bei den Huzulen
übliche zweite Name des Februars: /utyj, der auch allgemein klein-
russisch ist sowie polnisch und altrussisch (vgl. Hofmann, Aus-
dArucksverstärkung S. 130)°). Und auch hier findet sich dasselbe
wie bei secons: im Altpolnischen bezeichnet luty sowohl den Januar
als auch den Februar (Nehring, Altpoln. Sprachdenkm. 31f.;
Brückner, A. f. sl. Phil. X 387). Auch der von Brückner S. 414
erklärte altpolnische Name des Februars strompacz gehört in das
gleiche Bedeutungsfeld, da er vom steif gefrorenen Erdboden
hergenommen ist. Nachdem die Wege infolge des schlechten
Wetters aufgeweicht und unpassierbar geworden waren, bringt
die Kälte im Januar und Februar erst wieder die Möglichkeit,
auszufahren. Da die Kälte im Januar stärker ist als im Februar,
ist die Verteilung von groß und klein ganz verständlich.
Nun finden wir etwas Entsprechendes im Deutschen: der
große Horn „Januar“, der kleine Horn „Februar“. Also schließt
man daraus (z. B. Hirt, PBB. XXII 232), daß horn ursprünglich
mindestens einen zweimonatlichen Zeitraum bezeichnete. Aber
leider ist uns horn nicht für die längere Periode überliefert, auch
das mhd. horn „Januar“, das man in den Wörterbüchern findet,
scheint nicht zu existieren; jedenfalls kann man an dem mentag vor
dem tag horne in der Fischerordnung zu Auenheim 1442 (Mone
in seiner Zeitschrift f. d. Gesch. des Oberrheins IV 79, dazu 81)
nicht für den Januar anführen. Alt ıst nur hornunc „Februar“
seit Karl dem Großen festgelegt und weiter fortlebend. Der große
und der kleine Horn sind uns erst seit neuhochdeutscher Zeit sicher
beleet"), Und Rüdigers Erklärung (im Zuwachs II (1783) 85)
1) Velký seden auch in dem von der Božena Nemcovä aufgezeichneten Märchen
von den 12 Monaten. Vgl. Polívka, Zapysky tovar. Sevëenka 141—43, H 1f.
2) Auch Zelechivskyj II 869: sjicen druhyj „Februar“.
3) Vgl. Reymont, Chłopi II 251,7 ten lutowy, zimny wieczór „dieser
kalte Februarabend“.
4) Es scheint demnach mit der Überlieferung nicht übereinzustimmen, wenn
Edw. Schröder, Forsch. und Fortschr. IV 230 sagt, daß zuerst großer und kleiner
136 Erich Hofmann
„Horn, der kleine, so nennet der gemeine Mann“ (in Halle'))
„den Februar im Gegensatz des Januars als großen, weil er länger
oder vielmehr, weil er kälter ist“ braucht für den ursprünglichen
Sinn des hornunc nichts zu beweisen. Die Bezeugung der Namen
großer und kleiner Horn in Thüringen, im Halleschen und in
Schlesien läßt den Verdacht aufkommen, daß diese Namen unter
slavischem Einfluß entstanden sind. Es gab das alte deutsche
hornunc, dessen Endung nach der Verdunkelung des ursprüng-
lichen Sinnes deminutiv aufgefaßt wurde. Da die Slaven manche
Monate, darunter auch den Januar und Februar, durch den Zusatz
von yroß und klein unterschieden, lag es nahe, zu dem als klein
aufgefaßten hornunc einen großen horn neu zu bilden. Begünstigt
wurde diese Entwicklung dadurch, daß schon früher bisweilen
hornunc mißbräuchlich auf den Januar angewendet worden war
(den ältesten Beleg scheint L. Dieffenbach im Novum Glossarıum
aus dem Jahre 1486 zu zitieren), so daß die gleich benannten
Monate Januar und Februar unterschieden werden mußten. Der
große und der kleine Horn können auch nicht durch Volkssprüche
wie der kleine Hornig spricht zum großen Hornig: Wenn ich die
Macht hätte wie du, do ließ ich’s Kolb gefrieren ei der Kuh (schle-
sisch; Vogt, Mitt. der schles. Ges. f. Volkskunde IX 3) als alt
bewiesen werden. Denn wie bei vielen Bauernsprüchen erweist
der Reim ahd. mhd. dé, du: kuo, daß der Vers erst jung ist. Daß
ein solcher Vers (in Schlesien gibt es mehrere Varianten; Schleicher
führt ihn auch aus Sonneberg an) auch in der Schweiz bekannt
ist (Staub-Tobler, Schweizerisches Idiotikon II 1627), paßt durch-
aus zu der angenommenen Entlehnung aus dem Slavischen; denn
in den Ostalpen sitzen ja die Slovenen. Und diese haben Be-
rührungen mit den am meisten zum Südslavischen neigenden
Westslaven, den Slovaken, bei denen ein ganz entsprechender
Spruch belegt ist: Keby malý seden mal také právo, ako hrubý secen,
zamrazil by v krave teľa (um Preßburg, A. f. sl. Phil. XXVII 144).
Ähnliches gibt es übrigens im Finnischen, wo Januar und Februar
iso-tammi und pikku-tammi heißen (Groß-Eiche und Klein-Eiche),
was doch wohl von dem eichenharten Erdboden hergenommen ist
(vgl. Grimm, Gesch. der d. Spr. 1100). Und nun haben die Finnen
ein Märchen, wo es heißt: Die kleine Eiche sagte zur großen Eiche:
Wäre ich an deiner Stelle, so würde ich das Füllen an den Bauch
Horn Januar und Februar bezeichneten und erst später Hornung auf den
Februar festgelegt wurde.
1) II 58 „mein besonderer Standpunkt ist Halle“.
Kultur und Sprachgeist in den Monatsnamen. 137
des Pferdes .. frieren lassen .. (Schiefner, Bulletin de la classe
hist.-phil. de l’acad. St. Petersburg XIV (1857) 217f.; vgl. auch
Sp. 189 mun kyrlad oix, kizin kyrlad oix „sehr steiler Monat, wenig
steiler Monat“ für den zweiten und dritten Monat der 13 Monate
der Tschuwaschen).
Den Einfluß der Slaven auf die Monatsnamen') großer und
kleiner Horn macht mir insbesondere der Umstand wahrscheinlich,
daß die Unterscheidung in groß und klein bei Monaten zwar den
Slaven geläufig ist, aber den Deutschen, wie überhaupt den Ger-
manen, fremd ist. Während bei Orts- und Flurnamen beide
Sprachen Unterscheidungen mittels groß und klein verwenden, ist
das bei den Monatsnamen ungermanisch. (Diese Parallele ist des-
halb möglich, weil die Orts- und Flurnamen oft von der gleichen
bäuerlichen Anschauung aus gebildet sind wie die Monatsnamen.)
Wenn der Deutsche Jahreszeitnamen auf verschiedene Monate
verteilt, so zählt er (s. ol aber er sagt nicht groß oder klein.
Daher beurteilt Bilfinger, Z. f. d. Wf. 1360 diese Erscheinung, eben
weil sie deutschem Sprachempfinden widerstrebt, falsch: „In der
Zeit, da diese Namen sich bildeten, muß also die Grundanschau-
ung — die Größe des Januars, die Kürze des Februars — noch
lebendig gewesen sein“. (Diese Anschauung spielte ja auch bei
Rüdiger eine Rolle.)
Das echt deutsche hornunc, das mißverstanden die slavisie-
renden Neubildungen hervorgerufen hat, bleibt selbst weiter eine
crux für die Erklärung. Die Verbindung mit anord. hjarn (Hirt,
PBB. XXII 232f.; Walde, Anz. f. d. Alt. XXX 145f., 235f.) ist
wegen des Ablautes unwahrscheinlich; da horn „Januar“ erst
späte Neuschöpfung ist, wird sie auch von der Bedeutung her
nicht gefordert. Die Ableitung von ahd. horo „Kot, Schmutz“
(Frisch, Adelung, J. Grimm; zuletzt Siebs, Mitt. der schles. Ges.
f. Volksk. XI 27ff.) bietet sowohl formale als auch inhaltliche
Schwierigkeiten. So bleibt doch wohl nur die Verknüpfung mit
anord. hornungr „Bastard“; denn nur hier haben wir das gesuchte
Wort im Germanischen tatsächlich überliefert. Die Bezeichnung
des Februars als Bastardmonats (Grimm, Gesch. d d. Spr. 83; Kluge,
Etym. Wb.) ist allerdings nur deutsch und ist einzigartig. Aber
die Kürze des Februars ist auch einzigartig und setzt ihn in Gegen-
satz nicht zum Januar (diese Beziehung ist erst jünger), sondern
zu allen anderen Monaten’). Daraus erhellt, daß der Gegensatz
1) Er ist noch heute fühlbar, s. u. am Ende des Aufsatzes.
2) In einem makedonischen Märchen hinkt der Februar! (Von den 12 Mo-
138 Erich Hofmann
des kleinen Februars zum großen Januar nicht gegeben ist; großer
und kleiner Horn geht eben auf die große und die geringere Kälte.
Nachdem unter slavischem Einfluß großer und kleiner Horn
entstanden waren, weiterhin, infolge der Bezeichnung des Januars
als Hornung, auch großer und kleiner Hornung '), gab das Deutsche
diese Namen an die in seinem Ostraum liegenden Fremdsprachen
weiter, an das Obersorbische und das preußische Litauische: vulki
rözk, mały rözk; didelis ragutis, mažas ragutis (um Ragnit). Bezzen-
berger, Lit. Forsch. 162 führt an rags „auch Januar“ (d.h. nicht
nur „Horn“, wie in Nesselmanns Wb.) und ragutis „Februar“,
also einfach gleich d. Horn und Hornung. Bekanntlich ist Hornung
auch ins Polabische als Lehnübersetzung gedrungen: bei Pfeffinger
35, 11 (Rost) Fevrier ` Rüsatz, bei Hennig von Jessen 174,5 Fe-
bruarius ` Risatz. Es ist Deminutiv von rüög „Horn“.
Was sonst noch aus dem Südslavischen für die Unterscheidung
zweier Monate in einen großen und einen kleinen beigebracht
werden kann, ist anders geartet; denn es entstammt der Ter-
minologie von kirchlichen Festen, von denen das eine das große,
das andere das kleine war. Eins von ihnen fiel im einen, das
andere in den benachbarten Monat, und diese erhielten danach
ihren Namen. Kroat. velikomasnjak, malomasnjak „August, Sep-
tember“, ebenso sloven. velikomesnjak, malomesnjak. Sie sind nach
dem großen (15. August) und dem kleinen (8. September) Frauen-
tag benannt: velka meša „assumptio Mariae“, mala meša „nativitas
Mariae“. Im Slovenischen gibt es noch ein Paar: veliko — božičnjak
„Dezember“, mali — božičnjak „Januar“ nach Weihnachten bzw.
der Circumeisio benannt. Diese Monatsnamen gehören also in
die Kirchenfestkalender, die im Südslavischen eine ganze Reihe
naten ist nur der März eine alte Frau namens Marta, was durch den Namen
hervorgerufen ist.) Vgl. Polívka, Zapysky tovar. Ševčenka 141—143 II 15 unten.
In griech. Märchen borgt sich der März vom Februar einen Tag (doch auch —
sicher sekundär — der Februar vom März und der März vom April, sogar bis
zu 3 Tagen), Reinh. Köhler, Kl. Schriften I 380. In Heinrich Seidels Erzählung
„Die Monate“ (Erzähl. Schriften VI (1900) 146) heißt es vom Februar „der war
nur ziemlich klein und der Behendeste von allen“. Vgl. auch albanesisch shkurt-i
„Februar“, d.h. „der kurze Monat“.
1) Wenn es im Breslauer Monatsgedicht (Weinhold 8. 46) heißt: Von dem
herten horne ist her hornung genant, Dy herteste kelde kommet denne yn
die lant, so hätte das doch nur Sinn, wenn kornung „Januar“ wäre. Wir
hätten also noch einen indirekten Beleg für die Ausdehnung des Namens kornung
auch auf den Januar. Christ. Wolf, Mathemat. Lexikon II (1742) 465f. unter-
scheidet den Hornung „Januarius“ vom kleinen Horn „Februarius“!
Kultur und Sprachgeist in den Monatsnamen. 139
von Monatsnamen hervorgebracht haben; über sie wird noch
später zu reden sein.
Nun gibt es im Slavischen noch andere Möglichkeiten, zwei
Monate als groß und klein, sozusagen als Haupt- und Vor- oder
Nachsaison, zu unterscheiden. Die Bezeichnung des „kleinen“
Monats kann auch entweder durch ein Deminutivsuffix oder durch
ein Präfix geschehen. Jene Möglichkeit läßt sich an das oben
erwähnle čech. malý červen und červen veliký anknüpfen, diese an
die slovakischen Monatsnamen malý rujan „September“, veliký
rujan „Oktober“ (wieder bei Štur; Desiö, A.f.sl. Phil. XXVII 143).
Rujan gibt es auch serbokroatisch für den September, im älteren
Slavisch häufiger: im Krylos. Ev. sbmtebrb rekomyi rjujens, schon
altkirchenslavisch im Asseman. ruens und in dem im 12. Jahrh.
nachgetragenen Synaxarıum des Zogr. sentjabro rekomy ruens;
auch der UZhoroder Potustav des 14. Jahrh. bietet sentębro rekomyi
rjuwins (Kolessa, Zapysky tovar. Ševčenka 141—143, Abh. 7, 31ff.),
der Codex Hankensteinianus (12./13. Jahrh.) rjuens.. Mit diesem
Monatsnamen gehört der des August zusammen: Ostr. Ev. 210b:
do msca avgosta, rekomaago zareva; Kryl. Ev. desgl.; Hankenst.
zarjev. Dieses Nebeneinander findet sich noch heute im Cechi-
schen. Aber hier ist zaří der September, Zen der Oktober. Genau
so war es schon im Alt&echischen des 14. Jahrh. Wenn in Jung-
manns slovnik říjen auch als September aus dem Adech. ange-
führt wird, so ist das falsch; denn die Quelle, auf die er sich
beruft, ist der oben genannte Codex Hankensteinianus. Damit
wird auch die Vermutung, die man hegen könnte, es hätte im
Adech. ein zarev oder za für den August gegeben, hinfällig. Die
verschiedene Verteilung dieser Jahreszeit auf den August/September
bzw. September/Öktober ist durch die landschaftliche Verschieden-
heit bedingt. Zugleich kann in allen diesen Fällen noch etwas
anderes im Spiele sein: Die Naturerscheinung, nach der eine
Jahreszeit benannt wurde, setzt nicht mit dem Beginn eines Mo-
nats ein, sondern mitten in ihm, sie fällt in den Zeitraum, den
später drei Monate umspannen, so daß für die Benennung der
Monate ein gewisser Spielraum blieb. In diesem Falle handelt
es sich wohl um die Brunstzeit der Hirsche (Miklosich, Denkschr.
Akad. Wien XVII 10f.); von den sonstigen Erklärungsversuchen
ist nur der als „gelber Monat“ diskutabel, man könnte dabei an
die gelbe Färbung des Laubs denken. Doch widerstrebt dem,
daß im Serb. nur rujno vino „gelber Wein“ vorkommt, sonst aber
das Adjektiv nicht gebraucht zu werden scheint. Der spätere
140 Erich Hofmann
Monat ist also die eigentliche Zeit der Brunst, der vorangehende
die ihres Beginns, was in diesem Fall nicht durch den Zusatz
klein ausgedrückt wird, sondern durch das deminuierende, den
Beginn anzeigende Präfix za-. Entsprechend ist im Cech. im
14. Jahrh. (in Gebauers Mës B.) zu czeruen „Juli“ gebildet zaczeruen
„Juni“, wie wir ähnlich oben S. 134 die Unterscheidung von červen
veliký und malý červen kennen gelernt haben. Dort war auch
schon auf die dritte Möglichkeit, den kleinen Monat zu bezeichnen,
hingewiesen worden: die Deminutivbildung červenec. Die Ver-
teilung des nicht deminuierten und des deminuierten Namens auf
die beiden Monate schwankt sogar in gleichzeitigen Denkmälern.
Zunächst hatten beide Monate den einen Namen: in dem von
Flajšhans Č. Č. M. 96, 101 abgedruckten Monatshexameter um 1400
(Gebauer, SI. stč. I 189 setzt ihn zwischen 1425 und 1427) steht
zwischen mayg und srpen dwoy czerwen; zur Unterscheidung wurde
der spätere Monat ausdrücklich als der zweite bezeichnet, schon
in einer Urkunde 1308 (Gebauer 1. e.) czrwna druheho trzety den.
Von den weiteren Unterscheidungen wurde die durch groß und
klein S. 134, die durch za- eben erwähnt. Die durch die Demi-
nutivendung findet sich in den beiden Möglichkeiten gleichzeitig
wie folgt verteilt: (Reihenfolge Juni/Juli) 1) zw. 1279 und 1296
Prager Cisiojan: chirunech, chirven; 1396 Pode&brader Psalter:
czrwenecz, czrwen,; 1444 Cisiojan: czrwnecz, czerwen. 2) (wegen
červen maly/mensi „Juni“ und zaczeruen „Juni“ jünger) etwa 1379
Bohemarius maior Fl. earen, czrwnecz; Mes. A. 15. Jahrh. czrwen,
crzwenecz; auch in dem von Flajshans, Nejstarší Památky jaz. i
pisemn. česk. 183f. angeführten Hexameter: czrwen, czrwenecz.
Und so noch heute neučechisch. Franz Carl Alter, Beitrag zur
praktischen Diplomatik für Slaven (Wien 1801) führt S. 102ff.
aus dem Cerronischen Codex an: czrwen menssy „Mai“, czrwen
welyky „Juni“, czrwen „Juli“! Was nun die Verbreitung dieses
Namens in den anderen Slavinen anlangt, so findet sich im Kryl.
Ev. červeně „Juli“, das gleiche im Hankenst. und im Uzhoroder
Polustav; im Klr. červeń und cerved „Juni“, im Poln. czerwiec, älter
auch — unter klr. Einfluß — czyrwien „Juni“ (vgl. Nehring, Alt-
poln. Sprachdenkm. 31f. aus dem 14. und 15. Jahrh. cchiruien,
czyrvyen, czyrwyen; ebenso wie das letzte auch im Calendarium
Plocense des 14. Jahrh. (Brückner, A. f. sl. Phil. X 387), doch ist
es hier der August), und im Bulgarischen ist ervenik der Juni
(A. Mazon, Contes Slaves de la Macédoine sud-occidentale, Paris
1923, S. 62, Anm. 6). Schließlich ist im Litauischen kirmėlių menuo
Kultur und Sprachgeist in den Monatsnamen. 141
bei Szyrwid und Nesselmann für „Juni“ belegt und in Dowkonts
Büdas (St. Petersburg 1845) 182 kirmieszu mienu als 6. der 13
Monate der alten Litauer (woraus es Geitler, Sitz.-Ber. Akad. Wien
108, 394 entnommen hat). Da auch das Weißrussische čerwień
„Juni“ hat, so liegt die Möglichkeit vor, daß der litauische Monats-
name aus dem Weißrussischen oder Polnischen entlehnt ist. Dafür
würde der Umstand sprechen, daß er heute nicht mehr in Litauen
üblich ist, weil in der litauischen Schriftsprache alle Slavismen
ausgemerzt werden. Er könnte jedoch auch genuin sein. Manche
solche Fragen dürften erst dann sicher beantwortet werden,
wenn das weißrussische Material in allen seinen mundartlichen
Varianten vorgelegt ist.
Die Namen červen usw. erklärt man nach Miklosichs Vorgang
zumeist als „Wurmmonat“ nach einer färbestoffhaltigen Schildlaus,
dem coccus polonicus, die im Juni gesammelt und zum Färben
verwendet wurde. Gegen diese von Miklosich mit kulturhistori-
schen Daten belegte Deutung dürfte die Vermutung von Jözef
Rostafinski nicht aufkommen (Symbola ad historiam naturalem
medii aevi I, Krakau 1900, 375), daß diese Jahreszeit bei der Be-
deutung der Bienenzucht nach dem Herauskommen der Bienen-
brut benannt worden sei. Deminuierte Monatsnamen gibt es auch
sonst: rumänisch brumarellu, brumaru (auch brumaru micu, brumaru
mare) „Oktober, November“, italien. giugno, giugnetto. Noch ein
weiterer Beleg aus dem Üechischen ist anzuschließen. Im Zogr.
lesen wir met noebrš rekomy gruden, im Asseman. unter November
gruden, ebenso im Hankenst. und im Uzhoroder Potustav; in der
Laur. Chr. 1377 po grudnu puti. bé bo togda mčsęco grudenv rekse
noebrv. Bei den Huzulen ist hruden; der November, sonst be-
zeichnet im Ukrainischen, regional geschieden, hruden teils den
November, teils den Dezember. Im slovenischen Monatsverzeichnis
von 1466 ist gruden der Dezember, so noch heute sowie im Serbo-
kroatischen. Im Polnischen ist grudzien „Dezember“, schon alt-
polnisch (Nehring 31f.) grudzen, woneben grwdzen, grugschen als
13. Monat vorkommt, also als Schaltmonat; doch ist es auch als
November belegt: grudzen im Calendarium Plocense (Brückner,
A. f. sl. Phil. X 387). Für das Slovakische führt Miklosich 13 hruden
als September an. Und nun zum Üechischen. Neutechisch gibt
es hruden nicht mehr, aber alt@echisch konnte hruden sowohl den
Januar als auch den Februar bezeichnen: 14. Jahrh. M&s. C. leden
neb hruden, Mam. C. hruden vel unor, was sich in der Museums-
bibel von 1429 auch als Übersetzung zweier hebräischer Monats-
142 Erich Hofmann, Kultur und Sprachgeist in den Monatsnamen.
namen findet: hruden neb unor mensis Sabath; mesiece kassleu, to
jest hrudna. Im allgemeinen aber ist hruden der zwischen Dezem-
ber und Januar eingeschobene Schaltmonat, der intercalaris, em-
bolismus. Der Hexameter bei Flajshans Č. Č. M. 96, 101 beginnt
mit dem Schaltmonat: hruden a leden .. (weitere Belege bei Ge-
bauer, SI. stč. 1 508f.. Dagegen hat der andere von Flajshans
veröffentlichte Hexameter (Pamätky 84) den Schaltmonat zwischen
März und April, und er hat den deminuierten Namen hrudnec.
Weiteres, auch hrudnec „Schaltjahr“ bei Gebauer. Hier ist die
Deminuierung wohl so zu verstehen, daß vor dem hruden „Januar“
(oder nach dem grudzien „Dezember“, denn auch im Polnischen
ist es zugleich Name des Schaltmonats) der Schaltmonat einge-
schoben wurde und den Namen des Nachbarmonats erhielt, nur
zum Unterschiede deminuiert, nicht weil der Monat kleiner war
oder ihm die ausgesagte Eigenschaft weniger zukam, sondern weil
er seltener vorkam, nur in den Schaltjahren. Man könnte aller-
dings noch an eine andere Erklärung denken, weil das Polnische
die Deminutivform nicht hat. Čech. hrudnec ist auch das Schalt-
jahr. Vielleicht ist das die eigentliche Bedeutung (mit dem Suffix
-bcb, das den Träger einer Eigenschaft bezeichnet; da hruden von
Haus aus Adjektiv ist, wäre diese Ableitung nicht unmöglich),
und die Bedeutung „Schaltmonat“ wäre dann erst sekundär.
An diesen besonders gelagerten Fall schließe ich noch einige
Monatsnamen mit Präfixen an, die aber nicht aus der Teilung
eines Namens auf zwei Monate entstanden sind, die aber das
Streben nach einer gewissen Systematisierung erkennen lassen.
Im Kleinrussischen heißt der Februar !'utyj oder l'uteń, der März
entweder mart oder ähnlich oder er ist der Monat nach dem März:
pol’utyj, pal’utyj. Anders liegt die Sache in polabisch (Pfeffinger
35) seymemon „Novembre“ und pregnia seine mon „Septembre“.
Denn hier ist nicht dieses von jenem abgeleitet, sondern jenes
von seyma „l'hiver“, dieses von te pregnia seine „l'automne“. Sie
sind also nach den Jahreszeiten benannt und entsprechen deutschem
Winter- bzw. Herbstmonat. Ähnlich im Niedersorbischen: zymski
mjasec „Dezember“, nazymski m. „September“ (Winter- und Vor-
winter- = Herbstmonat), zu denen sich noch vezymski m. „Mitt-
wintermonat = Januar“ und pozymski m. „Nachwintermonat =
März“ gesellen. Das ist ein, allerdings nicht fortlaufender, Ver-
such zu systematisieren. (Schluß folgt.)
Göttingen. Erich Hofmann.
J.F. Lohmann, Lat salinus (salinae, salinum) u. der kelt. Name des Salzes. 143
Lat. salinus (salinae, salinum) und der keltische Name
des Salzes.
Die keltischen einzeldialektischen Bezeichnungen des Salzes
lassen sich vereinigen unter einem vorkeltischen Ansatze *saleino- :
ako. haloin (haloinor gl. salinator), bret. c’ hoalen, holen (mit der
gleichen Metathese wie in moger „Mauer“, abret. macoer, ky.
magwyr, aus lat. maceria, bret. oade, ode „Öffnung im Zaun“
gegenüber ky. adwy „Bresche“, vgl. Pedersen, VG.1322f., Grund-
form also *haloen, *haloan, daraus dann hoalen, holen), ky. halen’),
älter halaen, halwyn (Belege im Bulletin of the Board of Celtic
Studies 4, 136, der gleiche Wandel in maharen „Widder“, mky.
maharaen, aky. maharuin und in pared < paraed < parwyt, ako.
poruit gl. paries, ferner vgl. nky. (h)ogalen, agalen, aky. ocoluin
„Wetzstein“, nbret. higolen [aus *-aloen, vgl. holen aus *haloen)).
Das Britische führt demnach auf eine Grundform *salen-, und
diese, zusammen mit ir. salann, o-Stamm (G. sal/lJaind, D. salund,
Windisch, Wtb. 756), dann weiter auf urkeltisch *saleno-, älter
* saleino-"), das seinerseits zu lat. salinus, Adj., salinae „Saline“,
salinum „Salzfaß“ (Plautus Persa 267) in nächster Beziehung zu
stehen scheint. Daß das lateinische -inus z. T. auf ein älteres
-eino- zurückgeht, wird auch durch Entsprechungen wie lat. ana-
tina „Entenfleisch“, porcina „Schweinefleisch“, caro ferina „Wild-
bret“, räpina „Rübenacker, Rüben“ (semasiologisch salinae am
nächsten stehend), lit. dntiena, parsiend, Zveriend, ropienà, dasselbe,
wahrscheinlich gemacht. Weiter erinnert ein solches saleino-,
zunächst wohl adjektivisch, dann im Keltischen als Stoffbezeich-
nung substantiviert, an die iranischen Stoffadjektiva auf -aina-
(Brugmann, Grdr.” II 1, 275): av. zaranaena- „golden“, zamaena-
„irden“, ?zaena- „ledern“, apers. ada”gaina „steinern“.
Neben diesem n-haltigen Adjektivformans steht bekanntlich
1) Eine Vereinfachung des aus 2 entstandenen Diphthonges in bestimmten
Lautverbindungen hat auch im bretonischen Dialekte von Vannes stattgefunden:
halen „Salz“ (*haloen, *haloan, vgl. oben), blé „an“, bléùeh „année“, in Léon
bloaz bzw. bloavez, ky. blwydd, ir. bitadain (ebenso fréh, Léon frouez, ky.
frwyth aus lat. fructus), während sonst für ky. wy, westbretonisch (Léon) oa
im Vannetais in der Regel oé erscheint: skoé „Schulter“, Léon skoaz, ky.
ysgwydd, ir. scíath „Schulterblatt, Schwinge“ (Pedersen I 76), koer, Léon koar,
ky. cwyr aus lat. cera, koén, Léon koan, ky. cwyn-os (Pedersen I 208) aus
lat. cena, loé „Löffel“, Léon loa, ky. llwy, ir. ltag (wie lat. ligula zu Aeixyw
„lecke“, Walde, LEW.? 430) usw.
D Zur Verdopplung des » im Irischen vgl. Pokorny, Altir. Gr. 8 92;
Pedersen, VG. II 109.
144 J. F. Lohmann, Lat. iter. — F. Specht, Lat. sidus; rüupes.
in der gleichen Funktion ein erheblich weiter verbreitetes -e?o-
(Brugmann a.a. O. 198f., vgl. ai. hiranydyah „golden“ neben av.
zaranaena- dass., lat. aureus, gr. xovosos usw.), und dasselbe -ez;o-
erscheint dann weiter in substantivischer Funktion als stamm-
bildendes Suffix alter neutraler Wurzelnomina, vgl. gr. öoreov
„Knochen“, ai. dsthi, asthndh, ai. hrdayam, av. zaredaya- „Herz“
zu ai. härdi, hrdi (lit. Sirdis, abg. srbds-ce, armen. sirt, sirti- usw.),
lat. hordeum neben gr. xoi (<*xgi9), J. Schmidt, Pluralbldg. 250.
Nun war das Wort für das Salz ja wahrscheinlich ursprünglich
ebenfalls ein derartiges Wurzelnomen. Es erscheint als solches
mit ¿ erweitert in lat. sale (Varro bei Nonius 223M; caeruleum
spumat säle, Ennius Ann. Vers 385 bei Vahlen’), gr. Gi, abg.
solb, lett. säls, Akk. sàli, ir. sail- in sailchithen gl. salinarum
(Walde-Pokorny, VW. II 452), mit n (vgl. ai. ásthi, asthndh) in
gr. diaoıw Ze, abg. slanz, russ. solonyj, urslav. *solns „Salz-,
salzig“ (J. Schmidt a. a. O. 253 bzw. 182f.). Es sieht also so aus,
als ob das keltisch-lateinische *saleino- einerseits eine Kombina-
tion dieser beiden Stammerweiterungen darstellte, andererseits
aber auch in Beziehung zu dem Adjektivformans -eino- stände.
Berlin. J. F. Lohmann.
` Lat. iter
gehört wohl zunächst zu itäre (umbr. etaians „itent“, etato „itate“,
air. eth(a)im „gehe“ [o. XXX 71ff.], gr. itņn-téov, elisch &nav-ıra-
xog, Part. Perf. Akt., „reversus“, Brugmann, Grdr. II*3, 212). Zur
Bildung vergleiche avest. tačar n. „Lauf, Bahn“ (tak- „laufen“).
Berlin. J. F. Lohmann.
Lat. sidus.
Fröhde, BB. XIV 111 hat lat. sidus zu lit. svidus „glänzend“,
svidü, svideti „glänzen“ gestellt. Die Zusammengehörigkeit beider
Wörter wird klar durch Daukšas Postille 5495, kur svetieii svides
kaip Zväizdes ant amžinų ámžių.
Halle (Saale). F. Specht.
Lat. rupes.
Lat. rūpēs hat eine genaue Entsprechung in lit. rupis, dessen
u lang sein kann. Das Wort ist mir nur bekannt aus Daukšas
Postille 4675. Tu essi Céphas, o Céphas Žydiškai ir Syriyškai iz-
guldžias rupis arba uołá. Es bedeutet also „Fels“. Wechsel
zwischen &- und i-Stämmen ist lit. ganz gewöhnlich.
Halle (Saale). F. Specht.
JE E enen EEE p EEE, = ii . = — _
mmm, Q a. wëlt, unuy nn iin.
< k PER K —1 un = `
x a em ç š
= k EA. = E
weg `
Zetidgt Tur
vergleichende‘
` Spradhforfdhung
auf dem Gebiete der
` Imdogermani en Sprachen
BEGRÜNDET VON A.KUHN
NEUE FOLGE / VEREINIGT MIT DEN
Beiträgen zwe Kunde
der mdogermanifhen Sprachen
ie e VON A.BEZZENBERGER
HERAUSGEGEBEN VON
WILHELM SCHULZE UND HANNS (CERTEL
59. BAND
3./4. HEFT
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rh
Auf die anliegende Bejtellfarte des Verlages Walter de Gruyter weijen wir empfeblend bin. =
Inhalt.
F. Hartmann, Die Verbalsysteme der Schulsprachen (im Anschluß an einen
1927 in Göttingen auf der Philologentagung gehaltenen Vortrag) .
W.Schulze, Porsenna, Tolumnius und Mastarna . i
H. Lewy, Etymologien. 1. Tedgyılos. 2. @Zoaxóoos. 3. Gene 4. Weitere Bei-
spiele für Dissimilation. 5. xgarjoas. 6. Kvvöpaloı. 7. Aí% als Wind-
name. 8. Weitere Beispiele für Wortkürzung. 9. udn. uaoyxain.
10. Aaßdßno. 11. alyin „Ring“ und stammverwandte Wörter. 12. Lat.
mappa. 13. Bıldzıov. 14. BR š š
W. Schulze, Putedli . š š °
H.Lommel, Ablauts-Betrachtun ai
W. Kioemann, Germ. *swerda- "eenig
H. Sköld, Sudanparallelen zur grischischen Tanien TEE $
W. Sebhalee Toh; eo, < > EA E E » Sec
F.Specht, Die Flexion der »-Stämme im Baltisch- Karischen and Verwandten,
E. Hofmann, Register .
Berichtigungen
Titelblatt und Jahresinhalt EN ie am ` Schluß des Heftes,
Preis des Doppelheftes in der Reihe 8 RM., einzeln 10 RM.
Seite
145
178
Beiträge, die allgemein sprachwissenschaftliche Fragen behandeln, oder die sich
auf die asiatischen Indogermanen beziehen, wolle man an Prof. Dr. Hanns Oertel,
München 27, Pienzenauerstr. 36, solche, die den indogermanischen Sprachen Europas
gewidmet sind, an Prof. Dr. W. Schulze, Berlin W.10, Kaiserin Augustastr. 72, senden.
Besprechungen können nur solchen Werken zugesichert werden, welche ein
Herausgeber erbittet.
Vor kurzem ist erschienen:
Grammatik des neutestam. Griechisch
von Friedr. Blaß urd Alb. Debrunner. 6. durchges. und
erweiterte Aufl. 1931. XX, 3688. gr.-8°. Geh. 8.10, Lwd. 9.90 RM.
Nachträge für die Besitzer der 5. Auflage 1,60 RM.
„In der neuen Gestalt ist Blaß/Debrunner ohne Zweifel die zweckent-
sprechendste Grammatik zum N.T., die wir haben. Man möchte sie gern
in der Hand eines Jeden sehen, der sich mit wissenschaftlichem, ernstem Studium
des N.T. befaßt.“ (Theologie der Gegenwart.)
„Die Neuauflage des altbekannten Werkes stellt in seinem Text einen fast
unveränderten Abdruck der fünften Auflage dar. Diesem ist ein Anhang von
32 Seiten Kleindruck beigegeben, der die Nachträge und Berichtigungen enthält,
die aus Ersparungsrücksichten in dieser Form hinzugefügt werden mußten. Ein
am Rande des Textes beigesetztes N verweist den Benützer auf den Anhang,
auf den auch das Wort-, Sach- und Stellenregister Rücksicht nimmt, so daß die
große Menge neuen Stoffes leicht zugänglich gemacht wird. Was die dem NT
nahestehende Literatur anbetrifft, wurden die apostolischen Väter mehr aus-
gewertet als in den früheren Auflagen; zum ersten Male der Diognetbrief, Ignatius
und die Didache. Die moderne Fachliteratur ist in einer seltenen Vollständig-
keit, von den in den letzten Jahren erschienenen Standard-Werken angefangen,
bis auf kleine Notizen in entlegenen Zeitschriften herab aufgenommen worden.
Wollte man ein wahrheitsgemäßes Bild von der Bereicherung des Werkes geben,
so müßte man den ganzen Anhang vorlegen. Denn nur wenige Abschnitte des
Textes sind nicht ergänzt und neu beleuchtet... Die Fülle des Gebotenen wird
künftighin den „neuen Debrunner/Blaß“ zu einem ebenso unentbehrlichen Hilfsbuch
für jeden Bibelforscher und Gräzisten machen, wie es die früheren Auflagen ge-
wesen sind.“ (P. Wahrmann, Indogerm. Forschungen, Bd. 2, 1931.)
Verlag von Vandenhoeck & Ruprecht in Göttingen
Felix Hartmann, Die Verbalsyteme der Schulsprachen. 145
| Die Verbalsysteme der Schulsprachen
(im Anschluß an einen 1927 in Göttingen auf der Philologen-
tagung gehaltenen Vortrag).
Den äußeren Anlaß zu den folgenden Ausführungen gab die
oft gemachte Beobachtung, daß trotz aller historischen Sprach-
wissenschaft eine starke Neigung besteht, Dinge gleicher Be-
nennung auch als gleich anzusehen und sich über die geschicht-
liche Entwicklung, die doch die Verschiedenheit der Verwendung
erklärt, hinwegzusetzen. Die Beobachtung trifft ebenso für die
Nominalflexion wie für die Konjugation zu, schneidet aber beim
Verbum tiefer ein und begegnet erfahrungsgemäß weit häufiger,
obwohl doch allgemein bekannt ist, daß das Griechische die alt-
indogermanische Flexion noch recht getreu widerspiegelt, während
sich das Lateinische ein ganz abweichendes Verbalsystem neu
geschaffen hat. Die romanischen Sprachen bilden dies lateinische
Verbalsystem in eigenartiger Weise weiter, sie unterscheiden sich
also sowohl vom Lateinischen als vom Griechischen; ganz ab-
weichend hat sich das Deutsche entwickelt, und auf germanischem
Gebiet wiederum das Englische abweichend vom Hochdeutschen,
aber vielfach übereinstimmend mit den nordischen Sprachen. Hier
ist überall große Vorsicht geboten, und schon in der Verwendung
der gleichen Fachausdrücke für sachlich gänzlich verschiedene
Formenkategorien liegt eine große Schwierigkeit, die zwar dem
Spezialforscher wohlbekannt ist, die aber dennoch nicht immer
die nötige Beachtung findet. Es soll daher im Folgenden einmal
der Versuch gemacht werden, an einer kurzen Oharakterisierung
der Verbalsysteme der Schulsprachen, die ja gleichzeitig auch die
Träger der Kultur der heutigen Menschheit sind, zu zeigen, welche
Fülle schwierigster Fragen bei ihrer Entstehung und allmählichen
Umbildung Beachtung verlangen, und es wird sich bei dieser
Betrachtung ergeben, daß in diesem Komplex von Erscheinungen,
in dem steten Hin und Wider gegenseitiger Beeinflussung, eine
Menge ungelöster Probleme schlummert, die laut nach Lösung
ruft und nur durch intensive Zusammenarbeit vieler Forscher
Schritt für Schritt aufgehellt werden kann. Vor allem aber soll
gezeigt werden, daß besonders die Entwicklung der modernen
Verbalsysteme nicht ohne stetes Zurückschauen auf den Gang
ihrer Ausbildung, auf die gegenseitige Beeinflussung, ja auf die
veränderten Bedürfnisse, auf die eigenartigen und fortwährend
wechselnden Lebensformen der Völker verständlich wird. Die
Zeitschrift für vergl. Sprachf. LIX 3/4 10
146 Felix Hartmann
einseitige Betrachtung der einzelsprachlichen Formensysteme und
ihrer Verwendung muß überall zu falschen Ergebnissen führen,
oft wird der Sinn einer Neuerung erst klar, wenn ihr Fortwirken
in späterer Zeit oder in einer entlehnenden Sprache verfolgt wird;
hier erwächst in verhältnismäßig kurzer Zeit aus einzelnen, be-
schränkten formalen Mitteln eine überraschende, fein nuancierende
Formenfülle, dort geht ein großer Teil altererbter Formen spurlos
zugrunde, an andern Stellen bemüht man sich gleichzeitig
durch verschiedene Mittel eine notwendig werdende Ausdrucks-
form zu schaffen, nach kürzerem oder längerem Kampf siegt
unter den verschiedenen Versuchen hier der eine, dort ein anderer;
nicht selten dringt ein solcher Versuch, bald aus lautlichen Gründen,
bald durch die Ungunst der Zeiten gehindert, nicht durch, die
Neugestaltung sinkt wieder unter.
Um die Aufhellung dieser zentralen Probleme der Morphologie
haben sich schon Grimm, Diez, Miklosich, Schleicher mit Erfolg
bemüht; seit ihrer Zeit hat sich aber auf dem Gebiet der idg.
Lautlehre ein bedeutender Umschwung der Ansichten vollzogen,
der auch tief in die Beurteilung der morphologischen und syn-
taktischen Fragen übergreift. Für die lebenden Sprachen ist zwar
der Gang der Entwicklung der Formenbildung in den wesent-
lichen Teilen sichergestellt, aber für die älteren Sprachen bleibt
des Unerklärten und Unverstandenen noch sehr viel übrig. Leider
hat sich das sprachliche Interesse heutzutage überwiegend ganz
anderen Fragen zugewendet; es ist aber mein Wunsch, im fol-
genden zu zeigen, daß das Studium der Morphologie der geschicht-
lichen Sprachforschung Stoff in Hülle und Fülle darbietet und
dabei den idealen Zustand aufweist, daß der Philologe den Pro-
blemen gegenüber ratlos bleibt, wenn er nicht sprachwissenschaft-
liche Schulung besitzt, daß aber umgekehrt auch die Methode
der Sprachforschung versagen muß, wenn sie nicht durch die
minutiöse Kleinarbeit des Philologen gestützt wird und wenn sie
sich nicht um das genaue und sichere Verständnis jeder einzelnen
Form bemüht, die in dem Aufbau des Formensystems irgendwo
und irgendwie eine Rolle spielt. Daß sich bei der Erörterung
solcher Probleme die Fragen der Lautentwicklung, Formenschöp-
fung und Bedeutungsgestaltung überall berühren und durch-
dringen, weiß jeder Kundige; dadurch wächst die Schwierigkeit
der Fragen, aber auch der Reiz ihrer Behandlung und der Wert
ihrer Lösung, soweit solche Lösungen gelingen. Aber jede Unter-
suchung dieser Fragen ist von vornherein zum Scheitern bestimmt,
Die Verbalsysteme der Schulsprachen. 147
wenn sie nicht den morphologischen Charakter der Sprachen,
die dabei verglichen werden, beachtet und wenn sie Formerklä-
rungen oder Bedeutungsbestimmungen aufstellt, die dem Ent-
wicklungsgang der Einzelsprache widersprechen. Das zeigt sich
nirgend augenfälliger als am Griechischen. Auf dem ungemein
fruchtbaren Boden dieser Sprache schießen wie in einem verwil-
derten Garten mannigfaltige Neubildungen ganz unabhängig von
einander tippig empor; hier gelangt diese, dort jene Form zur
Herrschaft; die Dialekte gehen oft weit auseinander. Schließlich
werden die meisten Verschiedenheiten durch die große Walze
der hellenistischen Gemeinsprache eingeebnet; aber so erstaunlich
das bei dem ungeheuren Wechsel. des Sprachgebrauchs sein mag:
das System als Ganzes bleibt im wesentlichen unver-
ändert, auch das heutige Neugriechische führt trotz einiger Ver-
luste und Umbildungen (Rut, Inf. Perf.) das alte System des
griechischen Verbums weiter und gestattet nur erst zögernd ge-
wisse Anpassungen an den westeuropäischen Tempusgebrauch.
Ganz anders verläuft die Entwicklung auf der Apennin-
halbinsel. Auch hier beobachten wir im dritten, z. T. selbst `
noch im zweiten vorchristlichen Jahrhundert eine Überfülle von
Formen und ein Nebeneinander verschiedener Bildungsrichtungen
und Möglichkeiten; aber ähnlich wie mit der Mannigfaltigkeit der
italischen Nationen und Sprachen und Regierungsformen werden
die Römer auch mit den luxuriierenden Gliedern des Verbalsystems
überraschend schnell und sicher fertig, und der neue, vom
ererbten System völlig abweichende Bau ist, vergleichbar
den Glanzleistungen der Römer in der Gestaltung der Staatsform,
des Rechts, wie für die Ewigkeit geschaffen: er hat nicht nur
das Altertum überdauert, sondern auch die Grundlage für die
Verbalsysteme der romanischen Sprachen abgegeben, ja weit
darüber hinausgehend hat er den germanischen Sprachen als
Muster für Neuschöpfungen gedient und wirkt in dieser Weise
noch immer weiter.
Das Schicksal des germanischen Verbums ist nämlich von
dem des griechischen und lateinischen sehr verschieden gewesen,
man kann sagen, es hat sich in der entgegengesetzten Richtung
entwickelt. Hier ist das Auffallende nicht die Fülle der Formen
und Formengattungen, nicht die straffe, zweckmäßige Organisa-
tion des Gesamtbaus, sondern die außerordentliche Knappheit der
schließlich erhaltenen Ausdrucksmittel, der gänzliche, restlose
Untergang großer Formenkategorien, die wir in den südeuropäi-
10*
148 Felix Hartmann
schen Sprachen teils erhalten, teils umgebildet, aber doch fort-
geführt sehen. Der gänzliche Untergang des Aorists, des Konjunk-
Dep und des Mediums, von dem nur das Gotische eine schwache
Erinnerung bewahrt, führen bis kurz vor der Blüte des Mittel-
hochdeutschen zu einer bitteren, drückenden Armut, und der
damals herrschende Mangel ist in den jetzt lebenden Dialekten
auch heute noch nicht überwunden. Zu seiner Milderung werden
in Deutschland seit der karolingischen Renaissance, in England
wohl schon früher, immer erneute Versuche gemacht; bei manchen
dieser Versuche, z.B. bei der Verwendung der Präpositionen im
Gotischen, kommt es wenigstens vorübergehend zu einer fühl-
baren Erleichterung der Formennot. Als schließlich aber das
Vorbild des Lateinischen und des Romanischen wirksam zu werden
beginnt, sind die altgermanischen Dialekte schon räumlich, politisch
und phonetisch so weit getrennt, daß im Deutschen, Niederländi-
schen, Englischen, Nordischen z. T. stark abweichende Lösungen
des Problems einer zweckmäßigen Umgestaltung des Verbal-
systems zustande kommen.
Was hier die gemeinsame Arbeit des Philologen und des
Sprachforschers besonders auf sich lenken sollte, das sind die
meist noch zu wenig beachteten Übergangsperioden mit ihren Um-
bildungsversuchen weniger der Formen, als der Formensysteme.
Am besten ist hier auf romanischem Gebiete vorgearbeitet; hier
steht als Ausgangspunkt das lateinische Verbalgebäude dem ita-
lienischen, französischen, spanischen, portugiesischen gegenüber;
über den Gang der Entwicklung besteht kaum irgendwo ein
ernster Zweifel. Grade die leisen Abweichungen im Bau der ein-
zelnen romanischen Sprachen sind besonders lehrreich; sie zeigen,
wie Tempus und Modus ineinanderfließen, wie gleichbedeutende
Formen auf verschiedenen Wegen zu stande kommen, und wie
schließlich der struggle of life über Tod und Leben entscheidet,
oder um es ganz prosaisch mit Horaz auszudrücken, der usus,
quem penes arbitrium est et ius et norma loquendi.
Aber während die tatsächlichen Vorgänge durchaus klar vor
Augen liegen, fehlt doch über den Grund der Systemänderung
und der Bedeutungsverschiebung noch jede Untersuchung, ja sogar
jede Vermutung. Es fehlt, nachdem Lautlehre und Morphologie
gesprochen haben, die Mitwirkung der historischen Syntax, die,
unter Anpassung an die Absicht des Sprechenden, einfühlend fest-
zustellen sucht, was die neue Form leisten sollte und worin die
alte versagte. Es genügt nicht, darauf zu verweisen, daß aus
Die Verbalsysteme der Schulsprachen. 149
den seit Plautus belegten, schon im klassischen Latein überall
begegnenden Verbindungen wie cognitum, perspectum habeo, de-
prensum, captum teneo die Formen des romanischen Perfektums
erwachsen sind; denn daraus ergibt sich nicht, worin je connus
von fai connu abweicht, warum und wann so oder so gesagt wird.
An und für sich handelt es sich dabei um Vorgänge, die sich in
wechselnden Formen immer von neuem wiederholen: entweder
tritt dort, wo dieselbe Form mehrere Funktionen vereinigt, mit
der Zeit eine formelle Spaltung ein, indem die eine Funktion mit
der ursprünglichen Form verbunden bleibt, die andre dagegen
sich eine neue, den Unterschied scharf betonende Form schafft,
oder aber es fließen dort, wo zwei Formen mit verwandten Funk-
tionen nebeneinander bestanden, durch allmähliche Angleichung
der Bedeutungen die beiden Funktionen so zusammen, daß die
Unterscheidung überflüssig wird, und endlich eine der beiden
Nachbarformen zugrunde geht. Im ersten Fall wächst der Formen-
schatz und die Zahl der Ausdrucksmittel: die Sprache verfeinert
sich. Im zweiten Fall verarmt die Sprache, verzichtet auf feinere
Unterscheidungen, wird hart und unbiegsam. Es gab einmal eine
Richtung in der Sprachbetrachtung, die, von ganz ungenügender
Induktion ausgehend, den Formenreichtum an den Anfang stellte
und die historisch belegten Formen daraus durch Entstellung und
Verderbnis ableiten wollte; das ist theoretisch wohl allgemein
überwunden, hat aber in der Praxis noch nicht die nötigen Kon-
sequenzen gezeitigt, sonst hätte man der formen- und system-
bildenden Kraft der Einzelsprachen und besonders den Ursachen
und Gründen formaler Neuerungen schon längst größere Auf-
merksamkeit zugewandt. Es ist schon a priori unzweifelhaft, läßt
sich aber zuweilen mit überraschender Sicherheit nachweisen, daß
Fortschritte und Rückschritte der sprachlichen Ausdrucksfähigkeit
aufs engste mit Hebungen und Senkungen der allgemeinen Kultur-
lage eines Volkes und diese wiederum aufs engste mit Verschie-
bungen der führenden Volksschichten und äußeren politischen
Ereignissen zusammenhängen. Aber es ist auch sehr gefährlich,
aus bestimmten, oft zeitlich eng begrenzten syntaktischen Aus-
drucksformen allgemeine Schlüsse auf den Volkscharakter im
ganzen oder auf Eigenheiten bestimmter Volksschichten zu ziehen,
wobei meist nicht viel mehr als stark subjektiv gefärbte Einzel-
urteile herausspringen.
Das Wesen der Aufgabe, die bei der hier geforderten Sprach-
betrachtung geleistet werden soll, liegt in der Vereinigung sprach-
150 Felix Hartmann
wissenschaftlicher und philologischer Methode. Man darf nicht
bloß, wie es in der Lautlehre vorzugsweise üblich ist, rückwärts
blickend bis zu dem Punkt zu gelangen suchen, wo die Sprach-
mittel mehrerer Sprachen identisch werden; das ist die rein
sprachwissenschaftliche Seite der Betrachtung, die das Erbmaterial
feststellt, mit dem der Systembau unternommen wird. Sie muß
aber durch die Leistung des Philologen ergänzt werden, der nun
festzustellen hat, in welcher Weise das Erbgut verwendet wird,
wie es entweder ausgebaut, durch Umgestaltung vermehrt, durch
Hilfswörter erweitert oder wie es anderseits durch Verzicht auf
Überflüssiges vereinfacht, durch Anpassung an neue Ziele in
seiner Funktion modifiziert wird’). Die gemeinsame Arbeit des
Sprachforschers und des Philologen tritt auf diesem Gebiete wohl
deshalb verhältnismäßig selten in Erscheinung, weil die rückwärts
gerichtete Betrachtungsweise des Sprachforschers meist in Sprach-
perioden führt, die durch weite Zeiträume, oft durch viele Jahr-
hunderte, von den literarischen Denkmälern getrennt sind, die
der Philologe bearbeitet; die weite Kluft zwischen den Arbeits-
feldern erschwert die Verständigung und erklärt auch die nicht
seltenen verfehlten Versuche, Spracherscheinungen, die nur aus
dem Sonderleben der Einzelsprache verständlich werden können,
mit einem allgemeinen logischen oder psychologischen oder am
liebsten psychoanalytischen Maßstabe zu messen, für den die
untersuchten Dinge gänzlich inkommensurabel sind. Selbst das
Ungereimteste bleibt dabei nicht unversucht: man beurteilt noch
immer hin und wieder ein ganz urwüchsiges, dem erreichbaren
Zustande der Ursprache sehr nahestehendes Verbalsystem wie das
griechische ganz dreist und naiv nach dem Muster des lateini-
schen, das doch um tausend Jahr jünger ist, vor unsern Augen
aus einem älteren Zustande ersteht und seinerseits nur beurteilt
werden kann, wenn es an den Zwecken gemessen wird, denen
es zu dienen bestimmt ist. Den methodischen Grundsatz, den
Ernst Cassirer in seiner „Sprache“ für die Beurteilung der sym-
bolischen Formen. aufstellt, jede Erscheinung mit dem ihr eigen-
tümlichen Maßstab zu messen, gilt es bei der Morphologie der
Sprachen ganz besonders zu beachten.
1. Von den Verbalsystemen der Schulsprachen steht, wie eben
gesagt, das griechische dem ursprachlichen sehr nahe, ja man
darf sagen, daß es alle wesentlichen Züge des ursprachlichen
1) Vgl. hierzu meine Besprechung von P. Chantraine, Histoire du parfait
grec im Gnomon 6, 1930, S. 177.
Die Verbalsysteme der Schulsprachen. 151
Systems bewahrt, obwohl es das ursprüngliche Verhältnis der
einzelnen Formengruppen schon stark verschoben, einige stark
eingeschränkt, andere in gradezu hypertrophischer Weise fortent-
wickelt hat. Nun ist aber alles, was wir vom Verbalsystem des
ungetrennten Indogermanischen zu wissen glauben, Rekonstruk-
tion, und im Wesen der Rekonstruktion liegt es, daß nicht alle
erschlossenen Einzelheiten als gleich sicher bekannt gelten dürfen.
Grundlagen für die Erschließung liefern außer dem Griechischen
fast nur das allerälteste Indische und Iranische, und bei diesen
beiden Sprachen bereitet der Charakter der erhaltenen Literatur-
werke der genauen syntaktischen Bestimmung der einzelnen
Formengruppen recht erhebliche Schwierigkeiten, so daß sie im
allgemeinen mehr Licht vom Griechischen empfangen als auf dies
zurückstrahlen. Es bestehen zunächst drei Stammgruppen, die
man Präsens-, Aorist- und Perfektstammgruppe nennt. Jede dieser
Gruppen ist vollkommen selbständig und von keiner kann auf
die Existenz einer der andern Gruppen geschlossen werden. Aber
nicht alle Gruppen sind gleich lebenskräftig und formbar; beim
Aorist gibt es eine abgestorbene, nicht mehr zu Neubildungen
verwendbare Gruppe, die nahezu ausschließlich auf die ältesten,
einfachsten Verbalstämme zurückgeht. Daneben besteht eine ver-
mutlich jüngere Bildung mit einer s-Erweiterung, der sogenannte
sigmatische Aorist, der auch von jüngeren, abgeleiteten Verbal-
stämmen gebildet werden kann. Noch enger begrenzt ist der
Gebrauch des Perfektums, das in seiner ursprünglichen Form nur
von bestimmten „Wurzeln“ ältester Prägung gebildet wurde und
erst ganz allmählich in einer besondern Bildung den abgeleiteten
Verbalstämmen zugänglich wird. Die Präsensgruppe hat zwar
die ursprünglich weit zahlreicheren w-Bildungen großenteils in
die »-Flexion übergeführt, aber doch alle Einzelformen der w-
Flexion mit einer Ausnahme erhalten; die &-Konjugation ist aber
ihrerseits in einer ganz außerordentlichen Weise erweitert worden,
so daß die Anzahl der dem Griechischen geläufigen Präsensbil-
dungen die Zahl der aus der Ursprache ererbten beträchtlich
übertrifft und besonders die stetig wachsende Zahl neugebildeter
Ableitungen aus Wörtern aller Art die ererbten Stammverba bald
um ein vielfaches überflügelt. In der Ursprache war ferner ein
Futurum vorhanden, das in übereinstimmender Weise im Grie-
chischen und Arischen fortlebt und dessen Existenz auch durch
die im Litauischen und Slavischen erhaltenen Weiterbildungen
oder Spuren bestätigt wird. Aber dies Futurum war bei der
152 Felix Hartmann
Sprachtrennung wahrscheinlich nur erst in der Entwicklung be-
griffen, übereinstimmende Formen aus mehreren Sprachen sind
äußerst selten, die im Arischen und Griechischen weiterentwickelte
Bildung ist im Italischen, Keltischen, Germanischen in gleicher
Form entweder nie ausgebildet oder frühzeitig wieder aufgegeben
worden, woraus man schließen darf, daß sie zur Zeit der Spaltung
der Indogermanen sich noch nicht allgemein und sicher durch-
gesetzt hatte.
Dies Futurum bezeichnet im Griechischen und Arischen
schlechthin die Zukunft, es ist also ein Tempus in dem ge-
wöhnlichen, der lateinischen Grammatik entnommenen Sinne’).
Damit aber tritt es in einen starken Gegensatz zu den andern
drei Stammgruppen, bei denen die nichtindikativischen Formen
den bündigen Beweis liefern, daß der Stammbildung selbst irgend
welche Tempusbedeutung nicht innewohnt. Die Stammgruppen
sind demnach keine „Tempora“ im landläufigen Sinne, man hat
für das, was sie bezeichnen, den Namen „Aktionsart“ erfunden *,
auf den nicht eben viel ankommt, wenn man sich darüber einig
ist, was darunter zu verstehen ist. Allein hier besteht nun wieder
eine große Schwierigkeit. Der Begriff der Aktionsart ist zuerst
beim Studium des slavischen Verbums gebildet worden, wo man
Verba perfektiva und imperfektiva (nicht „Tempora“ oder
tempusähnliche Formengruppen) unterscheiden lernte. Die Be-
griffe der abgeschlossenen und der nicht abgeschlossenen Aktions-
art glaubte man nun in den altindogermanischen und griechischen
Stammgruppen der Verba wiederzufinden und übertrug sie dem-
nach ohne weiteres auch auf das griechische Verbum. Mit Un-
recht. Das Slavische ist erst etwa seit dem achten nachchrist-
lichen Jahrhundert bekannt; die Unterscheidung der Verba per-
fektiva und imperfektiva ist allen slavischen Einzelsprachen ge-
'meinsam, und die Verteilung der Verba auf diese Gruppen ist in
1) Auf die Vermutungen über die Entstehung des Futurums und die damit
zusammenhängenden Ansichten über seine Bedeutungsentwicklung gehe ich, weil
sie mich nicht überzeugen, hier nicht ein. Ein wichtiges Problem bleibt die
Untersuchung, wie die — trotz Blaß’ Ausführungen im Rhein. Mus. 47 — ursprüng-
lich einheitliche Tempusbedeutung des Futurums im Neugriechischen, ganz wie
in den slavischen Sprachen, nach den Aktionen gespalten worden ist. Das
‚Perfektfuturum, das nur schwach entwickelt ist und mit dem gewöhnlichen Fu-
turum nicht vermischt wird, kann in dieser Frage keine Entscheidung bringen.
2) Die slavische Grammatik sagt dafür viď, was mit Aspekt übersetzt zu
‘werden pflegt. Die neuere Unterscheidung zwischen Aspekten und Aktionsarten
"bringt wieder Verwirrung in die Terminologie.
Die Verbalsysteme der Schulsprachen. 153
so weitem Maße übereinstimmend, daß man nicht umhinkann, sie
schon für das Urslavische vorauszusetzen. Indes ist kürzlich mit
guten Gründen gezeigt worden, daß in dieser Einordnung der
Verba in perfektive und imperfektive — der Name ist dem Be-
deutungsunterschied des lateinischen Perfektums und Imper-
fektums entnommen — eine slavische Neuerung zu sehen ist, die
also schwerlich über das fünfte nachchristliche Jahrhundert zurück-
geht. Aber selbst wenn diese Neuerung viel älter sein sollte,
bestünde doch kein Recht, sie unbesehen in die indogermanische
Urzeit zu projizieren; vielmehr ist für die Sprachen, die das ur-
indogermanische Verbum am treuesten bewahrt haben, also für
das Arische und das Griechische, im einzelnen festzustellen, was
in ihnen in ältester Zeit die einzelnen Formengruppen der Verba
bezeichnet haben, und dann zu untersuchen, wie das Aktions-
artensystem in ihnen beschaffen gewesen sein mag. Diese Unter-
suchung ist nur erst eben begonnen und beginnt nur erst
in ihrem ganzen Umfang als wichtig und nötig erkannt zu werden.
Dabei hat sich gezeigt, daß das älteste Arische zwar wahrschein-
lich die Urbedeutung des Aorists noch reiner als das Griechische
bewahrt, daß es aber die Bedeutung des Präsensstammes und des
Perfektums von der Urbedeutung schon stark abgebogen hat,
während im Griechischen zwar die Bedeutung des Aorists viel-
leicht schon erweitert worden ist, das Präsens aber und besonders
das Perfektum die ursprüngliche Bedeutung noch treu wider-
spiegeln. Immerhin ist damit zu rechnen, daß weitere Unter-
suchungen auf diesem äußerst schwierigen Arbeitsfelde noch
manche der bisherigen Erkenntnisse stark umgestalten werden.
Für das Griechische darf als festgestellt gelten, daß der Aorist,
die in ihrer Bildung einfachste Stammgruppe, die „Handlung“
oder den „Vorgang“, den das Verbum bezeichnet, an und für
sich, als Ganzes, abgeschlossen darstellt, daß das Perfektum,
die nächst einheitliche Formengruppe, den aus dem Abschluß
folgenden Zustand benennt, daß aber das Präsens, unter dessen
Namen zahlreiche, sehr verschiedenartige Bildungen vereinigt
werden, der Bedeutung einen erheblich weiteren Spielraum läßt
als Aorist und Perfektum, indem es Beginn, Verlauf und
Wiederholung bezeichnen kann. Alle diese Stammgruppen
können je nach Bedarf von gegenwärtigen, vergangenen und zu-
künftigen Handlungen, Vorgängen, Zuständen gebraucht werden.
Beim Indikativ wird die Vergangenheit außer durch die sekun-
dären Endungen gewöhnlich durch das vortretende Augment, ein
154 Felix Hartmann
Adverbium e „damals“, bezeichnet; für Gegenwart und Zukunft
gibt es ursprünglich keine Unterscheidung, erst gegen den Schluß
der indogermanischen Periode kommt das Futurum auf, das aber,
normaler Weise, weil es nicht zum Präsens-, Aorist- oder Perfekt-
stamm gehört, sondern vom Verbalstamm aus gebildet wird, die
Unterscheidung von Vorgang, Abschluß und Zustand nicht aus-
drückt. Daran ganz besonders erkennt man, daß das Verbal-
system des Indogermanischen nichts Unveränderliches, Unver-
rückbares war; daneben weisen auch nicht nur die schon gekenn-
zeichneten Abweichungen des Griechischen, sondern namentlich
auch der ungemein schnelle Verfall der ganzen Verbalflexion im
Arischen darauf hin, daß die Umbildung aus dem Aktionsarten-
system in ein Tempussystem schon vor der Sprachtrennung be-
gonnen hatte, aber noch zu keinem Abschluß gelangt war.
So nahe also das griechische Verbalsystem dem ursprüng-
lichen steht, ist es doch weder mit diesem identisch, noch eine
fertige, einheitliche Schöpfung, vielmehr trägt es nicht nur die
Spuren der Herkunft aus einer älteren Bildung, sondern, wie bald
noch genauer ausgeführt werden soll, die Keime zur Weiterbildung
an mehreren Stellen in sich, ist aber nie zu einem wirklichen
Abschluß gelangt, vermutlich deshalb, weil es nicht logisch ge-
gliedert war und weil im Einklang mit der individualistischen
Denkweise der Griechen jedes Verbum seiner Grundbedeutung
entsprechend zwar die damit vereinbaren Formen sämtlich, aber
auch eben nur diese entwickelte. So gibt es von p&ow „tragen“,
einem überaus häufigen und aus allen verwandten Sprachen wohl-
bekannten Verbum, nur Formen der Präsensstammgruppe, denn
„tragen“ bezeichnet etwas unabgeschlossenes; den Abschluß
drücken wir im Deutschen etwa durch „hintragen“ oder „bringen“
aus, der Grieche bezeichnet es durch den Aorist Äveyxov, &vey-
xeiv, zu dem wiederum ein Präsens nicht gebildet wird. Ähnlich
ist es mit öo@v „schauen, beachten“, französisch „regarder“ gegen-
über ideiv „sehen, voir“, Zoxoucı, elut „ich gehe“ gegenüber 7190»
„ich kam, gelangte“ und vielen anderen, bei denen wir von
unserem Standpunkte aus und nach dem Muster der lateinischen
„Konjugation“ verschiedene Verbalstämme zu einem Paradigma
vereinigen, die ursprünglich gar nichts mit einander zu tun haben.
So z.B. wveio9aı „um den Kaufpreis einer Ware feilschen“ und
rotaodaı „sich etwas verkaufen lassen“ oder n&ovnuı „ich stelle
zum Verkauf“ und dredöunv „ich ließ mir dafür wiedergeben,
Die Verbalsysteme der Schulsprachen. 155
d. h. zahlen“’). Die scharfe Ausprägung der Bedeutung des
Stammes ist der Sprache also wichtiger als die Zuordnung zu
einem bestimmten Zeitpunkt. Wenn übrigens die nicht augmen-
tierten Formen des Präsens- und des Perfektstammes gleicher-
weise die Gegenwart zu bezeichnen scheinen, so sind sie doch
keineswegs in temporaler Hinsicht bedeutungsgleich, das Perfek-
tum bezeichnet die unmittelbare Gegenwart viel klarer und be-
stimmter als das sogenannte Präsens, das auch zur Bezeichnung
der zeitlosen oder an keine bestimmte Zeit gebundenen Handlung
verwendet wird. Man vergleiche: otis ën todo Aéyn ualveraı
gegenüber ueunvas! „du bist von Sinnen“, oder noAAdxıs ol dodloı
drrodiöodoxovoıw „es kommt oft vor, daß Sklaven davonlaufen“
und ó óoó4os dnoötögaxe „der Sklave ist fort (und ich bin seiner
noch nicht wieder habhaft geworden)“.
Sehr auffällig aber ist die Tatsache, daß zum sigmatischen
Aorist nirgend, zum älteren nichtsigmatisch gebildeten nur ganz
vereinzelt die dem Präsens entsprechenden nichtaugmentierten
Indikative mit primären Endungen begegnen. Man hat verschie-
dene Erklärungen dafür versucht, am liebsten möchte man mathe-
matisch beweisen, daß solche Bildungen wegen der Bedeutung
der aoristischen Aktionsart nicht möglich sind. Das ist, a poste-
riori betrachtet, gewiß richtig, aber mit logischen Deduktionen
ist derSprachentwicklung nie und nirgend beizukommen.
In den slavischen Sprachen sind die perfektiven Präsentia genau
so häufig wie die dem Aorist in der Bedeutung entsprechenden
Präterita, und sie werden in allgemeiner (d. h. präsentischer),
aoristischer und besonders in futurischer Bedeutung gebraucht.
Warum im Griechischen wie im Arischen das „Aoristpräsens“,
wie man die fehlende Bildung genannt hat, gänzlich fehlt und
durch das präsentische Präsens ersetzt wird, entzieht sich unserer
Kenntnis; es muß darin das Ergebnis einer Entwicklung stecken,
die zur Zeit der Sprachtrennung längst abgeschlossen war und
sich damals vollzog, als ganz gleichgebildete Präterita wie Zpn»
und &ornv oder sioun und Zuevov teils die Bedeutung der ver-
laufenden, teils die der abgeschlossenen Handlung annahmen.
Diese Spaltung der Bedeutung bei der selben Sprachform ist aber
1) Umgekehrt sollte man viel häufiger als üblich Präsensstamm und Aorist-
stamm, dort wo sie von demselben Verbalstamm gebildet werden, durch ver-
schiedene Verba wiedergeben, so xeisdeıw „auffordern, bitten, mahnen“, xeleö-
got „befehlen“, dıddvas „anbieten“, doövas „geben“, Bovisdeodas „beraten“,
BovAevoacdaı „beschließen“, pgalveodaı „scheinen“, payqa, „erscheinen“,
156 Felix Hartmann
ein durchaus individueller, nur aus der Bedeutung des einzelnen
Verbalstamms ableitbarer Vorgang, der an und für sich jeder
logischen Erklärung spottet und einfach historisch festzustellen
ist. Man darf dabei vor allem nicht vergessen, daß die alten
Indogermanen ihre Verbformen nicht wie wir vom Präsens oder
einer konstruierten Wurzel aus bildeten und daß sich der Aufbau
und Ausbau eines Verbums oft in einer Richtung vollzog, die
der uns aus der Grammatik geläufigen grade entgegengesetzt ist.
So ist letzthin öfter darauf hingewiesen worden, daß zwar bei
Homer schon zahlreiche Wörter auf -ów belegt sind, aber nur
erst im Passivaorist auf ann oder im Verbaladjektiv auf -wıdg,
Präsentia und Imperfekta sind dagegen noch selten. Übrigens
ist esja nur natürlich, wenn von einem abgeschlossenen Vorgang
erst (im Indikativ) berichtet wird, wenn er der Vergangenheit
angehört, und so mögen das gewöhnliche Präsens und das neu
aufkommende Futurum gemeinsam das allmählich seltener werdende
Aoristpräsens schon frühzeitig erdrückt haben. Daß dieser Vor-
gang schon der Ursprache angehört, ergibt sich auch aus dem
Zeugnis des Lateinischen, das die Unterscheidung der perfektiven
und imperfektiven Aktionsart nur für die Tempora der Vergangen-
heit kennt.
Dieses ererbte Verbalsystem gestalten nur die Griechen
während des gewaltigen Aufstieges ihrer Literatur zusehends
reicher. Sie wuchern mit dem ererbten Pfunde, aber alle Aus-
gestaltungen des Systems erweisen sich doch immer wieder als
direkte, gradlinige Fortsetzungen des Ursprünglichen und führen
nicht, wie beim Lateinischen, zu einer gänzlich verschiedenen
Neuanlage. Ich beschränke die Besprechung auf die bemerkens-
wertesten Neuerungen.
a. Eine eigenartige Betonung erhält die Selbständigkeit der
Aktionsstämme dadurch, daß von allen die Modi Konjunktiv,
Optativ, Imperativ durchgeführt und auch eigene Nominalformen,
Infinitiv und Partizipium, abgeleitet werden. Ansätze zu dieser
Entwicklung begegnen auch in den arischen Sprachen, aber sie
sind nicht entfernt so konsequent durchgeführt wie im Griechi-
schen. Nur das neue Tempus hinkt etwas nach: dem Futurum
fehlt ein Konjunktiv und ein Imperativ: das Tempus verhält sich
diesen Formengruppen gegenüber anders als die Aktionsart. Die
erst von der Sprachwissenschaft hervorgehobene, vom Griechi-
schen treu bis in späte Zeit bewahrte Selbständigkeit der Aktions-
gruppen wird von unserer Philologie noch immer nicht ausreichend
Die Verbalsysteme der Schulsprachen. 157
beachtet und findet in der Schulgrammatik kaum irgendwo Er-
wähnung. Ich erinnere deshalb an dieser Stelle ausdrücklich an
die Bemerkung, die Georg Curtius in die Einleitung zu seinem
„Verbum“ einflicht, daß man zum Verständnis des griechischen
Verbums nur kommen könne, wenn man sich von der Auffassung
frei mache, daß von jedem griechischen Verbalstamm sämtliche
in der Grammatik gelehrten Formen gebildet werden können.
b. Daß im Griechischen von Anfang an die abgeleiteten Verba
einen ungewöhnlich großen Raum einnehmen und daß die w-
Flexion von Anfang an der thematischen gegenüber im Zurück-
weichen begriffen ist, wurde schon angedeutet. Beide Erschei-
nungen hängen in gewissem Grade untereinander und gleichzeitig
mit der Ausbildung des sogenannten Passivums zusammen. Die
abgeleiteten Verba werden nämlich ganz überwiegend mit einem
5j-Suffix nach der thematischen Flexion gebildet.. Ihnen entspricht
im Altindischen die vierte Präsensklasse, zu der aber, wie übrigens
auch im Griechischen, nicht bloß abgeleitete Verba gehören. Vor
allem bildet das Altindische von Verben der verschiedensten Art
mediale Präsentia der vierten Klasse mit ausgesprochen passiver
Bedeutung. Diese Bildungsweise muß einst auch im Griechischen
üblich gewesen sein, hat sich hier aber in eigenartiger Weise
weiterentwickelt‘). Das Griechische bewahrt vermutlich eine
Eigenart der Ursprache, wenn es jedes Medium, nicht bloß das
der vierten Präsensklasse, außer in medialer auch in passiver
Bedeutung zu verwenden erlaubt. Der gleiche Gebrauch des
Mediums findet sich auch im ältesten Indischen, nur viel seltener,
da das Indische schon frühzeitig die ausgesprochen passive Be-
deutung dem medialen Präsens der vierten Klasse vorbehalten
hat. So liegt neben dem Präsens aktivi der fünften Klasse tanoti
„spannt, streckt“ nicht nur das gleichgebildete Medium tanute
(távvtæt) „streckt sich“, sondern auch das Passivum tanyate „wird
gespannt“ = teiveraı. Im Griechischen ist das bei Homer im
Medium noch erhaltene Präsens der fünften Klasse durch das zum
Passivum zeiveraı neugebildete Aktivum reine, zu dem es im
Indischen keine Entsprechung gibt, ersetzt worden. Das Gleiche
ist bei gewiß nicht wenigen andern Verben, die ursprünglich der
uı-Flexion folgten, eingetreten, z.B. deutlich noch bei oxi&w und
Asien, dem Präsens zu Znepvov, neparaı. Diese Neubildung setzt
voraus, daß im Griechischen die passive Bedeutung der Medien
1) Vgl. P. Diels, Jsb. d. schles. Ges. f. vaterl. Kultur 1913.
158 Felix Hartmann
allgemein geläufig war und daß die ursprünglich nur passiv ver-
wendeten Medien der vierten Klasse wie zeiveraı, oxibera, Delve-
tar nun auch wie andre Media in medialer Bedeutung gebraucht
werden konnten. Das scheint ziemlich selbstverständlich, muß
aber doch hier hervorgehoben werden, weil es mit der Bedeutung
des griechischen Passivums eng zusammenhängt und diese oft
genug mit der ganz anders entstandenen des lateinischen Passivs
zusammengeworfen wird.
Denn es wird wenig beachtet, daß an echt passiven Formen
im Urindogermanischen nur die Partizipia auf -zós und -vós wie
tardg „gespannt“, -parós „erschlagen“ und dyvds „geheiligt“,
oeuvós „verehrt“ und daneben vielleicht ein Gerundivum auf
-tevjos, griech. -téocs*) vorhanden gewesen sind. Daß die reflexive
Bedeutung des Mediums der passiven verwandt ist, bestätigen
andre Sprachen auf Schritt und Tritt; ich erinnere nur an das
Französische, wo oft, und an das Slavische, wo allgemein das
Passivum durch reflexive Pronomina ausgedrückt wird. Aber es
gibt zahlreiche Fälle, in denen keine Sprache ein lebendiges und
als solches empfundenes reflexives Verbum zur Bezeichnung des
Passivums verwenden kann. In diesen liegt der Ausgangspunkt
für die Ausbildung eines besonderen Passivums, wenn eine solche
zustande kommt. Im Griechischen ist sie nicht zustande ge-
kommen. Vielmehr gilt die bekannte Beobachtung F. N. Fincks,
derzufolge die indogermanischen Sprachen sämtlich Sprachen
hochgesteigerter Aktivität seien, in ganz besonderem Maße vom
Griechischen, das in zahlreichen Fällen aktive Verba als Passiva
zu andern verwendet, so dnodvfornw zu dnoxtelvw, ndoxw zu
now, YPedyw zu dıwrw, Exnino zu Exßdilw usw., bei denen
deutlich wird, daß dem Griechen auch bei dem, was er erleidet,
das eigne subjektive Verhalten der fremden Einwirkung gegen-
über das Wichtigste ist. So erklärt sich auch, daß die im Grie-
chischen neu aufkommenden Passivaoriste, dorisch auch die
Passivfutura, rein aktivisch flektiert werden (vgl. unten).
Es entsteht nun die Frage, welchen Sinn ‘die große Mannig-
faltigkeit der verschiedenen Präsensbildungen des Griechischen
hat, die ja, wenn auch in weit geringerer Zahl, im Lateinischen
vorhanden ist und, wie die dem Griechischen sehr ähnliche Prä-
1) Das verhältnismäßig späte Auftreten dieser Bildung in der altind. und
griechischen Literatur darf nicht blind machen gegen die völlige Übereinstim-
mung in Form und Bedeutung.
Die Verbalsysteme der Schulsprachen. . 159
. sensbildung des Altindischen zeigt, auf die Ursprache zurückgeht.
. Im Lateinischen dienen einige bestimmte Präsensbildungen dem
. Ausdruck bestimmter Bedeutungsschattierungen, Captare, delec-
lare, venditare, pulsare, prensare sind in ihrer Bildung leicht ver-
ständliche Ausdrücke der Wiederholung, incalescere, extimescere
u.ä. sind Inkohativa, esurire, parturire Desiderativa, aber das sind
Neubildungen, die sich bei Bedarf einstellen; die altererbten Prä-
sentia lassen sich nicht in entsprechender Weise bestimmten Be-
deutungsklassen zuweisen. Ähnlich liegt es im Griechischen. Es
gibt eine nicht unbeträchtliche Zahl von Intensivbildungen wie
TTOEYPÜEW ZU gogo, Nomviw zu nvew, Tovdogdto zu Yögvßog,
totúw zu ¿roños; es gibt einige Desiderativa auf -oelw, ein
Versuch für die Vergangenheit Iterativbildungen zu schaffen be-
gegnet im Ionischen, wird aber bald wieder aufgegeben. Alles
das sind aber rein griechische Neubildungen, höchstens in den
Intensiva mag einiges Ererbte erhalten sein. Dagegen von einer
Ausprägung der einzelnen ererbten Präsensklassen zu bestimmten
Bedeutungsklassen ist keine sichere Spur zu entdecken. Ver-
suche hier Unterschiede aufzufinden sind genug gemacht worden;
die Ergebnisse sind wenig überzeugend, und selbst wenn sie
Glauben verdienten, herzlich unbedeutend. Es gibt Dee, Ixnv&ouaı
und ix&vw, es gibt xiyņu, xıyavo und xıyydvow, es gibt Aelnw
und Aundvo, peúyw und pvyydvw, neddoum und nuvddvouaı,
anoxselvw und dnoxtivvvu, čyw, loyw, ioxavdw, o%yéðw, uévw,
uluvo und viele andre Doppelbildungen, und gewiß werden die
Griechen nicht immer eine ohne Weiteres für die andre Form
haben einsetzen können; aber wir sind heute nicht mehr im Stande,
klassenmäßige Bedeutungsunterschiede der Formgruppen zu er-
schließen. Vielmehr glaube ich, daß die Buntheit der Formen-
bildung auch zur Buntheit des historisch gegebenen Präsens ge-
führt hat; wo wie bei ßalvw (venio), Boxe (gacchami), Bißnur,
Bıßaw, Baöltw anfangs verschiedene Präsensbildungen nebenein-
anderliegen, siegt doch mit der Zeit eine einzige, die die andern
verdrängt, aber ihre schwach abweichenden Bedeutungen in sich
vereinigt. So mag sich erklären, daß der Präsensstamm so weit
auseinandergehende Bedeutungen wie Eintritt, Zustand, Verlauf,
Wiederholung, ja im Präsens historikum sogar Abschluß der Hand-
lung bezeichnen kann, Die historische Betrachtung des Aufbaus
der Präsensformen führt also zu einer ganz andern Beurteilung
ihrer Stellung im System des griechischen Verbums, als sie aus
dem Altertum überliefert ist; wir stellen den zweiten Aorist und
160 Felix Hartmann
das Perfektum als einheitliche Bildungen mit einheitlicher Be-
deutung voran und sehen im Präsens eine sehr bunte und un-
gleichmäßige Formenmasse, die sich keineswegs immer homogen
mit den übrigen Stammgruppen verbindet. Es ist erst das Er-
gebnis einer lange vor Homer einsetzenden, aber nie das Alte
ganz überwuchernden Entwickelung, wenn das Präsens, von den
sehr zahlreichen abgeleiteten Verben ausgehend, in den Mittel-
punkt mancher Verbalbildungen tritt, so daß vom Präsensstamm
aus Aorist, Perfektum, Futurum gebildet werden. Aber der Um-
fang dieser Erscheinung darf nicht überschätzt werden, denn die
große Menge der abgeleiteten Verba bildet zu allen Zeiten nur
Präsens und Imperfektum.
c. Eine Sonderstellung nehmen im griechischen Verbalsystem
die sogenannten „Passivtempora“, die passiven Aoriste und Futura
ein. Daß in der Ursprache das Medium des Aorists auch in pas-
sivem Sinne gebraucht werden konnte, ist oben (S. 157) erwähnt;
diese Verwendung des medialen Aorists begegnet bei Homer noch
häufig, namentlich bei den altertümlichen Bildungen des soge-
nannten Wurzelaorists (8Añto, &&taro) und des sigmatischen Aorists
(züxto, Dënn 3. Dualis, éga), in klassischer Zeit aber scheidet
die Grammatik medialen und passiven Aorist und, wenn auch
weniger scharf, mediales und passives Futurum. Diese „Passiv-
tempora“ sind sämtlich Neubildungen des Griechischen, und zwar
können wir ihre Ausbildung noch mit ziemlicher Sicherheit ver-
folgen. Das Sonderbare ist nun aber, daß beide Passivaoriste,
der ältere zweite wie der jüngere erste, rein aktivisch flektieren
und auch ihrer Bedeutung nach nicht besonders eng zum Passi-
vum gehören. Den zweiten Passivaorist erklärt man als athema-
tische Präteritalbildung zu einer durch 3 erweiterten schwund-
stufigen Form des Verbalstamms mit intransitiver Bedeutung.
Solche durch a erweiterten intransitiven Verbalstämme, besonders
mit Zustandsbedeutung, sind in den verwandten Sprachen weit
verbreitet, man vergleiche lat. algere, frigere, calere, tepere; ent-
sprechende Bildungen begegnen in großer Zahl im Slavischen
und Litauischen; im Griechischen ist nichts häufiger als die Er-
weiterung des Verbalstamms durch n, dies 7 mag aber sehr ver-
schiedenen Ursprungs sein. Daß die neue Aoristbildung nur in-
folge ihrer intransitiven Bedeutung einen dem Passivum ähnlichen
Sinn annimmt, erkennt man leicht, wenn man sieht, wie sie auch
in aktiver Bedeutung begegnet: Zrdon, Zoos: ebenso können
wir bei 2#yn» „ich zerbrach“, ändynv „gefror“, Goen „verfaulte“,
Die Verbalsysteme der Schulsprachen. 161
&rdxnv „schmolz“ die aktiv-intransitive Bedeutung gut zum Aus-
druck bringen und werden dementsprechend auch die übrigen
Bildungen zu verstehen suchen müssen.
Ganz anders aber ist die Entstehung des ersten Passivaorists
verlaufen, der sich vom zweiten scheinbar nur durch den Vor-
tritt eines 9 vor die ö-Erweiterung unterscheidet. Während der
zweite zwar nicht leicht, aber doch leidlich plausibel an die e.
Bildungen des Griechischen und anderer Sprachen angeknüpft
werden kann, bietet keine indogermanische Sprache etwas dem
ersten Passivaorist Vergleichbares, auch zu den Präsensbildungen
mit -9w und zu Aoristen wie doye$o» führt kein gangbarer Weg.
Überzeugend dagegen ist die von Jakob Wackernagel aufgestellte
Erklärung der Form, wenn man sie richtig in die Entwicklungs-
geschichte des griechischen Verbums einordnet. Einst war die
normale Sekundärendung der zweiten Person des Mediums due,
der sigmatische Aorist von uelyvuu flektierte also im Medium
Zueiyunv Gusti čueixto usw., Formen die auch in passiver Be-
deutung bei Homer begegnen können. Aber die zweite Person
fällt aus dem Paradigma heraus, man hat dazu die erste Zueiydnv,
die dritte Zueiy9n gebildet und so die ganze Flexion nach dem
nahezu gleichbedeutenden 2wiyn» „ich mischte mich, geriet unter ..“
ausgestaltet und durchgeführt. Anderseits bestand das Bedürfnis,
das bei Konsonantstämmen vor den Medialendungen überall außer
in der dritten Person Pluralis lautgesetzlich ausfallende o, den
eigentlichen Tempuscharakter der Bildung, durch einen stützerden
Vokal o wie entsprechend im Aktivum, vor dem Verschwinden
zu schützen; so entstand Zusu&dunv ucio Zueldaro. Die beiden
aus gleicher Wurzel erwachsenen Bildungen teilten sich dann in
der Weise in das ursprünglich von Zuelyunv allein beherrschte
Gebiet, daß Zusı&dunv nur medial, Zueiydn» intransitiv und passiv
verwendet wurde. Eine besonders einleuchtende Bestätigung
findet diese Erklärung durch die bei Homer vorkommenden Formen
des Aorists von ddw, hier begegnen daodun» und dou (mit
o!) in vollkommen gleicher Bedeutung „ich wurde verblendet,
habe mich betören lassen, bin in Schuld verstrickt worden“. Nach
dieser Erklärung haben wir im ersten Passivaorist ein besonders
eindringlich sprechendes Beispiel für den Vorgang, den man
(falsche) Analogie nennt. Der Passivaorist ist ein aus einer Me-
dialform entwickeltes aktives Tempus, das neben intransitiver oft
auch passive Bedeutung annehmen kann. Besonders wo wie. bei
&ulynv und Zuslx$7» beide „Passivaoriste“ vorliegen, neigt der
Zeitschrift für vergl. Sprachf. LIX 3/4. 11
162 Felix Hartmann
zweite (£ulynv) zur intransitiv-medialen, der erste (2ueiyd») zur
passiven Verwendung’).
Anders liegen die Dinge bei den Passivfutura. Ein Futurum
auf -9rooucı konnte sich natürlich erst entwickeln, nachdem der
Aorist auf un fest eingebürgert war und überwiegend passive
Bedeutung angenommen hatte. Ein Bedürfnis nach einer solchen
neuen Form bestand aber nicht, das Medialfuturum hatte nach
allgemeiner griechischer Gepflogenheit auch passive Bedeutung.
So begegnet dann ein Futurum auf -9Zooua, bei Homer über-
haupt noch nicht; aber auch zu den Bildungen auf un wie ŝul-
ynv brauchte man anfangs kein Futurum, da es doch in der Be-
deutung mit Bildungen wie vel&oucı zusammenfallen mußte. Daher
ist nur ein einziges Futurum dieser Art erst bei Homer belegt,
eben uynoouaı, dessen Aufkommen sich aus den Parallelgruppen
Zou orhoouaı, Zënn Bhoouaı usw. leicht verstehen läßt. Die
Passivbedeutung dieser Futura ist wie die der Aoriste, aus denen
sie abgeleitet werden, erst sekundär, die passive Verwendung
der medialen Futura bleibt in allen Perioden weit verbreitet.
Diese Entstehung der „passiven“ Formen des Griechischen
zeigt nun deutlich, daß allen griechischen Passivformen die passive
Bedeutung erst durch unsere Auffassung anempfunden wird, denn
wir gehen bei dem Versuch, die griechischen Verbalformen zu
verstehen, gewohnheitsmäßig vom Lateinischen aus, "das wir vor
dem Griechischen erlernt haben, und übertragen unwillkürlich,
unbewußt und unabsichtlich, aber auch unfehlbar die lateinische
Passivbedeutung, die wir in unsere Muttersprache übernommen
haben, auf das griechische Passivum, das seinem Wesen, seiner
Grundbedeutung und seiner Entstehung nach etwas Grundver-
schiedenes ist. Eine genaue Studie dieses Unterschiedes wäre
sehr erwünscht. Über das lateinische Passivum vgl. unten.
d. Die bisher behandelten Neuerungen des griechischen Ver-
balsystems sind teils vor dem Eintritt des Griechischen in die
Literatur, teils vor dem Auftreten des attischen Dramas im wesent-
lichen abgeschlossen. Anders ist es aber mit der Verwendung
des Perfektums, das grade erst in attischer Zeit, man kann sagen
1) Damit hängt auch die weitere Erscheinung zusammen, daß dort, wo
neben- einer intransitiven Aoristbildung noch ein mit æ erweiterter Medialaorist
gebildet wird, diese jüngste Aoristform regelmäßig in transitiver Verwendung
begegnet, so 2ormodunv neben Zoınv, Erpespdunv neben Ergardunv, Eyewdunv
neben £yevdunv, Euesifdunv, Ennsaunv, Eoongdunv neben Eulynv, Endym,
epoaynv. ` | l .
Die Verbalsysteme der Schulsprachen. 163
durch die Blüte der attischen Rhetorik, eine starke und in ihren
Ausstrahlungen auf andre Sprachen äußerst weitreichende Be-
deutungserweiterung erfährt. Die altererbten Perfekta haben, so
lange sich ihre Verwendung erhält, ebenso wie die bei Homer
schon neugeschaffenen sämtlich Zustandsbedeutung. Aber der
Zustand haftet doch an der vollendeten Handlung, und so kann
er, wie diese selbst, leicht temporale Bedeutung bekommen, um
so leichter, wenn der Abschluß der Handlung nicht zu einem
dauernden Zustand führt. Die Möglichkeit, das Perfektum temporal
zu verwenden, ja die Neigung dieser ursprünglich nur auf die
unmittelbare Gegenwart (vgl. oben S. 155) bezüglichen Form, Ver-
gangenheitsbedeutung anzunehmen, kehrt in den verschiedensten
Zweigen der indogermanischen Sprachgruppen wieder. Um so
erstaunlicher ist es, daß in klassischer Zeit noch kein sicheres
Beispiel dieses Bedeutungsübergangs vorliegt, daß vielmehr sichere
Fälle der präteritalen Bedeutung erst in der hellenistischen Ge-
meinsprache begegnen. Wie die Bedeutungsverschiebung aber
eingetreten ist und in welche Einzelvorgänge sie zerfällt, über-
sehen wir noch mit voller Deutlichkeit `). Das Zustandsperfektum
bezeichnet bei Homer noch ausschließlich Zustände, die am Sub-
jekt haften: B 135 doöoa o&onne „das Holz ist morsch (geworden)“,
A 202 tint .. eilnlovdas; „wozu bist du hier (hergekommen)?“
Soll dagegen, wie das bei transitiven Verben der häufigere
Fall ist, der das Objekt treffende Zustand ausgedrückt werden,
so tritt der Satz ins Passiv, damit aus dem Objekt das Subjekt
wird: B 135 ondora A&Avvraı „die Bänder sind locker (geworden)*,
A125 tà èv nollwv EEenodYouev, tà Öedaoraı „was wir erbeutet
haben, ist verteilt“.
Dieser Übergang vom Passivum zum Aktivum führt aber zu
einer Bedeutungsverschiebung, die dem neuen aktiven Perfektum,
und zwar nur diesem, auch präteritale Bedeutung verleiht. Wenn
Themistokles in Sparta die Meldung erhält cé telyn @xoddunzaı,
so heißt das „der Mauerbau ist vollendet“; wenn aber die Spar-
taner daraus machen ol Adnvaioı telyn @aodoufjxaoı, so liegt darin
auch die Lokalisierung der Handlung in der Vergangenheit, und
diese nähert die Perfektform wieder sehr dem Aorist, der ur-
sprünglich allein für den Ausdruck des Gedankens im Aktivum
zur Verfügung stand’).
1) Vgl. Gnomon 6, 185ff.
2) Es verdient Beachtung, daß die neue, von Wackernagel Resultativ-
perfektum genannte Bildung sich nicht ohne Widerstand durchgesetzt hat, wei
11*
164 Felix Hartmann
Diese bei Homer noch verhältnismäßig seltene Umwandlung
ins Passivum nimmt in der Folgezeit, besonders bei Herodot, sehr
stark zu; daneben aber beginnt schon im attischen Drama und
dann mit immer steigender Häufigkeit in der Prosa das aktive
Perfektum von zahlreichen Verben aufzutreten, die es vorher
nicht bildeten, weil der Zustand nun am Objekt haftet, wie bei
äu, óéóoxa, Akivxa, menmoupa. Damit ist das Perfektum in
die Sphäre des Aorists eingedrungen und hat eine Bedeutung
angenommen, die zuvor allein durch diesen ausgedrückt werden
konnte, wenn man nicht den Umweg über das Passivum wählen
wollte, so oben Z&enoddouev neben Ö£öaoreı, oft aber auch da
anwandte, wo ein Perfektum zur Verfügung gestanden hätte:
T 428: dGiuiec x mol&uov; ðs Wpelss adtóF 6Akodaı! ebenso in
der Antwort auf Achills Frage rin!’ .. eilnAovdas; A207 Atov
Zug Nadoovoa tò oòv u£vos, oder man vergleiche 42304 rä dë
Asidyxacı loa coot von Kastor und Polydeukes gesagt mit A 49
= Q70 tò yọ Adxouev yšoqs hueis von allen Göttern.
Wenn nun von der Aoristbedeutung, z.B. einov „ich sagte“
und „ich bin der Meinung“, oder Äjxovox „ich habe gehört“ und
„ich weiß aus eigner Erfahrung“, eionx« und dxnxoa in der zweiten
Bedeutung abgespalten werden, ohne daß doch eran und ğxovoa
die Fähigkeit auch in der zweiten Bedeutung verwendet zu werden
verlieren, so wird der Grund zu dieser Neuerung vermutlich darin
liegen, daß das Perfektum die Beziehung auf die Gegenwart
deutlich ausdrückt, während der Aorist nur die abgeschlossene
Tatsache berichtet und diesen Abschluß durch das Augment aus-
drücklich in der Vergangenheit fixiert‘). Das ist der Unterschied
der konstatierenden und der erzählenden Darstellung; die
Erzählung ist episch oder historisch, die Feststellung dra-
sie offenbar dem bisher Üblichen, also dem Sprachgefühl, widerstrebte. So er-
klärt sich die auf eine kurze Zeit beschränkte, besonders bei Sophokles beliebte
Umschreibung durch yw mit dem Aoristpartizip: yruas Zyo.
1) Die hier dem neuen Aktivperfektum zufallende Bedeutung ist nach der
Angabe der Grammatiker ursprünglich die einzige des altindischen Aorists, und
Delbrück hält sie auch für die ursprünglich einzige des griechischen. Die An-
sicht ist aber nicht notwendig. Die Unterscheidung zwischen Feststellung und
Erzählung ist vielmehr erst historisch entstanden aus besonderen Bedürfnissen
der Darstellung, und diese haben sich im Altindischen zweifellos ganz anders
entwickelt als im Griechischen. Einzelheiten noch weiter unten. Konstatierend
wird z.B. für wiederholte und verlaufende aber unabgeschlossene Vorgänge auch
das Imperfektum im Griechischen sehr häufig gebraucht. S. o. XLVIII 18 und
Neue Jahrbücher 1919, I 399.
Die Verbalsysteme der Schulsprachen. 165
matisch und rhetorisch, daher besonders häufig in der poli-
tischen und gerichtlichen Rede. Erst mit der Verflachung des
Dramas und dem Untergang der Demokratie und damit der öffent-
lichen, meist von starkem Temperament getragenen Rede, beginnt
die Vermischung von Aorist und Perfektum und zwar in der
Weise, daß das Perfektum schließlich, aber erst nach sehr langer
Zeit, aus dem Gebrauch verschwindet, soweit es nicht, wie ja
im Passivum schon häufig seit alter Zeit, durch Umschreibungen
ersetzt wird.
Zusammenfassend ist zu sagen, daß das griechische Verbum
in der durch die Literatur fixierten Form zwar einige Keime, die
in dem System der Ursprache enthalten waren, in selbständiger
Weise weitergebildet hat, aber den Charakter des indogermanischen
Systems noch treu bewahrt, besonders auch der beginnenden
Ausbildung eines Tempussystems (Futurum) keine weitere Folge
gegeben hat. Wenn in nachalexandrinischer Zeit, in der Zeit
des Attizismus, die Neigung hervortritt, von demselben Verbal-
stamm viel mehr Tempora zu bilden als in klassischer Zeit ge-
bildet wurden, so ist das keine natürliche Entwicklung, sondern
beruht auf gelehrtem Einfluß in einer Zeit, in der die Volks-
sprache ganz andre Wege ging. Daß es indessen auch so nicht
zur Ausbildung eines Tempussystems und einer Konjugation im
lateinischen Sinne gekommen ist, ergibt sich aus dem völligen
Fehlen eines Ausdrucksmittels für die Zeitrelation: das Verhältnis
eines Vorgangs des Nebensatzes zu dem des Hauptsatzes kann
aus der Aktionsart bis zu einem gewissen Grade erschlossen
werden, wird aber niemals unmittelbar ausgedrückt. Das aus dem
Medium erwachsene und mit diesem aufs engste bedeutungsver-
wandte Passivum ist überwiegend der Ausdruck eines intransitiven
Tuns oder Vorgangs, nicht eigentlich eines widerstandslosen und
willenlosen Erleidens.
2. Durchaus verschieden vom griechischen ist das lateinische
Verbalsystem. Leider ist die Art und Weise, wie es sich aus
dem ursprünglichen gebildet hat, noch in tiefes Dunkel gehüllt;
bei der geringen Beliebtheit morphologischer Untersuchungen
sind auch die unerläßlichen Vorfragen nach der Stellung des
lateinischen Verbums zum altitalischen und besonders zum kelti-
schen noch sehr wenig geklärt. Was aber die Neuerungen des
Lateinischen bedeuten und welchem Zwecke sie dienten, erfährt
man wiederum, soweit man ihnen nicht historisch beikommen
kann, nur, wenn man sie im Zusammenhange des neu entstehen-
166 Felix Hartmann
den Systems betrachtet. Wichtig ist, daß wir die Ausbildung
des Passivs im Italokeltischen verfolgen können und auf Grund
der von Zimmer aufgestellten, von Thurneysen und andern z. T.
modifizierten Hypothese über seine Entstehung das eigentliche
Wesen des lateinischen Passivs und seinen Unterschied vom indo-
germanischen und griechischen ziemlich sicher feststellen können‘).
Das lateinische Passivum ist, wie es scheint, auf dem Wege über
das unbestimmte Subjekt „man“, das schließlich aus dem Sprach-
empfinden ganz entschwindet, zur Bildung subjektloser Sätze wie
itur, ventum est, moriendum est benutzt worden; diese Ausdrucks-
weise ist im Lateinischen ebenso häufig und für die Sprache
charakteristisch, wie im Griechischen selten und ungewöhnlich.
Erst von ihr aus scheint sich das persönliche Passiv gebildet zu
haben. Der Übertritt alter medialer Deponentia wie sequor, vgl.
aind. sacate, Errouaı, in die neue Passivflexion hat allerdings dazu
geführt, daß eine Anzahl echter Passiva wie ferri, vehi, videri
sich der intransitiven Bedeutung stark nähern; in verti, dessen
Perfektum aktiv flektiert (vgl. aind. vavarta und vävrte mit transi-
tiver und intransitiver Bedeutung), wird man im Hinblick auf die
„mediale“ Bedeutung vieler griechischer Perfekta wie Zaya, mé-
sınya, Eoßnaa, nepvxa geneigt sein ein alles Medium zu sehen.
Aber außer in solchen seltenen Relikterscheinungen hat sich ein
Medium im Lateinischen nicht erhalten.
Ebensowenig erhalten ist das ursprachliche Aktionsarten-
system; die Unterscheidung der dauernden und der vollendeten
Handlung kennt das Lateinische nur noch für den Indikativ der
Vergangenheit; sie ist in besonderer Weise zustande gekommen
und zeigt schon durch ihre Entstehung, daß sie nicht auf die
Ursprache zurückgeht. Die eigentliche Struktur des Systems hat
schon Varro im wesentlichen richtig erkannt, der das verbum
infectum mit Präsens, Imperfektum, Futurum vom verbum per-
fectum mit Perfekt, Plusquamperfekt und Futurum exactum
unterscheidet. Entgangen ist ihm allerdings die Doppelstellung
des Perfekts und ihr eigentlicher Grund. Denn der Sinn der
Neuerung ist die Schöpfung eines konsequent durchgeführten
Systems der Zeitbezeichnung, und zwar für den Hauptsatz die
Unterscheidung von Gegenwart, Vergangenheit und Zukunft, für
den Nebensatz die Unterscheidung der Gleichzeitigkeit, Vorzeitig-
keit und in weitgehendem Maße auch der Nachzeitigkeit. Wo
1) Auf die z. T. phantastischen Versuche, das tocharische r-Passivum mit
dem italokeltischen zusammenzubringen, gehe ich nicht ein.
”
Die Verbalsysteme der Schulsprachen. 167
im Hauptsatz die für die Vor- und Nachzeitigkeit geschaffenen
Formen auftreten, handelt es sich um stilistische Umformung
eines Nebensatzes in einen Hauptsatz.
Hauptsatz | Nebensatz
Gleich- | Vorzeitig- TER
zeiti gke it keit Nachzeitigkeit
Gegenwart| Präs. Präs. Perf. |Periphr. Präs. -urus
sum
Vergan- | |
genheit |Impf. Perf.|Impf. (Gert Pigpf. „ Impf. -urus
l | eram
Zukunft Fut. Fut. Fut. ex. „ Fut. -urus
| l ero
re Prisa Pei | > Fut
Inf.
Während also im Griechischen die Aktionsart noch dominiert
und die Zeitbezeichnung, besonders die Zeitrelation im Nebensatz
und bei den Nominalformen, noch mangelhaft ist — ich erinnere
hier nur an die verfehlten Versuche, gut bezeugte Aoristinfinitive
mit nachzeitiger (nicht etwa futurischer) Bedeutung aus den Texten
herauszuemendieren —, zeigt das lateinische System eine logisch
gegliederte Anordnung von Verbalformen mit teils absoluter, teils
relativer Tempusbedeutung und enthält demnach eine Anzahl
von Neubildungen, die im Griechischen überhaupt keine ‚Ent-
sprechung aufweisen können.
Das Lateinische hat aus der Ursprache das Präsens ererbt und
durch Verschmelzung des indogermanischen Perfektums mit dem
sigmatischen Aorist sein neues Perfektum geschaffen. Das Präsens
hat, wie das griechische, an die zahlreichen Bildungen der Ur-
sprache manche Erinnerungen bewahrt, ist aber schon sehr
gleichmäßig in der äußeren Erscheinung geworden, von der pu-
Flexion bewahrt es nur noch Spuren. Bedeutungsklassen wie
Iterativa, Desiderativa, Inkohativa treten stärker als im Griechi-
schen hervor, sind aber Neuschöpfungen der lateinischen Sprache;
bei den ererbten Präsentia der verschiedensten Bildung sind
Klassenunterschiede in der Bedeutung nicht mit Sicherheit fest-
zustellen. Das Perfektum hat die Bedeutung des Aorists ange-
nommen, d.h. es bezeichnet die abgeschlossene Handlung; nur
vier Perfekta werden stets, den germanischen Präteritopräsentia
168 Felix Hartmann
entsprechend, in der alten Gegenwartsbedeutung gebraucht, odi,
memini, novi, consuevi; wo das Gleiche sonst begegnet, ist es
seltene Abweichung vom sonstigen Gebrauch und manchmal der
Nachahmung verdächtig. Von den Modi begegnet in sim und
velim ererbter Optativ des Präsens; der „Konjunktiv“ des Per-
fekts ist aus dem Optativ des Aorists der Ursprache abgeleitet.
Ein echter Konjunktiv des Präsens lebt z.B. im Futurum ero
fort; der Konjunktiv scheint auch sonst bei der Bildung des
Futurums mitgewirkt zu haben, beim Futurum exaktum vermut-
lich nur in der ersten Person. Doch lassen sich Konjunktiv und
Optativ, weil sie in der Verwendung zusammenflossen, auch
formell nicht immer reinlich scheiden. Die Bildung der Konjunk-
tive des Imperfekts und des Plusquamperfekts ist bisher durchaus
dunkel. Auch sonst weist die Geschichte des lateinischen Verbal-
systems noch zahlreiche Unklarheiten auf, die Sprache gibt eine
Menge früher üblich gewesener Formen wie fazo faxim, duam
duim, attigas, oppugnassere, prohibessis, turbassitur in verhältnis-
mäßig kurzer Zeit auf und führt ebenso schnell dafür neue ein.
Aber das im klassischen Latein abgeschlossen vorliegende Verbal-
system ist, im stärksten Gegensatz zum Griechischen, eine Schöp-
fung, die durch ihre Klarheit, Übersichtlichkeit und Zweckmäßig-
keit Bewunderung erregt und ein Beweis für die Fähigkeit der
Römer ist, sich durch straffe, logisch geordnete Organisation auch
die Welt des Verstandes untertan zu machen. Auffällig ist nicht
bloß die Schnelligkeit, mit der sich das ganz neue System durch-
setzt, sondern auch die Konsequenz, mit der es alle Widerstände
überwindet, durchaus in Übereinstimmung mit der Ausbreitung
römischer Sprache und Kultur über den gesamten Westen des
Reiches. |
Ich betone diese Eigenart des lateinischen Verbums und seinen
Gegensatz zum griechischen deshalb, weil die Nichtberück-
sichtigung der geschilderten Verhältnisse noch immer zu sehr
verkehrten Auffassungen führt. Der methodische Grundsatz, die
Dinge nicht aus ihrem natürlichen und geschichtlichen Zusammen-
hange zu reißen, muß mit der weiteren Forderung, sie mit dem
ihnen eigenen Maßstabe zu messen, in der Weise verbunden
werden, daß man bei der Vergleichung der Spracherscheinungen
verschiedener Sprachen nicht Form mit Form, Formgruppe mit
Formgruppe vergleicht, sondern bei jeder einzelnen Kategorie
stets :auch die Stellung in dem System, dem sie angehört, mit
in den Kreis der Betrachtung einbezieht.‘ Im Griechischen ergibt
Die Verbalsysteme der Schulsprachen. 169
sich die Bedeutung der Form aus ihrer Stellung im Aktions-
artensystem, im Lateinischen läßt sich die Bedeutung der Einzel-
form nicht aus dem Zusammenhang des Tempussystems lösen.
Man kann daher wohl die Bedeutung jeder einzelnen griechischen
Formengruppe auf eine allgemeine Formel bringen, für das
Lateinische ist das aber nur insoweit möglich, als die Verbal-
formen absolute Zeitangaben ausdrücken; wo sie zum Ausdruck
der Zeitrelation dienen, können sie nur durch die Einordnung in
das System, im Einzelfall also durch Beziehung auf andre Verba
des Satzes oder der Periode zum Verständnis gebracht, erklärt
werden. Es ist demnach z. B. unmethodisch, nach Ersatz oder
Umschreibung des Konjunktivs der Futura zu fragen. Seiner
Entstehung nach ist das Futurum wahrscheinlich selbst aus dem
Konjunktiv des Präsens und dem Konjunktiv-Optativ des Perfekts
hervorgegangen; wo Modusverschiebung eintritt, wird es daher
wie das Präsens und das Perfektum behandelt, dem es entstammt.
Mag daher das Futurum selbst schon als Indikativ empfunden
werden, mag gelegentlich, bei der nahen Bedeutungsverwandt-
schaft von dabo und daturus sum, die Umschreibung auch dort
auftreten, wo dem und darem genügt hätten: diese Erscheinungen
wollen historisch verstanden werden, es sind nicht etwa Mängel,
die dem System zur Last fallen. Reminiszenzen an das ursprach-
liche System sind es auch, die etwa bei postquam mit dem Per-
fektum oder bei ne und dem Perfekt- (d. h. Aorist-)Konjunktiv
zum Ausdruck des Verbotes durchblicken. Die Sprachgeographie
hat uns Reliktwörter kennen gelehrt; ähnliche Relikterschei-
nungen, Fossile, Petrefakte begegnen auf allen Gebieten des
Sprachlebens, und die Leitfossile sind es grade, die zum Ver-
ständnis des Aufbaus, Umbaus, Neubaus am meisten beitragen.
Übrigens trägt das lateinische System trotz seiner Klarheit
und Übersichtlichkeit doch den Keim zu einer Weiterbildung und
Umbildung in sich. Die Weiterbildung ist im Romanischen
durchgeführt und hat zu einer starken Umbildung geführt. Es
geht darum auch wieder methodisch nicht an, das lateinische
Verbalsystem ohne Rücksicht auf das romanische zu betrachten,
denn man kann ein in der Entwicklung begriffenes Glied der
Sprache nicht mit Sicherheit verstehen und deuten, wenn man
nur den hypothetischen Anfang, nicht auch den bekannten End-
punkt der Entwicklung in Rechnung stellt.
Im lateinischen Tempussystem steht nämlich das Perfektum
(vgl. oben die Tabelle) an zwei Stellen, einmal als absolutes
170 Felix Hartmann
Tempus zur Bezeichnung der abgeschlossenen Handlung der Ver-
gangenheit, das andre Mal als relatives Tempus zur Bezeichnung
einer zur Gegenwart vorzeitigen Handlung. Dies zweite Perfektum
ist ebenso aoristisch nach Entstehung und Bedeutung wie das
erste, man vergleiche z. B. in Ciceros Timaeus die regelmäßige
Wiedergabe des konstatierenden Aorists durch das Perfektum,
besonders auch im Konjunktiv.
Wie wir also oben beim Aorist eine doppelte Bedeutung kennen
lernten, die feststellende und die erzählende (vgl. oben d, S. 162 ff.),
so finden wir sie auch hier beim lateinischen Perfektum, und da,
wo das Perfektum des Nebensatzes die abgeschlossene Handlung
auf eine Handlung der Gegenwart bezieht, steht es dem oben
behandelten Resultativperfektum des Griechischen immer sehr
nahe, während das Perfektum des Hauptsatzes, wenn es feststellt,
so aoristisch bleibt *) wie der feststellende Aorist des Griechischen.
Aber für den Hauptsatz kann der Ausdruck der Beziehung auf
die Gegenwart ebenso erwünscht und wichtig werden, wie er es
im Griechischen geworden ist, und ein solcher Anschluß des kon-
statierenden Ausdrucks an die Gegenwart lag für das Lateinische
um so näher, weil das passive Perfektum überhaupt mit dem
Präsens von esse gebildet wird. Wenn hoc factum est nicht bloß
„das ist geschehen“ sondern auch „das geschah“ heißt, so ist
hier der konstatierende Ausdruck auch erzählend geworden, genau
so wie cecidi auch die Bedeutung von Zneoov bekommen hat.
Siculi fidem Ciceronis quaestoris cognoverunt sagt nur, daß die
Sikuler (irgendwann) Bekanntschaft mit Ciceros Gewissenhaftig-
keit machten, deutet aber nicht an, daß diese Beobachtung einen
1) D. h. das konstatierende Perfektum des Lateinischen ist ein Perfectum
historicum. Man nannte es früher eine Zeit lang Perfectum logicum. Der Name
ist nicht besonders treffend, aber man vermied doch den Fehler, es an das Per-
fectum praesens anzuschließen, was heute beliebt, aber. handgreiflich falsch ist.
Übrigens entspricht fuit Ilium weder einem griechischen Aorist noch einem
Perfektum, sondern kann nur durch das Imperfektum ausgedrückt werden. Das
wird durch die Stelle Eur. Troad. 580ff. bestätigt, der Vergils fuimus Troes
nachgebildet ist: zexea | Auev zéi note‘ | BEßan’ Abos, péßaxe Toola. Aber
nicht das Perfektum Géëuye entspricht dem fuit, sondern die Bedeutung „ver-
gehen“, die das Verbum hier in poetischer Rede für das üblichere ofyouas (vgl.
ebendort oiyou&vas nöiews) angenommen hat. Das Umschlagen der Bedeutung
in das Gegenteil ist dem Griechischen durchaus fremd; Aoriste wie Jod,
ey&laoa, ¿ódxouoca u. š. stehen mit Präsensbedeutung, dem fehlenden Perfektum
gewissermaßen vorgreifend; vöxit heißt daher zedvnxe, dem dixi Ciceros am
Schluß der ersten Verrine entspricht bei Lys. 12, 100 madoucı xarnyopüv.
Die Verbalsysteme der Schulsprachen. 171
dauernden Eindruck hinterlassen hat; diese Unklarheit wird ver-
mieden, wenn die zur Bezeichnung der Fortwirkung seit Plautus’
Zeiten übliche Umschreibung mit habeo oder teneo und dem Per-
fektpartizipium gewählt wird: Siculi ad fidem meam, quam habent
spectatam iam ac diu cognitam, confugiunt. Es wird sich schwer-
lich beweisen lassen, ist aber bei dem starken Einfluß des Grie-
chischen auf die lateinische Kunstsprache äußerst wahrscheinlich,
daß die gleich zu Anfang der lateinischen Literatur auftretende
Umschreibung des Verbum perfektum mit habeo oder teneo letzten
Endes auf den bewußten Versuch zurückgeht, konstatierenden
und erzählenden Ausdruck zu scheiden, das heißt einen adä-
quaten Ausdruck für das griechische Resultativperfektum zu
schaffen. Die gleichen Umstände, die zu der erstaunlich schnellen
Ausbreitung des griechischen Perfekts im vierten Jahrhundert
führten, das Bedürfnis des Dramas und der rhetorischen Prosa,
begegnen im zweiten und ersten Jahrhundert in Rom, wo man
ganz besonders bemüht ist, sich die Kunstübung und erprobte
Technik der Griechen anzueignen. Und es ist echt römisch, wenn
die dem Griechischen mit feinem Verständnis nachgebildete Um-
schreibung nicht bloß mechanisch übernommen, sondern orga-
nisch in das Verbalsystem eingefügt wird.
Vor allem beschränkte sich die Umschreibung nicht auf den
Indikativ des Präsens von habeo, sondern griff auch auf andere
Tempora und Modi des Hilfsverbums über, und indem die Um-
schreibung besonders für das Perfektum der relativen Vorzeitig-
keit eintrat, verdrängte sie von dort ausgehend auch die übrigen
vom Perfektum aus gebildeten Tempora der Vorzeitigkeit. Hierbei
entstand konsequent, dem Unterschied von Imperfekt und Perfekt
entsprechend, ein doppelter Ausdruck der Vorvergangenheit:
spectaram wird in spectatum habebam und spectatum habui zerlegt.
Vgl. weiter unten die Tabelle.
3. Zugleich mit dieser Bereicherung des Formenschatzes voll-
zieht sich nun im Romanischen eine Bedeutungsverschiebung
bei der Umschreibung des Perfektums. In der Wortgruppe cog-
nitum habeo überwiegt zunächst die Präsensbedeutung von habeo
wie bei cognitum est (vgl. oben S. 170) die von est. Im heutigen
gesprochenen Französischen hat das passe indéfini das passé
defini ersetzt, ist also zum reinen Präteritum geworden. Da-
zwischen liegt eine zwei Jahrtausende umfassende Entwickelung,
in der die Bedeutungsentwicklung der romanischen Präterita auch
für die germanischen Sprachen von Wichtigkeit geworden ist.
172 Felix Hartmann
Diese syntaktischen Vorgänge sind noch keineswegs abschließend
und vor allem noch nicht in ihrer gegenseitigen Abhängigkeit
untersucht, und doch liegt in diesen Vorgängen der Schlüssel
für die verbale Syntax der modernen germanischen Sprachen. Ein
Blick auf die Tabelle S. 175 zeigt, daß die romanischen Sprachen
das einfache Perfektum zur Bezeichnung der Vorzeitigkeit über-
haupt nicht mehr verwenden. Hier scheint also der Ausgangs-
punkt der Umbildung des Systems zu sein. Allein die Unter-
scheidung der abgeschlossenen und der nach dem Abschluß fort-
wirkenden Handlung war für den Hauptsatz kaum weniger wichtig
als für den Nebensatz, und so tritt neben die zweı einfachen
Tempora der Vergangenheit spectabam und spectavi noch das
umschriebene spectatum habeo. Der Vorgang, der zur System-
änderung im lateinischen System geführt hatte, wiederholt sich
also, wie es so oft in der Sprachgeschichte geschieht, auf einer
jüngeren Stufe. Wie er in den einzelnen romanischen Sprachen
dann weiterwirkt, gehört nicht mehr zu meinem Thema; auf den
Untergang des französischen Passé défini wurde schon hingewiesen.
Die Unterscheidung der drei Tempora ist von der romani-
schen Grammatik längst versucht worden, der eigentliche Sinn
der Dreiteilung ist indes, wie ich glaube, von ihr nicht gefunden
worden, weil man die Erscheinung nicht im historischen Zu-
sammenhang studierte, sondern ihr mit logischen oder „psycholo-
gischen“ Erwägungen beizukommen hoffte‘). Nach dem, was
wir am Griechischen und Lateinischen beobachtet haben, wird
jetzt nicht mehr zweifelhaft sein, daß das umschriebene romani-
sche Perfektum wie sein lateinisches Vorbild und wie das grie-
chische Resultativperfektum die Aufgabe hat, die Vollendung eines
Vorgangs für die Gegenwart festzustellen °), d. h. also eine Tat-
sache zu konstatieren. Denn das Wesen des Konstatierens beruht
darin, daß eine Handlung der Vergangenheit in die Gegenwart ge-
rückt wird, das des Erzählens darın, daß der Sprechende sich und
die Hörer in die Vergangenheit versetzt. Die Möglichkeit und
Notwendigkeit des Konstatierens hat zu allen Zeiten bestanden;
eine besondere Form für die Feststellung einer Tatsache hat —
1 Vgl. ob. XLIX Gan.
2) Was um so natürlicher ist, je kürzere Zeit seit der Vollendung ver-
strichen ist. Daher die sonderbare Regel der älteren französischen Grammatik,
daß das passe indéfini nur von Handlungen gebraucht werden dürfe, die nicht
über 24 Stunden alt seien; daher auch die sehr ähnliche Ve der alt-
indischen Grammatik für den Gebrauch des Aorists.
Die Verbalsysteme der Schulsprachen. 173
abgesehen vom altindischen Aorist — erst das griechische Re-
sultativperfektum geschaffen, von dem diese nützliche Neuerung
auf das lateinische und romanische umschriebene Perfektum
übertragen worden ist. Die Möglichkeit, statt dessen im Lateini-
schen das einfache Perfektum zu gebrauchen, hat, wie entspre-
chend beim griechischen Aorist, nie aufgehört; auch das romani-
sche einfache passe defini wird so, wenigstens in der Dichtung,
oft gebraucht. Es verlangt und verdient eine besondere Unter-
suchung, welche Umstände dazu geführt haben, daß das konsta-
tierende Perfektum des Romanischen zwar auf das Deutsche über-
gegangen ist, daß aber das Englische, die nordischen Sprachen
und z. T. noch das Althochdeutsche an der Verwendung des ein-
fachen Präteritums festhalten und das zusammengesetzte Per-
fektum in einer abweichenden, dem griechischen Zustandsperfek-
tum näher stehenden Bedeutung verwenden.
Ich halte es nicht für überflüssig, in diesem Zusammenhange
daran zu erinnern, wie der Begriff des Konstatierens in die
Grammatik Einzug gehalten hat. Auch hierbei zeigt sich, daß
die geschichtliche Untersuchung grammatischer Begriffe für die
Verwendung dieser Begriffe in der Grammatik von Wichtigkeit
ist. Nicht die romanische Grammatik, die sich mit ganz äußer-
lichen, im Wesen der Sprache nicht begründeten Merkmalen für
die Unterscheidung von passe défini und indéfini begnügte, auch
nicht die deutsche hat für das zusammengesetzte Perfektum die
Bedeutung des Konstatierens gefunden, sondern diese Benennung
findet sich zuerst bei den Versuchen, die Doppelbedeutung des
lateinischen Perfektums in der Schulgrammatik zum klaren Ver-
ständnis zu bringen. Man beobachtete, daß dixi bald „ich sagte“
bald „ich habe gesagt“ heißt; man kannte ein Perfektum präsens
wie odi, ornatus sum, man kannte ein Perfektum historikum wie
veni, vidi, vici = TAdov, eidov, Eviunoa, und man beobachtete,
daß dies historische Perfekt, wenn es nicht in der Erzählung,
sondern in der Erörterung gebraucht wird, im Deutschen durch
das Perfektum, nicht durch das Präteritum gegeben wird: abiit;
excessit, evasit, erupit'). Weil es erörtert, nannte man es Per-
fektum logikum und wies darauf hin, daß es die Konsekutio der
Vergangenheit erfordert. Aber weder die Philologen, die diese
Unterscheidung am Lateinischen beobachteten, noch auch Del-
brück, der die entsprechende Beobachtung auf den griechischen
Aorist übertrug, bemerkten, daß sie dabei die Bedeutungen der
1) Vgl. Glotta IV 148 mit Skutschs Bemerkung.
174 Felix Hartmann
muttersprachlichen Tempora in das lateinische Perfektum und den
griechischen Aorist hineintrugen, d.h. sie erkannten nicht, daß
die verschiedene Übersetzung, die das Deutsche verlangt, auf
der Verschiedenheit des germanischen Verbalsystems beruht, daß
sie also den deutschen, nicht den lateinischen und griechischen
Sprachgebrauch erklärten. Wie der griechische Aorist derselbe
bleibt, ob er nun erzählt oder konstatiert, so ist auch das histo-
rische Perfekt des Lateinischen mit dem „logischen“ identisch;
ihre Bedeutungssphäre ist anders als die des deutschen Präteri-
tums und des deutschen Perfektums. Denn bis zu dem Augen-
blick, wo im Griechischen das Resultativperfektum, im Lateini-
schen und Romanischen das umschriebene Perfektum die Funktion
übernehmen, die abgeschlossenen Vorgänge der Vergangenheit
an die Gegenwart heranzurücken, gibt es in keiner Sprache ein
besonderes Tempus zum Ausdruck des Konstatierens, und das
deutsche Perfektum ist seiner Entstehung nach ein erst in alt-
hochdeutscher Zeit allmählich aufkommender Ableger des roma-
nischen. So sind wir erst auf einem langen Umwege zur Er-
kenntnis der Sonderbedeutung des umschriebenen Perfektums
gekommen und haben wieder einmal unsere eigne Sprache durch
das Studium des Lateinischen und Griechischen besser verstehen
gelernt.
Aus der hier folgenden Tabelle ist ersichtlich, daß im Ro-
manischen von den alten lateinischen Tempora nur Präsens Indik.
und Konj., Imperf. Indik., Perfektum Indik., Plusquamp. Konj.
erhalten sind; das in modaler Bedeutung nur ım Spanischen er-
haltene Plusquamperf. Indik. kann ich hier übergehen. Den vom
einfachen Verbum gebildeten Tempora entsprechen die umschrie-
benen genau, die sich an das Perfektum angeschlossen haben.
Wie die untergegangenen Formen des lateinischen Verbums nicht
plötzlich und auf einmal verschwinden, so vollzieht sich auch
beim umschriebenen Perfektum und seiner Sippe die Auslese der
Formen nur allmählich und nicht auf allen Gebieten des Roma-
nischen ganz gleichartig. Immerhin liegen diese Vorgänge so
früh und sind so verständlich, daß kaum Unklarheiten übrig
bleiben; anders ist es bei der Gruppe von Formen, die das alte
Futurum 1 und 2 ersetzt und dazu ein modal verwendetes Prä-
teritum entwickelt haben. Zwar ihre Herkunft ist nicht zweifel-
haft, aber die Umstände, die zu ihrer Bildung geführt haben und
grade die nun vorhandenen Formen verstehen helfen, sind noch
wenig geklärt.
Die Verbalsysteme der Schulsprachen. 175
Präs. Ind. canto Konj.cantem | habeo habeam
Imperf. cantabam\ Konj.Plgpf. | habebam `
Perf. cantavi cantassem | habui Í en +
—— sC
Futur.(Präs.) cantare habeo habere habeo oh
(Imperf.) „ habebam > habebam
(Perf.) „ habui > habui
Zeigt die Tabelle des lateinischen Verbums eine rasche, beinah
zielbewußt anmutende Entwicklung bis zur Einführung der Per-
fektumschreibung, so weist das romanische System schon durch
die kleinen Abweichungen der Einzelsprachen auf die Stürme der
Völkerwanderung hin; das neue System, obwohl scheinbar die
gradlinige Fortsetzung des lateinischen, ist aus den Trümmern
des alten zwar größer und nicht ohne Zeichen eigner Konsequenz
erbaut, aber es entbehrt der inneren Geschlossenheit, die das alte
auszeichnete, es fehlt der einheitliche alles beherrschende Grund-
gedanke.
4. Wenden wir uns endlich dem Germanischen zu, so finden
wir als Ausgangspunkt der Entwicklung nur noch das Präsens
und das Perfektum im Indikativ und Optativ; die Augmenttempora,
der Konjunktiv, der Aorist, das Futurum sind, wie ich glaube,
restlos zu Grunde gegangen. Von der Passiv- oder Medialflexion
weist nur das Gotische noch vereinzelte Formen auf. Dies stark
zusammengeschmolzene System zu erhöhter Biegsamkeit und Aus-
drucksfähigkeit umzubilden muß schon in vorhistorischer Zeit
versucht worden sein, denn nicht nur im Gotischen, sondern
auch im Westgermanischen begegnen sichere Fälle, in denen die
Aktionsart der Verbalformen durch das Hinzutreten von Präposi-
tionen modifiziert wird. Während indes in den slavischen Spra-
chen die Präpositionen auf den Ausdruck der Zeitverhältnisse
einen durchgreifenden Einfluß ausüben, lassen sich im Germa-
nischen nur gewisse Neigungen feststellen, deren weiterer Ausbau,
z. B. im Angelsächsischen und im ‚Nordischen, an lautlichen Er-
scheinungen scheitert, die zum Untergang der Verbalpräfixe
führen. Es ist nicht einmal mit Sicherheit auszumachen, ob die
Entwicklung an der Stelle, wo wir ihr in der Sprachgeschichte
begegnen, noch nicht voll zur Entfaltung gekommen oder schon
rückläufig geworden und im Verklingen begriffen ist. Vielleicht
würden wir diese Fragen sicherer beurteilen können, wenn wir
genauer wüßten, welche äußeren Umstände zu der außerordent-
lich starken Einschränkung des ererbten Formenschatzes im
176 Felix Hartmann
Germanischen geführt haben. Übrigens läßt sich zwar auch in
andern Sprachen ein gewisser Einfluß der Zusammensetzung mit
Präpositionen auf die Aktionsbedeutung nachweisen, aber die Art
dieses Einflusses nimmt sehr verschiedene Formen an. Ganz
geringe Wirkung zeigt er im Griechischen, wo die Aktionsbedeu-
tung in anderer Weise ausreichend bezeichnet wird, nur vorüber-
gehend ist seine Wirkung im Lateinischen, wo er fast ganz auf
das Altlatein beschränkt ist. Durchgreifend war er nur in slavi-
schen Sprachen, und auch hier ist er es erst in später Zeit ge-
worden. Vgl. oben S. 152f. und LV 280ff. (Koschmieder).
Dagegen beobachten wir sehr frühzeitig im Altgermanischen,
und zwar um so stärker, je mehr fremdsprachliche, besonders
lateinische oder romanische Einwirkungen vorliegen, die Neigung,
der Formenarmut durch Schöpfung zusammengesetzter Tempora
abzuhelfen. Diese Neubildungen schließen sich meist sehr eng
an die lateinisch-romanischen Vorbilder an, und so hatte sich
unter dem Einfluß der altsprachlichen Grammatik die Ansicht
gebildet, daß die lateinischen Tempora auch in den germanischen
Sprachen, vor allem im Deutschen wiederkehren und im wesent-
lichen die Bedeutung der lateinischen Tempora widerspiegeln.
Dieser Irrtum weicht erst ganz allmählich besserer Erkenntnis,
grade hier aber liegt noch ein großes Feld fruchtbarer Tätigkeit.
Mehrfach sind die verschiedenen Umschreibungen des Futurums,
mehrfach auch die Bedeutung der sogenannten progressiven Form
im Englischen untersucht, aber immer handelt es sich um Teil-
erscheinungen, die nach den voraufgehenden Erörterungen erst
volles Verständnis finden können, wenn sie in den Gesamtzu-
sammenhang der Geschichte des germanischen Verbums einge-
ordnet werden. Denn es darf nicht vergessen werden, daß trotz
der verschiedenen Wege, die die germanischen Dialekte bei dem
Ausbau und der Anpassung ihres kärglichen Systemrestes an die
wachsenden und wechselnden Bedürfnisse gegangen sind, die
Keime der Neubildungen z. T. schon älter als das Sonderleben
der Dialekte, die Einflüsse aber, von denen die Umgestaltung
herbeigeführt wurde, wohl überall im wesentlichen die gleichen,
teils direkt, teils indirekt wirkenden gewesen sind. Demnach ist
es auch eine berechtigte methodische Forderung, die gesamte
Ausbildung des Verbalsystems auf germanischem Boden in ein-
heitlichem Zusammenhange zu untersuchen und darzustellen.
Wohl hat Jacob Grimm das Problem schon erkannt und die Arbeit
schon begonnen; aber die Ausführung ist bei seinen Nachfolgern
Die Verbalsysteme der Schulsprachen. 177
immer nur auf das Einzelne gerichtet gewesen, und auf die
größeren Zusammenhänge, die teils mit dem Aktionsartensystem
bestehen, wie bei der Präfigierung der Präpositionen und der
englischen Gerundivkonstruktion, teils an fremde Tempusvorbilder
anknüpfen wie bei der Futur- und Perfektumschreibung, ist wie
auf die inneren Gründe und die äußeren Anlässe noch nicht die
erwünschte Aufmerksamkeit verwendet worden. Wie sonderbar
die Schicksalsfäden laufen können, dafür sei nur nebenher aus der
allerjüngsten Geschichte unserer Schriftsprache der beginnende
Untergang des präteritalen Konjunktivs erwähnt, der z. T. unter
oberdeutschem, wahrscheinlich aber gleichzeitig unter jiddischem
Einfluß immer weiter fortzuschreiten droht und nur aufgehalten
werden kann, wenn es gelingt der zielbewußten Unterminierung
aller Achtung vor dem Überlieferten Einhalt zu tun.
Es war meine Absicht, in dem vorstehenden Aufsatz die
Aufmerksamkeit auf drei nur zufällig hier zusammenlaufende
Dinge zu lenken, um zu zeigen, daß man bei sprachwissen-
schaftlichen Untersuchungen auch scheinbar weit auseinander-
führende Zusammenhänge nicht übersehen darf. Das altindo-
germanische Aktionsartensystem hat zwar in allen einzelnen indo-
germanischen Sprachen eigenartige Umbildungen erfahren, ist
aber in gewissen Erscheinungen in ihnen allen noch heut mehr
oder weniger lebendig und verlangt deswegen besondere Beach-
tung. Das griechische Resultativperfektum zeigt eine der Um-
gestaltungen, die das griechische Aktionsartensystem erlitten hat,
indem es die früher nur einigen uralten ererbten Verben zugäng-
liche Bildung des aktiven Perfekts auch der gewaltigen Menge
neuauftretender abgeleiteter Verba zugänglich machte. Ich hoffe
zum Verständnis gebracht zu haben, daß sich diese Umgestaltung
der ererbten Perfektbedeutung nur aus dem eigenartigen Gang
der Kulturentwicklung des griechischen Volks und besonders der
attischen Politik und Literatur erklärt. Dies Perfektum schafft
eine eigne Form für die Feststellung einer Tatsache in der Er-
örterung und scheidet diese somit von der bloßen Erzählung
eines vergangenen Vorgangs. Die hiermit geschaffene Neuerung
erweist sich so nützlich und wertvoll, daß sie nach kurzer Zeit
von den Römern unter ähnlichen politischen Umständen in der
eigenen Sprache nachgebildet und dort im Laufe der Jahr-
hunderte der Anlaß zur Neugestaltung des romanischen Verbal-
systems wird. Aber auch darüber hinaus noch geht die Wirkung,
denn das romanische Verbalsystem hat im Verein mit dem lateini-
Zeitschrift für vergl. Spracht LIX 3/4. 12
178 W. Schulze, Porsenna, Tolumnius und Mastarna.
schen auf alle germanischen Sprachen und Dialekte bald früher,
bald später, bald stärker, bald schwächer eingewirkt und daher
in allen, teils größere, teils kleinere Gruppen von Relikterschei-
nungen hinterlassen, die auf die richtige sprachwissenschaftliche
Wertung warten. Zusammenhänge zwischen Sprache und Kultur-
entwicklung lassen sich mit Sicherheit nur ganz selten feststellen;
um so wertvoller ist es, wenn es hin und wieder gelingt, zu
zeigen, wie in dem Wechsel alles sprachlichen Geschehens
Perioden auftreten, in denen sich die schöpferische Begabung
eines Volkes auch in der Neugestaltung des geistigen Ausdrucks-
mittels, der Sprache, ausprägt: bei der bewußten Pflege, die
Griechen und Römer zu gewissen Zeiten dem gesprochenen Wort
zuwandten, wird es nicht überraschen, grade in diesen Zeiten
so hochbegabte Völker sprachschöpferisch tätig zu finden. Zu-
gleich erweist die Beobachtung der sprachlichen Zusammenhänge
die enge Kulturgemeinschaft des Abendlandes mit dem Griechen-
tum und mahnt uns, dieser engen Geistesverwandtschaft auf allen
Gebieten der Sprach- und Kulturentwicklung unsere Aufmerk-
samkeit zuzuwenden.
Berlin-Schöneberg, Sept. 1929. Felix Hartmann.
Porsenna, Tolumnius und Mastarna.
Daß die Etruskerkönige Lars Porsenna und Lars Tolumnius
echtetruskische Gentilicia führen und daß diese Gentilicia bis in
späte Zeit in lateinischer Überlieferung fortleben, zeigen die von
mir Eigennamen 90. 245. 572. 586 (zu 107) zusammengestellten
Belege. Für den Genossen des Caeles Vibenna, Mastarna (etr.
macstrna), konnte ich das Gleiche S. 86 nur durch die des charak-
teristischen na-Suffixes entbehrende Variante Mastrius belegen.
Inzwischen ist uns gleich durch zwei Inschriften ein Soldat der
zur Zeit der Flavier in Vindonissa garnisonierenden leg. XI Claudia
bekannt geworden, der, noch ohne Kognomen, den alten Namen
als Gentilicium trägt, M. Masterna CIL XIII 5197. 11501 = Dessau
9272 (mit Danielssons Anm. zu CIE II 5267). Tolumnius aber habe
ich insofern falsch beurteilt, als ich es mit dem Stadtnamen Te-
Aauorv verbinden wollte: das hat der veldur tulumne einer archai-
schen Inschrift aus Vei Ndsc. 1930, 327 Nr. 15 widerlegt, wie
Giglioli ebenda 343 mit Recht bemerkt hat. W.S.
H. Lewy, Etymologien. 179
Etymologien.
1. Tedgıkoc.
Preisigke, Namenbuch Sp. 482, bietet aus Ägypten für diesen
Namen von Juden 3 verschiedene Stellen: Teder/ioc, Teügpılos
Tovöuios, "Toepc ó xal Tedgpılo(s). Während er ihn gleich
@zögılos setzt, hält G. Sethe, GgA. 1923 S. 230 A. 1, diese Gleich-
setzung für unzulässig wegen der übereinstimmenden Schreibung
mit z und v und vermutet einen semitischen Namen, der im hinteren
Teile griechisch etymologisiert worden sei, wie ägypt. Aonoxodıng.
Aber der offenbar hebräische Name ’/oojg — er enthält in
seinem ersten Teile den Gottesnamen; ’/wods ist bei Josephus
Variante zu ’Io9auos, wie ein König von Juda heißt — deutet
doch darauf hin, daß Teder/ioc griechisch ist. Die Schreibung
ev für eo kann nicht Anstoß erregen (vgl. G. Meyer, Gr. Gr?
S 119 g. E.; über Mevöds = Yeddwpog Krauß, Gr. u. lat. Lehnw.
im Talmud II 584), und in dem z haben wir eine Dissimilation
der Aspirata wegen des folgenden 9, ebenso wie bei dem auf
Inschriften häufigen Ex&pvilog neben ’Ey&pvios und bei ’Exeo#E-
vys, doneFewgos (G. Meyer” 8300); doch s. auch Mayser, Gramm.
d. gr. Pap. 1179.
2. 9Eoavöoos.
Aischines 152 nennt als berüchtigte Päderasten Kndwvlönv
al Aöbronielönv xai WEooavöoov. Zu der Stelle des Harpokra-
tion, wo unter Berufung auf Aischines und Aristogeiton dasselbe
von ®&ooavöoos gesagt wird, bemerkt der Herausgeber Dindorf
(1152): „O&oavögogs Q et Epitome. ®&ooavögos vera nominis
scriptura est, servata etiam in libris Aeschinis. @®&oavöoosg pro
Q&ooavögos scriptum in Suidae codice Leidensi s. v. Kyôwviðnņs.“
An dieser Suidas-Stelle schreibt Bekker @&ooavögov. Zu Harpo-
kration s. v. Aöroxielöngs (I 67): Knöwvlönv soi Aödtoxlelönv nal
Oéocavðgov bemerkt Dindorf: „Libri xuvöwviönv. Gorrectum ex
Epitome. Nominativos xudwwlöns, abronkelöns, HEgoavdoos ponit
Ald. Et sic N., nisi quod 9£écazóoos, quemadmodum HEoav6gov
C. F.“ Und Suidas bietet an richtiger Stelle: Oésavðgos:
odrog Eis narðeoactiav erwõðs drefd//ero, xtÀ.
Auch die Namensform Oécavðgos für diesen Mann dürfte
nicht als Fehler schlechthin zu bezeichnen sein (vgl. meine Be-
merkungen KZ. LV 24f.), sondern sich als Dissimilation er-
klären. Über Unterdrückung des einen von zwei o, z. B. ö&roov
= Öö£oroov, s. G. Meyer? § 301.
12*
180 H. Lewy
3. XHÉĞVTOQES.
Hesychios bietet an richtiger Stelle die Glosse: xdvroges'
- ol xọatoŭvres. M. Schmidt merkt dazu an: „A xaivw xdvroges
“"peremptores’, ut xgalvw xodvropges omudvroges al. xogdVTogeS
coniecit Scaliger ap. Wolf Anecd. Gr. IV p. 255 et Mein.“ In der
kleinen Ausgabe fügt er dann mit Fragezeichen hinzu: (xgdvroges?).
H. Stephanus sagt: „Die xgaroövres heißen auch xodvroges. Aber
xdvroges scheint vielmehr ‘Mörder’ zu bedeuten, von xafvw.“
Die Überlieferung «@vrooeg ist unanfechtbar, und die Form
durch Dissimilation entstanden aus xgdvrogeg „Herrscher“, wie
z. B. patola = poarola.
4. Weitere Beispiele für Dissimilation.
Zu der Hesychios-Glosse xAevtóv: zAguróz (die alphabetische
Folge ist gestört: xéne, xAénteoðar, ulEnos, xAentouévov, Aen:
odueda, xÀAeutón, dë) bemerkt M. Schmidt: „Sic codex, x4£%-
ron: theðtãov Musurus, Teörlov Aldus. veöriov' reörkov, ut K
ex IC natum sit?“. Johannes Baunack, Philol. LXX (1911) 456,
schlug vor: xAevrtóv: xAsızdv, was schwerlich einleuchten wird.
Ich nehme an, daß die V.erderbnis in Glosse und Erklärung durch
das gleiche Verlesen entstanden ist. Dann wäre das Ursprüng-
liche: xeörio»' teðtåov (attisch ist reüriov» statt des ionischen
und gemeingriechischen oeöz/ov) „ein Küchengewächs, Mangold“,
und wir hätten dieselbe Dissimilation wie in Kartoffel aus ital.
tartufo, tartufolo.
Zu meiner Erwähnung der dissimilierten Form ’Antölinös
neben ’Antöninös im Talmud (KZ. LVII 18)') wäre aus der phöni-
kischen Inschrift CISem. I Nr. 60. der dort als Melexenus =
Meve£fevog erklärte Eigenname Ga M-I-g-s-n-s”) hinzuzu-
fügen, wenn nicht durch Namen wie MeiAtayoos, Mele£irnog,
MeA&vıxog auch MelE£evog als ursprüngliche Namensform ver-
teidigt würde (R. Meister, Griech. Dial. II 322, A. 2).
Dissimilation erkenne ich ferner in den (Berliner) Familien-
namen Pinckernell, Pinckernelle, Pinkernelle, Pinkerneil,
die ich auf den Namen der Pflanze Pimpinella, deutsch Pim-
pernell, auch Bibernell, zurückführe. Hier mußte bei Verwand-
lung des zweiten p in £ auch der unmittelbar vorhergehende
1) Auch span. Antolin: Schopf, Die konson. Fernwirkg. 99.
2) Die beiden Söhne dieses Mannes tragen die phönikischen Namen "ES.
munsilleh und Marjehaj.
bau 50207) (oc ` mme U eegen ba
S EE
Etymologien. 181
Nasal sich ändern. — Dieser Personenname ist wohl ursprünglich
Spottname gewesen. Denn im Elsaß wird eitlen, törichten
Mädchen von den Kindern nachgerufen: Mamsell Bimpernell!
(Bipernell, Bumpernell); von starken, männlich auftretenden
Frauenzimmern sagt man: Jumfer Bimpernell (Martin und Lien-
hardt, Wtb. d. els. Mundarten II 48). — Bei dieser Gelegenheit
bemerke ich, daß der im 17. Jahrh. von deutschen Juden geführte
Name Beyfuß, Beyfus etymologisch nichts zu tun hat mit der
Pflanzenart Beifuf (Artemisia), vielmehr nur durch Anglei-
chung entstanden ist aus dem seit dem Mittelalter bei Juden
auftretenden, hebräisch geschriebenen Namen Feibus = lat.
Phoebus, den Griechen und Römer trugen (s. Meyersahm, Deor.
nomina hominib. impos., Diss. Kiel 1891, S. 10 u. 14)°). Auch der
jüdische Familienname Dreifuß, Dreyfus, ist ja durch Anglei-
chung entstanden: er geht zurück auf die hebräische Schreibung
von Trèves, dem französischen Namen der Stadt Trier (s. Jewish
Encycl. XI 243f.).
Der Familienname Bompard (Anzeige vom Tode eines Henri
Bompard in der „Frankfurter Ztg.“ 17.7.30 aus Dillingen a. d.
Saar, Trauerfeier auch in Metz) könnte entstanden sein durch
Dissimilation -aus dem Namen der Stadt Boppard am Rhein.
Zu mp aus pp vgl. KZ. LV 29 und die Inschrift Monimus Ierombali
f. mil. c(o)hor. I. Ituraeor. (Dessau, Inscr. Lat. sel. 2562).
Dissimilation vermute ich in dem Familiennamen Pulver-
reiter, der als Pulverbereiter zu deuten sein wird, vgl. Pulver-
macher, Pulvermann. Dann könnte auch Salbreiter als Salbe-
bereiter erklärt werden.
Ferner zeigt sich Dissimilation in dem jüdischen Familien-
namen Riwkind, entstanden aus Riwkekind d. h. „Kind der
Riwke“ (jüd. Volksaussprache für Ribgā „Rebekka“. Über die
Entstehung solcher metronymischen Namen spreche ich demnächst
im „Archiv f. Religionswiss.“.
Dissimilation liegt auch vor in der Glosse oðoaı: óoaxual,
aus aram. zuzä (Sem. Fremdw. 119).
1) Auch Sprüchlein: Mämsell Bumpernell| Häwersäck, Schnüpfdüwack
(Koehnlein und Ande, Jahrb. f. Gesch. Spr. u. Lit. Els.-Lothr.'s XXV 220). Bei
Bumpernell wird man doch nicht etwa an Pumpernickel, das auch einen un-
geschlachten, groben Menschen bezeichnet (Grimm, Wtb. VII 2231), denken
dürfen.
2) Dagegen gehört der Familienname Beifuß (auch Beilfuß), soweit
er nicht auf den jüdischen Namen zurückgeht, wirklich zu dem Pflanzennamen,
vgl. Knoblauch, Petersilie.
182 H. Lewy
5. xoqt1 oas.
Hesychios hat zwischen somtég und xontngıov» die Glosse
xoatÃgas: tobS xoatoŭvras, die M. Schmidt verdächtigt und für
die er in der großen Ausgabe zweifelnd xodropas vorschlägt.
Aber die überlieferte Form läßt sich verteidigen, wenn man
Dissimilation annimmt für xọartņnığoas. Zwar vermag ich
gerade xọartņtýo neben xparntwo nicht nachzuweisen, aber das
Vorkommen von duvvrno neben duövrwe, von vıxarno neben
vırdwo und von onuavıno neben onudvıwge dürfte zur Recht-
fertigung genügen, wenn es einer solchen, angesichts der vielen
Bildungen auf -týọ, überhaupt bedarf.
6. Kuvogpaloı.
Hesychios hat Kondee/ior: Kopivdioı, ui, Is. Vossius
wollte Kvvópvůort schreiben. Lecrivain bei Daremberg-Saglio HI
873, der anmerkt: „Oder xvvögılor“, lehnt die Auffassung als
„an der Scholle klebende Sklaven“ ab. J. Oehler bei P.-W. XII 1
Sp. 26 denkt treffend an eine geringschätzige Bezeichnung nach
der Mütze aus Hundsfell für die ländliche Bevölkerung und
verweist auf Hermann-Thumser, Griech. Staatsalt.*1128, wo Myron
von Priene (Athen. XIV 674d) zitiert wird: die Heloten in La-
konien mußten eine xvv7 tragen. Ich setze Kvvöpaloı = Kvvo-
x£pakoı, so daß wir hier eine Kürzung haben, wobei die Dis-
similation über eine Silbe ungleicher Lautung hinweggreift, s.
Brugmann, Ber. Sächs. Ges. d. Wiss., phil.-hist. Kl. LI 1901
S. 31ff.').
V. Gebhard, Die Pharmakoi in Ionien und die Sybakchoi in
Athen (Münch. Diss. 1926) S. 95, deutet ovßaxxoı als *ovxo-
Baxyxo, „Feigenbakchen* und bemerkt, daß Professor Herbig
ihm die Annahme einer solchen Dissimilation als unbedenklich
bezeichnet habe.
Eine ähnliche Kürzung zeigt in allerneuester Zeit das Wort
Pacifist für Pacifieist.
| 7. Aiw als Windname.
Der Name des Südwestwindes wird auch von Prellwitz* und
Boisaeq, ebenso wie Ai „Trankopfer“ (Aischylos u.a.), zu Zeie
„träufle, vergieße“ gestellt. Allerdings bringt der Zi Regen:
xal ciol olnöorwg of And Tadıng wis xwons (sc. ng Außuns) nv&ov-
Tec, 6 Te vöros oi Ó Ai, dveuwv noAlov TÜV NdvTW@v DETWTATOL
1) Sagenhaft ist das von Aischylos erwähnte Volk Kvvox&paAoı in Äthiopien.
„vvornepaiog heißt auch eine Affenart.
Etymologien. 183
(Herod. II 25), und die Ableitung dieses Namens stimmt zu der
Zusammenstellung von »dros mit voris „Feuchtigkeit, Nässe“,
voritw „benetze*, zóruos und votegós „naß“, ahd. naz, idg. not:
nod (Schrader, Reallex.” 656). Aber die Herkunft des Alw aus
Libyen und sein lateinischer Name Africus läßt doch die Frage
auftauchen, ob wir nicht in dem Windnamen Abt: eine (vielleicht
aus der Schiffersprache stammende) Verkürzung von Aißvs er-
kennen dürfen, wobei Angleichung an das andere Wort Aly
nicht ausgeschlossen wäre.
Nach Libyen ist ja doch auch gewiß Aıkößn, gewöhnlich
"Aılvßaıov, die Westspitze Siziliens, benannt worden: man
meinte, es läge gerade gegenüber von Libyen, vgl. die Stellen
der Alten bei Freeman-Lupus, Gesch. Sizil. 151; Ziegler in P.-W.
XIII 1 Sp. 542. Die Deutung aus lö-Lubi „nach Libyen hin
schauend“ bei Kiepert, Lehrb. d. alt. Geogr. 472; so schon
Movers, Phönizier II 2 S. 333°).
8. Weitere Beispiele für Wortkürzung.
Als „innere Kürzung“ erklärt P. Kretschmer, KZ. XXXVII
129ff., den Namen Märs aus Mävors, wie Kurt = Kuonrät,
Lore = Leonore, Mia = Maria. Über Kúðaðov als Kürzung von
Kvöadnvaıov s. Kretschmer, Glotta XV 307. — Eine solche
Kürzung ist auch ital. Monna Vanna e Monna Bice = Ma-
donna Giovanna e Madonna Beatrice „G. und B., die Herzens-
gebieterinnen“, heute nur noch scherzhaft cosa ne dice Monna
Lucrezia? „Was sagt meine Frau Lukrezia dazu?“
Aorvo- für Agıoro- auf thessalischen Inschriften nennt M.
Leumann, Glotta XVIII opt, eine in Namen ja begreifliche
Schnellsprechform.
Aus dem Vulgärlatein gibt Schuchardt, Vok. II, für Kürzung
von Wörtern eine Menge von Beispielen, so S. 440 temre = tem-
pore, citates = civitates, duocim = duodecim, fridam = frigidam,
ligantium = litigantium. — Portugiesisch heißt der General eines
Mönchsordens gerdl, der militärische Titel ist general’).
1) Für AıAvdßarov, das „jeder Namendeutung spotte“, schlägt C. Fries,
Rhein. Mus. NF. LXXIX (1930) S. 102, vor, „an Lulad zu denken, den semiti-
schen Stamm, der Myrte bedeutet“. Aber hebr. /ulad ist ein Zweig, insbes.
der Palmzweig, ein Bestandteil des rituellen Feststraußes am jüdischen Hütten-
feste (vgl. Levit. 23, 40); zuweilen bezeichnet das Wort auch die 4 Pflanzen
dieses Feststraußes (darunter Myrte) zusammen, weil der Palmzweig der größte ist.
2) Auf der Besuchskarte eines k. u. k. Offiziers in der Herzegowina las
ich einst Baon 2 = Bataillon. Das ist graphische Kürzung, die aber dann
184 H. Lewy
Im mittelalterlichen Hebräisch wurde lat. commentarius zu
quntrus „Kommentar“, schon im Talmud lat. compendiaria (sc.
via) „Abkürzungsweg* zu göpandarjä.
Theognostos (Cramer, Anecd. Graeca) S. 111: erwähnt mea-
lân. Dazu vgl. nengaöiiaı KZ. LVIII 21f., wo auch xedpako»
behandelt ist.
Bosuéyos = Beßosyufvos (von Bodxw) „madidus“ belegt
Ducange durch mehrere Stellen. Im Neugriech. schwindet y vor
u regelmäßig (Foy, Lautsyst. d. griech. Vulgärspr. 77) 5.
xooövßaAiw@öes nE&dov, bei Luk. Tragodop. 223, wird als
*4ogövloßeailides, von xogdvin „Keule“, erklärt und soll einen
festgeschlagenen oder gestampften Estrich bezeichnen. Das wäre
also wieder ein Fall, wo die Dissimilation über eine Silbe un-
gleicher Lautung hinweggreift (s. Brugmann a. a. O.).
Nikandros, Alexiph. 172 sagt: (9dåacoav,) v te xal druev-
£t? dv£uoıs nógev ’Evvooiyaıos. Dazu das Scholion: druevew dé
Öovievdemw, bmoxeiodaı‘ dru£ves yo ol dodloı. Demnach könnte |
man, wie es schon geschehen ist, druedw als Kürzung aus *dr-
ueveúw auffassen. Doch wie ist Grën abzuleiten? °) |
Eine Anzahl Eigennamen, die in kürzerer und in längerer
Form bezeugt sind, bringt Lobeck, Proleg. 147: so Kaivövös |!
neben Kaiöxaövog (Fluß in Kilikien), Aoudoare, Aoudoara |
neben Aooaudoara (Stadt in Armenien), KvAivgıoı neben
KoAlıxvoıoı (Zinsbauern in Syrakus).
Wenn bei Athenaios VII 318f. neben der gutbezeugten und
von den Herausgebern aufgenommenen Lesart uaidxıq dë xadei- |
rar ra Tevdıdaön (zu Å revdis) eine Variante cen dén lautet,
so darf man diese wohl nicht als rein graphischen Fehler auf- |
fassen (über solche s. Schopf, Die konson. Fernwirkungen 69ff.),
auch wohl gesprochen wird. Anderswo ist mir ex offo „von Amts wegen‘ =
ex officio begegnet. — Kürzung anderer Art zeigt ital. tenente „Leutnant“ |
= luogotenente. — Vgl. noch kopt. z. B. IEMIAZ = IEPEMIAZ rn Per- !
sonenn. d. Kopt. I 105ff.).
1) So hat auch Hesychios: zu droe: pdpnaxa, d.i. lat. pigmenta, und
zıuevidgios' papnanös xal uvoepós. i
s) Eustath. zur Od. 8.1750: oðtw dé, paci, xal drmevog oò Kë ó
óob4os, &AAG06 xa) ô terayuévoçş Eieddepos. Hesychios druevia' de ein,
dvorvyla. drwevov oltov: dovAındv udoov (Nauck treffend so für åtuevo-
tóv'` uwodv). Čtuevov” čzavotrov olneınv. Aber Etym. M. áó ez (6eçs' ðoð
Allerdings bei Hesychios neidaoral ol tà &onıðloxia čyovreçs (an richtige
Stelle), und bei Suidas — wie auch sonst — vóðtov' tò vótiov (maoà ze
oldeiv ré @ra!). Dazu s. Mayser, Gramm. d. griech. Pap. I 131. \
Etymologien. 185
(äm sondern zevdwöng ist richtig von ó reödog oder tevés gebildet’).
liari Auf einem rein graphischen Fehler beruht aber Joerodien: `
Baoßeoiteıv „unverständlich reden“ bei Hesychios, wo die nächst-
hatu folgenden Glossen lauten: AargaßiLsıv: Zonovdaousvwos xa
gier, donuws Aaleiv, Aaroaßós: auves „gierig verschlingend“. M.
Schmidt setzt in der kleinen Ausgabe vor Aaroddew ein Frage-
zk zeichen, in der großen schrieb er Aaroaßi[a]deı» und verwies auf
iert Lobeck, Proleg. 147 (der von Auroddeıw und Aureaßideıw spricht).
L Die alphabetische Folge wird durch Änderung in Aaroa(Bd)Leıv
vr, oder in Aaroa(Bıd)deıw hergestellt; vgl. Hes. Adate: Bóq
le (Anakr. Fre 90 Bgk.) zu Ados, Aaw, dies auch von undeut-
Lee lichem, unartikuliertem Schreien, und dodıdlw zu óó9os „Rau-
pr schen“, óód9;os „rauschend*.
9. udin. uaoxdin.
vi Die Achselhöhle, uaoydin”), wird nach Pollux II 139 von den
A Zös@reı, den Leuten aus dem gemeinen Volke, ud/in genannt,
, jedoch nicht von den Attikern, âà tò m aŭti pegdusvov rò
udins pEoeodaı Aéyovoiw. Auch Phrynichos, ’ExAoyn S. 196,
„ sagt: udin oöx £oeis, Garë udinv (udins ed. Vasc.) uevroı. Ebenso
bezeichnet Helladios ud/n als nicht attisch. mò udins „heim-
lich“ bei Aristophanes, Platon und Demosthenes. Hesychios bietet
udicaı: uaoydicı. Prellwitz? nimmt für ugi Beziehung zu ud-on
„Hand“, lat. manus, an und erklärt uaoydin aus ua- (in udin)
und -oxa4- in oxaiis „Gabel“, was Boisacq mit Recht als nicht
überzeugend abweist. — Ich fasse das, augenscheinlich der Volks-
, sprache angehörende, Wort ud/n als eine Kürzung aus ua-
o xG An.
Bestätigung hierfür liefert die Tatsache, daß Hesychios zd AT
| auch durch ueidyn „Malve* erklärt. Von dieser Glosse wird
sogleich noch die Rede sein. Also ebenfalls Kürzung. Malve
wurde von den Armen als wohlfeil gegessen: das Wort war also
a, wohl gerade im Munde des Volkes häufig (über die Etymologie
vgl. meine Semit. Fremdw. 31).
d Wenn man bedenkt, daß nicht nur im Deutschen Becken
auch einen Körperteil bezeichnet (vgl. Brustkorb, Hüftpfanne),
d H —
u 1) Über die Etymologie g. meine Semit. Fremdw. 18. — Eher ist gra-
GT, phischer Fehler die Lesart zoAözıov für noAvnddıov Aristot. H. A. V 18,
d m (nicht etwa von moZXA6zos (ndivnos) = noAünovs abgeleitet. |
n richtig 2) Davon zu trennen uaoydin „Palmstreifen, Binse“ (zum Flechten, semi-
y (zoù Lem Ursprungs).
\
186 H. Lewy
sondern auch im Griechischen schon bei Homer xordAn sowohl
einen kleinen Becher als auch die Pfanne des Hüftbeckens
(ebenso später xorvAndwv), daß &uviov — bei Homer „Schale
für Opferblut* — von Empedokles nach Poll. II 223 für eine Haut
um den Embryo gebraucht wurde, daß ydyyauo» und oayivn
„Fischernetz“ auch eine Stelle in der Gegend des Nabels heißt,
so kann wohl die Möglichkeit nicht von vornherein ausgeschlossen
werden, daß uaoxdin ursprünglich ein Gefäß war, dann
erst zu der Bedeutung „Achselhöhle“ gelangte. Und da haben
wir nun im Talmud das semitische Wort aram. mesiklä, m° šz-
kletä oder (wie Dalman vokalisiert) maskiltä „Becken, Wasch-
becken“, gebildet mit Präfix m von einer Saf‘el-Form saklel zu
kul, eig. „umschließen*, dann „fassen, messen (von Gefäßen)“,
vgl. mekilä, m°kiltä „Maß, Opferschale“ (Jastrow, Dictionary 852).
Diese, zunächst gewiß kühn dünkende, Ableitung des griechischen
uaoxdin erhält aber eine bedeutsame Stütze durch zwei an rich-
tiger Stelle stehende Hesychios-Glossen, deren Überlieferung man
jedoch bisher nicht gelten lassen wollte: uaoxaAdv' tòv të
und udin' xAaiva. uaoxain. uaidyn.‘) Denn auch m*sikla ist in
der Bedeutung „Kleid“ bezeugt, ebenso wie im Talmud wën
sowohl „Gefäß“ als auch „Kleid“ bezeichnet. Auch hebr. keti
ist „Gefäß, Sack (Tasche), Kleid“.
Die Bedeutung „Becken, Wasserbecken* für uaoxdin
führt nun auch zu besserem Verständnis der Ortsbestimmung in
der Tafel von Heraklea (Inscr. Gr. XIV S. 168) Z. 58f.: n&o av
Pvßilav xal zën Öıwgvya, und Z. Y2f.: nào av Bvßlivav ua-
oyaiav xal nüo tüv diwgvya. Herwerden bekennt im Lexikon,
BvBAia und BvßAiva uaoxdAa nicht zu verstehen. Früher dachte
man an einen Winkel mit Anbau der Rebe ßıßAie, die nach Athen.
I3lab den BißAwwog olvog lieferte (Peyron, La prima tavola di
Eraclea, 1869, S. 68; R. Meister in Curt. Stud. IV, 1871, S. 437).
Aber schon bei Dareste-Haussoullier-Reinach, Inser. jurid. I® serie,
1895, S. 199, wird richtiger übersetzt: „pres de la grotte aux
papyrus et du fossé“. Sodann erklärte Schwyzer, Dial. Gr.
exempla epigr., 1923, im Index ßvßliva uaoxdia: „palus byblo
consita“°), und Bvßliva: „sc. uaoxdia, angulus byblo consitus,
1) Zu ersterer bemerkt M. Schmidt: „uaoyaiwröv yırava Salmasius, sed
praestiterit (&ugpı)udoxaiov“, zu letzterer: „yAaiva fortasse ad uaĝaxý spectat,
naidyn e dittographia natum“.
2) Dazu verweist er auf Strab. S.268: 7 ud» Meoonjvn ts ITeiwmpıddos dn
noing neitar, nauntoutvns Ent oi noòs Ew nal vaoydinv tiv noodons.
Etymologien. 187
vgl. uaozčůa“. Gemeint ist ein Wasserbecken oder Teich,
an dem Papyrus wächst‘). |
Merkwürdigerweise ist das aramäische Wort für „Wasch-
becken“ viel später in anderer Gestalt als Lehnwort in die Sprache
griechisch redender Juden Kleinasiens aufgenommen worden.
Eine Inschrift aus Lydien lautet (Keil und Premerstein, Denkschr.
Akad. Wien 1914 LVII 32£.): Tü &yıordın ovvayoyı av "Eßoaiwv
Föorddıos ô Heooeßng Onto uvias Toü döeipodö “Eouopiiov +ó?
zeaoxavinv dvednna dua tů vöupı uov Adavaoia. Dazu ver-
wies Professor Grünert (Prag) auf das Wort für „Waschbecken“
im Talmud, das er als „maskel bzw. masköl (maskaul)“ anführte,
und bemerkte, daß Waschbecken (aus Metall) sich noch heute in
den Vorhallen der Synagogen finden und oft gewidmet werden.
Nach S. Krauß, Synag. Altert. 313f., müssen wir uns das im
Talmud erwähnte Gefäß, das nicht nur irden, sondern auch aus
Erz sein konnte, als prunkvoll denken, da die Braut ein solches
am Hochzeitstage benutzte‘).
10. Aaßdaßno.
Hesychios bietet zwischen Aaßas und Adßda die von M. Schmidt
als dunkel mit + bezeichnete Glosse Aaßdßno‘ Aaxavioun. Pear-
son hielt sie für lakonisch. Das Erklärungswort ist Deminutivum
von Jaxdvn = Aen, wie Aexdvıov und Aexavis, die Suidas als
tà uelbova av dEvBdpwv (Essignäpfchen, überhaupt flaches Tisch-
geschirr) xal &xneraia (flach und umfangreich) bezeichnet. Pho-
Dos sagt: EAN’ oi nalauoi, A hueis Aendvnv, nodavınvjoa (Wanne
zum Fußbad) &xdiovv.
Das rätselhafte Wort Aaßdßno könnte, wenn es Lehnwort
in der Sprache palästinischer Juden wäre — in der es aber
literarisch nicht bezeugt ist — die Wiedergabe von lateinischem
1) Bemerkenswert erscheint, daß hier schon im 4. Jahrh. v. Chr. Papyrus
wuchs. Denn bei Kerner von Marilaun °(1916) III 272 heißt es, daß die Papyrus-
staude nach Sizilien — wo sie am Anapo 4—6m hoch wird — vielleicht erst
von den Arabern verpflanzt wurde (also erst kurz vor dem 10. christl. Jahrh.
aus Syrien). Geeignet für diese Pflanze, die seichtes Wasser an Ufern und
Sümpfen liebt, ist ja auch das Mündungsgebiet des Siris, an dem Heraklea lag,
gewesen.
9) Bei dieser Gelegenheit trage ich nach, daß das von mir, KZ. LVII 28f.,
als Lehnwort aus einer semitischen Sprache nachgewiesene oeuldakıs aus
dem Griechischen wieder in das Aramäische des Talmud und des Targum als
semidä aufgenommen worden ist (Krauß, Lehnw. II 397), in das Arabische
Ägyptens (Volles, ZDMG. L 618; LI 298) als semid, semit, und in das
Armenische (Brockelmann, ZDMG. XLVII 27) als simindr.
188 H. Lewy
lavabrum „Badewanne“ sein. Verlust der Endung wie in sädär
= lat. sudarium, tarlimar = toımmuögıov, glosgom = yAwoodxouov
(S. Krauß, Griech. u. lat. Lehnw. im Talmud usw. 1119 8 217).
b für lat. v in bibe = lat. vive, bibrin = lat. vivarium, bestyar =
vestiarius, Beoridoros (Kr. I 47 861)').
Daß lavabrum in der lateinischen Volkssprache für läbrum
(welches in dieser Bedeutung zu lavare gehört) gebraucht wurde,
zeigt wohl die Mahnung des Marius Victorinus I 4, 10: „sed nos
nunc et .... scribamus et pro lavabro potius labrum“. labrum
ist ein großes Gefäß mit breiter Mündung, Becken, Wanne, in
ein Bad gehörend, nach einer Glosse zum Baden von Kindern
dienend, nach anderen Stellen in der Landwirtschaft für Öl und
Trauben gebraucht.
11. afyAn „Ring“ und stammverwandte Wörter.
Hesychios hat folgende Glossen: alyAag' dugiö&as (Arm-
bänder”), Ringe) soi dëi (Armbänder). tà megl nv Övıv co
dodreov. alyAn‘ dën (Schmuck: Hals-, Arm- und Fußbänder),
Sopoxins Tnoei. Ircé TU xai neön (Fußfessel) zaoà ’Enıxdaouw
ën Banyaıs. aiyAn‘ Aaunndov, Gët, Pos, Aaunodıns. ëtt dë sot
BóAos paŭåos xußevrnds. Dazu gehört die zwischen «iyixeoas
und AiyíAnp überlieferte Glosse aiy.Ala' daxtvAldıa (Ringe), die
in der Handschrift als aiyAi@ erscheint und nach M. Schmidts
Vermutung Jäng gelesen werden soll (Hes. Aöyaıa' t megi
roi xegol példa), die ich aber in aiyiAıa ändern und dadurch
in die alphabetische Folge einordnen möchte.
Von Boisacq wird nur alyin „éclat de lumière“ besprochen.
Es erscheint mir ausgeschlossen, vii „Ring“ für ursprünglich
identisch mit æřyåņ „Glanz“ zu halten, zumal Suidas lehrt: aiyAr'
- - - xai nondvov elöog ÖnAoi, xal Yvolav, OS engt Asaydoas,
sti, Denn nönave (Gebäck, besonders Opferkuchen) sind nach
Schol. Plat. Rep. V 4550 nAaxodvue ierg xai lentà xal megi-
peoij, also runde‘), etwa Kringel. Ich nehme an, daß ein
1) Die lateinischen Lehnwörter, deren Zahl bei weitem geringer ist als die
der griechischen, sind zum Teil unmittelbar, d. h. ohne Vermittlung des Grie-
chischen, übernommen worden (Krauß I 231ff.).
2) Nach Herod. II 69 steckte man in Ägypten einem Krokodil Gehänge
aus Glas(porzellan) und Gold in die Ohren und Armbänder (dugıöeas) an die
Vorderfüße.
3) Von M. Schmidt als falsche Verbesserung einer Verderbnis erkannt.
4) Lex. rhet. S. 294,27: ndnavdv gsti nAdtvuud ct orgoyydiov ¿mó orearos
(Teig von Weizenmehl, Hes. or£ara' dievoa. Cöun) eis Hvolav Enırndeiov.
Etymologien. 189
fremdes, semitisches Wort mit der Bedeutung „Ring“ dem echt-
griechischen alyin angeglichen wurde. Wir haben hebr. ‘äg3l
„Ring“, insbes. „Ohrring“, Pl. ‘ägiim, Stamm "Goal „rund sein“,
wovon "goë „rund“, “iggul „Kreis, runde Masse“. Wenn die oben
vorgeschlagene Lesung eiyilıa richtig ist, so stände die Bildung
aiyikıov dem hebr. Worte noch etwas näher; andernfalls wäre
Gud zu betonen (von aiyAıov, einem Deminutivum zu aiyAn).
Zu ‘ägöl „rund“ lautet das Fem. ‘ägulläa, und „die Runde“
soll ”AyvAAa, der alte, von den Griechen lange beibehaltene
Name der Stadt Caere in Etrurien bedeuten, vgl. Hülsen bei
P.-W.1913. Von demselben semitischen Stamme leite ich nun
auch ab den Namen des Inselchens "@yvAog bei Kythera (hier
uralter Kult der phönikischen Aphrodite d. i. Astarte), zu dem
schon Fick, BB. XXII 32, auf die — wie ich glaube, ebenfalls
semitische — Glosse des Hesychios ug //ourto: Ovverduntovro
verwiesen hat. Steph. Byz. 706,3: "QyvAiog voos uetra He-
Aonovvrnoov xal Kontns. Wenn Bursian, Geogr. II 203, Kieperts
Identifizierung dieses Inselchens mit dem ebenfalls südlich von
Kythera liegenden Aiyıla (bei Dionys. Perieg. 499 = Geogr. Gr.
min. ed. C. Müller II S. 134 haben viele Hdschr. AiyvAa) an-
zweifelte, so erscheint jetzt bei phönikischer Herkunft des Namens
dieser Zweifel doch wohl weniger begründet. — Zroeoerd Au,
„die Runde“, eine der Liparischen oder Äolischen Inseln, heute
Stromboli, „aleiraı uèv åzò Tod oxnuaros, Strab. VI S. 276. 2zooy-
yvAn war nach Diod. V 50, 1 der alte Name von Naxos, nach
Plinius auch Name der Stadt auf dieser Insel.
Von demselben semitischen Stamme (das hebr. Verbum be-
deutet im Piel „rollen“, Hitpa’el „sich rollen“, ma’gilä „Walze,
Rolle“) kommt lat. mägalia (Pl.) für die runden und fahrbaren
Hütten nomadisierender Berberstämme, entweder als „Rund-
hütten“ (Movers II 2, 400), oder aber als „Fahrhütten“ (Gese-
nius, Monum. 392), vgl. ‘ägalä „Wagen“, ma’gäl „Wagenspur“,
„Wagenburg“'). Die lateinische Überlieferung schwankt zwischen
magalia und mäpälia, das ich nicht sicher abzuleiten weiß, das
man aber jedenfalls weder auf eine Entstellung in der Volks-
sprache, noch auf einen Irrtum der Abschreiber zurückführen
1) Schröder, Phön. Spr. 104, setzte magalia — magaria (mit Wechsel
von Z und +?) und nahm letzteres — phön. *me‘är, hebr. me‘äraä „Höhle“, also
„elende Erdhütten, Höhlenwohnungen“. Daß die Erklärung des Servius zu Aen.
I 421, pun. magar bedeute „villa“, ebenso wie die des Isidorus 15, 12 als „nova
villa“, auf Mißverständnis beruht, ist bekannt.
190 H. Lewy
darf (Gesenius schwankte zwischen diesen beiden Möglichkeiten).
Müller-Graupa, Philol. LXXII 1914 S. 308ff. (Mapalia. Eine kultur-
geschichtliche Untersuchung.), denkt an die Möglichkeit eines Zu-
sammenhanges mit dem nach Quintil. [ 5, 57 punischen Worte
mappa, für das er die Grundbedeutung „Leinwand“ annimmt,
so daß map(p)alia die leinene Zelthülle, das Leinenzelt be-
zeichnen würde. Aber die Etymologie von mappa (s. weiter)
schließt solchen Zusammenhang aus, und er selbst sagt ja, daß
die Zelte aus Wolle, Kamelhaaren oder Tierfellen ge-
fertigt waren, die Hütten aus Flechtwerk. — In Bezug auf das
Verhältnis zwischen map(p)alia und magalia habe ich mich wohl
schon gefragt, ob vielleicht im Lateinischen eine Verwechse-
lung zweier ähnlich lautender punischer Wörter mit nicht allzu
verschiedener Bedeutung erfolgt sein könnte: von hebr. nafal
„fallen“, auch „einfallen“, ist abgeleitet hebr. mappäla, mappelä
„zusammengefallene Gebäude, Trümmer“, aram. mappaltä
„Ruine“. Der gemeinsame Begriff wäre etwa „armselige, bau-
fällige Wohnung“. An Ableitung von mapalia aus m-p-l dachte
auch Gesenius, aber ohne weitere Erklärung.
Von demselben Stamme näfal kommt hebr. mappäl „Abfall“
(mappal bar „Abfall des Getreides“), auf das oder auf dessen syri-
sche Entsprechung lat. mamphüla zurückgeht (Forcellini-De Vit
s. v., nur daß sein mappalä in dieser Bedeutung nicht nachweisbar
ist). Festus S. 126 L.: „mamphula appellatur (pa)nıs Syriaci ge-
nus, quod, ut ait Verrius, in clibano antequam percoquatur, de-
cidit in carbones cineremque. Cuius meminit Lucilius (1250): usw.“
. 12. Lat. mappa.
mappae tricliniares erwähnt Varro LL., mappa *) ist ein Lein-
tuch zum Abwischen der Hände oder des Mundes bei Tische
(Hor., Petron., Mart.); auch das Signaltuch, welches bei Spielen
der Veranstalter oder leitende Beamte in die Arena wirft, damit
die Schranken geöffnet werden und die Rennen beginnen. Quin-
tilian I 5, 57: „mappam, usitatum circo nomen, Poeni sibi
vindicant“. Pottier bei Daremb.-Saglio HI 2, 1593ff. bemerkt,
es gebe keine semitische Etymologie (Gesenius, Monum 393, be-
stritt 1837 den punischen Ursprung, wollte aber dem Quintilian
glauben, daß mappā auch punisch war). Nun findet sich mappa
ebenso im Talmud für „Tuch, Hand- oder Mundtuch“, und an
1) Für die dissimilierte Form nappa s. Niedermann, Contrib. 311. (zitiert
von Walde?).
Etymologien. 191
einer Stelle des Midras') für „Fahnentuch, Fahne“ (s. J. Levy,
Neuhebr. Wtb. [1883] III 198, der zwar zu dem hebr. Worte in
Klammern mappa, udzza hinzufügt, aber über die Frage einer
Eintlehnung sich nicht deutlich erklärt). Fürst, Glossar. Graeco-
Hebr. (1890) leitet das hebr. Wort von dem späten udnna ab.
Krauß, Gr. u. lat. Lehnw. im Talm. (1899) führt das hebr. Wort
nicht auf, hält es also nicht für entlehnt. Endlich Jastrow, Dic-
tionary (1903), verweist für hebr. mappä auf näfä, im Piel nippä
„fächeln (schwingen, sieben)“, Denom. v. näfa „Fächer (Schwinge,
Sieb)“. Dies ist verwandt mit naf, schon biblisch im Hd
„schwingen“ (auch die Hand, um ein Zeichen zu geben).
Und dazu gehört nun im Talmud menafa, m'nifä „Fächer“.
Nach talmudischen Angaben stand in der großen Doppelhallen-
synagoge zu Alexandria während des Gottesdienstes der Aufseher
auf einer Tribüne in der Mitte und schwang Tücher eut
besudärin) oder ein Tuch (men:f b’sudär, dieses sadar Lehnwort
aus lat. sudarium) °), so oft die Gemeinde mit „Amen“ einzufallen
hatte (s. J. Levy HI 361f.; Elbogen, Der jüd. Gottesd. 486).
Somit stammt lat. mappa von dem punischen Worte, welches
dem hebr. mappä aus *manpä = m°näfä entspricht (vgl. z. B.
näfal „er ist gefallen“, ’eppöl „ich werde fallen“ aus *’enpöl und
oben mappäl aus *manpäl) und ursprünglich „geschwungenes
Tuch, Fahne“ bedeutet hat, erst später auch für andere Tücher
gebraucht worden ist.
13. Bıdaxıov.
Suidas hat die Glosse Bıdaxiwv' umgoov Aldwv. Ducange
übersetzt „lapillus, fragmentum lapidis“, er führt außer der Glossse
noch an aus Makarios sf ts Gro Jon óbpas und aus Antio-
chos Monachos mxoðv Bılariwv.
biáxiov ist Lehnwort: aram. bizgä, bīz°qā „abgebro-
chenes Stück, Scherbe, Steinchen“. Hebr. bezeg kommt nur
als Ortsname vor, hebr. bäzäg „Blitz“ ist nag eignu&vov?). Jastrow,
Dictionary, setzt als hebr. Wrz. bäzag, als aram. b°zaqg „brechen,
zertrümmern“ an.
Das späte ua@apögıo» (Ducange) bezeichnet ein Frauen-
kleid: n&nkov, yvvaıneiov iudrıov, uapdgıov, und tò ts xegpaA4s
1) Über diese spreche ich demnächst im „Archiv f. Religionswiss.‘.
2) Auf lat. mappale = vexillum und mappula = sudarium der Mönche
im Mittelalter verweist Müller-Graupa, Philol. LXXIII 316, A. 29.
3) Dieses, durch die alten Übersetzungen gesicherte, Wort wollen Smend
und Cornill in das gewöhnliche däräg ändern.
192 W. Schulze, Putedli.
sceoißAnua, bei Eustathios xondeuvov N tò uaepögıor'); spätlat.
(Ducange) mafors, mavors, maforte eine Kopfbedeckung, be-
sonders der Frauen. Doch auch ein Mönchskleid: „angustum
pallium, quo utuntur monachi, collum pariter atque humeros
tegens“ (Glosse)”). Das Wort ist bereits von M. Sachs, Beitr. z.
Spr.- u. Altertforsch. I (1852) 86ff., auf hebr. ma’äföret, maʻa-
feret, aram. ma'afrā, ma'afora, ma'ŭfor'tā zurückgeführt
worden, nach ihm ein zum Überziehen oder Umhängen bestimm-
tes linnenes Gewand, nach J. Levy, Neuhebr. u. chald. Wtb.,
1) eine Art Hülle, deren oberer, engerer Teil zur Kopfeinhüllung
und deren unterer, vom Halse an weiterer Teil als Überwurf
diente, 2) ein feinlinnenes Staatskleid, Ehrenmantel. Dazu vgl.
S. Krauß, Talmud. Archäol. I 166 nebst den Anmerk. 518—523
auf S. 599f. Aus dem hiervon abgeleiteten aram. ma’afräjä
„Träger des Ehrenmantels“ erklärt Sachs den Titel Maphrian
in der syrischen Kirche für Bischöfe und Patriarchen, die bei
der Ordination mit dem Pluviale belehnt werden’).
14. uayagic.
Die Hesychios-Glosse uayaols‘ wıxg& onddn scheint noch
unerklärt: Prellwitz? und Boisacq führen sie nicht an. onddn
hat u. a. die Bedeutung „breites Schwert“, ebenso das daraus
entlehnte lat. spatha. Daher könnte uayaoig zurückgehen auf das
semitische Wort hebr. m°gerä f. „Säge“, von gärar „ziehen,
zerren, sägen“. nolwv» uaxaıowrös „messer- oder säbelförmige
Säge“ für die Steinsäge ohne Zähne findet sich bei Galenos, und
auch die m°gerä dient zum Sägen der Steine.
Berlin. Heinrich Lewy.
Putebli.
Den beiden Apex-Belegen für den Stadtnamen o. LVII 75
hätte ich aus Eph. epigr. VIII 104 Nr. 394 (Puteoli) Puteölanus
hinzufügen sollen. Nicht beweiskräftig ist Dessau 6339. W. S.
1) naopdeıov zeigt die „Verzweifachung eines Konsonanten durch Fern-
versetzung, einen dem dissimilatorischen Schwund gerade entgegengesetzten
Vorgang“, z. B. zoig Aoın(e)ois moo&evoıs (Nachmanson, Beitr. z. Kenntnis der
altgr. Volksspr.).
2) Bei Goetz, Thes. gloss. emend. 1668, auch mafortia ` marsupium
und mauortia : marsuppius (Geldbeutel).
š) Für uagógrov neben uapderns nimmt also Meinersmann, Die lat. Wört.
u. Nam. in d. griech. Pap. 105, zu Unrecht Einfluß von gége an.
H. Lommel, Ablauts-Betrachtungen. 193
Ablauts-Betrachtungen.
Das -@ im Nom. und Akk. Sing. der Feminina des Typus
púta, pégovoa usw. wollte Brugmann als übertragen von Feminin-
stämmen auf -æ wie nr£ova, u£gıuva, yévva, doovoa usw. erklären,
da nach den für ihn geltenden Anschauungen die Tiefstufe des
Suffixes, das in den obliquen Kasus -i(i)ā- ist, nur š sein konnte,
in welcher Gestalt es ja auch im Altindischen (bharant) und
anderen Sprachen (lit. vesanti; got. frijondi usw.) erscheint. Doch
dürfte die Annahme solcher Übertragung des -æ nur wenig Zu-
stimmung gefunden haben; Thumb z.B. hat sie in der von ihm
besorgten Auflage von Brugmanns Griech. Gram. (S. 214) aus-
drücklich abgelehnt. Das führt uns zurück auf die andere von
Brugmann im Grdr.’ II 1, 212 angegebene Möglichkeit, daß im
Indogermanischen bei dieser Femininbildung die Ausgänge 3 und
-i9 nebeneinander bestanden, und nur das Griechische die letztere,
offene Form bewahrt hätte. Während also Brugmann eine solche
Annahme zwar erwähnt, aber als unwahrscheinlich bezeichnet
hatte, wird man nicht umhin können, sie gelten zu lassen.
Näher eingegangen ist auf diese Frage Holger Pedersen in
seiner Abhandlung „La cinquième Declinaison latine“ S. 31f. (Kgl.
Danske Vidensk. Selsk., Hist.-fill. Medd. XI. 5. 1926). Er kehrt
darin die Ansicht Brugmanns geradezu um und läßt die Kürze
von Wörtern wie sdiug durch Übertragung von den Feminina
auf -.& an Stelle von ursprünglichem -æ, wie es in zóZum ja auch
vorliegt, entstanden sein. Darin stimme ich ihm zu. Auch tut
er recht daran, daß er das Suffix -¿& nicht lediglich als einen
Einzelfall betrachtet, sondern im Zusammenhang mit den Er-
scheinungsformen, welche die Verbindung von Sonant mit Schwa
indogermanicum darbietet. Da ist Pedersen der Ansicht, daß
neben der Verschmelzung von silbischen Sonanten mit 2 zur
Länge der silbischen Sonanten (z, 2, 7, 7) diese beiden Elemente
auch ohne Vereinheitlichung fortbestehen können. Allerdings
sagt dabei Pedersen, das Verhältnis -ja- (seine Schreibung für
-i-):i beruhe auf der zwiefachen Entwicklung eines sonanti-
schen Koeffizienten, dem ein 2 folgt: entweder werde das erste
Element silbisch und das > verschmelze dann mit dem silbischen
Sonanten, indem es ihn verlängere (3, ü, 7, ñ) oder umgekehrt,
das erste Element bleibe unsilbisch und das folgende 2 übernehme
die Rolle der Silbebildung (ja, wa, ra, na). Darnach könnten
also uneinheitliche Lautgruppen mit silbischen Sonanten (iə, uə,
Zeitschrift für vergl. Sprachf. LIX 3/4. 13
194 H. Lommel
re, na) nicht vorkommen. Tatsächlich aber finden wir sie in Fällen
wie uia, wdirgıa, nörvıa und wir werden anderes der Art so-
gleich noch in anderen Fällen kennen lernen.
Schon deshalb, weil wir also mit einer Dreiheit der Erschei-
nungsformen: je, i2, 3') zu rechnen haben, dürfte die von Pedersen
mitgeteilte Slomann’sche Regel über das Erscheinen von o nach
dem Akzent, dagegen von # vor dem Akzent und unter dem
Akzent, schwerlich genügen.
Ich will, im wesentlichen mit Beschränkung aufs Griechische,
einige Fälle besprechen, wo Sonant und folgendes Schwa nicht
verschmolzen sind. Eine bestimmte Regel für die Erscheinung
kann ich nicht geben und es scheint mir das auch nicht so
wichtig als die Feststellung der Tatsachen. Diese ließen sich
allenfalls vermehren. Ich möchte mich jedoch hier, wie in meinen
Vorlesungen, wo ich diese Dinge schon seit Jahren lehre, nur
auf anerkannte Etymologieen stützen.
In ngie-o9cı haben wir g“rio- als indogerm. Nebenform von
g"ri, welches in ai. kri-nd-ti, kri-td- „er kauft, gekauft“ erscheint.
Diese Auffassung, wenigstens die gleiche Abtrennung der Bestand-
teile des Worts, findet sich schon bei Fick, GGA. 1881, 1432.
Im Gegensatz dazu wird jedoch gemäß der verbreiteten Anschau-
ung über Kontraktion von silbischen Sonanten mit Schwa dies
Wort zerlegt in nel-a-od«aı, wobei nur das erste Stück des Worts
(zgı- aus zmou- vor a) dem ai. kri- entsprechen würde. Dann
muß für das c eine Erklärung gesucht werden, die nicht anders
als gekünstelt ausfallen kann. Eine solche Erklärung hat Osthoff,
Z. Gesch. d. Perf. 408 gegeben; diese überzeugt gar nicht.
Ein weiterer Fall ist xove-ods, das sich zu ai. kra-rd- „wund,
blutig, roh, grausam, furchtbar“, aw. zrära- „blutig, grausig, blut-
dürstig, grausam“ ebenso verhält wie woıe- zu kri-. Da ich das
griechische und arische Wort nicht nur als etymologisch ver-
wandt, sondern als einander völlig identische Wortbildungen be-
trachte, mag es gut sein, ihre enge Bedeutungsverwandtschaft
zu betonen. In den Lexika wird vielfach bei xgvsoös — und
ebenso bei xgv6sıs — die Bedeutung „eisig“ vorangestellt. Ohne
die ganze Wortsippe in ihrer weiten Verzweigung zu verfolgen,
bemerke ich nur, daß die mit zugehörigen Wörtern verbundenen
Bedeutungen des von Frost Erstarrten darauf beruhen, daß die
Wurzel nie das lebendig in den Adern pulsierende Blut, sondern
1) Gemäß dem Vorigen sei © und ¿ hier Repräsentant für die Sonanten
überhaupt.
Ablauts-Betrachtungen. 195
das geronnene Blut, das vergossen worden ist, das um die Wunde
erstarrt ist oder toten Fleischteilen anhaftet, bedeutet. So kann
dann auch, ohne daß Blut geflossen ist, die Todeskälte im Gegen-
satz zur Lebenswärme so bezeichnet werden, etwa bei dem Er-
trunkenen, Simonides 114 (Bergk) .... èv ndvrw xgveods véxvo.
Und die allgemeinere Bedeutung „schaurig, grausig“, die das
griechische und das indische Wort gemein haben, vereinigt das
blutrünstige und die Todeskälte..e Aber die sinnliche Grund-
anschauung ist zunächst die des vergossenen Blutes, und das
spürt man noch ganz deutlich an homerisch xọvósıs: „der blutige
Angriff“ (ioxn E 740), „die blutige Hündin“ (Z 344).
Ich betrachte also e ebensowohl wie < als Vertreter von a
Es werden im folgenden noch andere Beispiele zur Sprache
kommen, bei denen ich verschiedene Vokalfärbung des im Grie-
chischen aus idg. a entwickelten Lautes annehme, so daß ein
Fall den anderen stützt. Es lassen sich keine besonderen Be-
dingungen aufzeigen, unter denen die eine oder andere Vokal-
färbung erscheint; wenn auch die Tönung des Hochstufenvokals
dabei eine Rolle spielt (orards, erós, dords), so ist sie doch nicht
allein entscheidend. Und fragt man sich weiter, ob die ver-
schiedenartige Vokalfärbung, die das Griechische zeigt, etwa
schon der idg. Grundsprache zuzuschreiben sei (a, e, o statt 3) —
ob also das Griechische eine vielleicht nicht sehr ausgeprägte Ver-
schiedenheit der Reduktionsvokale bewahrt, die andern Sprachen
sie dagegen verwischt hätten, so wäre mit einer solchen Annahme
nichts gewonnen. Denn es wäre dann das Problem nur aus dem
Urgriechischen in die Grundsprache zurückverschoben, aber nicht
weiter geklärt. So sei denn statt aller Theorien nur betont, was
eben einer Erfassung in Regeln sich so sehr widersetzt, daß bei
der gleichen Wurzel das Schwa, also vielleicht ein gleichartiger
Laut a, sowohl als e xgve-ods, wie als a: xọéas (idg. krevas; vgl.
ai. kravis „Blut*) erscheint.
Dieser Fall läßt an die dialektische Verschiedenheit (oode
ieods denken, wo das q, e gleich idg. ə ist (vgl. ai. isird- „kräftig“).
Überhaupt enthalten die Ausgänge -«a-go-, -&-00- offenbar vielfach
ein am Ende der Wurzel stehendes idg. 2, und sind, wo das nicht
der Fall ist, wohl von solchen organischen Bildungen aus der
Wurzel übertragen. Aus dem Ai. kann man hier nennen sithi-rd-,
sithi-ld- „schlaff“ (mittel-indische Lautgestalt für *srthi-rd-) von
der set-Wurzel srath- „schlaff werden“, Verb. Adi. srthi-td. Im
Ai. kann freilich solches -i-rd nur selten sein, da es nur bei
13*
196 H. Lommel
Wurzeln mit innerem Verschlußlaut oder Sibilant auftreten kann,
während bei solchen mit innerem Sonanten es nur bei unregel-
mäßiger Akzentuierung und Ablautstufe erscheinen kann, nämlich
in dem Falle sthdvi-ra „fest“ neben und statt sthu-rá „dicht“.
Aus dem Griechischen ist zu nennen za4a-oós „schlaff“, viel-
leicht auch $aleods „blühend“, iAaods „heiter“, hauptsächlich
aber kommt es hier auf solche an, die Wurzeln mit innerem Halb-
vokal enthalten. Nämlich ßọra-ọós „schwer“ neben Bgi-I-Vs
„schwer, wuchtig“, B&ßoide „ist schwer“. Ferner liegen zwei-
silbige und zusammengezogene Tiefstufe neben einander vor in
dıe-odg „flüchtig“ neben di-vog „Wirbel“. Daneben die Hochstufe
in diw-x-w „treibe an, beschleunige, verfolge“, wo das -x- als
etwas zur Wurzel hinzugekommenes angesehen werden kann wie
das -x- von óZéxeo „verderbe“ = ÖölAvu. Im Zusammenhang
damit liegt es nahe, anzunehmen, daß die o-Färbung des langen
Hochstufenvokals Abtönung ist, die dem Perfekt entstammt (s.
Boisacg, s. vi: da wir jedoch über das Verhältnis der Vokal-
färbung des Reduktionsvokals zum Hochstufenvokal keine be-
stimmte Meinung haben können, ist diese Annahme nicht unbe-
dingt nötig, wie sie denn auch nicht beweisbar ist’). Die tief-
stufige Wurzel dii? scheint also weiter vorzuliegen in die-oYaı
(vgl. nola-odaı), Evöieoav „sie trieben an“, Ölevıaı „sie eilen“,
lov „ich eilte“. Hier wäre dann der wurzelhafte Schwa-Vokal
zum thematischen e/o-Vokal umgedeutet, also anders behandelt
als in den bekannten Fällen wie 2ue-w.
Ich will nicht von hier aus übergehen zu Hypothesen, wonach
der thematische Vokal allenfalls identisch wäre mit dem Vokal
der zweiten Wurzelsilbe (2-ßa4-s, Beie-uvov, BE-Bin-xe).
Vielmehr bebe ich hervor, daß Solmsen, Untersuchungen 151,
Formen wie dievraı, Evdiesav gerade umgekehrt ansieht als ana-
logisch in die unthematische Abwandlungsart hinübergebracht,
während in diouev, ôlw die ursprüngliche thematische Bildung
„noch“ vorhanden sei. Es läßt sich schwerlich die eine oder die
andere Ansicht in bezug auf ein einzelnes Verb beweisen; wenn-
gleich ein di + e/o (tiefstuf. Wurzel + themat. Vokal) = urgr.
dii — e/o neben dì -+ geing (tiefstuf. Wurzel 4 Suffix der A ai.
Präs. Kl.) = ai. di-ya-ti mir nicht wahrscheinlich vorkommt.
Denn die Beurteilung des Einzelfalls wird immer mitbestimmt
werden von der Gesamtauffassung des Formenbaus.
1) Meillet, MSL. 23 (1923), so lehnt die obige Erklärung der o-Färbung ab.
[K -N.]
Ablauts-Betrachtungen. 197
Umgekehrt wie bei Boi-9-» und 8oa-oÁós dürfte das Verhältnis
sein bei uet-e-xta-9-ov `) und xivew; xzóaq-9oçs „Becher“ : xõua.
Was die Wurzelgestalt betrifft, besteht nun weiter zwischen
opaoay&w „prassele, zische“ und ai. sphärjati „prasseln“ dasselbe
Verhältnis wie zwischen neglaodaı und ai. krinäti, zwischen xgveods
und ai. krürd-. Innerhalb des Griechischen aber besteht dieselbe
Verschiedenheit zwischen Jdvaros und Yvnrös, xduarog und xun-
tóc und wir haben hier die offenen Tiefstufenformen (so will ich
sie nennen) sphrag-, dhuns-, kma- neben den zusammengezogenen
sphrg-, dhvü-, km-. Gründe oder Bedingungen, warum bald die
eine, bald die andere Gestalt erscheint, kann ich nicht angeben.
Man hat sie etwa in der Akzentverschiedenheit von Idvarog und
Şvyrós gesucht, die ja auffallend genug ist. Aber xgveods ist
genau so betont wie krürd- und Bande, ist aber in dem Ver-
hältnis von Sonant und Vokal doch dem Typus $advarog gleich.
So einfach liegen also die Dinge nicht. Ich gehe auch garnicht
darauf aus, diese Doppelheit zu erklären; hier handelt es sich
vielmehr darum, darauf hinzuweisen, daß in bezug auf die Ab-
lautstufe beide Erscheinungsformen einerlei Ranges sind. Das
ist zwar auch die Ansicht Hirts, der $vnrdg ebensowohl wie
Iavarog als „Reduktionsschwundstufe“ auf eine Formel ənə (früher
enə geschrieben) bringt. Aber ich kann weder diese Formel für
geeignet halten zur Herleitung einer einsilbigen Gruppe -vü-
(entsprechend bei den andern Sonanten), noch nehme ich über-
haupt die Lehre von einer Reduktionsstufe an. Auch sonst treffe
ich an manchen Punkten mit Hırt nahe zusammen, oft zu meiner
Überraschung, weil ich auf recht andern Wegen dahin gelange
und vieles andere völlig ablehne. Daher schränke ich Ausein-
andersetzung von Übereinstimmungen und Abweichungen mög-
lichst ein.
Dennoch muß ich da bei einem Hauptpunkt weiter ausholen.
Hirt sagt gar trefflich (Indogerman. Vokalismus S. 92; ähn-
liches öfter): „Es kommt wirklich nicht darauf an, was im Indo-
germanischen gesprochen worden ist, sondern es kommt auf die
Ablautsverhältnisse an“ (Verhältnisse unterstreiche ich dabei).
Schon J. Grimm hat den Ablaut nicht als phonetische Regel,
sondern als etwas Dynamisches ansehen wollen, d.h. als Funk-
tion von Formverhältnissen. Bei diesen Verhältnissen und ihren
Funktionen kommt es auch nicht darauf an, wie sıe entstanden
1) Mit metrisch gelängtem 7 statt *-exiadov, Schulze, Qu. Ep. 241.
198 H. Lommel
sind. Es ist also z.B. gleichgültig, ob die Stammform zarge- (in
rratods) aus der Stammform mareg- (in nareoa, martges) entstand,
indem das e plötzlich und mit einem Schlag hinausgeworfen
wurde, oder ob dasselbe durch sogenannte Übergangsstufen in
allmählichem Schwinden immer mehr reduziert worden ist, bis
zuletzt nichts mehr davon übrig geblieben ist. Es ist allerdings
wahrscheinlich, daß dieses Verhältnis sich eher ın dieser allmäh-
lichen Weise herausgebildet hat; und ferner ist ja deutlich, daß
der Akzent dabei als Ursache gewirkt bat. Der Verhältnischarakter
ist durch diese Einsicht aber nicht deutlicher, als etwa der von
tego ` toga, precor ` procus, bei welchem wir über die Ursache
ebensowenig wissen als darüber, ob der Unterschied von e und
o allmählich oder plötzlich, über Zwischenstufen (etwa a oder ö;
oder welche sonst?) oder ohne solche eingetreten ist.
Von grammatikalischem Interesse ist die Annahme von Zwi-
schenstufen nur dann, wenn sie nicht lediglich um bekannter
phonetischer Vorgänge willen gemacht wird, sondern in geschicht-
lichen Spracherscheinungen sich ausprägt. Das ist der Fall bei
einer „Spaltung“, wenn unter bestimmten Bedingungen ein Sta-
dium dieses Entwicklungsvorganges erhalten ist, während derselbe
unter anderen Bedingungen weiter fortgeschritten ist, wie z. B.
im Lateinischen ein a der nicht-ersten Silbe zu e wurde und auf
dieser Zwischenstufe stehen blieb, wenn Konsonantengruppe
(außer ng) oder r folgte, sonst aber sich weiter zu ¿ entwickelte.
Ohne besondere Bedingungen, welche die Entwicklung anhalten,
läßt sich doch nicht annehmen, daß ein Teil der Fälle, die an
einem Vorgang beteiligt sind, plötzlich bei einem erreichten Zu-
stand stehen bleibt, während ein andrer Teil sich in der einge-
schlagenen Richtung weiter entwickelt.
Warum also e zwar im allgemeinen sich bis zu völligem
Schwund vermindert haben sollte (udovauaı, mrnäti), in einzelnen
Fällen aber in einem Zwischenstadium solcher Verminderung
stehen geblieben sein soll (niAvauaı, xlovnu), ist nicht einzu-
sehen. Die Annahme einer Reduktionsstufe ist also vom Stand-
punkt der Lautentwicklung nicht befriedigend, und für eine Lehre
vom Ablaut, also von funktionellen Verhältnissen, bietet sie auch
keinen Vorzug, da xiovnuı ` &xeoaoa weder zu negvnu, nEodo,
äneoaoa noch zu ddurnu, &öduaca in einem richtigen Verhältnis
von gegenseitigen Beziehungen steht. Erst recht ergeben sich
für rerrages, niovoss, Tod-neba, Adygıos, Aıxoıpis „schräg“ keine
Verhältnisbeziehungen.
Ablauts-Betrachtungen. 199
Wir haben in dem ı eine lautliche Unregelmäßigkeit vor uns,
die allenfalls aus der indogermanischen Grundsprache stammen
kann. Aber mit dieser Annahme ist sie nicht „erklärt“ und erst
recht nicht als Ablautsstufe eingeordnet.
Setzt man damit eine Unbekannte an Stelle einer andern,
so macht man uns ein X für ein U vor mit der Reduktionsstufe
in raueiv Baleiv u. dgl. Gleichviel, ob die Tiefstufe bei Sonant
vor Vokal gewisse lautliche Besonderheiten hatte, darauf kommt es
ja nicht an, sondern auf die Ablautsverhältnisse, und da sind
zausiv, Bo/iefn derselbe Typus wie oxeiv, neir, dganeiv. Mag
man dafür im-®/,-, tmm-®/o-, tem-?/o- oder tbm-°/, ansetzen, gleich-
viel: das e ist nicht mehr da, und &rauov verhält sich zu z£&u?xa
wie čoyov zu čoyņxa, und Epddonv zu -¿p9ooq wie &rodpnv zu
z£Eroopa. Die einen sind so gut wie die andern Tiefstufe. Die
Verwirrung, welche die Annahme einer Reduktionsstufe hinein-
trägt, kommt einerseits von der rein phonetischen, und nicht
auf die Verhältnisbeziehungen akzielenden Frage, ob vor dem
silbebildenden Sonanten noch ein unsilbischer sonantischer Über-
gangslaut anzunehmen ist, oder ob man die spezielle liquide oder
nasale Artikulation des Sonanten überhaupt nur in konsonanti-
scher Geltung annimmt als „Übergangslaut* zwischen dem fol-
genden Vokal und einem bloßen Stimmton, den als das silbische
Element des Tiefstufensonanten oder als Rest des geschwundenen
e anzusehen immer noch freisteht, auch wenn einem phonetisch
er (usw.) besser zusagt als rr.
Anderseits aber kommt die Verwirrung daher, daß es neben
dieser sogenannten und umstrittenen Reduktionsstufe auch die
unbestrittene Schwundstufe mit unsilbischem Sonanten vor Vokal
gibt: yi-yv-o-uaı, &-ne-pv-e usw. Diese Ablautserscheinung ist
aber nicht eine andere Stufe, sondern nur eine phonetisch andere
Auswirkung des Schwundes von e.
Und da steht dann, um ganz gleichartige Bildungen neben-
einander zu stellen, nyodunv, Eyoero (von yelow „wecke*) auf
genau derselben Stufe wie älındunv, &rgandunv. Es ergibt sich
die einfache Regel, daß der Sonant der tiefstufigen Silbe
vor Vokal silbisch ist (bzw. einen Stimmton oder Vokalanstoß
vor sich hat), wenn er am Anfang des Worts oder hinter
dem wortanlautenden Konsonanten (Konsonantengruppe)
steht, daß dieser Sonant dagegen unsilbisch ist, wenn
er nicht der ersten Silbe des Wortes angehört, sondern
im Wortinnern steht. Das Augment, als ein nicht unverlier-
200 H. Lommel
barer Wortbestandteil, nimmt den betreffenden Konsonanten
nicht den Charakter des Anlautenden.
Die Regel ist nicht ausnahmslos, aber sie genügt meiner
Ansicht nach, die Erscheinungen im Ganzen zu begreifen. Jede
Ablautlehre muß Ausnahmen zulassen, weil es sich darum handelt,
ein grammatisches Schema der Grundsprache aufzudecken, das
in den Einzelsprachen nur noch trümmerhaft vorliegt oder stark
umgebildet ist. Eine Ablautlehre, die jede Abweichung von einer
einfachen Regel in ein System aufnehmen will, macht dieses
System so kompliziert, daß es als grammatisches Schema un-
glaubhaft wird.
Es kann hier nicht alles angeführt werden, was zu Gunsten
dieser Regel spricht. Vielmehr sollen neben summarischen Hin-
weisen auf die einschlägigen Formen einige Ausnahmen erwähnt
werden.
Zunächst ist ein Beleg für unsilbische Geltung des Sonanten
im Wortinnern das Suffix, von dem wir ausgegangen sind: ¿cg
in göba u. dgl., wofür vo eintritt nur in Fällen, wo eine phone-
tische Notwendigkeit dazu durch eine Mehrheit von voraus-
gehenden Konsonanten gegeben ist GpdZAwouta).
Dieses Beispiel fällt insofern nicht ganz notwendig unter die
hier besprochenen Erscheinungen, als es sich in allen andern
Fällen um einen Sonanten als Tiefstufe einer Verbindung mit e
handelt (reu-, tau-, -zu-), während das Femininsuffix -¿- als
Tiefstufe von e zu betrachten doch nur eine ganz theoretische
Konstruktion wäre.
Neben Zygero stellt sich als tiefstufiger thematischer Aorist
Tiygero „versammelte sich“, &ygdwevos. Ausnahme scheint zu sein
&niero, aber es ist doch schwerlich Zufall, daß gerade bei diesem
Aorist keine einzige unaugmentierte Form bei Homer vorkommt,
außer den in Komposition ganz fest verbundenen Partizipien u-
und zegi- nAduevos, so daß die Gruppe z4- wohl als inlautend gelten
kann.
Dem bezeichnenden Nebeneinander von Bal-&odaı und ¿yoéo9asr
treten nun gegenüber die reduplizierten Aoriste des Typs Zreruov
&nepvov. Da gibt es richtige Ausnahmen: xexdoovro, nenaAwv.
Unter die Regel fallen die reduplizierten Präsentia wie
yiyvouaı, uluvo, die Hinterglieder von Komposita wie tà runde,
veöyvog, óÓípoos u. dgl. mehr, sowie die thematischen Weiterbil-
dungen von abstufenden Suffixen: -teọ- : -zg-o; Aluvn, noluvn usw.
Einzelne Wörter wie due, Zoo, udia will ich hier nicht an-
Ablauts-Betrachtungen. 201
führen. Ihre Zahl wäre groß. Unter sich ähnlicher Art scheinen
zu sein die Ausnahmen y»vVE ai. jAu- „Knie“ (als Hinter- und
Vorder(!Jglied); germ. kniu neben y6vv, dee, germ. triu neben
dée, Nicht eigentlich als Ausnahme zähle ich ghnanti: ein *ghnenti
wäre durch abweichende Silbenzahl aus dem Paradigma gefallen.
Überhaupt soll die Regel sich zunächst am Griechischen bewähren.
Bei den zweisilbigen Wurzeln ist es mit -n>-, -r9- usw. im
Wortinnern ebenso: téĵvauev, reriadı, niungauev, nlunlauev.
Man hat freilich letztere Form auch dem ai. pi-pr-mak gleichge-
setzt (s. Brugmann-Thumb Š 330 gemäß der älteren, stärker vom
Sanskrit abhängigen Anschauung). Ich neige da jedoch mehr
dazu, -Aa- = lə als Tiefstufe von lē anzusehen, wobei ich wieder
mit Hirt zusammentreffe. Ist diese Anschauung richtig, so wider-
streitet sie, wie ich nebenbei bemerke, der Lehre von der kon-
sonantischen Natur des > (ə in der Bezeichnung von Kurilowicz,
Prace filologiezne XI (1927) 202); denn darnach müßte sich *pi-
pla-mes ergeben. Besonders bei den Perfekta wie r&riadı scheint
gar keine andere Möglichkeit der Erklärung zu bestehen, als die
der unsilbischen Tiefstufe.
Es gibt nun genug hierhergehörige tiefstufige Wörter, die
in der Stellung nach Wortanlaut silbischen Sonanten zeigen, die
sich also neben r&dvauev, teriadı u. dgl. der Regel fügen; z. B.:
BdAayos „Eichel“, Bdea900» „Kluft“, dauding „Bezwinger“, dáva-
tos, xduqtoç, uaA4aqxós, naidun, tdiavıra „Wagschalen“, zagayr
„Verwirrung“, xaiaods „schlaff“. Als Gegenbeispiele dazu haben
wir jedoch nicht, wie zur Bestätigung unserer Regel erwünscht
wäre, Formen mit unsilbischer Tiefstufe im Wortinlaut, sondern
nur solche mit zusammengezogener silbischer Tiefstufe nach
Wortanlaut: lat. glans „Eichel“, Bowoıs „Speise“, duntös, Yonvds,
xuntds, BAGE, BAaxós „schlaff“, lat. palma, TAnvaı, $0R00w, TETENKa
„verwirren“, und diese Verhältnisse können nur in zweiter Linie
als Bestätigungen in Betracht kommen.
Weiterhin wäre es nun von Interesse, zu sehen, welche
widersprechenden Ausnahmen es gibt. Solche lassen sich zahl-
reich finden, wenn man sich nicht an konkrete Wörter hält,
sondern an Etymologieen, welche jenseits der wirklichen Wörter
Wurzeln aufsuchen, die nicht unmittelbar greifbar sind.
So haben wir z. B. die Wurzelformen kel in x£&iados, kla-
in xaĝé-ow, kle in x&xinxa. Mit g erweitert finden wir diese
Wurzel in xexinyos, wozu xA4dro, čxůîayov, xłayyń, also klə-g,
mit unsilbischem Sonanten hinter Wortanlaut entgegen obiger
202 H. Lommel
Regel. Diese beansprucht aber nicht Geltung für kombinierte
Wurzeln mit Wurzelerweiterung im Verhältnis zu einfacheren
Wurzeln, sondern für die hier in Frage stehenden Ablautserschei-
nungen kommen nur tatsächliche Wörter, zunächst der griechi-
schen Sprache, in Betracht, und da gibt es eine Wurzel kel-
(nEiados), He (xéxAmxa), kle (?, xaintıog), klə- (xaultow) und da-
neben eine Wurzel kleg, klag, die mit der festen Konsonanten-
gruppe Muta cum liquida beginnt, und in der diese Liquida nicht
mit hereingezogen wird in die Ablautvorgänge, welche den Vokal
betreffen. Dergleichen Verhältnisse kann man unzählige Male
finden. Und das ist kein Wunder. Vielmehr ist es eigentümlich,
daß das Verfahren der Etymologen aus dem Wortschatz der idg.
Grundsprache Quadratwurzeln und Wurzeln höherer Potenz zieht,
die — sofern man ihnen eine historische Wirklichkeit zusprechen
kann — in weit zurückliegende Epochen der idg. Grundsprache
zu projizieren sind. Ob da überall die gleichen Regeln des Vokal-
schwunds und der Vokalschwächung geherrscht haben wie in der
griechischen Verbalflexion, insofern sie der Nachklang ist eines
Zustandes, der unmittelbar der sogenannten Völkertrennung
vorausging, ist doch zum mindesten höchst unsicher. Mit diesen
Bedenken sage ich nicht, daß die Etymologie eine andere Methode
haben könnte, als die von historischen Wörtern und Flexions-
vorgängen abgelesenen Ablautsvorgänge auch an prähistorischen
Wurzeln und Wurzelgestaltungen vor sich gehen zu lassen. Die
z. T. sehr problematischen Vorgänge der Wurzelumgestaltung und
der Ablaut werden dadurch in &ine geschichtliche Ebene proji-
ziert, was vielfach richtig sein kann, denn wenn es ein *keläg
gegeben hat, so kann das dieselben vokalischen Veränderungen
erleiden wie ein *kelä. Aber diese Annahme muß nicht immer
richtig sein, denn es kann sein, daß noch ehe das kelä, etwa als
Wirkung des Akzents, die bekannten Ablautsvorgänge durchmacht,
es infolge des Antritts einer Wurzelerweiterung eine andersartige
vokalische Veränderung, etwa zu Log erfahren hat, so daß gar
nicht mit *keläg zu rechnen wäre und nicht *kläg, *klog, sondern
nur klag entstehen könnte.
Kurz, die Ablautsvorgänge, die wir zunächst zu betrachten
haben und wohl allein wirklich studieren können, sind diejenigen,
welche in der uns einigermaßen erkennbaren Flexion fertiger
Wörter der Grundsprache vor sich gehen. Und da ist xalt-o
(*aale-u, klo-mi) „rufe“ ein anderes Wort als xAd&w (klang-io)
„schreie“, und eines nicht ohne weiteres Ablautform des anderen:
Ablauts-Betrachtungen. 203
Ablaut ist das Verhältnis verschiedener Formen von einerlei
Wörtern zueinander.
Es lassen sich also eine Anzahl von Wörtern beiseite schieben,
die man zunächst als Gegenbeispiele ansehen könnte. Freilich
ist solche Ausschaltung des Widersprechenden nicht in allen
Fällen gleich naheliegend. Z. B. steht yAdyog „Milch“ (glag-)
trotz der Verschiedenheit des wurzelschließenden Konsonanten
dem gie (glokt-) doch recht nahe. Oder yvd$og „Kinnbacken“
(gnadh-) bildet zwar innerhalb des Griechischen kein ablautendes
Paar mit y&vvs, ist jedoch Tiefstufe im Verhältnis zu lit. żándas
„Kinnbacken“, dessen Stoßton ja auf ein genədh weist. Bei yAdoo«
„Zunge“ (y4ax-) im Verhältnis zu ylöoo« ist ein Urteil schwierig,
weil man — wie so oft — nicht wissen kann, ob -Aw- Hochstufe
lo oder die andere Form der Tiefstufe I ist; und sofern es sich
dabei um alten Deklinationsablaut handeln mag, kann System-
zwang mit dem Streben nach gleichbleibender Silbenzahl im
Paradigma mitspielen.
Während also bei der Tiefstufe vom Typus zaueiv nichts
darauf ankommt, ob man tm- oder tem- ansetzt, vorausgesetzt
nur, daß man trotz etwaiger phonetischer Modifikationen die
proportionale Gleichheit solcher Formen mit ögaxeiv nicht ver-
kennt, ist es bei der Tiefstufe zweisilbiger Lautgruppen mit
innerem Sonanten keineswegs gleichgültig: Denn nur die offene
Tiefstufe läßt gleichermaßen kmə-to oder k¿mə-to zu, während die
zusammengezogene km- wohl als Umgestaltung von kms-, nicht
aber als Ergebnis aus k,m>- angesehen werden kann.
Dies Bedenken betrifft die lautliche Seite der Sache. Wenn
ich recht verstehe, so wird dieser naheliegende Einwand von
manchen Forschern nicht erhoben oder nicht für entscheidend
erachtet. Auch ich möchte nicht das entscheidende Gewicht darauf
legen, da wir ja wirklich die phonetische Natur des Lautkomplexes
nicht genau bestimmen können, der die einsilbige Tiefstufe der
zweisilbigen Wurzeln gebildet hat. Aber ganz ohne Rücksicht
auf die phonetische Seite der Frage ist entscheidend die Tatsache,
daß es innerhalb dieser als Schwächungsprodukt einheitlichen
Ablautsstufe wenigstens im Griechischen zweierlei Erscheinungs-
formen gegeben hat, eine zweisilbige und eine einsilbige; diese
mit der gleichen grundsprachlichen Formel — sei es nun ma
oder mə — zu bezeichnen, geht nicht an. Vielmehr ergibt sich
die geeignete Formel für die Liquida- und Nasalsonanten nach
Analogie der halbvokalischen Sonanten:
206 H. Sköld
Die Verbindung kw, die neben 0 vorkommt, kann ursprüng-
lich sein oder aus ku Vokal, ko + Vokal und ko') + Vokal ent-
standen sein.
Die regelmäßige Entwicklung von kw, ó und ihren Ent-
sprechungen ist in den verschiedenen Sprachen die folgende:
Ewe. Die Verbindung kw, ku- Vokal nirgends erhalten
außer in Lehnwörtern aus dem Ci und der Dahome-Mundart. Vor
a entstand aus kw häufig ko, meist ist aber kw zu ó geworden;
p findet sich vor allen Vokalen und vor ¿.
Gà. Hier kommt kw vor allen Vokalen außer w vor, D vor
allen Vokalen und /, r mit folgendem Vokal.
Ci. Allgemein erhalten ist kw nur vor a. Vor anderen Vo-
kalen findet es sich nur in den Fante-Dialekten. Vor den pala-
talen Vokalen, wo das Fante kwe, kwe, kwi hat, ist in den übrigen
Dialekten Palatalisierung zu tw’e, twe, tw'i eingetreten; vor velaren
Vokalen hat das Fante kwo, kwo, kwu, wo die übrigen Dialekte ko,
ko, ku zeigen. Wie man sieht, haben die Fantedialekte ein altertüm-
licheres Gepräge. Die palatale Verbindung tw’ kommt auch vor
a, 0, o, u vor, ist dort aber häufig als sekundär nachzuweisen;
sie kann auch aus fo, tu entstanden sein; o fehlt gänzlich.
Guang. In dieser Sprache kommt ý vor allen Vokalen,
vor r, l vor; kw sowie ku”, tw’ (das wie im Gi sowohl aus kw wie
aus tw, tu entstanden sein kann) erscheinen vor a, è, e, i, 0.
Folgende Fälle sınd möglich:
1. Ewe ko — übrige Sprachen kwa, kwo, ko:
e, kò Hals, č. ekon, g. kue‘), gu. kwa;
e. kó ‘Faust’, č. kutukü’), g. koko, gu. go-kwan;
die Urform hat nach Westermann ursprünglich kua (wahrschein-
lich kua).
9. Ewe ko ~ Ci kwa, ko, ko ~ G. Gu. pa, po:
e. kúko, kóko ‘gackern’, č. kwane, g. pa, gu. pde;
e. akó Brust, č. ekoko, gu. apo;
das letztere Wort gehört vielleicht unter 5. Die Wörter der
zweiten Gruppe gehen auf älteres kwa zurück.
3. Ewe p ~ kw (tw) der übrigen Sprachen:
e. pa ‘Farbe verlieren’, ë. kwa, kwaw, g. kwa;
e. po ‘sehen’, g. kwe, gu. kwe;
1) o, e sind offene 0-, e-Laute.
2) Das auslautende z wird im G. oft e
3) Hier ist a nicht angetreten und deshalb a erhalten.
Sudanparallelen zur griechischen Lautentwicklung. 207
e. Dopo') e Bohnenart’, č. ate ë, g. akwe;
4. Či kw, tw ~ ó in den übrigen Sprachen:
e. pla ‘umarmen’, ë. kwan ‘to wind round’, g. pla round
about, gu. la unter dem Arm tragen’;
e. paple "zusammen mit, und’, č. kwā ‘joint, juncture’, g. pe
‘to join’, gu. pa “zusammenfügen’;
e. aplo, apo Umhängetasche’, č. etw’eä ‘sack’, gu. epepe id.;
e. (di) di ‘überraschen’, č. tw'iri ‘to be in a stir, confusion’;
5. Ci ko ~ po in den übrigen Sprachen:
e. po “Hügel, Erhöhung’, č. ekoko, g. po;
e. Dolohö “wohlgenährt, dick’, č. kokroko, gu. poplō.
Die Wörter dieser Gruppe gehen auf älteres kwo zurück.
6. Ci p ~ p der übrigen Sprachen:
e. på ‘kahl sein’, ë. pa, g. pa, gu. Da, Papa;
e. apé ‘tausend’, ë. oé, g. ape, gu. ape;
e. pi “viel, sehr’, č. pi, g. fi ‘thick, thickly’;
e. aplokú ‘junger Mais’, č. poporokú “new corn’, gu. poli ‘Mais’.
Wie die verschiedenen übrigen Gruppen zu beurteilen sind,
darüber äußert sich Westermann nicht. Nur über die Fälle wo
p im Či, dem ý der übrigen Sprachen gegenübersteht, läßt er
sich ausführlich aus.
Zunächst behauptet er, daß es sich in vielen Fällen um Ent-
lehnungen aus dem Ci handle, wo ý im Anlaut für p substituiert
wurde. Diese Annahme reiche aber nicht zur Erklärung aller
Fälle aus. Eine andere Möglichkeit sei die, daß im Ci kw zu pw
geworden und w danach ausgefallen sei. Ganz abzuweisen sei
eine solche Annahme nicht, da analoge Lautwandlungen sich in
westsudanischen Sprachen tatsächlich nachweisen lassen; es sei
aber unwahrscheinlich, daß w abgefallen sei, ohne einen der be-
nachbarten Laute, wie sonst üblich, zu beeinflussen. Am meisten
Wahrscheinlichkeit habe aber die Annahme, daß die Wörter dieser
Gruppe früher auch im heutigen Sprachgebiet des Gi mit 2 an-
gelautet haben, daß dann aber dank dem Einfluß einer ein-
dringenden fremden Bevölkerung, die den p-Laut nicht gekannt
habe, wohl aber den p-Anlaut gehabt habe, dieser den ersteren
ganz verdrängte.
Als Nicht-Afrikanist maße ich mir keine bestimmte Meinung
über diese Hypothesen an. Es sei mir aber erlaubt zu bemerken,
daß die Annahme des Überganges kw > pt > p ganz unnötig
scheint, so wie auch die einer fremdsprachigen Beeinflussung.
1) Älteres e ist durch Assimilation an w zu o geworden.
208 H. Sköld
Denn geht man von p als dem ursprünglichen Laut aus, dann
gelangt man ja zu p auf sehr einfachem Wege durch bloße Auf-
hebung des Verschlusses am Velum, bei Beibehaltung des Lippen-
verschlusses.
Westermann spricht sich nicht darüber aus, ob neben dem
aus kw, ku, ko, ko unter den bewußten Umständen entstandenen
ý es auch ein ursprüngliches, selbständiges > gegeben hat. Auch
nicht über das genetische Verhältnis der fünf ersten Gruppen
untereinander.
Die Entwicklung bei gw, b ist etwas abweichend. So fehlt
vor allem im Ci eine der Wandlung > p entsprechende Laut-
entwicklung 5 > b. Dies erklärt Westermann so, daß b in der
Zeit noch nicht vorhanden sei, als ý sich zu p entwickelte; da-
mals sei nur gw gesprochen, das sich später im Ci der Palatali-
sierung unterzogen habe. In den verschiedenen Sprachen liegen
die Verhältnisse folgendermaßen:
Ewe. Hier kommt 5 vor allen Vokalen vor, und gw ist
nirgends erhalten. In einigen Fällen ist gwa wahrscheinlich zu
go geworden.
Ci. Nur in Teilen des Fante-Dialektes kommt gw und zwar
vor den Vokalen a, e, i, o vor. Vor o ist diese Verbindung nicht
ursprünglich, sondern das o ist durch den Einfluß des w aus a
oder e assimiliert. In den meisten Mundarten treten für gwe, gwe,
gwi die palatalisierten Verbindungen due, de, dw'i auf. Auch
vor aus a, &, e, i assimilierten o, o, u kommt dw’ vor. Möglich
sei, daß dw’ zuweilen aus du + Vokal entstanden sei. Es könne
sogar vorkommen, daß wv sekundär sei. Wenn vor gw ein Nasal
‚getreten ist, entstand aus gou die neue Verbindung vw. Das A
fehlt ganz.
Gä. Wahrscheinlich kommt oe nur in Wörtern, die aus
dem Ci entlehnt worden sind, vor und zwar vor a, 0, o. Als
Vertreter einer früheren gw in palataler Lage kommt dw’ vor,
und zwar vor a, e, e, i und durch Assimilation entstandenen o
oder o. In bebe = bokwe = džokwė < *gwakwe ist gw zu dë ge-
worden. Vor allen Vokalen und vor Z kommt b vor. Wo vor
das gw ein Nasal trat, hat sich am < *»w entwickelt. Später
kann das » oder das m abfallen.
Guang. Außer in Lehnwörtern aus dem Ewe scheint b
nur in bestimmten Mundarten vorzukommen. Daneben oe vor
a, dw bzw. dz, nw, um. Die vielen Lehnwörter aus dem Ci haben
den Tatbestand verdunkelt.
Sudanparallelen zur griechischen Lautentwicklung. 209
Folgende Fälle sind möglich:
1. Ewe g~ Či gwa ~ Gä gwa.
Nur ein sicheres Beispiel:
e. ago “Gesäß’, č. agua “seat, chair’, g. gwa ‘chair’ (das letzte
vielleicht Lehnwort).
2. Ewe b — Či gw, dw ~ Gä b ~ Guang b.
e. ba ‘zerbrechen’, č. gwa, dwa “to cut to pieces’, g. ba ‘to
break, rend, smite’, gu. ba ‘brechen’;
e. be ‘Tag’, g. bi ‘day’;
č. gwete, dw’ete ‘silver’, gu. bite ‘Silber’.
3. Nasalierte Formen. Ich nehme nur den Fall auf, wo tat-
sächlich das Vorhandensein eines früheren gw bewiesen
werden kann.
Ewe b ~ Či dw‘) ~ Gä am ~ Guang vm oder au,
e. baba ‘große Antilope, Einhorn’, g. vmauma “large antelope,
unicorn’;
e. ababa ‘Okroart’, g. eumomi ‘ocro’, gu. euwäuwä ‘getrocknete
Okro’;
č. adw’e ‘palm kernel”, g. nme ‘palm nut’;
č. dw’ere ‘to bind, tie up, g. »mo ‘to tie, bind’, gu. »mene
“binden, verbinden‘;
č. edw’ie, edwuw ‘louse, g. »mö» ‘louse’.
4. Či dw ~ Ewe dz.
Viele Fälle sind Entlehnungen des Ewe aus dem Či, „das
trifft aber kaum bei allen zu“. Außerdem ist auch nicht jedes
dw im Ci aus gw -entstanden.
e. dza ‘träufeln, tropfen’, č. dw’a Io gut, eviscerate';
e. dze ‘zerreien’, č. de, dw’o ‘to cut, sever.
Entsprechungen aus den übrigen Sprachen werden nicht ge-
nannt, obgleich Westermann nicht weniger als 9 Beispiele anführt!
Betreffs des b gilt was oben von dem 8 gesagt wurde: Wester-
mann spricht sich darüber nicht aus, ob neben dem aus gw, gu
entstandenen b es auch ein ursprüngliches 5 gegeben habe oder
nicht. Er scheint aber der Meinung zu sein, daß die Velarlabiale
ausschließlich sekundär aus kw, ku, ko, ko; gw, gu, go, go ent-
standen seien.
Wenn wir der Übersichtlichkeit halber die Tatsachen ta-
bellarisch zusammenfassen, erhalten wir folgendes Ergebnis:
A) Verbreitung der Laute:
a) tenues:
1) Beispiele nur in palataler Stellung.
Zeitschrift für vergl. Sprachf. LIX 3/4 14
210 H. Sköld
Ewe o kw kommt nicht vor, auch nicht ku Vokal (außer in
Lehnwörtern aus dem Gi);
GA p, kw, tw’;
Guang ?, kw, tw;
Či fehlt; die Fante-Gruppe hat überall kw, die übrigen
daraus k, und in palataler Stellung, tw’;
ß) mediae:
Ewe b; gw fehlt; |
Gà b; dw + pal.; am, vn, m; gw nur in Lehnwörtern aus dem Ci;
Guang b nur in gewissen Mundarten und Entlehnungen aus dem
Ewe; gw, dw’, dz’, øm, vw; die vielen Lehnwörter aus
dem Ci haben Kreuzungen hervorgerufen.
Ci b fehlt; gw nur in Teilen des Fante-Dialekts; ww; dw”.
B) Entsprechungen der Laute:
a) tenues:
Ewe ko ko p p Do p
Gà kwa, kwo, ko | Da, po | ku, tw p po D
Guang > n n n n n n p Do p
Gi > n»n n |kwa, ko, koj , „ |kw twW| ko p
8) mediae:
Ewe go b | b dz
Gä — b am —
Guang (gwa) b nw, 9m —
Či gwa gw, dw’ dw | dw
Eine Durchmusterung dieser Tabellen sowie der von Wester-
mann angeführten Beispiele erweckt den Eindruck, daß der ur-
sprünglichere Lautbestand für Ewe, Gä und Guang ù, b voraus-
setzt, wo Gi ursprünglich kw, gw, in palataler Lage (dialektisch)
tw, dw‘ hatte. Die übrigen Fälle würden dann sekundär und
entweder als sekundäre Lautentwicklungen oder als Lautent-
lehnungen anzusprechen sein.
Nur in einem Fall möchte ich noch eine primäre Lautent-
wicklung sehen, nämlich dort wo £ im Či einem ù der übrigen
Sprachen gegenübersteht. Den entsprechenden Fall, daß Či g
eine Entsprechung durch 5 in den übrigen Sprachen hat, ist von
Westermann nicht ausdrücklich besprochen worden. Derselbe
liegt aber vor, wie aus den folgenden Wortgleichungen hervor-
gehen dürfte:
e. blo ‘kraftlos, schwach’, č. görow ‘weak, fant:
e. blo “lauwarm’, č. görow ‘lukewarm’;
Sudanparallelen zur griechischen Lautentwicklung. 211
e. bodzo ‘schwach sein’, g. bo ‘to be infirm, weak’; bod3o
“to become weak’; č. gow ‘to slack, relax, weaken, be-
come weak’.
Westermann verweist für diese Fälle auf Le, p. 254, wo er
denn auch sagt: „Es ist also anzunehmen, daß [im Či] ursprüng-
liches gwo, gwu > go, gu geworden ist, entsprechend kwo > ko.“
Dasselbe was von der Lautentwicklung kwo, ko oben gesagt
wurde, gilt aber auch von derjenigen von gwo zu go.
Da nun ó und b von drei von den untersuchten Sprachen
bezeugt wird, fragt es sich, ob denn nicht eher auch für das Ci
dieselben Laute ursprünglich vorausgesetzt werden sollten, als
umgekehrt die Labiovelare der übrigen Sprachen aus den kw, gw
des Gi hergeleitet werden. Selbstverständlich können ja ó und
b ursprünglich aus kw, gw entstanden sein, wie man denn auch
für die indogermanischen Labiovelare einen ähnlichen Ursprung
vermutet hat. Selbstverständlich könnte auch das Ci den anderen
Sprachen gegenüber das Ursprüngliche bewahrt haben.
Wenn aber die Fälle mit k, g im Ci gegenüber den ý, b der
übrigen Sprachen autochthon sind — und es ist schwer einzu-
sehen, wie fremde Eroberer ein wirklich vorhandenes 2, b aus
der Sprache der Eingeborenen haben ausdrängen können —, dann
wird die Annahme eines älteren p, bzw. b geradezu zur Not-
wendigkeit, wie denn auch Westermann selbst für diesen Fall
auch im Ci ein älteres ý annimmt.
Nur hier ein älteres p (bzw. b) anzunehmen ist aber un-
möglich, weil dann zuerst gezeigt werden müßte, weshalb dieser
Fall allein dasteht.
Nimmt man aber auch für das Ci ältere ý, Ë an, dann kann
die Sache leicht erklärt werden. Aus p, b entstanden durch
Lockerung des vorderen Verschlusses bei Erhaltung des hinteren
Verschlusses kw, gw, die im Ur-Ci in allen Stellungen vorlagen,
später aber in palataler Lage dialektisch zu tw, d'w wurden. Die
Artikulationsstelle des palatalen ?’, bzw. d’ liegt ja derjenigen des
palatalen E, bzw. g’ so nahe, daß die Laute oft zusammenfallen,
vgl. z. B. scheed. tjusa ‘bezaubern’, kjusa "Tälchen’, welche Wörter
in der Aussprache der modernen Reichssprache ganz zusammen-
gefallen sind. Ein Übergang von palatalem Guttural zum pala-
talen Dental liegt z. B. in tschech. ande! Engel vor.
Wo p, b vorliegt, sind sie dadurch entstanden, daß der hintere
Verschluß aufgegeben, der vordere beibehalten wurde.
Es fragt sich nun, wie man die Fälle mit k, g im Ci erklären
14*
212 W. Schulze, Toch. ratäk.
soll. Hier ist der vordere Verschluß ganz aufgegeben worden.
Am leichtesten lassen dieselben sich begreifen, wenn man an-
nimmt, das sie aus ö, -+ w entstanden sind. Eine Verbindung
Du, bzw. bw setzt aber voraus, daß 2, b, nicht aber kw, gw im
Či ursprünglich vorlagen.
Wenn dies nun stimmt, dann liegen hier schöne Parallelen
zu der sonst unbelegten Lautentwicklung der indoeuropäischen
Labiovelare im Griechischen vor:
Enopar See *sep-, d. h. ieu. 8 ergibt im alsameinen griech. z;
de < ieu. *pis-, d. h. ieu. ġ in palataler Stellung ergibt griech. ç;
Abxos < ieu. *lup-, d. h. ieu. 9 unter Einfluß eines labialen Lauts
wird griech. x;
Balvo < ieu. *bem-, d. h. ieu. Ë ergibt im allgemeinen griech. $;
dor < ieu. *bie-, d. h. ieu. b in palataler Stellung ergibt griech. 6;
doe < ieu. *bow-, d. h. ieu. b unter Einfluß eines labialen Lautes
wird griech. y
Man könnte vielleicht die Parallele noch weiter erstrecken
und annehmen, daß die bisher ziemlich schwer erklärlichen Fälle
mit x, y aus ieu. *pw, *bw entstanden sind, also: 2úxos < *lupw-,
vos < *bwow-.
Jedenfalls ist tis aus *t'wis entstanden, clarita aus *d'wiaita,
mit dem bekannten Schwund des Digamma im Griechischen.
Lund. Hannes Sköld.
Toch. ratäk.
Npers. rada „series, ordo, acies“ geht nach Hübschmann,
Pers. Stud. 66 Nr. 609 auf mpers. ratak zurück. Damit stimmt
fast genau überein das toch. Wort für „Heer“ [vgl. ai. senā
„Schlachtreihe, geordnete Heerschar*] ratäk (so in A). Sieg-
Siegling, Tochar. Gramm. 88 83. 194. Mit den in B üblichen
Veränderungen heißt es dort retke. Darf man schließen, daß in
der Gleichung A a = B e die Mundart A das Ursprünglichere
bewahrt hat? Vgl. was ich in den Sitzungsberichten der Berliner
Akademie 1924, 171. 173 über den Vokal der Reduplikationssilbe
bemerkt habe. W.S.
F. Specht, Die Flexion der »-Stämme im Balt.-Slav. und Verwandtes. 213
Die Flexion der »-Stämme im Baltisch-Slavischen
und Verwandtes.
Leskien, Lit. Nom. 395ff. hat das lit. Suffix -znas als Ent-
lehnung aus dem Slavischen angesehen. Im Hinblick auf Ent-
sprechungen, wie apekünas = poln. opiekun, begünas = poln.
biegun und die Femininbildung, die nach Kurschat, Lit. Gram. 88
auf -nkà lautet’), hatte diese Annahme eine gewisse Berechti-
gung. Aber Leskien hat bereits hervorgehoben, daß sich -Znas
auch bei zahlreichen, rein litauischen Stämmen findet. Es bleibt
Bügas Verdienst, in einem Aufsatz: Priesagos -Znas ir dvibalsio
uo kilmė in Lietuvos mokykla IV 417ff. an zahlreichem neuem
Material den Nachweis erbracht zu haben, daß -znas ein echt-
litauisches Suffix ist. Mit Recht haben ihm Endzelin bei Büga,
Kalb. ir sen. 190 und Gerullis, Arch. f. slav. Phil. XXXIX 276f.
zugestimmt. Da neben -änas und -znis”) auch ähnliche Bildungen
auf -uonas, -uonis stehen können, wie palaidūnas — palaiduonas,
*atskalunis — atskaluonis, *marünis — maruonis, *palikunis —
palikuonis, *pasalunis — pasaluonis, *pirmünis — pirmuonis (Būga
a. a. O. 421ff.) und ferner im Altlit. reine n-Stämme daneben
liegen, wie aptayduo, paktayduo, gietuo (gieluonis), numaruo, eduo
(Eduonis), Sermuo (Sermünis, sermüne) (Būga a a O. 423f.; Ver-
fasser, Syrvid XXVI), so schließt Büga auf ein abstufendes Para-
digma eines n-Stammes, in dem der starke Stamm -uon- und der
schwache -ūn- miteinander wechselten. Von dem starken Stamm
-uon- sei dann -uonis, von dem schwachen Stamm -zn- der Nom.
*_unis oder -ünas ausgegangen in ähnlicher Weise, wie sich im
Äolischen nach dyóz, -&vos ein Nom. Sg. dywvog eingestellt hat
(vgl. Ahrens, De ling. Gr. dial. 1120). Dies aus jenen Suffixen
-uonis, *-unis, -unas erschlossene Paradigma findet nun Büga
wieder in der Flexion von Zmuo bei Daukša. Hier lautet der
1) Daneben kennt das Ostlit. die regelmäßigen Bildungen auf -g2¿, z. B.
Basanavičius, Liet. Pas. II 1059 atajüne, 1067 valketüne aus Svėdasai, ferner
aus Ruhig I 14a II 279b 367b begune, 164b paklaidune, IL 374b 409b Leppüne,
II 2618 pataiküune, II 4048 zinnune. Das gleiche Bild bietet Mielcke. Auch
moderne Lexika wie das Litauisch-lettische Wörterbuch von Ryteris (Riga 1929)
führen zu den Substantiven auf -ünas regelmäßig das Femininum als Gud an.
2?) Ich halte -anis nur für eine dialektische Schreibung von -uoxis, 8. u.
S. 223f. Jedenfalls braucht man nicht, wie es Būga a. a. O. 421 tut, 3okünis aus
Daukantas mit dem femininen 30oküne aus Daukša 483ss auf gleiche Stufe zu
stellen. Denn 3oküne kann wie Daukša Post. 67ss — 9310 palaidünes (fem.)
gleicher Bildung mit den in Anm. 1 genannten sein.
214 F. Specht
Akk. Sg. Zmunj, der Dual Zmune. Endzelin und Gerullis a. a. O.
haben auch hierin zugestimmt, der erste mit Verweis auf die
Flexion der femininen -n-Stämme im Ahd. wie zunga, zungün,
zungönö, wo er gleichfalls den Gegensatz zwischen an. und -un-
zu sehen glaubt. Meines Wissens hat auf diese Parallele zuerst
Bezzenberger bei Trautmann, Germ. Lautgesetze 29f. hingewiesen.
Aber ich kann dieser Ansicht nicht beipflichten. Denn zu-
nächst sind die germ. Bildungen femininisch und haben außerdem
mit den maskulinen lit. Nomina agentis auf -uonis in ihrer Be-
deutung auch gar nichts gemein. Zum Überfluß ist die ganze
Flexion got. tuggo, tuggons, ahd. zunga, zungün eine rein germa-
nische Neubildung, so daß sie für alte Abstufung der n-Stämme
überhaupt nicht in Frage kommt’). Was Būga selbst a. a. O. 449
und Bezzenberger bei Trautmann als Stütze einer abstufenden
Flexion a -ön-, -an- anführen, sind die bereits bei Brugmann, IF.
XVII487, XXIX 233, Grundr.* II 1,280 genannten y&ivs, xeivvn,
yeAwvn; noAwvöc, xoAwvn, lit. kalva, lat. columen; xogwvös, #00Wwvn,
lat. corvus; viwvós, vids, dazu xivövvog, das aber anders zu beur-
teilen ist, vgl. darüber W. Schulze bei Sittig ob. LII 207 und
Kretschmer ob. LV 90f. Dagegen läßt sich ein n-Stamm durch
diese Bildungen überhaupt nicht erweisen. Sie zeigen nur, daß
neben einem aus ö(u) geschwächten % eine n-Erweiterung stehen
kann.
Wie ich über Zmunj und Zmune denke, habe ich bereits IF.
XLII 281 Anm. 1 ausgeführt. Bügas Gegenbemerkung kalb. ir
sen. 190 Anm. 1 ist mir ganz unbegreiflich. Denn tatsächlich
werden bei Daukša, wie sich jeder leicht selbst überzeugen kann,
die Akzentzeichen “ und ’ gleichmäßig für Länge und Kürze ge-
braucht. Nur läßt sich gelegentlich feststellen, daß in einigen
Teilen des umfänglichen Werkes manchmal ^, manchmal aber
auch ' für das eine oder das andre bevorzugt werden. Zum
Überfluß stehen sich in der Schreibung die völlig gleichbedeuten-
den 339s0 = 454,1: Zmünj und Or. 459, Zmiünj gegenüber. Meine
Ansicht, Zmunj hätte sich nach š2m¿ gerichtet, bekommt eine ge-
wisse Bestätigung durch Daukša selbst: 454,;,s (= Or. 339:0) Ko
iiemus padesti bedieves tiesos, kures jstatindie už Zmüni desimti grivnü,
o už sun; dvidesimti arba daugesn’, wo die Reimwörter Zmän; und
Sun; gegenüber gestellt werden. Vgl. dazu noch 4541: (= Or.
33920) daugesn’ sav bragina šunį geg Zmögy.
1) Brugmanns Versuch IF. XVIII 423ff., diese Femininbildung als alt zu
erweisen, ist trotz Streitbergs Zustimmung IF. XIX 391 nicht geglückt.
Die Flexion der »-Stämme im Baltisch-Slavischen und Verwandtes. 215
Būga nimmt ferner ohne jede Begründung für Zmunj gestoßene
Betonung an. Das stimmt aber schlecht zu dem Schleifton in
atejünas, lakūnas, narünas, palaidünas usw. Nun gibt es zwar
auch Bildungen auf -Znas mit gestoßnem Ton, wie karaliünas,
verkünas u.a. Auf sie beruft sich Būga a a 0.421, und er sieht
zwischen beiden den gleichen Gegensatz in der Intonation wie
zwischen sartökas „ziemlich rot“ und sartökas „Rotfuchs“, naujókas
„ziemlich neu“ und naujökas „Neuling“, stötas (Partizipium) und
stötas „statura“, spetas (Partizipium) und spetas „Muße“, š&utas
(Partizipium), saütas (Substantiv), žibintas (Part.), Zibintas „Licht-
halter“. Damit hält er den Einwurf, den man ihm wegen der
Intonation machen könnte, für erledigt. Gerullis a. a. O. 277 hat
ihm auch darin beigestimmt.
Ich muß hier leider widersprechen. Der Intonationswechsel
in den von Büga angeführten Beispielen beruht auf dem Gegen-
satz zwischen adjektivischem und substantivischem Gebrauch des
gleichen Wortes. Er ist von Erscheinungen wie griech. Aedan —
Aevxn, Yeoun (Herodian L. I 25516 32435) — Yepun, an. haugr —
got. hauhs, ags. wöd — wód, ahd. forhana — griech. negxvds usw.
nicht zu trennen. Die scheinbar widersprechenden Intonationen
von karaliünas und palaidünas lassen sich aber unmöglich
damit in Einklang bringen. Prüft man aber die verschiedenen
Bildungen auf -ünas und nos genauer, so ergibt sich ein ganz
andres Bild. Gestoßnes -ünas haben karaliünas, perkünas, virsüne
und Namen wie Gailiünas, Rimkünas usw. (Jablonski, Lit. Gram.*
210). Hier ist von der Bedeutung eines Nomen agentis, die den
Bildungen auf -nas zumeist eigen ist, keine Spur zu finden.
Man wird daher die verschiedene Intonation mit der verschiedenen
Bedeutung und, wie sich zeigen wird, auch verschiedenen morpho-
logischen Bildung in Beziehung setzen müssen. Eine dritte Gruppe
bilden malünas, maigünas, die mit den beiden ersten nichts zu
tun haben. S. darüber unten S. 231f.
Von den stoßtonigen Bildungen auf -änas gehören karaliünas?)
zu karälius, perkünas zu lat. quercus aus *perguus, virsüne”) zu
virsüs, Gailiünas zu Gailius, Rimkünas zu Rimkus usw. Sie stehen
also auf gleicher Stufe mit lat. tribūnus zu tribus, lacuna zu lacus,
1) Vgl. auch ob. LI 10918.
2) Der Schleifton in karaliünas bei Kurschat muß eine Neuerung sein.
3) Nach vörsune ist dann das synonyme galune gebildet worden, ebenso
galutinis nach viršutinis; lit. alkune, apr. alkunis muß gleichfalls Weiter-
bildung einer -“-Erweiterung sein, wie aksl. Zak8fd zeigt.
216 F. Specht
pecünia zu pecus u. a., d. h. der «-Stamm ist mit n erweitert und
dabei gedehnt worden. Da wir wegen der Intonation der idg.
Längen außerhalb des Auslautes im wesentlichen auf das Lit.
angewiesen sind, so lernen wir aus diesen Bildungen, daß ein
solcher gedehnter Vokal idg. gestoßen betont gewesen ist. Lit.
malünas, das Brugmann a. a, OU. mit tribūnus in einem Atem nennt,
zeigt sowohl durch seinen Schleifton, als auch durch den fehlenden
ŭ-Stamm, daß es anders gedeutet werden muß. Damit scheitert
Bügas Versuch, den widersprechenden Schleifton in Nomina agentis
wie narünas durch Bildungen wie karaliúnas zu erklären, bereits
an der Analyse des stoßtonigen -ünas, das zu n-Stämmen über-
haupt keine Beziehungen hat.
Die große Masse der Bildungen mit zirkumflektiertem -nas
besteht aus Nomina agentis wie klaidünas „Herumtreiber“, tekünas
„Läufer“, apr. walduns „Herrscher“ u. v.a. oder Ableitungen von
Adjektiven oder Substantiven, wie drgsünas') „Frechling*, laivanas
„Schiffer“ (Leskien, Nom. 395f.), die in ihrer Bedeutung den
1) Bei drasünas (z. B. Wolter, Lit. Chrest. 4851, ı6) scheint der Akzent
zu widersprechen, da ja das Wort zu einem u-Stamm gehört. Aber wie smar-
kūnas zu smarküs bei Chylinski „Tyrann“ ist es ganz Substantiv geworden
und gehört völlig in die Bedeutungssphäre von begünas, vgl. dazu auch didziünas.
Bei der Produktivität dieses -Unas wäre zu drgsüs, selbst wenn es kein v-Stamm
gewesen wäre, kaum etwas andres als drgsünas gebildet worden. Schwie-
riger ist die Frage bei Ableitungen von einem adjektivischen -Stamm zu ent-
scheiden, die Būga a. a. O. 452 vermerkt hat. Es sind saldünis, saldüninis
obuolys zu saldüs. Dazu kommt aus Juskieviös Wörtb. II 478 kartüninis
obuolys „ein etwas bittrer Apfel“ zu kartüs. Was sonst bei Būga noch steht,
wie baltüninis obuolys „ein etwas weißer Apfel“ zu bdltas und die ebenfalls
mit obuolys verwendeten kersüdinis zu kersas, rügstüdinis zu rugšitas,
zaliüdinis zu Zälias können den zuerst genannten nur nachgebildet sein. Allein
bei zaliüdinis sind Zweifel möglich. Alle diese Adjektiva scheinen nur als
unterschiedliche Benennungen von Äpfeln möglich zu sein. Man wird daraus
den Schluß ziehen können, daß ihre Bedeutung hart an die eines Substantivums
streift. Dann läge also hier der gleiche Intonationswechsel wie zwischen sartökas
(Adj.) und sartökas (Subst.) vor. maziünikas mazciünikas, das Būga außer-
dem noch nennt, wird -ünas vom Oppositum didziünas erhalten haben. Schließ-
lich führt Būga, a. a. 0O. 452 aus Juskieviös Wörtb. I 416b namünaitis an „Sohn
des Wirtes“. Die Intonation des o läßt sich nicht feststellen. Da lit. das alte
Wort für das Haus, das im verwandten Slav. als domd noch vorliegt, durch
namai verdrängt ist, namaī zudem darauf reimte, so liegt es nahe, das g in
namünaitis mit dem ü-Stamm im altbulg. domě in Verbindung zu bringen.
Ferner sei an ved. damüna- „zum Hause gehörig“ erinnert, das in Bedeutung
und Ableitung genau zu dem durch namünaitis vorausgesetzten *namünas
stimmt. Bartholomaes Analyse BB. XV 194f. kann ich mir nicht zu Eigen
machen. Lit. Zevünatitis (Juskievil, Wörtb. I 416b; Būga a. a. O. 451), das der
Die Flexion der »-Stämme im Baltisch-Slavischen und Verwandtes. 217
Nomina agentis außerordentlich nahe stehen. Sieht man sich
nach Parallelen in den andern idg. Sprachen um, so gibt es außer-
halb des Baltischen nichts, was dem -änas unmittelbar an die
Seite gestellt werden kann. Höchstens an die slav. Bildungen,
wie begun könnte man erinnern. Sie sind jedoch selbst ohne
nähere Beziehungen und könnten höchstens im Ablaut dazu stehen.
A ber die Isoliertheit der baltischen Bildungen verliert sofort alles
Befremdliche, wenn man nicht vom Maskulinum auf -änas, sondern
vom Femininum auf -üne ausgeht. Aber ehe ich darauf eingehen
kann, muß ich mich zunächst mit einer Ansicht Sommers, IF.
X XXVI 165ff. ausführlich auseinandersetzen.
In dem genannten Aufsatz hat Sommer überzeugend die
k’emininbildung der adjektivischen x-Stämme im Arischen darge-
stell. Demnach haben primäre «-Stämme im Femininum -v,
Bahuvrihis -us, Adjektiva auf -ru, -Iu, -yu, -nu entweder -us oder
-zs. Aber zu dieser Regel der Femininbildung stimmen die übrigen
idg. Sprachen doch nur teilweise. Das Irische wage ich nicht zu
beurteilen, ich muß es daher bei Seite lassen. Das Germanische
bietet nur wenig, weicht aber ab. Die lit. Beispiele sind weit
zahlreicher, als es bei Sommer a. a. O. erscheint, s. u. S. 277ff. Auch
sie wollen nicht ganz zum Arischen stimmen. Ferner widerspricht
bei Homer allerlei der arischen Regel; A6ös dürun ist mit Versnot
kaum erklärt, ebenso bleibt zou4ó> als Femininum auffällig, gleich-
gültig, ob die sonstige Flexion eine angemessene Deutung ge-
funden hat. Die sonst angeführten maskulinen Formen von ein-
fachen ö-Adjektiven bei femininen Substantiven sagen über die
ü-Stämme nichts aus, sondern lehren nur, daß bei Homer und
den Tragikern gewisse Adjektivbildungen für Maskulinum und
Femininum die gleiche Form haben können. Nur feminines I7Avs
läßt Sommer gelten, weil es gut in seiner Bildung zu den arischen
Parallelen stimmt’). Ja, Sommer geht noch weiter und sucht die
gleichen Bedeutungssphäre wie namuünatitis angehört, kann diesem nachge-
bildet sein. ! |
1) Die Dinge werden verwickelter dadurch, daß es noch einen Rest einer
andern Femininbildung gegeben hat. So setzte mir vor Jahren einmal W. Schulze
auseinander, daß ahd. Zungun, G. Sg. Zungunne, das auf ein vorgerm. *inghni
zurückgeht, genau einem griech. *2Aaydvıa entspräche, das nur Femininum von
&iayös sein kann. Dieselbe »-Erweiterung eines u-Stammes liegt sicher auch
in hom. ulvvvda und idövrare vor. Weiter steckt das n in ai. Zdruna- „frisch,
jung“ gegenüber zeov‘ čoðevéç Asnıdv Hes. und in den verbalen Ableitungen
auf Ara wie nddvw. Dann verhält sich nach W. Schulze *8fayóvo : ahd. lungun
= dvddvo ` hdorn oder kypr. dvravor::lit. dovand, d. h. die Trennung zwischen
218 F. Specht
ganze feminine -Motion als arische Neuerung zu deuten. Ver-
ursacht wäre sie durch das ‚eine Vorbild svasrüh, das sicher alt
ist. Darnach hätten sich vadhüh „Braut“, agrüh „Jungfer“, nrtüh
„Tänzerin“ und pumscalüh „Hure“ gerichtet. Ferner ist dann zu
einem prdaku- ein feminines prdaküh gebildet, während umgekehrt
agrüh ein maskulines agrú- nach sich gezogen hat (Sommer a. a. O.
198). Den Ausgangspunkt für diese Sonderung der -Stämme
sieht er im Instr. Sg., der sowohl für die Maskulina als auch für
die Feminina gleich ist, und in den Komposita mit e Wurzeln im
2. Glied, wie prabhäh, zu denen gelegentlich das Maskulinum nach
den «-Stämmen umgebildet wurde. Auf diese Weise stand einem
maskulinen prabhu- ein feminines prabhüh gegenüber. So scharf-
sinnig die Erklärung im einzelnen ist, so bleiben doch Lücken, die
mir seine Deutung der #-Motion unmöglich machen. Denn das
Altbulg. kennt gleichfalls o. Motion Auch hier geht Sommer
a. a. O. 196 von svekry aus und läßt darnach jetry „Schwieger-
tochter“, pastoreky „Stieftochter* und neplody „Unfruchtbare“ ge-
bildet sein. Demnach muß er also annehmen, daß sowohl ai.
svasrü- wie altbulg. svekry unabhängig von einander eine -Motion
erzeugt haben. Das ist schwer zu glauben. Dazu kommt ein
Zweites. Bereits Kretschmer ob. XXXI 332f. hat adjektivische
barytone x-Stämme zusammengestellt, neben denen feminine oxy-
tonierte #-Substantiva stehen. Wenn auch einige von Sommer
wohl mit Recht beseitigt sind, so bleiben doch sicher kádru- —
kadrü- und trotz Sommer auch tanú- bestehen, obwohl tanu- als
Maskulinum erst später belegt ist. Kretschmer a. a. O. 333 hat
ferner auf das ganz gleich geartete Paar Zäéc (Adj.) und ¿9%s
(Subst.) hingewiesen. Das Verhältnis von Ze zu ı$vg ist aber
bedeutungsgeschichtlich nicht anders zu fassen als etwa das von
oos zu Goin, d.h. im Idg. ist das Femininum eines Adjektivs
gern als Substantiv, meist im abstrakten Sinne verwandt worden,
vgl. vor allem im Germanischen got. triggwa „Treue“ zu triggws,
sunja „Wahrheit“ zu sunjis, sibja „Verwandtschaft“ zu sibjis,
halba „Hälfte“ zu halbs, ahd. liuba „Liebe“ zu liufs (Kluge, Germ.
Stammbildung® 57 und sonst). Von diesem Standpunkt aus können
sowohl tanú, kadrü als auch i$vs nur alte Feminina zu Masku-
Verbal- und Nominalstamm gehört einer späteren Periode an. Natürlich ist
auch das a bei den neutralen «-Stämmen des Griechischen und namentlich des
Ai. das gleiche. Die außerindischen Parallelen, die in ihrer Isoliertheit sehr
stark ins Gewicht fallen, lehren aber, daß das a nicht bei den Neutra, wie es
Debrunner-Wackernagel, Ai. Gram. III 132 annehmen, entstanden zu sein braucht.
x
Die Flexion der »-Stämme im Baltisch-Slavischen und Verwandtes. 219
linen auf -% sein. kadrü- würde als ru-Bildung den sonstigen
Geepflogenheiten der arischen Femininbildungsregel entsprechen,
für tanú kann ich trotz Sommer a. a. O. 175 Anm. wegen ai. uttänd-
(ob. LV 168 und Anm. 1 und LIX 36 Anm. 2) nur eine Analyse
tən-ú- annehmen. Es würde also gleich Zoe der sonstigen arischen
Regel widersprechen. Auch griech. nAn$vs, das sich im Epos und
den Dialekten findet, kann nur wie 199; Femininum zu einem
maskulinen *z4m9%ó%s sein, das sich zu nA73og verhält wie Bagds
zu ßdoos usw.
Diese femininen z-Adjektiva im Sinne von Abstrakten kennt
nun auch das Slavische. Ich erinnere an }uby „Liebe“, cely
„Heilung“ (Kretschmer a. a. 0.333ff.). Aber bereits Zubaty, Arch.
f. slav. Phil. XXV 360 hat hervorgehoben, daß es nicht mehr
angängig ist, für jedes slavische #-Abstraktum ein dazu gehöriges
4-Adjektiv zu suchen. Offenbar ist der Typus stark verallge-
meinert worden. Immerhin wird zu cély durch apreuß. kailustiskun')
für das Balt.-Slav. ein x-Adjektiv *kailus erwiesen, zu dem *kailas
= cely die Femininbildung ist. In der Hesychglosse xov: tò
xaidv (O. Hoffmann bei Bezzenberger BB. XVI 240) liegt der
reine ü-Stamm noch vor. Einen weiteren Fall könnte man in
lat. helvus gegenüber y&ivc, aksl. Zuly (Zely) vermuten. Dann läge
in helvus nicht das bei Farben sonst übliche Suffix -wo vor, sondern
es wäre in helu-os zu zerlegen. Darüber s. u. S. 255.
Auf alte -Motion weist schließlich auch die auffällige Flexion
der «/ua-Stämme im Griechischen. Zunächst ist festzuhalten, daß
kurzsilbige «-Stämme eigentlich nur bei den Adjektiven zu finden
sind. Von den Substantiven haben die alte x-Flexion nur er-
halten, z. T. mit einigen Umbildungen, zšzxus, nelexvs, doru und
teilweise noch viög. Bei ZyxeÄvs hat Aristophanes als Vertreter
der Attis im Plural 2yx&ieaıs, im Sg. fehlen die entscheidenden
Formen’), aber Homer hat 2yx&ivss, ebenso Archilochos frg. 115
Zyy£ivas. Selbst Neutra, wie uéðv, die zwar im allgemeinen die
obliquen Kasus zu vermeiden suchen, formen sie im Bedarfsfall
nach den #-Stšmmen um, vgl. u&3vog Nik. Ther. 582, Plato (Diehl
Anthol. Ier.) frg. 194. Viel häufiger begegnet bei den Substan-
tiven die Flexion nach den @-Stämmen, es läßt sich jedoch beob-
1) kailustiskun setzt zunächst ein *kadlüsta- „gesund“ voraus, Traut-
mann, Balt.-Slav. Wörtb. 112.
°) Der Akkusativ &yxeida, den die Herausgeber bei Philoxenos Athen. IV
146f. (Diehl, Anth. lyr. 1315) lesen, ist nicht sicher. Kaibel hält die ganze
Stelle für verderbt. |
220 F. Specht
achten, daß sie im Verlauf der Sprachentwicklung immer mehr
eingeschränkt werden.
Die reinliche Scheidung zwischen ŭ- und z-Stämmen, wobei
ich von Übertritten von der einen Klasse in die andre absehe,
hat neben dem Griechischen nur das Ai. und Altbulg. bewahrt.
Untersucht man die z-Stämme in diesen Sprachen hinsichtlich
ihrer Bedeutung, so heben sich deutlich zwei Gruppen heraus,
1. Motionsfeminina, wie ai. svasrüh, nrtüh, altbulg. svekry, neplody,
griech. etwa *Eouus oder dor. Zeie zu ows (Kretschmer, Glotta
XV 306f.). 2. Adjektivabstrakta, die im Grunde, wie ob. S. 218
gezeigt ist, den gleichen Ursprung wie Gruppe 1 haben, z. B.
ai. kadrů, altbulg. ljuby, griech. äoe, Dazu kommen einige Kon-
kreta, die kaum auf eine besondere Bedeutung zurückgeführt
werden können, wie ai. camüö „Schüssel“, altbulg. Zreny „Mühle“,
griech. véxūs „Toter“. Hier liegen z. T. alte öu-Stämme zugrunde.
Aber das Griechische zeigt daneben noch allerlei Abweichungen.
So erscheint der «-Stamm ai. hánu- griech. als #-Stamm yévvs.
Dagegen weist die Ableitung y&verov auf 2#-Stamm und sie stimmt
darnach zum Ai. Griech. iyvös, -dos enthält im 2. Teil das gleich-
falls nur in der Komposition erscheinende ai. jñùŭ-, was auch in
yvvrsereiv vorliegt. Trotzdem flektiert das Griechische wieder
nach den langen z-Stämmen. Auch das üblichere iyvúņ stimmt
dazu, denn es verhält sich zu iyvös wie òpọúņ zu Öpeös oder
teırda zu torrrög (Schneider, Callim. frg. 403). Dem tz-Stamm
im griech. zízus steht ai. der tu-Stamm pitu, Gen. pitváh gegen-
über. Auf ehemaligen t«-Stamm im Griechischen muß man aus
itéa = citéa’) (Kretschmer, ob. XXXI 383f.; Fick, BB. XXX 274)
für irög schließen. Auch aus daıtvuoveg läßt sich für daurvg ein
ehemaliger kurzer tu-Stamm gewinnen. Desgleichen kennt die
alexandrinische Dichtung ein «Airog für xAeirog (z. B. Apoll. Rhod.
1599) neben sonstigem xeos. Das ist das gleiche Verhältnis,
das sonst nur zwischen kurzem «-Stamm und s-Stamm besteht.
Sie alle zeigen, daß die Länge in den griechischen Verbalabstrakten
auf -zos°) nicht ursprünglich sein kann.
1) oioda neben o¿zéa ist wie deed, lyvön, toittóa zu beurteilen.
3) Die Verbreitung des -toç ist sehr auffällig. Während es bei Homer durch-
aus lebendig ist, kennt die Folgezeit es kaum. Nur xAsırös, das durch seine
konkrete Bedeutung abseits stand, und die termini wie zeızös und NEVINKOGTÜS
haben sich besser erhalten. Die homerischen Hymnen haben nur (Apoll. 513,
Cer. 200) Eönzös. Die Anthol. lyr. bietet 8oozúç (Philoxenos frg. I 6ss, Diehl
1307), xıSagıarös (Phanokles 121) Euripides Kykl. 171 óoyxmorós. Auch Herodot
Die Flexion der »-Stämme im Baltisch-Slavischen und Verwandtes. 221
Den größten Teil der griech. z-Stämme machen aber Verbal-
abstrakta aus, wie yijovs, Jorge H, 6dilüg, opos (ob. LII 311),
dxivs, done ¿gos Hes., xdzmus*), oder mit n-Erweiterung Auyvog,
EAuvöeg „supplicatio“ (Kretschmer a. a. O. 332), dyvög (Etym. Magn.
182:1): $ Aen Diesen griech. Bildungen stehen im Ai. kurze
ü-Stämme gegenüber, wie cikitú (fem.) „Einsicht“, druhú (fem.)
„Beschädigung“, panú (fem.) „Bewunderung“, bándhu (masc.)
> Verbindung“, jásu (fem.) „Erschöpfung“ oder mit n-Erweiterung
bhänd „Glanz“, vagnú „Ton, Ruf“. Das Altbulgarische hat davon
zwar nur wenig erhalten, aber es weist wie das Ai. auf kurze
ü-Stämme, wie krat) „Mal“ zu ¿rštg oder mit n-Erweiterung
Eins „Ordnung“ zu ¿mq und stans „Aufstellung, statio“.. Mehr
davon hat das Lettische bewahrt. Leskien, Nom. 240 und End-
zelin, Lett. Gram. 325 führen an: kasus, niezus „Krätze“, kasus,
klepus‘) „Husten“, Zagus „Schlucken“, naidus „Haß“, nurgus, nurdus
„Streit“ und mit tu-Suffix mietus „Tausch“, viltus „Betrug“. Aus
dem Lit. gehört hierher gedus „Schamhaftigkeit“, das Nesselmann
hat nur die vereinzelten xaraniaords, Anıorös, »riords. Dagegen finden sich
bei Antimachos zwenrös (rg 5€), örevvrös (frg. 91) aus Schol. zu T 233, wo
auch aus Eratosthenes ein dvrıuaynords notiert ist, und zweifelhaft dßoAnrds
(frg. 108). Überraschend häufig ist dann der Gebrauch bei Kallimachos. Pfeiffer
notiert zu frg. Aua Ayıorös, dAnrös, donanıds, donaords, dppaords, yaAacrós,
Öıwxtös, vaoıds, nAayxrös. Dialektisch ist -ruş im Kret. üblich geblieben. Vgl.
Fraenkel bei Collitz-Bechtel, Saml. IV 1098. Im übrigen verweise ich auf die
ausführliche Materialsammlung bei Gunnerson, History of -u stems in Greek 43ff.
1) Falsch darüber IF. XLII 294. wo ich auf die griech. Verhältnisse zuviel
Wert gelegt hatte und deshalb auch Zjudy fälschlich zu Zjubiti statt zu 16% zog.
2) W. Schulze, Qu. ep. 340 ist geneigt, in xdrrvg alten -ws-Stamm zu sehen.
Dazu veranlaßte ihn X 467 £xdrzvoosev. Aber daneben erkennt er auch einen
alten x-Stamm an, zu dem mit -k-Erweiterung die Hesychglosse xarvxıd‘
rve&ovia (Schulze a. a. O. 340 Anm. 3) gehört. Zu dieser Erweiterung von u-
Stämmen durch -% vergleiche noch ai. kärd- neben griech. xjevf, Henwus
neben 20%, lit. žůves (N Pl.) neben Zukmistras, žúklė. zuklys apr. suckans,
lat. sūs neben sucula, die Erweiterungen mit E von adjektivischen #-Stämmen
im Slavischen, wie 7bgëk% und die Bildungen auf -öoow neben -dw, wie ¿póo,
&pócow u. a., die W. Schulze, Qu. ep. a. a. O. und GGA. 1897, 874 zusammen-
gestellt hat, anders darüber Bechtel, Lexilogus 33f. 266f. Diese Bildungen auf
-Ö00@, -úw haben nun eine genaue Entsprechnng in gt. uswalugjan „hin und
her wälzen“ zu walwjan. Streitberg, Got. Bibel 343 zu Ephes. 4, 14 sieht mit
Unrecht in vswalugjan das gleiche u wie in miluks.
3) Dazu vgl. at krtvah in Verbindung mit Zahlen.
*, Aus typographischen Gründen habe ich den offenen e-Laut des Lettischen
unbezeichnet gelassen. Ebenso habe ich für erweichtes n, r, Ia r’, U ge-
schrirben. Im Litauischen ist die Länge des o bei Schleifton öfter unbezeichnet
geblieben.
222 F. Specht
aus dem Wörterbuch von Brodowski’) anführt. Für das sonst im
Lit. übliche gyrius „Ruhm, Rühmen“ kennt Daukša Postille (15017
24714 312, 317, 390.0 43911 55319 5594: 562, Bea 5792: 586 10
61945) ging, Auch vitus „Betrug“ (873, 389,5) findet sich neben
gewöhnlichem vglius. Dagegen könnte 389; pavidi (Akk. Sg.)
„Neid“ Druckfehler sein. Aus dem Got. sind grödus, hührus u.a.
zu nennen. Sie sind sämtlich Maskulina. Das weist für das Balti-
sche wieder mit einiger Sicherheit auf kurze x-Stämme.
Bei der Übereinstimmung zwischen Ai. und Altbulg. kann es
keinem Zweifel unterliegen, daß in der -Flexion von y&vvg,
Lage und Verbalabstrakten wie atos, Auyvoc, Öilvg usw. eine
griech. Neuerung vorliegt. Sie ist dadurch veranlaßt worden,
daß die Mehrzahl dieser griech. -Stämme Femininum war. Mas-
kulina sind nur das sicher fremde ßödrevs (Meillet, MSL. XV 163),
außerdem Ə9ošwus, das vom gleichbedeutenden ovos beeinflußt
sein könnte, und ordxyvs, dorayvs. Die tü-Stämme, die im Idg.
kurzes % hatten und Maskulinum waren, können im Griech. ihr
Geschlecht von den t-Stämmen erhalten haben, mit denen sie
seit idg. Zeit eng verquickt waren (vgl. Wackernagel, SBA.
1918, 380f.). Nun hat man seit langem erkannt, z. B. Wernicke,
Tryphiodor S. 288; Ahrens ob. III 97f., daß -vs der 2-Stämme
gedehnt ist, wenn es den Akzent trägt, dagegen kurzes -vç zeigt,
wenn es Barytonon ist). Die Länge kann aber nur von den
a-Stämmen herrühren, die entweder o Motion zeigten oder Verbal-
abstrakta waren. Beide Klassen waren Feminina und hatten stets
im Nom. Sg. betontes -ús. Ihnen sind also die Verbalabstrakta
auf -vs und -rvs ganz mechanisch nachgebildet worden. Lag
der Akzent nicht auf der Endung, so blieb -üs zwar kurz, da
die Vorbilder für die Länge fehlten, aber die Flexion richtete
sich trotzdem nach den endbetonten Stämmen. So weisen also
indirekt auch die Verbalabstrakta auf -vc, De, -zoç auf alte ehe-
malige Motionsfeminina auf Ge".
Die -Abstrakta können nun weiter im Slavischen durch -nī
1) Diese Bildungsweise scheint lit. sehr selten zu sein. Mielcke, der laut
Vorrede das gleiche Wörterbuch gründlich benutzt hat, hat das Wort nicht
aufgenommen. Offenbar war es ihm fremd.
2) Über die Ausnahmen vgl. Kühner-Blaß, Griech. Gram.? 1439. Dazu
füge ich noch Euripides frg. 5306 yEvdv, Sophokles Antig. 1127 Auyvös, Aischylos
Cho. 757 géie, Nikander Alex. 34 xAsıröv, Kallimachos anonym. frg. 111
difös, Theokrit. 214 ¿x@%w. Für die spätre Zeit gibt Material Wernicke a. a. O.
mit älterer Literatur.
3) Über die Dehnung bei Zeie u. a. vgl. unten Exkurs II, S. 280ff.
Die Flexion der »-Stämme im Baltisch-Slavischen und Verwandtes. 2923
erweitert werden, wie frout, vlegyni u.a. zu den alten -Stämmen
in logeke, vlegsks (Zubaty aa O. 360). Daß derartige Bildungen
nicht bloß auf das Slavische beschränkt gewesen sind, lehrt apreuß.
maldunin (Akk. Sg.) „Jugend“, das einen &-Stamm *maldus voraus-
setzt. Er liegt vor in ai. mrdú und verbaut in griech. duaAdvvw.
Genau das gleiche ag tritt bekanntlich auch an die z-Feminina,
die zur Motion verwendet werden, wie bogyni zu *bogy, rabyni
zu *raby. Es verhält sich also bogyni zu dem #-Stamm *bogy wie
alit. Viespatni zu dem konsonantischen Stamm Viespat-. Also auch
durch diese Analyse werden wieder feminine #-Stämme, wie
*bogy, *raby, die zur Motion dienen, gewonnen, und es hält
schwer, auch diese Bildungen mit Sommer als Nachahmung von
svekry ansehen zu wollen. Jedenfalls scheint es mir auf Grund
der angeführten Tatsachen kaum möglich zu sein, an einer idg.
o Motion zu zweifeln, wenn ich auch ohne weitres zugebe, daß
sich im Ai. und Altbulg. #-Bildungen analogisch haben weiter
ausdehnen können.
Aber Motionssubstantiva auf -yńi wie bogyri werden nun
genau wie die Abstrakta auf -yni als baltisch-slavisch erwiesen.
Übersetzt man nämlich dieses -yri ins Litauische, so ergibt das
ein -#m¿ Ein zur Motion taugliches -i ist aber im Litauischen
aus Gründen, die ich hier nicht ausführen kann, in der Regel
durch eine Bildung auf -ia oder -e ersetzt worden (vgl. auch
Zubaty a. a. O. 363). So wurde also ein -ūni zu -ūnė. Nun ger
hören zu den Feminina, wie deive, vilke, darbininke, lupike, vadöve,
die sämtlich Motionssubstantiva sind, die entsprechenden masku-
linen di&vas, vilkas, darbinifikas, lupikas, vadövas. Genau so hat
man zu -une ein maskulines -nas gebildet, also zu atejüne ein
atejünas. Demnach gehört lit. Gud mit Bildungen wie slav. bogyńi
genau so eng zusammen, wie apreuß. maldüänin mit Abstrakten
wie altbulg. Jong Meillet, Le slave commun 308 hat dieses
altbulg. -yni mit dem -äne in lit. virsüne verbinden wollen. Aber
dagegen spricht, daß die Abstrakta auf -yńi auf einem Adjektiv
beruhen, während virsüne die Weiterbildung eines &-Substantivs
viršùs, vrsch® ist, und die abweichende Intonation, vgl. ob. S. 215f.
Da ferner neben Feminina, wie séné und Deminutiven auf Ale,
-ele, -jte, dite, Gë die Maskulina senis, -Elis, -Elis, -ýtis, -aitis,
-ü2is liegen, so könnte man von vornherein zu äng auch ein
-inis erwarten. In der Tat führt Būga a a O. 421 derartige Formen
an. Aber ich habe zu ihnen kein rechtes Vertrauen, s. ob. S. 213
Anm.2. Sie finden sich zwar auch teilweise im Wörterbuch von
224 | F. Specht
Juskievid, z. B. 1394* landünis, liegünis, aber da entstammen sie
sicher dem südostZemaitischen Dialekt (nach Baranowski Z.R.),
wo uo zu ù werden mußte. Da diese Bildungen hochlit. heute
unbekannt sind, so war es begreiflich, daß sie Juškievič als -znis
aufzeichnete. Was Būga anführt, stammt außer aus Juškievič nur
aus Daukantas’ Schriften. Da könnten sie ebenfalls Reflexe des
südöstlichen Zemaitischen sein. Nur wenn sich ein -Znis mit
Sicherheit im nordwestlichen Zemaitischen oder Ostlitauischen
nachweisen ließe — andre Mundarten kommen dafür heute kaum
in Frage — hätte es wirklichen Wert. Zu beachten bleibt aber
immerhin, daß Ruhig Il 115 ein pabegünis, -Ane und paklaidünss,
-ûnėé anführt, das Mielcke II 15° ihm nachgeschrieben hat. Es
wird ihm also nicht fremd gewesen sein. Sonst pflegt auch er
pabegünas zu sagen. Bei Ruhig II 2795 Zvaigzde begune kann
begüne auch zu begunas gehören.
Das von mir erschlossene lit. -äni statt -uné läßt sich nun
tatsächlich alit. noch nachweisen. In der Wolfenbüttler Postille
ist bekanntlich das der ai. Femininbildung patni entsprechende
viespatni erhalten. Vgl. 85° 155° vespatni (N. Gel, 88° vespatnias
(Gen. Sg.), 85° vespatniy (Gen. Plur.), 274% vespatimus ir viespatnia-
mus (D. Plur.). In ihr wird man also am ehesten noch Bildungen
auf -uni erwarten dürfen. In der Tat heißt es 42% kaipagi taskat
Simonas prarakas ir Anna prarakuni abu vi/semus girdint Svesei
liudija ape Christun Jesu. Der Gegensatz prarakas, aber prarakuni
ist nun insofern noch lehrreich, als er genau dem von abulg.
bogz, aber bogyni entspricht, -uni also nur zur Motion dient und
einem Substantiv angehört, das zwar eine Person bezeichnet,
aber nicht Nomen agentis im eigentlichen Sinne is. Dadurch
daß dies -uni auch auf das Lehnwort prarakas übertragen ist,
geht weiter hervor, wie lebendig einst -uni zur Motion in gewissen
lit. Mundarten gewesen sein muß. Andre Femininbildungen auf
-uni (-une) sind leider in der Wolfenbüttler Postille nicht belegt.
273° steht für prarakuni praraka (Instr. Sg.).
Wie sehr dieses -Znas lit. produktiv wurde, lehrt nun einfach
der Umstand, daß es schließlich zu jedem Nomen oder Verbum
gebildet werden konnte. Dann erhielt das Substantiv auf -Znas
die Bedeutung von einer Person, die die Eigenschaft des Nomens
oder Verbums besitzt und somit ganz nahe an die Bedeutung
eines Nomen agentis kam. Dabei suchte dieses Substantiv auf
-ünas engsten Anschluß an sein Grundwort. So konnte bei do.
Stämmen durch falsche Abteilung ein -inas neben einem -@nas
Die Flexion der »-Stämme im Baltisch-Slavischen und Verwandtes. 2925
entstehen. Auf die Doppelheit galänas und galiünas nach galiü
habe ich schon Syrvid XXVIII hingewiesen, desgleichen auf
prakelunas = prakeliünas aus Syrvids Wörterb.* 247° zu keliù.
Ich füge aus Leskiens Nom. 396f. hinzu: didZiänas zu didis, pa-
giriünas zu pägirios, Ziniüne (und ebenso Ziniuonis) zu Zinid.
Dieses für Nomina agentis zu Aug neugebildete -Znas hat
im Gegensatz zu -ünas, das Weiterbildung zu «-Stämmen ist, den
Zirkumflex. Beide scheinbar völlig gleichlautenden Bildungen
verbinden also mit ihrer verschiedenen Ableitung und Bedeutung
auch verschiedene Intonation. Das kann schwerlich Zufall sein.
Aber die Deutung ist sehr schwierig, denn die verwandten Sprachen
geben nur wenig aus. Man könnte die Regel so fassen, daß dem
-ú, das aus š gedehnt worden ist, der Akut zukam, dagegen
einem alten č, das eine Weiterbildung erfährt, der Zirkumiflex.
Dafür gibt es eine scheinbare Parallele. Bekanntlich haben Verbal-
stämme, die auf langen Vokal endigen oder mit langem Vokal
erweitert sind, auf dieser Länge den Stoßton, z. B. dúoti, dëtt,
paklöti, büti, gauti, tureti, eketi, Zinöti, mazgöti, girtuoti, važiúoti,
ganyti, Sienduti. Aber die substantivischen Ableitungen dazu haben
Schleifton, wie duökle, paklöte „Bettlaken“, pabūklas „Werkzeug“,
pagaüte „alles, woran man sich halten kann“. turekles „Lenk-
riemen“, ekdje „Egge“, Zinövas „Kenner“, mazgöte „Waschlappen“,
girtuöklis, vaiuöte „Fahren“, gandyklg, sienaüte „Zeit der Heu-
ernte“ ').
Hierhin gehören auch die Nomina agentis, die mittels -nö-
Suffix zu Verben mit zweitem Stamm auf -ō gebildet worden
sind. Das Material hat Būga a. a. O. 453ff. zusammengestellt, wie
valdönas zu valdöti, derkliöonas „Unflat* zu derklioti, kiūtõnas
„Laurer“ zu kiätoti, niürönas zu niüroti, mirkliönas „Blinzler* zu
mirklioti, sketrönas „Hahn“ zu sketrötis, vepliönas zu veplioti, žiū-
rönas zu Ziüro, *Ziuroti. Demnach wird man auch kuprönas „Mann
mit dem Buckel“ eher als Ableitung zu dem durch kuprötas
vorausgesetzten *kupröti verstehen müssen, als daß man es mit
kuprä verbindet’). Auf Grund solcher Bildungen hat man auch
zu andern Verben, denen die verbale Ableitung auf -oti zufällig
fehlte, auch Nomina agentis auf -nas gewagt, wie dilbönas „Gluper*
1) Die Komposita wie paklöte, pabüklas, pagaüte sind insofern nicht ganz
sicher, als ihr Zirkumflex wie in pakalne zu kálnas auch auf Kosten der
Komposition kommen kann.
2) Da zirkumflektiertes -önas eine Person bezeichnet, so könnte aber
kuprönas auch auf diese Weise zum Zirkumflex gekommen sein.
Zeitschrift für vergl. Sprachf. LIX 3/4. 15
226 F. Specht
zu delbiü, dryköne „langgewachsenes Frauenzimmer“ zu drykti,
gaudöne „Pferdebremse“ (eig. Summerin) zu gasti, nevidönas „Böse-
wicht“ zu vid- in pavidalas, slamstönas „hohler Wind“ (eig. „Rau-
scher“) zu slamsti'). Dazu füge ich aus Ruhig I 177? II 3388 verpöne
„Spinnerin“ zu verpti. Den Akzent dieser Wörter habe ich mit
Būga überall als -nas angesetzt. Das wird im allgemeinen richtig
sein. Aber bemerken will ich doch, daß bei den Wörtern, die nur
aus Ruhig, Mielcke und Daukantas bekannt sind, die Intonation
nicht eher gesichert ist, als bis sie durch einen heutigen Dialekt
bestätigt wird. Auch das durch die Margar. theolog. überlieferte
klaigonas „fanaticus“ wird man mit der ö-Bildung in kleigoti
„schreien“ lett. klaigät (kliegt, klaiguonis) in Verbindung bringen
müssen.
Diesen von Verben abgeleiteten Nomina agentis auf -ön«s
stehen in der Intonation und Bedeutung schroff gegenüber Sub-
stantiva von @-Stämmen, so dirvonas zu dirvd. Wenn Kurschat
hier und sonst diese Ableitungen auf -onas zirkumflektiert, so be-
ruht das wie bei karaliünus auf einem Ausgleich. Ebenso heißt
es zu ligà ligönas (Zem.). Auch märskonas zu märska, vilnonas zu
vilna beweisen durch ihren Akzent auf der ersten Silbe für -onas
Stoßton. Für trusonas „Federbusch“ zu träsai oder trüsos steht
die Intonation nicht sicher fest. Kurschat betont zwar trusönas,
aber das beweist schon darum nichts, als er ausdrücklich bemerkt,
daß er die Sippe aus Mielcke habe, der ja die Intonation nicht
unterscheidet und an der betreffenden Stelle überhaupt die Wörter
ohne Akzent schreibt. Wenn Būga ferner a. a. O. 456 Anm. gal-
vonas „Häuptling“ aus Bretke zu galvà mit Zirkumflex versieht,
so bedeutet das bei dem ihm unbekannten Wort das gleiche, als
wenn er Zmünj, Zmünj aus Daukša durch Zu gz auflöst (ob. S. 215).
Veranlaßt hat ihn zu dieser Betonung sicher die persönliche Be-
deutung, die in galvonas liegt, vgl. auch ob. S. 226 Anm. 2. Auch
lit. /()avönas wird man wegen des Stoßtons eher als Ableitung
zu einem Nomen */(i)avaä ansehen müssen als zu einem Verbum,
wie apreuß. aulaut „sterben“. Neben Verben, wie liduti, liöviau,
griduti, grióviau, pjduti, pjöviau usw. stehen lit. Substantiva wie
griovä, kovà zu käuti, krova zu kräuti, paliova u.a. (Leskien, Nom.
232). Das Lettische hat aber daneben noch die Schwundstufe, wie
kava „Schlag“ zu kaüt, krava (kruva), atkräva (dazu nuokr'avät) zu
atkraüt, gr ong, grava, gruva zu graüt, plava „Wiese“ zu pf ont
„mähen“, selbst im Präteritum findet sich gelegentlich pl’ävem
1) Vielleicht ist aber eher Jamstuonas zu schreiben.
Die Flexion der »-Stämme im Baltisch-Slavischen und Verwandtes. 297
neben pl’ävam (Endzelin, Lett. Gr. 603 Anm. 5). Auch das Lit. hat
noch Spuren dieses Ablautes, z. B. iskräväti „hinausschaffen“
(Bezzenberger, Forsch. 128) krävoties žem. statt krovdties (Juškievič,
Wörtb. II 2228), ostlit. pakrävai und pakräva „Bestattung“ (Būga,
Kalb. 171) vgl. auch E. Fraenkel, W. u. Sach. XII 187, pašavà „Bei-
faden beim Weben“ vgl. Zupitza ob. XI, 253. Aus alledem folgt,
daß Substantiva, wie lit. paliovd, griova usw. einst ablauteten und
Formen, wie *paliaväd, griavà daneben standen. Von einem solchen
*liavd etwa „Tod“ ist IG)aoónas abzuleiten. Wie puronas „eine
Pflanze“ zu betonen ist, weiß ich nicht. So bleibt einzig gyslönas
„plantago maior“ neben gyslödiai, das doch sicher zu gyslä gehört.
Hier weiß ich den Zirkumflex nicht zu deuten. Sieht man von
diesem einen ab, so ist die Regel ganz deutlich: -önas ist -na-Er-
weiterung, gehört zu einem zweiten Stamm auf -o und bildet
Nomina agentis, -ónas bildet alte ursprüngliche Adjektivableitungen
zu Substantiven auf -a. |
Aber es bleibt doch fraglich, ob der Zirkumflex der Nomina
agentis auf -Anas auf diese Weise gedeutet werden kann. Denn
bei all den angeführten Beispielen mit Intonationswechsel handelt
es sich zwar um eine ursprüngliche, nicht erst durch idg. Dehnung
entstandene Länge. Doch besteht stets der Gegensatz zwischen
vokalisch auslautendem akutiertem Verbalstamm und zirkumflek-
tiertem Stamm in nominalen Ableitungen. Ob das Zufall ist, weiß
ich nicht zu sagen. Bei -Znas läßt sich jedenfalls keine entsprechende
verbale Ableitung auf e oder dergleichen nachweisen. Man könnte
außerdem an den Parallelfall dirvönas erinnern. Hier liegt genau
wie bei -@mas eine n-Erweiterung von einem gleichfalls langvo-
kalischen Stamm dirva- vor, und trotzdem besteht ein Gegensatz
in der Intonation. Allerdings könnte jemand behaupten, die Ab-
leitungen auf -önas gingen nicht auf einen langen ö-Stamm, son-
dern auf einen verkürzten, wie er in nviawods, Ölxaıos USW. vor-
liegt (vgl. Debrunner, IA. XL 11) zurück, und diese Dehnung
erfordere genau so Stoßton wie die von A zu ú in karaliünas.
Eine eindeutige Entscheidung läßt sich kaum geben, nur der
Schleifton bei den Nomina agentis auf -Znas steht fest.
Dabei muß man ferner mit der Möglichkeit rechnen, daß in
diesem zirkumflektierten -Znas nicht erst eine auf balt. Intonations-
regelung beruhende Neuerung vorliegt, sondern unter Umständen
etwas Uraltes stecken kann. Darauf möchte ich trotz des spär-
lichen Materials wenigstens in aller Kürze eingehen. Griechisch
stehen sich bei den #-Stämmen gegenüber akutiertes # bei mehr-
15*
228 F. Specht
silbigen Stämmen, wie force, ditös, "Forge, Eixnorig und Zirkum-
flex bei ursprünglich einsilbigen Wörtern, wie óoës, ds, oùs, ógpoos,
ix$ösg'). Dabei ist sonst für die Intonation Herkunft und Funktion
der -Stämme scheinbar ganz gleichgültig. Dieser Gegensatz ist
vielleicht schon idg.; Ac, oög fallen für das Lit. aus, óoëóç ist eine
Neuerung s. u. S. 280. Die Wurzel ist zwar baltisch vorhanden,
aber nicht als o Stamm, öpeög findet sich in Wörtern wie juod-
bruvele u. a., aber so, daß sich die ehemalige -Flexion nicht mehr
verwerten läßt”. Anders ist es bei Zuvis. Die vorbalt. Flexion
autete "äs, Akk. Sg. Zuu,m, woraus urbalt. "äs, *Zuvim wurde.
Da *Zuvim auch auf die ;-Stämme bezogen i. konnte, so ist
Zuvis neu dazu gebildet worden" (Joh. Schmidt, Plur. 66). An
Ableitungen sind vorhanden ein ostlit. isZüti, Präsens is2yvu, i5Zunü
oder iščústu, Prät. i$Zuva@ (vgl. auch Syrvid, Diet: 354%), ein (850.
klauti, Zukljs (z. B. Jablonskis, Lit. Gr.’ 190, 197), ostlit. Zükle
„Fischerei“. Ferner führt Wolter, Lit. Chrestom. 362s: aus ostlit.
Sprachgebiet ein Präteritum Zakliävd = hochlit. Zäklidvo an. Die
übrigen Ableitungen können hier beiseite bleiben, s. u. S. 281.
Was den Stoßton in :isZüstu, iszüti angeht, so stimmt er genau zu
den sonstigen Gepflogenheiten der Sprache bei diesen Bildungen
(W. Schulze, SBA. 1904, 1441). Für irgendwelche historischen
Feststellungen ist er aber nicht zu verwerten, da hier starke Aus-
gleichungen stattgefunden haben. Dagegen weist der Infinitiv
Zukläuti auf zirkumflektiertes o. Man muß daher auch für urbalt.
*Zus wohl mit ehemaligem Zirkumflex rechnen. Dann stimmt
dieses *3üs auch im Akzent genau zu iy$öc. Ist diese Überein-
stimmung, die allerdings bei der Seltenheit dieser ganzen Stamm-
bildung nur auf geringem Material beruhen kann, mehr als zufällig,
so folgt daraus, daß gewisse einsilbige -Stämme idg. den Zirkum-
flex hatten. Dann liegt die Annahme nahe, ebenso in dem Akut
der mehrsilbigen z-Stämme des Griechischen etwas Altes zu sehen.
In diesem Falle müßte im Baltischen, das die mehrsilbigen o.
1) Dazu kommt dopös vgl. Herodian L. I 2368 23817 II 615% 62511 7076
763: 9373, dein II 763,, drpös 123617 II 936. Bei dem letzten wird der
Akzent mit Hypokoristika wie Asovös (Herodian I 23814) u.a. in Verbindung stehn.
°) Die Sippe ist zwar lit., dialektisch reichlich belegt, vgl. druvis (Syrr.
Dict.* 15b), żem. drünes (Trautmann, Balt.-slav. W. 38), Drünas, brunjs, jüod-
runis (Juškievië, Wort I 241, 689), juodburvas, juodbruvas, Jüodburvis, Jüod-
bruvis, jüodbrunis (Šlapelis 316), juodbriunio (G. Sg.) (T. ir. Zod. I 219), juod-
bruvine (T. ir. Zod. I 240). Aber leider kann ich die Intonation bei erhaltener
Länge nicht feststellen.
3) Über die ursprüngliche Flexion dieses Wortes vgl. außerdem u. S. 281.
Die Flexion der »-Stämme im Baltisch-Slavischen und Verwandtes. 229
Stämme nur noch in Resten bewahrt hat (IF. XLII 293f.), das
zirkumflektierte ë der Einsilber, wie -Zne zeigt, auch auf die Mehr-
sılber übertragen sein".
Für diese ursprüngliche Verteilung: Akut bei mehrsilbigen,
Zuirkumflex bei einsilbigen -Stämmen spricht auch das Verhalten
der #+Stšmme. Die mehrsilbigen haben lit. Akut, wie mort, su-
/canti. Eine Beeinflussung durch die einsilbigen 2-Stämme, war
lit. nicht möglich, da es diese dort bis auf das pronominale ss
überhaupt nicht gab. Was sich griech. an mehrsilbigen :-Stämmen
findet, ist zwar morphologisch anders zu beurteilen. Aber die vor-
Ihandenen Reste weisen wie bei den mehrsilbigen -Stämmen
wieder einheitlich auf Akut, z. B. xvnuis, »onnis, opoayis, wnypls,
Beaißis, eönhonauls, #Ansis, anals. Daneben hat das Griechische
einsilbige :-Stämme in Je und e, Das letzte Wort wird in der
Poesie kaum üblich gewesen sein. Über den Akzent von Aig be-
richtet Herodian, neol TAıaxjs neoowölas zu A 239: ó uèv
“Aoloragyxos dëng, ô dé Aloxolov negiond. Herodian selbst ist ge-
neigt, Aischrion beizustimmen, obwohl Aristarch und die Paradosis
Als und demnach auch xis, ĝis, Hs betonen. Dagegen wird der
Akkusativ von Herodian a.a.O. zu A480 ausdrücklich Ai» betont
unter Berufung auf uöv, uväv, oüv, An, „leiv. Ganz ähnlich heißt
es Bekker, An. Gr. 1194: xis— de, Als—Aıös, Plur. Ales und mit
Übertragung des ; aus dem Nom. Sg. auch Aies und ebenso Aie
als Neubildung zu Aude (Rhinton, Frg. 14). Ferner heißt es Bekker
a. a. O. 1231sff. uöv, oüv, dgüv, Ap, yoqoy, Con, Yeüv (= Fedr),
D Da einsilbige stoßtonig betonten Wörter den Akut in den Zirkumflex
verwandeln, so könnte schließlich *zas auch auf diese Weise seinen Zirkumflex
erhalten haben. Dadurch wird die Entscheidung noch schwieriger. Dieses Akzent-
gesetz habe ich Lit. Mund. II 201ff. nur als Spezialfall eines besondern Gesetzes
angesehen. Gegen meine dortigen Ausführungen hat van Wijk, Z. f. slav. Phil.
V 12f. ausführlich Stellung genommen. Zweifellos ist sein Einwurf gegen meine
recht voreilige Erklärung von büčià berechtigt. Denn sie war nicht darnach
angetan, das Gesetz zu empfehlen. Wie ich aber bereits Syrvid XLII Anm. 3
bemerkt habe, hat der Optativ 5uci& überhaupt nichts mit düaco(n) zu tun, mit
dem ich ihn dort verknüpft habe, sondern er weist auf eine ganz andere Endung
mit kurzem -4&. Vgl. dazu auch PorZezinski, Ks istorii 57. Auch kleine
Richtigstellungen in Einzelheiten will ich ihm gern zugeben. Aber seine Aus-
führungen im ganzen haben mich nicht überzeugen können, am wenigsten, was
er selbst als neue Deutung anführt. Jedenfalls hat mein „Gesetz“ den Vorzug,
daß es alle Fälle bequem und einfach erklärt, aber gerade dagegen wendet sich
van Wijk a.a.0. 14f.
s) Die wichtigste antike Literatur darüber hat Lehrs, De Aristarchi stud.?,
2571. zusammengestellt,
230 F. Specht
1231. ff. vën, on, wën, dein, vaŭrv, yoadv, Con, dein, 12325.
alels—aAeiv, Ale — Ain, sie xiv. Wie ist dieser Gegensatz zu inter-
pretieren? Zunächst haben die zeyvıxoi folgende Regel abstrahiert,
die immer wiederkehrt: n&oa aluaxi uovooó44eños eis -v Ańyovoa
rreguonätan. Es ist selbstverständlich, daß diese Regel, die für viele
Beispiele richtig war, auch automatisch weiter übertragen wurde.
Dahin gehört Ze und die mehrmalige Schreibung oa, wozu der
Nominativ Bekker aa O. 1196s: als øs, Gen. Sg. als Co ange-
führt wird, vgl. Herodian, L. I 243, 404, II 7781. Besonders ist
aber wieder Herodians Bemerkung x. IA. no. zu E 887 anzuführen,
woraus hervorgeht, daß Ptolemaios (oc gegen die Regel zirkum-
flektieren wollte, doch offenbar im Anschluß an oös. Da Zoe auf
Code, orv auf Ẹwóv zurückgeht, so ist für beide natürlich nur
der Akut am Platze. Fragt man aber weiter, wie der Gegensatz
zwischen Ais—Aiv, xIs—xiv, xAeis—xAeiv, historisch zu verstehen
ist, so könnte man zunächst daran denken, in dem Gegensatz
der Intonation zwischen Nom. und Akk. Sg. etwas Altes zu sehen.
Dazu könnte man sich auf lit. tàs — td, tà— td, mergà — mergq usw.
berufen. Aber das geht nicht an. Denn man fragt sich vergeb-
lich, warum der gleiche Gegensatz nicht bei Boös — Boüv, vaüs —
vaŭr `), nAnyn —ninyhv usw. besteht und warum bei den Einsil-
bern nur die auf -ıç den Intonationsunterschied zwischen Nom.
und Akk. zeigen, während bei denen auf ac nichts davon zu
spüren ist. Ich glaube, die Erklärung liegt auf der Hand. Neben
Ais, ie stehen is’), Arte dis, »Aels. Die drei ersten bilden den
Akkusativ lva, iva 6iva‘), »Aels in der Regel xAeida. His, dis
und für das griech. Sprachgefühl auch is sind also ursprüngliche
Stämme mit -n, die von Hause aus mit vie, Ais nichts gemein
1) Zevs— Zi wird vermutlich Nachbildung des alten Gegensatzes Baoslevs
—*BaoıAnv sein, vgl. auch Joh. Schmidt, SBA. 1899, 314; Wackernagel, Sprach.
Unt. z. Hom. 160 Anm. 1.
2) Gelegentliche Bemerkungen wie Bekker, An. 1232: "äi madogpúya
adın yà ovoreike tò o xal oby Öuorovel tÅ neoionwuévy eéëäeie fallen
kaum ernstlich ins Gewicht. Der Vers ist nach Schol. Towl zu Ø 22 in !ydww
xaiĝopáyov zu korrigieren und gehört Pindar an. Es ist schwer zu beurteilen,
woher der Grammatiker wissen konnte, daß hier Kürzung von ‘v’ vorlag und
demnach Akut in Frage kam. Denn da konsonantischer Anlaut folgte, war ja
die Silbe metrisch immer lang
3?) ¿ç wird von den Herausgebern, ohne daß ich einen Grund sehe, oft zirkum-
flektiert. Historisch mag das richtig sein; aber der 3-Stamm ist nur noch in
Ipı erhalten, sonst geht es wie dis. dem es auch im Akzent folgt.
t) Aristarch wollte hier sogar els, geis schreiben, vgl. Herodian, L II 4314.
Dazu haben ihn falsche etymologische Spekulationen veranlaßt.
Die Flexion der »-Stämme im Baltisch-Slavischen und Verwandtes. 231
hatten und denen Stoßton zukam. Nun waren aber Ac, ée, Iç,
denen sich Als anschloß, ihrerseits vor Einführung des Zirkum-
flexes sicher, da ihr Akkusativ nicht einsilbig war. So bildete
man A4is, sie für Are ste nach His, is (Ts) um und versah auch
umgekehrt gelegentliche Neubildungen wie viet mit dem Zirkum-
flex, obwohl er einem solchen Akkusativ gar nicht zukam’). Wenn
dagegen Aischrion Ac forderte, so war für ihn nur der Akkusativ
Aiv maßgebend. Daß er dabei auf das historisch allein Richtige
kam, ist barer Zufall. Auf diese Weise erklärt sich der Gegen-
satz zwischen Aie — Aiv, „is—xiv ganz ungezwungen. Ziehe ich
also die Folgerungen aus diesen Auseinandersetzungen, so hatten
im Griechischen die einsilbigen z- und z-Stämme im Nom. Sg. und
Akk. Sg. den Zirkumflex °). Diese Regelung wird idg. sein. Ich
halte daher die Annahme, nach der im Baltischen die mehrsilbigen
2-Stämme den Zirkumflex von den einsilbigen erhalten haben,
für erwägenswert. Denn die langsilbigen z-Stämme sind lit. nur
noch in Ableitungen und geringen Spuren vorhanden und sonst
geschwunden, während einsilbige -Stämme in Resten jedenfalls
urlit. in *zes und *brüs noch vorgelegen haben. Freilich ein
zwingender Beweis läßt sich nicht erbringen.
Aber neben -änas zu ü“-Stämmen und -Znas, das erst nach
dem femininischen -Zne gebildet ist, gibt es noch ein drittes -Znas,
das gleichfalls Zirkumflex hat. Es wird durch die beiden Wörter
lit. malūnas, apreuß. malūnis und lit. maigüänas repräsentiert. Von
der ersten Gruppe wie karaliünas trennt es die Intonation, von
der zweiten, wie beganas die Bedeutung. malūnas gehört zu mälti,
lat. molere, und es ist gewiß kein Zufall, daß das Lat. vom gleichen
Verbum die gleiche v-Erweiterung kennt. Bei Festus (Lindsay)
124 heißt es: Molucrum non solum quo molae verruntur dicitur, id
quod Graeci uvAnnooos appellant, sed etiam tumor ventris, qui etiam
virginibus (incidere) solet: cuius meminit Afranius in Virgine:
Ferme virgini
(tam crescit uterus) tamquam gravidae mulieri.
Molucrum vocatur, transit sine doloribus
1) Vgl. noch Herodian I 10722, der für den Akkusativ von Eigennamen auf
-ıv den Zirkumflex fordert, wie bei Bevdis— Bevöiv. Es handelt sich dabei wohl
ausschließlich um fremde Namen.
2) Unten S. 286f. wird sich ergeben, daß in den einsilbigen z- und -Stämmen
zwei ganz verschiedene Klassen zusammengeflossen sind. Für die eine, die
im Griech. stark überwiegt, ist sicherlich der Zirkumflex das alte gewesen. Die
andere Klasse, die griech. durch öpeös vertreten ist, hat ihn wahrscheinlich erst
von jener durch Übertragung erhalten.
232 F. Specht
Cloatius etiam in libris sacrorum: „Molucrum esse, aiunt, ligneum
quoddam quadratum, ubi immolatur.“ ldem Aelius in explanatione
carminum Saliarium eodem nomine appellari ait, quod sub mola sub-
ponatur. Aurelius Opillus appellat ubi molatur. Ich will dahin ge-
stellt sein lassen, wie weit molucrum in der Bedeutung „tumor
ventris“, was Walde, Etym.Wört.”492 durch „Mißgeburt“(?) wieder-
gibt, von molere zu trennen ist und als Nachahmung von griech.
uvin zu dußiloxw gehört. Ganz unwahrscheinlich ist mir dagegen
Waldes Ansicht, wenn er in molucrum Entlehnung aus griech.
* uvAaxgov (udAaxgoı) „dentes molares“ sehen will. Das ist laut-
lich ohne Annahme volksetymologischer Umgestaltung gar nicht
möglich, und nach den Vorbildern, denke ich, sucht man vergeb-
lich. Schon die reiche Bedeutungsentwicklung von molucrum, die
manchmal unmittelbare Beziehungen zu molere fordert, und die
Verwendung in sakralen, kaum noch verstandenen Formeln, macht
es ganz unwahrscheinlich, daß hier ein Fremdwort vorliegen kann.
Außerdem findet es in seiner Suffixbildung Anschluß an involu-
crum, und wie zu diesem das Präsens mit «-Erweiterung involvo,
got. walwjan gehört, so steht neben molo, got. malan ein got.
gamalwjan, ahd. melo, Gen. mel(o)wes, poln. mlewo „Mahlen“ „ge-
mahlenes Getreide“.
Eine Bildung wie involvo, involucrum ist nun völlig deutlich.
Ich verweise auf Froehde, BB. IX 123, W. Schulze, Qu. ep. 317 und
Anm. 1. Es handelt sich dabei um eine Wurzelerweiterung vel-%'),
zu der elo im Ablaut steht. velu- liegt z. B. vor antevokalisch als
velu in volvö, got. walwjan, vlü- in neAlvroov (W. Schulze a. a. 0.336
Anm. 1). Aber frühzeitig, bereits idg. ist auch # aus vlz auf gel
übertragen worden, vgl. volümen, involacrum, ai. varūtár- gegenüber
&ivroov (Hesych yElovroov), Zovua. In molucrum wird u in dem
Vers bei Afranius (= Ribbek frg.’I1248) als Kürze gemessen im
Gegensatz zu involücre in Plautus Capt. 267. Den Grund dieses
Ausgleichs wird man darin suchen müssen, daß neben involücre
ein involatus lag, während molere ein derartiges Partizipium nicht
kannte. Auf die dreimalige Messung involucris bei Prudentius
(Cathem. V 36, contr. Symm. praef. 54, Hamart. 921), die schein-
bar etwas Altes birgt, ist natürlich nichts zu geben. Denn einem
Dichter, der auch duitas, söcors, söcordia, lügubris, rübigo usw.
mißt (vgl. Dressel, Prudentii carmina XVIII Anm. 54), sind der-
artige Altertümlichkeiten kaum zuzutrauen. Dagegen muß lit.
1) Die Vollstufe einer solchen Erweiterung liegt in dAoofzgoxos vor (W.
Schulze, Qu. ep. 317 Anm. 4; Bechtel, Lexil. 248).
Die Flexion der »-Stämme im Baltisch-Slavischen und Verwandtes. 233
malūnas mit langem % wie lat. volätus beurteilt werden. Die gleiche
u-Erweiterung findet sich bei Bretke, Exod. 11,5 in malluve, das
zu malluves korrigiert ist — am Rande steht dafür girny — und im
Predig. 12,4 mallunikes (Gen. Sg.), wofür am Rande melnikes ge-
schrieben ist. Für den Akzent lernen wir aus malünas, daß die
Tiefstufe von Wurzelerweiterungen, wie sie in volütus, malūnas
vorliegt, zirkumflektiert betont wurde. Diese Erkenntnis ist allein
aus dem Lit. zu gewinnen. Für die Wurzel in maigünas kann
ich eine Erweiterung wie für mälti nicht nachweisen. Aber es
ist wohl möglich, daß die beiden Substantiva bildungsgleich waren.
Allerdings hat miegüstas „schläfrig* daneben auch miegüistas den
gestoßenen Ton. Ich wage diesen Gegensatz in der Intonation
zu maigünas nicht zu deuten.
Überblicken wir hier noch einmal das bisherige Ergebnis
unserer Untersuchung, so hatten sich drei grundverschiedene
Bildungen auf -nas ergeben. 1. Ableitungen zu -Stämmen mit
gedehntem Themavokal, wie lat. tribunus, lit. karaliünas. Die In-
tonation ist gestoßen. 2. Motionskomposita auf -zne, zu denen
-ünas als Maskulinum neu geschaffen worden ist. Dieses Aug ist
Umbildung von Ant, das genau zu altbulg. -yńi stimmt und als
Weiterbildung von u-Stämmen gedeutet werden muß. Diesen
Bildungen kommt Schleifton zu, der vielleicht von einsilbigen #-
Stämmen aus verallgemeinert wurde. 3. Ableitungen von Wurzel-
erweiterungen auf (e)ü, A, wie volvo, volatus, got. gamalwjan, lit.
malünas. Auch hier war die Intonation geschleift. Daneben hatten
sich Substantiva auf -önas als n-Ableitung einer Basis auf 6 er-
geben, die gleichfalls wie die Bildungen auf -znas in ihrer Bedeu-
tung den Nomina agentis im allgemeinen gleich sind. Aber irgend
eine Beziehung zu den n-Stämmen, wie Būga will, besteht bei
keiner der drei Bildungen. Das ist aber ganz anders bei den
Substantiven auf -wonis, die in ihrer Bedeutung mit denen auf
-ünas völlig übereinstimmen. Ja, zuweilen liegt -@nas neben -uonis
bei ein- und demselben Wort. Zu ihnen will ich mich jetzt wenden.
Die Substantiva auf -uonis sind, wie bereits bemerkt, zum
größten Teil Nomina agentis. Soweit keine Neuschöpfungen
modernster Art oder Entlehnungen aus Mundarten vorliegen, sind
sie der heutigen Schriftsprache und einem großen Teil der lit.
Dialekte fremd. Sehr groß ist die Anzahl im Gegensatz zum
Lettischen überhaupt nicht. Es kommen ungefähr in Frage") ata-
1) Das Material habe ich entnommen aus Būga a a OU. 422ff. und den
Wörterbüchern von Juskievi@ und Slapelis.
234 F. Specht
juonis „Ankömmling, Fremder“, atalikuönis, atliekuonis, -uönj
„Letzter“, atskaluönis (Daukša Atskaluonis) „Abtrünniger“, delsuonis
„Langsamer“, eduonis „Fresser“, galuonis „Mutwilliger“, giezuonis
„aufdringlicher Mensch“, grobuonis „Räuber“, gyZuonis „Aufdring-
licher“, karuonis') „Aufgehängter“, keikuonis „Verflucher“, atlar-
kuonis „überflüssiger Mensch, Ausschuß, kytruonis „verschlagener
Mensch“, pälikuonis „Nachkomme“, šuð pasaluonis „Hund, der von
hinten beißt“, pirmuonis „Erstling“, rijuon?s „Fresser*, skenduonis
„der dem Ertrinken nahe ist“, trakuonis „unruhiger Mensch“, žin-
iuon!s „Zauberer“. Dazu kommen noch ldnkuones und das ent-
sprechende Femininum ieskuönes bites „Spürbienen“, ferner aus
Daukantas Bienenb. 34, 35, 49 angstounes (= angstuones) „Arbeits-
bienen“. Ursprünglich war wohl auch geluonis ein Nomen agentis
mit der Bedeutung „Stecher“, woraus sich dann „Stachel“ ent-
wickelt hat. Dasselbe würde ich von einer Reihe Krankheitsnamen
annehmen, wozu auch wieder das Lettische stimmt, s. u. S. 262f.,
wie landuonis (in Kalv. löndounis), lieZuonis, auguonis „Geschwür“,
dazu gehört wohl auch gyvuonis, gyluonis „Nietnagel“. Den Über-
gang zeigt deutlich eduonis, das außer „Fresser* auch „Knochen-
fraß“ bedeutet, auch an den reinen n-Stamm nuomuruo „Fall-
sucht“ sei erinnert. In der heutigen Schriftsprache wird -uonis,
wie bereits bemerkt, gern zu Neubildungen verwendet, wie de-
guonis ‚„Sauerstoff*, gesuonis „Stickstoff“, antruonys „vielzellige
Tiere“ ua, die dann als Maskulina nach den io-Stämmen flek-
tieren. Auch hier wird man ursprünglich diese Worte als Nomina
agentis gefühlt haben. Abseits in ihrer Bedeutung stehen nur
gel(e)Zuonis „Eisenschlacke“, geleZuonis „Drüse beim Pferd“ und
Zaliuones „Gemüse“, s. u. S. 255.
Diese Bildungen auf -uonis stehen fast sämtlich, wie Büga
mit Recht hervorgehoben hat, mit den »-Stämmen in allerengster
Beziehung. Man muß sogar sagen, sie sind ihre direkten Fort-
setzer. Was man sonst gemeiniglich in den Grammatiken als lit.
n-Stämme anzuführen pflegt, wie akmuö, akmeñs, geht im wesent-
lichen, wie sich unten zeigen wird, auf idg. -men- (griech. -uw»,
-unv, -uq) zurück. Diese Gruppe hat die Dehnstufe nur im Nomi-
nativ Sg. und sonst überall die &-Stufe durchgeführt. Daneben
hat es aber im Baltischen eine ganz andere Flexion der n-Stämme
gegeben. Sie setzt sich zum größten Teil aus Nomina agentis
zusammen. Hier ist wie in lat. /atro, latronis, griech. Acıuw»,
Aecıu@vos das o des Nominativs durch das ganze Paradigma durch-
1) Basanavičius, Pasak. II 2826 ff.
Die Flexion der »-Stämme im Baltisch-Slavischen und Verwandtes. 235
geführt worden, so daß sich ursprünglich folgende Flexion ergab:
N. Sg. -uo, Gen. Sg. -uones, Dat. Sg. -uoni, Akk. Sg. -uonj, Instr.
Sg. -uonimi, Lok. Sg. *-uonip. N. Pl. -uonës, G. Pl. *-uony, Dat.
Pl. -uonimus usw. Diese Formen lassen sich in alten Texten im
einzelnen fast alle noch nachweisen. Da allerdings der Akk. Sg.
auf -uonį auch auf die i-Stämme bezogen werden konnte, so ist
nach bekannten Mustern in der Regel darnach der N. Sg. auf
-uonis gebildet worden, und wie es im Lit. bei konsonantischen
Stämmen immer geschieht, ist daneben auch die Flexion nach
den i-Stämmen möglich geworden. Das ist das gleiche, wie ob.
S. 228 Zuvis nach Sin? oder dieveris (Syrvid Dict.‘ 418) noch dieverj.
Ebenso haben die men-Stämme gelegentlich nach dem Akk. Sg.
auf eng im N. Sg. eine Neubildung -enis statt -uo vollzogen, z. B.
semenis (Bretke, Mark. 4,23), piumenis (Morkunas 7®,), stamenis
(Syrvid Diet," 363®), rudenis (T. ir. Zod. I 272), ündenys (T. ir. Zod.
JII 409 Nr.61). Man hat bisher diese Zweiteilung der lit. n-Stämme
nicht beachtet. Das wird dadurch begreiflich, daß das Hoch-
litauische diese Bildungen auf -uonis nicht mehr kennt. Sie finden
sich heute nur noch dialektisch im Zemaitischen, Ostlit. und wohl
auch im Westdzükischen. Wenn daher z.B. Kurschat, Lit. D.
Wörterb. zu /[palaiduo einen Genitiv *palaidens bildet und sogar
der Begründer der heutigen lit. Schriftsprache, Jablonskis als
Herausgeber des Juskieviden Wörterbuches E — J zu eduö einen
Genitiv *edens ansetzt, den es niemals gegeben hat, so zeigt das
nur, wie unbekannt ooch heute diese Bildungen ganz hervor-
ragenden Kennern des Litauischen sein können, falls sie in ihrer
Mundart nicht vorkommen.
Ganz klar auseinandergehalten sind nun die Bildungen auf
-muö -meis und Aë, -uones noch im Alit. Ich führe aus dem ge-
samten alit. Material bis einschließlich Klein die Bildungen auf
-40, -wones einzeln vor. In manchen Texten treten allerdings die
Nomina agentis auf -uo (-wonis) stark zurück, und geluö ist dann
oft nur der einzige Rest, der bleibt. Was aus Syrvid hierher ge-
hört, habe ich bereits in meiner Ausgabe XX VI aufgeführt: N. Sg.
gietuo (= geluö oder geluö), nuomaruo, neusauguo, padauzuo, aptai-
duo, paktaiduo, paniuruo, palaiduo, Sirsuo; Akk. Sg. gieluoni, nuo-
maruoni, N. Pl. pirmuones, dazu das Femininum ne(u)Sauguone. Der
ostlit. Katechismus von 1605 bietet bei seinem geringen Umfang
kein Material. Aus der Literatur der Reformierten hat der Kate-
chismus von 1598 nur das wenig auffällige 79:0 tas gieluo (aus
Psalm 91). Die recht umfangreiche Wilnaer Postille des Morkunas
236 F. Specht
von 1600 gibt gleichfalls sehr wenig: 111% 1575,, 230% 1, 2995,,
327%, III 58, gietuo; 131°, 1585, 170%, IH 49%, 675,5, 91 gietuo-
nim(i) (Instr.), 321%, III 57%, giatuoni (Akk. Sg.), III 585,, tiemus
visiemus gayliemus gieluonimis') (Dat.). Überall ist geluo maskuli-
num. Die Nomina agentis sind hier durch gatünas, klaidunas,
begunas ersetzt, aber nur galünas ist häufiger. Auch die refor-
mierten Schriften von 1653 (ob. LVI 268) beschränken sich fast
ganz auf gieluo, z. B. Sum. 8213, un, Knig. 162%. Einmal hat
Sum. 96; auch den Akk. Plur. kiemionis, wo aber -onis mit -wonis
nichts zu tun zu haben braucht. In der Regel flektiert man nach
den ö-Stämmen, wie Sum. 211: paviduonus (Akk. Pl.), 18312 patay-
duonay, sonst noch pateykünay, tapüunay, giriunas, uZejunas, galünas,
didziunas. Chylinski kennt die Flexion nach den n-Stämmen über-
haupt nicht mehr. Er gebraucht dafür vatdonas, pateykünas, ga-
tunas, uZejunas, didZiunas, smarkünas und Esther 9,19 kiemioniey
mit dem auch sonst bei ihm üblichen Wechsel zwischen jo- und
i-Stämmen. Die Margarita Theologica, deren Verfasser aus der
südöstlichen Žemaitija stammt, hat nur 52%, gieluonis, das also
im Nom. bereits in die i-Flexion übergetreten ist. Sonst finden
sich dort in diesem Sinne 1135, 120° 179® klaigonas „Irrlehrer“, Ais
valdonas, 95° 104° paklaidunas, XXXV Diewonis „Gottessohn“,
und die fremden upekanas und zemlonis (N. Pl.) „Landsleute“.
Außerordentlich reiches Material zu der Frage liefert nun
Daukša. Nur hat er überall den Nom. Sg. auf -uo bereits nach
dem Akkusativ zu -vonis umgebildet. Ebenso ist im Gen. Plur.
keine konsonantische Flexion mehr nachzuweisen. Ich gebe der
Kürze halber für die gleiche Form mit verschiedenen Schreibungen
immer nur eine und korrigiere auch stillschweigend kleine Ver-
sehen im Drucke: Nom. Sg. ätskaluonis (324: = 434., 402s; =
53655), Dat. Sg. atskaluoni (40225 = 53655), Instr. Sg. atskaluonimi
(490), Nom. Plur. ätskaluonjs und ätskaluonis (19, = 2923, 2244 =
3315, 44a = 6244, 5110 = T219, 6lıe —_ 855, 10330 = 140 14, 11030 =
14916, 11554 = 1553», 12835 = 17219, 13027 = 17434, 21216 = 28031,
218, = 28826, 225, = 298,1, 234,: = 31112, 2813s — 374ss, 29235
— 839020, 3193: = 42750, 3231: = 43216, 32325 = 43224, 344, =
460s, 348s = 46525, 349, = 4675, 361, = 487s, 37115 = 49624,
Rf == 516s, 4034 = 537s1, 40348 = 53826, 41526 = 558332, 46711
514; 51816 53455, u 56810); Gen. Plur. ätskaluoniy (313 = Ts, 23a7
= 3414, 4421 = 6239, 50.4: = 716, 6lsı = 8519, 84, = 11452, 8826 =
12030, 901: = 12316, 9225 = 12620, 12112 = 1634, 168®,, = 22516,
z) Über die Dative auf -mis vgl. ob. LIII 151.
Die Flexion der »-Stämme im Baltisch-Slavischen und Verwandtes. 237
20750 — 27510, 21934 = 29034, 2572 Se 3415, 26683 == 35410, 27650 =
36816, 2942: = 3931, 301ss = 40254, 30316 = 40512, 32134 = 43011,
858, = 479s, 364: — 48621, 364, = 48755, 365; = 4886, 374.4 =
500ss, 402s = 536536, 4444, = 59229, 444,, = 59255, 46614 469.5
4731s, 499, 5095: 535; Dat. Plur. ätskaluonimus (103. = 1401»,
119. = 161s); Akk. Plur. ãtskaluonis (1 163: = 15714, 1201: = 16130,
1204 = 16227, 1265: = 1701s, 21819 = 28933, 27826 = 37026, 3204s
= 429,9, 41626 = 55510, DÄI: 56425). Instr. Plur. ätskaluonims
(31921 = 42715); Lok. Plur. atskaluonise (4042: = 53923), atskaluo-
nisemp (26713 = 35517). — G. Sg. päklaiduonies (4411s = 588), N.
Plur. päklaiduones (28213 = 37617), Gen. Plur. paklaiduoniump (37%&s
= 5006). — N. Sg. pälikuonis (51sı = 7211, 50440, 4), Gen. Sg. pa-
likuonies (4434 = 59025), Akk. Sg. pälikuon; (46419), Instr. Sg. päli-
kuonimi (49810); Nom. Plur. pälikuones, pälikuonjs (44:1 = 6223, 54s
= T5is, 54, = T520, 9454 = 1282, 94,. — 12835, 11034 — 1499,
2463: — 32629, 311s: = 4174, 4595: 4834); Gen. Plur. palikuoniy
(5522 = Tis, 248; = 32850, 33553 = 4493, 39750 — 5844, 45939
46951); Dat. Plur. palikuonimus (284: = 3785.) und mit Übergang
in die Flexion der io-Stämme palikuoniamus (4751s); Akk. Plur.
pälikuonis (11955 = 16lıs, 37313 = 498314, 57827; Instr. Plur. EI
kuonimis (ae = 12857, 53850); Lok. Plur. palikuonise (4606). —
G. Sg. pirmuones (10720 = 145:); Nom. Plur. pirmuones (59013), Dat.
Plur. pirmuonimus (424: = 56512); Akk. Plur. pirmuonis (50541). —
Gen. Sg. nemaruones (56017), maruonies (11sı = 18271, 334 = 4819
5672s), maruoniesp (2111s = 28012), nemaruonies (542s: 56021); Akk.
Sg. nemaruon; (54210), Akk. Sg. nuomaruonį (577:0). — N. Sg. ge-
luonis (187s: = 2485s, 187ss = 24855); Gen. Sg. geluones (4544: =
60919); Instr. Sg. geluonimi (5061). — Instr. Sg. tëvuonimi (1031:
= 139;ı), Instr. Plur. tëvuonimis (77355 = 10629, 23011 = 3052, 46450).
Daneben stehen auch Bildungen wie paklaidūnas, palaidūnas, šau-
kūnas, lapunas, pataikūnas, palaidune, (fem.), sokune (fem.).
Auch in der ostpreußischen Literatur läßt sich in ältester Zeit
diese Flexion der n-Stämme nachweisen. Moswid’) hat zwar neben
511 lepunai nur 265, 548 (= 86) den Akkusativ geloni = geluonį.
Zweifelhaft ist 100 sgtevoni (Akk. Sg. Form. kr.) 113 tevonimi
(Form. kr.). Denn wegen 33 satievanems könnte ó = hochlit. ó sein.
Eine sichre Entscheidung läßt sich nicht geben, da Ztevuonis und
tevonis gleichberechtigt nebeneinander stehen, vgl. Būga a.a. O.
451. Auch die Wolfenbüttler Postille hat nur 628 gieloni = hochlit.
1) Stangs Lokalisierung des Dialektes muß ich trotz Fraenkels Zustimmung
DLZ. 1930 1030f. ablehnen.
238 F. Specht
geluonį als Femininum. Sonst kennt sie nur Nomina agentis wie
kleidünas, klaidunas, pateikunas und mit hochlit. ó 1928 G. Sg.
kiemianes, 2495 N. Pl. kemianis. Wenig mehr bietet Willent: 88.
pirmuones (N. Pl.), 1001, pirmuones (Akk. Pl.) und mit Umbildung
nach den iö-Stämmen 132, pirmuoneis. Wie das o in DI, 76ıs
tievonimi, (Die 49, s kievonimis, 1054 sqtievonimis aufzufassen ist,
könnte auch wegen 4s: kiemianims nicht zweifelhaft sein; denn
In der Regel wird auch bei Willent hochlit. o durch o wieder-
gegeben‘). Sonst hat er noch 1015 klaidune (Vok.) und das auffällige
561. prarakuonaine‘). Wenig Material bietet auch Klein: Gebet-
buch Biss gellonis. In dem Liede 99:3 = Sengstock 49 = Bretke,
Gesangb. S. 11, Nr. 10 = Moswid 265 ist geloni nicht selbständig.
Fremdes Suffix liegt wohl in 16 pillonis (N. Sg.), Be 33, 7810
pilloni (Akk. Sg.) 4, pillonimi vor. Dazu bleibt bei allen Beispielen
unsicher, ob o = hochlit. wo ist. An Nomina agentis verwendet
er kleidunas, begüunas, nevidonas, valdonis.
Etwas reichlicheres Material bietet Bretke. Doch meist ist
es im Texte übergeschrieben oder als solches am Rande vermerkt.
So steht Hiob 18,19 über vaiky vaiko ein palikuonies, dafür am
Rand nepčio, Reg. 121,21 palikuonis (Akk. Pl.) als Variante zu
patamkus, Ps. 48,14 als Variante palikkonims, Ps. 49,14 am Rand
palikonis (N. DI, Ps. 71,18 am Rand palikonims, Hos. 9,7 am
Rand atskalonis (N. Pl.) für sekty dvases des Textes. Der Akk.
Pl. sirsonis begegnet Ex. 23,28, Deut.7,20, Sap. 12,8 als Sirsones
am Rand Josua 24,12. Im Text steht dafür vapsas und als Vari-
ante Sarsus. Wahrscheinlich soll sirsones am Rand einfach den
Nom. Plur. bezeichnen. Denn -es ist als Endung konsonantischer
Stämme für das Femininum bei Bretke nicht selten, begegnet
aber beim Maskulinum nur Hes. 34,2 piemenes. Üblich ist auch
wieder N. Sg. gelonis (Post. 1751s) und giellonis (eb. H 8,,). Der
Akkusativ geloni findet sich in den Liedern 12; 496, ist dort aber
nur z. T. bodenständig, s. ob. 238. Hesek. 28,24 steht der N. Pl.
gelonis mit der getilgten Variante usnes in der Bedeutung „Klette“.
Das Geschlecht ist Femininum. Unklar ist mir, ob Lev. 11,29
1) Durch irgend ein Versehen sind dem sonst so sorgfältig arbeitenden
Bechtel in seiner Ausgabe des Willent XIX über die Verteilung von ó und &
ganz falsche Angaben unterlaufen. Sie sind dann kritiklos weiter übernommen
worden, z. B. von Gaigalat, Mit. lit. Ges. V 23.
3) prarakuonaine setzt ein *prarakuonas voraus wie Bretkes prara-
kunaine (Post. I 1146) neben sonstigem prarakiene (z.B. Post. I 11612.28 12415)
ein *prarakünas. Lehrreich ist dabei, daß hier erst ein aus slav. prorokö
entlehntes prärakas diese Umbildungen erfahren hat.
Die Flexion der »-Stämme im Baltisch-Slavischen und Verwandtes. 9239
N. Sg. $ermonis oder sermenis zu lesen ist. Am Rand steht $armuo.
Rein graphisch würde ich mich eher für $ermenis entscheiden.
Sehr merkwürdig ist bei Bretke ein Wort aguonas, seltener aguona,
das an vielen Stellen in der Bedeutung „Knauf“ oder „Schmuck-
stück“ vorkommt. Es steht regelmäßig als Variante am Rand
oder im Text übergeschrieben. Zweimal Ex. 25,34. 36 findet sich
dafür auguonai. Demnach gehört das Wort zu dugti, und es
scheint als terminus technicus Bretke nicht geläufig gewesen zu
sein. Es ist also möglich, daß Bretke dguonas gehört und dem-
nach geschrieben hat, falls überhaupt das Wort von ihm stammt.
Dann ist am wahrscheinlichsten, daß neben augmuö, augmeñs =
varsius mit andrer Ableitung ein *auguö, *duguones gelegen hat,
das in die Flexion der ö-Stämme tübertrat. Das würde ein Seiten-
stück finden an $irsuo, N. Pl. Sirsounes = širšuones (Baranowski
329,19) und $irsuonas, Sirsunas (Būga a, a O. 425) und an palay-
duonay der Sum. S. ob. S.236. Dieses o bei Bretke in -onis kann
überall als vo aufgefaßt werden. Sonst kennt er Nomina agentis
wie pabastünas, tekunas, klaidunas, lepünas, pateikunas, Zinünas, das
z. B. Sam. 128,3 am Rand in der Bedeutung „Zauberer“ steht,
aber II. Chron. 33,6 = ženklus ist, und Jer. 10,18 kleiduonas (Post.
1122,12) velduonas etwa „Bewohner“ Jac. 1,8 Zvilonas „Unbe-
ständiger“. Schließlich verwendet er häufig pirmüne.
Selbst im 18. Jahrhundert kann man bei Ruhig noch Spuren
des alten Zustandes finden. Nur sind Nomina agentis seltner und
In die Flexion der io-Stämme übergegangen, so I 108° pirmönis,
önio „Erstling“, fem. II 128° pirmone „erste Frucht“, II 147° edonös,
-on(i)o, rijonis, -on(i)o, dazu auch II 448 „ausgestorbenes Haus“
Namai ismirre, Ismaronu = iSmaruoniy (Mielcke Il 59%). Dagegen
gehen die Wörter auf -vonis, die keine Person bezeichnen, nach
den i-Stämmen und sind in der Regel Feminina geworden, so
11231® „Krebs, Krankheit“ landonös, -iês (f.), 138° 408 Il 74° 276°
336% gelonis, -ês (fem.), I 455 gyvonis, ês (fem.) „das Leben unter
dem Nagel“, aber II 240° gyvonis, nio (masc.) IL 5° geleZönys, óniů
(masc.) „das Abgefeilte“, aber II 117° „Eisenschlag* geleZonis,
ês (fem.), 189® geleZones, -niü (fem.) „Hammerschlag“. Mielcke hat
alles treulich übernommen, sogar bis auf die Verschiedenheit der
Geschlechter. Neu ist I 47° II 317% delsuonis, nio „ein Langsamer“,
das er dann auch mit anderer Orthographie wo schreibt, und
vielleicht I 82° uZgirronis, nio „der hinter dem Walde wohnt“.
Allerdings könnte die Schreibung mit o auch idg. ë entsprechen.
Auch Daukantas kennt girionis. Man wird daher auch bei ihm
240 F. Specht
noch eine gewisse Bekanntschaft mit Resten dieser Bildungsweise
annehmen müssen. Sonst ist auch bei Ruhig -unas das üblichere
bei Nomina agentis, so begünas, klaidünas, paklaidünas, kleidünas,
lakünas, lappünas, rijunas, pataikünas, patakünas, pirmtakunas,
tekünas, Zygünas (Bote), Zinünas').
Nur an einer Stelle wird die sonst regelrechte Flexion -wo,
-uon(i)es scheinbar durchbrochen. In Rhesas Psalter heißt es in
der Bedeutung „Abtrünniger“ 66; atpuolenei (N. Pl.), 68: atpuo-
lænius (Akk. DILL, 68:1» atpuoleniams (D. Pl... Man könnte geneigt
sein, darin die Fortsetzung eines *atpuoluö, uones zu sehen, aber
das geht nicht an. Bei Haack und ebenso bei Ruhig und sonst
heißt der „Abtrünnige“ atpuolinys. Diese beiden Bildungen ge-
hören ähnlich zusammen wie etwa piktenjbe und piktinjybe. Dann
müßte man wohl an Ableitung von einem men-Stamm *atpuoluö <
*atpuolmuo „Abfall“ denken, vgl. vemd „das Erbrechen“ (Bezzen-
berger, Lit. For. 196), das allerdings keine obliquen Kasus mehr
bildet.
Da dies -wonis in seiner Bedeutung als Nomen agentis genau
mit -änas übereinstimmt, so ist es nicht verwunderlich, daß oft
beim gleichen Wort ein -Znas neben -uonis liegt. Ich nenne
*heguonis auf Grund von beguonelis”) (T. ir Zod. I 253) — bégümas,
keikuonis — keikünas, eduonis — edünas, lett. palaiduonis — palai-
dünas, paklaiduonis — paklaidünas, atajuonis — atejünas, rijuonis
— rijünas, atskaluonis — atskalünas, Ziniuonis — Zinünas. Darnach
ist auch zu $irsuonis ein sirsunas (Daukantas, Bitt. kn. 11,90, 91)
gebildet worden.
Aus den oben angeführten Bildungen auf -uonis ist aber noch
eine besondere Gruppe herauszuheben. Während die Mehrzahl
zu Verben in Beziehung steht, läßt sich eine weit kleinere Gruppe
nur mit Nomen in Verbindung bringen, wie pirmuonis zu pirmas
afitruonys (Būga, Kalb. ir sen. 132) zu aütras, atlaikuonis zu dtlaikas,
kytruonis zu ktras, trakuonis „unruhiger Mensch“ zu träkas, traküs.
Dazu kommen aus dzükischen Liedern die Deminutiva pitkuonelıis,
-&#e und šilkuonëlis zu pilkas und šiľkas, z.B. Taut. ir Zod. II 291
ir pamatė voveretj pitky, pilkuoneli, 11360 takia trys pilki karveleliai,
1) Im Text steht I 1888 zinkünas, aber richtig H 4048. Auch hier ist
Mielcke wieder Ruhig genau gefolgt.
2) Dahin gehören auch die Deminutiva aus Juskievils Liedern, die Leskien,
Nom. 393 zusammengestellt hat: jáutis bubuonelis, dusuon&le, Iyduonelis, mi-
ruonele, striguonelis, uzuonelis und Taut. ir Zod II 388 aglala sinbuonela. Sie
haben alle ein Verbum neben sich.
Die Flexion der »-Stämme im Baltisch-Slavischen und Verwandtes. 241
visi, pilki pilkuoneliai, H 359. pas mani 2otale, tai Silkuonele, aus
Daukantas artimonis, € z. B. Darb. 114,8 artimones kaimas. Auch
das Lettische kennt Ähnliches. Ganz eindeutig sind: dišuonis
„Großtuer, starker Mensch“ zu di2s, dikuonis „Müßiggänger“ zu
diks, greizuonis „verkehrter Mensch“ zu greizs „schief“, Dkuonis
„schiefgewachsener Mensch“ zu liks, meZuonis „Wilder“ zu mežs,
mikstuonis „Weichtier“ zu mîksts, niekuonis „Possenreißer* zu
nieks, tüumsuonis „Ungebildeter“ zu tumss u.a. Sie stehen alle
im gleichen Verhältnis zueinander wie griech. orgaßög zu Zrodfon,
lat. caput zu Capito, got. blinds zu blinda, und sie haben wie die
Nomina agentis auf -uonis, denen sie ja auch in der Bedeutung
vielfach gleichkommen, die Länge des Nominativs durch das ganze
Paradigma durchgeführt. Unten S. 250 werden sich genaue Ent-
sprechungen aus dem Slav. ergeben.
Wenn ich also zusammenfasse, so ist das Ergebnis ganz ein-
deutig. Im ältern Litauischen und heute im Ostlit. und Zem. be-
steht eine besondere Flexion der n-Stämme von solchen Sub-
stantiven, die in der Regel Nomina agentis sind. Diesen haben
sich einige andre angeschlossen, s. ob. S. 234. Überall ist -uo des
Nom. Sg. durch die ganze Flexion durchgeführt worden, meist
ist auch der Nom. Sg. auf -uo durch -uonis verdrängt worden.
In gewissen Texten sind bereits alit. die eigentlichen Nomina
agentis sehr eingeschränkt und durch andere Bildungen ersetzt
worden. Nur geluö, das durch seine Bedeutung herausfiel, hat
sich weithin gehalten.
Dieser Flexion auf Aë, uončs stehen nun schroff die alten
-men-Stämme gegenüber, die überall die &-Stufe durch das ganze
Paradigma durchgeführt haben, also Bildungen mit m vor uo, wie
augmuö, Zelmuö, tesmuö, akmuö, melmuö, lemuö, piemuö, pjumuö, sé-
muö, raumuö, stuomuö usw. vanduö, das scheinbar abweicht, ist
Fortsetzung von ehemaligem *vandor und gehört als alter r/n-
Stamm nur scheinbar hierher. Es weicht auch bei Daukša und
sonst dialektisch darin von der Flexion der übrigen n-Stämme
ab, daß es starre Wurzelbetonung hat. Es widerspricht scheinbar
auch ruduö „Herbst“ und ma2uö in der Formel ¿š mažeñňs „von
klein auf“. Beide sind Ableitungen aus Adjektiven, und wie ai.
svddman- (ntr.), svädmän- (mask.) zu svādú-, varsmän- (ntr.), värs-
man- (mask.) zu Superlativ varsistha-, dräghmän- zu dirghä-, párī-
man- zu purú-, varıman- zu urú-, häriman- zu häri-, premän- zu
präyas, prathimän- zu prthü-, bhūmán- zu bhü-ri (Komp. bhü-yas),
päpmän- zu päpd-, mahimän- zu máhi u.a. lehren, sind diese Ad-
Zeitschrift für vergl. Sprachf. LIX 3/4. 16
242 F. Specht
jektivabstrakta nach der n-Flexion ehemalige men-Stämme. Aus
dem Griechischen könnte man an Bildungen wie noixılua zu roi-
xiAog denken, aber da das Substantiv auch auf noıxlAiw bezogen
werden kann, bleibt es zweifelhaft. Viel wichtiger ist, daß der
men-Stamm sich gelegentlich im Baltischen erhalten hat, wie in
Iygmuö zu lygus. Also gehört ruduö zu rüdas, raüdas und geht
auf ein *rudmuö zurück '), desgleichen mažuð auf *mažmuð. Ob
dabei raumuö, ruduö aus einem Paradigma entstanden sind oder
beide erst zu den Adjektiven radas, rüdas neu gebildet sind,
läßt sich nicht mit Sicherheit sagen. Bei der stark abweichenden
Bedeutung ist mir doch das letzte wahrscheinlich. Dann ist auch
das Verhältnis von apreuß. * maldus in maldunin zu dem n-Stamm
* malden- aus * maldmen- in maldenikis, altbulg. mladenbco (mladonvco)
das gleiche wie das von ai. svādú- zu svddman-. Auch aus Weiter-
bildungen, wie didenýbė, piktenjbe u. a. ist auf alte men-Stämme
*diduð aus *didmuö, *piktuö aus *piktmuö.zu schließen. Daß neben
-uo im N. Sg. auch -ë gebräuchlich war, wird sich unten S.252f.
ergeben. Dann sind auch germ& mit den Ableitungen germenà’),
gefmenys zu geras, plönmenas zu plönas, störmenas zu stóras (Juskie-
vič, Wort, I 7035), gelme, gilmd zu gilüs u. a. völlig in Ordnung.
Unter welchen Bedingungen die Gruppe mn zu n erleichtert
wurde, ist schwer zu sagen. Ob Joh. Schmidt, Krit. 119 das
Richtige getroffen hat, bezweifle ich. Man wird mit der Möglich-
keit rechnen können, daß zu einer Zeit, als noch Bildungen mit
Schwundstufe mn üblich waren, die Gruppe Konsonant 4 mn zu
Konsonant + n erleichtert wurde. Vgl. über ähnliche germ. Er-
scheinungen meine Ausführungen in Festschrift für Voretzsch
S. 42ff. Aber daneben haben Analogiewirkungen nach dem dazu
gehörigen Adjektiv, zumal dann, wenn die Zusammengehörigkeit
zwischen beiden sehr eng empfunden wurde, und nach den Kasus
mit vollem Suffix -men stark eingewirkt. Auch das Wort dubuö
in der Bedeutung „Schüssel“, das ich aus der modernen lit. Lek-
türe kenne und auch in den Wörterbüchern von Niedermann und
Šlapelis verzeichnet ist, scheint eine moderne Bildung zu dubüs
zu sein, um das fremde bliädas zu ersetzen. In den Wörter-
büchern von Kurschat, Nesselmann, Miežinis, Juskievi& und Lalis
steht es noch nicht.
1) Schwerlich richtig Brugmann, Gr.? II, 1, 294.
2) Wie germenà zu geras ist auch mažena aus *mazmena zu mäzas
in der Formel Wolf. Post. 111a ¿¿ maženas, Dauks. Post. 95s 9616 ¿zg mazenos
aufzufassen.
Die Flexion der »-Stämme im Baltisch-Slavischen und Verwandtes. 243
Fragt man nach den Ausnahmen, so heißt es zwar kirmuö,
kirmeñs und vielfach auch von dem ähnlichen men-Stamm sarmuö,
sermuö, Sarmenis, Sermeiis, so Ruhig I 148? 150° H 1918, darnach
Mielcke I 2712). Wenn ferner Klein, Comp. 34 $ermuö mit van-
duo, akmuo, stuomuo, liemuo, Zelmuo, augmuo, raumuo, tešmuo, rud-
duo in einem Atem nennt, so wird man wohl auch auf einen
Genitiv šermens schließen dürfen. Auch bei Bretke scheint sich
ein sermenis zu finden, ob. S. 238f. Aber Mielcke I 9718 kennt auch
ein $armonys, nio (m.) und Būga, a. a. O. 424 führt dazu noch an
aus Daukantas, Valančius und žem. Mundarten ein šermuonelis,
Sermüune, Sermünis, wo ü allerdings = uo sein könnte, aus Juškievič’s
Liedern germünelis und aus An. Šil. 144 und Dusetos $irmuonelis.
Dieser Tatbestand ist unschwer zu deuten. Die Stammbildung
erforderte natürlich eine Flexion -muö, meñs, aber als Lebewesen
stand sermuo den Nomina agentis auf -uö, -uonös nahe. Zudem
fand es Anschluß an dem andern Tiernamen sirsuo, uones. Für
die Flexion $ermuo, ens war also die Suffixbildung, für sermuo,
*_vones die Bedeutung maßgebend. Wenn bei kirmuö das
Schwanken nicht besteht, so wird es daran liegen, daß bei ihm
die Bedeutung des Lebewesens stark zurücktritt.
Dagegen weiß ich nichts zu beginnen mit der Flexion von
momuö. Kurschat, Lit. Wört. klammert das Wort als ihm unbe-
kannt ein und erwähnt es auch nicht in der Grammatik. Nach
Schleicher, Lit. Gr. 130 flektiert es muwomuö, muomenis, nach der
Univ. 11 momo, momenio, momeniuy. Klein, Gr. 55 nennt muomuo
in einem Zuge mit šuo, akmuo, vanduo, stuomuo, liemuo, Zelmuo,
augmuo und rudduo zusammen. Syrvid Diet. (Ip, 23 steht es
als momuo, aber ohne Genitiv angeführt. Aus alten Texten zeigt
die Flexion mit en Willent 32, momeni (Akk.), Rhesa 71: momenies,
68s: muomenimi, Bretke, Ps. 7,17 momenies (G. Sg.). Die übliche
Form bei Bretke ist aber m(u)oma, os, so Post. II 369, Deut. 28,35
33,16.20, Reg. II 9,35, Chron. I 11,10, Ps. 68,22, Luk. 23,23. Da-
gegen ist Sam. II 14,25 ikki momos zu momones korrigiert. Davon
hat nun auch Ruhig Reste. Zwar heißt es I 90° momuo, ens und
II 187° 193% 403° muomuo, ens, aber daneben steht I 90° momonys,
onio II 305° muomonys, onio. Mielcke hat nur II 408? muomonys,
-nio, I 173° schreibt er momenys. Reichlicher belegt die Flexion
mit uon- Būga a a. O. 425, so heißt es ostlit. in Dusetos mömuone
oder ınomuö, mömuoni, in Zem, Mundarten und in Juskievid’s
Hochzeitsliedern mömüne. Man wird moma vielleicht auf *momnä
1) 11 2668 fehlt die Angabe des Genitivs.
16*
244 F. Specht
zurückführen müssen. Im übrigen wage ich über die Flexion
nichts zu sagen, da mir die Etymologie und daher auch die
Stammbildung unbekannt ist. Schließlich bedarf noch einer Er-
wähnung das Wort für „Gehirn“, „Mark“ auch „Zahnfleisch“
(Schwyzer ob. LVII 260), das als Plurale tantum smägens hie und
da angesetzt wird. Da hier ein men-Stamm nicht vorliegt, wäre
die Flexion gar nicht am Platze. Apreuß. heißt das Wort mus-
geno. Das dem Baltischen am nächsten stehende Slav. hat den
ö-Stamm mozg3, der durch die Übereinstimmung mit av. mazga-
und ahd. marg als alt erwiesen wird. Demnach müßte man
smägens als n-Erweiterung eines &/ö-Stammes ansehen. Dafür
spricht allein schon, daß in alter Zeit der n-Stamm überhaupt
kaum belegt ist. Der im Apreuß. überlieferte «-Stamm findet
sich wieder bei Syrvid Diet. 3 40 dziesla gingivae smagienos, 11®,
119® smagienos (N. Pl.), Punkt. 1 30329 304. smagl(i)enas (Akk. DL)
Dazu wird man auch den Gen. Plur. I Lee smagenu rechnen
müssen. Den ö-Stamm kennt ferner Klein, Gr. 70 smagenos, me-
dulla, dazu Gebetbuch 95, kaulai smagienu, Ruhig H 1645 sma-
ganos'). Neben dem -Stamm steht ein 2-Stamm smagines bei
Ruhig (I 135? H 164 2065 (2 X) 251P 408). Mielcke hat wieder
genau das gleiche. Auch Kurschat, Lit. W. gibt smägenes und
'smägines an. Ein smaginai (N.Pl.) ist bei Bretke das übliche
(Gen. 45,18 = riebuma, Hiob 21,24, Jes. 25,6, Ebr. 4,12), daneben
aber auch Hes. 24,4 am Rand smaginei, ebenso schreibt Haack
smaginnei neben -nes®). Syrvid Diet.‘ 294° sub spik w kosciach
kennt außerdem den i-Stamm smagenis, ähnlich smäginis bei Bezzen-
berger, Lit. Forsch. 173. Die Wolf. Post. 94%, 214° kennt die Genitive
smaginy und mit falscher Schreibung im Anlaut 46° Zmageny.
Durch 828 smaginamus wird auch hier ein alter ö-Stamm sicher
gestellt. Da die Schwächung von en zu in in Mittelsilben dort
sehr selten ist, muß man smagen- neben smagin- ansetzen. In
gleicher Weise weist die dauernde Schreibung mit in bei Bretke
auf smagin-. Zweideutig ist die Schreibung smagines (N.Pl.) im
1) So ist für smganos oder singanos zu schreiben. Mielcke hat auch hier
das unsinnige söinganos übernommen. Von da ist es in das Wörterbuch von
Nesselmann und weiter mit falscher Auflösung von R. (Ruhig) zu Russ. in das
von Kurschat gedrungen.
°) In einem handschriftlich erhaltenen deutsch-litauischen Wörterbuch vom
Jahre 1728, das in dem litauischen Seminar zu Halle angefertigt worden ist,
heißt es unter den Stichwörtern: „Gaumen“ Padange, smaginns (wohl für
smagines verschrieben), „Gehirn“ smagenos, „Hirn“ smagines, „March“
smagenos. K.-N.
Die Flexion der »-Stämme im Baltisch-Slavischen und Verwandtes. 945
Katech. von 1598 S. 56. Während dort in nur hochlit. ¿ enthalten
kann, ist bei der Endung -es Länge und Kürze möglich. Es kann
also entweder e- oder konsonantischer Stamm vorliegen. Wegen
in ist das erste wahrscheinlich. Auch das Lettische kennt diese
Buntheit, so smadzenes, smadzenis, smadzeni, smadzines, smadzini,
smadzini, smaganas, smedzenis (= lit. smegenys). Es hat sich also für
das Lit.-Lett. eine Stammgestalt smagen-, smagin-, seltener smagan-
ergeben, an die die Flexion der o, e oder i-Stämme angetreten
ist. So etwas findet sich bei keinem n-Stamm wieder. smagin-,
das einer Ableitung von einem £/ö-Stamm mit n-Suffix zu wider-
sprechen scheint, ist, wie schon Leskien, Nom. 383 hervorgehoben
hat, nach der Analogie der zahlreichen femininen Stämme auf -ine
umgebildet worden. Daran kann auch nichts ändern, daß sich viel-
leicht schon bei Daukša auf Grund von 84, = 115,, 533ı smägeny,
445; smägiany und 90, = 123, smägenis (Akk. Pl.) ein n-Stamm
erschließen läßt. Doch widerspricht hier die Betonung den alten
n-Stämmen. Auch Ruhig führt wenigstens einmal II 206? (= 274»
Mielcke) ein smägens an. Nach alledem kann der gelegentliche
Übertritt in die Flexion der n-Stämme erst spät erfolgt sein. Er
ist ausgegangen vom Gen. Plur. smageny zum Nom. Pl. smagenos,
der wie akmend aussah. Aber möglich war die Durchführung
nach den n-Stämmen nur, weil der Singular so gut wie ganz
fehlte’). Auch das häufige feminine Geschlecht ist bei einem n-
Stamm etwas Ungewöhnliches (vgl. Verfasser, Syrvid XXIX)9. Da
also alles im Litauischen gegen alten n-Stamm spricht, kann Ver-
bindung mit ai. majjdn- nicht möglich sein. Es steht selbst gegen-
über av. mazga- isoliert, und man wird in ihm wohl eine Nach-
bildung nach plihön „Milz“, murdhán- „Kopf“ sehen müssen, die
gleichfalls zum menschlichen Körper in Beziehung stehen. Auch
an die Neutra ásan- „Blut“, cöksan-, dksan- „Auge“, äsdn „Mund“,
dosän- „Arm“ sei erinnert, die z. T. selbst erst indische Neubil-
dungen sein müssen (Debrunner-Wackernagel, Ai. Gr. III 316).
Andererseits ist abulg. mo&dany (Akk. Pl.) Psalt. Sin. 65:1, für
eine Flexion der n-Stämme nicht zu verwenden. Das Wort ist
hier Adjektiv mit gleicher Suffixbildung wie medv zu medens, rog%
zu roZans (Leskien, Abulg. Gram. 92f.). Auch moždeni (Akk.Pl.),
mo2dens (Gen. Pl.), die sich in andern ksl. Redaktionen finden,
brauchen nicht für alte n-Stämme zu sprechen, sondern können
1) Ruhig II 251b kennt einmal ein smaginne, desgleichen Haack 192b.
2) Dazu kommt noch Bretke Luk. 19,3 stomenes (N. Pl. fem.) Apok. 1,16
dvi aömeni (Ebr. 4,12 su dviem asmenim).
246 F. Specht
wie lit. smägens erst sekundäre Umbildungen sein. Lehrreich ist
auch, daß im Apr. neben musgeno in ähnlicher Bedeutung mit
gleicher Suffixbildung ferner ein strigeno vorhanden ist, das in
ähnlicher Gestalt auch das Slavische kennt, wie slov. str$en neben
str2. Vgl. auch Trautmann, Balt. slav. Wort. 290.
Eine ganz ähnliche Umbildung liegt in kepenos zu köpens
„Braten“ vor, das Schleicher, Les. notiert. Leskien, Nom. 381 glaubt,
daß das ganze Wort durch russ. pečenb beeinflußt ist, aber das
ist nicht einmal nötig‘). Das gleiche Verhältnis wie zwischen
kepenos zu këpens kehrt wieder in krekena (daneben auch kr&kenas)
zum Plurale tantum krökens, krekeny (Būga in Juskieviös Wörter-
buch H 2265). Diese Ableitungen auf -ena (-ana) stehen im Lit.
in der Regel zum Verbum in Beziehung und haben dann die
Bedeutung eines Nomen acti, wie kepenà zu kepti, krekenä zu
(su)kreketi, griuvend (Ruinen) zu griäti, káišena (Hobelspäne) zu
kaisti (hobeln), puvena zu púti, lüpenos zu lüpti, gyvenà zu abulg.
Zivg (vgl. lit. gaivinti), žem. dovenà (hochlit. dovanà zu déot u.a.
Vgl. die Zusammenstellungen bei Leskien, Nom. 382f. und Büga,
Kalb. 51. Das letzte Beispiel weist auf griech. Bildungen wie ġðovń
zu fjdouaı (ob. S. 217 Anm. 2) duneydvn’) zu duntyw, Beidvn zu
lit. gelti. Daß sie irgendwie zu n-Stämmen in Beziehung stehen,
ist durch nichts zu erweisen. Auch audenis Bretke Act. 27,14 =
audinis „Nordostwind“* und der aus audenies korrigierte Genitiv
audenes (Bretke Jes. 34,14) „Marder“, der sonstigem audinë") ent-
spricht, kommen für alte n-Stämme ernstlich überhaupt nicht in
Frage. Schließlich sei noch aus Bretke das Wort für den „Fuhr-
mann“ vesmenas erwähnt (z. B. Sam. 6,3, Reg. I 22,34, Chron. I
14,7, II 18,33, Jer. 51,21, Hes. 23,6f. 27,27). Leskien, Nom. 418
verzichtet auf eine Deutung. Das Wort muß durch lett. väsmis
„Fuder“ (Mancelius 66") mallkasväsmis (ib. 332) beeinflußt sein,
Ulmann kennt als „Fuhrmann“ ein vesminieks*). Es kommt also
auch als Gegenbeispiel überhaupt nicht in Frage.
1) Bretke Lev. 3,10, Tob. 6,6, kennt nur den fem. ä-Stamm, der aber im
ersten Fall im Akk. Pl. zu kepanus korrigiert ist.
9) Zu der wechselnden Betonung des Griechischen vgl. Solmsen, Beitr. 52.
3) Das Wort steht so bei Šlapelis und Niedermann, ist auch Daukantas z. B.
Darb. 24 10 57u nicht unbekannt. Bezzenberger, Lit. Forsch. nennt audene „Marder“.
*) Hierher gehören wohl auch ösvezmenti „daraus fortnehmen*, pavezme-
nusi „heimlich fortgenommen habend“, die Bezzenberger, Lit. Forsch. 197 als
Entlehnungen von poln. wezme, -wziąć ansieht, und vazmä (Zvingiai) Taut. ir
Žod. 1 351. Sämtliche Beispiele mit z statt ž entstammen dem niederlit. Sprach-
gebiet. Man wird daher in ihnen Reflexe des ehemaligen Kurischen sehen müssen.
Die Flexion der »-Stämme im Baltisch-Slavischen und Verwandtes. 947
Damit hat die Prüfung der scheinbar widerstrebenden Fälle
bis auf momuö, wo ich die doppelte Flexion zu erklären außer
Stande war, ganz eindeutig für das Litauische das Resultat er-
geben, daß nur die ehemaligen men-Stämme im Genitiv -men(e)s
haben, die alten en-Stämme hingegen das ö des Nominativs auch
in den obliquen Kasus, wie -won(e)s durchgeführt haben. Im
Lettischen sind leichte Verschiebungen eingetreten. Die lit. En-
dung -uonis ist dort wie im Lit. im wesentlichen auf Nomina
agentis und Krankheitserscheinungen beschränkt, findet sich aber
gelegentlich auch außerhalb dieser Bedeutungssphäre, vgl. unten
S.261ff. Dagegen sind öfter Bildungen von nicht men-Stämmen,
denen lit. die Flexion -uo, -uones zukam, in die Flexion der men-
Stämme übergetreten. Ich verweise auf das Material bei End-
zelin, Lett. Gr. 242f., 321 und hebe daraus hervor sirsenis „Hor-
nisse“ und zibens „Blitz“. Auch für das Slavische läßt sich eine
ehemalige ähnliche Verteilung wie für das Litauische nachweisen.
Die sogenannten n-Stämme haben bei neutralem Geschlecht, wie
es sich gehört, stets men-Suffix, von den Maskulinen zeigen es
kamen-, remen-, plamen-, kremen-, Zecken. So bleiben von den
gebräuchlichsten übrig koren- „Wurzel“, jelen- „Hirsch“, stepen-
„Stufe“, greben- „Kamm“, presten- „Fingerring“. Davon ist prsten
deutlich eine ursprünglich adjektivische Ableitung von przstz, je-
Zeng hat sein Gegenstück in alit. elenis, elnis, griech. lapos, &AAdc.
Ein reiner „-Stamm läßt sich nur vermuten, in keiner Sprache
mehr nachweisen. Man könnte mit gleichem Rechte auch von
einer Erweiterung mittels (e)n- sprechen. Im Altbulg. rechnet
man das Wort zwar zur konsonantischen Flexion, aber das Alit.,
das sonst konsonantische Flexion. sehr gut bewahrt hat, kennt
nichts davon, sondern flektiert als ¿o-Stamm. Es wäre daher
wohl denkbar, daß im Slav. der Akk. jeleno als iö-Stamm, der
äußerlich zu kamen» stimmte, auch dessen Flexion angenommen
hat. Das war umso eher möglich, als Vermischungen zwischen
io- und i-Stämmen nicht selten sind, andrerseits aber ¿i und kon-
sonantische Stämme in den meisten Kasus übereinstimmen, weit
mehr als es die in der Grammatik angesetzten Paradigmen auf
den ersten Blick zeigen können. Schwieriger ist mit stepenb und
grebenb fertig zu werden. Seiner Bedeutung nach ist stepend
Verbalsubstantiv und gehört zu einem Verbum *steti aus *stepti,
das in stgpiti bewahrt ist. Dann könnte man es auf altes * step-men-
zurückführen, wo in den schwachen Kasus *stepmn- zu *stepn-
werden konnte, aus dem dann nach Beseitigung der schwachen
248 F. Specht
Kasus im Slav. stepen- wurde. Bei grebenv zu greti spricht die
Bedeutung zwar dagegen, denn man müßte etwa den Sinn „das
Kratzen oder Gekratzte“ erwarten. Aber eine ganz ähnliche Be-
deutungsentwicklung liegt vor bei vreteno „Spindel“ zu ai vär-
tana- „das Drehen“. Trotzdem macht die merkwürdige Überein-
stimmung zwischen abulg. grebenv zu greti und lat. pecten zu pecto
die Annahme wahrscheinlich, daß en auch als Suffix eines
Nomen instrumenti verwandt wurde. Aus ai. ásan- neben dsman
„Schleuderstein“ (Joh. Schmidt, Krit. 88f.) rasmdn „Riemen“ und
Neutra wie syüman „Riemen“, särman „Schutz“, däman „Band“,
ksädman „Vorlegemesser“ u. a., griech. zeiauwv „Tragriemen“
geht aber wieder hervor, daß sowohl pecten’) wie grebenv ur-
sprünglich ein men-Suffix hatten. Russ.-ksl. serssenv fände An-
knüpfung an lett. sirsenis (s. ob. S. 247), stünde aber im Gegen-
satz zum Litauischen. Bei korenv weisen die nichtsüdslavischen
Sprachen auf einen N. Sg. *koren, weshalb ich auf Zubaty, Rocznik
slawistyczny II, 4 verweise. Hier ist die n-Flexion im N.Sg.
allerdings nicht zu bezweifeln. Schwieriger ist die Ableitung.
Die Grundwörter liegen vor in lit. köras „hoher, verwitterter alter
Baumstumpf“, lett. cers „Strauch“, slav. Gap „Wurzel“, in den
meisten slav. Sprachen aber „Strauch“. Dazu kommen noch Ab-
leitungen, wie apr. kirno „Strauch“, lit. kirna „Windbruch, Ge-
strüpp, Strauchband“. Vgl. auch Meillet BSL. XXIII 85f. Dann
könnte das Wort ursprünglich heißen „alles, was zum Strauche
usw. gehört“, d. i. „Wurzel“. Merkwürdig bleibt allerdings die
o-Abtönung, die doch wohl ein Substantiv *koros voraussetzt.
Seiner Bedeutung und Bildung nach fände dann kore eine An-
knüpfung an ein paar gleichfalls sonst isolierten Bildungen des
Griechischen. Wenn man die Substantiven auf on, die Solmsen,
Beitr. 116ff. gesammelt hat, überprüft, so sind sie fast samt und
sonders adjektivisch oder Personenbezeichnungen. Bei Acıynv
„Flechte* könnte man von der Bedeutung „Lecker“ ausgehen
(Solmsen a. a. O. 124). Dann bleiben nur, wenn man von den
etymologisch nicht ganz klaren owAnv und dodınv absieht, win»
„Hüftknochen“ zu xö4ov und nvgnv „Kern“ zu zmuoós. Auch an
das gleiche Paar oeéidu zu aölös sei erinnert. Es liegen dann
wie bei korę zu keras also auch hier Ableitungen von einem ð-
1) Etwas anders darüber Lommel ob. LIII 309ff., zu dessen Zusammen-
stellungen mit Z-Erweiterung ich hinzufüge das wohl derselben Sphäre angehörige
ahd. retexuit (für retexit der Vulgata): widirwiftit (abd. Gloss. I 563»), dazu
die Substantiva ags. veft, vift, mhd. wift u. a.
BE Si WT TTT "8
Die Flexion der »-Stämme im Baltisch-Slavischen und Verwandtes. 949
Stamm zugrunde, ohne daß der »-Stamm eine Person bezeichnet.
Altbulg. jesenv, apr. assanis ist deshalb dem Schicksal entgangen,
als slav. n-Stamm angesprochen zu werden, weil es Femininum
ist’). Jedenfalls können die vorgeführten Beispiele bis auf korę
nirgends alte n-Flexion wahrscheinlich machen. Was aber das
Wichtigste ist, nirgends findet sich bei den slav. n-Stämmen noch
die Bedeutungskategorie der Nomina agentis, wie sie durch ai.
rdjä, griech. denywov, lat. praedo, got. nuta, lit. paklaiduo, um je
ein Exemplar zu nennen, geboten wird. Dafür mußten im Slav.
ganz andre Formationen eintreten. Daraus ergibt sich schlagend,
daß die Flexion der sogenannten slav. n-Stämme nur zu der lit.
Gruppe akmuö stimmt, daß aber die Flexion, die durch lit. palai-
duo, -uones geboten wird, im Slav. aufgegeben und durch andre
Bildungen ersetzt ist”).
Man kann weiter fragen, was aus den paar lit. Bildungen auf
-uo, -uones im Slav. geworden ist, die nicht Nomina agentis waren.
Die Antwort darauf gibt das Wort für die „Pferdedrüse“, russ.
železá, lit. geleZuones. Lit. scheint es Plurale tantum zu sein. Der
Singular würde geleZuö lauten, der bis auf das mittlere e genau
einem urslav. *Zelza entspräche. Da es sonst Berührungen zwischen
n- und ö-Stämmen nicht gibt, so kann *Zelza nur ein vorslav. * gelzö
fortsetzen. Das Wort lehrt uns also, woran niemand hätte zweifeln
sollen, daß auslautendes idg. -ð urslav. zu 3 geworden ist, vgl.
auch N. Akk. Dual der ö-Stämme raba <ð. Ich verweise auch
auf die Beispiele, die Zubaty, Rocznik slawistyczny H 4 zu-
sammengestellt hat. Nur ist aruss. sersa nach den Ausführungen
Leskiens, IF. XX VIII 137£. zu streichen. Um altbulg. -y des Nom.
Sg., das nur der Suprasliensis kennt, zu erklären, bin ich so alt-
modisch anzunehmen, daß die daneben stehende Form des Nom.
Sg. auf on schon vorslav. -s aus andern Bildungen des Nomina-
Des erhielt und über -öns schließlich zu -y wurde. Für den aber,
der an solchen Übertragungen von -s zweifelt, verweise ich auf
die Fälle, die ich schon Stand und Aufgaben der Sprachwiss. 628
zusammengestellt habe, wie apreuß. kērmens, lett. akmens, wo der
Stamm en auch in den Nominativ gedrungen ist, altlett. akmuons
und bei r-Stämmen žem. moters.
1) Über Versuche dieser Art vgl. Trautmann, Balt.-slav. Wört. 71.
2) Die Arbeit von Vaillant, „Les noms slaves masculins en on" Slavia IX
(1930/31) 490ff. kam mir erst während der Korrektur zu Gesicht. Ich kann
daher auf Einzelheiten nicht mehr eingehen. In dem einen Ergebnis, daß nämlich
die abulg. Flexion N.Sg. a G.Sg. -ene usw. nur den men-Stämmen zukommt,
sind wir einig.
250 F. Specht
Auf Grund der geschilderten slav. Verhältnisse wird man an-
nehmen müssen, daß die verschiedene Flexion zwischen n- und
men-Stämmen, die im Lit. z. T. noch vorliegt, bereits baltisch-
slavisch gewesen ist. Im Slav. ist dann die Flexion der n-Stämme,
soweit sie Nomina agentis betraf, durch andre Bildungen ersetzt,
der Rest fiel lautgesetzlich mit den ä-Stämmen zusammen und
flektierte wie diese. Auch im Lit. ist mundartlich eine starke Be-
schränkung der ehemaligen n-Stämme eingetreten. Ob die alten
n-Stämme auch im Slav. wie im Lit. einst ön durch das ganze
Paradigma durchgeführt haben, ist von vornherein nicht zu ent-
scheiden. Doch weisen einige Besonderheiten der Stammbildung
darauf hin. Bereits Berneker, Slav. etym. W. 372 hat, wenn auch
zweifelnd, an Zusammenhang zwischen altbulg. orztonp und den
lit. Bildungen auf -uonis gedacht. Dann muß die Bedeutung
„Kehle“ sich aus dem Nomen agentis „Schlucker“ entwickelt
haben. Solche Übergänge sind zahlreich im Sprachleben vor-
handen. Demnach kann grztanb nur aus dem Akkusativ vorslav.
*grton,m zu *grtönim erwachsen sein, natürlich zu einer Zeit, als
der Unterschied zwischen belebten und unbelebten Wesen im
Slav. noch nicht ausgebildet war. Gerade das auffällige Maskulinum
macht eine solche Herleitung im höchsten Grade wahrscheinlich.
Wenn ferner grštanbo so isoliert steht, so wird das dadurch ver-
ständlich, daß es zu der Zeit, als Nomina agentis auf an durch
andre Bildungsweisen ersetzt wurden, es diese Bedeutung bereits
abgestreift hatte. Russ. brjuchán „Dickbauch* zu brjücho, loban
„Großstirniger* zu lob, zuban „Großzahniger* zu zub, gorlän
„Schreihals* zu görlo (Miklosich, Stammbild. 124f.) stehen in
gleichem Verhältnis zueinander wie lat. Naso zu nasus’), Capito
zu caput usw. Was aus dem Baltischen hierher gehört, ist be-
reits ob. S. 240f. zur Sprache gekommen. Bei baján „Märchen-
erzähler“ ist allerdings eine sichere Entscheidung nicht möglich.
Es könnte auch zur Basis baja- mittels -no-Suffix gebildet sein,
wie lit. kiutõnas zu kiuto- s. ob. S. 225f. Dagegen ist umrán
„Toter“ in seiner Analyse wieder ganz eindeutig. Wie orgaßds
zu Irodßwv, żyaľós zu Juden, pikos zu Diñfwv, got. blinds zu
blinda verhalten sich ferner die Ableitungen slov. velikan „Riese“
zu veliks oder serbische Eigennamen wie Dugan zu dug (= disg),
Milan zu mil, Zivan zu Ziv. Hier hat bereits Jagié, Archiv f. slav.
Phil. XXXI 229 auf die genaueren griech. Entsprechungen hin-
gewiesen. Vondrák, Vgl. slav. Gram.? 1547, Anm. 1 ist wohl ge-
1 Doch vgl. dazu W. Schulze, Zur Gesch. d. lat. Big. S. 314.
Die Flexion der »-Stämme im Baltisch-Slavischen und Verwandtes. 251
neigt ihm zuzustimmen, leitet aber trotzdem 546 diese Bildungen
auf -an von femininen -Stämmen ab, wie župan% von župa. Das
wäre der ob. S. 226f, besprochene lit. Typus lavönas, ligonas. Aber
das stimmt wie im lit. -onas nur für einen Teil der Bildungen.
Schon bei slav. glavan habe ich trotz glava starke Bedenken. Man
kann also abschließend sagen: im Slav. finden sich Bildungen auf
-ans, denen in der Bedeutung außerhalb des Slavischen wie im
Baltischen Substantiva auf oral entsprechen. Dann kann dieses
-ans aber nur wieder aus dem obliquen Kasus stammen, in die
das & des Nom. Sg. übertragen wurde. Ferner muß man bei -anz
wie bei lit. palaiduonas neben lett. palaiduonis mit einem Über-
gang in die Flexion der 0-Stämme rechnen.
Auf eine andre Klasse, in der die konsonantische Flexion
viel treuer bewahrt ist, hat weiter schon Meillet, Mém. XI 11;
XIII 251 hingewiesen. Es sind die Volks- und Einwohnernamen
auf Aus, die im Plural scheinbar ihr Zus") verlieren und kon-
sonantisch flektieren, wie graždane „Städter* zu yrade. Das Be-
deutungs- und Bildungsverhältnis ist etwa wieder das gleiche wie
zwischen doöuos und doduw» oder odgdvıos und Odgaviwv. Nur
eine Schwierigkeit besteht. Da im Slav. idg. ö mit e das nach
Palatalen steht, zusammengefallen ist, so läßt sich die Qualität
des ë nicht sicher feststellen. Meillet setzt es gleich ó und ver-
gleicht damit lat. centurio. Dann würde graädane in seiner Bil-
dung unmittelbar lit. palaiduones entsprechen. Da aber neben
graždane auch Plurale wie Slovne stehen, so könnte auch ein
vorslav. *gordjenes zu Grunde liegen. Das j würde dann über-
tragen sein aus Bildungen wie zemljane?) „Landsleute“, das genau
dem Grundwort zemlja angepaßt ist wie lit. galiünas neben galünas
dem Präsensstamm gali-. Im letzten Fall würde graädane mit
Slovene zu lit. Bildungen wie girönas „Waldbewohner* gehören.
So faßt auch Brugmann, Grundr.” II 1, 308, 318 diese Wörter auf.
Nur halte ich es für überflüssig, mit ihm girenas erst aus girienas
herzuleiten. Im Ablaut zu girenas steht vielleicht uzgirronis aus
Mielcke, ob. S. 239.
Auch Slovene wie girönas weisen wieder auf Durchführung
des langen Vokals aus dem Nom. Sg. durch das ganze Paradigma.
Das hat bereits Brugmann a. a. O. 308 angedeutet. Oben S. 248
hatte ich auf das russ. und wslav. *koren hingewiesen, wo der
&-Vokal im Nom. Sg. vorhanden war, vgl. auch Vondrák a. a. O.
1) Vgl. Grünenthal, Arch. f. slav. Phil. XXXVIII 137í.
2) Etwas anders Vondrák a. a. O. I 660.
959 F. Specht
1543. Das würde einem Nom. Sg. wie griech. Jetzän, -ñvos ent-
sprechen. Dies 2 ist also in Slovene oder lit. kalnenai genau so
übertragen wie das a des Nominativs in russ. brjuchan. Nur ist
in Slovene die konsonantische Flexion noch rein erhalten. Ferner
stehen nebeneinander ksl. mladenvco, mladonpcv und mladenpev. Die
beiden ersten sind Ableitungen von einem urslav. *moldmen- s.
ob. S. 242; mladenvcv setzt ein vorslav. *molden voraus, das sich
zu *moldos = mlads verhält, wie Irodßwv zu oroaßös. Nur ist
bei diesen Bildungen im Slav. auch die ¿-Stufe vorhanden. Das
deckt sich mit dem Griechischen, wo sich Eigennamen auf -yv
besonders auf dorischem Sprachgebiet finden. Solmsen, Beitr. 116
denkt an altächäisches Sprachgut. Neben -øn und -5 im Nom. Sg.
hat es also auch ein an und e gegeben. Auf ein solches - muß
man Srse neben Sirsuo zurückführen, das mir mit Stoßton aus
Miknaitiai bei Naumiestis (Suv.) bekannt ist. Darauf hat schon
Zubaty a. a. O. hingewiesen. Man wird nun auch verpflichtet
sein überall da, wo im Nom. Sg. -me neben -muo steht, in me die
Fortsetzung von alten, idg. -mö(n) zu sehen. Trautmann will
zwar balt.-slav. Wort, 280 ein solches -mē auf ae zurückführen.
Aber diese an und für sich mögliche Annahme scheitert an dem
Paar sirsuo — Sirse. Vorhanden ist diese Doppelheit in kirmuö
neben kiřmė. Der Gen. Sg. kirmes findet sich in kollektiver Be-
deutung bei Bretke Gen. Lo und ist zu kirmeliy korrigiert"). Bretke,
Giesm. 102, kennt ferner einen Gen. Sg. lemes, dem bei Seng-
stock 41 ein liemens entspricht. Hier könnte vielleicht ein Druck-
fehler vorliegen, denn der Reim dazu nuimts ist ohnehin so
schlecht, daß er weder für das eine, noch für das andre sicher
entscheidet. In der Knig. 2541s: steht ferner ein ant piumes neben
sonstigem pjumenies (z. B. Mald. 5950 7121.25 742.22). Hier habe
ich mir leider nicht notiert, ob pjumes im Reim steht und durch
diesen bestätigt wird. Da aber piume in den Pamokstay von
Jassykiewicz (vgl. darüber Leskien, Nom. 157) wiederkehrt, ist
mit einem Versehen nicht zu rechnen. Neben almens gibt es
ferner ein alme, elme, neben straumuo ein sriaume (Trautmann,
Balt.-slav. W. 280)°). Weiter steht !ygmuö und lygme (oft bei Dau-
1) Das Verhältnis zwischen kollektivem %ö7me und dem Einzelwesen kirmele
entspricht dem von got. kaurn zu kaurno, poln. groch zu groszek, čech. kräch
zu hräsek, W. Schulze ob. XLVI 191, Grünenthal a. a. O. XXXVIII 137f. Über
das ganze Problem vgl. J. F. Lohmann ob. LVI 37f. LVIII 206ff.
2) In dem handschriftlichen Deutsch-lit. Wörterb. von 1728 heißt es außerdem
unter „Länge“ stume = stuome, unter „Manneslänge® stumu = stuomuo. KN.
Die Flexion der »-Stämme im Baltisch-Slavischen und Verwandtes. 253
kantas) zu /jgus im gleichen Verhältnis, wie ostlit. dräsme zu
drüsus, gilme zu gilüs, tankme (bei Daukantas) zu tánkus, smulkme
(Juskievic, W. II 196° 2440) zu smulkus. Man könnte daher auch
Bildungen wie lygmenē, piumen® u. a. als alte Umbildungen'') von
lygme, piume nach den obliquen Kasus ansehen. Jedenfalls zeigen
Sirse neben sirsuo, kifme neben kirmuö, pjume neben pjumuö, leme(?)
neben liemuö, sriaume neben straumuo, almë neben almens und
Ableitungen wie lygmė neben lygmuð, daß auch im Lit. einst im
Nom. Sg. -&(n) neben -ə(n) vorhanden war. Da dieses d mit dem
Nom. Sg. der 2-Stämme und den zahlreichen Kontrakta auf 79
zusammenfiel, so nahm es auch deren Flexion an. Aber daneben
ist & bei nicht men-Stämmen auch in die obliquen Kasus gedrungen,
und von hier aus ist dann on in den Nom. Sg. mit Umbildung
nach den ó-Stšmmen °) zurückgeführt. Derartige Bildungen liegen
in kalnenas, girönas usw. vor.
Aus dem eben beschriebenen Tatbestand geht also deutlich
hervor, daß schon im Baltisch-Slavischen nicht nur die Flexion
der en- und men-Stämme geschieden war, sondern daß bei den
en-Stämmen, soweit sie Lebewesen waren, auch die Länge des
Nominativs als ö durch das ganze Paradigma durchgeführt wurde.
Aber ebenso muß balt.-slav. neben om) im Nom. Sg. auch ein
a(n) bestanden haben. Auch dieses ë des Nominativs ist bei den
en-Stämmen durch das ganze Paradigma durchgeführt worden
(Slovene, kalnenas). Daneben sind im Litauischen Sirse und die
men-Stämme vom Nom. Sg. auf -mé aus in die Flexion der e
Stämme übergegangen. Das war dadurch begünstigt, weil es
sich bei diesen Bildungen um keine männlichen Lebewesen han-
delte. Im Slavischen sind die en-Stämme bei Nichtlebewesen vom
Nom. Sg. auf -a aus in die Flexion der ö-Stämme übergetreten.
Ich glaube der Schluß ist unvermeidlich, daß es bereits Balt.-Slav.
eine Flexion Nom. ol, Gen. -önes (und -&(r), -enes) für Lebe-
wesen, aber -mö, Gen. -menes Lag, -menes und -mē, -mes) für men-
Stämme gab. Etwas altes kann ich jedoch mit Brugmann, IF.
XVIII 428 gegen Meillet, Mém. XI 11ff. XII 250f. darin nicht
1) Die Umbildung wäre ähnlich wie bei vover&, wo aus ostlit. Nom. Pl.
vóverës Gen. vovery ein Nom. *vově aus *vover zu erschließen ist, d. h. also,
die Endung des Nominativs ist auf den Stamm der obliquen Kasus aufgepfropft
worden. Wichtig ist aber pjumene neben pjume auch darum, als es uns zeigt,
daß auch bei den men-Stämmen, die im Nom. Sg. -mé haben, die Länge des
Nominativs nicht in die obliquen Kasus gedrungen ist.
2) Zur Umbildung nach den ö-Stämmen vgl. das bereits ob. S. 236 erwähnte
palaiduonas für palaiduonis.
254 F. Specht
sehen. Es fragt sich nur, ob man auf Grund dieses Tatbestandes
den Gegensatz der Qualität des Vokalismus zwischen altbulg.
kamy, kamene und lit. akmuö, akmens so scharf verwenden darf,
wie es bisher geschehen ist. Ich wenigstens sehe keine Veran-
lassung, da sich auch al im Nom. Sg. für das Balt.-Slav. nach-
weisen ließ und das Griech., Lat., Germ. zwischen -ó@) und el
ebenfalls schwankt, einen Nom: auf -e@) neben -5(n) nicht für
idg. zu halten.
Eine besondre Besprechung verdient noch die Betonung der
lit. en-Stämme. Soweit ich aus meinen Quellen einen Schluß
ziehen kann, betonen die Substantiva auf -uonis, die im Sg. Oxy-
tona sind, bei Akzentzurückziehung die vorletzte, wenn die Wurzel-
silbe kurz ist, dagegen die Wurzelsilbe, wenn diese lang ist. Vgl.
atajuonis, -atajuöni, Ziniuöni, atlikuönys, atskaluönis (Šlapelis) und
Atskaluonis, gesuönio (io-Stamm) und ebenso kepuönig. Dagegen
bei Länge: gyvuonj, länduon; (Nom. Sg. löndounes, Kalvarija), lán-
kuones, pirmuonj, afitruonys, lieZuon, gelzuont, gJZuoni, grobuoni,
keikuoni, ¿duoni, Eduonig, mömuonj, tevuoni. Ausnahmen sind selten.
Ich kenne geluoni neben geluoni und atliekuönj neben gleichbe-
deutendem atlikuönj. Haben hier die Parallelbildungen die Aus-
weichungen veranlaßt? Von galuonis, -iës heißt ferner der Akk.
Sg. gäluonj „ausgelassener Mensch“. Aber hier bezweifle ich, ob
das Wort überhaupt in diese Gruppe von vornherein gehört. Die
Bedeutung weist es zu dem Infinitiv galúotis „ausgelassen sein“,
nicht zu galeti. Dann liegt es aber nahe, es ähnlich wie kiutönas
zu kiutöti als *galuo-nas zu analysieren, das dann nach den üb-
lichen Bildungen auf -wonis, mit denen es die Bedeutungssphäre
teilte, zu galuonis umgebildet wurde. Unklar bleibt mir die Be-
tonung des 2-Stammes ieskuönes bites bei Šlapelis, die durch die
gleiche Angabe bei Niedermann bestätigt wird. Aber genau der
Regel folgt das bei Niedermann nach den :-Stämmen angeführte
ieskuonis, ies (fem.!). Ostlit. geleZuones, auf das ich unten S. 266
zurückkomme, neben ge£leZunes, geleZünes, geleZaunes kann als ein-
ziges viersilbiges Wort einer andern Betonung folgen; Zaliuones
ist von Büga mit Unrecht hierher gestellt worden, s. u. S. 255.
Merkwürdig bleibt die Intonation des vo der Mittelsilbe. Man
sollte Stoßton erwarten. Da ostlit. geleZünes, wo ū nur analogische
Umbildung für *geleiuones sein kann, die alte Betonung indirekt
bewahrt hat und das Wort durch seine Bedeutung ganz aus dem
Rahmen der übrigen Bildungen auf -uonis herausfällt, so wird hier
etwas Altes vorliegen. Dann muß der Schleifton auf mittelsilbigem
Die Flexion der »-Stämme im Baltisch-Slavischen und Verwandtes. 255
uo übertragen sein’). Als Ausgangspunkt kommen die Synonyma
auf -nas und -@nas”) in Frage, auch das schleiftonige -uo im
Nom. Sg. mag mitgewirkt haben.
Mit diesem -uonis, -wone haben nichts zu tun die beiden
apsaluöne „Glatteis“ und Zdliuones „Gemüse“, das Būga im Ver-
bande mit atajuonis usw. nennt. Dagegen sollte schon die ab-
weichende Bedeutung sprechen. Auch der Akzent in Zäliuones
stimmt nicht dazu. Neben apsaluöne steht :issalveti „ausfrieren“.
Das Verhältnis der beiden Bildungen zueinander ist das gleiche
wie das von kalvà zu lat. columen, griech. xoAwvds, xoAwvn u.a.,
s. ob. S. 214. Auch Zäliuones kann ich nicht anders auffassen.
Trautmann a. a. O. 365 nennt im Anschluß an Būga das Wort
einen konsonantischen Stamm. Aber dabei bleibt doch auffällig,
daß Būga a. a. O. 423 den Nom. Plur. wohl als Zdliuones und 24-
liuonys, den Gen. Plur. aber nur als Zdliuoniy nicht als *Zaliuony
anführt. Es ist sonst im Lit. üblich, daß die konsonantische
Flexion am besten im Gen. Plur. erhalten bleibt. Da das Wort
ostlit. ist und Būga a. a. O. 450 für die gleiche Gegend die Nom.
Plur. duntes, Zuses, Zveres, Zuves, auses, naktes, Sirdes, gele2es, dures,
puses, öbeles, vöveres und die dazu gehörigen Gen. Plur. auf a,
nicht -ių anführt, so kann Zdliuones nur eine Neuerung nach den
dort gebräuchlichen Nom. Plur. auf -ës sein, indem dies -uones
den n-Stämmen, deren Flexion auf -uonis, G. Sg. -uones im Ost-
lit. gleichfalls geläufig ist, mechanisch angeglichen ist. Der Gen.
Plur. Zäliuoniy spricht entschieden gegen alte konsonantische
Flexion‘). Nun gehört zu Zälias ein Zelvas, Zalvas, lat. helvus. Man
könnte diese Bildung als žel + Farbensuffix -uos analysieren. Aber
es ist auch durchaus die Teilung Zelu-os möglich, dann stimmt
dazu, wie man längst gesehen hat, der Name der „Schildkröte“,
ksl. Zely, griech. y&Adg, yedvvn, yeA@vn, aus dem Lit. ferner Zaliake
„grüner Frosch“, Zalizkas „Mann mit frischen Kräften“, Zaliuöke
„ein Pilz“ (Būga a. a. O. 425), Zelänas „einer, dessen ganzer
Körper mit Haaren bewachsen ist“, Zaliüädinis (Būga 452). Es
liegt nun auch nahe ags. zieloca aus gelukan- hierher zu stellen.
Aber der Fall ist nicht ganz sicher. Denn wegen got. nagaps,
1) Auch die oben erwähnten Bildungen wie girenas, kalnenas sprechen
indirekt für alten Stoßton.
3) In diesem Zusammenhang sei an die ob. S. 240 angeführten Parallel-
bildungen, wie palaidünas — palaiduonis erinnert.
8) Es stimmt allerdings auffällig zu dem Gen. Plur. der Nomina agentis
auf -uonis bei Daukša, ob. S. 236.
256 F. Specht
ags. nacod ist es nicht unmöglich, *gelukan- auch weiter auf *ge-
luakan- zurückzuführen, vgl. auch Weyhe, P.Br.B. XXXI 45. Es
ist nicht ausgeschlossen, daß noch manches andre von dem, was
Büga 424ff. angeführt hat, hierher gehört. Aber es fehlen die
bestätigenden auswärtigen Parallelen.
Man hat längst darauf hingewiesen, daß bei den men-
Stämmen auch noch die alte Abtönung idg. on und a lange be-
standen haben muß, vgl. Brugmann, Gr.* II 1, 233, Endzelin, Lett.
Gr. 242f. Dahin weisen Ableitungen, wie ksl. kamönvje neben
kamenpje, mladinoco neben mladenbco (ob. S. 252), lett. akmins, lett.
luökmanis „Ellbogen“, lett. &dmana „Speise“ gegenüber lit. ¿dmenë
u.a. Schwierig ist die Beurteilung von in wie in akmin- in lit.,
besonders Zem. Mundarten. Ich habe früher an einen reinen
lautlichen Übergang von en zu in in offnen, unbetonten Mittel-
silben gedacht. Auch Būga, Wort 43? unter äkminas ist der
gleichen Ansicht. Aber für das Lett. scheint ein dialektischer
Wandel von en zu in nicht möglich zu sein. Aus altlett. Texten‘)
ist darüber wenig zu gewinnen, Canisius hat nur en in assens,
dubbens, udens, desgleichen die Und. Ps. assens, duebbens, sobens
und Kat. 1586 assens, udens, duebbens. Elger hat zwar udens,
dibbens, zobens, zibbens, greedzens, melmen-, aber ebenso konsequent
auch assins, akmins. Mancelius hat udens, ruddens, meilmenes,
rehmenes, skreemens, sisens neben spillwäns, kohka zirrmäns, ghrä-
dzäns, awäns, ihläns, pirdäns”), siwäns, kazläns, aber beständig as-
sins, akmins, asmins, zibbins und Schwanken zwischen dibbins —
dibbens und zohbens — zohbins®). Über die lett. Dialekte, die häufig
zwischen en und in schwanken, wage ich nicht zu urteilen. Da
aber Lett. und Zem. oft zusammengehen, halte ich es für das
Zem. für sehr wohl möglich, daß einige der üblichen -in- für -en-
auch alt ererbt sein können. |
Aber Būga hat Wort, 45° auch Fälle angeführt, wo in žemai-
tischen Mundarten die konsonantische Endung -mi, -mis unmittelbar
an den n-Auslaut des n-Stammes ohne das sonst im Balt.-Slav.
übliche ¿ getreten sein soll. Das ist etwas ganz Ungewöhnliches.
Seine Beispiele sind akmemis aus einem Zem. Druck des 18. Jahr-
1) Benutzt habe ich die Neudrucke von Günther, Undeutsche Psalmen und
Katechismus 1586.
°) Mühlenbach-Endzelin, lett. Wörterb. führen nur p»irdiens an. Daneben
stehen mit Länge mitunter vom gleichen Worte awähns, siwähns, zirrzehns
(Endzelin, Lett. Gr. 221).
3) Einmal 343 heißt es auch denckaspillwins „Banckpfühl‘.
Die Flexion der »-Stämme im Baltisch-Slavischen und Verwandtes. 957
hunderts und vdndemi in adverbieller Bedeutung aus Rietavas,
dazu aus Bretke akmemis, vandemi und vandeimi, wo ei offenes ë
vertreten soll. Grundform wäre also *akmen-mis. Die modernen
žem. Formen, die Būga anführt, sind unantastbar. Die Zurück-
führung auf *akmen-mis, *vanden-mi muß ich aber ablehnen. Be-
rufungen auf Formen wie Malda kn. 24ss sesermis, 244, duktermis,
48,2 po akmis sind nutzlos; denn in ihnen ist ż¿ erst nachträglich
geschwunden. In der Schrift kommt das nur selten zum Aus-
druck. Aber die Sprache der Mald. kn. gehört nach Nordost-
litauen, wo inlautende kurze Silbe öfter unterdrückt wird (vgl.
lit. Mund. IL 305, Syrvid XLVI. Angenommen n + m wären ur-
sprünglich zusammengestoßen, so wäre n unter Dehnung ge-
schwunden, vgl. Zym& aus *Zin-me. Aber en ist im Zemaitischen
geschlossen ausgesprochen worden, so daß das Ergebnis kein
vöndemi, sondern nur ein *vöndzmi oder *vöndimi gewesen wäre.
Aus diesem Dilemma könnte nur die Annahme retten, früher wäre
en im Zem. offen ausgesprochen worden. Beweisen läßt es sich
nicht. Denn schon unsere älteste Überlieferung weist auf ge-
schlossenes en.
Aber auch die Formen bei Bretke lassen sich nicht damit in
Einklang bringen. Er kennt sie allein aus der gesamten ali.
Literatur. Mosvid, Willent und die Wolfenbüttler Postille, die
ihm sonst vielfach nahe stehen, haben nichts davon. Die Vertei-
lung ist nun folgende: die Postille hat 3 vandemi, 5 vandeimi,
6 vandenimi, von denen 139: 17211.15 Insofern nichts beweisen,
als sie in den Evangelien stehen, vgl. E. Hermann, GGN. 1923,
119f. Bei Seite bleiben muß auch vandenim 122ıs aus den Lie-
dern, das ganz abseits steht und nicht Bretke zu gehören braucht.
Die Bibel kennt 57 mal vandemi. Davon ist Makk. I 15,37 von
2. Hand zu vandenimi korrigiert. Zu diesen kommen noch Reg. I
22,27 vademi und Lev. 15,11 vandeme, die für vandemi verschrieben
sind. Vandeimi findet sich 22mal. Davon ist Makk. I 15,14 von
2. Hand zu vandenimi korrigiert. Joh. 2,17 steht am Rand dafür
vandemi und Act. 1,5 ist es im Text zu vandemi geändert. Das
regelrechte vandenimi steht nur an drei Stellen (Num. 19,20.21;
31,23). Schließlich gibt es noch 5mal ein vandimi (Reg. I 18,4.13,
Reg. II 3,20, Hiob 9,30, Thren. 3,48), das an der letzten Stelle
aus vandiniu korrigiert ist. Dagegen findet sich akmemis nur
Lev. 20,27, und Num. 14,10 ist ehemaliges akmemis zu akmenimis
korrigiert. Sonst lautet der Plur. Instr. stets akmeneis, akmenimis
und akmenemis, wo oft das eine aus dem andern korrigiert ist,
Zeitschrift für vergl. Sprachf. LIX 3/4. 17
258 F. Specht
der Instr. Sg. fast ausschließlich akmenimi. Nur Makk. I 2,36 steht
akmeniu daneben. Man sieht also, die Verteilung zwischen akmemis
und vandemi ist ganz verschieden. Während bei Bretke vandemi,
vandeimi die regelmäßigen Formen sind und vandenimi ganz selten
ist, bleibt akmemis auf ein einziges Beispiel beschränkt. Daher
kommt es in den Verdacht, einfache Nachahmung von *vandemis
zu sein’). Dieser Plural ist sicher so anzusetzen. Wenn er nicht
belegt ist, so beruht das darauf, daß der Plural „Gewässer“ in
der Bibel unverhältnismäßig selten ist. Jede Betrachtung hat
daher in erster Linie von den Unregelmäßigkeiten bei vanduö
auszugehen.
Das moderne vöndemi soll nach Būga genau vandeimi ent-
sprechen, wo ei gleich ë sein soll. Aber die Schreibung ei be-
deutet bei Bretke nie etwas andres als Diphthong ei. Ein solches
ei erscheint aber žem. oft als Monophthong e, vgl. &ket = eikit aus
Rietavas bei Stang, Mosvid 154. Dann könnte vandeimi bei Bretke
genau vondemi in Rietavas entsprechen, allerdings in ganz andrer
Weise, als Büga es wollte. Alle diese drei Bildungen vandemi,
vandimi und vandeimi müssen irgendwie aus vandenimi entstanden
sein. Die Grundform *vanden-mi, die Büga ansetzt, führt niemals
zu offnem e, da durch vandinio neben vandenio und zahllose
andre Beispiele auch für Bretkes Zeit bereits geschlossenes en
vorausgesetzt wird. Wohl aber fallen vandenimi, vandenimus, van-
denimis insofern aus dem Paradigma heraus, als sie eine Silbe
überschießen und Ausfall des ; im Instr. Plur. wegen Länge im
Zem. nur selten möglich war. Dazu kommt die Aufeinanderfolge
dreier Nasale. Ich glaube daher, daß in vandenimi usw. Silben-
angleichung an vandenio, vandeniui usw. auf zweierlei Weise ver-
sucht wird. Erstens schwand das zweite n dissimilatorisch. Das
ergab vandeimi. Das Wort fiel natürlich völlig aus dem sonstigen
Paradigma heraus. Daher hat sich das moderne vöndemi auch
nur noch im adverbiellen Gebrauch erhalten. Der Ausgleichstrieb
führte wieder von neuem zu vandenimi’). Die zweite Art der
Dissimilation, die man Silbenschichtung zu nennen pflegt, war
gründlicher, indem von den beiden aufeinander folgenden Silben
an und en die zweite ganz unterdrückt wurde. Das Ergebnis
war zunächst vandimi. Da aber sonst im Paradigma auf d in
1) Bei Daukša gehen vanduo und akmuo auch darin zusammen, daß sie
beide starren Akzent auf der Wurzel haben.
2) Der Instr. vandeniu, der die ganze Umbildung vermieden hätte, war
bei Bretke nicht üblich.
Die Flexion der »-Stämme im Baltisch-Slavischen und Verwandtes. 259
der Regel e folgte, so trat natürlich vandemi daneben. Auf diese
Weise erklären sich vandeimi, vandemi und vandimi ganz unge-
zwungen. Der Plural *vandemis ıst dann auch gelegentlich der
Silbengleichheit wegen auf akmemis übertragen worden. Aber
sehr lebensfähig ist diese Bildung, da der Dissimilationstrieb fehlte,
nicht geworden. Irgend ein Anlaß, eine Form *vanden-mi, die
im Balt.-Slav. ihresgleichen sucht, anzusetzen, besteht also nicht.
Da die Bedeutung der Substantiva auf -uo (-wonis) im wesent-
lichen die der Nomina agentis war, so wurden sie mit den gleich-
wertigen Bildungen auf -znas assoziert, und aus dem Nebenein-
ander von -uonis und -ünas ist dann, wie bereits ob. S. 251 be-
merkt, ein -uonas entsprossen. Eine große Verbreitung hat das
Suffix allerdings nicht gewonnen. Būga, a.a.O. 421, 450 nennt
palaiduonas, Sum. 211» Akk. Plur. paviduonus und aus Vadökliai
den Eigennamen Kelmuonas, der ein Bruch mit Baumstämmen
bezeichnet. Aber, da das Wort in der Bedeutung völlig abweicht,
ist es wohl als -no-Bildung von der in kelmüoties vorliegenden
Basis kelmuo- anzusehen. Dazu kommt aus Bretke Jer. 10,18 vel-
duonus (Akk. Pl.), Post. I 122,» kleiduonas, das oben S. 239 ge-
nannte aguonas in abweichender Bedeutung und aus Slapelis
atskaluönas. Būga a.a. 0.449 sucht den Gegensatz palaiduonas
— palaidūnas im griech. gioun — xeAüvn wieder. Davon kann
nach der oben ausgeführten Analyse keine Rede sein. Ebenso
wenig kann man -uonas als unmittelbare Weiterentwicklung aus
dem Nom. Sg. auf -uo ansehen. Die Berufung auf griech. dywvog
Alkaios frg. Bgk. 121 aus dyw» hilft bei der Seltenheit dieser
Bildung nicht viel.
Ich habe bisher die lettischen Verhältnisse absichtlich fast
ganz aus dem Spiele gelassen. Sie geben eine Bestätigung des
Vorhergehenden und vielfach eine willkommene Ergänzung. Das
Lettische hat zahllose Bildungen auf -uonis, -uons') zunächst in
der Bedeutung von Nomina agentis, zu denen ich auch die Ab-
leitungen von Nomina rechne (ob. S. 240f.), daneben lassen sich
noch andere Bedeutungsgruppen herausschälen. Neben -won(t)s
steht nun oft in gleicher Bedeutung -uońa sowohl für Maskulinum,
als auch für Femininum. Auch diese Bildung kann Nomen agentis
sein, drückt aber noch häufiger jede Art des Geräusches aus.
Litauisches -uwonia ist ganz vereinzelt. Būga a.a. O. 450 führt
aus Leipalingis (Seinų apskr., also ganz im Süden) ein &duonia
1) Das Material habe ich meist dem Wörterbuch von Mühlenbach-Endzelin
entnommen.
17*
260 F. Specht
an, das „Fresser* bedeutet, also gut zum Lettischen stimmt, da-
neben aus Tverečius ein kepuonid, -iös, Akk. Sg. kepuönig in der
Bedeutung „Hitze“. Auch dafür werden sich im Lett. Bedeutungs-
verwandte finden. Es bleibt an und für sich gleichgültig, wie
man lett. -uońa, das nicht Nomen agentis ist, deuten will. End-
zelin, Lett. Gr. 241 neigt dazu, in -wona alte Nomina actionis zu
sehen, aus denen heraus sich erst die Bedeutung des Nomen
agentis entwickelt hat. Ich glaube nicht daran und würde für
viele Fälle den umgekehrten Weg einschlagen (vgl. Kretschmer,
Glo. XIII 101; W. Havers mit Literatur Wort, u. Sach. XII 163;
H. Güntert, Grundfragen 53; Schwyzer, Rhein. Mus. LXXVI 438
Anm. 2). So heißt lett. kratitäjs nicht bloß „Schüttler“, sondern
auch „Fieberfrost“. Dazu stimmt sörpuona „Schauder, Fieber-
kälte“, das auch als Plurale tantum serpuoni zum Sg. -uonis sich
findet, dazu drebuoni „Schauder“ neben drebuona „Schauder, un-
ruhiger Mensch“, sefmuoni „Grauen, Schauder“, saukuon(i)s
„Schauder“, salkuonis (und -uona) „Gebrause, Schauder“, kra-
tuona „Schütteln“. Bemerkenswert bleibt noch, daß sich das
Lettische sehr dadurch vom Litauischen unterscheidet, daß in ihm
Nomina auf -a, die männliche lebende Wesen bezeichnen, außer-
ordentlich verbreitet sind. Daher ist der Gebrauch von -uora als
Nomen agentis gar nicht weiter auffällig. Ich nenne folgende,
neben denen sich oft in gleicher Bedeutung ein -uon(i)s findet.
Während zu -uonis aber das Femininum -uone lautet, gilt -uona für
beide Geschlechter: bizuona „Herumtreiber*, bländuona (-uonis)
„Vagabund“, briösmuona (-uonis) „Wüterich*, dauzuona (-uonis)
„Raufbold*, derguona „ein Ekel erregender Mensch“, drebuona
„unruhiger Mensch, Zittern“ `), eduora „Essender“, in der Be-
deutung „zänkischer Mensch“ auch -uonis, gräbstuona „diebischer
Mensch“, guluöra „einer, der viel schläft“, iguona (-uonis) „Saum-
seliger“, irguona „Spötter“, iztapuońa „Kriecher“, ?kstuona „wei-
nerliche Person (-uonis = lässiger Mensch)“, kaucuona „Heulender,
Geheul“, kaakuöna „Schreihals, Geheul*, klaiduöna (-uonis) „Vaga-
bund“, kulduona „Nimmersatt“, kulstuona „Herumtreiberin“ (nur
Femininum bekannt), kvêpuońa „schmutzige Person, Ort, wo es
qualmt“, miguona „Schlafmütze“ (persönlich), miegstuora „auf-
dringlicher Mensch“, mülsuona (-uonis) „Konfusionsrat, Verwirrung“,
murduona „Murmler, Murmeln“, mùrguońa (-uonis) „Träumer“,
ne(nüo)veluora „Mißgünstiger“, pasutuona „betrunkene Person“,
peîguońa „unzuverlässiger Mensch“, piäkstuona „weinerliches
1) Der Nom. Plur. drebuon’i zu *drebuonis heißt nur „Zittern“.
Die Flexion der »-Stämme im Baltisch-Slavischen und Verwandtes. 261
Kind“, pinkskuona „weinerliches Kind, Weinen ohne Grund“,
plêsuońa (-uonis) „Raufbold“, pluosuora (-uonis) „Unartiger, Lärm“,
raduona (Fem.) „Verwandte“, reibuona (-uonis) „Betrunkener,
„Schwindel“, rijuora „Gefräßiger“, riöbuona „Widerlicher, Ekel“,
skrabuona „wer rasselt, Rasseln“, slaikstuora, slaistuona (-uonis)
„Herumtreiber“, slapuona „Kind, das oft die Wäsche näßt, Nässe“
u. a., släpstuona „der sich verbirgt, der immer durstig ist“, spär-
duona „der mit den Füßen heftig ausschlägt“, spekuona (-uonis)
„Starker“, spräguora (-uonis) „fauler, ungeschickter Mensch“,
striduona (-uonis) „Streitsüchtiger“, stulbuona „Kurzsichtiger “
(verächtlich), stuwöstuora „Stammler“, sveluona (-uonis) „Jähzorniger
oder schnell arbeitender Mensch“, svepuona „einer, mit dem es
bergab geht“, sKetuona „wer zu zanken liebt“, tiepuona (-wonis)
„streitsüchtiger Mensch“, uokstuona (-uonis) „Suchbiene“, urduona
(urda), urguora „Antreiber“.
Da manche dieser Nomina agentis auch Nomina actionis sein
können, wie kaucuona „Heulende, Geheul“ "1, drebuora „unruhiger
Mensch, Zittern“, kaukuöna „Schreihals, Geheul“, murduona
„Murmler, Murmeln“, pijkskuona „weinerliches Kind, Weinen
ohne Grund“, pluosuona „Unartiger, Lärm“, reibuona „Betrunkner,
Schwindel“, wokstuona (-wonis) „Suchbiene, Ausschnüffeln“, so
liegt es nahe die vielen andern Substantiva auf -woña, die ein
Geräusch jeder Art bezeichnen, gleichfalls als ursprüngliche No-
mina agentis anzusehen. Da bei Endzelin, Lett. Gr. 241 diese
Bedeutungssphäre von -uońa nicht deutlich herauskommt, so führe
ich das Material an: baksuona „Lärm beim Fallen ins Wasser“,
blauiguona „Knattern“, blaukuora, brekuona „Geschrei“, briksuona,
briskuona „Krachen“, čaluońa „Geplätscher“, carkstuona „Rau-
schen“, Caukstuona „Rascheln“, Cirkstuona, Eirpstuona „anhalten-
des Gezwitscher“, C7kstuona „andauerndes Knarren“, čīkuońa
„Geräusch“, Cukstuona „Geflüster“, dimduona (-wonis) „Dröhnen“,
dipuona „Getrampel*, drabuona „Getöse*, drebuora (-uońi) „Zit-
tern“, dunuona „Getöse“, dukuona (-uoni) „Brausen“, derkstuona
„Geknarre*, džinkstuońa „Klingen“, gauduona „Geheul“, gärkstuona
„Geräusch“, grabuona „Rascheln“, kaucuora (-uonis), kaukuöna
„Geheul“, klabuora „Geklapper“, klaŭdzuońa „starkes Gepolter“,
klinksuona „Klingen“, klieguona „Geschrei“, kruduona „großes
Gekreisch“, kräkuona „gewaltiges Krächzen“, kurnuora „Murren“,
1) Nach den Angaben bei Mühlenbach-Endzelin ist kaucuon'a Nomen
agentis und Nomen actionis, kaucuonis oder Plural kaucuon’i bedeutet dagegen
nur „Geheul*,
962 F. Specht
kvärkstuona „gewaltiges Quarren“, kērcuońa „furchtbares Ge-
kreisch“, mülduona (-uonis) „Geschwätz“, murduona „Murmeln“,
nauksuona „Knistern“, ńārvuońa, nerksuona „Lärm“, ńurduońa
„Gebrumme*, nuruona „Gemurmel“, piikskuona „Weinen ohne
Grund“, pinksuona „klägliches Weinen“, pikstuora „Gepiepe*,
plauksuona „Applaus“, plerksuona, pluosuona (-uonis) „Lärm“,
plerkskuona „Geplärr“, ribuona „Lärm“, rücuona, rükuona (-wonis)
„Brausen“, sanuora „Summen“, secuona „Ächzen“, skanuona
„Schall“, skrabuona „Rasseln“, spiedzuona „Aurchdringendes
Schreien“, spreguona „Prasseln*, sälkuöna (-uonis) „Gebrause*,
Skinduona „Klingen“, sl’akstuona „Plätschern*, sl’akstuona (-uonis)
„klatschender Schall“, smiukstuona, smikstuona „Klatschen“, šńđ-
kuona „Schnauben“, snukstuona „Schnucken“, sursuona „Rauschen“,
Svirkstuona „Geschwirre“, svikstuora (-uons), Svikuona „Geräusch“,
tirkskuona „Schnarren“, trikuona (-uons) „Skandal“, urdzuona
„Rauschen vom fließenden Wasser“, urkskuona „Gegrunze“,
urkuöna „Lärm“, akuona „undeutliches Geräusch“, zvanuona „Ge-
läute*. Neben -uora steht oft bloßes Substantiv auf 3. wie
breka, čala, dimda, drebas, duna, gauda, kauca, kaqka, klabas,
knada, kurnas, mülda, pluosa, riba, sawa, skana, Salka, Skinda,
ñaka, trika. Aber gelegentlich ist auch das Substantiv auf -a
Nomen agentis, während diese Bedeutung der entsprechenden
Bildung auf -uońa fehlt, wie bl’auka „Schreihals“, ńura „Murr-
kopf“, plauksa „Klatschbase“, räka „brummiger Mensch“, sräka
„Schnauben und einer, der durch die Nase spricht“.
Ferner heißt kvöpuona „schmutzige Person; Ort, wo es
qualmt“, riebuona „Widerlicher, Ekel, Schmutz“, sveluona „jäh-
zorniger Mensch, Hitze“'). Dazu vergleiche man wieder dümuona
„Rauchmasse“, rägstuona „Rauch“, sutuona „Dünste“, sviduona
„Schwitzen“, tirpuora „Schauder“, tvikuona Schwulen, Neben
Krankheitserscheinungen auf -uonis (Brugmann, Gr.” II, 1, 638),
wie aüguön(i)s „Geschwür“, diluön(i)s „auszehrende Krankheit“,
&duonis „Haarwurm“, griezuonis „Drehkrankheit“, g‘eibuonis
„Schwindel“, g’eluöns (jeluons) „Sodbrennen“, kaltuonis „Aus-
zehrung*, kafs(t)uonis, kafsuöns „Fieber“, matruonis, matuonis
„Haarwurm“, meimuonis „Dusel“, milzuöns „Geschwulst“, màl-
duönis „Fieberphantasie (Flunkrer)“, niezuons „Krätze“, nzkuonis
» Verderben (Hinsiechender)*, piluonis „Blutgeschwür“, pusg‘ibuo-
1) Vgl. dazu sutuonis (-uon’a) „heißes, schwüles Wetter“. Es kann aber
auch an die unten genannten Wörter für Witterungserscheinungen angeschlossen
werden.
Die Flexion der »-Stämme im Baltisch-Slavischen und Verwandtes. 263
nis, pusreibuonis „halber Schwindel“, reibuönis „Schwindel“, sir-
guons „Krankheit“, släpuonis „Ohnmacht“, smakuoni „Atemnot“,
tirpuonis „Erstarrung“* gibt es auf -uona niezuona „Krätze*,
smelkuona „anhaltender Schmerz“, tirpuona „Erstarrung“, reibuońa
„Schwindel“, das außerdem noch die Bedeutung eines Nomen
agentis „einer, der immer betrunken ist“ haben kann.
Man wird auch in den übrigen Fällen bei -uońa vielfach mit
ursprünglichem Nomen agentis rechnen müssen. Ich gruppiere
nach Bedeutungen: Witterungserscheinungen mirkuona „an-
dauerndes Regenwetter“, smirkuona „feuchtes Wetter“, $kaiduona
(-uonis), Skiduona (-uonis), infl. m’eikstane = mikstuone „Tauwetter“,
spalguona, spelguona (-uonis), sperguona, spröguona (-uonis) „heftiger
Frost, kaltes Wetter“, sT’akuora „Guß“, makuóña (-uonis) „Wolke“,
slapuona „Kind, das oft die Wäsche näßt, Nässe, nasses Wetter,
feuchter Boden“. Die letzte Bedeutung leitet zu folgender Gruppe
über: likstuona „sumpfige Stelle“, tekuora „Stelle, wo immer
Wasser fließt“, slapuona „Nässe“, straiguöna, strieguona (-uonis)
„eine morastige Stelle“. Von den Substantiven auf -uonis ge-
hören hierher außer denen schon in Klammer genannten: atku-
suonis „Tauwetter*, murduonis „sumpfige Stelle“, plüduonis
„Überschwemmung‘“, saltuonis „Frost“, spreguonis „durchdringende
Kälte“, staiguonis, stiguonis, streguonis, striguonis „Aurchschießender
Sumpf“, snäkuonis „Unwetter“. Daß gelegentlich -uońa auch
ganz andrer Herkunft sein kann, lehrt saluona (-uonis) „Frost“,
das von lit. apsaluöne ob. S. 255 nicht getrennt werden darf. An
und für sich ist es nicht unmöglich, daß bedeutungsverwandte
Wörter wie die eben genannten diesem nachgebildet und von
den oben behandelten Witterungserscheinungen zu trennen sind.
So bleiben übrig etwa deguöna „Eile, Eifer“, jutuońa „Stim-
mung“, milzuona „große Menge“, nikuonas (-uonis) „Ruinen“,
rirbuona „Geflimmer*, »retdiluona „Mittel gegen Schwindsucht‘“,
slüuduona (-uonis), Slakuona „Gletscher“, smalkuora „Abfall“, smif-
duona „Gestank“, snieguora (-uonis) „Schneegipfel*, spaiduona
(-uonis) „Druck“, spiguona „durchbohrter Holzpflock“, spulguöna
„ Widerschein, Abglanz“'). Darunter sind eine Reihe ganz moderner
Wörter, die die Lebenskraft dieser Bildungen im heutigen Letti-
schen veranschaulichen.
Ich glaube daher, man wird mit der Annahme kaum irre
gehen, daß ein großer Teil der Bildungen auf -uonis und -uońa
1) Vgl. auch die Neubildung »l’autuoni (Lok.) „im Mähen“ für pl’autana,
Endzelin, Lett. Gram. 241.
264 F. Specht
auch da, wo die heutige Bedeutung nicht mehr recht stimmen
will, auf Nomina agentis zurückgeht. Vorbilder, in denen die
ehemaligen Nomina agentis diese Bedeutung ablegten, gab es
genug. Da aber die ganze Bildungsweise heute außerordentlich
lebendig ist, so geht es natürlich nicht an, in jedem einzeln Wort,
das nicht Nomen agentis ist, diese Bedeutung noch aufspüren zu
wollen. Dazu gab es viel zu viel Muster, nach denen ein solches
Wort, ohne den Bedeutungsumweg über das Nomen agentis ge-
bildet werden konnte. Da außerdem die Substantiva auf -uonis
und -vora in allen ihren Bedeutungsschattierungen vollständig
übereinstimmen und von den gleichen Stämmen oft beide Bil-
dungen möglich sind, so geht es nicht an, beide Suffixe ver-
schieden erklären zu wollen. Lett. -won(i)s stammt wie das viel
seltnere lit. -wonis sicherlich von den n-Stämmen. Da, wie bereits
oben bemerkt, im Lett. Substantiva auf -a, die eine männliche
Person bezeichnen, ganz gewöhnlich sind, so hat für -wonis auch
-uońa eintreten können. Litauisch hat sich -uonia nur an der
Peripherie des Sprachgebietes erhalten.
Dagegen gibt es im Lettischen das Suffix -Znas, äng in der
Bedeutung eines Nomen agentis kaum. Was ich im weitesten
Sinne dafür anführen kann, ist piekūns „Wanderfalke“, klabzna
„Plaudertasche* neben klabunes „loses Maul“, klabuora „Geplap-
per“ zu klabet, kratuna „Ausgelassener“ neben kratuona „Schüt-
teln“, kalpune „Magd“ neben kalpuöne, kalpaune, bricuna „un-
ruhiges Kind“. Dazu kommt noch sirsänis. Fernzubleiben hat
wohl melkunis „Leugner“ (vgl. Endzelin Wort) Man muß außer-
dem mit der Möglichkeit rechnen, daß manches der Wörter auf
hochlett. Aufzeichnung beruht und dann für An nicht in Frage
kommt. Jedenfalls ist deutlich, daß sich im Lettischen im Gegen-
satz zum Lit. und apreuß. waldäns ein Maskulinum zu -zne nicht
entwickelt hat. Dafür traten ganz die Nomina agentis auf -uonis,
-uona ein. Das hat dann selbst dazu geführt, daß sogar ein -zn-,
das zu alten -Stämmen gehörte, neben am) ein uo(n) erzeugte.
Man muß sagen, daß in diesem Falle lett. vor) das übliche ge-
worden ist und (n) meist nur noch dialektisch erscheint. Ich
nenne perkuöns neben perküns, virsuone, virsuonis neben virsäne,
darnach galuone neben galäne, auch dlkuonis neben elkūne (dial.
auküne) wird hierher zu rechnen sein; ferner peluode neben peläde,
salduoksne neben saldüksne Bezeichnung für den „Vogelbeerbaum“
(vgl. Endzelin, Lett. Gr. 234f.). Endzelin, Lett. Gram. 240, der
in solchen Fällen alten Ablaut sehen will, kann ich nicht bei-
Die Flexion der »-Stämme im Baltisch-Slavischen und Verwandtes. 265
stimmen. Selbst auf Fremdwörter hat diese Neubildung über-
gegriffen, wie kartüns neben kartuöns „Kattun“, bizüne neben
bizuons „Peitsche“, kalpune neben kalpuöne. Noch deutlicher ist
der Gegensatz bei dem Nomen agentis Satuons „Herumtreiber“
aus russ. Satin, wo wohl wegen der Bedeutung als Nomen agentis
ein *satuns gar nicht vorhanden ist. Allerdings wird auch sonst
russ. w in lett. Lehnwörtern durch uo wiedergegeben (vgl. Būga
a. a. 0.447). Selbst zu kurzem š ist vo neu dazu gebildet worden,
wie galuokne aus galuotne zu galutne, deguons zu deguns, beguones
„kleine Fichte“ neben beguns, begune. Das Wenige, was ich sonst
an Bildungen mit ün noch nennen kann, gehört weder zu den
Nomina agentis, noch zu den A Stëmmen und ist z. T. entlehnt
aus andern Sprachen: ceküna (neben ceguna) „Schopf“, kapüna
„Frosch als Köder“, likunas, mikunas „Verdingungstag“ neben
mikuonis, mikuona.
Auch im Altlettischen herrscht schon der gleiche Zustand,
scheinbare Bildungen auf -zn-, wie bei Mancelius kallkunis „Puter“,
kappunis „Kappaun“, basune „Posaune“, allune „Alaun“ sind Fremd-
wörter. Und. Ps. und Kat. sagen noch kalpune neben maskulinem
kalps, Elger hat dafür kalpuna, Canisius kalpo(e)n, Mancelius hat
schon kallpone, ällkohns, pährkohns').
Da das Zemaitische dem Lettischen am nächsten steht, so
könnte man ähnliche Umbildungen auch dort vermuten. Auf Zem.
virsuone, das genau zu lett. virsuone stimmt, habe ich bereits
Stand und Aufgab. der Sprachw. 627 hingewiesen“). Būga a. a. O.
425 führt ferner aus Settegasts Bienenbuch ein gallones = galuones
an. In Daukantas’ Übersetzung steht 44 ein virsoniej (Lok.) aulo,
das nur einem hochlit. virsuoneje entsprechen könnte. Vgl. auch
49 die Schreibung lapotus neben 38 lapoutomis. Daukantas’ darb.
35 hat ferner ein perkounouy (Dat.), das einem hochlit. perkuonui
entsprechen würde. Da es dort aber sonst immer perkunas heißt,
so ist Schreibfehler nicht ganz ausgeschlossen. Nicht hierhin
gehört der Gegensatz zwischen Zem. virsuojis und hochlit. virsujis,
wie ich unten S. 269ff. zeigen werde.
Am auffälligsten bleibt aber, daß das Lett. zu diesen Bil-
dungen auf -zn-, -uon- zuweilen auch noch ein -aun- zeigt. So
steht neben elkäne, elkuonis ein hochlett. alkaune, neben perküns,
perkuons ein perkaune, neben perkuones „Hederich“ ein perkaunes,
1) Kat. 1586 1222 muerrunnes steht wohl für -ones, denn so heißt es
sonst stets altlett. S
2) Büga, Taut. ir Zod 1353 sieht allerdings darin nur eine Schreibmarotte.
266 F. Specht
neben virsüne, virsuone ein virsaune, und darnach ist sogar zu
dem aus dem Deutschen entlebnten Synonymum spice ein spi-
caune gebildet. Bei Nomina agentis ist -aune selten. Ich nenne
kalpaune neben kalpüne, kalpuöne. Hier kann au gleichfalls nicht
alt sein, da kalp- erst aus slav. *cholp- entlehnt ist. Ferner grie-
zaune „Verführerin, liederliches Frauenzimmer“. Vielleicht liegt
dies -aune auch vor in Weiterbildungen wie spardaunica, spär-
dauniece (aber auch spertavnica, spertuvnica) neben spärduonis,
spärduona, in stikaunietis „geriebener Mensch“ zu stiķis, stukaunieks
„plitfiger Betrüger“, stuka „Arglist“ zu mnd. stucke, grieztaunica
„eine, die sich hin und her dreht“. Der Bedeutung des Nomen
agentis steht fern pirkstaunieks „Fingerhandschuh“ neben pirk-
stuone oder biezaunice „etwas dickes“ neben biezuoknis „Dickicht“.
Wie lettisch außerdem neben bloßem o in der Ableitung ein
uo steht, so findet sich weiter daneben in gleicher Weise ein
au, z. B. cermauksis „Wiesel* neben cermuoksis, cermulis, oder
sermauksis neben sermuolitis, sermulis (Mancelius 276 särrmulis),
wo dem Lit. die Stufe mit au wieder ganz fehlt. Ferner cör-
maüksa, cermaüksis, sermauksis „Eberesche“ neben cermuoksis,
cermüksa, sermuökslis u. a., wo im Lit. wieder nur Formen mit u
vorhanden sind, vgl. sermüksne (K. L. D.), $ermüksnis (Bar. I 328,)
oder sermuksnius (Akk. Pl.) Daukantas’ bitt. kn. 25. Bei dzenaukste
„Riemen“ neben dzenuöska, dzenuska fehlt die lit. Entsprechung,
bei dzerauksnis neben dzeruöklis, dzeruoksnis, dzerükslis gegenüber
lit. geruokstas, žem. gerükstis wieder die au-Stufe.
Auch hier ist der Ablaut -wo-, -au- ganz mechanisch weiter
gebildet worden. Das zeigen z. B. iguonis, das zu igaunis (and.
schaft Ugaunia) neu geschaffen worden ist, oder Rkuopa zu Rkawps
aus Deutschem „Leihkauf“. Weitere Beispiele für den Wechsel
-uot-, -aut- stellt Endzelin, Lett. Gr. 287 zusammen, ebd. 274
erwähnt er das Paar garuöza und garaüza „Brotkruste“. Schließ-
lich kehrt der gleiche Gegensatz auch in Ortsnamen wieder, z.B.
Balduone, Platuone oder Bērzaune, Bigauri (Endzelin, a. a. O. 235,
240). Das Litauische zeigt von diesen Gegensätzen nur sehr ge-
ringe Spuren. Was ich namhaft machen kann, ist das bereits
ob. S. 254 genannte geleZaunes neben geleZuones, geleZünes (Jūžintai),
geleZünes (Dusetos) (Būga, Russkij Filol. Věstn. LXVII 249), das
wie ëduonia aus Leipalingis stammt, und galautinis statt galutinis,
das Jablonskis, Juškievičs Wort, I 405° 698° aus Panevėžys an-
führt und auch Šlapelis kennt. Dies galautinis setzt von Rechts-
wegen ein *viršautinis voraus. Nichts will lit. medauničiomis
Die Flexion der »-Stämme im Baltisch-Slavischen und Verwandtes. 267
(Daukantas, Bitt. kn. prak. II) besagen. Es bedeutet eine Schenke,
-in der „Honigbier* getrunken wird. Da medus alter u-Stamm
ist, so könnte man den Gedanken hegen, in medau- die vollere
Stufe zu sehen. Aber das geht nicht an; medaunidia hat wie
pustaunica neben sonstigem pustavnica, vynaunidia und turgau-
ničia (neben turgavicia Bretke Hesek. 27, 13.24) aus Bretke') die
fremde Endung -aunica = slav. -ovnica, die an alten z-Stämmen,
wie smoky, dazu russ. smokövica aus ksl. smokevica oder an Ad-
jektiven auf -ově wie ofrokovica „Mädchen“ zu otrokovs oder medovz
u. a. erwachsen sein kann. Hinweisen will ich auch auf die
Möglichkeit, daß o in kariümene, karümen® mit dem au in kariduti
zusammenhängen könnte. Aber ich halte dieses Zusammentreffen
für zufällig. Denn Verba auf -auti sind lit. so produktiv ge-
worden, daß sie jederzeit zu kärias gebildet werden konnten.
Dasselbe gilt natürlich auch für Verba auf -auti zu Adjektiva
auf As, wie privalduti zu privalüs, meiläuti zu meilüs usw. Auch
au in negatauja (Syrvid II 67::) „kränkeln“ hat natürlich mit
dem w in galutinis nichts zu tun.
Da die lett. Beispiele mit -au- meistens auf Neubildungen
beruhen, so wird das Lit. wahrscheinlich mit seinen wenigen
Beispielen dem ehemaligen baltischen Sprachzustand näher stehen.
Endzelin, Lett. Gr. 235, 240 denkt offenbar an alten Ablaut. Aber
die angeführten yeAwen — xeAdvn gehören einer ganz andern
Klasse an (ob. S. 214) und xeoavvös hat mit altem au nichts zu
tun, da es Weiterbildung eines alten -n-Stammes *xeoa-Fwv ist,
ob. LIX 121. Ich sehe daher in dem Ablaut z (ù) — uo — au der
betreffenden lettischen Suffixbildungen eine mechanische Nach-
bildung nach wenigen Mustern, die sich nicht mehr genau fest-
stellen lassen und die einen solchen Ablaut nicht einmal alt ererbt
zu haben brauchen. Denn der Ablaut uo — au oder % — au ist
im Baltischen ganz lebendig geblieben und konnte jederzeit neu
geschaffen werden. So halte ich eine Bildung galautinis zu ga-
lutinis auch ohne das Zwischenglied *virsautinis ohne weitres
möglich, nachdem etwa ein Verbum *galauju, das zu galutinis
dem Sinne nach Beziehungen hatte, einen scheinbaren Stamm
galau- unterstützte.
Es geht natürlich auch nicht an, dieses lett. au(n) in den
slav. Bildungen auf An, wie begun wiederzusehen, die vielfach,
aber nicht durchweg Nomina agentis sind.. Dem widerspricht
1) Vgl. z. B. Post. II 34614 Jer. 50, 12 Hes. 6,6 Joh. 3,24 Mal. 1,14, Post.
II 3581.
268 F. Specht
schon, daß grade bei Nomina agentis -aun- im Lett. fast gar
keine Rolle spielt. Brückner, Arch. f. slav. Phil. XL 17 Anm. 1
will un zu uw-Stämmen in Verbindung bringen. Das würde vor-
aussetzen, daß -no- an den starken Stamm getreten ist. Aber
derartige Ableitungen sind bereits idg. recht spärlich gewesen
und fallen für das Slav. kaum ins Gewicht. Erinnern könnte
man allerdings an vadova, ai. vidhávā zu vidhü-. Aber im Slav.
haben die possessiven Adjektiva auf -0v3, die an den wenigen
u-Stämmen wie synovpnd zu syn, volovs zu oos, medovs zu medž
entstanden sind’), eine große Ausbreitung erfahren. An einem
solchen -ov könnte in urslav. Zeit durch Antreten von -no ein
-un entstanden sein, vgl. z. B. russ. begin zu begovöj, medünka
„Futterklee* zu medövyj (Brückner a. a. O.), letün zu letovdj,
brechüns zu brechovnd „Lügen“, čdúnz zu čdóvyj, chvastıln „Prahler“
zu chvastovid „Prahlerei“, poln. opiekun zu opiekowy usw. Brück-
ner denkt offenbar auch an Zusammenhang zwischen un und
Verba auf -ovati, wie sein Beispiel poln. piastun zu piastować
zeigt. Auch diese Bildung kann für gewisse Fälle mit Vorbild
gewesen sein, ich erinnere noch an russ. vorkovdto zu vorkin
„Brummer“. Nur darf man diesen Einfluß nicht überschätzen,
da die Verba auf -ovati erst im Westslav. ihre große Verbreitung
erfahren haben und in den andern Slavinen doch nur selten sind.
Ist diese Erklärung richtig, so würden die slav. Bildungen auf
-uns erst einzelsprachliche Schöpfungen sein, die in den ver-
wandten Sprachen keine eigentlichen Entsprechungen haben
können. Allerdings bedarf es noch einer gründlichen Untersuch-
ung über Verbreitung und frühstes Auftreten dieser Ableitungen
in den einzelnen Slavinen.
Būga verweist schließlich für den Wechsel uo — 6 noch auf
den Gegensatz im Lok. žem. viduö, lett. viduo, aber hochlit. viduje,
žem. virsuö, lett. virsuo, aber hochlit. virsuje und die Adjektiva
viduojis (aus Valančius, also Zem.), hochlit. vidujis, viršuojis (aus
Daukantas, also Zem.), hochlit. viršújis (Bezzenberger, Lit. Forsch.
199; Būga aa O. 425). Dies Nebeneinander von wo und # im
Lokativ und im Adjektiv hat mit den übrigen Erscheinungen
überhaupt nichts zu tun. Der Lok. Sg. der «-Stämme hat nach
Ausweis des ai. sanad Langdiphthong gehabt, der einem idg. 2(u)
1) Ob daneben -ovg auch auf ö des ö-Stammes 4 Suffix wo zurückgeht,
wie in ai. arnavd- „flutend“ zu drna- oder kesavd- „langhaarig* zu Akesa-, ist
nicht mehr zu entscheiden, da diese Bildung längst vor unserer Kenntnis des
Altbulg. produktiv geworden ist.
Die Flexion der z-Stämme im Baltisch-Slavischen und Verwandtes. 269
oder ö(u) entsprechen würde. Das lit.-lett. vo kann nur auf
-ö(u) `) zurückgehen (vgl. Endzelin, Lit.-slav. Stud. 179; ders.,
Lett. Gr. 327; Verf., Lit. Mund. II 96f.), om ge gehört dagegen
den -Stämmen an, -ŭje ist analogische Umbildung (IF. XLII
295)”. Das Zemaitische und Lettische gehen wie so oft auch
hier wieder in der Erhaltung des alten Lok. Sg. der u-Stämme
Hand in Hand.
Derselbe Gegensatz des Lokativs liegt nun in den Adjektiven
virsuojis, virSujis usw. vor. Sie sind nicht, wie man heute zu
sagen beliebt, vom Lokativ mittels Suffix -jis gebildet worden,
sondern sie enthalten den alten Lokativ des Substantivs mit nach-
gestelltem jis in relativischer Funktion. Vgl. dazu meine Aus-
führungen Taut. ir Zod. IV 39f. und E. Fraenkel, W. u. Sach.
XII 195 und Anm. A Ich habe dort namentlich aus Dauksa an-
geführt dangujejis, Zemejejis, peklojejis, virsujejis, viduryjejis, arty-
jejis, naktyjejis, dienojejis, paskujejis. Dazu kommen aus dem
letzten inzwischen erschienenen Teil duobejejis, sirdyjejis, katnejis,
pragarejis, gintyiejis (substantivisch 526°). In 522: ugniiy ist
noch der alte Lokativ der konsonantischen Flexion auf -i ügni
erhalten. Dagegen ist bei 394s, = 526s, gerkleiy, 31214 = lan,
Kat. 48: (Sittig) Zemejis, Il. = 54851 pektejis eine doppelte
Auffassung möglich. Entweder ist wie bei den zahlreichen Formen
von der Art dangujis neben dangujejis an den bereits gekürzten
Lokativ jis getreten. Aber Kürzung ist im Lokativ bei Daukša
selten. Oder ich rechne mit der Möglichkeit, daß hier der Lokativ
der ö-Stämme auf -2 aus -& erhalten ist, über den ich bei andrer
Gelegenheit in größerem Zusammenhange handeln werde.
Diese Bildungen des Lokativs mit relativischem jis sind im
wesentlichen eine Besonderheit des Zemaitischen und nordöst-
lichen Litauens. Sie fehlen in alter Zeit in der Wolf. Postille,
im Kat. von 1605, bei Syrvid und Rhesa. Bretke hat oft dan-
guiesis’), daneben dreimal (Matth. 6, 14. 32 15, 13) danguieghis (vgl.
1) Von einer „Streitfrage“, wie es noch bei Debrunner-Wackernagel, Ai.
Gr. III 155 heißt, kann überhaupt keine Rede sein.
2) Ich habe fälschlich den Nom. Plur. Gs der -Stämme auf -uves zurück-
geführt. Davon kann gar keine Rede sein, denn Daukša, der -čs im Nom. Plur.
nie synkopiert, hat -üs oder -gs für die «-Stämme und ebenso -zs oder -zs für
die ¿-Stämme. Es kann nur Neubildung nach dem Akk. Plur. vorliegen.
8) Wie stark sich gerade dangujejis in vielen Schriften allein erhalten
hat, zeigt der Gegensatz zwischen Mork. P. 757 girdeiey iau kaip Tewas
apiviespatavo visas macis danguieias, Ziames ir peklas oder Knig. nob.
127 ziamiskas, kuniskas, danguijs, dvasiskas gegenüber Daukša Post. 41140
270 F. Specht
darüber Taut. ir Zod. a.a.O.). Wenn sich diese Formen bei ihm
hauptsächlich im N. Test. und in der Postille finden, so wird das
wohl durch den Stoff bedingt sein. Daneben kennt er mit dem
kürzeren Lokativ der «-Stämme Post. II 180: paskujas im Gegen-
satz zu pirmas, 1.Reg.7,8 paskuiame dvare, Matth. 20,9 nuog
paskyiy ir pirmyiy, Post. 11337; viduioie baznicoie (ebd. 3371, vidui
Bažničios) und mit längerm Lokativ II. Chron. 18, 24 ing viduieie
kamarg, Hes. 40, 27 viduieia (G. Sg.). Der alte Lokativ auf -ie von
i/iö-Stämmen liegt noch vor in Sus. 18 per uZpakalieius vartus,
Sus. 26 vartump u2pakalieiump. Den Akk. Sg. dangughi bei Mosvid
faßt Stang a. a. O. 116 als Lokativ von dangus auf, aber kaum
mit Recht. Willent kennt außer danguiesis nur 9714 Akk. Sg.
galeghi pirsta, der Katechismus von 1598 außer danguiesis, dan-
guiegis auch von der kürzeren Form den Nom. Sg. f. dangugi, die
Margarita Theologia danguiesis, danguieghis, galieghis isgelbeimas
und mit kürzerem Lokativ viduies vietas. Chylinski hat nur einmal
Argum. zu Sam. II ein dgguja (Akk. Sg. f.) vom kürzeren Lokativ.
Dagegen sind ungeheuer zahlreich die Formen von danguiesis bei
Morkunas. Nur einmal 1715,; hat er vom kürzeren Lokativ ein
danguio und 237%,, wie Willent galeghi pirstq savą. Zahlreich
sind auch die Formen vom kürzeren und längeren Lokativ in
den reformierten Schriften von 1653. Sie beschränken sich aber
wieder auf das eine dangufie)sis, danguis. Klein kennt schließlich
nur danguiesis, führt aber daneben Gr. 27 auch mit kürzerem Lok.
ein paskujas') an. Aus modernen Texten notiert Leskien, Nom.
342 von Adjektiven auf -ëjis (sic!) ein gal&jis und laukejisis, vgl.
auch Sommer, Die idg. iā- und io-Stämme im Baltischen 320.
Sie stammen wieder wie die übrigen aus dem nördlichen Litauen.
Wenn schließlich Daukantas nicht selten »askoujis = hochlit.
*pnaskuojis gebraucht, so erklärt sich das dadurch, was ich bereits
Lit. Mund. II 176 ausgeführt habe, daß in den Formen von paskui
der alte idg. -ŭ-Stamm ku- vorliegt.
Die hier angeführten Formen auf A, -uje, -uo sind deutlich
Lokative eines w-Stammes. Ebenso deutlich enthalten andere
Bildungen bei Daukša den Lokativ eines i/jo-Stammes, wie vidu-
riieiis. Die Folgerichtigkeit verlangt einfach auch für galäjis,
— 5485ı Nessq man’ klöniosis vissökes kelis, daqguieiy zemeigiy ir pragareiy
arba pekleiy u. a.
1) Die Endung in paskujas könnte die ehemalige Form des idg. ¿os un-
mittelbar fortsetzen. Gerade, weil sie hier schon früh als Adjektivendung
empfunden wurde, blieb sie von der Beeinflussung verschont.
Die Flexion der »-Stämme im Baltisch-Slavischen und Verwandtes. 271
lauk&jisis, dazu Daukša Post. 411. = 5485: pragaréių 619; kał-
neiump den Lokativ eines o-Stammes. Dann ist die Schreibung
-Ejis bei Leskien falsch. Būga, Kalb. 155 hat für galejis schon
mit Recht die Schreibung galejis gefordert. Sie wird durch
Willents -e- bestätigt. Wenn Morkunas galeghis schreibt, so hängt
das damit zusammen, daß bei ihm Nasal auch bei nachträglicher
Komposition nur unter Schleifton geblieben ist. Vgl. Akk. Sg.
kuringi, kangi, tangi, wienangi, kurint, Gen. Plur. tokiungi, kokiungi,
3. Opt. butungu, nebutunt, ferner nungi, nesanga, aber kadagi, ku-
rimegi u. v.a., 3005 piktąsias (Akk. Pl. f.) ist demgegenüber ganz
vereinzelt. Dann kann man mit galejis nicht lett. galējs, sondern
nur galijs‘) verbinden, dem dann vidijs nachgebildet wäre. Man
hätte dann in gali-js den alten ehemaligen Lokativ auf -¿ aus -e
noch vor sich. Vgl. Endzelin, Lett. Gr. 293. Da aber galieghis
in der Margar. Theol. und ebenso numiejis bei Daukantas (Sommer
a. a. O.) nur auf einen Lok. wie galie zurückgehen kann, so könnte
in galijs auch die Fortsetzung von galie vorliegen.
Die lett. Formen auf -&s stehen außerhalb meiner Betrachtung
und sind in ihrer Beurteilung für das übrige gleichgültig. End-
zelin, Lett. Gr. 203 erwägt die Frage, ob bei einigen nicht die
Möglichkeit einer Anknüpfung an einen Lokativ auf ar) bestünde.
Das wird zuweilen wie bei talējs stimmen. Denn sie können mit
der Flexion in tolĝn, tolie, foi" in Verbindung gesetzt werden.
In diesem Falle ist natürlich -jis nicht Suffix, sondern wieder
Pronomen in der alten relativischen Bedeutung. Im allgemeinen
aber glaube ich doch, daß sie durch die Nomina agentis auf rs
denen sie in der Bedeutung nahe stehen, beeinflußt worden sind.
Das lehrt auch die Ausbreitung auf ehemalige v-Stämme, wie in
virsejais, viduvejais.
Diese Bildungen mit dem relativischen -jis am Ende gleichen
äußerlich in den Kasus obliqui und in der Bedeutung den zu-
sammengesetzten Adjektiven. Das lehren die genannten Bildungen
auf lett. -Zjais, die Umgestaltung im Nom. Sg. von -jis zu -sis
1) Kaum richtig darüber Endzelin, Lett. Gr. 201.
2) Būga hat Taut. ir Zod. I 433 Zolö und Zoli2 auf den ö-Stamm Zolas be-
zogen und das Nebeneinander von -è und Ze durch „Intonationswechsel“ erklärt.
Trotz Fraenkels Beifall ebd. III 482 und sonst muß ich diese Annahme ganz
entschieden ablehnen. Denn so etwas gibt es Litauisch für Endsilben nicht.
Die Berufung deshalb auf den Nom. Plur. der ö-Stämme ist viel zu unsicher.
Bügas Hinweis auf griech. wavdnuel oder ’Ioduoi hilft insofern nichts, als hier
der Intonationswechsel auf Voraussetzungen beruht, die im Lit. nicht vor-
handen sind.
272 F. Specht
(vgl. Taut. ir Zod. IV 39ff.), laukëjisis’), virsuojisis (Bezzenberger,
Lit. Forsch. 199) und Flexionen wie bei Willent 33. danguieioia”),
Margar. Theol. Mi8.7 danguiemuoiem, ebd. 20 danguiemuiem, Bretke
Matth. 6, 1 danguiaijp, I.Cor. 15, 48 danguieighi u. a. Aber im
wesentlichen sind doch diese Versuche vereinzelt geblieben. Brug-
mann, Gr.’111, 196 will ferner in lit. maszjis, jusajis”), die wieder
dem preußischen Nordlit. eigentümlich sind, und Prüsaiciajis „der
der Familie Prusaicei Angehörige“ Ableitungen vom Gen. Plur.
mittels Formans-jis sehen. Natürlich liegt auch hier wieder Ver-
bindung zwischen Gen. Plur. mit altem relativischem -jis vor. Auf
Grund dieser Formen halte ich auch Endzelins Ansicht, Lett. Gr.
204 über lett. mandji „die Mengen", taveji, savēji, musēji, für
ansprechend, wonach er in dem -2 einen alten Lokativ man? usw.
vermutet. Freilich würde ich in der Beurteilung von jis wieder
von ihm abweichen. Auch lett. jäsijais und lit. mäsyjis, Endzelin
a.a.O. könnten auf einen alten Lokativ auf -y weisen. Diesen
Bildungen auf scheinbares äis sind dann, wie Endzelin mit Recht
bemerkt, auch die bei Pluralia tantum üblichen Kardinalzahlen,
wie viendji, divēji, trejöji usw. nachgebildet worden.
Damit stehen alle die besprochenen Bildungen mit relativi-
schem -jis im engsten Zusammenhang mit dem sogenannten zu-
sammengesetzten Adjektiv des Baltisch-Slavischen, in dem Del-
brück, Idg. Syntax I 432f. das alte Relativum erkannt hat (vgl.
auch Wackernagel, Ai. Gr. III 556f.). Außerordentlich lehrreich
ist dafür der Satz Morkunas Postille 141 nusiunte ticiomis iop
žmones kurius didžiausius ir mokiciausius, idant patis regimai pri-
siveyzdetu šventay deivistey io, wo kurius das Pronomen juos und
somit das bestimmte Adjektiv vertritt. Das setzt doch voraus,
daß eine Zeit lang kuris und jis als Relativa nebeneinander ge-
braucht wurden, so daß kuris auch die Stelle von jis in der be-
stimmten Adjektivflexion, wo es gleichfalls ursprüngliche relativi-
sche Bedeutung hatte, vertreten konnte. Nun sind aber die An-
1) Bei Zaukejisis könnte man auch an eine Umbildung denken, die durch
ganz andre Dinge beeinflußt ist. Klein, Compendium 12 bemerkt zu der be-
stimmten Flexion: „gerasis (sic!) gerasysis von mielasis mielasysis, von
brängusis, brangüsysis. Und solche Adjektiva höret man öffters im gemeinen
Gebrauch.“ Vgl. ferner Bezzenberger, Z. Gesch. d lit. Spr. 157.
2) Auch Knig. nob. 25816 valgit avinela neiokaltoia im Reim zu tikroia
ist Zo doppelt gesetzt worden.
3) In Daukantas Darbai findet sich manchmal auch jusoujis = jusuojis.
Das kann nur nach der Proportion pasküjis : Zem. paskuojis = jüsyjis : žem.
x = jusuojis gebildet sein.
Die Flexion der »-Stämme im Baltisch-Slavischen und Verwandtes. 273
fänge dieses Gebrauches bereits idg. Denn man kann fast jede
der eben angeführten Gebrauchsweisen in ihrer Art ohne weitres
mit vedischen Beispielen in Parallele setzen", Um das aber ver-
ständlich zu machen, muß ich zunächst ein paar Bemerkungen
über das ai. Relativum vorausschicken. Das ai. Relativpronomen
steht nicht unbedingt am Anfang des Satzes, vgl. dazu Porzig,
IF. XLI 230ff. und wegen der Nachstellung im Ital. z. B. Hof-
mann, Stand u. Aufg. 387. Zuweilen steht es nach der Negation
na’), vgl. Rigv. II 38, nd yasya, VI 22.ı nd yá ddevo várate „die
nicht ein Nichtgott zurückhält*, V 541: nd yó yücchati „der nicht
fern bleibt“, VIH 101, nd yáh samprcehe ... rämate „der nicht still
steht zu begrüßen“, ebenso bei na gleich „wie“ z. B. IX 52; carür
nd ydh „der wie ein Topf“. Von dieser Stellung ist nicht zu
trennen yah in Tmesis, z. B. V 85; IX 68, u. a. vi yó mamé
(prthivim) „der (die Erde) ausgemessen hat“ (aber VI 49ıs yó
rdjänsi vimame „der die Finsternis ausgemessen hat“), VI7, vi yó
rdjänsy dmimita, VII8, abhí ydh pūrúm prtanäsu tasthäu „der das
Volk der Püru in den Schlachten bezwang“ u.v.a. Diese Stellung
stimmt zu alit. Verbindungen, wie neiokattoia (ob. S. 272 Anm. 2)
Bretke, Post. IL 261: neiam turinčiam in dem Satze jei kas tur dwi
sermegi tas teduod neiam turinčiam; nughipuotuosi oder praiis-
puotes, praiusokusiy usw. (vgl. Būga, Kalb. 28; Sittig, Zeitf. slav.
Phil. IV 246f.), in Wolf. Post. 140° nebeneinander praiepoli (=
praiepolj) a paskandinteghi gresnikai. Ebenso ist die Nachstellung
des Relativums wie im balt.-slav. bestimmten Adjektiv üblich,
worauf bereits Wackernagel, Ai. Gr. III 557 hingewiesen hat, z.B.
Rigv. II 22; ácchā deväan ūcişe, dhisnyä v£ „die Götter hast du
herbeigerufen, welche die Weisen (?) (Geldner) sind“, III 61, prthu-
pdjaso yë, V 3014 aucchat så råtrī pdritakmyä yá (mit der Variante
yam) „auf ging die Nacht, die entschwindende“, V 4115 vdrütri
vā Sakrá yá .. sisaktu „die Varütri, die starke, soll geleiten“,
VI3s arusó yó (2mal); desgleichen beim Nomen agentis, wie
IX 74, netd ydh oder sonstigen Substantiven, wie IX 24, sdsnir
ydh „der Gewinnende*, IX 63,; = 6412 mádo yó devavitamah oder
IX 99, mddo yá indrapdtamah. Allerdings könnte in den beiden
letzten Beispielen auch ydk auf das Attribut bezogen werden. Sehr
auffällig ist ein Satz wie VI 52, úpa nah sündvo girah srnväntu
1) Mit Porzigs Ansicht, IF. XLI 210f., der in ai. ydh ein Demonstrativum
sehen will, kann ich mich nicht befreunden, vgl. Wackernagel, Ai. Gr. lII 558.
3) Andere Stellungsarten, die sich im Baltisch-Slavischen nicht wieder-
finden, übergehe ich hier.
Zeitschrift für vergl. Sprachf. LIX 1/2. 18
974 F. Specht
amrtasya yé „hören sollen auf unsere Lieder die Söhne, (welche)
der Unsterblichkeit (sind)“. Hier ist offenbar der possessive
Genitiv amrtasya als relativischer Nebensatz ausgedrückt.
Nun dient bereits yah im Rigveda dazu, ein Wort im Satze
hervorzuheben. Dabei ist es gleichgültig, ob diese Hervorhebung
Subjekt oder Objekt ist (vgl. Wackernagel, Ai. Gr. III 554ff.). Ich
gebe zunächst einige Beispiele für das Subjekt: Rigv. I 18: (Del-
brück, Vgl. Synt. HI, 305) yó revdn yó amivahd, vasuvit, puştivár-
dhanah, sá nah sisaktu yds turáh „wer reich, wer Unheil verhin-
dernd, Schätze findend, Gedeihen fördernd ist, der geleite uns,
wer kräftig ist“, VI 17: sd īm pāhi, yá rjist tárutro, ydh Zë
pravan vrsabhö yó matindm, yó gotrabhid, vajrabhrd yó haristhäh
så indra eiträn abhí trndhi väjan „als solcher trink ihn, der du
vordringend, siegreich, der mit einem Schnurrbart versehen, der
ein Befruchter der Lieder, der den Rinderstall spaltend, der den
Donnerkeil tragend, der auf dem Rossegespann stehend, als solcher,
Indra, bohre nach glänzender Nahrung“. V 68; samrdjä, yá ghrtá-
yöni, VIII 8010 devä utå yäs ca devih „Götter und die ihr Göttinnen
seid“. VII 50, ydh pravdto, nivdta, udvdta, udanvdtir, anudakds ca
ydh, tåh ... bhavantu „welche Abhänge, Niederungen, Höhen sind,
die wasserreichen und welche wasserlos sind, die ... sollen sein“.
Die gleiche Hervorhebung gilt für das Objekt: II 32; yá guñgúr,
yú siniwvalt, yá räkd, yá särasvati, indräanim ahva ütdye varunäanlm
svastdye „welche Gungü, welche Sinivali, welche Raka, welche
Sarusvati ist, die Indräni rief ich an zur Hülfe, die Varunäni
zum Wohlergehen.“ Hier ist das Akkusativobjekt viermal durch
einen Relativsatz, zweimal durch den Akkusativ gegeben. 1161:
yd járantā yuvasd tå krnotana „welche alternd sind, die beiden
machtet ihr jung“. VIIl51, (Valakh. 3) yó no dätd vásünām ín-
dram tám hümahe vaydm „der uns Geber des Guten ist, den Indra
rufen wir an“. Dieselbe Umschreibung gilt auch für andre oblique
Kasus Il 41, våyo yé te sahasrino rathäsas tebhir å gahi „Väyu,
welche 1000 Wagen dir sind, mit denen komm herbei!“ VI 44s
yå te käkut sükrtä, yd varisthä, ydya süsvat pibasi mädhva ürmim,
táyā pāhi „welcher Gaumen dir wohl beschaffen, welcher sehr
breit, mit welchem du fortdauernd die Welle des Madhu trinkst,
mit diesem trink“. II32; yd subāhúh, svangurih, susümä, bahusü-
varı, täsyai vispätnyai havih sinivälyai juhotana „welche schönarmig,
schönfingrig, leicht gebärend, viel gebärend, dieser Herrin Sini-
vāli bringt Opfer dar!“ Das Objekt kann auch als Subjekt in
den Relativsatz gezogen werden, z. B. 1183, d tisthatam suvrtam
Die Flexion der »-Stämme im Baltisch-Slavischen und Verwandtes. 275
yó rátho vam ... värtate „Besteigt ihr beide den schönrollenden,
welcher Wagen euch ... rollt“.
Überblickt man hier einmal das Material, so sieht man, wie
gut das Ai. zum Baltischen stimmt. Umschriebene Adjektiva, wie
yó revdn entsprechen genau lit. turtìngasis, ein yá járantā wäre
lit., indem ich für den ungebräuchlichen Dual den Plural einsetze
pasestantieji (Dual Prät. *pasenuseju); yó no dätd findet sein Gegen-
stück in Getreide gieretoiasis (Dict.* 93° = krotofilny), falls in dem -is
kein Reflexivum steckt. Lit. juszjis, mus@jis') läßt sich durch
folgende Beispiele des Veda veranschaulichen IV 45, hamsdso wë
väm „eure Hamsas“ VIII 49, (Valakh. 1) ajirdso hárayo yé ta äsdvo
våtā iva prasaksinah „deine behenden, raschen Rosse sind wie die
Winde überwältigend“. VIII 2:0 göras ca yds te „deine Lieder“,
II 34,5 arväci så maruto ad va Gët ó sú väsreva sumalir jigātu „her-
gewandt sei, o Marut, diese eure Gnade, dieses euer Wohlwollen
soll fein wie die brüllende kommen“. V 30, prá nú vaydm sute
yá te krtänindra bravama, ydni no jüjosah „Jetzt wollen wir beim
Somasaft, o Indra, deine Taten verkündigen, welche du uns hast
kosten lassen f.“ VII 3s imd u toa, purüvaso, giro vardhantu gd
máma „diese meine Lieder, o du, der der trefflichen viel hat,
sollen auch dich erhöhen!“ Zu bemerken bleibt nur, daß das
Litauische diese Umschreibung von Gen. Plur. mit Relativum für
das Possessivpronomen nur bei den Stämmen des Plurals der
1. und 2. Person kennt. Für das Possessivpronomen der 1. und
2. Person des Singulars trat lit.-lett. manas, tavas, savas ein;
*musas und *jusas, die sich gelegentlich finden, sind wohl Nach-
bildungen und schwerlich alt. Für anyesam vám VIII 3314 váhantu
tvā ... lirds cid arydm sdvanäni, vrtrahann, anyesäm ad .. „sie
sollen dich fahren hinweg über den Freund, die Trankspenden,
die von den andern (kommen), o Vrtratöter“, kenne ich aus dem
Lit. zwar kein entsprechendes *kitzjis, aber ein kitäsis bei Chy-
linski z. B. Num. 11,26 vienoja — kitoja (G. Sg... Man könnte
1) musuiy auch bei Bretke Act. 26,7.
2) Zu dem ob. S.273f. erwähnten Satz sundvo .. amrtasya yè, wo amytasya
ye den possessiven Genitiv widergibt, kennt auch das Litauische genaue Ent-
sprechungen. Durch die jüngst von P. Arumaa herausgegebenen „Litauischen
mundartlichen Texte aus der Wilnaer Gegend“, Dorpat 1931 lernt man, daß in
Lazünai ein possessives Adjektiv üblich ist, das aus dem Gen. Sg. oder Plur. +
Pronomen jis besteht, vgl. 3619 põnüjuoj, 68 Zmonitjei vaikai; medzias (Wald)
dzievojis. Daß diese Verbindung zwischen Genitiv und Pronomen Ze nicht als
Komposition aufzufassen ist, lehrt auch die Akzentregel, daß der 'Ton immer auf
der Silbe steht, den sonst der Genitiv hat. K.-N.
18*
276 F Specht.
auch an Wolf. Post. 171a annui (Instr. Sg. fem. bestimmt), Marg.
Theol. 23 antraiei, 224 antroioie Chylinski I. Chron. 7,15 antroja
und besonders Num.11,26 ko&naghi (Akk. Sg.) erinnern. Bildungen
wie lett. żalējs entsprechen genau IX 78; jahi satrum antike dürake
yah „töte den Feind, welcher in der Nähe, in der Ferne = nahen,
fernen“, I 94, dpa dudhyd jahi dūré vā yé Anti „besiege die Bös-
gesinnten, die in der Ferne, die in Nähe“. Lit. Bildungen, wie
dangujejis, Zemejejis, katnęjis würde ungefähr ai. yá diví, yá prthi-
vyåm wà pärvatesu, in 1914 yå te dhámāni diví yd prthivyåm yä
pärvatesv, óşadişv, apsú, tébhir no visvaih .... práti havyd grbhāya
„Deine wirkenden Kräfte, die am Himmel, die auf der Erde, die
in den Bergen, in den Pflanzen, in den Wassern, mit diesen
allen .... nimm unsre Opferspenden entgegen“ entsprechen. Nur
ist dhāmāni statt dhdmabhis mit in den Hauptsatz gezogen.
Verbindungen schließlich wie ai. I 23:: amür yá, VI 28; ¿ma
yá gävah haben in lit. Verwendungen, wie Marg. Theol. 131? sighi,
152 sij (N. Sg. f.), oft bei Daukša, Bretke Post. 162 sitoiu budu,
Daukša sitöii (N. Sg. f.) sitaie (Instr. Sg. f.) ihr Gegenstück. Auch
an ähnliche Fälle wie manieji, tavieji, savieji (z. B. Klein, Gr. 76),
tavaio Bretke, saveiai Wolf. Post. sei in diesem Zusammenhang
erinnert.
Man sieht aus den angeführten Gruppen, wie nahe sich das
Relativum im Ai. mit dem Gebrauch im Balt.-Slav. deckt. Der
Unterschied besteht nur darin, daß das Balt.-Slav. die Form des
Relativs und seines dazu gehörigen Nomens an das entsprechende
Beziehungswort im Kasus assimiliert. Es steht hier auf gleicher
Stufe mit dem Avestischen, vgl. Reichelt, Av. Elementarbuch 370,
Endzelin, Slav.-balt. etjud. 131fg., Bartholomae, Air. Wörterbuch
1222ff. Versuche der Art sind auch im Ai. gemacht worden,
aber sie sind vereinzelt geblieben, vgl. Caland, ob. XXXIV 4561.
Man wird also den hier kurz skizzierten Gebrauch des Relativums
im Veda für idg. halten müssen. Das Baltisch-Slavische hat ihn
insofern weiter gebildet, als erstens die Stellung des Pronomens
im allgemeinen fest geworden ist und zweitens das dadurch mit
dem Relativpronomen zusammengewachsene Nomen oder Pro-
nomen an das Beziehungswort assimiliert wurde.
Exkurs I. Der Gebrauch von adjektivischem -us als
Femininum im Litauischen.
Im Lit. wird bekanntlich bei den adjektivischen -u-Stämmen
-us zuweilen im Sinne des Femininums gebraucht. Da Bezzen-
Die Flexion der »-Stämme im Baltisch-Slavischen und Verwandtes. 977
berger, Z. G. d. lit. Spr. 153 das Material nur zu einem kleinen
Teil anführt, sind falsche Schlüsse daraus unvermeidlich gewesen.
In Frage kommt eigentlich nur Bretke. Andre alit. Texte, wie
Daukša haben nur ganz vereinzelt einmal lygus. Zweifelhafte
Fälle habe ich meist ausgeschieden, so -us Adjektivum bei smertis,
da hier auch Maskulinum vorliegen kann. Oft ist von fremder
Hand der Text korrigiert und zwar so, daß die Form auf -us
durch -i ersetzt wird. Das zeigt eben, daß nur auf einem eng
begrenzten Sprachgebiet lit. diese Konstruktion überhaupt noch
möglich war. Nur einmal, wenn ich nichts übersehen habe, ist
der umgekehrte Weg gewählt worden, Hes. 23,23 ist gražę iauniske
zu gražų korrigiert. Ein derartiger femininer Gebrauch von -us
kommt prädikativ und attributiv vor. Das zusammengesetzte Ad-
jektiv kenne ich nur aus zwei Stellen im Akkusativ, II. Makk. 7, 42
baisughi muka, Post. 1422, ta baisu ir biaurughi muka. Im ersten
Fall scheint es allerdings zu baisughe korrigiert zu sein. Beachtens-
wert bleibt jedoch, daß auch js in diesem Fall sich rein äußerlich
nach -us gerichtet hat und die maskuline Form bietet.
Zu Sommers arischer Regel, IF. XXXVI 190 stimmen nur
biaurus, budrus, stiprus, malonus und das fremde macnus. Die
meisten Bildungen widersprechen, so: baisus, baugus, brangus,
drąsus, (ne)gilus, gražus, greikstus, kartus, lygus, (ne)patogus, platus,
puikus, riebus, rustus, smarkus, smulkus, stalgus, (per)sunkus, Sviesus,
tankus, veikus, vielleicht auch saldus. Auf Grund der Angaben
bei Bezzenberger a. a. O. hat Sommer a a. O. 222f. ferner im
Lit. eine Verschränkung der femininen u- und :-Formen zu einem
Paradigma angenommen. Zwar sind Nom. Akk. Sg. und Nom. Plur.
am häufigsten beim Femininum nach den u-Stämmen belegt, aber
das entspricht wohl ungefähr überhaupt dem Vorkommen. Das
Material ist folgendes: Nom. Sg. Deut. 18,8 ligus dalis, II. Sam.
14,26 (galva) persunkus, IL Reg. 18, 32 žeme kurri ligus, Hiob 8,17
sekla-tankus, 38,18 plattus-Zeme, Prov. 5,19 ana malonus (zu -i
korrig.), Prov. 7,10 kitra, baugus, nepassiduodanti, Prov. 9ıs durna
moteriske baugus, Prov. 16,18 puikus širdis‘), Prov. 22,14. 23,27
gillus duobe, Prov. 25,3 žeme gillus, Cant. 2,14 forma greikstus (ist
über Textwort maloninga übergeschrieben), Jer. 30,7 (žeme) ligus,
Hes. 8,2 sviesus skaista, Hes. 48,10 dalis platus, Dan. 5, 21 Sirdis')-
ligus, Dan. 7,5 antra Zveris-ligus, 7,6 kita Zveris-ligus, Am. 5,24
stiprus (zu -ra korrig.) strove, Sap. 7,23 malonus neben kitra, Sviesi,
1) Da š¿rdis und akis bei Bretke auch Maskulinum sein kann, so sind
diese Beispiele nicht sicher. Dasselbe gilt für Zveris.
278 F. Specht
rusta, Jes. Sir. 1,3 platus (zu -i korrig.) Zeme, Jes. Sir. 6,21 kartus
(išmintis), I. Makk. 6,57 vieta macnus, Variante stiprus (zu -i korrig.),
Ps. 32,4 ranka-sunkus (zu -i korrig.), Ps. 36,8 brangus-gieribe, Ps.
38,5 sunkus nasta, Ps. 89,14 stiprus (zu -i korrig.) ranka, Ps.112,8
Sirdis’)-drasus (zu -i korrig.), Matth. 13, 24.31.33.44.45.47. 18, 23.
20,1. 22,2. 25,1 karalysta-ligus, Mark. 6,21 patogus-diena, Mark.
14,38 dvase-veikus, Luk. 13,18.19. 21 karalyste-ligus, Act. 27,12
statis-nepatogus, Röm. 5,15 davana-ligus, II. Kor. 6,11 sirdis')-drgsus
(zu -i korrig.), Gal. 5,6 viera, kuri macnus, Apok. 4,7.13,2 Zveris')-
ligus, Apok. 11,1 nendre ligus. Genitiv. Sing. Ps. 86,13 iš gillos
Peklos, dafür steht von Bretkes Hand am Rande gillaus. Zweifel-
haft bleibt Jes. 64,2 nog smarkaus ugnies, da ugnis bei Bretke °)
auch Maskulinum sein könnte. Akkusativ Sing. Gen. 11,2 ligų
žemę, Ex. 3,5 ing platų žemę, Ex. 31,8 gražų liktarną, Deut. 8,15
per baisų pustine, II. Sam. 6,13 riebų avi, IL Sam. 13,1 gražų (zu
-e korrig.) seserj, I. Reg. 4,29 drąsų sirdj'), I. Chron. 5,40 riebų
ganiklą, Neh. 9,25 riebų (zu -ię korrig.) Zeme, Prov. 16,5 puikų
širdį’), Jer. 48,21 ligų žemę, Jer. 48,29 ape Moab stalgų (zu -ię
korrigiert) ... esančę, Hes. 23,23 gražų (aus -e korrig.) iauniske, Sap.
5,17 gražų karuną, Sap. 5,19 rustų tiesą, Sap. 8,19 gražų (zu -ę
korrig.) duse, Jes. Sir. 6,32 tą gražų karung, Jes. Sir. 38,11 saldų
und riebų affierg”), I. Makk. 16,17 baisų nevierniste, II. Makk. 7,42
ape baisughj muka, Ps. 45,2 gražų giesmę, Ps. 55,24 ing gilų duobe,
Ps. 60,11 ing vietą stiprų, Ps. 126,6 brangu sekla, Ps. 136,12 per
macny ranką, Matth. 13,5 Mark. 4,5 negilų žemę, Phil. 2,2 ligų (zu
-iq korrig.) made, Apok. 22,1 upẹ-šviesų, Post. I 422, ta baisu ir
biaurughi muka. Nominativ Plur. Gen. 6,2 gražus (dukteres), Gen.
41,21.26 (karves) biaurus, Num. 24,5 gražus-budeles, Deut. 2,10
thie buva dides stiprus ir aukštos žmones. Das Beispiel ist aber
unsicher, vgl. ebd. 2,21 thie buva didi stipras ir aukštas žmones,
I. Sam. 14,27.29 Prov. 20,13 akis’) budrus, I. Chron. 13,15 vissos
lankos-ligus, Prov. 21,4 puikus akis’), Cant. 1,15 akis')-ligus, Jes.
3,16 dukteres-puikus, Jes. 29,5 smulkus-dulkes, Hos. 14,7 (Sakos)
gražus, Jes. Sir. 1,3 gillus-jures, Ps. 65,14 bankos tankus, Act. 14,11
1) Vgl. S. 277 Anm. 1.
2) So Deut. 4,36, II. Chron. 7,2, wo es zum Femininum korrigiert ist,
Ps. 105,32, Jes. Sir. 3,33, II. Makk. 2, 10, Matth. 3,12, Luk. 3,17, Hes. 22,20 steht
Mask. neben Fem. In der Regel ist ugnìs aber auch bei Bretke schon Femininum.
3) Das Wort für „Opfer“ scheint auch als Maskulinum vorzukommen. Vgl.
II. Makk. 6,7 Affieravoiama buva ant Altoriaus affierai sokone ussakili.
In diesem Falle wäre das Beispiel unsicher.
Die Flexion der »-Stämme im Baltisch-Slavischen und Verwandtes. 279
deives')-ligus, II. Kor. 10,10 nes gromotos ira sunkios ir macnus,
Judas 13 biaurus vilnias, Apok. 9,7 karunos ligus (zu -ios korrig.),
Apok. 16,13 dvasios ligus (zu -es korrig.) Auch für den Genitiv
Pluralis scheinen Beispiele vorhanden zu sein. Nur sind sie nicht
unbedingt sicher. Denn der Unterschied zwischen maskuliner
und femininer Form beruht nur auf der Erweichung, und Bretke
läßt sie gelegentlich in der Schrift unbezeichnet. Immerhin
bleiben erwägenswert: Gen. 41,19 baisų, Variante biaury (karvių),
Hiob 42,15 gražu materu, Cant. 6,1 brangų žolių (ebd. 8,14 brangių
žolių). Akkusativ Pluralis: Gen. 41,19 labai baises (Variante dazu
biaurus) ir liesas karves, Jer. 4,29 ing tankus (über Textwort tirštas
geschrieben) girres, Jer. 49,19 prieš stiprus tvarčes, Hes. 27,18
brangus vilnas.
Wenn es nicht möglich ist, ein vollständiges Paradigma zu
bieten, so ist das nicht weiter verwunderlich. Denn bei Bretke
überwiegt auch bei den «-Adjektiven, die Feminina sind, weit
die Flexion nach den 3- oder @-Stämmen. Ferner ist bereits im
Altlit. auch bei den Maskulina in den obliquen Kasus die x-Flexion
durch die io-Flexion ersetzt. Das gilt auch für Bretke schon im
weitesten Umfang. Dat. Sg., Dat., Instr. Lok. Plur.”) kennt bei
ihm überhaupt keine Flexion nach den u-Stämmen mehr. Diese
Kasus kommen also für Feminina nach der «-Flexion überhaupt
nicht mehr in Frage. Im Sg. wird ferner der Genitiv schon oft
nach den ið- oder o-Stämmen abgewandelt. Der Nom. Plur. ist
wenigstens in bestimmter Form schon stets io-Stamm. Vom Instr.
und Lok. Sg. hat sich die Flexion nach den u-Stämmen selbst
beim Maskulinum nur in geringen Resten noch erhalten. Ich
habe mir angemerkt für den Instr. Hiob 32,1 teisumi, Gen. 24, 16
graZumi, Pred. 9,11 kitrum(i), Jes. Sir. 13,20 ligumi, für den Lok.
Judic. 5,25 brangume am Rand für brangeme des Textes, Ps. 31, 22
stiprame, das aus stiprume korrigiert ist, Ps. 45,9 graZume, Ps. 69,3
Drach. 32 gilume, Luk. 23,40 ligume (aus -ame korrigiert) und
Post. 139015. Bei diesem Tatbestand ist es im Gegenteil über-
haupt beachtenswert, daß sich in Bretkes Sprache noch soviel
Reste, in denen -us das Femininum vertritt, haben hinüberretten
können. Jedenfalls kann von einer Verschränkung zwischen z-
und «-Flexion, wie es Sommer möchte, für das Baltische keine
Rede sein.
1) Der Fall ist zweifelhaft, da deivė nicht selten auch Maskulinum bei
Bretke ist neben gleichbedeutenden dievas und deivis.
2) Post. I 19812 diaurosu würde nur zum Teil stimmen.
280 F. Specht
Exkurs Il. Ein indogermanisches Dehnungsgesetz.
Oben S. 222 hatte ich über griech. -2ç bei Verbalsubstantiven
gehandelt und die merkwürdige Dehnung als Nachahmung der
movierten Femina auf -ús angesehen. Auch in griech. óoëós liegt
Dehnung vor‘). Das hat Wackernagel, Sprachl. Unters. t. Hom.
185f. mit vollem Recht betont. Nur hat er sie auf das Femininum
zurückführen wollen und deshalb dies Genus für ursprünglich ge-
halten. Das ist schwer zu glauben. Im Ai. hat dru- neben neu-
tralem Geschlecht auch maskulines. Ebenso haben die Pelo-
ponnesier nach Schol. zu Aristophanes’ Nub. 401 ödoös als Masku-
linum verwendet. Es müßten also schon recht triftige Gründe
vorliegen, wenn man sich trotzdem für feminines Genus ent-
scheiden wollte. Wackernagels Hinweis auf griech. feminines
-tús gegenüber mask. lat. -tăs verfängt nicht, da griech. -töç nicht
alt sein kann, ob. S. 220°). Andrerseits sind Baumnamen in der
Regel im Griech. Feminina. So wird das weibliche Geschlecht
von doös ohnehin begreiflich’). Freilich geht es dann nicht mehr
an, die Länge von deös als Folge des femininen Geschlechts
deuten zu wollen. Die Dorer werden ohnehin trotz männlichen
Geschlechts die Länge gehabt haben. Die Gründe müssen also
andere gewesen sein. Ich sehe sie in der Einsilbigkeit des Wortes
und verlege diese Dehnung nicht erst in das Griechische, sondern
bereits in das Indogermanische. Damit will ich natürlich nicht
behaupten, daß doös unbedingt schon gemeinindogermanische
Bildung gewesen sein muß. Es könnte bereits vorgriechisch schon
bestehenden Typen nachgebildet sein, zumal da das Sprachgefühl
zu allen Zeiten eine Abneigung gegen gewisse einsilbige Bil-
dungen hatte.
Zum Beweise meiner Behauptung gehe ich von dem idg. Wort
für die „Maus“ aus, das zwar an und für sich kein z-Stamm ist,
aber im Nom. Sg. nicht von ihnen geschieden wird. Es hat idg.
* müs gelautet. Das lehrt die Übereinstimmung von griech. us,
germ. mūs, das ags. und an. z. T. noch konsonantisch flektiert,
lat. mūs, ai. muh, abulg. myso. Lebendig geblieben ist die Wurzel
vornehmlich im Ai. Hier weist alles auf einen Kurzdiphthong
1) Ganz anders Hirt, Idg. Gram. II 96.
2) Wenn Wackernagel ferner auf die Feminina auf - zu Maskulinen und
Neutren auf -u verweist, so hätte dieser Hinweis nur dann Berechtigung, wenn
der Nachweis erbracht wäre, daß dieses o in der Mehrzahl der Fälle auf alten
u-Diphthong zurückgeht.
3) Vgl. auch Walde-Pokorny, Vergl. Wort, I 804.
Die Flexion der »-Stämme im Baltisch-Slavischen und Verwandtes. 281
hin: mugati, musndti, mumösa'), musivdn, musäydti, mösati, mosa-,
muşká-. Nur das einsilbige muh’) kennt die Dehnung. Von ihm
wird das spätere mäsa-, das an seine Stelle tritt, in ähnlicher
Weise die Länge erhalten haben, wie attisches ögduds von des.
Über die griech. Formen s. u. S. 288f. Dann kann müs nur aus
* mus gedehnt worden sein, das schon in idg. Zeit aus N. Sg.
* meus, Gen. Sg. *müsös usw. zu *müs, *müsös ausgeglichen wurde.
Aus *müs mußte dann durch Dehnung müs werden. Sobald mus-
mehrsilbig wird, ist die Kürze tatsächlich erhalten, z. B. in dhrti-
mus-, asvamus-, dhänyamus- u. a.
Griech. iy$ös entspricht lit. Zuvis, das auf *2zs (ob. S. 228)
zurückgeht. Auch hier liegt ein einsilbiger Stamm auf -ù vor.
Im Baltischen ist die ganze Sippe reichlich belegt. Hier weisen
apreuß. suckans, das im Encheiridion ohne Akzent überliefert ist,
lit. Zukmistras, lett. zütis „Aal“, lit. Zvejdti?), Zvejüu, Zv&jas*), Zvejä,
lett. zvejuot, lit. Zvyne sämtlich auf eine Tiefstufe 3x-, zu der die
nicht bezeugte Hochstufe nur "Zen. hätte lauten können. Ostlit.
Züti hat die in solchen Fällen bei vokalisch auslautenden Wurzeln
übliche Dehnung, Zükle, Zuklyste, Züuklininkas und ostlit. Zuklys,
Zükläuti haben ihr # von *2us. Das erweisen allein schon die
daneben liegenden Ziükle, Zuklyste, Züuklininkas, Zuklys, Zuklduti,
Zükla. Aus alledem geht hervor, daß auch hier Z¿- das alte war
und 2ü- auf einer Dehnung des einsilbigen Wortes beruht. Auch
bei dem Worte für „Schwein“ läßt sich eine langvokalische
Wurzel kaum erweisen, vgl. Güntert a a. O. 111. Wie Kretschmer,
Glotta XIII 132ff. aus ai. s@kard- mit Recht gefolgert hat, liegt
der Flexion ds, oös, lat. süs, avest. Gen. hū — huvo, ahd. sū eine
Interjektion su zu Grunde. In solchen Ausrufen kann der Vokal
bald kurz, bald lang sein. Auf sz weisen lett. suvens, sivens, auf
sù- aksl. svins, got. svein (Trautmann, Balt.-slav. W. 294). Man
wird daher auch hier wieder die Dehnung auf Rechnung der
Einsilbigkeit setzen müssen.
Diesen drei Wörtern, in denen die Dehnung sicherlich schon
idg. ist, reiht sich óoëç an. Man darf natürlich nicht die vedischen
dru-, snu-, ksu- entgegenhalten. Denn die beiden letzten sind
sicherlich erst aus Komposita wie ghrtasnu-, puruksú-, wo ihre
1) musnäti zu mumoösa wie germ. liznön zu got.lais (Marstrander Norsk
tidskr. f. Sprogv. II 102).
2) Güntert, Idg. Ablautsprobleme 111 rechnet es zu den Abweichungen.
3) Wo -vé sich zuweilen findet, handelt es sich um falsche Schreibung.
4) Über die Wortbildung vgl. Lohmann ob. LVII 241.
282 F. Specht
Entwicklung regelmäßig war, herausgebildet worden. Auch be
dru- könnte man an Komposita wie sudri- denken. Aber das ist
wegen griech. ögös wenig wahrscheinlich. Idg. sind vom N. Sg.
*dóru (= ai. ddru) im Instr., Dat.-Abl., Lok. Plur. *drubhis, *drü-
bh(i)ös, *drusú die regelmäßigen Formen gewesen. Da sie zu
den mehrsilbigen «-Stämmen stimmten, so ist dru- darnach ge-
bildet worden, und dies hat wieder einen Gen. Sg. droh’) hervor-
gerufen. Wenn nun griech. ögög Dehnung erfahren hat, während
ai. dru- kurz geblieben ist, so läßt sich das nur damit deuten,
daß ójoës einzeldialektische idg. Bildung ist, die also noch in vor-
griechische Zeit hinaufragt, während ai. drü- erst zu einer Zeit
geschaffen worden ist, als das Dehnungsgesetz nicht mehr galt.
Bei der Übereinstimmung von drubhis, drubhyas, drusu mit einem
ü-Stamm wie sätrubhis, sätrubhyas, sätrusu war eine Neubildung
wie dru- in jeder Sprachperiode leicht möglich.
Aus dem Ai. gehört weiter hierher sr- „Strom“. Die Wurzel
weist sowohl mit ihren ai. Entsprechungen, wie srütd-, srüti-, srötas
u. a. als auch außerindischen auf Kurzdiphthong’). Kretschmer,
ob. XXXI 342 hat zwar auf Grund von ai. srävitave, srävitavai
auch mit zweisilbiger Wurzel rechnen wollen. Aber sie beweisen
sie so wenig, wie man etwa auf Grund von yamitavaz neben yatd-,
ramitum neben ratd-, hanitum neben hatd-, haritum neben hrtá-,
srayitum neben sritd-, namitum neben natd-, smayitva neben smita-,
smaritvä neben smrta- u.a. auf alte Setwurzel schließen dürfte.
Also muß eine ehemalige Flexion *sreus, *sr,uös > *sruuös, zu *srüs,
srüuös umgebildet sein, wo das einsilbige *srüs wieder zu *srüs
gedehnt wurde. Aus dem Germanischen wird man außer sa, müs
auch das Reimwort las dahin rechnen müssen, das noch an. und
ags. die konsonantische Flexion bewahrt hat. Die keltischen Ent-
sprechungen akymr. leu-eseticc „von Läusen zerfressen“*, korn. lowen
„Laus“ (Falk-Torp, Norw.-dän. etym. Wört. 666) scheinen auf Kurz-
diphthong zu deuten. So entscheidet sich Pedersen, Kelt. Gram.
1305. Nur vermißt er begreiflicherweise außerkeltische Parallelen.
Pokorny bei Walde-Pokorny a. a. O. II 443 setzt jedoch als Grund-
1) Ai. daru, griech. ódou, dovods weisen ursprünglich auf eine ganz andre
Abstufung, ob. XXV 501.
3) Lit. srove, Akk. sröve wäre für Langdiphthong ein sehr ungeeignetes
Beispiel, so wenig wie prämone, núomonė, priemonė, sgmone zu maniti,
naktigone zu ganyti, möle „das Mahlen“ zu mát, öre „das Pflügen“ zu arti
(Büga, Kalb. 113). Schon der Schleifton zeigt, daß hier keine alte Länge vor-
liegen kann.
Die Flexion der »-Stämme im Baltisch-Slavischen und Verwandtes. 283
form *löus an, noch anders Stockes bei Fick II* 256 *loves-. Bei
dieser Unsicherheit, die in dieser Frage bei den namhaftesten
Keltisten herrscht, muß ich mit meiner eignen Meinung zurück-
halten’).
Die übrigen einsilbigen #-Stämme haben alte Länge, so
griech. öpoös, ai. bhrüh, wie ahd. brawa, gall. brīva zeigen. Die
Flexion war also ehemals *bhreus, *bhrü-es > *bhruues usw.
Daran möchte ich mit Prellwitz G.G.A. 1886, 764 trotz Kretschmer,
ob. XXXI 341 doch festhalten. Vgl. auch Joh. Schmidt, ob. XXXI
330. Das Verhältnis von *bhreuäs zu bhrah ist ungefähr das gleiche
wie das von ai. däru, griech. óóou, ai. jänu, griech. yóvv zu got.
triu, kniu. Ebenso sind die ai. jū- „eilend“, sū- „Erzeuger“, bhu-
„Erde“, wohl auch das in der Bedeutung nicht ganz klare dz-,
das später belegte syz- und der s-Stamm yäh, lat. zs Schwund-
stufen von langdiphthongischen oder zweisilbigen Wurzeln. Alt-
poln. kry, av. xrū ist die aus den obliquen Kasus in den Nominativ
übertragene Tiefstufe, deren Hochstufe griech. xoer& als Nom. Plur.
fungiert, Joh. Schmidt, Plur. 338f. Bleibt noch lat. grüs und av.
srū „Horn“. Sie verhalten sich zu lit. gerve oder griech. xegards,
xóou-9oç (Gen. Sg.), wie 2gv- zu v oder velü- zu vlū-, ob. S. 232.
Also auch hier ist die Länge ursprünglich. Sie würde es auch
für av. sü „Nutzen“, dazu Futurum saosyant-, sein, wenn J. Hertels
Verbindung mit xaíe < *xarıo zu Recht besteht, Zur Erklärung
des Avestas und des Vedas, Abh. Sächs. Ak. 1929, 151ff.
Weiterhin gehört hierher das Wort für „Feuer“ griech. zëo,
umbr. pir, osk. purasiai”), arm. hur, an. fürr, čech. pór, pýři
„glühende Asche“. Bartholomae, P. Br. B. XLI 272ff. hat dafür
eine Grundform *peuör gefordert und Walde-Pokorny a.a.O. II 14f.
sind ihm darın gefolgt. Dieser Ansatz ist reine Erfindung und
durch nichts zu stützen. Die obliquen Kasus nvgös, nögd usw.
und die zahlreichen Ableitungen wie nvod, nvonia, muošooo,
TTVOETÖS, TVPEUW, zugía, TTVO6W, 20000, TTVO00L, 20000, NVQAXTÉW,
nvoxain, nvonoltw, nvolxavorog u. a. haben sämtlich kurzen Vokal.
Umbr. pir aus mär" entspricht genau zëo, in umbr. purome, pureto,
pure, osk. purasiai steht die Quantität des Vokals nicht fest. Ist
er lang, so liegt Übertragung aus dem Nominativ vor. Auch an.
fürr (mask.), čech. pýř, pýři wird man bis auf die Umgestaltung
nach der vokalischen Flexion unmittelbar zög gleichsetzen müssen.
1) Ich verweise ferner auf Lohmann, Zeitschr. f. celt. Phil. XIX 62f. K.-N.
2) Lok. Sg. fem. einer adjektivischen Ableitung.
3) Bartholomaes Herleitung aus *puör läßt sich schwerlich begründen.
254 F. Specht
Auch hier ist der lange Vokal des Nominativs wie in germ. ms,
altbulg. myš durch das ganze Paradigma durchgeführt worden-
Wie zu erwarten, hat also nur wieder das Griechische den alten
Ablaut bewahrt. Er weist unbedingt auf Kurzdiphthong. Der
Langdiphthong, der in der Regel angesetzt wird, beruht nur auf
der falschen Verbindung mit ai. pävakd- „Feuer“, wofür die Metrik
des Rigveda paräkd- fordert (Oldenberg, Hymnen d. Rigv. 477).
Schon Bartholomae a. a. O. 272 Anm. 2 hat diese Verbindung mit
Recht abgelehnt, da das Iranische nur die Verwendung als Ad-
jektiv kennt. Auch im Rigveda ist der adjektivische Gebrauch
sehr verbreitet. Mit Vorliebe wird hier pävakd- „glänzend“ mit
agni- „Feuer“ verbunden. Aus dieser Verbindung hat sich dann
pävakd- losgelöst und die Bedeutung von agni- übernommen.
Da nög ein r-Stamm ist, so hat man ferner geglaubt, daß
es die obliquen Kasus mit n bilden müßte, also Gen. Sg. * punes.
Aber nirgends findet sich davon eine Spur. Das hat eine treff-
liche Parallele in dem gleichfalls einsilbigen ai. vår, väri. Auch
hier haben die obliquen Kasus nur r, wie värbhydh, värbhih, des-
gleichen die außerindischen Entsprechungen av. var, lat. &rīna,
an. úr, lett. jari- (Elger). Bartholomae, der sonst einen so
großen Wert auf die Verwandtschaft zwischen „Wasser“ und
„Feuer“ legt, hat sich merkwürdiger Weise auf das mehrsilbige
griech. wọ, Öôatos, got. vato, ai. uddn- usw. berufen, obwohl bei
dem einsilbigen nög die Berufung auf das gleichfalls einsilbige
Wort für „Wasser“ ai. vár, väri viel näher lag‘). Allerdings ist
dann jeder Grund, einen obliquen n-Stamm wie *pünds zu fordern,
hinfällig geworden. Man hat zwar deshalb an got. fon, funins,
an. fune, apreuß. panno, panustaclan erinnert, zu denen weiter
got. fani, apreuß. pannean „Moorbruch“, lett. peńava, paña „Pfütze“,
pane „Jauche“, griech. mevóv ` ueueiavwuevov gehören (vgl. S. B.A.
1910, 792; ob. LII 116; LV 20; Trautmann, Balt.-Slav. Wort 205).
Bartholomae a.a. O. hat auch als letzter den Versuch gemacht,
diese beiden verschiedenen Sippen zu vereinigen. Aber abgesehen
davon, daß sein Ausgangspunkt, die Parallelbildung zu Üöwe,
ödarog falsch ist, spricht die Fülle von Analogiebildungen, die er
annehmen muß, und der Ansatz von nirgends durch die Über-
lieferung belegten Formen auf das allerdeutlichste gegen seinen
1) Meine Annahme erfährt nachträglich eine gewisse Bestätigung durch das
Tocharische. In der inzwischen erschienenen tocharischen Grammatik ist S. 223
unter „Gruppenflexion® wär — por „Wasser — Feuer“ genannt, wo wär kaum
etwas andres als der Reflex des ai. var, väri ist. KN.
— —
Die Flexion der »-Stämme im Baltisch-Slavischen und Verwandtes. 285
Versuch trotz der Zustimmung, die er z. B. bei Walde-Pokorny
a.a. O. II 14f. erfahren hat. W. Schulze hat außerdem S. B.A.
1910, 792 die unmittelbare Entsprechung von korinth. ITfoorós in
lit. puřvas wiedergefunden. Das Leugnen dieser Gleichung hilft
nichts; denn die dort angeführten Tatsachen bedeutungsgeschicht-
licher Art sprechen eine zu beredte Sprache. Mit der Annahme,
das ursprüngliche *peuör — *punes sei erst einzelsprachlich zu
org — nvods umgewandelt worden, ist es dann allerdings aus.
Das haben auch Walde-Pokorny a. a. O. mit Recht hervorgehoben.
Sowohl lit. puřvas mit seinem Schleifton, als auch die Kürze
in sıvods u. a. weisen auf Kurzdiphthong. Nach alledem kommt
nur eine Wurzel peu- in Frage, die die bei Neutren übliche r-
Erweiterung erfahren hat. Wenn es nicht möglich ist, diese
Wurzel etymologisch anzuknüpfen, so ist das gleichgültig. Gerade
bei derartigen alten Bildungen kommt es nicht selten vor, daß
sie etymologisch unklar sind, vgl. Schwyzer, ob. XLVI 166. Dann
lautete die Flexion ursprünglich *peur — *pürös, das dann in
andrer Richtung als vár zu *pür — püröds ausgeglichen wurde.
Ein solches *pür mußte wieder zu *pür gedehnt werden. Das
liegt im Griech., Ital. und mit Umbildung nach der vokalischen
Flexion im Armen., teilweise auch im Germ. und Slav. vor. Bar-
tholomae a. a. O. 293 weiß den Zirkumflex von nöe nicht zu
deuten. Er wird nun bei dem nachträglich gedehnten Vokal
völlig klar und stimmt genau zu us, ixdös, Ögüs, ds, oe, dem
unten zur Sprache kommenden >ë? und dem zweisilbigen vedi-
schen nū’).
Die Behandlung der andern germ. Formen, wie ahd. fuir,
fiur usw. kann hier gleichgültig sein. Sie sprechen jedenfalls
nicht für einen Langdiphthong. Am richtigsten hat nach meiner
Meinung darüber Brugmann, IF. XXXIII 311f. geurteilt. Er setzt
Juir = *puu£ri, fiur = *peuri. Ich weiche nur insofern ein wenig
von ihm ab, als ich bei der Grundform von fiur auch mit einem
*péusr(i) rechne, das über fiuur(i) zu fiur wurde, wie *niuun zu
got. niun. fiur würde sich dann zu zög verhalten wie ai. vdri zu
vår). Die ehemalige Flexion *peu,r oder peuri — *püres ist dann
germanisch zu Gunsten des Nominativs ausgeglichen worden.
1) Auch im Litauischen erhält eine Partikel (Interjektion), die durch starke
Betonung gedehnt wird, den Schleifton, vgl. Taut. ir Zod. IV 574 in einem Liede
aus der Umgebung von Panevėžys: Oi cit cyt Sünys, nelokyte.
2) Man erklärt var in der Regel zwar als Wurzelwort, aber nichts spricht
dagegen, es wie zö-e in vã-r zu zerlegen.
286 F. Specht
Ein Rest der ursprünglichen konsonantischen Flexion liegt viel-
leicht noch vor in den Monseer frg. 16; fyur forbrennitun. Es
kann nur alter Lokativ auf -i sein, der instrumentalisch verwendet
wurde. Die von Schatz, Ahd. Gram. 205 in gleichem Zusammen-
hang genannten dorf, holz, hüs haben damit nicht das geringste
zu tun.
Auch fuir aus *puueri braucht nicht auf Langdiphthong zu
weisen. Es kann idg. *p,ueri aus älterem *peueri sein. Dann
verhält es sich zu *peu-;r(-i) wie ungefähr ai. ödhar-, lat. über zu
griech. oë9ao, nur daß in oó9ao noch alter Dental am Ende ge-
standen hat. Es kann aber auch — und das dünkt mich wahr-
scheinlicher — das von Schwyzer, ob. XLVI 166f., für das Griech.
und Avest. nachgewiesene Suffix -ver, vr (av. -var, griech. rao)
vorliegen, das die Bedeutung eines Nomen actionis oder acti hat.
Nur ist im Avest. und Griech., wo das Suffix noch einigermaßen
lebendig ist, der Zusammenhang mit dem dazu gehörigen Verbum
bewahrt geblieben, während er in dem ganz isolierten *pu-uér-i
verloren gegangen ist.
Noch ein weiteres Beispiel wird man hierher rechnen müssen.
Im Rigveda findet sich öfter ein Adverbium sajöh in der Bedeu-
tung „vereint“. Die teilweise gleichbedeutenden sajösa- und sa-
jóşas- lassen keinen Zweifel darüber, daß in dem 2. Gliede -jüh
die gleiche Wurzel wie in jusäte „genießen, sich erfreuen“ steckt,
die sich außerdem im Iran., Griech., Lat., Germ., Kelt. und wahr-
scheinlich auch im Alb. wiederfindet. Überall in dieser reich ver-
breiteten Wortsippe erscheint Kurzdiphthong. Nur sajüh steht
abseits. Nun kann es ursprünglich nur ein Nom. Sing. gewesen
sein in der Bedeutung „zusammengenießend“, vgl. auch Wacker-
nagel, Ai. Gram. Il 1,74. Dann hat zech darin die ursprüngliche
Bedeutung eines Adjektivs oder Nomen agentis. Es deckt sich
also dabei genau mit ai. müh zu mösati ursprünglich „stehlend“,
„Stehler“, dann „Maus“ und wie dieses war auch jzs als Simplex
denkbar. In dieser Verwendung ist es gleich muh zu jūh gedehnt,
aber frühzeitig durch joştár- ersetzt worden. Nur in dem ad-
verbiell erstarrten Kompositum sajüäh hat sich die alte Dehnung,
die im Simplex entstanden war, erhalten.
Es hat sich also ergeben, daß in mūs, sajüs, pūr und in einer
Anzahl einsilbiger #-Stämme Dehnungen vorliegen. Demnach sind
in den einsilbigen -Stämmen schon in idg. Zeit zwei ganz
verschiedene Klassen zusammengeflossen. In der einen ist -%
regelmäßige Tiefstufe einer langdiphthongischen, zweisilbigen oder
Die Flexion der »-Stämme im Baltisch-Slavischen und Verwandtes. 287
einer ehemals zweisilbigen mit u-Diphthong erweiterten Wurzel.
In der andern Klasse gehört - zu kurzdiphthongischen Wurzeln
und kann nur im Nominativ nachträglich gedehnt sein’). Dann
stimmt diese Dehnung genau mit der von griech. »ö», ved. ahd.
nū gegenüber vò, në, von ahd. dé, apreuß. tou gegenüber lat. tă,
griech. ob überein’). Osthoff, M. U. IV 351f., der auf die zuletzt
genannten Formen zuerst hingewiesen hat, wollte in der Dehnung
von nū und dù seine nebentonige Tiefstufe sehen. Dagegen haben
Bechtel, Hauptprobleme 149ff. und Kretschmer ob. XXXI 337f.
angenommen, daß eu, ou in der Tonlosigkeit zunächst zu & wurden.
Erhielt dieses & aus irgend einem Grunde nachträglich den Ton,
so blieb die Länge erhalten, sonst wurde % in einer jüngern
Sprachperiode zu č gekürzt. Diese Annahme ist heute fast All-
gemeingut geworden. Vgl. Wackernagel, Ai. Gram. I 92f.; Hirt,
Idg. Gram. II 95. Auch Güntert a. a. O. 108. 120f. steht auf diesem
Boden. Aber nz und tz können nicht das beweisen, was sie
sollen. Denn sie stehen genau mit *müs, “jūs, *srüs, *ghhus,
*drus, *pür auf einer Stufe, d. h. alle diese Bildungen sind ein-
silbig und haben von Hause aus kurzen Vokal, der bei der einen `
Gruppe durch ehemalige Enklise, bei der andern durch Ausgleich
schon idg. hervorgerufen ist. Vgl. noch u. S. 2971.
Diese Darlegung über die 2-Stämme erfordert nun aber z. T.
eine andre historische Beurteilung des Wechsels von Länge und
Kürze bei ehemaligen Einsilbern. W. Schulze, Qu. ep. 133 hat
die Kürze des o im Dat. Plur. von öodol, ovol, iy9%66 povo,
die seit Homer gilt, als alten Ablaut deuten wollen. Dem haben
Brugmann-Thumb, Griech. Gram.* 208f. widersprochen und die
Kürze als Übertragung aus ¿y9Zos usw. ansehen wollen. Wacker-
nagel-Debrunner, Ai. Gr. II 192 haben zugestimmt. Eine solche
Übertragung wird durch den homerischen Tatbestand nicht nahe
gelegt. Denn es bleibt dann ganz unverständlich, warum die mehr-
silbigen #-Stämme, die sonst völlig einheitlich mit den einsilbigen
a-Stämmen flektieren, bei Homer gerade im Dat. Plur. in der
Regel die Länge erhalten haben (W. Schulze, Qu. ep. 132) und
erst in nachhomerischer Zeit auch hier die Kürze einführen. Wenn,
1) Unmöglich ist auch die Annahme aus obliquen Kasus, wie etwa *"sruues
aus sraues wäre sruu- in den Nominativ gedrungen. Dagegen spricht erstens
müs, sajus und pür, die nicht so gedeutet werden können, zweitens auch dee,
da es hier ursprünglich Formen wie *druues überhaupt nicht gab.
2) Ob auch lit. ie usw. in gleichem Sinne verwandt werden können, bleibt
doch sehr zweifelhaft, da sich die Dehnung hier auch in den mehrsilbigen Formen
des gleichen Stammes findet.
288 F. Specht
wie wir ausgeführt haben, Länge des # in done, oös, ds, iydösg nur
bei Einsilbern berechtigt war, so sind dovol, ovol, iy$Voı die regel-
mäßigen Formen, die man zu erwarten hat. Dazu stimmen die
Kürzen im Kompositionsvokal in avgooßds, üpooßös, avBwrns, ov-
ßdcrov"), in einer Ableitung wie ovgeös, in ixdvßdAw (Aeschyl.
Sept. 131) iy$ußolevs Hesiod, Fre. fals. 15, Nikander Ther. 793,
um über die vielen Komposita mit iy9%- bei Späteren ganz zu
schweigen, ferner in Ögvrduog”), ÔQUÓXOS, Hevnenns, ÖgvaoAdstıng,
dovmerng, wohl auch doo, Dann müßte öygöcı diesen Wörtern
nachgebildet sein. Denn hier wäre nur alte Länge am Platz.
Die Kürze wäre auch bei der Schulzeschen Erklärung bei einer
ehemaligen langdiphthongischen Wurzel nicht recht zu verstehen.
Umgekehrt hätte sich im Ai. srasu statt *srüsu, srubhis usw. nach
den andern einsilbigen ö-Stämmen gerichtet. Für beide Sprach-
gruppen ist der verschiedene Weg, den der Ausgleich genommen
hat, wohl verständlich. Im Griechischen überwogen die einsilbigen
4-Stämme mit ehemaligem kurzen A, im Ai. mit langem o Dazu
ist für das Griech. bildungsgleich mit den -Stämmen auch wöc.
Schwieriger ist die Beurteilung des Lateinischen. Die Kürze in
sücerda und sübulcus stimmt wohl genau zum Griechischen. Ob aber
auch in subus neben säbus etwas Altes zu sehen ist, bleibt mir doch
zweifelhaft. Hier könnte die Kürze auch aus suis usw. stammen.
Auf einem besondern Brett steht das Wort für die „Maus“.
Es hat im Griech. überall außer in den einsilbigen Formen kurzen
Vokal, auch im Dat. Plur., wie Batrach. 173, 174, 178. Aber da-
neben ist durch Choeroboscus auch ein uvol bezeugt, das W.
Schulze, Qu. ep. 133f. überzeugend als #vo-ol deutet. Nachdem
im Idg. einmal eine Flexion * müs, *muüsös entstanden war, lag
es nahe, sie nach der Art der sonstigen Einsilbler zu regeln und
müs- ist dann als sogenannter starker Stamm auch in den Nom.
Plur. eingedrungen, vgl. ai. müsah. Im Griech. hat W. Schulze,
Qu. ep. 134 Anm. 3 im Anschluß an Bergk, Opusc. II 270 diese
Form bei Epicharm frg. 44 wiederfinden wollen. Falls der Vers
bei Athenäos VII 308e richtig überliefert ist, so ist an der Länge
1) W. Schulze, Qu. ep. 37 verlangt allerdings in der Komposition die „forma
debilior“. Daran ist nicht zu zweifeln. Nur müßte dann ovß@zns nach dem
bisherigen Standpunkt 2. Reduktion sein. Für derartige Formen aber ist in der
Komposition kein Platz, wie auch vavayds, Bodßeweorıs, ai. gojtt, govfs u.a. zeigen.
3) Wegen gelegentlicher, wohl durch metr. Dehnung bedingte Länge in
deünena „olivam“, vgl. Wackernagel a. a. O. 186 Anm. 1. Nicht weiter auffällig
ist auch die Länge in yegdv6gdo» Apoll. Rhod. I 1118, denn er mißt nach doe
auch deduds, Wackernagel a. a. O. 185.
Die Flexion der x»-Stämme im Baltisch-Slavischen und Verwandtes. 289
nicht zu zweifeln. Die sonstigen Herausgeber haben aber, um
noch eine More zu gewinnen hinter uveg eine Kürze ergänzt, so
Ahrens = frg. 28 ër, Meinecke Athenäos a a O. åw’. Kaibel läßt
beidemal in der Athenäosausgabe und bei Epicharm eine Lücke.
Veranlaßt ist ihr Verfahren dadurch, daß sich sonst die Länge
im Paradigma außerhalb der einsilbigen Formen nicht nachweisen
läßt’). Wohl aber ist sie vorhanden in uvov und uvyaln, W.
Schulze, Qu. ep. 134 Anm. 3, wo ich zu den dort genannten
Stellen Nikander, Ther. 816 uoyal&nv hinzufüge. uvodoxos, das
Osthoff, M. U. IV 217 aus Nikander, Ther. 795 notiert, ist für
diese Zwecke belanglos, da Nikander kein rechter Gewährsmann
sein kann. Dazu verweise ich auf Ther. 490 uvdygovs, Alex. 305
uvoxtóvov, Ther. 225 uvovoog, aber ebd. 287 uvovoog und auf
Schneider zu Ther. 287, der noch andere widersprechende Mes-
sungen, wie Alex. 396 uvioscı, aber Ther. 787 uvia, Ther. 887
oidas, aber ebd. 72 olöng u.a. notiert. Brugmann-Thumb, Griech.
Gr.* 209, Anm. 1; Brugmann, Gr.’ II 1, 137 haben Ablaut geleugnet
und nur uv- als das Alte anerkannt. Da müs als Einsilbler mit
der betonten Genetivendung -¿s/ós Akzentwechsel gehabt hat, so
muß auch Ablaut damit verbunden gewesen sein. Das ist so
selbstverständlich, daß jede andere Erwägung dagegen verstummen
muß. Allerdings neigen die idg. Sprachen dazu, den Wechsel
zwischen langem und kurzem Vokal gern auf Kosten der Kürze
einzuschränken. Ich erinnere nur an ai. vdk väcds, an Präsentia,
wie ydti, yamdh, Wurzelaoriste wie ddäm, ddäma, čßņv, Eßnuev,
wo manchmal nur geringe Reste noch die alte Abstufung erkennen
lassen. Im übrigen ist m&h im ältern Indischen viel zu spärlich
überliefert, als daß man unbedingt von durchgeführtem 6 sprechen
könnte. Im Lat. ist von vornherein mit erhaltnem Ablaut nicht
zu rechnen. Auch das Germ. meidet ihn bei einsilbigen Wörtern.
So bleibt eben nur das Griechische. Brugmann gegenüber räume
ich allerdings soviel ein, daß die Flexion oös, opd, ógpoos, povos
usw. die Erhaltung von uös, uvdg gefördert haben, von, uvol und
der Akk. Plur. uös müssen ihnen ohnehin nachgebildet sein. uvo®»
hat die Länge aus wös, wie denn auch nichts dagegen spricht,
daß die ganze Bildung erst urgriechisch ist.
Etwas anders steht es mit der Länge im Dat. Plur. mehr-
silbiger z-Stämme. Homer kennt sie noch an 5 Stellen für véxvo,,
yevvor, nlıvoı, wofür um geschrieben ist, W. Schulze, Qu. ep.
1) Vgl. uves Theokrit. 2248, Batrach. 6, 132, 301, Aischylos frg. 34, Aristo-
phanes Ach. 762, Nikander frg. 83, Anaxandrides (K. II 153 frg. 4161).
Zeitschrift für vergl. Sprachf. LIX 3/4. 19
290 F. Specht
132. An einer Stelle v 78 Zero ist bereits Kürze vorhanden.
Dafür hat Schulze Zoe dugınoledsıw schreiben wollen. Für
nötig halte ich die Änderung nicht. Genau wie im N. Sg. der
Barytona ue die Regel ist, so wird auch in dem Dat. Plur., wo
allein sich die Länge erhielt, die Kürze eingedrungen sein. Dafür
könnte Zoo das älteste Beispiel abgeben. Die spätre Zeit
kennt fast nur die Kürze. Im allgemeinen sind aber derartige
Dative nicht zahlreich in der Poesie belegt. Das älteste nachhom.
Beispiel iyvvoı (hymn. Herm. 152, Nikander Ther. 278) zeigt schon
Kürze, ebenso ßorevas (Ilias parva frg. 6,, Euripides frg. 530s,
Nikander Ther. 873). Ferner y&vvoı (Pindar Nem. 56, Soph. Antig.
121, Euripides Phoen. 32, frg. 537, Aristophanes Av. 1065), vé-
xvoıw (Aristoph. Thesm. 1055), doxvoı (Eurip. Bak. 231, 451), Di-
kaiogenes (Nauck frg. 1ı), Ariphron (Diehl, Anth. lyr. II 131),
vnövoı (Nikander Ther. 467). Sehr viel mehr Beispiele wird es
bis zur hellenistischen Zeit in der Dichtung nicht geben. Nur
einmal Pindar frg. 203, ist in y&vvooı, wofür y&vvor zu schreiben
ist, die Länge erhalten. Der Unterschied zwischen N. Sg. und
Dat. Plur. bei Barytona besteht also darin, daß der Nom. Sg. in
der Regel Kürze zeigt, während der Dat. Plur. in ältester Zeit
die Länge durchgeführt hat. Dazu stimmt auch hom. ßoreddör.
Andere Ableitungen von diesen Stämmen schwanken zwischen
Kürze und Länge, so ĉıvoós (W. Schulze, Qu. ep. 336 Anm. 2;
ob. LII 311). Allerdings will W. Schulze a. a. O. 132 auch bei
zízus und yévvs bei Homer mit Länge rechnen. Aber dagegen
sprechen 0409, 462, 0 729 Yonvvv und E724 froe, Wenn véxõs
bei Homer Länge zeigt'), so wird das auf seiner Herkunft aus
Langdiphthong beruhen, Brugmann, IF. XVII 488, XXXIII 283.
Dasselbe gilt sicher für x£4us, das mit Länge hymn. Herm. 24,
33, 153 überliefert ıst. Wenn dafür auch die Kürze eintritt, so
ist das damit zu erklären, daß die meisten Barytona von jeher
-üs, Am gehabt haben, vgl. Sappho frg. 103, x&4v, Euripides Alk.
447 y&Avv, Kallimachos hymn. 11 16 séin Merkwürdig ist nur,
daß véxvçs außerhalb Homers im Gegensatz zu x&Avg die Länge
nicht mehr kennt, vgl. Pindar, Päan 6, Simonides frg. 80s,
Euripides Hik. 70, Alkest. 599, Theokrit. 221, Kallimachos Epigr.
175 vexvv”). Liegt der Grund etwa darin, daß Wörter auf oe
1) Bei neiendös T'60, neienov P 520 liegt Dehnung in der Arsis vor, vgl.
Hartel, Homer. Stud. I 111; Dooxös B 862 bedeutet nichts, da der Genitiv
Dopxüvog lautet.
2) Vgl. auch das Material, das Gunnerson a. a. O. 37f. zusammengestellt hat.
Die Flexion der »-Stämme im Baltisch-Slavischen und Verwandtes. 291
die Maskulinum sind und eine Person bezeichnen, etwas Unge-
wöhnliches sind?
Man müßte die gleiche Dehnung auch bei den einsilbigen
‚Stämmen erwarten. Aber das Material ist sehr dürftig, und die
Dinge sind nicht so klar wie bei den #-Stämmen. In griech. Are
ist 3 wahrscheinlich Reduktion eines Langdiphthongs, W. Schulze,
Qu. ep. 70f., bei «ig ist das Etymon unsicher, so bleibt zunächst
sis „Kraft“, das nur noch in fer alte -Flexion zeigt, im übrigen
aber schon durch heteroklitisches tvdg') vertreten wird, dazu lat.
vis, vim. Da nach Ausweis von ai. veti, váyas der Wurzel Kurz-
diphthong zukam, so beruht vis wieder auf einer ehemaligen
Flexion *veis, *v,ies > *viies. Dazu wurde idg. neu der Nom. *vis
gebildet, der aber als Einsilber die übliche Dehnung erhielt. Das
neben lat. vis stehende vires kann mit Joh. Schmidt, Plur. 384#£.
Reduktion einer s-Erweiterung weies- sein, vgl. jedoch auch Sommer,
Hdb.* 354. Aber schwierig ist die Deutung von ¿ in ai. vird-, av.
vira-, lit. vyras gegenüber lat. vir, air. fer, got. wair. Man könnte
annehmen, die Kürze wäre das Ursprüngliche und z stamme aus vis.
Aber dann macht die Intonation des Litauischen Schwierigkeiten,
da man wegen *Züs u.a. (ob. S. 231 und 285) Schleifton erwarten
sollte. Außerdem wird der Wechsel zwischen Länge und Kürze
bei -ro-Ableitungen durch andre Paare, wie oxıagdg — dvınods
(W. Schulze, ob. LII 311) als uralt erwiesen. Ein zweites griech.
sis wird durch die Hesychglosse vc: iuds (Fick ob. XLIV 338f.)
gesichert. Fick hat dazu wohl mit Recht auch yeido0»' čvôvua
= seidgov und yırda = Fırda gestellt, wofür recéo zu schreiben
ist (ob. S. 220), ferner sei an ai. vdman- „Webstuhl“, av. vaeti
„Weide“, griech. oioda u. a. erinnert. Aus ihnen ergibt sich
abermals eine kurzdiphthongische Wurzel ve. Allerdings hat
man auf Grund von lat. viötus”) auch eine Wurzel mit Sonant
und langem Vokal angesetzt, so z. B. Kretschmer ob. XXXI 383,
Ich glaube aber nicht, daß ihre Stützen sicher sind. Das Präsens
lautet ai. vayati und vydyati. Die letzte Bildung hat durch W.
Schulze ob. XXVII 605 ihre Aufklärung gefunden. Zu väyati
stimmt altbulg. povijg, zu vydyati lat. viere. Lit. eeé kann váyati
sein, aber auch auf *vjejú zurückgeführt werden und vyáyati fort-
1) Anders darüber Scheftelowitz, IF. XXXIII 159.
s) Auch ai. oyäna- stimmt nur scheinbar zu viētus. Wie ich über Hirts
sogenannte schwere Basen denke, habe ich ob. LIX 81ff. auseinandergesetzt.
Ich sehe in oyana- eine der üblichen Wurzelerweiterungen mit langem betontem
Vokal. Vgl. Brugmann, M. U. I 1f.
19*
292 F. Specht
setzen. Von dem Präsens *vi-&i-s lautet die Tiefstufe vg Sie
liegt vor in vimen, falls es nicht richtiger = *veimen ist, und
besonders in ai. vītá, lit. vytas, aksl. povite, lit. vytis, lat. vitis usw.
Lat. vievi, vietus können zu viere gebildet sein, wie plēvi, pletus
zu pleo. Maßgebend für diese Flexion war der einsilbige Stamm.
Denn ein ursprüngliches *ovjeo stimmte genau zu pleo, neo. Also
kann griech. gie, dessen weitre Flexion nicht feststeht, wieder
auf Dehnung aus *uis beruhen. Ä
Aus dem Ai. wird %- begehrend hierher gehören (Wacker-
nagel, Ai. Gr. HI 179). Da das Präsens véti wie oben bei gie
auf Kurzdiphthong weist, neben veti aber auch die Präsensbildung
vyánti liegt, so kann die Länge in vitar- „Verfolger“ wieder
Schwundstufe von einem Präsens *ui-ei-ö sein. Dagegen ist in
ai. bhi- und dhi- der lange Vokal regelmäßige Schwundstufe.
Das gleiche wird für z in srī- gelten müssen, obwohl außerarische
Parallelen fehlen, vgl. Bartholomae, IF. VII 73 Anm. 2; str: ist
etymologisch unklar. Auffällig bleibt, daß die Flexion für den
„Vogel“ *veis, *v,ies, *vibhis nicht idg., wie es sonst zu sein
pflegt, zu *vis > *vis, *viies ausgeglichen ist. Der Nom. *ueis und
Plural *weíes ist bis in das Vedische hinein als veh und vdyah er-
halten geblieben, und wie zu drubhis ein Gen. droh, so ist zu
vibhis, vibhyah ein Genitiv ves neugebildet worden. Der Akkusativ
*vayam ist bereits durch vim, das den mehrsilbigen :-Stämmen
nachgeschaffen wurde, ersetzt worden.
Auch beim Pronomen läßt sich bei Einsilbern die Dehnung
noch nachweisen. Zwar das Fragepronomen dis, opd muß schon
Idg. die Gestalt des ihm gleichgebildeten Indefinitums angenommen
haben. Denn sonst läßt sich die Kürze überhaupt nicht deuten’).
Dabei hat selbstverständlich mit beigetragen, daß -is, -im die
regelmäßige Endung der i-Stämme war. Vgl. auch Meillet, BSL.
Anz. XXIII 18f., der aus ganz andern Gründen für die Ursprüng-
lichkeit des indefiniten q%is eintritt. Schwieriger ist mit dem
Pronomen i- ins Reine zu kommen. In ai. ay-dm ist die Länge,
die wir zu erwarten haben, noch erhalten, aber lat. got. is weisen
bereits auf Kürze, und im Akkusativ liegt sie im ai. im-dm,
(griech. iv), lat. im, got. ina vor. Thurneysen ob. XXXV 198
hat auf Grund dieses Tatbestandes ¿m für Ide. gehalten, während
er im Nom. ei für das Alte erklärt und im Westidg. sich is nach
im neu dazu gebildet denkt. Bei dieser Deutung bleibt aber der
1) Auch Hirt, Idg. Gram. III 26 läßt das Fragepronomen gws qvid aus
dem Indefinitum entstanden sein.
Die Flexion der »-Stämme im Baltisch-Slavischen und Verwandtes. 293
Gegensatz zwischen Nom. ei und Akk. im, obwohl er scheinbar
an ai. veh — vim ein Gegenstück hat, unerklärt. Ich sehe keine
andre Möglichkeit der Erklärung als die Annahme, daß das Pro-
nomen ¿ im Gegensatz zum ai. Gebrauch in ältester Zeit auch
tonlos, d. h. Enklitikon sein konnte. Derartige Verschiebungen
sind nicht selten, vgl. z. B. Wackernagel ob. XXIV 603; Arch. f.
lat. Lex. XV 214f. Da die mit im- beginnenden Formen des
Pronomens sämtlich ai. Neubildungen sind, so ist die orthotone
Verwendung des neuen Stammes imd- nicht weiter verwunderlich.
Dann beruht ei auf der betonten, is, im auf der unbetonten Form.
. Als nun noch in idg. Zeit im wie nu, *tu wieder orthoton wurde,
mußte es wie nū, *tū, gedehnt werden, das ergab im. Da man
aber im Ai. später nach aydm ein imdm bildete und im seiner
Form nach auch Femininum sein konnte, so schuf man weiter
zu imám ein imdm, um das Genus zu charakterisieren. Sobald
aber ein volleres imám einem īm gegenüberstand, wurde dieses
von selbst auf enklitischen Gebrauch beschränkt. Als dann später
die Enklise bei diesem Pronomen nur noch dem Stamm a- eigen
war, wurde im als Pronominalform unverständlich und überflüssig
und sank zur Partikel herab. Ich glaube auf diese Weise kommt
man dem merkwürdigen ai. zm, über dessen Gebrauch ich auf
Wackernagel, Ai. Gr. III 519f. verweise, am besten bei. Wacker-
nagels eigene, wenn auch mit Zweifel vorgetragene Deutung,
a.a. O. 520, wonach es Akkusativ zum femininen iydm sein soll,
ist ganz undenkbar. Ob ai. sim, nach dem sich zm als Reimwort
syntaktisch gerichtet haben mag, auf gleicher Dehnung beruht,
wage ich bei der Unsicherheit der Herkunft nicht zu entscheiden.
Wohl aber scheint kzm wie zm beurteilt werden zu müssen, das
ved. hinter 6 und den Negationen na und mā erscheint. Nur
bleibt unsicher, wo die Dehnung entstanden ist. Denn im Inde-
finitum konnte ¿ nicht gedehnt werden. Das zeigen auch die ved.
nákih, mäkih und das zur Partikel herabgesunkene cit. Außerdem
ist bereits im Veda der Gebrauch des Stammes ki- so einge-
schränkt, daß man annehmen darf, die Dehnung sei in Stellungen
und Gebrauchsweisen entstanden, die man in unsern Texten
nicht immer mehr antrifft. Wichtig bleibt aber immerhin, daß
von hi eine gedehnte Form sich nur in der Verbindung nah?
(nú) findet, also in gewisser Weise zu ndkim stimmt. Vgl. Zubaty,
Wien. Z. f. K. d. M. IV 98.
Schwierigkeiten macht mir das Fehlen der Dehnung bei den
Zahladverbien dvis und tris. Sie haben ai. und griech. den Hoch-
294 F. Specht
ton. Da ist der Schwundstufenvokal überhaupt schon auffällig.
Daß sie jemals idg. proklitisch verwandt wurden, läßt sich nicht
erweisen. Außerdem sind die Bildungen so isoliert, daß eine
Entstehung des i durch analogischen Einfluß wenig wahrschein-
lich ist. Nur gegenseitig haben sich die Zahlen stark beeinflußt‘).
Da halte ich es für sehr erwägenswert, daß tris erst durch dvis
oder umgekehrt bedingt ist. Ich sehe zwei Erklärungsmöglich-
keiten. Durch das Metrum ist im Rigveda neben dvik die Doppel-
form duvih gesichert. Hier mußte im mehrsilbigen Wort die
Dehnung unterbleiben. Dieses duvik könnte dann auf dvih und
weiter auf itrik gewirkt haben. Daneben kann auch Folgendes
zur Erhaltung von dvis beigetragen haben. Wie sich unten er-
geben wird, ist die Dehnung im einsilbigen Wort unterblieben,
wenn auf ¿ oder u mehr als ein Konsonant folgte. Die Zahl-
adverbien deis, tris sind nur im Arischen, Griechischen und La-
teinischen in dieser Form erhalten. Fragt man, ob noch ein
Konsonant hinter -s geschwunden sein könnte, so käme nur -t
in Betracht. Denn auf Grund von lat. ðs, griech. dor&ov ließe
sich os aus *ost über *oss deuten, Sommer, Hdb.’ 278. Von den
Kardinalzahlen 1—10 ist jede einzelne, worauf W. Schulze wieder-
holt hingewiesen hat, mit besondern Mitteln ursprünglich gebildet
worden. Freilich der Ausgleich hat dann nach allen möglichen
Richtungen gewirkt. Denselben alten Zustand könnte man bei
den Iterativzahlen vermuten, die im Idg. wenigstens bis 4 vor-
handen waren. Erst kürzlich hat auch Lommel, Zeitschr. f. Indol.
VI146f. darauf hingewiesen, daß eine arische Grundform *eaturs
mit -s rein hypothetisch auf Grund von dvis und tris erschlossen
ist. Er selbst entscheidet sich für ein endungsloses *čatur. Ist
das richtig, so könnte man als Endungen der Iterativzahlen an-
setzen für 2 -st, für 3 -s, für 4 Null. Ein solches st läßt sich
durch die Wortbildung wahrscheinlich machen. Solmsen, ob.
XXXVII 20f. hat auf mehrere Bildungen des Germanischen mit
st verwiesen, wie an. fvistr „zwiespältig*, nhd. zwist „Streit“,
mengl. tvist „Zweig“, nhd. dial. zwister „Zwitter“ ua, in denen
er allerdings ein Suffix -sto suchen will. Noch deutlicher ist griech.
dora „zweifle“. Die Annahme eines verloren gegangenen Ad-
jektivs *dıoros, das die Grundlage für dıoralw") abgegeben haben
1) So erklärt man auch / in dem in der Komposition verwendeten dvi-
als bereits idg. Einfluß von Gi Vgl. Wackernagel, Ai. Gr. III 343.
2) dıoralw wird aus euphonischen Gründen für *dsositw stehen, wie dıxalo
für $ ërifeo, vgl. W. Schulze, ob. XLIII 186f.
Die Flexion der »-Stämme im Baltisch-Slavischen und Verwandtes. 295
soll, ist völlig überflüssig. Sowohl die germ. Formen, als auch
griech. dıordöw können unmittelbare Ableitungen von *dvist sein.
In diesem *dvist hätte die Dehnung unterbleiben müssen, *tris
kann dann davon beeinflußt sein. Umgekehrt kann wieder tri-s
auf Ableitungen von *dvi-st gewirkt haben”). Der Schwundstufen-
vokal ¿ wird von den in der Komposition üblichen dvi- und tri-
herrühren, die manchmal *dvi-st und *tri-s in der Bedeutung
sehr nahe kommen.
Nicht weiter auffällig ist das Unterbleiben der Dehnung in
ai. yu-. Das Wort wird aus der Komposition stammen, wie in
subhamyü-, samyü-. Auch auf vanargú-, ddhrigu-, prthustü, wo es
einfaches *gu- oder *stu- gar nicht gibt, sei verwiesen.
Auf einem besondern Blatt steht das Unterbleiben der Deh-
nung bei einsilbigen konsonantischen Stämmen mit i oder w in
der Wurzel, wie id „Labung“*, Ze „Erquickung“, ksip „Finger“, toís
„Schrecken“, dvis „Haß“, nid „Spott“, pis „Schmuck“, vis „Haus“,
úş „Morgenröte“, ksúd „Hunger“, ksubh „schnelle Bewegung“, túc,
túj „Nachkommenschaft“, dyut „Glanz“, drúh „Leid“, dhür „Deich-
sel“, múd „Lust“. Sie müssen sämtlich früher Ablaut gehabt haben,
also etwa N. Sg. *neid-s, Gen. Sg. *nid-ös oder N. Sg. *meud-s,
G.Sg. *mud-6s. Dann ist zu Gunsten der obliquen Kasus schon
idg. Vokalausgleich eingetreten”). Wenn trotzdem im Gegensatz
zu uös, iy$ös Dehnung im einsilbigen Nominativ nicht erfolgte,
so trug die Schuld das auf den schließenden Wurzelkonsonant
1) Mitunter ist bei derartigen Ableitungen gar nicht zu entscheiden, ob
ihnen die in der Komposition üblichen dei, tri- zugrunde liegen oder die
Iterativzahlen.
2) In ai. yoh kann der volle Vokal des Nominativs noch erhalten sein,
weil es keine obliquen Kasus kennt, ein Ausgleich somit unmöglich war. Wie
es zwar etymologisch zu deuten ist, bleibt mir unsicher, vgl. Kretschmer, ob.
XXXI 331. Der unmittelbare Zusammenhang mit lat. dos scheint mir sachliche
Schwierigkeiten zu bereiten. Auch das Lautliche stimmt nicht. Brugmann, Gr.?
II 1, 516 erklärt die Schwächung ¿jous aus joues im Anschluß an Bartholomae,
Air. Wört. 1234 aus der Komposition. Das könnte man vom iranischen Stand-
punkt aus begreiflich finden. In der Tat findet sich av. yao2- nur in Kom-
positen mit Hinterglied, das zu dä gehört, wie in yaoZdä-. Aber alle diese
Bildungen sind im Grunde religiöse Termini, die im engsten Zusammenhang mit
der Lehre Zarathustras stehen. So werden diese ganzen Komposita erst Neu-
schöpfungen sein nach dem alten Vorbild *kred-dhe, ai. $srad-dhä, av. zrazda,
lat. credö. Dann ist av. yaož- für alte Kompositionskürzung nicht zu verwerten.
Zudem ist es überhaupt fraglich, ob nicht wie in srad-dhä Kasuskomposition
vorliegt. Man hat vielmehr die Verwendung als alt anzusehen, die der Veda
bietet. Hier findet es sich nur als Nom. oder Akk. des Neutrums genau wie
das mit ihm verbundene sam und nie in der Komposition.
296 F. Specht
folgende -s des Nominativs. Die Silbe war also, metrisch ge-
Sprochen, schon an und für sich lang. Wie ferner is, dvis, tvis, wS
lehren, können müs und -jūs (in ai. sajäh) im Nom. Sg. kein -s
gehabt haben. Der einfachen Wurzel in der Bedeutung eines
Nomen agentis kam also in idg. Zeit -s im Nom. Sg. nicht zu.
So sehen beide rein äußerlich im N. Sg. wie g-Stšmme aus.
Die Dehnung hat also in einsilbigen Wörtern vor Doppel-
konsonanz im Idg. nicht stattgefunden. Das wird nun durch ein
metrisches Gesetz im Rigveda aufs schönste bestätigt. Bekannt-
lich ist dort auslautende Silbe eines kurzen Vokals häufig gedehnt
worden. Vgl. darüber Benfey, Gött. Abh. Bd. XIX— XXI, XXV—
XXVII; Oldenberg, Die Hymnen des Rigveda 393ff.; Wacker-
nagel, Dehnungsgesetz 12f.; Zubaty, Wien. Zeitschr. f. K. d. M.
II—IV. Im wesentlichen gilt dafür folgendes Gesetz: Die Deh-
nung unterbleibt in Pausa, d. h. am Versende und starker Zäsur,
ferner vor vokalischem und mehrkonsonantischem Anlaut, sie
findet statt im Versinnern vor einfacher Konsonanz (Zubaty
a. a. O. 11139). Im besondern sind die Gründe der Dehnung bei
den einzelnen Formen sehr verschieden zu bewerten. Neben
analogischer Dehnung oder unrichtiger Verwendung bestimmter
Verbindungen finden sich auch rein metrische Längen. Vielfach
hat außerdem die Betonung eine Rolle gespielt, wie bei der
1. Plur. Perf. auf -md, der Imperativendung -sva athematischer
Verben oder den Adverbien auf zë (Zubaty a. a. O. II 136; II
153, 295; IV 8). Merkwürdigerweise hat man in den genannten
Darstellungen die Sonderstellungen der einsilbigen Formen nicht
recht gewürdigt. Es kommen in Frage nü, tă, su, u, smă, ghä.
Wenn hi (Zubaty a. a. O. IV 97), ca (ebd. IV 12), ha (ebd. IV 93)
nur in Ausnahmefällen einmal gedehnt werden, so beruht das
darauf, daß die Wörter zu der Zeit, als im Idg. diese Dehnung
eintrat, keinen Ton tragen konnten. Das lehren z. B. das stets
hoch betonte ¿z (Delbrück, Ai. Synt. 495) oder Ai allein schon
durch ihre Stellung, die genau zu der der Enklitika stimmt. Die
ai. Betonung solcher Partikeln muß daher sekundär sein. Nicht
immer braucht auch die Verteilung im Ai. zwischen Kürze und
Länge zum Idg. zu stimmen. Es kann sehr wohl möglich sein,
daß die aus dem Idg. ererbten Doppelformen für betonte und
unbetonte Partikeln im Ai. gelegentlich nach gewissen rhythmi-
schen Gesichtspunkten verwendet wurden, zumal dann, wenn im
Ai. die betreffenden Partikeln nicht mehr Tonträger sein konnten.
Zu dem Gegensatz *mud-s, aber *müs stimmt nun auf das
Die Flexion der »-Stämme im Baltisch-Slavischen und Verwandtes. 297
schönste, daß die Partikel tū im Innern des Verses vor einfacher
Konsonanz, dagegen tă in Pausa und in der Regel auch vor
Doppelkonsonanz erscheint (Zubaty a. a O. IV 103). Ebenso sind
ghä und ghä verteilt (ebd. IV 12). Bei smā ist die Länge oft
sogar in Stellung vor Cäsur vorhanden. Das widerspricht der
sonstigen Auslautsdehnung und zeigt die Sonderstellung der Ein-
silber. Sehr beachtenswert ist in diesem Zusammenhang, daß
bei den Formen der 2. Pluralis auf -tha die Kopula sthä öfter
auch wie smä dort die Länge zeigt, wo sie sonst nach den pro-
sodischen Regeln nicht üblich ist. Diese Ausnahme hat bereits
Zubaty (a. a. O. H 136; III 90f.) durch die Einsilbigkeit der be-
treffenden Formen erklärt. Stark beschränkt sind die gedehnten
Formen von nz, #, së und nur in gewissen Wendungen gebräuch-
lich. Auch darin zeigen diese Einsilber wieder ihre Sonderstellung.
Die Partikel nz steht am Anfang des Pada immer mit Länge,
auch wenn Doppelkonsonanz folgt. Außerhalb dieser Stellung
ist nū nur in der Verbindung nt cit üblicher (Zubaty a.a. 0. IV
104f.). Ebenso wird z in der Regel nur in der Verbindung z tú,
u nú, Z sú gebraucht (ebd. II 137; IV 99ff.). Dabei kann die
Länge š sogar gegen das Metrum verstoßen (ebd. IV 102). Da-
gegen ist së auch vor einfacher Konsonanz schon durch su ver-
drängt. Es findet sich nur vor einfachen Vokalen, in Hebungs-
Silben (Zubaty a. a. O. IV 107). Die Verwendung von nú cit, ŭu tu,
und, ua sú — und dazu muß man wohl auch naht nú rechnen
(Zubaty aa O. IV 98) — muß alt sein. Das lehrt allein schon
der Umstand, daß sie gelegentlich auch gegen die Regeln der
Prosodie gebraucht werden. Es stimmt ferner dazu griech. Zuoöye,
Zuoıye, ugye, d. h. wenn ein Enklitikon sich mit einem andern
zu einem Begriff verband, so wurde das erste Enklitikon orthoton.
Im Griech. trat also entsprechend die betonte Form ein. Im ai.
o und nz, die keine besonderen orthotonen Formen besaßen, be-
wirkte die Betonung Dehnung. Der ai. Gegensatz in der Be-
tonung nů cit oder @ sú hat mit der ehemaligen idg. Verteilung
nichts gemein; ai. su ist ja sonst nicht einmal fähig, einen Satz
zu beginnen.
Überblicken wir noch einmal hier das Ergebnis, so hat sich
Dehnung ergeben in müs, lüs(?), süs, drus, ghpus, gus (in ai. sajüh),
pür vis (dreimal), im (kim, hi), nū, tū, sū, ū, smä, ghä. Sie sind
sämtlich einsilbig. Die später gedehnten ¿ oder w sind zunächst
als Kürzen durch Unbetontheit in der Enklise entstanden oder
durch Übertragung von i oder u aus den obliquen Kasus in den
998 F. Specht, Die Flexion der -Stämme im Baltisch-Slavischen u. Verwandtes.
Nominativ. Es sind also Vokale, die ursprünglich im Hochton
gar nicht stehen konnten. Die anders vokalisierten ai. Partikeln
sma und gha weichen insofern von dem gewöhnlichen Bau der
idg. Wurzel ab, als sie auf kurzen Vokal ohne konsonantischen
Schluß ausgingen und somit gleichfalls der Dehnung fähig waren.
Allein auf dem geringen Wortumfang beruht also die Dehnung.
Sie erklärt sich daher physiologisch nach den Ausführungen
Wackernagels, GGN. 1906, 147ff. >
Wie bereits ob. S. 287 bemerkt wurde, jassen sich nū und
das Pronomen tö von den übrigen Bildungen nicht losreißen.
Sie können also nicht dadurch die Länge erhalten haben, daß
sie in einer Periode der idg. Spracheinheit, in der unbetontes eu
in seiner Entwicklung erst bis zu z gelangt sein soll, von neuem
den Ton bekommen haben. Dagegen sprechen müs, srüs usw.
Zwar könnte jemand annehmen, mūs hätte zu einer Zeit % aus
den obliquen Kasus erhalten, als dort die Stufe ù noch nicht er-
reicht war, und aus "as, Gen. Sg. *müsös wäre dann je nach
Betontheit oder Unbetontheit des # ein *müs, Gen. Sg. müsös
entstanden. Dagegen sprechen aber gebieterisch alle ob. S. 295
angeführten einsilbigen Wörter mit w oder i in der Wurzel und
Konsonant mit ehemaligem s, wie ksüdh, gúh, nid. Denn sie alle
haben als Einsilber genau wie süs, srūs, müs usw. im Nom. Sg.
den Akzent auf i oder u gehabt und trotzdem lautet er nicht
mit langem 7 oder o *nid, *ksüdh, *güh usw. Das letzte Wort
hätte dabei sogar Anlehnung an gühati gefunden. Somit bleibt
gar keine andre Annahme übrig, als daß langes & und š in den
angeführten Einsilbern auf idg. Dehnung in einsilbigen Wörtern
mit einfachem Schlußkonsonanten oder vokalischem Auslaut beruht.
Dann ist aber auch der Hypothese von Kretschmer und
Bechtel, wonach aus unbetontem eu idg. ŭ über # geworden und
ein so entstandenes & unter sekundärem Ton erhalten geblieben
ist, jeder Boden entzogen. Aus den sonstigen Beispielen, in
denen kurzer und langer Vokal in derselben Wurzel schwanken,
läßt sich der Wechsel in der Quantität nicht einfach durch Be-
tontheit oder Unbetontheit erklären, wenn auch dieses oder jenes
Beispiel scheinbar stimmen mag').
1) Zudem sind auch andere Deutungen der Quantitätsschwankungen nament-
lich von Meillet, MSL. XXI 193ff. versucht worden. Die Literatur darüber ver-
zeichnet Marstrander, Norsk. Tidsk. f. Sprogv. IV (1930) 257 Anm. 3.
Halle (Saale). F. Specht.
Sachregister. 299
Sachregister.
Ablaut:81ff., 193 ff., Lommels Gesetz 1991.
— Reduktionsstufe 197 f. — Schwund-
stufe zweisilbiger Wurzeln 89—98. —
Ablaut beim Femininum -3 : -22 : -ie
193; art ua: ü, rə: T, mə : m 204.
Akzent und Intonation: Idg.: Intona-
tionswechsel bei Adjektiv und Sub-
stantiv 215. — Tiefstufe von Wurzel-
erweiterungen zirkumflektiert 233. —
Akut bei einsilbigen, Zirkumflex bei
mehrsilbigen 3- und ü-Stämmen 228f.,
231. — Lit.: Verbalstämme auf Lang-
vokal haben Stoßton, substantiv. Ab-
leitungen Schleifton 225. — ü + Weiter-
bildung erhält Zirkumflex 225.
Bedeutung: dünn : leicht : schnell 93. —
Flüsse nach dem bewegten Wasser
benannt 14. — Gefäß- > Körperteil-
namen 185f. — Monatsnamen 132ff.
— Wurzel als trinkender Mund der
Pflanze 28.
Etymologien: Keltische 13.
Lautlehre: Dissimilation 179ff. — Deh-
nung von Einsilblern auf 2 -u + einf.
Konsonant 280ff., 298. — Rigveda:
Dehnung auslaut. Kurzvokals 296. —
Mittelind.: Kürzung von Vokal vor
Konsonantengruppe 23. — Griech.: e
und « Vertreter von a 195. — Dissi-
milator. Digammaschwund 118f. —
Vokalausgleich im Verbum und Ver-
tretung von 7, } 98ff. — Dreifache
Vokalfärbung zweisilbiger Wurzeln
83ff. — Entwicklung der Labiovelare
mit Parallelen aus dem Sudanischen
205#. — Irisch: Vokalangleichung 10.
— Wechsel von 4 und 21. — Lit.:
ve- > va- 65 A. 3 (66). — mn >n
242. — ó und å bei Willent 238 + A. 1.
Wortkürzung 182ff. — Haplolgie im
Satzzusammenhang 131.
Relativpronomen; Stellung 273. — Ge-
brauch im Veda 273. — Lit.: Lo-
kativ + jis 269. — Genetiv + jis =
poss. Adjektiv 275 A. 2.
Verbum: Verbalsystem des Griech. 150ff.,
des Lat. 165ff., des Roman. 171ff.,
des German. 175ff. — Ausgleichung
zwischen Iterativa-Kausativa und De-
nominativa 67. — Aorist, feststellender
und erzählender 162 ff. — Aoristpräsens
155. — Impersonalia 60. — Griech.:
Resultativperfekt 163f. — Passiv-
tempora 160. — Lat.: Umschreibung
des Perfekts mit kabeo und teneo 171.
Wortbildung: Idg. -Motion 223. —
Erweiterung von »-Stämmen durch A
221 A.2. — durch -n 217 A. — fem.
ü-Adjektiva als Abstrakta 218. —
Im N.sg. neben au, A auch on, -ë
2521. — -tero- 30. — Verbalabstrakta:
griech. 2-St., ai.. got., lit., lett. abg.
u-St. 221f. — Scheidung zwischen a.
und ö-St. im Ai., Griech. und Abulg.
2191. — Indo-iran. -ika- 29. — ai.
deverbale Nomina agentis auf -%:
Verbalabstrakta auf a 25. — ai.
-ira- : gr. -ago-, -eoo- 195. — Griech.:
Bildung des Femininums der u-St. 126#.
— -goyds 75. — -tvds 291. — Verbal-
abstrakta auf ce mit unursprüngl.
Länge 220. — Ihre Verbreitung 220
A. 2. — Verba auf -óvo 217 A. — auf
-úw, -doom 221 A. 2. — Präsens zwei-
silbiger Wurzeln auf -zjö- 40. — Kom-
posita: mit verbalem Vorderglied 31 ff.
— als Vorderglied reine Wurzel 76. —
im Vorderglied o ` Anfügung von £
an die Wurzel und Erweiterung von
Kons. St. in der Kompositionsfuge >
i-St. 74. — Umstellung der Glieder 64.
— n-St. im Baltoslav. 213. — Lit.:
Zweiteilung der »-St. 235. — Flexion
der men- und en-St. 247. — Betonung
der en-St. 254. — Adjektiva auf -us
als Feminina 276f. — -ena 246. —
-önas 225. 227. — -dnas 226f. —
-ünas 213. 233. — -ŭnas 216. 225. —
-ünas 216. — üne : slav. -yni 223. —
-uonas 259. — -uonis 233. — uonia:
lett. -uona 259f. — Lett.: Suffix au :
a (uo) 266. — -aun- 2651. — Unas
264. — -uons 264. — -uona 261 (Ge-
räusch), 262 (Krankheiten), 263 (Wit-
terung). — Slav.: »-Stämme 250. —
Erweiterung der a-Abstr. und o Rem.
durch -n7 222. — -anz : balt. -ö(r)
251, — und- 268.
300 W ortregister.
Wortregister.
Tocharisch. tandti 36 A.2 sanat 99 dußokıeoyds 31 A.1
ratäk 212 täruna- 217 A. sidhyartha- 23 A. |duviov 186
B retke 212 dätivära- 719 erg, 282 Guneyövn 246
wär 284 A. dänu 14 svadman- 241 avdödvo 217 A.
daru 282 A.1 srütkarna- 14 A.3.\'Avdeoliaos 47
Altindisch. duvih 294 79 åvtì — Av åvrl 131
acchidat 19 dru- 282 ia asb anpös 228 A. 1
acchinat 19 dvin 294 fer: SEH oads 93
anda- 23 dhünksäa 23 A. zeichnet.) doworogs 97
adhyuddhi 23 A. |dhrtimus- 281 i Aoxeollaos 63
š ap. arika- 28
antra- 23 A. nahı 293 garš- 94 Aouöoara 184
api-sarvare 20 näri 127 A. 5 np. gila 24 Aouooilas 48
aydm 292 nū cit 297 tacar 144 dotienis 75
alika- 29 pattariga- 23 A. ap. parataram 29 "Aotrölas 37
astar 98 pathikrt 73 A. ap. prirm 29 Goyeöwoog 50 A.1
ahumsu 26 pära- 29 e åtucúw 184
Sin? yaoz 295 A. 2 ç
äkäle 22 pamsaka 23 A. Grp 184 u. A. 2
8 er e ` mp. ratak 212
d-pradivam 20 pävakd- 284 h š adödn 121
Ç ç vi xada 30
id 295 pävara- 21 A. ER ade 121
idha 26 piyati 30 É BdAavos 116
Ri nn sü 283
imám 293 püstigu- 719 srū 283 BaiAio 98
ihá 26 prthivi 127 Baoadoov 117
im 293 bhadrakali 23 Griechisch. BeAdvn 246
upa-nadam 20 bhära- 21 ğßa 120 Bevöis 231 A 1
ürdhva 91 majjän- 245 åßńgovo. 120 Beoedoov 110 A. 113
edändm 19 mahanta- 23 A. aßoo 120 Bılanıov 191
kalya- 23 märtanda 23A. "Ayaocldauos 63 BAaBeoripowv 34
kärd- 20 musiväan- 122 aynoliaos 54 Biawipowv 76
kala- 20 musnäti 281 A.1 |"Ayvååa 189 ßåíittw 102 A. 2
kälya- 22 mula- 28 dywvos 213 BovnoAlin 85 A.3
kitavd- 21 A. müh 281 deidw 104. 1191. BodAouaı 104
kim 293 mrdü 223 deoipowv 56 Bosu£vos 184
krtä- 21 ydh 273 AL Grdro 57 Bowaoös 196
krtvah 221 A. 3 yu- 295 dräi 120. 122. 123 | Boöcıs 201
krpäna- 204 yoh 295 A.2 A. 1 Bvßilva uaoydia
kridú- 25 rahula- 26 andeooov 120 u. A.3| 186
garhase 24 vareyat 40 Alyıla 189 Borıdveıpa 38. 78
garhä 25 vastu- 23 A. alyiAıov 189 ydyyauov 186
giddhin- 26 A. var 284. 285 A.2 |aiyioxos 72 yaußods 96
grddhin- 26 A. vi-khidati 30 alyin 188 yelsiv 85
grdh- 26 vibhis 292 aldnuwv 51 yéverov 220
gradhra- 26 A. vi- 292 Aivnoidauog 48 yévūv 222 A.2
grh- 23 vitd 292 Aiginan 80 yeodvdovov 288 A. 2
grhaye 27 vitar- 292 Greıpenouag 48 Iymeeis 85
grhú- 25 vird- 291 aigpeoißoıos 64 yıyvoorw 114
grhe 27 veh 292 dipnorns 55 yiş 291
cakhäda 30 vyāna- 291 aionng 118 yAayos 203
tanú- 218 sajuh 286 dußiös 93 yAdoca 203
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yvados 203
yvoocıöixa 43 A.1
yvóğ 201
yodpo 103
dad; 220
daudoaı 105
dee DL
deoauyeves 46
dıadgasınoitins 18
diasta 212
dıayavcı 62 A.
öızods 196
ölsodaı 196
Avovöc 228 A. 1
dıoratwo 294 u. A.2
óodooaro 104
doxrnoloopos 66
oócopoş 66 A.1
doös 201. 2808.
övravoı 217 A.
Swoidıros 33 A.1. 45
Eypdisı 99
eynpaolyoAos 63
Eygenddormos 76 A.1
Eyyeivs 219
Zeien 98
Enßodrio 102
Enßoncoeı 102 A.1
Eiı&önegws 44 A. 6
&Aitooxos 79
EineoinenÄAos 64
Eußacınottas 46
"Eußaoiyvroos 46
guéw 1181.
Ewoöye 297
£vagiußooros 80 A 1
ET
&vreoıegyods 57
Zvvna 84
Enereıhev 59A.
EnAcro 200
goaoınAdnauos 77
¿oóo 103
’Eontvuevns 37
"EodunAos 36
&oröporaı 84 A.3 -
edonarenns 50
ebonolnanos 50
Eiogdlews 37
Wortregister.
Eöodusılos 37
Eöovpdeooa 74
Epdyeodaı 53
Epavoa 61
raotdauos 45
reodeı 65
ris 291
Zeös 230 A.1
EnAnwnoves 51
Codcas 181
Los 230
Hyeönuos 54
hysudyos 54
hysuüav 51. 531.
"Hysoilewg 51. 54 A.
(85)
hye&xogos 53
“"Hynuavdoos 54
hytinav 54
höeta 127
ový 246
Z#utxgoos 130
Vavaros 115. 197
GEoavdoos 179
Hvntds 197
doürzo 102. 117 A. 3
Jonvvs 222
iyvön 220
iyvös 220
InxAng 80 A.3 (81)
idövrara 217 A.
teos 218
Ze 230
loyds 221
itös 220
iyd0v 222 A.2
Loic 228. 281
aıods 22
xa À Ée 868.
xaAuóvódóç 184
xduaros 115
»dvadoı 113 A.
»dvroges 180
xdnvs 221 u. A.2
naonvov 117
nateineı 99 A.
nareinievdvia 53 A.
nasmvege 57
neninyos 201
xendonucı 82 A. 2
„Eiados 85. 201
neiero 88
neloucaı 86f.
xeoaio 40
neoavvös 267
xeðråov 180
xeydoovto 200
andeuwv 53
nAaoavyevedouaı 45
nieıröv 222 A.2
xeitos 220
xintös 114
„vodaiov 113
„oliv 219
„oAoıds Hä
xózmte 108
xdoda 92
nooövBaAiides 184
nog&oaı 107
xorú A?) 186
aëdio 43 A.2
„oauadoaı 56
xoatñoas 182
xoera 283
„onuvnu 97Í.
xonuvös 97
nojocaı 106
nonoinauda 63 `.
noveoös 194
„ovdeıs 195
„Vados 197
Kviivdoıoı 184
Kvvonegpaloı 182 A.
Kvvögaloı 182
x@ 47 248
Aaßdßne 187
Aadıpooodvn 39
Ad/abe 185
Acunaydoas 44 A.3
Aarodģeiw 185
Zéien 103
Aciyýv 248
Aeupovoia 45
AeyenoinsT6A.1(77)
Angıagxındv 43
Aıyvóç 222 A.2
Aiåóßn 183
Als 22988.
301
Als 291
Aip 1821.
Aöro 61
Avnos 212
uooyagis 192
Héier 185
uaAdyn 185
nain 185
uaogpóoto 192 A. 1
naoxadin 187
naoyain 185
uacyañóv 186
uapdeorov 191
uéĝv 219
Mele£evos 180
Meveoaıyuos 69 A. 2
Meveorinins 58 A.
uerentadov 197
Mezeo(Aaoçs 47
uiuvýoxw 104
pivvvda 217 A.
wös 280. 2881.
valo 108
venvs 290
veoßowrdv 96
vndds 222 A.2
võv 287
olyvvuı 105
dıbös 222 A.2
oixttoo 126
olova 220 A.1
oipo 121 A.2
6AAduı 89
öAoeitaı 13
6Aooirooxos 232 A.
öudeyvvuı 107
övoraı 85
seyn 91
'Ooeo(Aeos 65
do dç 91
deıßarns 72 A. 2
dopös 228 A. 1
odönsooa 121
dee 283
nageıd 13
neıdäavoop 76 A. 1
neiedoov 117
neAedodviov 37 A.3
neienvs 290 A.1
302 Wortregister.
neiivroov 232 opaoayéo 197 yeiled 123 subus 288
zéÀos 111 ZSwoınodıns 48 zedin 120 Tolumnius 118
éent 105 talanevdns 76 A.1|yeiigeiorn 123 vietus 291
nepn 61 (77) yeids 290 vievi 292
znyeoinallog 64 |raAcı- 38H. "QyvAos 189 vimen 292
anoaodeaı 30 talacipowv 55 öuitev 103 vorare 110 A.
miuévta 184 A.1 taidooaı 105 öoca 107 Romanisch.
rausiv 203 oroxdtafıs 64
taueciyowç 56
niuniauev 201
riuninnt 106 port. geral 183
it. Monna Vanna
ziıvs 220 ravaos 35 A. 2 Lateinisch. 183
zıpyadonw 62 tavéņ 36 A.2 anas 92 . i
niddavov 128 taviopvoos 35 A.1 |arduus 92 E See es
IlAdraıa 128 tavv- 35 calare 88 À.
GEET tapdızo 102. 116 |cognitus 82 A.2 Keltisch (Irisch
noinı/ua 242 redododeaı 113 Dänuuius 14 unbezeichnet).
nöAıs 112 telvw 101 domitus 88 A. ad. reig 3
noAAös 129 zeıgeoiniüta 72 A.1|glans 201 aig 7
nvidnıov 185 A.1 |Telsinnov 63 A. grüs 283 ailtes 18 A. 2
noAös 111 teieio 40 gurges 110 A. ainech 3. 9
dn 50 teieoıovoyös 58 helvus 219 aire 3
nönava 188 téov 217 A. involücre 232 aireglan 13A.1
noadiin 184 teopiyogos 76 involucrum 232 aiscid 18 A. 2
noãğıç 21 terAadı 201 iter 144 ara 13
zekos 130 teroges 112 llabrum 188 gall. Arausio 13
rotacdaı 194 reueg 184 lavabrum 188 arnach 6
zrdpvvuaı 107 Tedypılos 179 mafors 192 at. baill 5
zınooo 102 tıvaxnıonning 38 mägälia 189 at. raig 3. 10
rıw00o 102 zç 212 mamphüla 1% aupaid 6A.
nviäwods 227 tiroooxw 113 mapaälia 189 Bladma 2
mo 283 zuarös 114 mappa 190 daig 1
Ilverds 285 zunoiyooas 34 Masterna 178 dänae 14A.1
nvonv 248 tooßnAds 34 A.1 molucrum 231 däne 13
dan 94 toéyw 103 monitus 61 gall. deu- 15
däoros 93 zeıridg 220 monui 68 gall. Diuiciäcus 15
géto 103 pasolußoorog 58 Naso 250 eachtugud 6
deta 931. pdvra 58 pecten 248 egdair 3
detos 94 pdos 61 plenus 13 Egli 4
Gë 108 pavaiußooros 62 Puteölanus 192 eile 6
6nioın 94 psionvoe 42 rärus 93 eirg 4
ġita 124 pılo- 80 regifugium 13 elit 4
oayhvn 186 pda 61 rupes 144 -epir 5
oaoolußgorog 49 poße- 80 sale 144 es(s)- 5
oeuidahıs 187 A.2 |Yoßeoıoroden 65 salinus 143 fail 4
orog&oaı 107 poßéw 65 saluos 13 gaim 2. 8
Zroapiuévns 46 podyvvuı 107 sänus 13 gaimen 18A.2
ZtooyydAn 189 pvoipooves 48 scidit 19 gebid 6
orpuvvvu. 106 Xaıgeoiiaos 55 sidus 144 goite 10
ovßdayoı 182 yadı- 39 sperno 100 graig 1
ovßaınsg 288 A. 1 !Xavölaos 37 sterno 100 d Haichagi 185.2
Wortregister.
bret. kalén 143 A.1| Nordgermanisch.
ako. haloin 143
inchaib 9
cailg 6A.
cöoeca 12
cóic 11
cöica 11f.
cöicthiges 11
conda. sloic 12
gall. Condate 15
con. dieig 3
crec TA.3
laigid 2. 10.
kymr. leu- eseticc
282
na. cail 3
akymr.planthonnor
16
pre- 5
regaid T A.1
gall. Rhodanus 14
saichi 4. 8
saidid 2. 10
saig- 2. 8
sale 4. 8
gäl. sile 8
slán 13
taige 2. 9
teilm 2. 7
Teilte 4
tene 4. 8. 10
tocad 11
gall. Zout- 15
kymr. Zraethatter 18
a1
treit 4
Gotisch.
faian 30
fijan 30
fon 284
göljan 123 A.3
gredus 222
mawi 124
tuggo 214
uswalugjan 221 A.
watrsiza 95 A.1
akmemis 256
schwed. kjusa 211 |alkune 215 A.3
schwed. Zjusa 211
an. Zvistr 294
Westgermanisch
(Hochdeutsch
unbezeichnet).
alme 252
angstounes 234
apidink 100
apsaluöne 255
artimonis 241
as. ámbón 119 A.2 | «atpuoloenei 240
ags. beom 61 A.2
Beyfuß 181
bittar 204
Bompard 181
ags. dead 115
Dreyfus 181
dû 287 |
ags. egisigrima 73
anfr. eiselika 73
fiur 285
fuir 286
fyur 286
ags. Zieloca 255
Horn 135
hornunc 137
Klage 24
lungun 217 A.
lüs 282
as. meri 125
Pacifist 182
Pinckernell 180
Pulverreiter 181
ags. röhte 103
Salbreiter 181
scram 204
smerzan 204
Sünde 57
sweran 204
swert 204
widirwiftit 248 A.
Altpreußisch,
kailüstiskun 219
kermens 249
maldenikis 242
maldünin 223. 242
musgeno 244
9 strigeno 246
Litauisch,
atsigul 100
atskalonis 238
atskaluönas 259
ãtskaluonis 236
audinè 246 u. A. 3
audinis 246
baltüninis 216 A.
begüne 224
beguonelis 240
bruvis 228 A. 2
bücia 229 A.1
dangujejis 269 u. A 3
danguieioia 272
danguiesis 269
deguonis 234
deive 279. A.1
delsuonis 239
didenybe 242
didziünas 225
dilbönas 225
dirgti 102
dirvoönas 2261.
dovana 217 A.
drasünas 216 A.
dryköne 226
dubuö 242
duökle 225
eduö 235
eduonia 259
eduonis 234
galautinis 266
galünas 236
galune 215 A.3
galuonis 254
galvonas 226
gaudöne 226
gedus 221
gelezuones 249. 254.
266
*waurk 65 A.3 (66) /affiera(s) 278 A.3 |gelezuonis 234
waürts 124 u. A.1 aguonas 239. 259 |gel(e)zuonis 234
303
geluö 235
geluonis 234
germe 242
germenü 242 A, 2
girenas 251
girus 222
gyslönas 227
gyvuonis 234
griova 226
gvergsti 110 A.
ieskuönes 234. 254
iskrävati 227
ismaruoniy 239
isvezmenti 246 A. 4
iszuti 228
Jüs 287 A.2
kalnenas 253
karaliünas 215 A. 2
kartüninis 216 A.
kelena 18
Kelmuonas 259
kepenos 246
kepuonia 260
keras 248
kiemionis 236
kiřmė 252
kirmuö 243
kiütönas 254
klaidüne 238
klaigonas 226
kleiduonas 259
kuprönas 225
kuris 272
landonis 239
landünis 224
landuonis 234
länkuones 234
laukejisis 272 A.1
lemes 252
l(i)avonas 226
Iygmene 253
Iygmuö 242
ligönas 226
maigünas 231
malluve 233
malünas 216. 231.
233
märskonas 226
mazena 242 A.2
i
vaiz Google
304
maziünikas 216 A.
mazuö 2411.
medaunicia 266
miegustas 233
miltai 111 A.1
momuö 243
müsyjis 272
müsüjis 272
namünaitis 216 A.
nemaruones 237
nevidönas 226
nuomaruo 234
pabegünis 224
pagiriünus 225
pajüseti 106
puklaidünis 224
päklaiduonies 237
paklöte 225 A.1
pakrävai 227
palaiduo 235
palayduonay 239
palikuonies 238
pälikuonis 237
paskujas 210 A.
paskoujis 270
pasava 227
pavidu 222
penkeli 112 A.
periù 103 A.1
pilis 112
pükuonelis 240
pirmuones 237
piume 252
piumenis 235
pjumene 253 A.1
prarakuni 224
prarakuonaine 238
u. A. 2
puronas 227
purvas 285
raumuö 242
rudenis 235
ruduö 2411.
rupis 144
saldünis 216 A.
W ortregister.
satevoni 237
semenis 235
siubuonela 240 A. 2
smägens 244
smarkünas 216 A.
srove 282
stamenis 235
stomenes 245 A.2
stuome 252 A. 2
svidus 144
ser 99
šermenis 239
3ermuö 243
Silkuonelis 240
širše 252
3irsonis 238
sirsunas 240
sirsuones 239
slamstönas 226
Soküne 213 A.2
tevünalitis 216 A.
tevuonimi 237
toli(e) 271 A.2
trusonas 226
ugniių 269
ündenys 235
uzgirronis 239. 251
valdönas 225
vanduö 241
vardas 65 A.3 (66)
vazmà 246 A. 4
vejü 291
velduonas 239
velduonus 259
verpöne 226
vesmenas 246
vesminieks 246
Viespatni 2231.
vilnonas 226
vilus 222
vyras 291
virsuojis 269
virsuone 265
vöndemi 2571.
vovere 253 A.1
zälias 255
zaliüdinis 216 A.
zäliuones 234. 254.
zemejis 269
zyme 257
ziniüne 225
Zinkunas 240 A.1
žinúnas 240
zmuni 214
|zikle 281
zukliauti 228
zuti 281
žuvis 228
Lettisch.
galijs 271
Jüsijais 272
kallkunis 265
kava 226
maneji 272
muerrunnes 265
A.1
saluona 263
satuons 265
talejs 271
väsmis 246
Südslawisch
(Altbulgarisch
unbezeichnet).
grazdane 251
grebenb 248
grötand 250
jelenb 247
jesenb 249
korenb 248
krats 221
mladěnbcb 252
mozdany 245
pröstend 247
Slovene 2511.
stepenb 247
slov. velikan 250
vreteno 248
Berichtigungen.
S. 24,4 es mit „Vorwürfe
S. 196, A. 1 so ist zu streichen.
S. 247,9 v.u. d-
Russisch.
baján 250
brjuchán 250
ar. sersa 249
ksl. sarg3end 248
ar. fravbnd 133
železá 249
Westslawisch
(Cechisch
unbezeichnet).
cerven 134. 140
hruden 141
apoln. kry 283
říjen 139
Hebräisch,
ʻāgīl 189
"agulla 189
quntrus 184
ma‘aföret 192
ma‘gäal 189
mappäl(a) 190
megerä 192
Aramäisch.
(t. = Talmud).
bizega 191
t. mappä 190
t. maskel 187
t. menäfa 191
mesiklä 186
t. semidä 187 A.2
t. sūdār 191
Ewe.
ago 209
ba 209
baba 209
lo 210
dza 209
kö 206
küko 206
pa 206
pa 207
pla 207
po 207
S. 248,29 Substantiva
S. 252,12 altachäisches
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