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STE FÜR
VERGLEICHENDE SPRACHFORSCHUNG
AUF DEM GEBIETE DER
INDOGERMANISCHEN SPRACHEN
BEGRÜNDET VON A. KUHN
NEUE FOLGE / VEREINIGT MIT DEN
BEITRÄGEN ZUR KUNDE
DER INDOGERMANISCHEN SPRACHEN
BEGRÜNDET VON A. BEZZENBERGER
HERAUSGEGEBEN VON
HANNS ERTEL, EDUARD SCHWYZER, FRANZ SPECHT
67. BAND
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CHINES
GÖTTINGEN /VANDENHOECK&RUPRECHT/ 1942
590691 50
Zu
v. 67
Printed in Germany e
Gedruckt bei Hubert & Co., Göttingen :
3-5-52.
H
Inhalt,
J. Wackernagel, Indogermanisch -gre als alte nebensatzeinleitende Kon-
junktion. (Aus dem Nachlaß, herausgegeben von Joh. Lohmann.) . 1
H. Lommel, Yasna 34. (Exkurs zu T. 34, 15: ud, däud(h)ya-. 8.16) . 6
V. Pisani, Zum schwachtonigen Vokalismus im Latein i 27
M. Johannessohn, Das biblische xa} fäeg in der Erzählung samt ‘one
hebräischen Vorlage. es; ausführliche Inhaltsübersicht auch von
Seite
Teil I 8.82). . ... 30
Fr. Specht, Hom. fıfdodwo» . 84
85
H.Kronasser, Die lateinischen Nominative auf ER be a ee i
Fr. Stummer, Das angebliche etruskische Vaterunser . . . . . . . .100
E. Schwentner, Argiya . Ban arc. Ae en Soe 2
E. Schwyzer, Eochar 101
I. Bartoli, Zur Lex Verner. 102
V. Pisani, fayds . . . . . 111
J. Hamm, Über den gotischen Einfluß auf die altkirchenslavische Bibel-
übersetzung . ‘ EE . 112
Fr. Specht, sose gelimida Pen . 128.
H. Oertel, Zu den ai. Ellipsen : 129
E. Schwentner, Vogelnamen und Volkswitz 153
S Wackernagel } und A. Debrunner, Indoiranica. 2. Ai. G-ling- „um-
armen“. 22, Ai. äsayati äsita-. 23. Ai. utsuka-. 24. Mittelindisch
-ettika-, -aytttaka u. dgl. 25. Aw. karati- „Messer“ — v. krté-.
26. Ai. krsanu-. 27. Ai. ksarati — ksdlayati. 28. Ai. khäd- „essen“
29. Ai. g-: gd AA 30. Ai. jayampati-. 31. deüvos. 32. Ai. di-
„fliegen . 33. Ai. zard-. 34. Dekkan. 35. Ai. dad- „halten“.
36. Ai. sdpunsaka-. 37. Ai. nägd-. 38. Ai. prästi-. 39. Ai. mula: vrt.
40. Ai. vardhana-. 41. Ai. vásyaşti-. 42. Ai. vipula-. 43. Ai.
vibali-. 44. Ai. vivigodms-. 45. Ai. visti- „Fronarbeit“. 46. Ai.
vyemäna-. 47. Ai. sürana-. 48. Ai. ër = „vereinigen“. 49. Ai. sūci-
„Nadel“. 50. Mi. se — té. 51. Ai. spr- „gewinnen und losmachen“.
52. Ai. sruc-, sruva-. 53. Ai. harmyd-. 54. Vedische Zitate bei
Patadjali . i . 154
M. Johannessohn, Berichtigung und Ergänzung : zu 8. 55 2. bE. (Wort-
stellung im Bibl.-Aramiischen.) — Berichtigung zu S. 68, Anm. 4 182
P. Thieme, Merkwürdige indische Worte. 1. Metathesen. 2. Dissimila-
tionen. 3. Partielle Metathese . . . . ee e ER
J. Lohmann, „Mots expressifs“. . Be. al tat « a we ey y . 196
K. Bouda, Zu o. LXIII 51 und LXIV 88 hii ee. ok 2 . , I
D. Demetracopoulou-Lee, Noun categories in Wintu. ‘The Generic and
the Particular. (Mit einem Vorwort von Joh. Lohmann) . . . 197
IV Inhalt
Seite
W. Krause, Thrak. Achnog (doss) und Alonnos ` . . .. . . . Bll
M. Leumann, eilen „kastrieren“ und sanare kastrieren . 215
W. Kaspers, Die Waffenbezeichnung catia. ........ 218
F. Specht, Griech. Aen . . d e, ie 2219
A. Johannesson, Isländische Beiträge z zum indogermanischen | Wörterbuch 220
E. Schwyzer, perà yrauntio: yévvoow . . . 223
W. Krogmann, Got. kaupatjan .........2.2... . . 224
V. Pisani, Ahd. dihal . . . ee en det Ser A AAD
J. J. Hamm, Aksl. progi, prodi ee gee Apo. Bl me e e e e
E. Schwentner, Toch. A kāts „Bauch ee oy. en A 5088
P. Thieme, Weiteres zum indischen Adoptionsritus „ „ & ce ae EH
B. Hofmann, Sach- und Wortregister zum 67. Bande . . . . . 230
Zugesandte Druckschriften 32224
Eeucchriſt fur
vergleichende
Sprachforſchung
auf dem Gebiete der
zndogermaniſchen Sprachen
BEGRÜNDET VON A. KUHN
NEUE FOLGE / VEREINIGT MIT DEN
Beitragen zur Kunde’
der indogermanifhen Sprachen
BEGRÜNDET VON A.BEZZENBERGER
HERAUSGEGEBEN VON
HANNS CERTEL, EDUARD SCHWYZER, FRANZ SPECHT
67.BAND
1./2, HEFT
Inhalt Seite
J. Wackernagel, Indogermanisch -qve als alte nebensatzeinleitende Konjunktion.
(Aus dem Nachlaß, herausgegeben von Joh. Lohmann in Rostock). . 1
H. Lommel, Yasna 34. (Exkurs zu Y. 34, 15: išud-, iäud(h)ya-. 8. We E E
V. Pisani, Zum schwachtonigen Vokalismus im Latein e E
M. Johannessohn, Das biblische xa? ¿dov in der Erzählung samt seiner Tobrklschen
Vorlage. (Schluß; ausführliche Inhaltsübersicht auch von Teil 1 S. SN rn;
Fr. Specht, Hom fcfdodwr . . „ e a Te Re
H. Kronasser, Die lateinische Nose s WI ES e
Fr. Stummer, Das angebliche etruskische Vaterunser . . ..... 100
%% DM ◻gmm ] ↄ ↄ ↄ WAAd̃ ] ae 7]
«Ä "ze A Aug a Er Aa m e A SÉ xt
M. Bartoli, Zur Lor "Verner i „ E sw E
V. Pisani, Bayds . . i . 111
J. Hamm, Über gn ieder Einfluß auf die Altidirchenalavische Bibelübersetzung 112
Fr. Specht, sose gelimida ç inn 128
Preis des Doppelheftes in der Reihe 8 RM., einzeln 10 RM.
Beiträge, die vorwiegend die indogermanischen Sprachen A-iens oder allgemein
sprachwissenschaftliche Fragen betreffen, werden an Prof. Dr. Hanns Oertel, München 72,
Pienzenauerstr. 36. erbeten; solche aus dem Gebiete der west- und südeuropäischen, ins-
besondere der klassischen Sprachen nebst Zubehör an Prof. Dr. Ed. Schwyzer, Berlin-
Dahlem, Pudbielski-Allee 19; Arbeiten über haltisch-slavische und germanische Sprachen
sowie über indogermanische Altertumskunde an Prof. Dr. Fr. Specht, Breslau
Hindenburg-Platz 1611. Arbeiten über allgemein indogermanische Gegenstände ist jeder
der drei Schriftleiter entgegenzunehmen bereit. Die Schriftleitung dieses Heftes besorgte
Prof. Dr. Fr. Specht. — Besprechungen können nur solchen Werken zugesichert werden,
welche ein Herausgeber erbittet. — Anzeigenleiter: J. Hulzhey, Göttingen. Pl. 2.
Zn den Abhandlungen der Seſellſchaft der Wiſſenſchaften zu Göttingen
tft kürzlich erſchienen:
Mar Pohlenz
Grundfragen
der r ſtolſchen Philoſophie
Broſchiert 8 RM.
Der Verfaſſer beſpricht grundlegende Lehren der ſtoiſchen Ph iloſophie
und ſtellt im Gegenſatz zu der tendenziöſen Beurteilung durch Antiochos
v. Askalon, der ſich neuerdings namhafte Philologen angeſchloſſen haben,
feft, daß die ſtoiſche Ethik eine durchaus originale Leiſtung von erhebs
licher philoſophiſcher Bedeutung darſtellt. Zur Begründung iſt eine ein⸗
gehende Analyſe von Ciceros Werk de finibus gegeben, aus dem wir
Antiochos“ Anſchauungen kennen lernen.
Verlag von Vandenhoeck & Ruprecht in Göttingen
Indogermanisch -e als alte nebensatzeinleitende |
Konjunktion.
(Aus dem Nachlaß Jacob Wackernagels, herausgegeben
von Joh. Lohmann in Rostock.)
Es gibt in J. Wackernagels Werken an verschiedenen Stellen
Andeutungen über eine Annahme, die ihn nach den im Nachlaß
vorliegenden Aufzeichnungen fast sein ganzes Leben hindurch
beschäftigt haben muß, ohne daß es jedoch zu einer ausdrück-
lichen Veröffentlichung gekommen wäre. Er selbst muß bis zu-
letzt fest von der Richtigkeit seiner These überzeugt gewesen
sein, hielt aber das gesammelte Material wohl noch nicht für hin-
reichend überzeugend, um damit an die Öffentlichkeit zu treten —
falls dieses nicht einfach durch rein zufällige Umstände unter-
blieben ist. Am klarsten ausgedrückt findet sich die Hypothese
in einer Kollegnachschrift des noch nicht veröffentlichten Teiles
der: Vorlesungen über Syntax, bei der Behandlung der Neben-
sätze, die ich in der Fassung belasse, wie ich sie vorgefunden
habe, für die natürlich W. selber nicht verantwortlich gemacht
werden darf: „Neben den Relativsätzen hat es wahrscheinlich
noch einen zweiten Typus alter Nebensätze gegeben, ein Typus,
der fast verschollen ist und vielfach nicht anerkannt wird. te
und -que waren ursprünglich auch in der indogermanischen Grund-
sprache zur Charakterisierung von Nebensätzen konditional und
temporal verwendet worden. Reste davon finden sich im alten
Latein: absque wird von den Archaisten im Sinne von sine ver-
wendet, das ist unursprünglicher Gebrauch. Im Altlatein kommt
absque nur vor in Konjunktivsätzen: absque me (te, hoc) esset
‘wenn es ohne mich wäre’, wenn ich nicht dabei wäre’. Dieses
que ist absolut nicht zu verstehen als Zusatz zur Präposition.
Das Altindische hat ein ganz entsprechendes Wort, das Kon-
ditionalsätze charakterisiert, auch im Gotischen findet sich noch
eine Spur davon’).“
Zu absque vergleiche man noch IF. I 417, sowie Vorl. über
Synt. II 193 („ich erinnere gleich hier an absque, wo que ur-
sprünglich ‘wenn’ bedeutete“). Ferner gehören in diesen Zu-
sammenhang die Ausführungen über őre, IF. Anz. V 108f. (aus
1) Got. nih „wenn nicht“ (vgl. absque), Streitberg, El.-B. 8 370: Joh. 9, 33
nih west sa fram guda ei un Tv odtos nape eod; 15, 22; 18, 30; 19, 11;
Röm. 7, 7;9, 29.
Zeitschrift für vergl. Sprachf. LXVII 1/2. 1
2 J. Wackernagel
einem Referat über den Genfer Orientalisten- Kongreß von 1894):
„Griech. őte wird erklärt als Neutrum des Relativums + te, warum
aber heißt es dann nicht őrre? Zu őre ist skr. sa ced (*ca + id)
zu stellen; sa ist versteinert, es steht auch bei pluralischen `
Femininen, wie auch sa yatha. Älter ist saca, was im Veda vor-
kommt, und dies ist direkt = Öre (ö ist der mask. Artikel). g
6te ist Sore mit Tmesis durch ö. Ob die Versteinerung schon
indogermanisch ist, bleibt dahingestellt.“ — Uber gr. őte liegt im
Nachlaß eine ausgearbeitete Aufzeichnung vor, die ich im fol-
genden zunächst wiedergebe. Daran angeschlossen ist dann wei-
teres, auf das nebensatzeinleitende -g*e sich beziehendes Material.
Es ist gemein üblich, Are „wann“, „wenn“ und seine Kor-
relata zöre, dre, &AAote auf Akkusative des Neutrums zurückzu-
führen, denen die Partikel te angeschlossen wurde‘). Aber es
stehen dieser Auffassung doch auch Schwierigkeiten gegenüber.
Schon Buttmann, Lexilogus II 202A. weist darauf hin, daß sich
re in tte nicht begründen läßt. Er vermutet Nachbildung nach
dre. Dies gewiß richtig, auch für dAdote (doch siehe unten),
während bei woré das re nicht überrascht. |
dre selbst macht aber auch wieder Schwierigkeit. Lautlich:
wir erwarten őrre, wie tre und wie Öörsöre, da doch so alte
Verbindung. Begrifflich: zwar nicht in der gewöhnlichen Be-
deutung, aber dc Are für sç in Vergleichungen auch wo bloß
Substantiv, z. B. A 462 femme ò wg Ste adeyos. Auch bei Pindar
bloßes Substantiv mehrfach.
Es steht aus dem Altindischen eine Verbindung zu Gebote,
die synonym mit Gre, wo diese Schwierigkeit nicht besteht. Ich
meine sa ced, das in der Sprache der buddhistischen Texte gleich-
wertig mit einfachem ced, also im Sinne von „wenn“ gebraucht
wird. Pali dafür sace. Offenbar dient hierin sa als Vorankündigung
des Subjekts und als fulcrum der enklitischen Partikel, vielleicht
ursprünglich wechselnd mit s@ usw. je nach Geschlecht und
Numerus des Subjekts, dann versteinert. sa findet sich wesentlich
ebenso in sa yathä, womit die Prosa der Brahmana gern Ver-
gleichungssätze einleitet °).
1) Scheinbar homer. Aĝo im Sinne von GAdote: E 249 Jon yd me xa
dAdo ven Enivvooev Eperun (sonst dAAore). Vgl. róð’ Indvo usw. im Sinne von
„ich komme jetzt“ (ride civ dig i), v. kat, av. kat „wann?“, ad, yadi,
av. edi, yezi (aus yad-zi), auch 8r’ „daß“, vielleicht sogar (Monroe 191) 8r: „daß“
öfter durch Fehler an Stelle von őre. — Oder xdre zu ai. kva, lat. guöque?
2) Buddh. sayyath — idam, jainaprakr. sajahä, Asoka seyathä, Pali
seyyathä Le Magadhism, oder eher aus dem folgenden y).
Indogermanisch -g*e als alte nebensatzeinleitende Konjunktion. 3
Dieses sa ced würde in der älteren Sprache durch sa ca ver-
treten sein: v(edisch) überwiegt bekanntlich noch das einfache
ca „wenn“ das aus ca + id zusammengezogene ced. Gerade die
Verbindung sa ca „wenn der“ ist den alten Texten nicht fremd
(z. B. AV. 15, 12, 3).
Dieses sa ca erscheint im griechischen öre wieder. Die Be-
deutung stimmt durchaus, wenn man auclı ced als Konditional-
partikel, Ste als Temporalpartikel zu bezeichnen pflegt. ca als
hypotaktische Partikel drückt einfach Konnex des Inhalts der
beiden Sätze aus. Die ca- und ced-Sätze dienen öfter dazu, die
Zeit der Hauptsatzhandlung zu bestimmen). Umgekehrt ist Gre
nicht bloß temporal, in homer. Gre un „außer“ ist es ei ganz
synonym, 2. B. I 227 oöre tem on&vöcone Dedy Ste un Avi nargi.
Wenn wir aber 6 in te als bloßes fulcrum erkennen, so dürfen
wir daran denken, daß auch sonst ö usw. scheinbar pleonastisch
in solcher Weise erscheint: H(omer) ô 6é bei kontinuiertem Subjekt,
vgl. lat. is quidem, ille quidem, roman. oil „ja er“, „ja es“, „ja sie“
(N. Pl.) versteinert (Tobler, RE. II? 423).
Zu og Ste (vgl. oben S. 2, Z. 23). l
oc öte ohne Verbum: B 394, A 462, M132, N 471. 571,
O 679, 3219, P 712, 2 368, t 494 (Nom.), O 362, II 406 (Nom.
+ Akk.), e 281 (Akk.): also in Ilias immer Nominativ. og ei in
Ilias mit Nomin. vielleicht nie. —
Man hat allerdings dieses ðs öre gemeint erklären zu können:
ein Temporalsatz habe vorgeschwebt (Buttmann, Lexilogus II 228),
eine Verkürzung sei eingetreten (vgl. z. B. Lange, Abh. Sächs.
Ges. d. Wiss. 6, 435ff. 539 usw.). Man stellt es mit dem nicht selten
gebrauchten og ei in Parallele, das (zusammen mit dc ere) bei
Homer 16mal vorkommt, z. B. n 36 ðs ei nregöv Hé vonue (noch Ar.
fr. 495, Pind. Pyth. 4, 112). Aber erstens: ei ganz anders als Gre
nicht an und für sich hypotaktische Konjunktion, wie seine Ver-
wendung in Wunschsätzen zeigt („etwa“). Dazu stimmt zweitens:
von den 11 Stellen, wo ohne Verbum fin. in der Ilias, haben es
sechs bei einem Partizip, das umgekehrt in der Ilias nie mit bloßem
oc: charakterisiert den Verbalbegriff als gedacht. Beides gilt auch
von lat. quasi (Opp. ut), mit dem Wegener, Untersuchungen über
die Grundfragen des Sprachlebens 102 es zusammenstellt.
Dieses seltsame dc őre wird einfach verständlich, wenn wir
1) RV. 5, 77,2 vi cavah heißt „wenn (sobald) es tagt“, also ca ganz
temporal, vgl. Kaegi, Festgruß an Roth 159. 165, wo wegen ca mit betontem
Indikativ verwiesen wird auf RV. 10, 34,5 und 1, 40, 6 bei Delbrück, SF. V 475.
1*
4 J. Wackernagel
dieses Ste ebenso wie die temporale Partikel in so g*e auflösen
und og te als eine Spielart von Gore betrachten, das Homer in
Vergleichungen ganz geläufig ist (P 133 dée rig te Aéwy zeigt
auch Tmesis von Gore). In &g Gre ist ô genau ebenso zu be-
urteilen wie das sa von sa ced. Einige Besonderheiten im Ge-
brauch von ög Zäre erklären sich nun besonders gut. In der Ilias
steht es entweder mit einem Satz, der ein Verbum hat oder mit
einem Nom. + Akk. (O 362, L 406) oder — und zwar recht
häufig — mit einem Nominativ. Es steht also gar nie ohne
Nominativ (inkl. Nominativ involvierende Satzform). Dieses kann
nicht Zufall sein: òg ei, das dem ôç Ste so ähnlich scheint, kommt
ın der Ilias c. nom. vielleicht an zwei Stellen vor, wo das betr.
Substantiv aber auch als Akk. gefaßt werden kann, einmal c.
nom. + acc., achtmal mit obliquen Kasus (besonders Partiz.).
os Ste ist also noch in der Ilias die Vergleichungspartikel bei
nominativischen Begriffen, wenn auch nicht auf Sing. masc. be-
schränkt. Die Fälle vom Typus A 462 Zorten öç Ste ndeyos,
O 679 ag ër dvnio, IT406 öç Gre rig gas, 4 368 ws dr dodde
bilden die Minderzahl. Zweitens mache ich darauf aufmerksam,
daß einem wg dte-Satz temporale öre-Sätze untergeordnet sein
können, z.B. 8 394 öç čparť, Aoysioı dé ue laxov, ÖS Ste
xöua dert & ö Vn, öte nvon Nörog éAdowv. Dies fällt darum
auf, weil schon die homerischen Dichter das öre in c Ste dem
temporalen öre gleichzusetzen begannen.
Noch ein weiterer Gebrauch von öre empfängt vielleicht Licht
bei dieser Auffassung seines Ursprungs. Doch bemerke ich zum
voraus, daß ich mich hierbei weniger sicher fühle als bei den
vorausgehenden Darlegungen. Bekanntlich findet sich öre auch
indefinit in zweigliedrigen Ausdrücken, bei abwechselnder Hand-
lung: P178 ôrè dé ohne Ankündigung des Gegensatzes im voraus-
gehenden Glied, été ut» — duo (62) A 64f., 3 599ff., T 49f.,
d More uèv — ore dë A 566ff., später auch ö — örè. Homer
kennt keine sicheren Parallelen für solchen Gebrauch relativischer
Wörter. sog „eine Zeit lang“ wohl überall durch tyoc zu er-
setzen, bei Homer 0547 dea: Nauck tópoa, tóte piv — tre dé bei
Späteren (? Herausg.), Hesych: (Bdrrov olAyıov) ... nov ue
Auuwva, zov dë oliyıov éxxeyaodyda: ... ôtè erzeugte aber
Nachwuchs!
Gar nicht zu vergleichen: lat. qua — qua, schon weil Be-
deutung nicht stimmt’): „alle, sowohl — als auch“ (Gesamtzu-
1) Vgl. dazu Wackernagel, Arch. f. lat. Lex. XV 213ff.
Indogermanisch -g*e als alte nebensatzeinleitende Konjunktion. 5
sammenfassung aller in Betracht kommenden, z. B. Mil. glor. 1392:
quem oderunt qua viri qua mulieres). Ursprung klar aus Pl. Asin. 96:
qua me qua uxorem qua tu servom Saurean potes, circumduce
(überall innerhalb der Grenzen des Könnens), vgl. Auslassung von
potest bei quam cum superl. (dies wohl allgemein bekannt unter
den Latinisten).
or — dré = sa-ca — sa-ca (— idem lat. möglich).
Ob d@AAore, wo in zweigliedrigen Sätzen, auch so?
„wenn“-Ausdrücke temporal (vgl. oben S. 3, Z. 10).
Cic. epist. 14, 10, 1: cum eo si locuta eris, intelleges, quid fieri
velim; 16, 12, 6: numquam sero te venisse putabo, si salvus veneris;
16, 14, 2: repraesentabo, si adveneris; Cat. 14, 17: si luxerit „des
que l'aube luira“. Q 768ff.: dd el tis we nai dAlog Evi uc-
ydooıoıw Evlonoı ... dad o TÓV Y? EnéeooLy NAgaLPdmEVOS XATÉQUXES
(ist ei hier temporal?). A 455: ei xe dvrw (Lesung Aristarchs,
alii del xe dv) „postquam mortuus ero“. — si temporal: Cic.
epist. 10, 28, 3; 14, 1, 3; 16, 3, 2; 16, 4, 1; 4, 5, 6 (Sulp. ad Cic.),
Meusel II 1859—61.
gore „bis“.
Später auch „solange“ (att. Prosa und Ar. fremd), vgl. donec,
zuerst bloß „bis“, erst Horaz „solange“. Zu Zore „bis“: do-ne-qu’
„bis wenn nicht“ (u. ar-ni-po), weil na ced „wenn nicht“. gore
statt ç (v) & te entweder Typus torydoto: (aus tolyag .. tot)
oder nach Horn, Sprachkörper und Sprachfunktion.
Zu absque.
Zu absque eo esset usw. „wenn es ohne ihn wire“ vgl. ab
re, amens, gr. dnd Gurëooc Soph. OC. 900, dré xalxoö „dvev
xaAxoö“. Der klassischen Sprache fremd, dann verkürzt z. B.
Gell. 2, 21, 20 absque te uno forsitan lingua Graeca longe anteisset:
„ohne dich“ hypothetisch, dann überhaupt „ohne“, „außer“. Sicher
bezeugt erst von den Archaisten an. Häufig in der lateinischen
Bibel, z. B. oves absque pastore. Lommatzsch (Thes.) richtig: pro
praepositione in sermonem urbanum recepta non ante alterum
p. Ch. saeculum. Quint. 7, 2, 44 absque sententia: A in rasura,
prima manus habebat pauciores litteras. Vorarchaistisch nur
„Sallust“ in Cic. 3: absque carnuficis nomine. Es ist kraß, daß bei
Fragen über Echtheit der sallust. Invektiven absque nicht in
Rechnung gezogen. Oder dürfen wir schon dem Sallust einen
solchen falschen Archaismus zutrauen? |
6 H. Lommel
Yasna 34.1)
1. Mit sehr viel solcher Taten, Worte (und) Gebete, wegen
deren du, o Weiser, Unsterblichkeit, Wahrsein und das Reich
des Heilseins zu geben vorhast, wollen wir es uns angelegen
sein lassen, (diese [Gnaden]) von dir, o Herr, zu empfangen.
a) Hinzufügung von čā (nach dem dritten ya; Bartholomae,
M. W. Smith) ist nicht erforderlich, da der Schlußpäda mehrfach
(öfters in V. 33) nur 8 statt 9 Silben hat. — yasna- „heilige Hand-
lung ( Gottesdienst)“ steht für das dritte Glied der Formel „Tun,
Sprechen, Denken (manah-)“, ist also nahezu „Andacht“; doch
enthält yasna- die Vorstellung einer Verrichtung, während An-
dacht rein innerlich ist; hier wurde „Gebet“ gewählt als Ver-
richtung der Andacht.
a, b). Vgl. V. 44,18: haurvata amarstätä .... taeibyo ddvha „du
hast die Absicht, H. und A. zu geben“; taéibyo ist andere Schrei-
bung für taibyö (wie viele Hdschr. an diesen beiden Stellen haben)
und taibyd, also nicht als „diesen“ (Meillet, Trois conférences 56:
„leur“) zu übersetzen; und es ist — auch im Folgenden — kein
Begriff vorhanden, auf den sich ein solches „diese“ beziehen könnte.
c) aesdm; in dhma ist eine Silbe einzufügen: 3hämä, vgl.
Andreas und Wackernagel Y. 29,11 und åvhāmā. Zur Konstruk-
tion 3h(ä)mä .... daste vgl. Delbrück, Ai. Syntax 420; aus dem
RV. vgl. etwa noch 7, 34, 24: räyah syäma.dharunam dhiyadhyai „es
sei an uns, die Grundfesten des Reichtums inne zu haben“.
2. Und dies alles gebt ihr, (du) und dein guter Geist, für
das Denken und Tun des klugen Mannes, dessen Seele mit
Wahrsein vereint ist, und für (seine) Loblieder, (wenn er) bei
der Anbetung für euch, o Weiser, singend den Rundgang
(macht). |
Strophe 2 ist mit der vorausgehenden und der folgenden eng
verbunden. :...vispä „dies alles“ bezieht sich auf die 1a, b ge-
nannten Gaben ameratatat- „Unsterblichkeit“ usw.; dies hat M.W.
Smith richtig erkannt und damit einen Schritt zum Verständnis
dieser Str. getan; data 2. Pers. Plur. „ihr gebt“ nimmt das taeibyo
dä»vhä „du hast die Absicht zu geben“ in 1b auf, und findet sein
Gegenstück in däma „wir geben“ in 3a; manawhd, syaodnda, garöbis
„Denken, Handeln und (Worte der) Lieder“ entspricht der Drei-
heit syaodnd, vadavhä und yasnä in Str. 1. Durch diese dreifache
Betätigung erhält der kluge (fromm-weise sponta-, ZII. VII 12ff.)
1) Vgl. Gött. Nachr. 1934, 67—119; 1935, 121—169; W. u. S. NF. I 237—265.
Yasna 34. 7
Mann, dessen Seele von Wahrsein begleitet, erfüllt ist, Anwart-
schaft auf die göttlichen Gaben, die der angeredete Ahura Mazda
zusammen mit Sponta Manyu verleiht. Dieser ist hier (wie öfter,
vgl. meine Anm. zu Y. 48,8d, Gött. Nachr. 1935, 131) nicht als
spanta-, sondern als mainyus vavhus (Nominativ; so nicht mainyaus
vanhaus ist zu lesen’)) bezeichnet und zugleich in Anrede an den
Weisen Herrn als „dein (töi) Geist“ wie Y.43,2,6; 33,9 (vgl.
28, 11; 43,16); das tõi zu manawha zu ziehen (Bartholomae, Wb.790,
M. W. Smith) oder zu pairigae$e (Bartholomae, Übersetzung) ist
nicht richtig. Der Gedanke, daß Gott zusammen mit seinem Geist
für rechtes Denken, Sprechen und Handeln die Gaben Heilsein,
Unsterblichkeit und das (himmlische) Reich verleiht, findet sich
öfters (Religion Zarathustras 20) ausgedrückt, unserer Stelle (Str. 1
und 2) am ähnlichsten Y. 47,1.
Das Subjekt zu dem Plural data „ihr gebt“ ist dem Sinne
nach Ahura Mazda und die ihm nahestehenden Geister, in Worten
genannt sind aber nur zwei, er selbst und Sponto Monyus. Gott
selbst aber ist weder als Herr noch mit direktem „du“ (im Nom.),
sondern nur in der dritten Zeile als „Weiser“ in Anrede genannt,
vorher aber in dem possessiven toi („dein Geist“) angedeutet.
Diese abkürzende und andeutende Ausdrucksweise ist eine viel
behandelte Konstruktion, vgl. Edgerton o. XLIII 110ff.; Sittig o
L 56ff.; Hermann o. L 130ff., sowie die in diesen Aufsätzen an-
geführte ältere Literatur.
So ergibt siclı eine klare und verständliche Konstruktion der
Strophe — fast ohne Schwierigkeit. Es ist zuzugeben, daß, wenn
man diese Strophe für sich allein und außer Zusammenhang be-
trachtet, andere Gruppierungen und Verbindungen des vorhan-
denen Wortmaterials verführerisch naheliegen. Das führt zu an-
deren Übersetzungen; inwiefern diese unbefriedigend oder an-
fechtbar sind, glaube ich nach ausführlicher Darlegung meiner
Auffassung nicht mehr erörtern zu müssen.
Außer der Schwierigkeit, daß man leicht zum Mig verständnis
irre geführt wird, ist in dieser Strophe das unverständliche pairi-
1) Aus der handschriftlichen Überlieferung läßt sich zwischen vs und -uš
umsoweniger eine Entscheidung treffen, als dieses Schwanken auch an anderen
Stellen vorkommt. Während die meisten Übersetzer hier Genitiv angenommen
haben, hat Geldner -uš vorgezogen, vielleicht weil er es für die lectio difficilior
hielt, vielleicht in der Annahme, daß der anscheinende Parallelismus von
mainysuscä varhõus vispā data und spəntahyāčā naras syaodnd, der hier so
irreführend gewirkt hat, schon bei den Abschreibern die Auffassung der mormon
als Genetive auf -Juš veranlaßt haben könnte. |
8 H. Lommel
gae$e ein Hindernis. Die Auffassung von Bartholomae, daß die
guten Taten der frommen Menschen in den Vorhof von Ahura
Mazdas Haus gebracht und dort verwahrt werden, ist mit der
berichtigten Einsicht in den Aufbau der ganzen Strophe nicht
mehr vereinbar. Außerdem ist seine Erklärung von pairiga? da-
an sich wenig einleuchtend.
Wenn gaéda auch „Haus und Hof“ (Bartholomae, Wb. 477)
heißt, so sind — anders als bei unsern Bauern — die Baulich-
keiten das Geringste daran. Außer der Familie in unserm Sinn
ist es das Gesinde und das Vieh, der lebende Besitz. Das ergibt
sich aus der Etymologie des Wortes. So kann es ap. der Liegen-
schaft maniya- gegenübergestellt werden (Bh. 1.14; Wb. 478). Nur
wie bei uns unter „Haus und Hof“ im weitesten Sinn auch das
zugehörige „lebende Inventar“ mit verstanden werden kann, so
kann dort gas da „der lebende Besitz“ in ganz umfassendem Wort-
gebrauch auch die zugehörigen Liegenschaften und Baulichkeiten
in sich begreifen. Dabei ist es aber unwahrscheinlich, daß dieser
Begriff als Ausgangspunkt genommen wurde, um mit „rings um
die gaedä befindlich“ einen Gebäudeteil zu bezeichnen.
Von den inhaltlichen Parallelen, mit denen Bartholomae,
Wb. 867 seine Auffassung stützt, kommt eigentlich nur Y. 49,10
in Betracht, wonach Ahura Mazda das gute Denken und die
Seelen und die gottesdienstliche Betätigung (namah-) der Anhänger
des Wahrseins in seinem Hause (dam) bewahrt (vgl. auch V. 45, 8).
Aber ohne hinlängliche Grundlage in Wort und Satzbau ist die
gedankliche Ubereinstimmung gar nicht wirklich vorhanden.
Ich betrachte die Schreibung pairi-gaidé als die richtige, die
durch Mf 1, K 37 allerdings nur schwach bezeugt ist. Als Bei-
wort zu vahma- „Anbetung“ würde es bedeuten „Gesänge rings
um sich habend, mit umgebenden Gesängen“. Das ist aber nicht
zeitlich zu verstehen, wie wenn eine von Liedern umrahmte Feier
mit Gesang eröffnet und abgeschlossen wird, sondern örtlich, so
daß die Lieder beim kultischen Rundgang (pradaksina-) gesungen
werden. Das ist wohl auch gemeint mit pairi - gd · vadah- V. 57, 20,
wo Haoma als Priester den Gott Sraoša preist mit guten Worten,
beschützenden Worten, rings herum gesungenen Worten. Aus
dem Gebrauch von pairigam, besonders in Verbindung mit yaz,
nam, van sehen wir, daß anbetende Verehrung im Umschreiten
vollzogen wurde; dem „singend ringsum wandeln“ kommt am
nächsten V. 50,8 vd padäis pairijasäi „ich will euch mit Versen
umschreiten“. Zu vergleichen ist ai. pari-gä „singend umkreisen“,
Yasna 34. 9
pari-stubh, pari-stuti- (pari stobhata RV. 1, 80, 9 übersetzt Geldner
„jubilieret in der Runde“).
Ledigliche Sache des deutschen Ausdrucks ist, daß meine
Übersetzung die Vorstellung, die ich in pairi-ga(i)9a- erkenne,
frei wiedergibt.
| 3. Wir wollen dir, o Herr, und dem Wahrsein mit Ehrfurcht
die Opfergabe geben, damit ihr alle Lebewesen im Reich durch
gutes Denken zur Vollendung bringt; erlangt ist ja, ihr Wohl-
verständigen (2), durch (dies) alles das Heil bei euresgleichen,
o Weiser.
a) dämä. b) Zweiter Pada 8 Silben; ya (yd) nach Bartholomae,
Wb. 1198 als Konjunktion gefaßt. c) huddwho 4-silbig (Tedesco,
ZII. II 48; die Auffassung als Vokativ unsicher; vispäis „durch
(dies) alles“, nämlich die Darbringung der Opfergabe (Str. 3), Lob-
lieder (Str. 2) und Gebete (Str. 1)? — Daß äröi Y. 50,5 1. Pers.
sei (Gött. Nachr. 1935, 150) ist zweifelhaft.
4. Und wir wünschen, daß dein Feuer, o Herr, durch Wahr-
sein machtvoll sei, sehr schnell und (kampf-)kräftig, (daß es)
dem, der (die gute Sache) unterstützt, strahlende Hilfe ge-
währe, aber am Widersacher, o Weiser (durch die Macht seiner
Hände?) dessen Frevel sichtbar mache.
a) ädrom; aojonhvantem asa vgl. Y.43,4: asa-aojah-. b) asistam
ist vorzuziehen (vgl. Andreas u. Wackernagel zu Y.32,13c, Gött.
Nachr. 1931, 327); es steht defektiv für äsistem. Uber aw., ai. ama-
„Stoßkraft, offensive Kraft“ gut Benveniste und Renou, Vrtra et
Vrdragna (s. Index). c) Das eschatologische Feuer gibt nicht nur
Vergeltung, wovon Z. öfters spricht, sondern scheidet auch als Ordal
Fromme und Gottlose und macht ihr Verdienst und ihre Schuld
kenntlich.
darasta-aénah- „mit sichtbar gemachtem Frevel“ (nicht „sicht-
bare Pein schaffend“ Bartholomae) entspricht der Bedeutung von
aénah- (Frevel, nicht Pein) und der Regel, daß der im Vorder-
glied enthaltene Verbalbegriff am Hintergliedbegriff vollzogen ge-
dacht ist (Wackernagel, II, § 108e, a). Die Zahl der awestischen
Beispiele dafür (Duchesne-Guillemin § 207) wird dadurch um eines
vermehrt, die Zahl derjenigen, die sich dem nicht fügen (ebenda
§ 209) um eines verringert. —
Sehr schwierig ist zastä-ista; Bartholomaes Deutung (vgl.
Geldner, Grdr. II 31) ist zwar allgemein übernommen worden
(vgl. jetzt auch Duchesne S. 117. 223), aber mit Hinzudenken des
Begriffs „Winken, ein Zeichen geben“ konstruiert und wenig be-
10 H. Lommel
friedigend. Daß is „wünschen“ darin enthalten sei, steht nicht
fest; es kann sich auch um is „Macht haben“ handeln. Mit dieser
Annahme (etwa „mit der Hand, den Händen machtvoll bewirkt,
im Machtbereich der Hände befindlich“?; was im Machtbereich
der Hände, handbeherrscht, handbewältigt ist, kann der Macht-
bereich der Hände selbst sein) gelange ich jedoch nicht zu einer
für beide Stellen völlig gleichartigen und befriedigenden Über-
setzung. V. 50,5 kann es Adj. zu avah- „Hilfe“ sein oder ein
nach Art des Hendiadyoin ein asyndetisch dazu gestellter er-
gänzender Begriff. Wenn es hier Attribut des Feuers ist, so
scheint es mir nicht bedenklich, daß von dessen Händen die Rede
ist, vgl. Yt. 19,48. —
daibisyante : ößoisoyontoi, vgl. ZI. I 217. ni
5. Was ist eure Herrschergewalt, was eure Macht? Wie
ich euch, o Weiser, mit Taten folge, (so) sollt ihr mit Wahr-
sein und gutem Denken euren Schutzbefohlenen beschützen.
Mit Absage gegen jegliche Ungeschöpfe, seien es Götzen oder
Menschen, scheiden wir zwischen euch und ihnen. |
a) syaodnd, Syaodnäi, syaodnais vgl. syaodnd, -āiš V. 28, 1;
51,21; araguydd, -di, dis V. 32,19; duzvarstäa, -āi, dis V. 49, 4;
vispā, di, dis Y.49,5; asada, -dca, -āičā, disc V. 51,15; ya, yais
Y. 31,2; vahista, -äis; vidisamndi, dis V. 51,1; uyda, dis V. 51, 20.
Dies nur eine kleine Auswahl von Fällen, wo die Überlieferung
Schwanken in der Schreibung des Auslauts -d usw. zeigt. Be-
sonders häufig ist das Nebeneinander von -d und -d, nicht ganz
so häufig wohl -@ und di, etwas seltener -d, di und -äis; auch
sind nicht alle Fälle gleich zu beurteilen, da dis statt -d (i
manchmal durch ein benachbartes Wort auf -ais beeinflußt scheint.
Doch zeigt dieses häufige Schwanken, daß es hier nicht berechtigt
ist, um des Vorkommens der Variante syaodnai willen eine ver-
einzelte infinitivische Konstruktion von syaodna- anzunehmen
(Bartholomae, Wb. 1711 unten; er übersetzt: istis- — Padagrenze! —
$Syaodndai „Macht zu tun“). Der Satzbau erfordert hier einen
Instr., also syaodnä oder syaodnais.
b) Möglich auch: „ich folge euch mit Taten, Wahrsein und
gutem Denken“, #räyöidyäi: die Schreibung mit ð (nur so) ist
beachtenswert; von Bartholomae o. XX VIII 18 Anm. 1 beanstandet,
später beibehalten; 4-silbig: -diydi.
c) para vad vgl. ai. para vac „mit Worten zurückweisen“ (mit
Acc.) SBr. 1,4. 5, 12, paräväka- „Drohung (Fluch)“ AV. 6, 13, 2.
xrafsträi$ halte ich für Instr. der Trennung, folglich vå für Acc.
Yasna 34. 11
(anders Bartholomae 1306; wegen des Verhältnisses der Schrei-
bungen vd und vā vgl. die Bemerkung zu Zeile a, und vå neben
va in a). Diese Konstruktion läßt sich zugleich mit dem (nur in
Annäherung zu erfassenden Sinn des Verbs „drohend oder bannend
mit Worten zurückweisen“) nicht wiedergeben; man müßte denn
das Kasusverhältnis umkehren: „sie (Acc.) von euch (Instr. der
Trennung) zurückweisen“. Statt dessen wurde in der Übersetzung
freiere Umschreibung angewandt. Grays Behandlung der Stelle
JAOS. 21,2, 130 ist mir nicht zugänglich; die daran anknüpfende
Übersetzung von M. W. Smith überzeugt mich nicht. — daéva-
und masya- sind attributiv zu xrafstra- (Religion Zarathustras 97f.
115). — Das zweite pars ist zu tilgen, masya- 3-silbig.
6. Wenn ihr wahrhaftig so seid, o Weiser mit dem Wahr-
sein und dem guten Denken, dann gebt mir dies als Zeichen:
dieses Daseins gänzlicher Wandel(?), daß ich euch verehrend
und preisend zu den größeren Freuden gelange.
b) awhaas.
c) (Wreaidya acc. plur. Ntr.
7. Wo werden deine Getreuen (?) sein, o Weiser, welche im
Besitz des guten Denkens sind? Diejenigen, welche die Lehren
(Verheißungen) und Erbschaften zu Leid und Wehe. machen,
werden in der Hölle(?) sein.
Keinen andern (Beschützer) als euch kenne ich durch das
Wahrsein; also beschützt uns.
Über diese Strophe siehe meine Anm. zu V. 32, 16, W. u. S. NF.“
I 253. |
8. Denn durch diese Taten bekämpfen (schlagen) sie uns,
unter welchen Verlassensein von Vielen (herrscht), wie ein
Stärkerer den Unterlegenen, infolge der (bei jenen herr-
schenden) Feindschaft gegen dein Gebot, o Weiser. Den-
jenigen, welche nicht auf Wahrsein bedacht waren, war das
gute Denken ferne.
a, b) nd ist beizubehalten, byente kann 2-silbig sein; as ist
das erstemal zu tilgen, dagegen in b) beizubehalten, das y in
den Komparativen aojyd, näidydehom kann unsilbisch sein. —
byente kaum „sie setzen in Furcht“, da dieses Verb sonst immer
„Furcht hegen, sich fürchten“ bedeutet (im Perfekt auch aktive
Formen wie bibhivas-); diese Bedeutung kommt aber hier nicht
in Frage. Ich nehme daher an, daß ein dem slav. biti „schlagen,
töten, kämpfen“ entsprechendes Verb vorliegt (Berneker I 117;
Trautmann 33), mit Stammbildung by-anti (da bay-anti neben dem
590691
i2 H. Lommel
unentbehrlichen nd metrisch nicht möglich). Dies würde auch
Yt. 17, 12, 13 (allerdings in der Messung biyonti) passen, wo weder
„sich fürchten“ noch „Furcht erregen“ Sinn geben (Anm. zu
dieser Stelle in meiner Übersetzung der Yuat’s).
yaesu pairt pourubyo: Verbindung von pairi mit vorangehendem
Lokativ (nach Bartholomae, AF. III 42 hier und Y. 29,5) sehr
zweifelhaft; zwar nicht unmöglich (Brugmann, Grdr.* II, 2, 870),
aber im Ai. nicht vorkommend, im Aw. sonst nicht belegt (Reichelt,
§ 534); dagegen ist die Verbindung pairi pourubyö „von Seiten
vieler rings umher“ normal und hier bestens passend. — Zara-
thustra, der erst wenig Anhänger hat und von den meisten im
Stich gelassen ist (vgl. V. 46, 1), fühlt sich der Überzahl der-
jenigen, welche die rechte Lehre verwerfen (Str. 7) und den Ge-
boten Gottes feind sind (Str. 8), nicht gewachsen,
9. Diejenigen, welche die kluge Fügsamkeit, die von deinem
Wissenden gepriesene, o Weiser, durch schlechtes Tun infolge
von Unkenntnis des guten Denkens verlassen, von denen
weicht es mit dem Wahrsein ebenso viel zurück, wie von ihm
die wilden Ungeschöpfe.
b) vanh>us, c) ahmät mit einigen Hdschr. Erläuterung des
Inhalts dient hier zugleich als Begründung der Übersetzung. Zu-
letzt war von der notwendigen Zusammengehörigkeit von gutem
Denken und Wahrsein die Rede. Diese beiden Geisteskrifte
müssen sich verwirklichen in Betätigung der Fügsamkeit (vgl.
Str. 10), die ja besonders eng mit Werktätigkeit verknüpft ist
(GGN. 1935, 134). Bei Unkenntnis guten Denkens werden gute
Werke der Fügsamkeit unterlassen '); und umgekehrt: von denen,
welche Fügsamkeit vernachlässigen, wenden sich gutes Denken
und Wahrsein noch vollends ab. Dieses Sich-Meiden und von
einander Abkehren ist ein gegenseitiges Verhalten, denn mit ganz
ähnlichen Worten (syazda- : sizdya-) heißt es V. 32,4, daß die Gott-
losen und Übeltäter von gutem Denken und Wahrsein sich abkehren.
Es ergibt sich also aus dem Zusammenhang ganz deutlich,
daß aus dem vorausgehenden vohu manarhä zu . als Sub-
jekt vohu manõ zu ergänzen ist. |
Wie ferner die nützlichen Tiere dem guten Denken zuge-
hören (Religion Zarathustras 107ff.), so besteht eine besondere
Feindschaft zwischen ihm und den schädlichen Tieren. Dem
gleicht nun das Verhältnis zwischen vohu mano (nur die Lesung
1) Diese Aussage entspricht der E daß cone und Einsicht
eng REES V. 51, 21.
Yasna 34. i 13
ahmāt ist sinnvoll) und den Übeltätern, welche die Fügsamkeit
unterlassen. Sie sind Ungeschöpfe, nicht besser als wilde Tiere).
10. Der Mann von rechtem Sinn (Willen) sagte, daß er die
Werke dieses guten Denkens, und, als ein Wissender, die
kluge Fügsamkeit ergreifen wolle, die wirklich (?) Urheberin
des Wahrseins ist (die achattende, die Verbündete des Wahr-
seins?).
Und diese alle, o Herr, sind ın deinem Reiche, o Weiser,
als Belohnungsmittel (Erquickungen).
b) hid am (aid am): Geldners Konjektur haidygm ist sehr an-
sprechend. Die verglichene Stelle Y. 31,8 (haidim asahya damim,
d. i. Ahura Mazda), die formal so nahe anklingt, könnte inhaltlich
etwa das Bedenken erwecken, daß Aramati als „wahre Schöpferin
des Wahrseins* (dem sie ja zweifellos nachgeordnet ist) zu hoch
gestellt und dem Ahura Mazda selbst gleichgestellt erscheint.
Tatsache ist jedoch, daß sie jg.aw. öfters dami- genannt wird
(was ja auch „bewirkend, Urheber“ heißen kann) und, wie es
scheint, Yt. 1,32 sogar dämi- aSahya (s. meine Übers. der nicht
ganz verständlichen Stelle). Daß sie dem Wahrsein besonders
nahe steht, geht aus manchen Stellen hervor (Religion Zarathu-
stras 63). Ich übersetze nach dieser Konjektur; doch sind auch
andere Möglichkeiten zu berücksichtigen: wenn „verbündet, Ge-
nossin“ (Bartholomae 1813), dann eher hitgm; daß die Genie der
Erde *hitä (vgl. ai. ergi „Ackerfurche“ (in der die Saat des Wahr-
seins aufgeht) genannt sei, ist immerhin zu erwägen; da jedoch
in den Gathas niemals deutlich von Ackerbau und Aussaat, nur
von Viehzucht die Rede ist, bleibt diese Möglichkeit im Hinter-
grund. |
c) voyadra (Bartholomae 1475): die Darlegungen von Caland,
o. XXXII 593 ergeben keineswegs eine Berechtigung oder Be-
gründung dafür, das plene geschriebene ð als ungültig zu be-
trachten. Denn Schreibungen wie xsmävoya für *xsmäbya sind
ganz anderer Art: da war inlautend VV dazu bestimmt, den
Labial auszudrücken und das zweite V ist irrtümlich als o um-
schrieben. Daß anlautendes » jemals mit VV bezeichnet worden
sei, ist nicht erweislich (die Awestaschrift scheidet jedenfalls
zwischen inlautenden v, das gleich uu und aus VV entstanden
ist, und anlautenden v mit einem Zeichen anderen Ursprungs).
1) Unter yrafstra- werden später hauptsächlich Reptilien und Amphibien
verstanden, manchmal jedoch auch Raubtiere. Die umfassendere Bedeutung, böse
Lebewesen, gilt in den Gathas.
14 ` H. Lommel
Und es ist kein Fall bekannt, wo ein in der Urschrift irgendwie
bezeichnetes anlautendes v als vo- umschrieben wäre. Die Schrei-
bung ist ähnlich wie möyastra- Y. 30, 9, wo mois- (Andreas, GGN.
1909, 5: mois ra-) zu lesen ist.
Da das Wort vöyadra- nur 2-silbig ist, muß bei der Lesung
vielmehr von dem in der Urschrift nicht vorhandenen a abge-
sehen und void ra- gelesen werden; Kuiper, ZII. VIII 265 knüpft
es an ai. vetana- „Lohn“ an, gibt aber keine Bedeutungsbestim-
mung. Über Amurta Spontas als himmlische Erquickungen s. die
nächste Strophe, vgl. auch Y. 49, 5, 10.
11. Dann werden Heilsein und Unsterblichkeit, die beide
dein sind, zum Essen und Trinken da sein.
Mit der Herrschaft des guten Denkens und dem Wahrsein
zusammen wird die Fügsamkeit die beiden immerwährenden (?)
Stärkungen wachsen lassen.
Mit diesen (vorgenannten Mächten) setzt du die Feindschaft
in Schranken. | |
a) xvaradäya (vgl. ZII. I 235).
b) vaysat; so schreiben einige Hdschr. (vgl. 48, 6), vaysta, wie
gleichfalls einige Hdschr. haben, ist keine gathische Schreibung,
Zufügung von d (vayštā, Bartholomae, Gada’s 1879; M. W. Smith)
wire Anderung der arsakidischen Schreibung, nicht aber die Le-
sung vaxsat.
c) Ywöi-ahi betrachte ich als 2. Pers. Sg. von dway- „Furcht
erwecken“ (Bartholomae 794), der Wurzelvokal mit ö (V) ge-
schrieben, wie so häufig vor i, (Vermeidung der Lesung Iwya-);
anders Kent, JAOS. XLVII (1927) 267—268. — vidvassgm Acc.
sg. fem. (nach Bartholomae 1446 stünde es als Gen. plur. für vid-
vaésasqm); vgl. ai. vidvesd- m. „Feindschaft“. — d nach tis ist
zu tilgen. i
12. Was ist die Spende für dich? Was begehrst du, wa
an Lob oder was an Verehrung (heiliger Handlung)? Ver-
kündige, o Weiser, daß man es höre, was die Vergeltung an
Spenden austeilen wird. Weise uns durch das Wahrsein die
gut gangbaren Pfade des guten Denkens.
a) Von räzar-, rāšn- ist rdæong, Acc. plur. a-St., V. 50,6 zu
trennen; ob rasna Y. 46,5 Defektivschreibung aufweist, wie An-
dreas, GGN. 1934, 106 annahm, ist ungewiß, es läßt sich kaum
dem hier vorkommenden Wort gleichsetzen. Denn dessen Ver-
bindung mit stut- und yasna- hier ist der mit staoma in Yt. 13,157
so gleichartig, daß sich als wahrscheinliche Bedeutung ein kulti-
scher Begriff ergibt; etwa „Spende“. Meillet, MSL. XIV 392 (vgl.
Yasna 34. 15
H. Petersson, Idg. Heteroklisie 266) klärt unsere Stelle nicht auf.
b) räsndm.
c) vawhaus; y°aetang : huvitön.
13. Den Weg, o Herr, welchen du mir als den des guten
Denkens genannt hast, der ja durch das Wahrsein gut be-
reitet ist, und auf dem die Urgeister der künftigen Helfer hin-
schreiten werden zu dem Lohn, der dem wohldenkenden ver-
heißen ist (und) dessen Geber(?) du bist, o Weiser.
a) vawhaus.
b) döyonö, saosyantdm.
c) cavista- Coista; hudabyo; man erwartet: „dessen Verleihung
durch dich, oder: bei dir, oder: dein ist“; ist etwa wā, *dwe,
toi zu konjizieren?
14. Denn diesen wünschenswerten (Lohn) gebt ihr, o Weiser,
um des Handelns aus gutem Denken willen dem leiblichen
Leben (derer), welche ja in der (Dorf-)Gemeinschaft der
trichtigen(?) Kuh sind, (nämlich): eure gute Einsicht, o Herr,
des durch Wahrsein die Dorfgemeinden fördernden Verstandes.
a) tat --- vairim knüpft an mizdam in 13c an.
b) „Gemeinschaft der Kuh azi“, vgl. Y. 50,2; 51,5; 44,6;
meine Bemerkungen zu Y. 46,19 (GGN. 1934, 114f.) sprechen nur
negativ aus, daß es sich dort nicht um wirkliche Kühe als irdi-
schen Lohn handeln kann; der mythische Ausdruck „Kuh“ als
Symbol künftigen vollkommenen Daseins mag ebensowohl wie an
den Mythos von der Kuhgewinnung (GGN. 1935, 157 zu Y. 51,5)
an den von der Himmelskuh (Die alten Arier, 112ff.) anzu-
knüpfen sein ).
c) Das geistige Gut der Einsicht wird den Menschen zwar
als geistigen Wesen, aber, wie hervorgehoben wird, im leiblichen
Leben verliehen. Dies weist auf Herstellung des vollkommenen
Daseins in der Körperlichkeit hin: Religion Zarathustras 233;
vgl. 174f.
15. O Weiser, so sage mir denn die besten (Worte der hei-
ligen) Lehren und Handlungen, ja diese (und) durch gutes
Denken und Wahrsein das Gebet des Lobes. Durch eure
Herrschaft, o Herr, mache nach (deinem) Willen das Leben
wirklich herrlich.
a) sravdséa?
b) ta tu, vgl. taméa tū Y.53,3 (Bartholomae, Wb. 613 Ia) A) q))
und tā tu RV. 4, 22, 5 u. 6; dadurch werden die beiden ersten
1) Vgl. M. Weyersberg u. H. Lommel, Regenkamm und Himmelsrind, in
Paideuma 1 (1939).
16 H. Lommel
Glieder der Dreiheit stark betont, während das dritte Glied (isud-)
durch die Einschaltung von vohū mananhä ašāčā seinen beson-
deren Nachdruck erhält. — Der 2. Pada hat nur 8 Silben.
Exkurs zu Y. 34, 15:
isud-, isud(h)ya-.
Bei Feststellung der Bedeutung dieser Wörter muß die Awesta-
Forschung sich mit der Veda-Kunde begegnen, die ihrerseits noch
zu keinem festen und voll befriedigenden Ergebnis gekommen ist.
Geldner bemerkt zu RV. 1, 122, 1, der Sinn von aw. i$äidya-
sei „noch genauer zu bestimmen. Jedenfalls nicht danken'“;
und Neier (Zum Wb. d. RV. I 166) sagt: „Die von Bartholomae
gelehrte Bedeutung (von aw. isüidya-) danken = der göttlichen
Schuldforderung Genüge tun’ ist wohl noch nachzuprüfen.“
Beide Veda-Forscher haben damit die Aufgabe ausgesprochen,
aber abgesehen von Geldners negativer Feststellung „nicht danken'“
sie nicht beidseitig in Angriff genommen.
Auch Pischel, der über das vedische Wort in den Ved. Stud.
I 191 ff. gehandelt hat, erwähnt das Awestische, ohne darauf näher
einzugehen. Er legt die etymologische Ableitung von is „wün-
schen“ zugrunde und kommt auch für isudhya- zu dieser Bedeu-
tung. Das genügt für manche Stellen, andere wiederum sind
damit doch nur mangelhaft erklärt.
Mag die Herleitung von is „wünschen“ zu Recht bestehen
— sie kann natürlich nicht über die Bedeutung entscheiden,
sondern läßt sich erst nach deren Feststellung vertreten —, so
ist es doch jedenfalls ein anderes Wort, und wird sonach eine
Abwandlung des Sinnes darstellen. Diese in der Färbung und
Abtönung ganz genau zu bestimmen und mit einem einheitlichen
deutschen Wort wiederzugeben, mag vielleicht nicht gelingen.
Ich wähle dafür „beten“, ohne es wiederum gegen andere
Worte für Gebet bestimmt abzugrenzen, und zwar scheint mir
dieses Wort insofern zur Übersetzung geeignet, als „beten“ seinem
Ursprung entsprechend zunächst Gott um etwas bitten bedeutet;
aber Gebete enthalten nicht immer und nicht nur Bitten, sondern
sind die in Worte gefaßte Andacht überhaupt, die auch Lob und
Dank und noch Weiteres enthalten kann. Damit, scheint mir,
werden wir dem isudhya- am ehesten gerecht.
RV. 5, 50, 1: „Jeder Mensch wünscht (vr) sich wohl die Freund-
schaft des Gottes Netar, jeder bittet (ihn, betet zu ihm) um Reich-
tum (und) wünscht sich wohl herrliche Macht, um reich zu werden.“
Yasna 34. 17
Hier würde allerdings Pischels Übersetzung mit „wünschen“ auch
genügen; 1,128,6: „Für jeden, der (darum) bittet (dafür zu dir
— Agni — betet), hast du. die Opfergabe zu den Göttern ge-
fahren. Jedem, der (ihm) Gutes erweist (sukrte), erfüllt er den
Wunsch, öffnet Agni die Tore.“ Die Übersetzung „für jeden,
der es wünscht“ (Pischel, Geldner), zwar nicht unrichtig, bertick-
sichtigt nicht den betonten Parallelismus: visvasına id isudhyate
— visvasmä: it sukrte; wenn man nämlich beachtet, daß auch sonst
isudhya-, isud- neben Wörtern für „opfern, verehren, lobpreisen“
steht, wird man nicht verkennen, daß hier doch etwas Gehalt-
volleres als ein bloßer (allenfalls stiller) Wunsch, nämlich das
Gebet um den Erfolg des Opfers, neben der frommen Handlung
ES kr, etwa Holzspende) gemeint ist.
Über die schwierige Stelle 5, 41,6 handelt Pischel, Ved. Stud.
1,195. 199.203. Aus der ersten Hälfte der Strophe, wo es heißt:
pra---krnudhvam ---arkaih „rühmet mit Liedern“, ergänzt er in
der zweiten Hälfte arkäh als Subjekt: „(die Lieder) mögen hei-
schend (isudhyavah) uns ... treffliche Frauen verschaffen“. Das
trifft völlig überein mit meiner Auffassung: heischende Lieder —
Gebetslieder. |
1, 122, 1 übersetze ich: „Bringt schnellen Eifers euren Soma-
trunk dem gnädigen Rudra als Opfer dar. Ich habe ihn mit den
Mannen des Himmelsherrn (den Rudras) gepriesen, gleichwie (ich)
die Marut, die (Mannen oder Söhne) der beiden Welthälften mit
Gebet (verehrt habe).“
Erklärung von Einzelheiten muß mit kurzen Bemerkungen
über andere Übersetzungsversuche verbunden werden. |
Die Marut sind, sofern sie dem Rudra angehören, Söhne des
Rudra; aber dies wird einige Male mit dem bloßen Genetiv aus-
gedrückt: die des Rudra (5, 59, 8; 7,58,5). Im übrigen sind die
Marut Söhne (10, 77, 2), Mannen (1, 64,4; 5, 54, 10) oder Jung-
mannen (mariah 3, 54, 13; 5, 59, 6) des Himmels. So können sie
denn hier recht wohl mit dem bloßen Genetiv „die der beiden
Rodasi“ genannt werden. Dies, sowie das bekannte Liebesver-
hältnis der Marut zu Rodasi (Singular), widerrät, hier maruto
rodasyoh auseinander zu reißen, und isudhyä --- rodasyoh als „mit
Absehen auf Himmel und Erde“ zu verbinden, wie es Geldner
tut; seine Erklärung in der Anmerkung zur Übersetzung: „Wie
ieh. in den Preis des Rudra den seiner Söhne, der Marut, mit ein-
geschlossen habe, so denke ich bei dem Preis der Marut zugleich
an die beiden Rodasi“ entspricht also dem Inhalt gar nicht.
Zeitschrift für vergl. Sprachf. LXVII 1/2. 2
18 H. Lommel
Bei Pischel ist die Übersetzung: „Ich heische die Maruts von
Himmel und Erde“ kaum verständlich, und seine Erklärung: „der
Dichter hat Rudra und seine Söhne, die Marut, zusammen ge-
priesen; jetzt ruft er noch besonders die Maruts an“, klärt die
merkwürdige Form nicht auf, in der diese Sonderanrufung ge-
schieht; und wenn hier „die Mannen des Himmelsherrn“ und die
Marut ganz die gleichen wären, so hätte der Übergang vom Preis
der einen zu dem der andern wenig Sinn. Deshalb wohl mag
Geldner in der Strophe einen andern Gegenstand der Verherr-
lichung gesucht haben, aber die beiden Rodasi als diesen hinzu-
stellen, gelang ihm nur mit unnatürlicher Zerreißung des Zusammen-
gehörigen. Ganz anders ist es, wenn man sich die von mir in
meinem Buch über die alten Arier S. 95ff. u. 125ff. ausführlich `
dargelegte Verschiedenheit zwischen den Rudras oder den rudri-
schen Marut und den Marut schlechthin oder indrischen Marut
vergegenwirtigt. So vielfach und eng ihre Berührungen sind,
so sind sie doch von ganz verschiedenem Charakter.
Es kostet die vedischen Sänger oftmals eine gewisse Über-
windung, den Rudra und die Rudras zu preisen. Dieser Dichter
ermutigt sich zur Verherrlichung derselben oder rechtfertigt diese
durch den Hinweis auf seine früheren Huldigungen für die Marut,
welche mit den Rudras gleichen Namens und zum Teil auch
gleichen Wesens sind, die aber günstige Wesen sind; darum ist
ihm deren Preis leichter von Herzen und von den Lippen ge-
kommen.
Vom Standpunkt meiner Erklärung aus muß ich auch Olden-
bergs Auffassung (Noten I, S. 123) ablehnen, insbesondere den
Gedanken, daß marútah Nominativ sei, und daß ein Parallelismus
zwischen den Instrumentalen viraih') und isudhyä bestehe, während
ganz ungezwungen sich die Entsprechung von astosi und isudhyä
ergibt.
8, 69, 2 ist so schwierig, daß ich mich damit begnüge, auf
die früheren Erörterungen über diese Stelle (Pischel a. a. O. 196f.;
Oldenbergs Noten) zu verweisen. Das isudhyasi (Pischel: „ du
wünschest“, gleich möglich: „du erbittest“) ist jedenfalls nicht
die Hauptschwierigkeit.
Die Belege für das entsprechende Wort im jüngeren Awesta
sind einfach. V. 36, 5: namahyämahi isüidyämahi q mazda ahurä
übersetzt Bartholomae „wir huldigen, wir danken dir .. “, und
1) Dies faßt er als ein ganz unverständliches: ich mit den Mannen habe
gepriesen, statt: ich habe ihn, den Rudra, mit seinen Mannen gepriesen.
Yasna 34. 19
so gut wie im evangelischen Kirchenlied statt „Lob, Ehr und Preis
dem Herrn“ auch „Lob, Ehr und Dank“ sinnvoll wäre, so ge-
stattet diese Stelle an sich die Übersetzung mit „danken“; aber
so viel ich sehe, ıst „danken“ em im Awesta nicht klar nach-
weisbarer Begriff"). Dies und die vedischen Feststellungen führen
auf die Übersetzung „wir bitten dich“ bzw. „beten zu dir, beten
dich an“. Ähnlich, aber neben mehreren bedeutungsverwandten
Wörtern ist es gebraucht Y. 38,4: „(die Gewässer) verehren wir
(yaz), segnen wir (fri), ehren wir (nam), beten zu ihnen“ und
Y. 39,4 (= Y. 13,5): „wir verehren (yaz) dich, wir ehren (nam)
dich, wir beten dich an, o Weiser Herr“. Mit dem Substantiv
igud- wird V. 65,9 nach dem rechten Vollzug und nach dem Er-
folg ritueller Verrichtungen gefragt, die der Zaotar den Gewässern
darbietet (yaz): „ob die Worte erfolgreich sein werden, die ihm
der Aethrapati gelehrt hat, ob es die Huldigungen (oder: Bitten
um Gnade; fryö) sein werden, ob es die Gebete (i$udö) sein
werden, ob es die Opfergaben (räfayö) sein werden, die der Weise
Herr dem Zarathustra und die Zarathustra den körperlichen Lebe-
wesen (den Menschen) verkündet hat?“ Es folgt die Vorschrift
($ 10), die erste Bitte an die Gewässer zu richten (wie denn auch
in den folgenden Gebeten § 11—13, § 17 die Gewässer vor an-
deren Yazatas genannt werden) und ihnen Weihwasser (aao ra-)
darzubringen. Diese zaodra’s sind die vorher genannten Spenden
(räti-), im übrigen besteht der ganze Kultakt aus bittenden Ge-
beten, und das ist gerade das, was wir bis jetzt überall als Be-
deutung von isud(h)- gefunden haben. Um „danken“ handelt es
sich dabei nirgends, und diese Bedeutung ist nur künstlich aus
dem angeblichen Grundbegriff „Schuldforderung“ herausentwickelt.
Und dieser ist nicht dem Text und seinem Zusammenhang, sondern
der Pehlevi-Übersetzung entnommen (vgl. Darmesteters Noten zu
den betreffenden Stellen), die, wie die Texte zeigen, hier im Irr-
tum ist.
Betrachten wir nun die Gatha-Stellen, so fällt bei Y. 34,15
sogleich auf, daß das Nebeneinander von isudam und stutö an das
Beieinanderstehen von isudhya und stu in RV. 1, 122, 1 erinnert.
Und Bartholomae bemerkt (Wb. 1644, Nr. 3) zu dieser Strophe:
1) Auch die vedischen Inder danken ihren Göttern nur indirekt, indem sie
deren Wohltaten namhaft machen und sie dieserhalb verherrlichen. Oldenberg,
Rel. d. V.“ 310 sagt, daß der vedischen Sprache Wort und Begriff des Dankens
fremd sind. Das dürfte der Grund sein, warum Geldner „danken“ als Bedeutung
von iöüidya- abgelehnt hat.
2%
20 H. Lommel
„Die Dreiheit sravah-, fyaodana- und stut bildet, wie yasna-, vacah-,
syaodana- in Y. 34,1 nur eine Variante der bekannten Dreiheit
manah-, vadah-, Sy aod ana- sravah- vertritt vadah-.“ Das ist richtig,
und ich habe Ähnliches oben zu V. 34, 1 angemerkt. Es ist aber
auch zu berücksichtigen, was in der Anm. zu Y. 32, 9a (WuS.)
über die Bedeutung von sravah- gesagt wurde, sowie daß V. 34, 1
mit yasna-, hier mit stut- „Loblied“ beide Male an die Stelle des
allgemeinen Begriffs manah- „Denken“ die gottesdienstliche Aus-
übung von Andacht in Wort (stut-) und Handlung (yasna-) ge-
treten ist. Diese Uberlegung zeigt, wie nahe V. 34, 15 die Ver-
wendung von isud- den jünger awestischen Verbindungen von
išud-, išūidya- mit yaz, nam, fri und rāti- steht. Es ist also zu
übersetzen: „das Gebet des Lobes“. Der Ausdruck ist somit ganz
ähnlich wie Y. 28,9 dasme stutgm „bei der Darbringung der Lob-
preisungen“ und besonders wie V. 34,2 garöibi$ stutam „mit Lie-
dern der Lobpreisungen“; der Schluß der Gatha kehrt in Ge-
danken und auch in Abwandlung der Ausdrücke, wie soeben mit
Hinweis auf 34,1 festgestellt wurde, zum Anfang der Gatha zurück.
Die bisherigen Feststellungen machen es nötig, eine neue
Übersetzung von Y. 31, 14 zu versuchen. Diese Strophe ist von
Andreas und Wackernagel, GGN. 1911, 23f. in engem Anschluß
an Bartholomae übersetzt worden. Sie haben von ihm die Be-
deutung „Schuldforderung“ für isud-, „Abrechnung“ für hankarsti-
übernommen, und bei dd ra- haben sie Bartholomaes Gesamt-
auffassung der Strophe zwar beibehalten, aber annehmbarer formu-
liert, indem sie „Einzahlung“ statt Bartholomaes „Buchung“ ge-
setzt haben.
Gegen Bartholomaes Deutung der Strophe hat Hertel (Ar.
Feuerlehre 7f.) überscharf polemisiert, indem er aus den allerdings
nicht glücklich gewählten Worten Bartholomaes (Gathas, S. 122
unter „Buchung“) die Vorstellung von kaufmännischer Rechnungs-
führung mit einem im Himmel schriftlich geführten Schuldkonto
entnahm. Ich bezweifle doch, ob Bartholomae es wörtlich so ge-
meint hat. Immerhin besteht die Tatsache, daß bei den Persern
nicht einfach das. vorliegende Verbrechen bestraft, sondern der
ganze Mann unter Anrechnung seines Verdienstes beurteilt wurde
(Herodot 1,137; 7,194). Und auch in den Gathas ist ein Kern
von dem, was Bartholomae hier meinte, gegeben. Zwar fällt die
Anschauung, daß Ahura Mazda die Verdienste der Frommen in
der „Vorhalle“ seines Hauses aufgespeichert habe, die man aus
Y. 34,2 herausgelesen, jetzt dahin, es besteht aber die Anschauung,
Yasna 34. 21
daß er sich an Verdienste und Verschulden sehr genau erinnert
(Y. 32,6 — vgl. Y.29,4) und die (moralische) Hinterlassenschaft
der vor Gericht stehenden sehr genau kennt (Y. 32,7) und über-
wacht (Y. 44,2 — vgl. Y. 49,10), sowie daß die ihm dargebrachte
Anbetung in seinem Hause niedergelegt wird (V. 45, 8).
Ich teile nun zwar die Auffassung Bartholomaes von Y. 31,14,
auch in der Abwandlung, die ihr Andreas und Wackernagel ge-
geben haben, nicht; aber billigerweise muß man en daß
sie so absurd nicht ist, wie Hertel es hinstellt.
hankarati- hat an den anderen Stellen, wo es vorkommt
(V. 71,1; Yt. 15, 54, in der Schreibung han-k. bzw. han-k.) die Be-
deutung eines rituellen Vollzugs, bei dem es sich um Hersagen
heiliger Texte, sei es für sich allein, sei es als Begleitung kultischer
Verrichtungen handelt. Worte, die so rezitiert werden, heißen
V. 71, 18 havkarada- (die Schreibung -kerata- ist die richtigere)
und diese Bedeutung steht im Einklang mit dem Gebrauch von
hankäraya- „weihen, zubereiten“, wenn auch die genaue technische
Bedeutung dieses rituellen Fachausdrucks schwer anzugeben ist.
Somit stehen diese Wörter in Bedeutungszusammenhang auch
mit ai. samskrti- „Weihe, Verleihung eines Sakraments“, samskära-
„Weihe, Sakrament“ und sam-s-kr „nach heiligem Brauch be-
handeln, weihen“.
Wenn wir nun festgestellt haben, daß isud(h)- und Ableitungen
davon an allen Awesta-Stellen und mehreren Veda-Stellen in
Nachbarschaft kultischer Ausdrücke, die vielfach auf ein Sprechen
von Worten bezüglich sind, sich finden, so paßt hierzu das Vor-
kommen von isud- und hankarati- in der Strophe V. 31,14. Wenn
Bartholomae, und die ihm folgen, an dieser Stelle diesem Wort
die Bedeutung „Abschluß, Abrechnung“ geben (ähnlich ich, Reli-
gion Zarathustras 195: ,Zusammenfassung“), so ist damit die Be-
deutung nicht ganz zutreffend erfaßt, wenngleich es möglich ist,
daß darin ein Nebensinn wie: „die Zeremonie zum Abschluß
bringen, vollständig durchführen“ oder „abschließende Zeremonie,
Schlußgottesdienst“ enthalten ist.
Bartholomae nimmt zwei verschiedene aw. Wörter dadra-
an: eines „Gabe“ bedeutend gleich ai. dätra-, und ein anderes,
das einem *dhätra- entspräche. Es scheint aber, daß man mit
nur einem, das dem ai. dätra- entspricht, auskommt. Bei dieser
Frage scheiden die Belege Vr. 19,2, Yt. 1,32 und N.83 als un-
verständlich aus.
Vt. 13,50 nimmt Bartholomae das zweite dädra- an und gibt
22 H. Lommel
ihm die Bedeutung „Lohn“. Wenn das anzuerkennen wäre, so
bliebe immer noch zu fragen, ob diese Bedeutung nicht bei dära-
von Wurzel dā unterzubringen wäre. Aber die Stelle ist von
Bartholomae nicht richtig verstanden.
Die Fravurtis kommen während 10 Nächten in den Bereich
der Menschen und erwarten da gefeiert zu werden. Sie fragen:
„wer wird uns preisen, wer verehren“ usw. und außer dem fest-
lichen Empfang, den die Gemeinde den Fravurtis insgesamt be-
reitet, erwarten die Ahnengeister jedes Geschlechts von ihren
lebenden Nachkommen namentlich angerufen, häuslich aufge-
nommen und bewirtet zu werden. Sie fragen also: „Wessen
Namen von uns (= den Namen von wem unter uns, kahe nö)
mag wohl (einer) hier begrüßen“ (3. s. opt. von *gr-eti, vgl. ai.
Praes. girati, gurate; nicht Passiv garya- mit aktiver Endung),
„wessen Seele von uns mag wohl (einer) verehren“. Hier ist
auch frayezyat nicht Opt. des Passiv-Stammes mit aktiver Endung
(sie müßte *fräyezyöit, als richtiges Passiv -e ata lauten), son-
dern eine unter dem Einfluß der vorausgehenden und folgenden
Formen ägairyät und dayät stehende Augenblicksbildung statt
fräyazöit; sodann: „wem von uns (kahmäi nö) mag wohl einer
diese Gabe geben“; da ist dayät wiederum nicht Passiv mit aktiver
Endung, sondern ist 3. Person zu dem aktiven Optativ dayd
V. 57,26, pairi dayd V. 11,10; auch bei anu dayat Yt. 13, 13 und
nidayät Yt. 12,17 ist Annahme eines Passivs mit aktiver Endung
nicht nötig.
dadra- heißt also Yt. 13,50 nicht „Lohn“, sondern auch
hier „Gabe“.
In dem Abschnitt V. 19, 26ff. ist der Zusammenhang auch
abgesehen von den „Buchungen“, die Bartholomae in $17 an-
nimmt, nicht klar. Da hier von dem Schicksal der Verstorbenen
ım Jenseits die Rede ist, verstehen wir nicht recht, warum das
Gespräch darüber eingeleitet wird mit Zarathustras Frage, ob er
die Frommen veranlassen soll, sich den Besitz der Gottlosen an-
zueignen. Dies steht zwar offenbar in Zusammenhang mit der
Frage nach dem Anteil an irdischem Gut im Menschenleben, die
an die Neuankömmlinge im Jenseits gerichtet wird (§ 29, am Ende),
aber diese Frage selbst ist für uns gleichfalls befremdlich. Diese
Unklarheit erschwert, aber verhindert nicht die Deutung von $ 27
mit den Fragen nach den dädra-s. Zarathustra fragt: „wo werden
die dara sein, wo werden die dara hingelangen (pärayeinti,
Lesung unsicher), wo werden die dädra hinkommen, wo werden
Yasna 34. 23
die dädra zusammenkommen, (welche) der Mensch im körperlichen
Leben für seine eigene Seele verschenkt hat“; para-dā, dasselbe
Verb wie A. 3, 7; V. 18, 28. An diesen beiden Stellen ist die Rede
von dem Lohn, den die in diesem Leben geübte Mildtätigkeit in
jenem Leben einbringen wird.
Entsprechend wird in V. 19, 27 gefragt, wo die milden Gaben,
die einer zum Besten seines Seelenheils gespendet hat, hinge-
langen. In der Frage, wo sie zusammenkommen, liegt wenigstens
angedeutet etwa die Vorstellung einer Aufspeicherung, aber natur-
lich nichts von einer Aufschreibung, geschweige daß die Gaben
selbst als Buchungen bezeichnet wären.
Die bisherige Übersetzung von Y. 31, 14 läßt sich also nicht
halten, doch ist durch die hier angestellten Überlegungen eine
neue völlig befriedigende Übersetzung dieser Strophe noch nicht
gewonnen. Ich gebe folgenden Versuch: „Das frage ich dich, o
Herr, was ja kommen und eintreten wird: wie werden die Gebete
um Gaben sein, welche von Seiten des Wahrhaftigen, und (wie)
die, welche von den Lügnern beim Weihevollzug (beim Gottes-
dienst) dargebracht werden?“
Hierbei ist die Übersetzung von dadanté (Konj. Med. in passiver
Bedeutung?) unsicher und das schließende yat unaufgeklärt. Dazu
(aus avhen) ein Verb (etwa a»hat) zu ergänzen (Bartholomae,
Wb. 1254 oben) würde an sich keine Schwierigkeit bereiten, doch
scheint sich damit keine recht verständliche Konstruktion zu er-
geben. Bartholomaes Übersetzung „wenn’s zur Abrechnung
kommt“ ist so, als ob hankerati- Subjekt dieses unvollständigen
Nebensatzes wäre, während es als Lokativ offenbar zum Voraus-
gehenden gehört (isudo--- dadanté --- hankarata Bitten werden bei
der Weihe dargebracht), so daß yat völlig isoliert zu stehen scheint.
Die umgebenden Strophen, 13 und 15, fragen nach den Strafen,
welche künftig den Sündern auferlegt werden. Dem Zusammen-
hang nach muß also auch Strophe 14 eschatologischen Inhalts
sein und von der künftigen Vergeltung handeln. Das konnte auf
die Vorstellung einer Abrechnung von Verdienst und Schuld führen
oder als Bestätigung einer solchen Übersetzung aufgefaßt werden.
Es fügt sich aber auch in diesen Zusammenhang, wenn gefragt
wird, welche Gebete um das Heil seitens der Frommen an Gott
gerichtet worden sind, und ob von den Gottlosen überhaupt Gott
wohlgefällige Gebete, Bitten um die Gaben des Heils, ergangen
sind. Dabei ist zu beachten, daß die vorausgehende Strophe sehr
ausdrücklich von der Feinheit der Entscheidung gesprochen hat.
24 H. Lommel
Auch verborgene Dinge werden bei der Strafe berücksichtigt,
anderseits können geringe Verfehlungen verziehen werden. Es
kann sehr wohl sein, daß dieser Gedanke in Str. 14 näher aus-
geführt wird; leichte Vergehen von solchen Menschen, bei denen
das Gute überwiegt, können durch frommes Gebet aufgewogen
werden, Unterlassung von Gebet und unrichtiges Gebet, mangelnde
Frommgesinnung bei irgendwelchem Opfervollzug können als nicht
offenbare Verfehlungen strafwürdig zur Last fallen.
Über Yasna 34.
Gute Gedanken, Worte und Werke sowie die Vergeltung für
deren Vollzug oder Versäumnis sind der Hauptinhalt dieser Gatha.
In der 1. Strophe wird dieses Thema in Frageform gestellt und
dann nicht mehr verlassen. Die 2. Strophe gibt die Antwort auf
diese Frage, ohne im Übrigen wesentlich Neues zu sagen; eine
Doppelung, die dem Hörer gleich zu Beginn mit besonderer Deut-
lichkeit und höchstem Nachdruck sagt, worum es sich handelt.
Zarathusta kann seiner geschichtlichen Stellung nach religiöses
Verdienst und ethischen Wert nicht so bewußt und ausschließlich
in die reine Innerlichkeit der Gesinnung legen, wie das neuere
religiöse und ethische Lehren tun. Aber es ist doch auffallend,
wie stark eine Richtung dahin sich geltend macht und der gute
Wille, die Absicht des menschlichen Inneren als Grundlagen der
Äußerungen im Reden und Handeln betont wird.
So sagt er Str. 9, daß Unkenntnis des guten Denkens zu
schlechtem Tun führt; Str. 10, daß der Mann von rechter Gesin-
nung (gutem Willen: huyratus) die Werke des guten Denkens
(die aus gutem Denken [kommenden] Werke) vollbringen wird.
Ferner in Str. 5: „mit Taten, mit Wahrsein und gutem Denken
will ich mich auch anschließen“. Diese Anschauung kommt weiter
darin zum Ausdruck, daß es Str. 12 und 13 die Pfade des guten
Denkens sind, auf welchen die an der künftigen Vervollkommnung
der Welt Mitwirkenden ihrem Lohn entgegengehen.
Wenn es gleichwohl für Zarathustra auf die Verwirklichung
ankommt und in seiner Ethik alles an der Ausführung des Guten
durch die Tat liegt, so läßt er doch den frommen Menschen nicht
auf Anlaß und Gelegenheit zu gutem Handeln warten und erst
in entscheidenden Lebenslagen sich bewähren, Die religiöse Vor-
schrift. ist nicht einfach eine praktische Ethik, bei der ein gott-
gefälliges Leben von guten Gedanken, Worten und Werken er-
füllt sein soll (was ihm freilich unerläßlich ist), sondern neben
Voasna 34. 25
dem praktischen Leben muß ein kultisches einhergehen und die
religiösen Pflichten sind zu einem beträchtlichen Teil ritueller
Natur. Das ist, entsprechend Zarathustras Herkunft und gemäß
dem Zweck der Begründung einer Religion des Volkes, der Reli-
gionsgemeinde, von priesterlicher Art. Dabei ist natürlich die
rechte Gesinnung vorausgesetzt, aber es wird gefordert, daß sie
sich in kultischen Worten (Sprechen von Gebeten, Singen von
Lobliedern) und gottesdienstlichen Handlungen ausspricht’).
Die Dreiheit Denken, Reden und Handeln, deren Ausdruck
ja bei Zarathustra ohnehin noch nicht formelhaft erstarrt ist, wird
daher mehrfach abgewandelt in „Werk, Wort und Gottesdienst
(yasna-)* Str. 1; „Denken, Handeln, Loblieder und Verehrung, bei
der man mit Gesängen den Umgang macht (pari-gäda-)“ Str. 2;
„heilige Texte (sravds-ca), Werke und Gebet des Lobes (isudam
stuto)“ Str. 15.
Der Nachdruck, der hier auf dem kultisch-rituellen Verhalten
hegt, spricht sich auch aus in ,wir wollen in Ehrfurcht eine
Opfergabe geben“, Str. 3; „euch verehrend und preisend“, Str. 6;
»Was ist das Weihgeschenk ftir dich, was an Lob, was an Ver-
ehrung wünschest du“, Str. 12. — Das sonstige Vorkommen
solcher Gedanken soll hier nicht zusammengestellt werden, nur
sei erwähnt, daß in dieser Beziehung eine gewisse Verwandtschaft
zwischen dieser Gatha und Y. 50 besteht, vgl. darüber GGN.
1935, S. 153.
Dieses wiederholte Anschlagen desselben Motivs zeugt für
die gedankliche Einheit dieses Gedichts, und daß gerade in der
Schlußstrophe es so ähnlich wie in den beiden Anfangsstrophen
wiederkehrt, zeigt, daß der Text ın sich geschlossen ist. Ohne
hier auf die Frage der Ganzheit der Gathas so ausführlich ein-
gehen zu wollen, wie es bei meinen andern Gatha-Bearbeitungen
geschehen ist, weise ich darauf hin, daß die letzte Strophe, wie
ich GGN. 1935, S. 154 gezeigt habe, „eine ausgesprochene Schluß-
strophe“ ist. Das Ende unseres Textes ist also der Schluß des
Gedichtes, ohne Weglassung, ohne Hinzufügung. —
Nach den beiden Anfangsstrophen bringt die 3. Str. noch
keinen wesentlichen Fortschritt; sie verweilt noch bei dem Heil,
1) Goethe, West-östlicher Diwan, Ältere Perser, nennt „Kommen und Gehen,
Neigen und Beugen“ unter den Pflichten der zoroastrischen Priesterschaft (zu-
gleich als Beispiel des Priesterwesens überhaupt) und trifft damit genau, was
mit aw. pari-gam und nam in diesen Zusammenhängen gesagt wird; Dar-
bringung von Gaben kommt hinzu.
26 H. Lommel, Yasna 34.
das der Verständige durch sein frommes Verhalten erlangt; dies
aber ruft den Gedanken an gegenteiliges Verhalten der Wider-
sacher und an ihr bevorstehendes Schicksal wach. Künftig werden
sie durch das Ordalfeuer, das den Gottgefälligen wohltätig ist, von
diesen geschieden, Str. 4; jetzt aber sind sie durch ihr böses Tun
eine Bedrohung und Gefahr für die Frommen, die als die Minder-
zahl unterlegen sind, Str. 8. Zarathustra, den viele im Stich ge-
lassen haben (Str. 8) (und zwar gerade von denen, die als nähere
und fernere Verwandte seinen natürlichen Schutzverband bilden
sollten, Y. 46,1), kann sich als Flüchtling, Schutzflehender be-
trachten und begibt sich in den Schutz der himmlischen Mächte,
indem er seine gänzliche Scheidung von denen, die es mit den
alten Göttern, den daéva’s, halten, nochmal bekräftigt, Str. 5;
ebenso empfiehlt er seine Anhänger dem göttlichen Schutz.
Mit Bezugnahme auf das böse Tun der Widersacher ist aber
über den Bereich des kultisch-rituellen Handelns hinausgegangen
und so wird denn jetzt auch von verdienstvollem Wirken im
weiteren Sinn gesprochen. Denn Aramati ist die werktätige Genie
dienstwilliger Arbeit; im Unterlassen (Str. 9) und Vollbringen
(Str. 10) guter Werke drückt sich das Verhältnis des Menschen
zur klugen Fügsamkeit aus.
Von hier an ist gemäß der in den Anfangsstrophen gegebenen
Ankündigung die Gatha überwiegend eschatologischen Inhalts.
Daß Heilsein und Unsterblichkeit im Reich Gottes Speis und Trank
sowohl bieten als sind (Str. 11), ist eine geläufige Vorstellung und
entspricht ganz deren Wesen. Merkwürdig ist aber daneben die
Symbolsprache, daß auch die anderen geistigen Mächte, denen
der Mensch bei gutem Handeln folgt, Erquickungen im Reich
Gottes werden (Str. 10).
Die anderen Bilder, vom Pfad des guten Denkens, auf dem
die Geister derer, die die künftige Vollkommenheit der Welt be-
reiten helfen, ihrem Lohn entgegenschreiten (Str. 12. 13), sowie
die Kuh Azi als Symbol der Seligkeit (Str. 14), sind ähnlich aus
anderen Stellen bekannt.
Besonders bemerkenswert ist, daß Str. 14 klar ausspricht, daß
der Lohn der Seligkeit im Reich Gottes den Menschen in lebendiger
Leiblichkeit zuteil wird.
Frankfurt a. Main. H. Lommel.
V. Pisani, Zum schwachtonigen Vokalismus im Latein. 97
Zum schwachtonigen Vokalismus im Latein.
1. Der Übergang von al, el vor Kons. zu lat. ul in schwach-
tonigen Silben wird vermutlich auf folgende Stufen zu ver-
teilen sein:
a) al + Kons. `> el + Kons., el + Kons. bleibt, z. B.:
* cöncalco > *concelcd analog zu: *cönfactos > confectus usw.
* $nsalsos > *enselsos
*sépeltos (bleibt)
* nercelsos (bleibt) usw.
b) el + Kons. > ol Kons., z. B.:
* concelcõ > *concolco analog zu: *famelos > *famolos
*enselsos >> *ensolsos Sıneiös `> *Sicolos usw.
*seneltos sepoltos vgl. auch Zieeon > olivum,
* percelsos > percolsos usw. * quelö > cold usw.
c) ol + Kons. > ul + Kons., z. B.:
* concolco > conculco analog zu: *onostos > onustus
*ensolsos > insulsus *famolos > famulus
*gepoltos `> sepultus * Sicolos > Siculus usw.
* percolsos > * perculsus
Für all ell bleibt die Entwicklung bei a) stehen, weil LU eine
palatale Gruppe ist; so *féfallai > fefelli, *percellö > percellö usw.,
wie, immer mit palatalem J, *famelia zuerst geblieben ist, um dann
familia zu ergeben, ebenso Sixedia > Sicilia usw., trotz famulus
Siculus. |
2. Die Fälle onustus < *onostos, venustus << *venostos u. del"
sind aller Wahrscheinlichkeit nach als gleichzeitig mit conculcö <
*concolcö usw. zu betrachten, gehören demnach zu Stufe c); es
ist also zur Zeit der mit a) und b) bezeichneten Übergänge
schwachtoniges o vor mehrfachem Konsonant unverändert ge-
blieben oder, mit anderen Worten, als schwachtoniges a vor mehr-
fachem Konsonant zu e sank, traf dieser Vorgang nicht o in
gleicher Stellung.
3. Der Übergang von schwachtonigem e vor einfachem Kon-
sonant zu i ist erst geschehen, als * Sicelos *famelos schon Si-
colos *famolos ergeben hatten; sonst würden wir ja als Endergeb-
nisse Sicilos *familos erwarten. Er ist somit jünger als Stufe b).
Es standen also zur selben Zeit nebeneinander: *confectos con-
celcõ *aurofeces (gen.) *Sicelos * Sicelia *quelo ~ *onostos (S 2).
1) honestus, tempestäs usw. haben e aus dem alten Stamm der Kasus
obliqui auf -es-, vgl. genus generis griech. yévoc, yéveos.
28 | V. Pisani `
Das führt zur Annahme, daß o zunächst auch vor einfachem
Konsonant geblieben und nur später zu i bzw. i/u geworden ist
zur Zeit, als aus *onostos onustus entstand; d. h. Fälle wie *armo-
ger > armiger, ilico aus *en-stlocöod usw. wären unter Stufe c)
einzureihen‘). Damit würde der Wechsel u/i vor Labial besser
verständlich: aurufen crassupes neben aurifex crassipes u. dgl. sind
direkt aus *aurofex *crassopes, nicht aus *aurefex *crassepes her-
vorgegangen; danach schuf man zu reciperõ optimus usw. ein
recuperõ optumus, zu *occipö, welches sogar verschwand, ein oc-
cupõ usw. Auch Fälle wie tripudium (Sommer, Hdb.* 101) wären
dadurch leichter erklärbar. |
Dann hätten wir für die Deminutiva zu o-Stämmen wie por-
culus aus *porco-los usw. keine Mittelstufe) *porcelos usw. an-
zusetzen. famulus (dazu familia) ist kein Deminutiv, sondern ein
altes Thema auf -elo-, wie das Oskische mit seinem famel famelo
(umbr. famerias) gegen Deminutive wie ungulus anulus Fest.,
zicolom d/iiulus (Nom. oder Akk. pl.) am besten dartut’).
Keine Gegeninstanz bildet der Fall porcellus für *porco-lo-los
mit -ell-; haben wir -ello- bzw. -illo- als regelmäßige Entwick-
lungen von -r(o)lo- bzw. -n(o)lo- I o- zu betrachten (G. K. Stro-
dach, Latin Diminutives in -ello/a- and -illo/a-, Lg. Dissertations
XIV, March 1933, S. 25ff.), muß man immerhin mit reichlichen
Analogiewirkungen rechnen, dank der Ausbildung morphologischer
Reihen von Deminutivsuffixen; derselbe Strodach sagt a. a. O. 51
§ 32: “These considerations make it doubtful whether porcellus,
for example, is to be derived phonetically from *pork-el-elos with
-elelo- representing gemination of the deminutive formans seen
in porculus < *pork-elo-s [eher porco-lo-s!], or whether porcellus
was made on porculus because vitellus was the deminutive of vi-
tulus (doubtless felt to be a diminutive also). In any case, we
may posit the following phonetic development for catellus and
1) Gewöhnlich lehrt man, daß ungedeckte a und o zuerst in e zusammen-
gefallen, und dann zusammen mit altem e zu 7 geworden sind, 80 2. B. Götze,
IF. XLI 130ff.
) Geschweige denn Urform: wie die eben zu besprechenden oskischen
Formen zeigen, haben wir als Deminutivsuffix wohl -Jo-, nicht -elo- anzusetzen.
3) Damit ist mein Versuch famulus zu erklären (Rend. Acc. Lincei VI, IV, 356),
verfehlt, vgl. auch Walde-Hofmann 453. Mit dem bei Hofmann angeführten Ver-
such Brugmanns steht es nicht besser: übrigens kann schwerlich Jaıuds' oixie,
ondoos, pvrela aus *dhamjo- stammen, wenn -mj- im Griechischen g- ergeben
hat, wie nach falyw < *gwmjö gewöhnlich angenommen wird. Eher könnte man
an *dhas-imo- denken: ist ein Yeni zu ai. dhasi-h- f. „Stätte, Wohnsitze“
(RV.) anzunehmen? | Wl
Zum schwachtonigen Vokalismus im Latein. 29
vitellus: *katel-elos > catellus, and *wuitel-elo-s >> vitellus [eher
*katelo-lo-s vitelo-lo-s!|. The type porcellus (to porculus, porcus),
whether established phonetically or by analogy, was very product-
ive“, usw. EE heißt es osk. Váteliú, umbr. karei wie
famel usw.
4, Auch von einem ,phonologischen“ Getters aus
scheint es mit der hier vorgetragenen Lehre besser zu sein.
Setzen wir als ursprüngliches Schema:
e 0
a | 4 u; |
darin ist zunächst das alleinstehende a in schwachtonigen Silben
geschwunden, indem es zu e ward: e ist dagegen stehen geblieben,
und das setzt wohl das Unverändertsein von dessen Partner o
voraus. Somit wäre in schwachtonigen Silben nach Vollziehung
der Stufe a) das Schema zuerst so verändert worden:
e ` 0
a | d u. |
Vor einfachem Konsonant, nach erreichter Stufe b) (oben § 3),
wären dann gleichzeitig e und o nach i bzw. u hin gewichen:
für Einzelheiten s. oben 83. `
Freilich ist eine Unebenheit in der 9 von o und
e vor zweifachem Konsonant nicht zu verkennen, indem e hier
unangetastet bleibt, o dagegen zu u wird: honestus inceptus usw.,
dagegen onustus venustus. Hier scheint der Wandel von o zu A
in schwachtoniger Silbe vor einfachem Konsonant auch in die
anderen Fälle übergegriffen zu haben: wo aber eine analogische
Anknüpfung sich bot, ist o erhalten geblieben, momordi poposci
neben mordeõ poscõ usw.: solche Fälle brauchen nicht nur mit
der Analogie erklärt zu werden, da ja neben teneö tetini über-
liefert ist.
5. Habe ich recht in meiner r Annahme, unbetontes o vor
einfachem Konsonant habe direkt i (i/u) ergeben, dann wire eine
weitere Stütze für meine IF. LIV 209ff. vorgetragene Ansicht ge-
funden, wonach das ie von societäs abies erst aus ii entstanden
ist: also *socio-tät-s > *sociitäs, daraus societäs. Natürlich ist dann
auch *piotats zu *piitäs weiter pietas geworden, entgegen dem
a. a. O. 210 Gesagten.
Rom. So Vittore Pisani.
30 M. Johannessohn
Das biblische xai 1606 in der Erzählung samt seiner
hebräischen Vorlage.
(Schluß ').)
B. xai 600 im Neuen Testament.
Das die Erzählung weiter führende xai idod begegnet uns im
N.T. wieder bei Matthäus und in den lukanischen Schriften"),
während Markus und das Johannes-Evang. — dieselben Bücher,
die sich auch den xai 2y&vero-Verbindungen gegenüber ablehnend
verhalten (o. LIII 194) — diese Formel nicht verwenden’). Man
darf also auch hiernach annehmen, daß diese beiden Wendungen
in der Umgangssprache nicht mehr geläufig gewesen sind (siehe
auch unten S. 44).
Dieselbe Beobachtung, die wir bei den xai 2y&vero-Fügungen
angestellt haben, können wir auch bei xai ido’ machen, daß nämlich
die neutest. Schriftsteller zwar vom A. T. ausgehen, doch häufig das
tiverkommene Gut umbilden und dem griechischen Sprachgebrauch
anzupassen bemüht sind. Dabei gehen sie, wie wir sehen werden,
in mancher charakteristischen Beziehung je ihre eigenen Wege.
I. Matthäus.
a) Frequenz von xai idot und idov und über die
Beschaffenheit des Vordersatzes.
Matthäus verwendet die Partikel idod in der Erzählung recht
oft, und zwar nicht nur den aus dem A.T. bekannten zusammen-
gesetzten Ausdruck xa idod (23 mal), sondern auch — und damit
lernen wir zugleich eine Eigentumlichkeit seines Stils kennen —
einfaches idov (10 mal).
1. Das zusammengesetzte xai idov findet sich (wie im A. T.)
nach voraufgehendem, ein Verbum finitum enthaltendem voll-
ständigem Satz, wie 2, of d& dxovoartes tov Baothéws énogevdnoar,
xai id ob 6 dono... noojyer abtovs.
Wenn auch die Beschaffenheit des vorausgehenden Satzes und
somit der Begriffsinhalt des Verbums nur von geringer Bedeutung
ist, so zeigt sich die Verwandtschaft mit dem alttest. Sprachgeist
doch noch darin, daB es
1) Der Anfang o. LXVI 145—195. Inhaltsübersicht u. S. 82fl.
2) Über xal idos in der Apokalypse ist schon bei der Erörterung des
Wahrnehmungssatzes nach den Verben des Sehens gehandelt worden, o. LXIV
249—250.
3) Auch in der Rede kommt xa? iéod in Markus und im Johannesevang.
nicht vor; nur einige wenige Male gebrauchen hier beide einfaches idod. Die
Reden in Matthäus und in Lukas (Evang. und Apostelgeschichte) kennen sowohl
„al do als auch einfaches idov.
Das biblische xa? dos in der Erzählung samt seiner hebräischen Vorlage 31
a) oft Verba des Gehens oder sonstigerBewegung sind, die dem
xal idod vorangehen): 2, 1915 Errogevdn(oav), 9s 129 28: der,
Ba dærijdld or, 316 dveßn, 15a: dvexwonoev, 28s Edpauov. — 411 tótE
dpinow abıöv ô didBodog Ge) idod xrA.). — Uber dxoAovdeiv siehe
sogleich unter £.
Andere Verba’) als ‘gehen’ weist der Vordersatz auf Ban dnny-
yedav, 175 Zneoniaoev (unten S. 35), 2650 &xedinoav, für die es aus
dem A T. keine Parallelen gibt. Dagegen erinnert 2750 6 dé ‘Inaots...
dpixev tò nveðua, wenn auch nur schwach, an Judic Aar (Rg II 1461),
wo sich „und siehe“ an mit „sterben“ (hemit „sterben lassen“)
anschließt, o. LX VI 1871.
8) Zu der Gruppe der LXVI 166ff. besprochenen „durativen“
Verben möchte ich das 4 mal vor xai idod begegnende dxolovdeiv
rechnen, das freilich in dieser Weise im A. T. nicht verwendet
wird, z. B. 8, Axododdnoay Z br SyAor moddol, nai idod Aeneds xd.
Das „Nachfolgen“ nimmt geraume Zeit in Anspruch, erst dann
erscheint der Aussätzige. Ähnlich verhält es sich mit Ban 919 2025.
y) Dem soi idod geht Mt 9», eine direkte Rede vorauf (unten
S. 34f.). Parallelen aus dem A. T. sind Ge 15. Judic 21, Rg III 19.
(o. LXVI 190f.).
ô) Eine Situationsschilderung in der Weise, wie sie Ruth 2sr.
vorliegt (LX VI 166), findet sich nicht; höchstens könnte man so die
Verse Mt 17ı:. verstehen, die die Erscheinung des Mose und Elia
v. 3ff. vorbereiten.
2. Das einfache idod gebraucht Mt lediglich hinter einem
absoluten Genetiv. Nur Mt 910, wo der absolute Genetiv Be-
standteil einer xai &y&vero-Fügung ist, wird — entsprechend alttest.
Gepflogenheit — mit dem volleren soi idod fortgefahren: xai éyéveto
abrod dvaxsıusvov ev Cp oixig, nal iĝoù*) noAloi teA@vat . . ovvavé-
xewto To Inood.
Die Fälle mit einfachem idod zerfallen in zwei, scharf von-
einander gesonderte Gruppen, je nachdem das Partizipium
im Präsens (a) oder im Aorist (b) steht.
1) Daß ‘sehen’ im N.T. (abgesehen von der Apokalypse) nicht mehr vor xai
idod angetroffen wird, ist schon o. LXIV 234f. festgestellt worden; dort ist auch
Mt 317 zu erläutern versucht worden.
2) sc. Verba finita. Denn auch Bu und 2650 enthalten Bewegungsverba,
aber in anderer Form (dneiddvres, nmooveAddvees), und in 175 éxeoxlacev ist
„kommen“ zu ergänzen, vgl. eine plattdeutsche Übersetzung (1929. 1931) dor
kem ne helle Wulk un slöt er all in.
) Bloes id o N D.
32 M. Johannessohn
a) Die erste Abteilung (im ganzen 6 Stellen) erinnert an die
vor „und siehe“ befindlichen absoluten Genetive der LXX, die
auf hebr. Nominalsätze zurückgehen (o. LXVI 174).
Die dabei verwendeten Partizipia sind entweder Mee des
Redens (a) oder des Gehens (8) entnommen.
a). Die Vordersätze Mt 1246 ') 175 čte abroö Aahodvytos kennen
wir Packen aus Rg III 1. IV 6.3 hebr. „noch er redend“, vgl. 117ss
xal abtad Aadovytoc hebr. „und er redend“. Und für Mt 26.2 x
ër abtod Aaloövros, wo wir xal mit ër vereinigt finden“, bietet
Dan 92: eine Parallele: vg od ani m*dabbér „und noch ich redend“,
LXX mit veränderter Wortstellung xai Et, dadotyvtds uov enge
behält die hebr. Folge bei: xai ër éuod Aaloüvrog). Ä
Allein Mt 91 weist über das A. T. hinaus, insofern das pro-
nominale Objekt zaöra die Stelle von xat bzw. ër einnimmt: tadta
abrod Aadovvtos (siehe auch unten S. 33, Anm. 3).
6) Die beiden Sätze Mt 9. adray dé EEepxoutvwv (idod 7T000-
hveyxav GGro xwp6v) und 28.1 mogevopérwr dë attr") (dog tives
tis xovotwolas... dnınyyeılav) stimmen, abgesehen von dem dé,
ziemlich genau zu Rg I 91. aörö@v cionogevouévwv eis u£oov Tg
médews hebr. „sie kommend in [die] Mitte der Stadt“ und zu dem
Zwischensatz in IV 21: xai éyéveto atv mogevopérwy hebr. „und
es geschah, sie gehend usw.“. |
Unmöglich hingegen wäre in einem hebr. Nominalsatz Voran-
stellung des Partizipiums, wie sie Mt 28.1 aufweist: zogevopévwr
6 adtm@v. Doch bietet zu der veränderten Wortfolge beim Ge-
netivus absolutus die LXX zu Rg IV 3% eine Parallele: xai éyévero
tò owl dvaßawodong tis Ivotas xal iðoù xd. Die Anderung der
Wortstellung erklärt sich hier daraus, daß der absolute Genetiv
nicht auf einen Nominalsatz, sondern auf Präposition mit Infinitiv
zurückgeht ka‘lét hamminhä „gemäß [dem] Heraufsteigen des
Opfers“ (LXVI181f.)*. S. außerdem Jes 65s, und Rg III 11. in
einem Teil der Überlieferung (unten S. 62f. Exkurs D
1) Ein Teil der Überlieferung fügt £é hinter 271 hinzu.
2) Die Parallelstelle Lk 224, hat nur Zt (aðroð Aadodvtos).
8) Vergleichen läßt sich Xen. An. IV 55 zogevopevwr dé Xeigloopos dpınvei-
tac, wo nach dem des Pronomens entbehrenden absoluten reopevopévew die pane
einer Person mitgeteilt wird.
“) Auch sonst findet sich in LXX beim Genetivus absolutus Voranstellung
des Partizipiums, aber in anderem Zusammenhange und für eine andersartige
Vorlage, wie Ex 520 ovvývrņoav A5 Mwvon xal Aapwv... éxnogevopevur abtady
and Dagaw bese’tam „in Herausgehen ihrem“ (de „in“ + infinit. + suffigiertes
Pronomen).
Das biblische xa? i60ö in der Erzählung samt seiner hebräischen Vorlage 33
y) Während in LXX, abgesehen von einer einzigen Stelle
(Rg I 17::) in cod. A, wo nach einem absoluten Genetiv das Anschluß-
„und siehe“ durch einfaches idod ausgedrückt wird (LXVI 176), in
Anlehnung an das Hebr. stets mit dem zusammengesetzten xai
idod fortgefahren wird, z.B. Rg 191 adtay eionogevoutvwv eig
u£oov tis médews, xal idob Sauovni Sn er, behält Mt idod zwar
bei, kommt aber griechischem Sprachempfinden etwas niher, indem
er überall das störende „und“ fortläßt. So lautet z. B. zu Mt 91
tadta abroö Aukoövrog adrois der Anschlußsatz ib ob) deren [eis]
NO00EAYFWV MQOCEXUVEL.
In all diesen Fällen handelt es sich — genau wie im A.T. —
um Gleichzeitigkeit mit der Haupthandlung.
b) Ganz davon zu trennen sind die im Aorist stehenden
absoluten Genetive mit anschließendem idod. Sie werden — und
damit geht Matthäus erheblich über das A.T. hinaus — bei zeitlich
vorangegangenen, abgeschlossenen Handlungen verwendet’). Wie
mir scheint, spielt dabei die Beschaffenheit der Verbalbegriffe keine
besondere Rolle. Auch ist das Partizipium an keine bestimmte Stelle
gebunden (im Gegensatz zu der festen Anfangsstellung der Par-
tizipia Präsentis in Abschnitt a). Es kann also dem Subjekt folgen:
Mt 120 rgb) dt adtod Evdvundevrog (ldod dyyelos xveiov...
épdyn), 21 tod dé ‘Inood yeyyndévtoc, oder vorangehen: 2:3 dva-
ywonodrtwy dë gor, Ae tedevtjoavtos dë tod Hogdov‘) (idod
Gyyehos xvolov palvetati), übrigens an allen Stellen mit de.
Da sich diese vier Stellen sonderbarerweise sämtlich innerhalb
der ersten beiden Kapitel des Mt-Ev. finden °), so darf man vielleicht
1) Uber eine Parallele dazu im Litauischen siehe Exkurs VI, unten S. 79ff.
2) Auch die LXX kennt absolute Genetive im Aorist. Sie entsprechen entweder
vollständigen Sätzen, wie Ex 2 10 ddovvdévtos dd tod mailov elońyayev adrö
neds thy Fvyatéoa Dapaw wajjigdal hajjäläd wattebi’ chu „und wurde groß
das Kind, und sie brachte es usw.“ oder einem präpositionalen Infinitiv, wie 1916
yerndevros nods 6edeow bihjot habbökär „in [dem] Sein des Morgens“.
3) Auch hier leitet cadza (allerdings mit ds) den absoluten Genetiv ein, wie
Mt 918 raðra adroö Aadodrtog (S. 32). Herod. 1116 tad za Adyovrog tod natddc.
4) Ebenso Herod. I 26, natürlich ohne 2603-Anschluß: tehevtjoartos 62 “AAvat-
sew, €edéEato tw BaoıAninv Kooioos.
5) Umgekehrt kommen in c. 1 und 2 des Mt absolute Genetive im Präsens nicht
vor, weder mit noch ohne anschließendes ¿ĝoú. Dagegen lesen wir noch einmal
11s einen absoluten Genetiv im Aorist ohne folgendes (od ` unnorevdelons tis
uyroòg adtod Maglas të TO... ebe Ev vogrgi Eyovoa. Doch könnte
ebo&dn darauf hindeuten, daß auch hier ursprünglich ein „und siehe“ gestanden
hat, in Hinblick auf eine Stelle wie Jes 37s6 edeov ndvra tà owuara vexed „und
siehe, ihre Gesamtheit Leichname tote“ (LXVI 159). Vgl. dazu auch die unten
Zeitschrift für vergl. Sprachf. LXVII 1/2. 3
34 M. Johannessohn
annehmen, daß schon die von unserm Mt hierfür benutzte litera-
rische Quelle diese xai idod enthalten hat.
b) Uber die Verwendungsweise von xal idovd und iov.
1. Beide Wendungen werden gebraucht, wenn es sich um
Außergewöhnliches, Seltsames, für den Verlauf der Erzählung
Wichtiges handelt. Im A.T. ist für die Anwendung von „und
siehe“ das Außergewöhnliche nicht von so ausschlaggebender Be-
deutung, man vgl. höchstens Stellen wie Rg IV 111. (= Chr II 23:3)
Sach 5:1. (nach sehen), o. LXIV 184; auch Ge 253, 15s:. Rg III 1912,
oben LXVI 186. 190. 191.
An wunderbaren Ereignissen, auf die Mt mittels (xa) idov
aufmerksam macht, sind zu nennen: 3:6 das Sichöffnen des Himmels,
12 die Stimme aus dem Himmel, 17; die Stimme aus der Wolke,
130 218.19 411 das Erscheinen von Engeln, 17, das Erscheinen des
Mose und Elias, 2: der wunderbare Stern, 2751 die Ereignisse nach
Jesu Tod (beginnend mit xai idod tò xatanétacua Tod vaod sr
on), auch 82. 282 das Seebeben und das Erdbeben, die den Aus-
gangspunkt für die sich anschließenden Erzählungen bilden.
2. Wie gern im A.T., so werden auch von Matthäus durch
(xal) idod Personen eingeführt. Doch beschränkt sich diese Ver-
wendungsart bei ihm, was zum Teil auch mit seinem Stoff zu-
sammenhängen wird, auf Menschen, mit denen Jesus in Berührung
kommt: 2: die Magier, 12. die Mutter und die Brüder, 26. Judas.
Oft sind solche Menschen krank oder mit irgendeinem Ge-
brechen behaftet: 8 der Aussätzige, 9a der Gelähmte, so das blut-
flüssige Weib, ss der stumme und zugleich besessene Mensch,
1210 der Mann mit der verdorrten Hand, 2030 die beiden Blinden.
Statt des kranken Menschen ist dessen Vater oder Mutter
Subjekt hinter (xai) iðoú: 9ıs der Oberste (dexw»), dessen Tochter
gestorben ist, 1528 das kanaanäische Weib, deren Tochter vom
Dämon geplagt wird.
Jesus selbst wird nur als Auferstandener so eingeführt: 28,
x. id. ’Inooös Gréngen (v. I. ånývt.) abrais Akywv' xalgere.
3. An ein paar Stellen kommt es nicht so sehr auf die Per-
sonen an, die hinter soi idod Subjekt sind, als vielmehr auf die
bedeutsamen Worte, die sie aussprechen: Mt 8. xai idod &Exga&a»
Aéyovtes')’ ti Gin xai coi, vit tod Yeoö, 9s xal idod tives r
S. 78 angeführte Stelle aus der Peschita, Act 110, wo xa? dq o durch das Passiv
(Ethpeel) von ’@3kah „finden“ umschrieben wird.
1) Die Sprecher selbst werden einen Vers vorher mittels des Verbums ézavray
eingeführt: ... ixjvtnoay att@ dv datpovtépevor. Uber dieses Kapitel 8
siehe auch unter Abschnitt 6.
Das biblische soi 260d in der Erzählung samt seiner hebräischen Vorlage 35
yoauuarewv einav Ev éavtois: oëroc BAaopnuei. Hierher gehört
auch die am Schluß von Abschnitt 2 genannte Stelle 28,. Zu ver-
gleichen ist aus dem A. T. Ge 15. die Einführung der Antwort, die
Gott dem Abraham zuteil werden läßt (o. LX VI 190).
In Mt 19ıs xai idod eig... ehren dıddoxale, ti dyadov nooo,
iva ox Con aimvıov bildet die direkte Rede gleichzeitig den
Ausgangspunkt für ein Zwiegespräch.
4. Einmal, 265:, dient soi idod zur Einfügung einer kleineren
Episode: xa idod sig tõv wera “Inood ... dnéonacey thv udxaıgav
cb rod.
5. Mt 910 leitet xai idod den Anschlußsatz zu einer soi éyéveto-
Fügung ein, siehe S. 31, o. LIII 196. Über Parallelen aus dem
A. T. siehe o. LXVI183f. und o. LIII 187f.
6. In einigen Kapiteln häufen sich die xal idov, so in c. 8,
wo die Formel 5 mal begegnet, darunter 3 mal innerhalb der Er-
zählung von den Besessenen in Gadara (8 se, 32. ). Im 9. Kapitel
findet sich xai idod 4 mal (dazu 2 mal einfaches idod). In 17s
folgt unmittelbar auf einen durch einfaches idod eingeleiteten Satz
das zusammengesetzte: idod vepéln gott éneoxiacev abTods,
xal ibod povi èx tig vepéAns Aéyovoa. Wieweit diese Häufungen
dem Verfasser des Mt.-Ev. selbst zuzuschreiben sind oder aus seiner
Quelle stammen, ist natürlich schwer auszumachen.
c) Über die Gestaltung des (xa) i6od-Satzes.
1. Vom Subjekt.
1. Hinsichtlich der Beschaffenheit des hinter xai idod bzw. loo
stehenden Subjekts treffen wir bei Matthäus — im Gegensatz zu
Lukas und der Apostelgeschichte — dieselben Gruppen mit der-
selben Mannigfaltigkeit an, die wir im A.T. unterscheiden konnten
(o. LXVI151f., ferner schon o. LXIV 190f.).
a) Eigennamen: Mt 17; Mose und Elias, 264: Judas, 28, Jesus.
Sonstige Personen 12:0 &vPewm06, Iao 152 yur"), 411 &yyedor’),
-0S 120 213. 19 mit dem Zusatz xvoiov, 2ı uayoı, 918 doxwv, 1246 N
untno xai ol deo abt 2030 doo) tupdoi, 910 moAloi red
xai ġuagtwåol. — 8s. näoa D zéie) im Sinne von Einwohnern.
1) yuvy ssd hinter xal idod auch Ruth 3s.
2) cyyedog hinter xal idod auch Rg IV Gas Dan 410 (13).
3) Auch Ge 183 Ex 213 Sach 59 ist das auf xa? Zdod folgende Substantiv
mit einem Zahlwort ausgestattet: „drei Männer“ bzw. „zwei hebräische Männer"
bzw. „zwei Frauen‘.
4) Mit dem echt griech. Ausdruck zoa 4 zéie ist zu vergleichen der gleich-
bedeutende, aber ungriech. klingende Judic 20« (x. id. dveßn) 7 ovvréĥcia tùs
ade g kelil hdr „[das] Ganze der Stadt“.
3%
36 M. Johannessohn
Unter diesen Substantiven vermissen wir aber dhe (nur 1 mal
&vIownos belegt), dessen sich, wie wir unten S. 48 sehen werden,
die lukanischen Schriften in ziemlich weitem Umfange bedienen.
b) Tiere: 8s: ndoa N déin
c) unbelebte Gegenstände: 3:6 of oögavol, 175 veel
Ywrewn, Ze Ô done, 317 175 pwr, 82. 282 oeıouös péyas, 2751 td
AATANETAOUA TOU VAOÙ.
2. In der Regel besteht wie im A.T. das nominale Subjekt
aus einem Substantivum.
Ausnahmen sind eis (a) und tıvés (8), je 2 mal.
a) Mt 191 xal idod eis n000EAIWv aŭt x., mit partitivem
Genetiv 263: eis con Geré ’Inooö (uer adtod B).
Das Zahlwort eig ist hier eine abgekürzte Ausdrucksweise für
„Mann einer“, wie wir aus Dan 10, schließen dürfen: wehinne
iS ’ähäd „und siehe Mann einer“, wo die Kardinalzahl den Platz
des dem Hebr. fremden unbestimmten Artikels einnimmt. Auch
LXX und Theod. bewahren „einer“: xai idod dvdownos (Theod.
dvre) eis sti." Darnach scheint Mt 9ıs, wo freilich die Über-
lieferung nicht eindeutig ist, gestaltet zu sein: idod dozou eig xd.
(s. auch die alttest. Beispiele in Anm. 2).
Zur Verbindung von eis mit folgendem Genetiv vgl. z. B.
Ge 3720 b°’ahad habböröt , in eine der Gruben“ = eig Eva thy Aduxwy.
Ein solches „einer“ scheint zum aramäischen Sprachgebrauch zu
stimmen, wie aus der Peschita erhellt, die eis an den drei Mt-Stellen
als Rad „einer“ beibehält”).
ß) Mt 9. xai idod tives tõv ygauuarewv, 2811 tivès ts xov-
otwdias. Auch Mal 6a; findet sich zıw&s (ohne voraufgehendes
x idod*)) mit partitivem Genetiv tivicg coin dosBadv (GE IooanA),
dagegen mit 25 Ma III 2.0 avis & aörov wie Ex 162: = hebr. min
„Von“: Si οõVÜͥ tives x tod Auoö, wo bezeichnenderweise zë
h Dazu Exkurs II unten S. 66f.
2) Auch noch neuaram. wird alleinstehendes „einer“ in der Weise des älteren
,Mann (einer)* gebraucht, z. B. ahref ahhad amellun ,antwortete einer, sagte
zu ihnen“ (Dialekt von Ma‘lüla, Bergsträßer, Einführung in die semit. Sprachen
885). — Hinweisen möchte ich auch auf die syrische Formel bhad men jaumin
„an einem von den Tagen“ (z. B. Leben des hl. Ephraem, Brockelmann, Chrestom.“
247 296 u). Vgl. Lukas 517 xal éyéveto Ev wig av huepüv. Dagegen ist mir
im Arabischen diese Wendung ohne das Zahlwort, dafür mit Wiederholung des
Wortes „Tag“ (Sing. und Plural) begegnet: fi jaumin min al-ajiami „an [einem]
Tage von den Tagen“ (Geschichte von Sindbad aus 1001 Nacht — Grünert, Arab.
Lesest. II 474).
) Rg III 195 findet sich der Singular de hinter xa? idoö, doch ist nicht
deutlich, welchem hebr. Wort er entspricht, o. LXVI 168.
Das biblische xæ? Too in der Erzählung samt seiner hebräischen Vorlage 37
Zusatz des Übersetzers ist. Der Singular tic findet sich schon bei
Homer und den Tragikern mit folgendem Genetiv’). Wie weit
der Plural zıw&g so gebraucht wird, entzieht sich meiner Kenntnis’).
Für unsere beiden Mt-Stellen ist immerhin die Übersetzung der
Peschita lehrreich, die beidemal zıw&g durch (a)nasa „Männer“
ausdrückt.
Wenn ich recht sehe, gehen also im Grunde sowohl eis wie
tıv&g auf semitisches "28 „Mann“ zurück.
Daß übrigens dem Matthäus die Ausdrucksweise mit „Mann“
nicht ganz unbekannt ist, ersieht man aus 1210 xai idot čvðgwnos*)
ve (v. I. v x.) ären Enodv.
3. Nur gelegentlich ist das Subjekt in der Verbalform ent-
halten: Mt 82 xai ioù Exoa&av, 92 xal idod noocépegor, se idod
rrooonveyxav. Im A. T. habe ich einen solchen Fall nach „gehen“
gar nicht (o. LXVI 151), nach „sehen“ nur ganz vereinzelt an-
getroffen (o. LXIV 190).
2. Vom Prädikat.
Nur zwei Haupttypen sind zu unterscheiden. Entweder fehlt
das Prädikat (1), oder es wird durch ein Verbum finitum gebildet (2).
1. Hinsichtlich des Prädikats im (xai) idod-Satz bei Matthäus
müssen wir vor allem feststellen, daß es, ganz im Gegensatz zum
A.T., niemals aus einem Partizipium gebildet wird, daß also
die im A.T. beliebteste Gestalt des „und siehe“-Satzes (nominales
Subjekt + Partizipium) bei ihm nicht vorkommt‘).
Davon machen auch folgende Stellen keine Ausnahme: 1210 *
iĝoù &vIownos yeioa (v. I. m x.) ëron Enodv und 317 175 xai idod
pov) Eu tov ovoeavar (bzw. èx tig vepéAns) Aéyovoa. Denn hier
haben wir es mit einer uns aus dem A.T. geläufigen Redeweise
zu tun, nach der ein eines Prädikats entbehrendes, aber mit einem
Attribut ausgestattetes Substantivum durch xai idod eingeleitet
werden kann (o. LXIV 188f.). Die Partizipia &xw» und Aéyovoa
1) Hom. 0290 vis... Jeb, Aesch. Eum. 70 Pedy rig odf’ dvPeuwzos oddE
9% (aus Pape, Lex.). deo. . . cg auch Epiktet. IV 91s. Für Epiktet siehe
auch die nächste Anm.
2) Aus späterer Zeit bietet Epiktet, der den Singular de ziemlich häufig
mit einem partitiven Genetiv verbindet, für den Plural nur den zweimal (I 2910
II 234) vorkommenden Ausdruck eg tovtov.
3) Die Gleichwertigkeit von dvdowzog und dye ersehen wir aus dem Ver-
hältnis zwischen LXX (dv$ewros) und Theod. (deze) in der S. 36 angeführten
Stelle Dan 10s.
) Auch von den LXX-Ubersetzern ist das hebr. Partizipium schon vielfach in
ein finites Verbum umgewandelt worden. — Siehe auch unten S. 39, Abschnitt 2 a y.
38 M. Johannessohn
sind demnach als Attribute aufzufassen. Mit den beiden letzten
Mt-Stellen lassen sich ferner alttest. Sätze vergleichen wie Rg III 1%
xal ldov ñua xvolov neds adrov xal elmer, ıs xal id ob nods abröv
povi xai elnev (o. LX VI 168. 170), auch Ge 15. xai eddic (= w°hinne
„und siehe“) pwvù xvglov éyéveto 2005 b rü Aéywr, wo éyéveto erst
vom Übersetzer stammt und Aéywv hebr. le „zu“ mit dem Infinitiv
von amar „sagen“ entspricht (Einleitungsformel der direktenRede)’).
2. a) Abgesehen von den soeben (S. 37) genannten drei Stellen
Mt 1210 377 175 enthält der auf (xai) idod folgende Satz stets ein
Verbum finitum. Doch läßt sich zuweilen noch die dahinter
steckende, ein Verbum finitum nicht aufweisende hebr. (aram.)
Satzform mehr oder minder deutlich erkennen:
a) Ein solcher Fall liegt vielleicht Mt 28. vor: xai ioù oeõοh,]9
éyéveto wéyas. Alttestamentlichem Sprachgebrauch zufolge ist hier
ein Verbum überflüssig, da der soi idod-Satz aus einem Nomen
mit adjektivischem Attribut besteht.
ß) Auch Mt 8s. treffen wir in einem Satz ähnlichen Inhalts
éyéveto an: xal ido osiouòs uéyas éyéveto”) èv ti Faddoon. Da das
Prädikat ein Präpositionalausdruck ist, wäre nach semitischer
Weise auch hier ein der Vermittelung zwischen Subjekt und Prä-
dikat dienendes Verbum finitum nicht erforderlich’). Aber schon
die LXX-Übersetzer fügen manchmal Hilfsverben hinzu (o. LXIV
201f. u. ö., &y&vero soeben S. 38, Abs. 1 und o. LXVI 157. 191).
Ein Vermittelungsverbum zwischen Subjekt und präposi-
tionalem Ausdruck haben wir ferner Mt 83. xai idod ndoa 4 nölıg
EEniYev eig öndvtyo (v. l. oder.) t@ ’Inooö. Dazu stimmt nämlich
ziemlich genau der verblose hebr. Satz Rg III 18. w*hinne 'elijjahu
likrä’to „und siehe Elias entgegen ihm“, in den erst der Übersetzer
ein de einschaltet: xal (= „und siehe“) Gen H. eis ovvar-
tow abrod‘).
1) Zum Ausdruck vgl. noch Act 1015 xa? pov) add Eu devtégov neds würde
und is xal éyéveto pwav neds aördv (Blaß-Debrunner, Gramm. des neutest. Griech.
§ 128, Anm. 7).
3) Mk 43, hat ebenfalls yiveraı (AatAap ueydain dvéuov), während Lk 8ss
das farblose yiveodaı durch das anschaulichere xazafjvae ersetzt: xal xarépq
ada àvéuov eis thy Aluvny,
3) Der Fortgang der Mt-Stelle (Sore tò nAotov nahiarecdar bad tev xvud-
sp) führt uns allerdings den Abstand von alttest. Sprachempfinden und Stil vor
Augen. Auch die Parallele bei Mk (437) enthält einen Gore-Satz, während Lk 8es
mit xal fortfährt: xal avveningoövro xal éxivddvevor.
) Daß aber bei dieser Wendung schon im Hebr. selbst ein Verbum zwischen
Subjekt und Prädikat vermitteln kann, beweist Rg I 914 wehinne Zem el jöse’
Das biblische xa? ‘dod in der Erzählung samt seiner hebräischen Vorlage 39
Derselbe Präpositionalausdruck liegt wohl auch Mt 28, *
ioù ’Inooös Oönnhvrnoev (v. I. dndvr.) aöreis zugrunde, wie wir
der Übersetzung von Prov 7:0 entnehmen können, die gleichfalls ein
Verbum des Begegnens zu Hilfe nimmt (o. LXVI 154f. 158): w*hinne
iss@ likrä'to „und siehe eine Frau entgegen ihm“ 7 dé yuv) ovvavıd
abr. Lehrreich für unsere Mt-Stellen sind auch die beiden o. LX VI
S. 193 angeführten xal idoö-Sätze aus dem ersten Makkabäerbuche,
von denen der eine (16,) sich des Präpositionalausdrucks eig ovvdv-
ınoıw adbrois (ohne Verbum) bedient, während im andern (lee)
dafür ein Verbum des Begegnens eingesetzt ist dnnvra be.
y) Eine Spur von der im A.T. so beliebten Form des xai
idov-Satzes „Subjekt + prädikatives Partizipium“’) scheint
Mt 20:0 hinterlassen zu haben, wo gleichsam vor unsern Augen
aus einer offenbar semitisch gedachten Konstruktion eine mehr
griechische entsteht: soi iðoù dvo tupdol xadjueros*) naga thy 666”,
dxotvoartes, ër ’Inooög nagdyeı, Znga&av. Denn der Anfang x. io.
úo tupdoi nadnuevor naga thv 66dv (Subjekt + prädikatives Par-
tizipium) würde im Hebr. bereits einen vollständigen Satz ergeben,
entsprechend alttest. Sätzen wie Ezech 814 w*hinne sam hannasim
jösebot m°bakköt ’ät hattammüz „und siehe dort die Frauen sitzend,
beweinend den Tammuz“ (LXX xai idod éxei yuvalxes zadınuevaı
Yonvovoaı’) toy Bauuovs), Rg I &ıs w*hinné eli joseb al hakkisse
„und siehe Eli [sitzend auf dem Thron“ (x. id. Hir éni tod òi-
goov B, éxddnto zwischen His und end A). Ä
Unsere Auffassung dieser Mt-Stelle wird auch durch das Ver:
halten der Peschta bestätigt, die den Anfang xai idod — xadn-
evot maga r. 6ddv als einen selbständigen Satz auffaßt: yhä smaji
trén jatbin (h)wau ‘al iad ’urhä „und siehe, Blinde zwei sitzend
waren (sie) auf Hand des Weges (d. h. neben dem Wege)“. Dann
wird ein neues Satzgefüge gebildet, indem dxodvcartes durch einen
Nebensatz umschrieben wird: ukad sma‘(u) d-jesu‘ “abar, iab(u) kala
„und als sie gehört hatten, daß Jesus vorübergehend, gaben sie
Stimme“).
likra’tam „und siehe Samuel herausgehend (mit anderer Vokalisation: „ging
_ heraus“) entgegen ihnen“ (x. iô. Z. side eis dndvınow aðtõv).
1) Siehe darüber schon Abschnitt 1, oben S. 37.
) Vgl. Homer 4 1 H 443 of 62 deo nào Zur nadımevoı Ayogdwvro bzw.
Snedvto wéya Zoyov. °) Ähnlich Hom. 49 elooodwoaı gleich hinter xaPijmevac.
*) Auch das sogen. Evangeliarium Hierosolymitanum (ed. Lagarde in Biblio-
theca syriaca), wie auch die Armenische Bibelübersetzung, allerdings auch Luther
und Wellhausen in seinem Mt-Kommentar gliedern so. Wie Luther, also wohl
von ihm beeinflußt, verfährt die mir vorliegende finnische Übersetzung (1928),
40 M. Johannessohn
b) Die zuletzt in Abschnitt a angeftihrte Mt-Stelle lenkt
unsere Aufmerksamkeit auf eine weitere Stileigenttimlichkeit,
die darin besteht, daß zwischen Subjekt und verbales Prädikat des xai
idod-Satzes ein sogenanntes Participium coniunctum im Aorist
eingeschoben wird. In LXX begegnet ein solches Partizipium
hinter x. idod nur ganz vereinzelt: Nu 256 xa idot dvdoewnos...
dAn nooohyayev tov d6eApöv adrov, hebr. zwei durch „und“ ver-
bundene Verbalformen w*hinne ‘is... ba’ wajjakreb „und siehe, ein
Mann... kommend (kam) und er ließ herankommen“.
Dieses von Matthäus hinzugefügte Partizipium ist meist (6 mal)
ein Verbum des Gehens: 910 xal ioù mohol reiwvaı ... EAPSVTES
ovvavéxeryto t@ Inood. Das Partizipium é496rteg in dieser Stellung
auch 2811. — 82 9:8 xai idod Aenods (bzw. idod dozou) ee A-
Sov noocextver ahi ); 920 x. id. yuri)... N000EAYoÜca Önıcder
wato tod xgaonédov, womit die „und siehe“-Sätze Rg III 19, und
Dan 101 (o. LXVI 168f.) zu vergleichen sind, die dasselbe finite
Verbum #wato haben, sich aber von der Mt-Stelle durch das
fehlende Partizipium unterscheiden.
Mt 152 xal idod yur Xavavala...25eAYodüca eéxoater (v. I.
exo er, éxoavyaceyv), was uns etwas an Rg IV 8; erinnert x. id.
yuri)... Bodoa neds tov Baodéa, wo Bowoa hebr. so’äkät
„schreiend“ ein Verbum finitum vertritt.
Andere Partizipia verwendet Mt so nur zweimal: 265: x. id.
eis... éxtelvas t yetoa anéonacey thy pdyaroay abrod und in
dem S. 39 besprochenen, eigenartig gestalteten Satze 20, (dxov-
OQVTES).
Welche Gründe das Participium coniunctum’) veranlaßt haben,
ist schwer zu sagen. Es sieht ja so aus, als ob Matthäus damit
habe gräzisieren wollen. Zweierlei möchte ich aber der Erwägung
anheimstellen. Erstens schließen viele alttest. „und siehe“-Sätze
mit der (doppeldeutigen) Form bg „kommend“ (kam) als Prädikat
(o. LX VI 154. 167f. 169. 173. 177. 181)*), so daß also wenigstens die
6 Sätze, in denen wir sA9ο (Ns, SS-) antreffen, eigentlich
schon mit dem Partizipium zu Ende wären und sich dann in
ähnlicher Weise wie 2030, dessen ursprüngliche Gestalt nur bis
xadnuevoı naga thv ôôóv reicht (S. 39), weitergebildet hätten.
Sodann könnte vielleicht mit dieser Gepflogenheit des Mt-Ev.s
während die russische (1862) und die litauische (1898) der griech. Gliederung
folgen.
1) Es kommt natürlich auch außerhalb der al idod-Belege vor.
2) Dahin gehört wohl auch Mt 26 ido0d Tobòag eis tév dddexa IA dev.
Das biblische soi dos in der Erzählung samt seiner hebräischen Vorlage 41
in irgendeinem Zusammenhange der semitische Sprachgebrauch
stehen, zwei Verba, allerdings Verba finita, von denen das erste
gern ein Verbum der Bewegung ist, gelegentlich asyndetisch
nebeneinander zu stellen. Brockelmann, Grundriß der vergl.
Gramm. der semit. Sprachen II 473ff. gibt für diese Erscheinung
Belege aus dem (jüngeren) Arab., Assyr., Hebr. und — was für
die Welt des N.T.s besonders wichtig ist — aus dem Aram. und
Syr.’). So übersetzt auch die Peschita z. B. Mt8s n000849@» zooo-
exdver durch “eta sged „(er) kam, (er) verneigte sich“, ähnlich
910. 18. — Diese unmittelbare Aufeinanderfolge von Partizipium und
Verbum finitum hat der griech. Mt unter diesen 6 Stellen mit
Atov (und Komposita) 4 mal (82 910. ıs 1522).
c) Das Tempus des prädikativen Verbum finitum im (xai)
idod-Satz ist überwiegend der Aorist, 15mal hinter xai idov,
6 mal hinter iov °), z. B. Mt 316 Bantiodeic... eddis åvéßnņ ..., xal
iĝoù hve@ydnoay ol odeavol, Is: atta dé eeoxoneveor, idov 77000-
Hveynav abt@ xwpòrv*) daimomlduevor.
Dazu kommen 21; undis, wo wir (nach voraufgehendem ab-
solutem Genetiv im Aorist) dem praesens historicum begegnen: Got
Gyyehos xvolov palveraı‘), gleichwertig mit dem Aorist 120 idod
Gyyehos xvgiov ... épdvn (o. S. 33).
Aus dem gewählten Tempus dürfen wir schließen, daß für
den Verfasser des Mt-Evangeliums der (xl) idod-Satz in den meisten
Fällen einen Fortschritt der Handlung bedeutet’).
Dem stehen nur 6 Stellen mit dem Imperfektum) (oder
Plusquamperfektum eiornxeıoev) gegenüber. In 20 ol dé... émoged-
Inoav, xal ioù ô done, ðv eldov v ti dvatody, nooNyEv abtovs
nähert sich der xai idov-Satz einem Zustandssatz „während der
Stern voranging“. Da ist das Imperfektum, sowohl vom griech.,
als auch vom semitischen Standpunkt aus (als Ersatz eines ur-
sprünglichen Partizipiums, o. LXVI 162f.), berechtigt.
1) Auch das Koptische liebt das Asyndeton, z. B. Mt 2643 afi afhe „er ging,
er fand“ 2Adöv... edgev. Über asyndetisch aneinandergereihte Sätze im Ägypti-
schen Erman, Ägypt. Gramm.‘ § 478 b.
2) Auch im A. T. steht, wenn der xa? édod-Satz den Anschluß eines einen
hebr. Nominalsatz vertretenden absoluten Genetivs bildet, das Tempus fast aus-
schließlich im Aorist (S. 167f.).
3) So BN; fast die ganze übrige Überlieferung fügt dvdownov vor xwpóv
hinzu. 4) 213 cod. B u. a. Epavn.
5) Vgl. damit die häufige Ersetzung von (xa) q os durch (xa?) céze in einer
Ubersetzung des N.T.s ins Neugriech.
e) Alttest. Satzgebilde, die gleichfalls im Vordersatz den Aorist, im „und
siehe“-Satz das Imperfektum enthalten, oben LXVI 162f.
42 M. Johannessohn
Auch in 910 xai éyéveto abroö dvaxeipévov Ev tů oixig, sot
idod moddoi teAdvar... &hddvteg ovvavéxeryvto t@ *Inood und 126
Erı abtod Aadodytos..., ioù untno xai ol döeApoi adtod elorn-
xecoay &&w handelt es sich bei den Imperfekten (Plusquamperfekten)
um die Dauer des Zustandes.
Vielleicht läßt das Imperfektum noo0exUveı 82 und 916 dieselbe
Erklärung zu: x. id. Aenods ng00eAd@v noocexiver adt bzw. taita
abtod Aahotytos abrois, loo doxwv cls N000EAHWV MEOGEXUVEL AUTH.
Das noooxvveiv beansprucht eben längere Zeit.
Scheinbar willkürlich ist der Wechsel zwischen ng00&peoo®
und nooonveyxav 9a und ss, zwei Stellen, die, abgesehen vom Ein-
gangssatz, gleiche Form und ziemlich gleichen Inhalt haben:
911. xal dev eig thv idiay di | 9ss adbtay dé &eoyouévwr
xc lò od neocépeooy abt@ idot no00NVEYyaav agb
nagaivrnov mì xdlvns Be- xwWpov Öaıuovılduevov.
Binuevov.
Aber beide Tempora sind je für ihren Platz richtig gewählt.
Denn 9ı: ist mit Ader ein Abschluß erreicht, nun wird weiter
mit Hilfe des Imperfektums erzählt, was sich während des Aufent-
haltes Jesu in der Stadt zuträgt.
9s, verhält sich dazu gerade umgekehrt: Jesus befindet sich am
Anfange einer Wanderung, die durch das Auftreten eines stummen
und besessenen Menschen unterbrochen wird. Auch im A.T. wird
hinter einem auf einem absoluten Genetiv folgenden xai idovd fast
stets mit dem Aorist fortgefahren (o. LX VI 176).
Dazu kommt noch eine etwaige siebente Stelle, Mt 1522. Doch
schwankt die Überlieferung zwischen Imperfektum und Aorist, so
daß sich kein sicherer Schluß ziehen läßt: xai idod yuv...
&noabev (BD, -Eev N“, éxoadyaley M, -aoev Q u.a.). Das Im-
perfektum würde die Dauer hervorheben: die Frau „schreit auf
der Straße längere Zeit hinter ihm her“ (Wellhausen, Das Evan-
gelium Matthaei 79). Auch spricht dafür die oben S. 40 erwähnte
Stelle Rg IV 85. An zwei andern Stellen, Mt 8. und 20s0, wo es
sich mehr um ein einmaliges Aufschreien handelt, lesen wir den
Aorist desselben Verbums: xai idot (úo tupdol ...) Exgadav -
YOVTEG. |
d) Von der Wortstellung. |
Noch ziemlich deutlich läßt die Wortstellung innerhalb des
xc (idov)-Satzes die semitische Grundlage erkennen. Wenn das
Subjekt im Verbum enthalten ist, folgt dieses unmittelbar auf (xai)
idod: Mt 820 xal idod čxoatav Aéyortes, ferner 9a und s (S. 37).
Das biblische xæ? 260ö in der Erzählung samt seiner hebräischen Vorlage 43
Wie im A.T. geht auch im Mt-Ev. bei ausdrücklich bezeich-
netem Subjekt das Verbum nur selten (3mal) vorauf, offenbar
dann, wenn der Ton auf dem Verbalbegriff liegen soll. So kommt
es Mt 17. xai idod giän abrois Mwvons xai Hag ovddahoirtes
pet oeëroü nicht so sehr auf Mose und Elia an sich an, als viel-
mehr darauf, daß sie, die berühmten Männer der Vorzeit, von
Jesus und seinen Jüngern gesehen werden. Entsprechend ist das
Verhältnis zwischen Verbum und Subjekt an den beiden andern
Stellen: 316 x. id. NvepxInoav of oögavoi und 83 x. id. Gounoev
coc Å déin xata Tod xonuvod eig thy IdAacoay.
An allen übrigen Stellen, auch da, wo der xai idod-Satz aus
nominalem Subjekt und attributivem Partizipium gebildet wird
(S. 37), schließt sich (wie im A.T.) das Subjekt unmittelbar an
(xai) idod an, wie z. B. 411 xai lòoͤod dyyeloı οõοl o.
Einschübe, wie wir sie, wenn auch ganz selten, im A.T. vor-
finden (o. LXVI 146 Anm. 3. 167), gibt es bei Mt nicht.
e) Von der inneren Beziehung des Vordersatzes zum
(xai) idod-Satz.
1. Im A. T. gilt die Regel, daß das durch soi idod hervor-
gehobene Nomen irgendwie mit dem Subjekt des voraufgehenden
Satzes zu tun hat, d. h. daß das Subjekt das im xai idod-Satz
Mitgeteilte wahrnimmt. Diese Bedingung für die Anwendung von
xc idov, an die sich Matthäus zwar in den meisten Fällen hält,
wird jedoch zuweilen von ihm gemildert. So haben wir in 41:
tote dpinoıw aöbrov 6 didBohos. x iðoù dyyehot ngocnAdov xai
Oinxdvovy at und 811. xaraßdvros dé aitot . hxodovdnoay
Gäre GM noAlol. nai idod Lenoòg noocEATwr noocExivEer Gäre
zwei Fälle, in denen das Nomen hinter idod nicht für das Sub-
jekt, sondern für das Objekt des Vordersatzes (abt bzw. abr)
von Bedeutung ist.
2. Wie im A. T., ist auch bei Mt das Subjekt hinter idod meist
verschieden von dem davor. Bleibt es dasselbe, so braucht es
hinter idod nicht noch einmal genannt zu werden. Daher stimmt
Mt 828. önnvınoav ait@ dvo Ödaıuovıbdusvor ..., xal loo čxoačav
mit der Praxis des A.T.s’) überein.
Auch 9ır xa „Ader eis thy idiay zéi, nai iò ob) meocépe-
gov ait nagadvuxdy macht vom alttest. Standpunkte aus keine
1) Schon das am Anfang befindliche drnn7vrn0a» scheint auf ein ursprüng-
liches „und siehe“ zurückzugehen (vgl. o. S.39). Sollte trotzdem xa? ddod
stehen geblieben und an die falsche Stelle geraten sein?
2) Beispiele, allerdings hinter „sehen“ o. LXIV 182.
44 M. Johannessohn
Schwierigkeit. Hier bleibt zwar das neue Subjekt unbezeichnet,
ist aber dem vorausgehenden nöd4ı» zu entnehmen.
Wenn aber durch idod ein neues Subjekt angeführt wird,
das die voraufgehenden Worte in keiner Weise andeuten, muß
es im A. T. ausdrücklich genannt werden. Demnach ist Mt 9.
aitay dë EEeoxoukvwv, ido nooonveyxay abt xwgdy gegenüber
dem alttest. Sprachgebrauch eine Neuerung, da hinter dem Gene-
tivus absolutus, der ja hier, wie auch im A.T., einem selbstandigen
Satze gleichkommt, der Wechsel des Subjektes nicht durch ein
besonderes Nomen kenntlich gemacht ist.
Wie aus unseren Untersuchungen über „und siehe“ innerhalb
des A.T.s hervorgeht und wie auch indirekt das Verhalten der
Peschita zeigt (Exkurs V, S. 76ff.), war ,und siehe“, soweit es
die Erzählung betrifft, zur Zeit des N.T.s bereits ausgestorben ').
Demnach beruht das Wiederaufleben des „und siehe“ bei Mt ın
der Hauptsache nur auf einer Nachahmung des LXX-Stils. Es
scheint mir aber, als ob daneben noch andere Einflüsse ange-
nommen werden müssen‘), Seine Vorlage kann nämlich schon
in vielen Fällen xai idod oder die hebr.-aram. Entsprechungen
enthalten haben’). Sodann darf man vielleicht auch die Möglich-
keit in Betracht ziehen, daß Mt — das gilt dann auch mit für
eine etwaige Quelle — Kreisen entstammte oder nahestand, die
sich die Pflege prophetischer oder visionärer Schriften (und Ge-
danken) angedeihen ließen, in denen ja, wie die Apokalypse‘) lehrt
„und siehe“ noch bis zur Zeit des N.T.s in Anlehnung an den
Visionsstil lebendig blieb. Nicht unwichtig erscheinen mir in diesem
Zusammenhang die S. 32. 36 mit Anm. 1, 37 Anm. 2 erwähnten
sprachlichen Eigentümlichkeiten, die dem Mt-Ev. mit dem Träume
und Visionen enthaltenden jungen Buche Daniel gemeinsam sind.
II. Die lukanischen Schriften.
a) Frequenz von xai loo und idod.
Während dem Verfasser des Matthäus-Evangeliums xai idod
und einfaches idod in der Erzählung noch ziemlich geläufig sind,
1) S. auch o LXIV 180. 220. 235.
2) Bestärkt werde ich in dieser Vermutung noch dadurch, daß auch bei den
xal éyéveto-Verbindungen die Anlehnung des Matthäus an das A. T. nicht allzu
stark ist (im Gegensatz zu Lk und Acta): nur der 5mal wiederkehrende formel-
hafte Satzeingang xa Ey&vero őre drdicoev, dazu 910 x éyéveto mit absolutem
Genetiv und anschließendem xa? édov, o. LIII 194—196.
3) Siehe darüber auch unten S. 61f. *) o. LXIV 246. 249.
Das biblische sei {dod in der Erzählung samt seiner hebräischen Vorlage 45
so daß er bei uns fast den Eindruck erweckt, als ob diese Wen-
dungen zu seiner Zeit noch lebendig gewesen wären, beobachten
wir in den lukanischen Schriften ein allmähliches Schwinden dieser
Formel.
1. Fast ganz gemieden wird im Lukas-Ev. das einfache
idod, das nur ein einziges Mal an einer auch von Mt bezeugten
Stelle hinter einem absoluten Genetiv zugelassen wird (Lk 224, ~
Mt 2642, 0.8. 32).
Volles xa idod verwendet das Lukas Ev immerhin noch
15 mal. Aber die größere Anzahl der Belege (11, worunter 3 Stellen
sind, an denen auch Mt, im Gegensatz zu Mk, soi idod hat), findet
sich in den ersten 14 Kapiteln (2. 5. 7. 8. 9. 10. 13. 14), während
der zweite Teil des Evangeliums die Wendung nur 4mal aufweist
(je imal in c. 19 und 23, 2mal im e 24).
2. In der Apostelgeschichte geht die Belegzahl weiter bis
auf 7 herunter, und zwar lesen wir überall das zusammengesetzte
xai iĝoú, nur 101, nach einem durch dc eingeleiteten konjunk-
tionalen Nebensatz, schwankt die Überlieferung zwischen xai idov
und idov.
Diese sieben Stellen finden sich sämtlich innerhalb der ersten
16 Kapitel (1. 8. 10. 11. 12. 16), mit 161 entschwindet das xai idod
der Erzählung aus der Apostelgeschichte’)’).
b) Die Beschaffenheit des Vordersatzes.
Wenn auch die Verba des dem xa idod voraufgehenden
Vordersatzes ähnlich denen bei Mt keine so bedeutende Rolle
spielen wie im A.T., kénnen wir doch auch bei Lk im ganzen
dieselben Gruppen unterscheiden:
a) Bewegungsverben: Lk 19 xai cioehP mv df thoxero mv
*Tegiya xal idob dvno x., Act 161 xatiytyoey dé xai (v. I. om.)
sig AéoBny ..., x. id. uadnths TIS xt.
Wie gelegentlich im A. T. (o. LX VI 146) kann auch Lk (im Gegen-
satz zu Mt, o. S. 43) das Bewegungsverbum durch Zwischensätze
von xal idod trennen: Lk 22 xal Ste Eninodnoav al huéoar ro
xadagıouod abtay..., dvnyayov abröv eis TeooodAvua. Nachdem
1) Innerhalb der Rede begegnet von c. 16 an soi Loon noch 2724, außerdem
20a. 26 (vorher 1311) in der Wendung xal viv idod.
2) Parallelen für solche ungleichmäßige Verteilung innerhalb der Apostel-
geschichte bieten &v@rı0v c. gen. und die Umschreibungen einfacher Präpositionen
mit Hilfe von Substantiven (meist Bezeichnungen von Körperteilen), wie äu uéoq,
eig (tas) xe, x xeıpds, en xõοõõÜ n usw. Näheres darüber in „Der Ge-
brauch der Präpositionen in der Septuaginta“ 362.
46 M. Johannessohn
dann vV. st. zunächst berichtet wird, was die Eltern Jesu opfern
müssen, wird erst v. 26 mitgeteilt, wen sie dort treffen: xai ido’
Gvdownos Tv èv *Legovoadnu.
b) Ahnlich wie sich im A. T. sol ioù an einen Satz an-
schließen kann, der uns in eine Situation versetzt (o. LXVI 166),
schildert auch Lk 13101 % dé diddoxwy Ev wid töv Ovvaywyay èv
tois oaßßaoıy Örtlichkeit, Zeit, kurz die ganze Situation, um das
neue, die weitere Erzählung bestimmende Moment vorzubereiten:
xc idod yun xt.
c) Mit den Situationsschilderungen sind eng verwandt die so-
genannten durativen Verben (o. LX VI166f.). Hierfür bietet Lk 7ser.
einen Beleg: xai eioeAYy@v eis tov olxov Tod Dagıoalov xatexdidn
xai ĩò od wun s, womit zusammenzuhalten ist Rg III 19 x
elofjAdev ... eig tò onnilaıov xal xarédvoev Exei xai idod ñua
xvolov, o. LXVI 167. 170.
Mit dem Bau von Act 10s» (Bericht) dnö tetdetns tuéoas
uE OH Tadıns tig oas unv tiv Evarnv n000EVXÖuEVog V t@
oixw uov xal idod (auch Lk 840 f... . dnedéEato abrov ô bydhos.
Za yao nadvtes no00dox@vreg gbr. x. id. NAdEev dvno) läßt
sich die o. LX VI 189 erörterte, eines einheitlichen Stils entbehrende
Stelle Dan 10, vergleichen, wo gleichfalls ein, wenn auch anders-
artiges „duratives“ Verbum vorliegt: éy® funy nentwanwg Zei
nodowndv uov Ei thy yyy ri.
d) Ganz alttest. Gepräge (o. LX VI 180) zeigen solche Sätze, in
denen xai idod den Nachsatz zu einer mit xal éyéveto eingeführten
datierenden Bestimmung beginnt: Lk 51 xai éyéveto v tH elvaı
abrov Ev uğ tav ,! xal idov td, 24. nal Ey. Ev tH áno-
oeiodaı abrüs negl tovtov xa idov.
Von solchen Fällen aus kann man das den Nachsatz eröff-
nende xai idod wohl auch Lk 712 und Act 110 begreifen, wo statt
der vollen xal &y&vero-Verbindung nur ein temporaler Nebensatz
erscheint: s Aë Ayyıoev tÅ mún ths nöiews, xal idod xtå. und
xal ws drevibovsss Zon Eis tov oÖgavöv ... xal idod. Auch
Henoch 13. beginnt xa, idod den Nachsatz zu einem &g-Satz.
Einen weiteren Fortschritt auf dem Wege zur Gräzisierung
bedeutet dann Act 10.7 der Wegfall von sol vor idod der Haupt-
überlieferung zufolge: dc dé év éavt@ dunndoer ô Lerο ..., 100
ok dvò O xt.
1) So codd. NAB; xal idod CD u.a. (Bl.-Debrunner, Grammat. des neu-
test. Griech. § 442, 7). — Uber den Nachsatz einleitendes Aa „siehe“ im Syr.
siehe unten Exkurs V, S. 75; über entsprech. dd „du“ im Arab. Exk. IV S. 75.
Das biblische sei iéod in der Erzählung samt seiner hebräischen Vorlage 47
Aber noch in anderer Weise scheint die alttest. Gepflogen-
heit, den zu einer xai &y&vero-Verbindung gehörigen Nachsatz
durch xal idod einzuleiten, auf den Stil des Lukas gewirkt zu
haben. So steht Lk 9:72. die Formel nicht vor dem Nachsatz,
sondern erst vor dem nächsten Satz: éyéveto dë tH Eng Autor ...
ovvivrnoev') abt@ Öylos odds. x idod dvio ... éBdnoev. Auch
im A. T. begegnet uns zuweilen, hier aber wohl zufällig, xai idod =
whinné erst hinter einer vollständigen soi &yevero-Fügung, also
erst hinter dem die Haupthandlung weiterführenden Satze: Ruth 3;
éyéveto dë èv t@ ueoovvarip xai &éorn nal Groo, xal lòob
yvvn votre: Nui7es xai éyéveto tH Enavgıov xal eionidev M.
xai A. eis thy ounviy tod uagrvgiov, xal ioù EßAdornoev j GdHò og
Ac, vgl. auch o. LXVI 189.
In dieser Weise läßt sich vielleicht auch Lk 9at., wo der
Beginn des Anschlußsatzes zweifelhaft ist”), erklären: xal &y&vero
ën t@ moocedyecdat abr, tò Eldog tod noocwnov adtod Eregov,
nai ô , li , g abrod Aevxòs &actedatwr. xal doit dvòͤoesg vo xtA.
Etwas anders verhält es sich mit 5172. und 14:1, wo zwischen
nai éyéveto und soi idod ein oder mehrere Zustandssätze anzu-
nehmen sind’).
e) Über Lk 224, wo ein einfaches idod nach einem absoluten
Genetiv die Erzählung weiterführt, siehe zu Mt 262, o. S. 32
mit Anm. 2.
c) Uber die Verwendungsweise von xai idod und vom
Subjekt des «ai idod-Satzes.
1. Der Anschluß der lukanischen Schriften an das A.T. voll-
zieht sich in enger und einseitiger Weise. Denn xal idod wird
nur dann gebraucht, wenn der Leser oder Hörer mit bisher noch
nicht erwähnten, aber für den Verlauf der Erzählung wich-
tigen Personen bekannt gemacht werden soll. Das bunte Bild,
das uns Matthäus mit seinen verschiedenartigen Nominalbegriffen
hinter (xai) idod bietet, ist gewichen und hat einer einzigen, wenn
auch im A.T. und von Mt bevorzugten, Verwendungsform Platz
gemacht.
Alle innerhalb des Lk-Ev.s durch xal idod eingeführten Per-
sonen, mögen es — ähnlich wie bei Mt — gesunde oder kranke
sein, treten mit Jesus in nähere Beziehung. Jesus selbst wird
1) Dem ovvnvrnoev könnte übrigens gleichfalls ein „und siehe“ zugrunde
liegen. cod. D läßt von &y&vero den accus. cum inf. abhängen: ovveideiv adıa
dx Ao nolo.
) Siehe darüber o. LIII 204. 3) o. LIII 206.
48 M. Johannessohn
niemals mit Hilfe von xai idod herausgehoben. Eine Parallele zu
Mt 28, xal idod önnhvınoev adrois, wo es sich allerdings um den
auferstandenen Jesus handelt, gibt es bei Lukas nicht.
2. Ziemlich einförmig ist auch die Beschaffenheit des Sub-
jekts im xai idod-Satz. Meist wird es nämlich in Anlehnung an
das A. T. durch dyjo (dv9oewnos') und yvvý) bezeichnet. Während
aber dort diese Substantiva nur gelegentlich in den einzelnen
Büchern auftreten, verwenden sie Lk und Acta an mehr als zwei
Drittel sämtlicher Fälle: Lk dvrio 7-, dvdgwnos und yvvý je 2mal
(unter 14—15 Fällen); Acta de 5mal (von im ganzen 7 Stellen),
z.B. Lk 9a xal idod gute dré tod Sydov eh,, 142 xai idod
dvtowsnds tig hv ddewsmixds.
Das dyno ist für das Lk-Ev. so charakteristisch, daß wir es
auch da antreffen, wo die Mt-Parallelen xai idov (bzw. i6od) ohne
dyn bieten:
Lk 512 xai idob dv, nAnons Aénoas*) ~ Mt 82 x. id. Leroòg
mooceAd ay utd.; Lk 5ıs x. id. dvöges pégovtes en xdlvng dd O-
nov ~ Mt 9a x. id. moocépegoy atë nagadvutixdy; Lk 8u x. id.
Ide vý?) ~ Mt 918 ioù doxwv eis nooceATa@v utd. (Mk 5, x
fovetar eis tõv adeyovvaywywr); Lk 9s0 x. id. dvöoss úo ou
Adhovy gbr, oftives joa Mwvonsg soi “Halas ~ Mt 17s x. id. Spon
adrois M. xai H. ovddadoivtes uer adtod (Mk 9. xal geän að-
tois H. on M. ..., xai Zon ovAlaloövres tq *Inood).
Eine Anpassung an griech. Sprachgebrauch — ob unabsicht-
lich oder mit Bewußtsein, ist schwer zu entscheiden — bedeutet
die Hinzufügung von oc in Lk 142 soi idod dvdownds rig) x,.
Zugrunde liegen könnte hebr.-aram. „Mann einer“ (o. S. 36). Mt
kennt hinter idod nur den Plural zww&s (mit genet. partit.) und
einfaches eig (mit und ohne Genetiv), ebd.
Aus der Verbindung dvdgwnös ttc dürften sich die dvnjg-losen
Fassungen Lk 102 x. id. vowixds to und Act 16, padntyjs tıs”)
entwickelt haben.
3. Außer den bisher genannten Nomina — dye, did omog,
yuvnh, vo g rig, wadntys re — finden sich nur noch folgende
1) dvdewnosg hinter xal idod auch einmal bei Mt (1210), o S. 37; dv
kommt bei Mt so nicht vor.
2) Statt mAnons Aénoas hat D Aenods.
5) Es folgt der Eigenname (Abschn. 4y) und dann erst der Stand: xal
odtos doxwv ts ovvaywyñs bujoyerv.
) Auch schon in LXX: Ge 381 zoös dvdewndv ceva, Rg II ie oò ... gie
dude, hebr. an beiden Stellen nur ’:3 „Mann“.
5) rig bei einem Substantiv noch öfters in Lk und Acta.
Das biblische xa? 2605 in der Erzählung samt seiner hebräischen Vorlage 49
hinter xai idod: im Evang. 22. dydoc*), 2412) dvo E abr;
71 tedvnx@s (durch ein Verbum von xa idod getrennt); in Acta
12, Gyyehos xvolov.
Von diesen Ausdrücken ist öyAos ein Synonymon des alttest.
Aaös (Ma I 520 Judic 94s Rg II 1334, 0. LXVI 194 und LXIV 190).
úo LF aör@v ist eine Vereinfachung des Lk 9: 244 Act 110
belegten, dem alttest. Sprachgebrauche nachgebildeten xal iðoù
dvöoes dvo, auch Act 111: (mit veränderter Stellung des Zahlworts)
x. id. &avtijs tosis &vdoes. Vgl. aus dem A.T. Ge 18. x. id. toes
&vdoes, Ex 2:13 60¢ doo dvögas) und o. LXIV 190f. (überall Zahl-
wort vor Substantivum = hebr.). BloBes Zahlwort hinter „und
siehe“ ist also dem A.T. fremd’).
Mit xai idod E&exoullero tedynua@s halte man zusammen
Rg IV 4: x. id. tò narddguoy tedvnuds (-xw@s B*).
Parallele für &yyedos xvolov, das wir auch Mt 120 218.19 hinter
einfachem idod lesen (S. 33), bietet xa idod dyyelog in Rg IV Ge
Dan 410 (18) (0. LXVI 172. 176. 194),
Es lassen sich also sämtliche von Lk und Acta durch xa
idod hervorgehobene Nomina auf die Sprache der LXX als ihren
Ausgangspunkt zurückführen.
4. Ganz charakteristisch für Lukas ist sein Verhalten den
Eigennamen gegenüber. Er läßt sie nämlich niemals unmittelbar
hinter xal i6ov folgen, wie es das A. T. (o. LXVI 152. 167. 172. 182,
auch schon o. LXIV 190) und noch Mt (S. 35) tut, sondern bedient
sich gleichsam als einer Stütze jenes farblosen di,, wofür er an
der LXX gleichfalls einen Anhalt findet: RgI17s idod dio
av£ßaıvev, T'oAıaö ô Dihiottaiog Övoua adtq, 11165 xal idod Exei-
der dvno EEenogsvero ...., xal Övoua br Lehe, hebr. an beiden
Stellen das suffigierte Pronomen s¢mo „sein Name“.
Im Gegensatz aber zur LXX reiht Lukas hinter dvro den
Eigennamen in mehr griech. Weise an, indem er
a) övoua in den Dativ setzt: Lk 2350 xal idod date òvóuatı“)
"Iwongp Bovdevtis Ööndexwv’),
1) cod. D fügt zoAds hinzu wie Rg II 1334. xal idod Aads nolös så. ‘am
rab „Volk vieles“ und Ma I 530 (o. LXVI 194 und o. LXIV 190. 202).
2) D hat statt xal édod den Anfang Joa dé,
3) Erst in dem jungen Buche Daniel begegnet uns hinter „und siehe“ (nach
„sehen“) ein Zahlwort, das nicht durch ein Substantivum wie „Mann“ gestützt
ist, aber immerhin noch von einem Zahladjektiv begleitet ist: 125 wehinne
senajim "aherim õmedim „und siehe, zwei andere stehend“.
) Uber die Stellung von ödvduazı, ob vor oder hinter dem Eigennamen,
auch in andern Sprachen, siehe Exkurs III, unten S. 69f. Im klass. Griech. ist
Zeitschrift für vergl. Sprachf. LXVII 1/2. 4
50 M. Johannessohn
8) dem övduarı noch das Partizipium xadodpevos hinzufügt:
192 dvno Övduarı xañońucvos*) Zaxxuios.
y) Ein dritter Weg, hinter einem due (dvdownos) den Eigen-
namen mitzuteilen, besteht für Lukas darin, daß er sich eines
Relativsatzes bedient, und zwar in der Weise, daß er davor einen
Satz entstehen läßt mit 7» bzw. 7Adev als Verbum finitum: 2ss
xc idob dvIownos Au èv ’Tegovoainu, o 6voua Svpewov bzw. Sur
x. id. Bien dvi, @ Svoua ’Idıpog”).
Die Apostelgeschichte verwendet 16: die unter a ge-
nannte Konstruktion, ersetzt aber dee durch das genauere ua-
der Akkusativ der Beziehung dvoue häufiger als der Dativ (Krüger, Griech.
Sprachlehre § 46, 4, 3). Der älteste oder einer der ältesten Belege für dvduare
scheint Xen. Hell. I Geo zu sein: Sdusos dvduarı ‘Inneds (Krüger a a. O. und
W. Bauer, Wörterbuch zum NT. s. v. öÖvouc). Im A. T. begegnet der Dativ
övduarı Sir 371 (hier nicht beim Eigennamen), Tob 611 Ma IV 54, der Akkusativ
Svoua Ma II 1213 Dan Sus 7 LXX, tò övoua Dan 101 LXX (, Der Gebrauch der
Kasus ... in der Septuaginta“ 70f.). — Im N. T. zähle ich nach Bauer dvduass
in Lk 6 mal, Act 21 mal, in Mt und Mk dagegen nur je 1 mal (Mt äise Mk 52),
in Joh gar nicht. — Der Akkusativ zodvoua nur Mt 2707.
5) Hier schließt sich nach einer Reihe von Einschüben ein Relativsatz an:
Ae moocedéxeto thy Bacılelav t. Feod, dann wird (v. ss) der Anfang durch das
Demonstrativpronomen wieder aufgenommen: oörog ne00eAdwv ... Zrnoaro. In
ähnlicher Weise folgen Act 8e7 auf das mit Attributen versehene Nomen zwei
Relativsätze: x. dd. dung e,. ... 35 w nl dong ıns ydlns adıng De An-
Adel “tA.
1) xadodmevos fehlt in DG u.a.
*) Ein Relativsatz mit övoua als Subjekt auch sonst bei Lukas: 127 dvdet
@ övoua ’Iwonp, 26 adi OG voua Nalaoéd, 24is xóunv ... 7 voua 'Eumaods,
auch 24ıs in einem Teil der Überlieferung, ferner Act 136. Die andern Evan-
gelien kennen diese Konstruktion nicht, nur Mk 1432 begegnet der Genetiv des
Relativums: xwelov od tò voua I’sdonuavi, ganz ähnlich Dan 101 bei Theod.
oð tò voua Enenihdn Badtacde = hebr. (LXX Akkusativ der Beziehung cé
Svouc, S.49 Anm. 4). — Die Wendung @ övou« mit dem Nominativ des Eigen-
namens und ohne Sor“ auch in den griech. Papyri aus der Ptolemäerzeit (Mayser,
Gramm. II 2 S. 113er. und II 3 S.17s fl.). Bekannt ist diese von Lk verwendete
Konstruktion aus Herodot: I 60 & ce ôńue ... Tv out, tH odvona Fv Din,
96 dvijo v rooe Mijdotoe Ey&vero gogde, t@ odvoua Fv Anıdans. Im Unter-
schiede aber von Lukas und den Papyri enthält hier der Relativsatz das Verbum
substantivum. So auch im demonstrativen Satz: I 205 Tépuvels ol qv oövoue.
Vgl. dagegen die o. LXVI 177 mit Anm. 4 und S. 49 verzeichneten alttest. Stellen
Rg I 1723 und II 165. Ein Verbum fehlt auch (in demonstrativer Fassung) Xen.
An. I 5. évtadda Fv nölıs ..., Svoua 6° aöıf Kogowty, and 510 sogar noch
atti: Tv nélig ..., Svoua dt Xagudvön. Diese beiden Xen.-Stellen zeigen
übrigens recht deutlich, daß das sogenannte limitative voua ursprünglich nicht
ein Akkusativ, sondern ein Nominativ ist. Siehe auch E.Schwyzer, Die
Parenthese im engern und im weitern Sinne (Abh. Ak. d Wiss. 1939, phil.-hist.
Kl. 6), S. 43.
Das biblische xa? idov in der Erzählung samt seiner hebräischen Vorlage 51
guts rig und bekommt infolge der Einschaltung eines 7» einen
vollständigen Satz: x. id. uednıns ts Zu éxet dvdpat Tipddeos.
5. Wie die Beispiele lehren, ist das Subjekt des x“ idov-
Satzes stets ein Substantivum (einmal [Lk 2418] ein Zahlwort, s.
Abschn. 3, S. 49), niemals ein Pronomen, das wir auch im A T.
nur ganz selten so verwendet finden (o. LXVI 151).
d) Vom Prädikat und der Gestaltung des xai idod-Satzes.
1. Das Lulcas- Evangelium.
1. Voraus schicke ich eine aus dem folgenden Abschnitt 2
gewonnene Übersicht über die Gestalt, in der der xai idov-Satz
auftreten kann:
a) Subjekt ohne Prädikat, aber mit Attribut, das ein Parti-
zipium, ein Adjektiv oder ein Relativsatz sein kann (2aqa@ und c,
S. 51f. 54).
b) Subjekt ohne Prädikat und ohne Attribut, nur ganz ver-
einzelt (2 a 8, S. 52f.).
c) Subjekt + Verbum finitum, am häufigsten. Das Prädikat
erscheint meist im Aorist, seltener im Imperfektum (2b und daß,
S. 53f. 54).
d) Subjekt+ Verbum substantivum mit Partizipium, nur ganz
vereinzelt (2dy, S. 54f.).
Vermieden ist also die alttest. Form „Subjekt + präpositionaler
Ausdruck“ ohne Verbum (2 b, S. 53f.). Höchst zweifelhaft ist
auch „Subjekt + partizipiales Prädikat“ (2 a a, S. 51f.).
Matthäus kennt nur Subjekt + Verb. fin. und Subj. + Attribut,
oben S. 37f.
2. Im einzelnen enthalten die Sätze im Lk-Ev. allerlei Eigen-
tümliches, wie aus den folgenden, auf einer anderen Anordnung
beruhenden, Ausführungen hervorgehen wird.
a) Auf den ersten Blick scheint es, als ob hinsichtlich der
Gestaltung des Prädikats die Anlehnung des Lukas an das A.T.
recht eng ist. Doch ist seine Nachahmung meist nur äußerlich.
a) So kann man mit Lk 5ıs soi lò ob dvöges pégovtes Zi
xing dvdownov einen Satz wie Rg II 152. xal idod xai ye Saddwx
xc navtes ol Aevitar wer’ adtod aigortes thv xuBwrdy zusammen-
stellen. In beiden Fallen haben wir das im A.T. so beliebte Parti-
zipium als Ergänzung zu dem hinter xai idod stehenden Sub-
stantivum. Aber während an der alttest. Stelle das Partizipium
aigovtes ohne Zweifel in prädikativem Sinne gebraucht wird,
vermag man an der Lk-Stelle nicht mit Sicherheit zu entscheiden,
4*
52 M. Johannessohn
ob géęovtes als Prädikat („und siehe, Männer trugen“) oder als
Attribut („und da [waren] Männer, welche trugen“) gedacht ist).
Ähnlich erinnert Lk 51. xal iðoù dh nAnong Aénoas*) an
alttest. Stellen wie Rg IV 61: 715 x. id. tò do nAnoes Innwv bzw.
doc Å öoͤoͤg nAnons iuatiwy, wo beidemal zAnong das Partizipium
male „voll seiend“ übersetzt. Doch verfährt auch hier Lk rein
mechanisch. Denn während zAjens in den alttest. Sätzen nur
prädikative Auffassung zuläßt — man vgl. noch Nu 1210 xai idod
Magiap Aenodoa osì Xı@v, wo hebr. (mesõra at „aussätzig seiend“)
wie LXX ein prädikatives Partizipium vorliegt —, ist für das lu-
kanische uss nur attributive Deutung möglich „und da ein
Mann, welcher voll Aussatz war“, und nicht wie im A. T. „da
wurde ein Mann mit Aussatz behaftet“.
Noch an einer dritten Stelle, Lk 131, enthält der xai idov-
Satz ein Partizipium, das aber gleichfalls attributive Geltung hat:
x. id. yur) nveöue Exovoa’) dodeveias*).
Wenn also Lk auch bei den zuletzt genannten Stellen 5:
und 13.1 an solche alttest. Sätze gedacht haben möge, an denen
das Prädikat durch ein Partizipium oder ein das Partizipium
vertretendes Adjektivum bezeichnet ist, so gehören diese beiden
Sätze, vielleicht auch 5ıs (dvòoeg pégortes ati.) in Wahrheit unter
solche Fälle, wo das hinter idod stehende Nomen eines Prädikats
entbehrt. Dann sind die Partizipia als Attribute zu verstehen, d.h. also
Lukas befolgt die Praxis des A.T.s, ein hinter xai idod befindliches
prädikatloses Substantiv gern mit einem Attribut auszustatten
(o. LXIV 188). Auch in den schon S. 49f. angeführten Beispielen
Lk 19: und 2350 besteht der „und siehe“ -Satz aus einem mit
einem Attribut versehenen Substantivum.
8) Davon macht nur eine Ausnahme die einzige, sich auch bei
1) Von den Parallelstellen hat Mt9s gleichfalls xa? iéod, aber statt des
Partizipiums das Verbum finitum, ohne ävöges: x. id. ng00&pep0v adt@ nagadute-
xdv; Mk 23 stellt zwischen bloßes soi und Partizipium ein Bewegungsverbum:
xal Zoyovraı pégovtes neds aördv napaivrındv. Das Partizipium hat also, wie
es scheint, in der gemeinsamen Vorlage gestanden. Mk und Lk haben es bewahrt,
Mt in das Verbum finitum umgewandelt. Auch xa? idod dürfte bereits der Quelle
angehört haben. Das Verfahren der Peschita (unten S. 77f.) läßt uns annehmen,
daß die von Mt und Lk beibehaltene Partikel bei Mk durch Zoyovra: umschrieben
ist. Vgl. auch S. 53 Anm. 2.
) Statt zAnons Aengas hat D Aenods (wie die Gesamtüberlieferung in
Mt 82 Mk 140). op
) Auch Mt 1210 ist &xw» attributiv: xal ioù dvdownos yeioa Exwv Enody
S. 37 ff.).
i 4) e? D bildet einen Satz: x. 28. yuvy v dodevela Tv nveönaros.
Das biblische xal 2803 in der Erzählung samt seiner hebräischen Vorlage 53
Mt findende, Stelle mit bloßem idod hinter einem absoluten Genetiv,
Lk 22,2: ër adtod Aahodytos, idod öyåos, xal ô Aeydusvos (x o
uevog D u. a.) Iobòcg eis ron òdcd ena) MEONEXETO abrodc.
Dieser Vers verdient auch sonst noch unsere Beachtung.
Gegenüber der Mt-Parallele — 26. xal Zt adtod Aadhoiivtos,
idod "Toddas eis 20 dodena der nai uer abtod dq noAlds”) —
beobachten wir bei Lukas eine Umstellung der beiden Glieder.
Während nämlich Mt kein Bedenken trägt, hinter idod einen
Eigennamen zu stellen, ändert Lk, um die Nebeneinanderstellung
von idod und Eigennamen zu vermeiden, den ganzen Satzbau,
indem er öy4los aus dem zweiten Teil an die Spitze stellt und
daran einen neuen Satz anschließt, der Joddas zum Subjekt hat.
Außerdem scheut sich offenbar Lk seiner sonstigen Gewohnheit
entsprechend (S. 47), hinter idod eine Person zu nennen, die
schon erwähnt ist. Judas ist aber den Lesern bereits von 616
her bekannt’).
b) Wenn das Prädikat aus einem Präpositionalausdruck
besteht, so ist im Hebr. (wie im Semitischen überhaupt) in der
Regel ein Verbum unnötig. Das können die LXX-Übersetzer
nachahmen, z.B. Rg I 1010 xal idod yoods noopytay ZE Evavrias
abrov. Daneben aber werden, wie wir oben gesehen haben, zur
Milderung der ungriech. Konstruktion Verba hinzugefügt, meist
qv"), ferner éyéveto*), Ader, elyev.
1) Eine ganz ähnliche Apposition weist die — junge — Stelle Dan 1018 auf:
wehinne mika el ’ahad hassärım harvsinim ba’ „und siehe, Michael, einer
der Fürsten der ersten, kommend“.
2) Denselben Satzbau wie Mt hat Mk14s, nur daß er an Stelle von xa}
idod, das er ja überhaupt ablehnt, vor den Eigennamen das Verbum finitum des
Kommens stellt: xa? eödöds ër adroö Aaloövrog nagaylveraı (6) Tovdas, els rc
oͤcboͤena, xal mer’ adtod SyAos. Ob xal edddcg ein Nachklang eines ursprüng-
lichen „und siehe“ ist?
) Nach allem sieht es so aus, als ob dem Lk die Fassung des Mt, und
nicht die des Mk, vorgelegen hat.
4) Auch in der armenischen Bibelübersetzung treffen wir das Imperfektum
des Verbum substantivum und den Aorist von „werden“ als Einschub in verblose
Sätze des Originals an: Mt 1210 ew and er ayr mi oroy jern iur gosaceal er
„und da war Mann einer, dessen Hand verdorrt war“ x. id. dvdownos yeioa
xo Enodv, Lk 737 ew kin mi er i alain „und Frau eine war in der Stadt“
*. 26. yuv) Fis ër cp det. Mt 175 jan elew yampoyn ew ase „Stimme
wurde aus der Wolke und sagte“ x. id. pov) ën tùs vepéAns A€yovoa. An
allen drei Stellen ist übrigens für xa? idod nicht die sonst übliche Entsprechung
ew aha gewählt worden, sondern in dem ersten Beispiel steht dafür „und“ mit
einem Ortsadverbium, im zweiten einfaches „und“, und im dritten ist die griech.
Wendung ganz unterdrückt.
54 M. Johannessohn
Lk lehnt die hebr. verblose Fassung ab, verwendet vielmehr in
Übereinstimmung mit LXX jenes iv, 2 mal im Ev.: 2.5 xai idod
dvdownos Tv Ev "Tepovoainu, 142 x. id. dvdownds tis Tv down-
xös Eungoodev aitod. In dem zweiten Satze mutet dadurch, daß
der Verfasser, wie es scheint, 7» gleich (wie in Za) hinter d-
donog haben wollte, die Stellung des éégwmixds recht sonderbar an.
Auch Act 16, vermittelt ën zwischen Subjekt und einem Orts-
adverbium (das ja auf gleicher Stufe wie ein lokaler Präpositional-
ausdruck steht): x. id. uadmıng ts Tv éxet.
Ähnlich wird Zorn, das ich freilich aus dem A.T. in dieser
Verwendung nicht zu belegen vermag, Act 10s» nur „Vermitte-
lungs“verbum sein: xai idod åvňọ gory Evanıdv pov (s. auch
unten S. 55f.).
c) Der Satz Lk 7s: xal idod yur, Fis hy ën tj adda Guagtwlds
läßt eine doppelte Erklärung zu. Entweder bildet, ähnlich wie
in den oben S. 50 genannten Stellen 295.84: (... &vdownog bzw.
dvno, o Övoua scil der Relativsatz das Attribut zu yur7, oder
es handelt sich auch hier um die unter Abschnitt b soeben erwähnte
semitische Satzform „Subjekt + (prädikativer) Präpositionalaus-
druck“, so daß rig Fv ein Mittel wäre, die zugrunde liegende
semitische Konstruktion (xai idod yu», — èv ti ade) in eine mehr
griechische umzuwandeln).
d) Abgesehen von dem zwischen Subjekt und prädikativem
Präpositionalausdruck (lokalem Adverbium) vermittelnden 7» (S.53f.)
treffen wir im Lk-Ev. ein Verbum finitum noch an folgenden
Stellen an, und zwar
a) am häufigsten im Aorist*): 9. xal idod åvňọ dnd ro
yov éBdnoev (womit Rg IV8s x. id. j yuv) ... Bowoa [- = hebr.]
sıoös tov Baotdéa zu vergleichen ist), 8.1 x. id. Id der dvno (s. unten),
ferner 10:5 x. id. vouxós tig dvéotn, 24. x. id. dvöges dvo éné-
ornoav abrais. Die Verba der drei letzten Beispiele (5e, dv&orn,
énxéotnoayv) sind vom semitischen Standpunkt aus nicht gerade
nötig; vgl. dazu die Verhältnisse in der Apostelgeschichte (S. 55).
8) im Imperfektum, nur) 9.0 x. id. dvöges duo ovveddiovy
abr.
y) aus Verbum substantivum + Partizipium 24:3 xai iòͤ ob dée
&& gb rv év abr th hufog joa nogevöuevor. Nach alttest. Sprach-
gebrauche wäre joav entbehrlich, wie aus Rg II 133. x. id. dads
1) Leider fehlen hier (wie auch zu Lk 228 und 142, o. S. 50. 54) die Parallelen.
2) Also wie Mt, o. S. 41.
3) Mt hat noch sechs Imperfekta hinter (xa?) idod, o. S. 41 f.
Das biblische xa? 260% in der Erzählung samt seiner hebräischen Vorlage 55
moAds nogevöuevos, III 1325 x. id. dvò oe naganogevdmevor erhellt.
Lukas hat sich also hier deutlich an die auf dem Hebr. fußende Sprache
der LXX angelehnt, aber mittels des Einschubes von Zou eine
Gräzisierung vorgenommen. Zwar ist die zusammengesetzte Aus-
drucksweise auch dem Bibl.-Aramäischen‘) und dem Syrischen °)
geläufig. Doch werden dort die beiden Glieder (Verbum substan-
tivum und Partizipium) — sehr im Gegensatz zu Lukas — um-
gestellt”), so daß also für Lk nur literarische Abhängigkeit anzu-
nehmen sein dürfte.
Übrigens bestätigt diese Lk-Stelle unsere S. 51 aufgestellte
Behauptung, daß er Partizipia als Prädikat im soi idov-Satz ablehnt.
2. Die Apostelgeschichte.
1. Einen etwas anderen Eindruck gewinnen wir aus der
Apostelgeschichte. Sie verwendet nämlich als Prädikate fast aus-
schließlich finite Verba (6 mal unter 7 Fällen). Dazu kommt,
daß sich diese Verben, abgesehen von der bereits erwähnten
Stelle mit qv (S. 54) auf orjvaı und Komposita‘) beschränken.
Auch hier führt die Apostelgeschichte über das Lk-Ev. hinaus.
Denn während das Evang. noch einige Male Sätze hinter xai
idod aufweist, die eines finiten Verbums entbehren (S. 5iff.),
werden in Acta mit Ausnahme einer einzigen, noch dazu nicht
ganz sicher überlieferten Stelle (Ga, siehe unten S. 56)°) die durch
xai idod hervorgehobenen Nomina stets mit einem solchen versehen.
Daß diesen Verben keine besondere Bedeutung beizumessen
ist, sondern daß sie nur Hilfsverba sein wollen, die dazu dienen,
verblose Sätze, wie sie im A.T. noch gang und gäbe sind, zu
umgehen, ersieht man schon daraus, daß es eigentlich immer das-
selbe Verbum ist. Nach alttest. Sprachgebrauche könnte nämlich
in Act12, xai idod dyyelos xuvolov énéoty’), 1111 x. iô. &avtiic
zoeis dvöoes énéotnoay®), 10s0 x. id. dvno gory’) évonidy pov
1) o. LXIV 225f.
3) Z. B. Lk 9» in der Peschita memallin (h)uau „redend waren sie“ für
ovveidkovv.
) Doch hat an dieser Stelle dieselbe Wortstellung wie Lk das Evangel.
Hierosolymit („waren gehend“). Auch Lk 5is und 930 geht das Verbum substan-
tivum dem Partizipium vorauf: „waren bringend“ (griech. nur pégovtes), „waren
redend“ (cuveAdAovr).
4) Auch im Lk-Ev. trafen wir schon je 1 mal dv&orn und Endosnoav im
xal idov-Satz an (S. 54).
5) Mt bietet im ganzen drei Stellen ohne Verbum finitum, oben S. 371.
6) Dasselbe Verbum auch im Evang.: Lk 244 x. id. ävöges ö bo éxéotnoar
aörals (S. 54). 7) Lk 1058 findet sich dveorn (S. 54).
56 M. Johannessohn
(bloßes Subjekt bzw. Subjekt + Präpositionalausdruck, siehe schon
S. 53f., wo auch über 7» Act 16ı gehandelt ist), vielleicht auch
110 x. id. dvò o d napsıornaeıoav adtois ganz gut das Verbum
fehlen.
2. Besonders zu nennen ist Act 1012, wo dem Verbum finitum
ein sogenanntes Partizipium coniunctum vorausgeschickt wird:
(xai) id. ol dvögss... dteQwthoartes nv oixiay Tod Siuwvos éné-
otnoay nì tòv nvdAdva. Sonst kommen in den lukanischen Schriften
innerhalb des xai idov-Satzes Partizipia vor dem finiten Verbum
nicht vor, ganz im Gegensatz zu Matthäus, der eine Vorliebe fiir
diese Satzgestaltung zeigt (S. 40f.).
3. Nur einmal, Act 822, findet sich ein prädikatloses Subjekt“):
xal lò od åvňo Aidiow... 55 Fy mì ndons ths ydlns adtijc, ðs
eAn Adder utd. Hier schließt sich also an das Subjekt ein Relativsatz
(wie Lk 7s: x. id. yur, Hts Tv x., o. S. 54), dem aber noch ein
zweiter folgt. Doch ist die Bezeugung des zweiten ög nicht ganz
gesichert: es fehlt u.a. in 8* A C* D“ (in diesem Falle würde
Eb e Prädikat sein, und der Satz zu den unter Nr. 1 ver-
zeichneten Belegen gehören). |
ei Uber die Wortstellung im xai idod-Satz.
1. Die Wortstellung ist sehr einfach. Fast stets folgt nach
alttest. Muster das Subjekt unmittelbar auf x. idod. Nur Act 111:
schiebt sich ä&avıng zwischen idod und tosis dvöges. Das er-
innert uns an die Einschaltung von sv e“, e = hebr. missam „von
dort“ zwischen xai idod und dyjo Rgll16, (o. LXVI 152f. 162),
s. auch o. LXVI 156, wo diese Stelle einzufügen ist.
2. Ein etwaiges Verbum steht regelmäßig hinter dem Subjekt
mit Ausnahme von Lk 712 x ioù 2&enoulfero tedvnnds uovo-
yevins vids und 8a x. id. den dvno, & dvoua `I.
Im ersten Fall mag Lukas das Verbum deshalb vorausgestellt
haben, weil er, getreu seinem sonstigen Verhalten, den xai idov-
Satz nicht mit einem (substantivischen) Partizipium (Tedvnxws)
beginnen wollte; ein anderes Substantivum stand ihm aber nicht
recht zur Verfügung, und auch das vermittelnde durée hätte er
hier schwer anbringen können. |
Mit der zweiten Stelle ist der alttest. Satz Rg II 1. x. idod
dh NAdev Ex tig nageußoins x toù Aaod Saovd zu vergleichen,
der sich aber in zwei, nicht ganz unwichtigen Punkten von Lk
unterscheidet. Erstens folgt dev erst hinter d, und zweitens
1) Im Lk-Ev. begegnen wir noch öfters prädikatlosen soi idov-Siatzen (S. 51 fl.).
Das biblische xa? ¿oð in der Erzählung samt seiner hebräischen Vorlage 57
wird der Ort angegeben, woher Saul kommt, während Lk mit
NAYev nur einfach die Tatsache feststellt, daß ein Mann mit Jesus
zusammentritt, ohne Rücksicht auf die Frage nach dem Woher.
Hebr. könnte es fehlen, auf keinen Fall würde es die erste Stelle
ım Satz einnehmen.
f) Über die innere Beziehung des Vordersatzes
zum soi lò ob-Satz.
1. Fast überall tritt das Subjekt des Vordersatzes zu dem
durch xai idod eingeführten Nominalbegriff in Beziehung.
Eine Verschiebung gegenüber alttest. Sprachgebrauche tritt
Lk 9ss ein, wo, wie gelegentlich bei Mt (S. 43) das auf xai idod
folgende Nomen nicht für das voraufgehende Subjekt, sondern
für ein vorher genanntes Objekt von Bedeutung ist: ovvývtyoev
abr byAos 2040, xai idod dvno dré tov Ööylov EBönoev. Alttest.
Sprachempfinden zufolge müßte abt Subjekt und öyAos Objekt
werden. Außerdem würde im A. T. ovonvınoev nicht vor xal idod
stehen, sondern daß einer einem andern „begegnet“, würde ge-
rade umgekehrt erst hinter idod ausgedrückt werden’).
2. Nur rein äußerlich knüpft Act Ba an ein Bewegungsverbum
an. Dort heißt es von dem Apostel Philippus: xai dvaorag èro-
oeödn, was zu Rg III 1710 stimmt: xai dveorn (sc. Elias) xai èro-
oevdn Eis Sagenta.
Aber während hier Elias sogleich zu der hinter xai idod ge-
nannten Frau in Beziehung gesetzt wird — xai idod éxei yuv)
xu ovvéheyey Edda, nal EBönoev Önlow ats HA¹õ,jLꝛ —, wird
zwar an der Acta-Stelle auch gleich ein neues Subjekt eingeführt:
x. id. dvno Aitiow, aber erst v.29 mit den Worten einev dé tò
nmvevua roi dire: nodoeAde nal nolindnt TO douati voit
mit Philippus in einen näheren Zusammenhang gebracht.
3. So wird dann, wozu schon LXX und Matthäus Ansätze
zeigten, xal idod bloße Anknüpfungspartikel”), die die Er-
h Die Parallelstellen haben weder xal ¿oú noch cuvavedy: Mk 914 xal
2A dòòvreg (v. I. éAdav) weds tods wadytas eldov (v. I. eldev) yov nodby, V.17
oi adnenotdn aŭt els én tod SyAov; Mt 1714 nal saddvtwy (atv) nods rv
SyAov ne0o0nAdev adt@ dvPownos. Möglich, daß lov und xeoo7Ader auf
ein ursprüngliches „und siehe“ zurückgehen.
2) Eine einfache temporale Anknüpfungspartikel sieht vielfach die neugriech.
Bibelübersetzung in a fäeg, In der mir vorliegenden Ausgabe von 1901 wird
innerhalb des Mt- und Lk-Ev.s xai dog 21mal durch zdre mit oder ohne vorauf-
gehendes xa? wiedergegeben; dazu kommen noch 2 Fälle, wo zdre an dritter
Stelle steht (Lk 295 und 737 edoloxero di vdre). In ähnlicher Weise verwendet
auch die Übersetzung des N. T. ins Sanskrit, dem ja überhaupt kein dem soi
58 M. Johannessohn
zählung einfach weiterführt, ohne auf den Inhalt des vorhergehenden
Satzes eine besondere Rücksicht zu nehmen: Act 126 f. pddaxés
TE 100 is d étjoovy thv gudaxjy, nal ldov dyyelos xvolov
énéotyn. Der Engel tritt nicht zu den Wächtern, sondern zu dem
v.e erwähnten Petrus’).
Ferner Act 110. toto dé éyéveto ml tols, nal dveondodn
nahm dnavta eis tov obeardy, xal iðoù éavtijg e é Evdoes éné-
otnoav. Hier ist das Subjekt des Vordersatzes ein Neutrum (dzavta),
und das Verbum steht im Passiv. Beides läuft alttest. Stilgeftihl
zuwider. Außerdem beweist der Zusatz Su Ig, daß idov seine
eigentliche Bedeutung eingebüßt hat.
4. In allen im Abschnitt 1—3 aufgeführten Beispielen handelt
es sich — wie im A.T. und bei Matthäus — um ein und dieselbe
Erzählung. Einen Schritt darüber hinaus geht Lukas an drei
Stellen, wo soi idod einen ganz neuen Erzählungsabschnitt)
einleitet, der mit den voraufgehenden Worten in gar keinem
inneren Zusammenhange steht: Lk 234 ff. xal (add. ai B) yuvaines
(sc. elornaeıoav) ai ovvanolovdodcnı att@ and tis Tulılalas
dedoa: taðtæ. Damit ist die Erzählung abgeschlossen, nun be-
ginnt etwas ganz Neues: xai idov’) dvno dyduat TI.
odros nooceidwv t Ilılaıy frjoato tò oðua tod Tod.
Ferner Lk 24:3: nachdem in den zwölf vorausgegangenen
Versen die Begebenheiten am Grabe Jesu erzählt worden sind,
wird durch xai idod eine völlig neue Erzählung, der Gang nach
Emmaus, eröffnet: xal idov*) úo GË abtay xt.
Auch Lk 10ss xal idod vouıxds rig dvéotn ... Aéywr, wo eine
direkte Rede voraufgeht*) und der xai idod-Satz eine neue vor-
ééod entsprechender Ausdruck zu Gebote steht, Adverbia der Zeit und der Auf-
einanderfolge (tatas, tada, tad-anantaram, pascät, aparam, anyacca [Mt173]).
— Vgl. auch die nächsten Anmm.
1) cod. D fügt noch 7@ Here zu Eneorn hinzu.
2) Ansätze dazu vielleicht schon Rg II 3 211. (o. LXVI 163).
3) soi idod kommt hier der Verbindung werd 62 raðra in Joh 1928 gleich
p. ô. r. howenoev tov LlıAärov ’Iwonyp. Die anderen Parallelstellen schicken
als Überleitung eine Zeitbestimmung voraus und bedienen sich eines Verbums
des Gehens: Mk 1542 f. xal Zén Öwlas yevouévns, nel Fv napacxer) ...,
Abav ‘Iwohp ... Geéoeoro, Mt 2757 plas 62 yevouevyns Z/äen dvògonog
adobotog.
+) Der Verfasser von Mk 1612, der allerdings nur kurz berichtet, gebraucht
peta dë rabta (vgl. vorige Anm.): o ô. r. volv aŭrðv negenatodow
Epaveowdn. Noch einfacher beginnt cod. D Lk 24 1s mit joa dé statt xal dd os.
5) Sonst schließt sich in Lk und Act xal édod nicht an eine direkte
Rede an.
Das biblische xa? iq os in der Erzählung samt seiner hebräischen Vorlage 59
bereitet, besteht zwischen diesen beiden Reden kein Zusammen-
hang, sondern mit x. id. fängt eine neue Geschichte an.
III. Bemerkungen über das Verhältnis des Matthäus zu Markus.
Eine Gegenüberstellung der xai idod und idov-Stellen bei
Matthäus mit den entsprechenden Parallelsätzen bei Markus zeigt,
daß, wie ja zu erwarten ist, zwischen diesen beiden Synoptikern
ein immerhin ziemlich sonderbarer Zusammenhang besteht:
a) An 16 Stellen, an denen Mt xal idod bzw. (nach einem
Genetivus absolutus) einfaches idod hat, finden wir bei Mk ein-
faches xai, und zwar:
a) auf xal idod des Mt wie auf xat des Mk folgt das gleiche
Substantivum:
Mt 411 téte dpinoıw adtoy ô Öıdßolos, xal iðoù dyyeloı ...
dinadvovv abt@ ~ Mk iis xal Fv peta av Inoiwy, xai ol dyyekoı
Öınandvovv abt@;
Mt 920 * idod yur) ... yato ~ Mk Ben xal yuv) ... wa ro).
Mt 27; xal iðoù tò xatanétacua tod vaod éoxyiody ~ Mk 155:
xal tò xatanétacpwa Tod vaod Eoxiodn; ferner Mt 910 ~ Mk 218;
Mt 312 ~ Mk 111 (ähnl. Lk 312).
6) Auf xal idod des Mt wie auf xei des Mk folgt das gleiche
Verbum: |
Mt 8s: xal idod Hounoey ndoa ù dy ~ Mk 51 xal Sounoev
ij dy; Mt 17. xa idod") pn adtois Mwvons xal “Hiias ~
Mk 9, xai Spdn adtois "Halas oi Mwvoei; Mt 82% ~ Mk 57.
Markus hat an Stelle der finiten Form (Kompositum) das
Partizipium (Simplex), jedoch mit Einschaltung eines Verbums
des Gehens: Mt 9s xal ioù noocépegoy adt nagahviuxdy ~
Mk 2. xal Eoxovraı pégovtes meds abröv nagalvrındv?).
y) In Mt folgt (wie in Abschnitt q) auf soi ioù das nominale
Subjekt. Mk dagegen bietet bloßes xai in Verbindung mit ën,
yiveraı, &y&vero oder (4 mal) Zoxeraı (-ovtac)*), woran sich das Subjekt,
meist unmittelbar, anschließt. Wir werden hierbei an die oben
LXVI 157 und o. LXIV 199 verzeichneten Fälle aus der LXX er-
innert, wo soi ën Übersetzung von „und siehe“ zu sein scheint:
Mt 1210 xai idod dvdownos yeion Exwv Enodv ~ Mk 3: xal
1) Wie Mk auch Lk 843 xal yor) ... Jaro.
2) Auch Lk 939 hat xal idod: x. id. dvöpes do ovveildiovv gäre, oľtiveç
Zeen M. xal H
) Die Parallele Lk 51s liest xa? idod wie Mt und géeovtes wie Mk:
xal idod dvdees pégovtes Zei xAlyns dvdownorv.
*) Vgl. auch die soeben am Ende von Absatz 6 angeführte Stelle Mk 2s.
60 M. Johannessohn
hv ex dvIownos xtå., wo noch zwischen % und dvdewnos das
Wörtchen xe? eingeschaltet ist); Mt 8a. xa idod osıauös uéyas
éyéveto Zu th Yaldoon ~ Mk 4a. xal ylveraı Aaihaw ueydin
@v£uov, hier hat auch Mt éyéveto, aber an anderer Stelle“); Mt 17.
... lbod vepédn ... Eneoniaoev abdtods ~ Mk 9: xai éyéveto”)
vepein éniondlovoa adbtovs.
Mt 8. xa idod*) dengòg nooceAGar noeocexiver gët ~ Mk 1. o
xai Oer. nods abröv Aenods nagaxaldy abröv xtå., wo sich
zwischen ser, und Subjekt noch der Präpositionalausdruck zoög
cbt einschiebt; Mt 9ıs tadta abroö Aukoövrog ... idod’) doo
elg mooceddav moocextver ~ Mk Bai x foxetar els ron dexiovva-
yoyor; Mt 8s. xal iðoù noa Å adi EEnidev eis Öndvrnow To
’Inoodö ~ Mk 515 xal Zoxyovraı noög tov ’Inooöv, ohne nominales
Subjekt“); Mt 1246 ... idod I untno xal oi ddeAqoi abroö ciothxeioav
Ew ~ Mk 321 xal £oxovraı (v. I. Zoxetar) À uńtno adtod .).
b) Zweimal weist Mk 6é auf gegenüber xai idod des Mt:
Mt 265: xal lo od sig ron peta “Inood éxteivas thy yeEioa
aGnéonacey thy udyaıgav aðtoð ~ Mk 14. eis dé tug tOY nage-
ornndTwv onaoduevos tv udyatoay čnaioev; Mt 9s xal idod tives
tay yoauuarewv einay ~ Mk 26 Joa dé tives THY yoauuariwv
. Mit Zoos dé vgl. xal v Mk 3, (S. 59f. æ y).
c) Mt xai idod = Mk dad eödüs (siehe auch Abschnitt f):
Mt 15 xai idod yuv ... &ehtdovoa Engabev ~ Mk Van d eb
dxoV0aoa yuvh ... &lAdodoa TTE00ETTETEV.
d) Mt bedient sich zweier Sätze, nämlich eines xai idov-
Satzes und einer durch xai eids» eingeleiteten Partizipial-
konstruktion. Mk hat dafür einen einzigen Satz mit eidev als
Verbum finitum, von dem zwei Partizipialkonstruktionen ab-
hängen; an die Spitze des Ganzen stellt er soi eödög: Mt 310
Bantıodeis dë 6 *Inooits ebdic dveßn ..., xal idod Nvegxdnoav ol
oboavol, nai eldev nveöua ... xataBaivoy ~ Mk lio xal ebdds
1) Mit xal ğv beginnt auch Lk 66: xal qv ävdownos xet, nal h yele
adtod xtA. Das xe? des Mk steht aber bei ihm erst hinter dem Substantivum.
2) Anschaulicher Lk 823: xal xarégn Aathap dveuov.
3) Auch Lk 934 éyéveto vepein vd hinter Genet. absol.
) Auch die Parallelstelle Lk 513 verwendet xa? idov, aber nach einer sei
éyéveto-Verbindung (o. S. 46).
5) Die Parallelstelle Lk 84: hat xal idod, ohne vorausgehenden absoluten
Genetiv: xa idod JA der dvijo.
6) Wie Mk auch Lk Ban, nur statt des Präsens den Aorist 4 or.
7) Durch ein Verbum des Gehens eröffnet auch Lk 819 den Satz: zageyéveto
dë nods adtovy ν,xQ rd,
Das biblische xa? ééov in der Erzählung samt seiner hebräischen Vorlage 61
dvaßalvwv ... eldev oxıbousvovs tobs oveavovs xal tò mvEdUa ...
xaraßaivorv.
e) Mt hat xal idod, Mk stellt einen absoluten Genetiv an
die Spitze und fährt. dann asyndetisch mit dem Partizipium
und dem neuen nominalen Subjekt fort: Mt 19ısr. & ... èro-
oe Exneidev. xal idod eis no00eAd@v ait@ einev ~ Mk 101 xa
Exriogevou£vov attot Eis 606, T000600uwv Eis... émnowta Abröv;
Mt 2030 xai Exnogsvoutvwv atv ... Tnoloddnoev do molds.
xal ioù ÖVo Tuploi nadnusvor ... axovoartes ... čxoačav m
Mk 10. xal Exsogevou&vov adtod ... tupads moooaitys ExdInTo.
f) Mt xai mit absolutem Genetiv, dem idod folgt, Mk xa
evdds mit absol. Gen., dann asyndetisch angeschlossenes Verbum
finitum (des Gehens): Mt 264: xa @t abrodö Auloüvrog, Idod')
Iovò ag. . ider ~ Mk 14. xal eödöos gu adtod Aahodytos
naoaylvetar ’lovöas.
Die Erklärung dieses sonderbaren Tatbestandes ist nicht
ganz einfach. Und auch ich möchte hier nur kurz die paar Ge-
danken dartun, die sich mir aufgedrängt haben, in der Hoffnung,
daß Berufenere die richtige Deutung geben. Soweit ich die Ver-
hältnisse überschaue, dürften drei Möglichkeiten zu erwägen sein:
1. Angenommen, Markus ist von Matthäus benutzt worden.
Dann hätte Mt die xai idod und idod von sich aus hinzugefügt.
Da aber Mk nicht bloß xai an Stelle von xai idod bietet, sondern
auch 6é, d eb und noch andere Entsprechungen, so ist
schon aus diesem Grunde nicht recht einzusehen, wie Mt mit
solcher Regelmäßigkeit gerade auf xai idod verfallen sein sollte.
Darnach scheint mir, wenigstens in dieser Hinsicht, Abhängig-
keit des Mt von Mk sehr unwahrscheinlich zu sein.
2. Besser kann man sich vorstellen, daß Matthäus dem
Markus vorgelegen hat. In diesem Falle hätte nämlich Mk die
(xai) idod des Mt einfach fortgelassen oder ersetzt.
3. Schon die gemeinsame Vorlage hat (xai) idod (bzw. das
entsprechende hebr. w*hinné oder aram. w*hä) enthalten. Dann
hätte Matthäus die Vorlage bewahrt, während Markus — viel-
leicht mit Rücksicht auf seinen (nichtsemitischen oder wenigstens
des Hebr. und Aram. unkundigen) Leserkreis oder um überhaupt
zu gräzisieren — idod unterdrückt oder andere Ausdrücke dafür
eingesetzt hätte.
1) Auch Lk 224, lo os nach demselben absoluten Genetiv (oben S. 53).
62 M. Johannessohn
Vom sprachlichen Standpunkt aus erscheinen mir übrigens
die Erklärungsversuche unter Nr. 2 und 3 ziemlich gleichwertig’).
C. Exkurse.
I. „Noch er redend“ (zu S. 32 und o. LXVI 172. 174).
A. Altes Testament.
1. Die Verbindung „noch er redend“ wird in gleicher oder
ähnlicher Form noch öfters verwendet, aber statt mit „und siehe“
nur mit einfachem „und“ zu Beginn des Anschlußsatzes. Das
Subjekt besteht dabei überall aus einem Pronomen.
a) Ge 29, Jes 65. Esther 61. ‘6ddnnu (dd hem oder däm)
medabber (rim) „noch er“ bzw. „sie (plural.) redend“; Job 116. 12. 18
‘od (ıs Mas. ad „bis“) zd m. „noch dieser redend“.
6) Dan 920. 31 wd ani m. „und noch ich r.“.
y) Rg UI aa hinné (w*hinne) ‘odak (ödännä) m’dabbärät
„siehe (bzw. „und siehe“) noch du (bzw. ,sie“) r.“ (siehe schon
oben LX VI 172).
Hinzugefügt kann noch werden, mit wem das Subjekt redet:
Ge 29, ‘immam „mit ihnen“, Esth 614 ‘immo „mit ihm“, Rg III 114. se
(Sam) im hammäläk „(dort) mit dem Könige“.
Eine Erweiterung der Formel bietet Dan 920) (unter 8), wo
sich an „redend“ noch andere Partizipia anschließen: e od ani
m. ioemitpallel ümitwaddä hattäti ... ümappel teginnãti lipnẽ jhwh
„und noch ich redend und betend und bekennend meine Sünde
. und fallen lassend mein Flehen vor Jahwe ...“, dann heißt
es v.a weiter, den Anfang wieder aufnehmend, vg od an m°dabber
baltepilla „und noch ich redend in dem Gebet“.
2. Der Anschlußsatz beginnt regelmäßig mit „und“ +
Nomen (Substantiv oder Pronomen): Ge 29 Rg III iss w*rahel
(bzw. nätän) bd@a (bī) „und Rahel (Nathan) kam (kommend)“,
Job 116.17.18 w’ed ba’ „und dieser kam (kommend)*.
1) Die Erklärung unter Nr. 3 würde nicht ganz von den — allerdings
immer noch mit großer Vorsicht aufzunehmenden — Ergebnissen abliegen, zu
denen die formgeschichtliche Methode von ganz anderem Ausgangspunkt gelangt.
U. a. sei auf Mt 1210.46 1916 f. 2030 mit ihren Parallelen verwiesen, die zu den
von M. Dibelius, Formgeschichte des Evangeliums 40 als „Paradeigmata“ aus-
gesonderten Abschnitten gehören. Über die Wahl des Ausdruckes Parad. und
über die Methode und Berechtigung der „Formgeschichte“ überhaupt wage ich
mich hier nicht zu äußern, zumal mein immerhin beschränktes Material ein ab-
schließendes Urteil zu fällen nicht zuläßt.
2) Über die Sprache des Daniel siehe auch o. LXVI 171. 189; o. LXVII 32.
36. 37 Anm. 3, 53 Anm. 1 und unten S. 63.
Das biblische xa? Zoé in der Erzählung samt seiner hebräischen Vorlage 63
Esther 614 w*säriss hammäläk higgtu „und [die] Eunuchen
des Königs trafen ein“, Dan 921 teh, id gabrivél ... ng elai „und
der Mann Gabriel ... berührend (so Masora; bei anderer Aus-
sprache „berührte“) mich“.
Rg III 11. Jes 65s. warni dbõ' bzw. Gäng „und ich (ich)
werde kommen (bzw. hören)“.
Die Ubersetzer verwandeln den Werders Tast aus:
schließlich in den absoluten Genetiv (vgl. o. LXVI 174): Ge 29 Er.
ab ro Aukoövrog abtois, Rg III is: xal ioù čtu gbr Aadodvons’)
peta tov Baothéws, Esth 614 ër adtav Aadodytwy, Job 116. 12. 18
gti tovtov Aadodytos.
Abweichend vom Original kénnen Pronomen und Partizipium
ihre Stelle vertauschen: Jes 65. Ztı Aadodytwr aörav”), Rg III 114
sol ioù ti Aadovons cov (doch haben A und L die gewöhnliche
Wortstellung), Dan 921 xai čti Auloörıds pov").
Nur Dan 930 liegt eine andere Konstruktion vor: xa Zoe
éy@ E£idAovv noocevxduevos xal &ouodoyotuevos tas duagtias
pov ... xal Gex g èv rug noooevyais‘). Der Übersetzer hat
also in "od „noch“ die auch im Syr. vorhandene Präposition ad
„bis“ gesehen, die in der Peschita zur Umschreibung der mit
ër anlautenden absoluten Genetive benutzt wird. Zu ad s. Job. 11s
(S. 62).
Das „und“ des Anschlußsatzes kann bewahrt bleiben:
Ge 295 xal”) Paynd ... Joxero, Rg III 122 xal Nadav ... Ader,
14 nai Zo sicededoouat. An der späten Stelle Dan 9,1 wird
sogar noch — nach dem Muster von 10s0, wo auch im Hebr. der
Nachsatz mit w*hinne „und siehe“ beginnt — ein ido’ hinzugesetzt:
xai &r Anloüvros wou... xal idov’) ô åvňo ... nooaryytoé uot.
Doch kann dieses ungriechische „und“ auch gänzlich fort-
fallen: Job fis čte todtov Aahodvtos, duo ayyehos Eoxeraı (cod. S.
feyetar Zreooc dyy.). Außer „und“ wird Jes65s« noch das ab-
solute Personalpronomen „ich“ unterdrückt, so daß der Satz noch
1) bo c stellen um: aörıng Aad. ri, ea läßt Ser fort.
2) Nur die jungen Hss. 403 und 613 (Jsaias, ed. J. Ziegler) stellen die hebr.
Wortfolge wieder her.
3) Theod. hat die hebr. Wortfolge: xal čti éuod Aadodvtos.
t) Theod. verwendet den absoluten Genetiv: soi re uod Aadhodvtos xal
rg00evxou£vov xal EEayopedovros xtA. Bei der Wiederaufnahme, v. 21, bedient
sich aber auch der LXX-Übersetzer des absoluten Genetivs: xa? ër Aañoðvróç
pow v tů noo0evxij mov (siehe oben). |
5) xal édov haben die Hss. 19. 58. 314 u. a. (Rahlfs, Genesis).
6) Auch Theod. xæ? idov.
64 M. Johannessohn
„griechischer“ aussieht: rı Aahodytwy abtdy Zoe") „und ich
werde hören“).
Diese Wirkung wird auch dadurch erzielt, daß entgegen der
Vorlage (wie schon cod. S. in Job 11s) das Verbum an den Anfang
gerückt wird, so derselbe Job-Ubersetzer 116.12) &rı tovtov Aa-
Aoövros Ade Ereoog ayyedos wei bd „und dieser kommend
(kam)“, ferner Esth 61. čtu atv Aahodyvtwr nagaylvortar*)
of eövoöyor „und die Eunuchen ... trafen ein“.
B. Neues Testament.
Abgesehen von den oben S.32 angeführten Matthäus-Stellen
begegnet der auf einen hebr. Nominalsatz („noch er redend“) zurück-
gehende absolute Genetiv tre adtod Ankoövrog auch bei Mk Joh
Lk Acta, aber im Unterschiede von Mt ohne anschließendes idov.
Außerdem haben diese eben genannten neutest. Schriftsteller,
besonders Lk Act, gegenüber dem A.T. und Mt mancherlei Neue-
rungen sowohl an der Formel selbst, als auch an dem Anschluß-
satz vorgenommen:
1. Dem čt wird Mk 1443 xal edddc, Lk 2260 xal TAeaYOT Ua
vorausgeschickt.
Statt des einleitenden ézz (Mk 525 Lk 84% 224, Act 1044) findet
sich auch dé: Act 41 Aadodytwr 62°) aùtõv; ferner Lk 2436 Act 23,
(unter Absatz 2 und 3). j
Über Joh Saa, wo ër fortfällt, s. Abschnitt 4, S. 65.
2. Wie im A.T. und bei Mt ist auch hier das Subjekt des
absoluten Genetivs ein Pronomen, und zwar meist der Singular.
Nur Lk 2436 und Act 4, verwenden den Plural adr, der bei
Mt nicht vorkommt und auch im A.T. erst von einer jüngeren
Stelle, Esth 614, bezeugt wird.
) Dagegen = hebr. Rg III 114 xal yó (s. oben), vgl. auch den Anfang des-
selben Jesaja-Verses xal orai nolv (Ñ) aengdior adtods yò dn- (v. I. en-, elo“)
axodooucı abtav wehdja täräm jikre’a watni d a „und es geschieht, noch
nicht sie rufen, und ich antworte“.
) Der Übersetzer erweitert interpretierend: dei: Ti grv. — Er hat
offenbar die beiden hebr. Verba „ich antworte“ — „ich höre“ vertauscht.
2) Cod. A hat hier die hebr. Wortfolge, wenn auch ohne „und“: Zregos
dyyedos Eoxerau.
4) Ganz ähnlich ist Xen. An. VII 152 gebaut, wo ebenfalls nach einem
absoluten Genetiv (allerdings nicht von „reden“) eine Person mit Hilfe eines
Verbums des Gehens eingeführt wird: See 62 xadnusvav tõv orparıwrav, n0008p-
Zero Korgatddas.
5) Die Vorliebe des Lk für ôg hat uns schon die xal éyévero-Formel ge-
zeigt (o. LIII 196).
Cai
Das biblische xæ? i603 in der Erzählung samt seiner hebräischen Vorlage 65
Noch in einer anderen Hinsicht unterscheidet sich von den
übrigen Schriften die Apostelgeschichte, insofern sie als Subjekt
einen Eigennamen zuläßt: Act 10,4 ër Aaloövrog tod Ileroov
TQ ÖÚUQATA rot,
3. Da ein hebr. Nominalsatz zugrunde liegt, ist die gewöhnliche
Wortstellung Pronomen + Partizipium, wie sie Mk 5ss 144s Joh Ba
Lk 815 2436 Act 23, aufweisen.
Die umgekehrte Reihenfolge (erst Partizipium, dann Pronomen
[Eigenname]) findet sich nur 3mal in den lukanischen Schriften:
Lk 2260 Act 41 104 a?
4. Zu dem absoluten Genetiv kann ein sachliches Objekt
hinzutreten. Das kennt das A.T. nicht. Umgekehrt lehnt das
N.T. den alttest. Gebrauch ab, die Person hinzuzusetzen, mit der
das Subjekt spricht (o. S. 62).
Das Objekt kann sein
a) ein — nachgestelltes — Substantivum: Act 10.. (oben unter
Abschnitt 2 angeführt); |
6) ein — vorausgehendes — Pronomen: Act 23: todto dë
abtod Ankoövros”) (v. I. Auinoavros, eindvrog); Lk 24. tadta dé
abr khahodrvtwrv, Joh 8: tadta adtod Aahodytos. Auch hier
scheint wie Mt9:. (S. 32) todto (tadta) gleichsam Ersatz für ër
zu sein.
5. Der Nachsatz wird niemals mit Hilfe von «af angeschlossen’),
sondern
a) asyndetisch mit dem Subjekt: Joh 8:0 raöra adtod Auloöv-
tos, moAloi Eniorevoav eis aùtóv und Lk 24. tadta dë adıav åa-
Aodvrov, abtog Eoın Ev éco abtov.
An der ersten Stelle glaubt man noch die semitische Wort-
stellung des Nachsatzes zu spüren, und für den bei Lukas beliebten
Anschluß mit aörds, das aus xal aùtóç = wht „und er“ entstanden
ist, siehe o. LIII 190f. und 204f.;
b) an der Spitze steht ein Verbum des Gehens. So an den
beiden Stellen des Markus: 535 Sr, adtod Ankoövros, Eoxovrar
én Tod doyiovvayayov Aéyortes (Lk 84, mit demselben Genetivus
absolutus, dann Zoyetal oe maga tod doxiovv. x.) und 1443 xai
ebd bg Eri abt. Aad. nagayivetat ô Iovdas. Damit sind Job 116.17
Esther 61. (S. 64) zu vergleichen, wo die LXX die Verben „de
1) Im A. T. Rg III 114 und an den jüngeren Stellen Jes 653. Dan 921 (S. 63).
) Ein ähnlicher Anfang Xen. An. III 2 robro da Adyovros adrod (nıdgvvral
tis). Vgl. III 31 rob οπ Aeyðévrwv (dvesımoar).
3) Auch Matthäus hat ja nur einfaches idov (oben S. 33f.).
Zeitschrift für vergl. Sprachf. LXVII 1/2. 5
66 M. Johannessohn
und zagaylvovraı an den Anfang gerückt hat im Gegensatz zur
Vorlage, die „und“ + Subjekt + Verbum aufweist. Es wäre also
immerhin denkbar, daß auch den Markus-Stellen ein Anschluß mit
„und“ oder sogar mit „und siehe“ zugrunde liegt oder wenigstens
vorgeschwebt hat.
Ferner gehört hierher Act 4 Aahodytwy dé adıav . ., né-
ornoav adrois ol legeic.
c) Ziemlich weit ab vom alttest. Vorbild rückt Lukas an drei
Stellen, wo andere Verben als ‘gehen’ den Nachsatz eröffnen:
Act 23, totto dé abrod Auloövros, &yéveto’) ergoe tõv Dagioaiwv
nai Saddovuaiwyv. — 10. . Eménecey TÒ NVEŬUQ ... Ei drag,
Lk 2260... épwvnoev dhéntwg.
II. Uber „eins“ als unbestimmten Artikel (zu S. 36f.).
1. Mit der oben angeführten Stelle Dan 10, „und siehe Mann
einer“ vergleiche noch aus demselben jungen Buche Daniel c. 8;
whinné ’ajil ’ähäd „und siehe Widder einer“ (xgzdv Eva, Theod. xgıög
eis) gegenüber der älteren Stelle Ge 22:13 w*hinne ajil „und siehe
Widder“ (singul.), wo der unbestimmte Artikel gar nicht bezeichnet
wird). Doch findet sich im Hebr. vereinzelt auch in früheren Büchern
(Judic Rgg) das Zahlwort „eins* im Sinne eines unbestimmten
Artikels): Judic 132 if ’ähäd „Mann einer“ (ée A, dvno eisB),
ebenso Rg I 11 (dv$ewnos B A, dvd. etc Rezension des Origenes),
III 131: nab? “ähäd „Prophet einer“ (neoprens eis), IV4ı Judic 963
*188a ahat „Frau eine“ (yvvn uia)‘), auch 6. “gala h°däsa ’ähat
„Wagen neuen einen“ (duadav xawńv, Orig.-Rez. + ulav), also
überall mit Nachstellung des Zahlwortes.
Vom A.T. unterscheidet sich wesentlich das N.T., das eis
in dieser Verwendung — wie im Neugriechischen — voraufgehen
läßt") ): Mt 81 eis yeaupateds, 2660 ula nardioxn, Mk 12. uia
1) Ein solches „Hilfs“-2ye&vero begegnete uns Mt 282, auch 824 im xal éidov-
Satz (oben S. 38).
2) Allerdings haben eine Reihe von Hss, ’ajil ’ähäd „Widder einer“ (statt
’ahar „hinten“), LXX xọ:òç eis, s. Kittel, Bibl. hebr. und König, Hebr. Syntax
§ 291d.
3) Die nächsten Beispiele ohne „und siehe“.
) Dazu o LXVI 180 Anm. 4.
5) Ausnahme nur Joh Ge, wo der textus receptus hinter masödoıo» noch ën
setzt (die Belege für das N.T. aus Bauer, Wörterbuch zum N. T. s. v. eis 3b).
6) Auch wenn, eins“ wirkliches Zahlwort ist, geht es den Personenbezeichnungen
vorauf: Joh 1814 s dvPownor, 841 Eva nareoa, Mk 126 Eva ... vidv, Mt 2315 Eva
zgoonAvrov. Bei Sachbezeichnungen kann es davor und dahinter treten: Mt 2012
Mk 1437 ulav Gees, Mt 56 ulav telya, Mk 814 va dorov, aber Lk 225 Seas
Das biblische xa? i605 in der Erzählung samt seiner hebräischen Vorlage 67
AREA voxn, Apoc 18a: els dyyedos, 1911 Eva dyy. — 81s vòs derod.
Überall sind die Substantiva Personen, auch Tiere, aber keine
Sachen.
2. Auch im Aramäischen kommt mitunter das Zahlwort
„eins“ einem unbestimmten Artikel gleich oder doch sehr nahe.
Es kann wie im Hebr. dem Substantiv folgen oder — im Gegensatz
dazu —, und zwar häufiger, vorangehen: ha ’a(n)tta h’dä „siehe
Frau eine“ (Brockelmann, Chrestom. 4020), gabra had „Mann einer“
(Ungnad, Syr. Gramm. § 24a), bar nas had „Mensch (eigtl. Sohn
eines Menschen) einer“ (Schulthess-Littmann, Gramm. des christl.
palästin. Aramäisch 112ss, siehe auch dort § 166, 1a) — had bar
nas „ein Mensch“ (folgt Relativsatz, aus einem Midrasch, Dalman,
Aramäische Dialektproben *25:s), ferner had jehüdai ... had ‘arbat
„ein Jude... ein Araber“ Midrasch, Dalman 141ı:r), had sajjar
„ein Karawanenführer“ (ebd. 1518), h°wat tammän hedd ’ittetä jateba
„war dort eine Frau sitzend“ (aus dem Jerusalem. Talmud,
Dalman 27.) u. 6. Auch der babylonische Talmud liebt Voran-
stellung des Zahlwortes (Margolis, Lehrb. der aram. Sprache des
babylon. Talmuds § 52 b) ).
3. Wie das Aramäische zeigt ferner das sich gleichfalls in
syntaktischer Hinsicht stark vom Ursemitischen entfernende Äthio-
pische Ansätze für den Gebrauch des Zahlwortes „einer“ als
eines unbestimmten Artikels. Im Gegensatz zum Hebr. geht das
Zahlwort meist voran, z.B. wahalawat ahati walat baje’eti hagar
„und war ein Mädchen in dieser Stadt“ (Dillmann, Chrestom.
Aethiop. 2420), kama ’ahada be’esi „wie ein Mensch“ (Dillm. 13:21),
uis, Mt 51 ulAıov Ev, 627 ND Eva. Im selben Satz verschiedene Stellung:
Mt 5ıs idta Sr I ula negala.
1) Im Evang. Hierosol. heißt es zwar z.B. „ein Mann“ (Lk 8a: 9ss), „ein
Mensch (14a 192), „ein Schreiber“ (1025), „ein Toter“ (712), doch auch noch „Frau
eine“ (73: 1311). Wie das Verhältnis zwischen Voranstellung und Nachstellung
von „einer“ innerhalb der einzelnen aram. Dialekte und Literaturen ist, vermag
ich nicht anzugeben. Ich vermute aber, wie schon die angeführten Beispiele zeigen,
Unterschiede. Jedenfalls ist klar, daß die Entwickelung zu dem im Neusyrischen
verliegenden Zustand hindrängt, das nur noch Voranstellung zuläßt, sowohl vor
Personen wie vor Sachen (ein Mann, ein Buch). Zahlreiche Beispiele in den Lese-
stücken und der Chrestomathie von J. Rosenberg, Lehrbuch der Neusyrischen
Schrift- und Umgangssprache. Auch die neuaram. Dialekte von Ma‘lula und von
Urmia kennen vorangestelltes ak(h)ad und ha „einer“ in der Bedeutung des un-
bestimmten Artikels, so 6¢ ahhad (rer bbainötun „war ein Mutiger zwischen
ihnen“; ha näsa „ein Mann“, ha dukta „ein Ort“, ha jüma „ein(es) Tag(es)“.
Attribute kommen hinter das Substantivum zu stehen: a Jwanga raba zarbana
„ein Jüngling, großer, starker“. Die Beispiele sind entnommen den Dialektproben
bei Bergsträsser, Einführung 87. 93—95.
D?
68 M. Johannessohn
ferner im „und siehe“-Satz, offenbar unter dem Einfluß der Bibel-
sprache: wa-nahu ’ahati bè st... halafat kedemehu „und siehe eine
Frau... ging vorüber vor ihm“ (De viris sanctis, Dillm. 20,0). Im
selben Satz sowohl Voran- wie Nachstellung von „einer“: ’amsé’x
lita ’ahata ’cbna wa-’amse’u lötu ’ebna ’ahata „bringt heran mir einen
Stem. Und sie brachten heran ihm Stein einen“ (Dillmann 15,
aus dem Liber Baruch, angeführt auch von Praetorius, Gramm.
Aethiop. § 141).
Wenn im Amharischen das Zahlwort „eins“ als unbestimmter
Artikel dient, scheint es stets an der ersten Stelle zu stehen, wie
Judic 132 ande raw (gegenüber der hebr. Vorlage „Mann einer“),
ferner Rg I 11 III 1311 1V4:. Entgegen dem Urtext, der das bloße
Substantivum bietet, heißt es auch Ruth 1, „ein Mann“. Vgl. auch
ande tämäri „ein Schüler“ (Bergsträsser, Einführung in die semi-
tischen Sprachen 116s. aus E. Mittwoch, Proben aus amharischem
Volksmunde)'). Ebenso aus dem Tigré: wöröt ends „ein Mann“,
egel wöröt kestenäi „zu einem Christen“, hatte me‘el „eines Tages“
(Bergsträsser 123; u. 124, 124, aus Littmann, Tigre-Erzählungen).
Die Wortstellung bleibt, auch wenn Attribute hinzukommen ):
hatte essit läuhät „eine Frau, mitleidige“, et meder Haba$ hatta essit
sädgat wa-lauhdt ... ‘aldt „im Lande Abessinien eine Frau gerechte
und mitleidige ... war“ (Bergsträsser 1256. 10).
Dagegen heißt es in der von Bergsträsser 131f. mitgeteilten
Probe aus dem Mehri sowohl aka tad fadouli „kam ein Schwätzer“
als auch gad tad nuka bä-mgahöjit „Mann einer kam ins Kaffee“.
4. Unter den älteren idg. Sprachen verwendet das Armenische
„einer“ als unbestimmten Artikel, und zwar stellt es ihn (wie das
Hebr.) hinter das Substantivum. Siehe die Beispiele S.53 Anm. 4
und Meillet, Altarmenisches Elementarbuch § 77,1. Dieser Gebrauch
setzt sich im Neuarmen. fort, und zwar, während sonst die modernen
Sprachen den unbestimmten Artikel dem Substantivum vorausgehen
lassen, seltsamerweise unter Beibehaltung der alten Wortstellung
(C. Kainz, Gramm. der armenischen Sprache 109)“.
5. Dem klassischen Griechisch ist eig als Ersatz für den
unbestimmten Artikel so gut wie unbekannt‘). Zwar gibt es in
1) Beispiele auch bei Praetorius, Die Amharische Sprache 299. 302.
) Wie im Neuaram. (o. S. 67 Anm. 1), im Gegensatz zum Hebr.: Judic 62
„Wagen, neuen, einen“ (Abschnitt 1, o. S. 66).
3) Doch heißt es auch in der Sanskritübersetzung Act 161 sisya eka „Schüler
einer“ (unten S. 70).
) Einige Stellen führt Bauer, Wörterb. s. elg 3 an, als erste Aristoph. Aves
1292 n8odı& uèv els ndannkos @voudleto ywdds, Mevinnp Oh» yelıdav odvoua
Das biblische xæ? do in der Erzählung samt seiner hebräischen Vorlage 69
Verbindung mit dem partitiven Genetiv Belege aus Plato, Xenoph.,
Isocrates u.a. (Krüger, Griech. Sprachlehre § 47, 9, 4, Blaß-De-
brunner $ 247, 2), doch ist, worauf Krüger und Debrunner hin-
weisen, eis überall noch als wirkliches Zahlwort, wenn auch zuweilen
etwasabgeschwächt, empfunden. Eine Parallele bietet das Arabische,
das gleichfalls „einer“ vor Genetiv-Verbindungen als richtiges Zahl-
wort') gebraucht: ’ahadu “aga’ibi d-duniä „eins [der Wunder der
Welt“ (aus Makdisi, Descriptio imperii Moslemici = Grünert, Arab.
Lesest. II 4519), besonders deutlich vor einem Dualis: ’ahadu I-has-
maini „einer der beiden Gegner (im Sprichwort, Grünert II 10),
‘ahadu ganähai id-duniä „einer [der] beiden Flügel der Welt“
(Makdisi, Grunert II 43.). Über das Syr. s. oben S. 36 Anm. 2.
III. Zur Stellung des Eigennamens (zu S. 49 Anm. 4).
1. Das zugefügte évéuat steht im N. T. in der Regel vor
dem Eigennamen (Mt Mk zähle ich je imal, Lk 6mal, Act 16 mal)),
z.B. Mt 2722 dvdownov Kovonvaiov, Övduarı Sivwva. Nur Acta
stellt an 6 Stellen ö»duarı dahinter.
Überhaupt scheint Nachstellung des Eigennamens hinter Aus-
drücken wie „mit Namen“ oder ähnlichen Wendungen?) in den
semitischen und indogerm. Sprachen zu überwiegen. Belege bieten
das Arab., Hebr., Syr., Äthiop., sowie das Armen., Got., Lit., Russ.,
Neugr., Italien., Span. usw.
Dem stehen aus den idg. Sprachen gegenüber dasIranische und
das Altindische, die den Eigennamen dem begleitenden Ausdruck
ziemlich regelmäßig vorangehen lassen. So heißt es Videvd. X VIIL15
Schon die Gegenüberstellung durch uév—óé (samt dem Eigennamen) zeigt, daß els
doch noch nicht ganz zum unbestimmten Artikel geworden ist.
1) Das Arab. bedarf keines unbestimmten Artikels, da er ja durch die Nunation
ersetzt wird, die sich in erstarrten Resten bis ins Neuarab. erhalten hat, lebendig
sogar noch im Beduinischen ist. Daneben ist in anderen Dialekten das Zahlwort
„eins“ schon auf dem Wege zu einem unbestimmten Artikel. Siehe darüber Berg-
strässer, Einführung in die semit. Sprachen 178f., der aus dem Maltesischen darba
waheda „Mal ein“ (einmal) anführt, mit der uns aus dem Hebr. bekannten Wort-
stellung.
2) Joh vermeidet dvduarı und gebraucht dafür Wendungen, die uns aus LXX
bekannt sind und auf das Semit. zurückgehen, wie le dvoua adr ’Iwdvns (Apoc 68
Svoua atë Fdvaros), hebr. würde es heißen, „und sein Name J.“, auch mit Um-
stellung der beiden Glieder, wie 31 Nınddnuos ğvoua gäre, vgl. damit die beiden
Sätze Rg I 1728 und II 16s (S. 49).
3) Dahin gehört das Partizipium „genannt“ oder ein den Eigennamen ent-
haltender Relativsatz. In der Bevorzugung der einen oder der anderen Ausdrucks-
weise scheinen die einzelnen Sprachen, vielleicht auch die einzelnen Menschen
auseinanderzugehen.
70 M. Johannessohn
(Reichel, Awest. Elementarb. 401): marayo y parö.dars nama „der
Vogel, welcher Parodar’ [mit] Namen“, ferner äsid raja nalo
nama ,(es) war ein König, Nala [mit] Namen“ (Nalus, ed.
Bopp I 1), tam abhyagaccad brahmarsir Damano nama „zu ihm
ging ein brahmanischer Seher, Damana [mit] Namen“) (ebd. I 6).
Dieser Wortstellung bedient sich auch die Sanskrit-Übersetzung
des N.T.s, z.B. Lk 228, und ganz durchgehend die neupersische.
2. Meist aber erfährt diese aind. Ausdrucksform dadurch eine
Umgestaltung, daß das die Gattung, den Stand o.ä. bezeichnende
Appellativum ganz ans Ende, also erst hinter den Ausdruck „Name“
gerückt wird, z.B. Hitopadesa 3. asti srinagaré mandamatir nama
rathakärah „(es) ist in Srinagara (ein) Mandamati [mit] Namen
(d.h. genannter) Radmacher“ und so noch oft, auch bei Tieren,
Bergen, Gewässern usw. Im ersten Buche des Paficatantra zähle
ich 16 solcher Fälle, wo näma zwischen Eigenname und Appel-
lativum steht. Diese Wortfolge wird auch in der Bibelübersetzung
angewendet, z.B. Act 161 tatra timathiya nama sisya eka äsit „dort
Timotheus [mit] Namen Schüler einer war“ xai iĝoù uadnTng tis
ën xet òvóuatı Tıuddeog?).
3. In überraschender Weise findet sich aber diese im Abschnitt 2
erwähnte, eigentümliche formelhafte Anordnung beim Eigennamen
noch auf einem ganz anderen Sprachgebiete wieder, so daß man
versucht ist, irgendwelche Berührungen in vorhistorischer Zeit
anzunehmen. Es heißt nämlich im Türkischen: Lk 2. we-iste
urslimanda (Umschreibung?) sim an isminde ... bir adam bulunub
„und siehe, in Jerusalem Simeon bei seinem) Namen... ein
Mann wurde gefunden“ xai idod dvdownos Tv èv "Tegovoainu,
@ Övoua Zvuswov, Act 161 we-iste orada timutaus (?) isminde bir
$äjird war ydy „und siehe, dort Timotheus bei seinem Namen ein
Schüler war“ (also ziemlich ähnlich der Sanskrit-Übersetzung,
S. 70, Ende von Abschnitt 2), ferner Lk 1035 19s. isminde „bei seinem
1) Oder wohl richtiger „Nala, Damana [ist der] Name“ (o. S. 49 Anm. 5).
2) Hierher auch apers. haca Piräva näma rauta „von [dem] Piräva (= Nil)
[mit] Namen Flusse“ (abgedr. bei Rosen, Persien 62). Bei Herodot 2. B. lesen wir
zwar auch dv “AAvy noraudv (176), cov Tóvôņv noraudv (1190), “Iotoos zota-
uós (II 33), aber ohne évoua. Doch haben wir einen Rest und, wenn man will,
eine Weiterbildung in dem Partizipium xa/edusvos zu sehen, wie III 10 & 20
InAovolp nalcousvp orduarı tod NefAov. Genau so kann man auch noch heute
im Deutschen sagen „aus einem Ukuhlonipa genannten Nationalgebrauch“ (Max
Müller, Vorlesungen über die Wissenschaft der Sprache [bearbeitet von C. Böttger]
II 31).
A Das eingefügte Pronomen nimmt nur den im Genetiv zu denkenden
Eigennamen wieder auf.
Das biblische xa? td os in der Erzählung samt seiner hebräischen Vorlage 71
Namen“ wird Lk 10s. 24:3 durch pers. nām „Name“ ersetzt, wie
auch in dem von Horten, Kleine türkische Sprachlehre 64, Z. 6f.
verzeichneten Beispiele: bunu gibunun rumanyn zevaly nam tari-
hanynda ukudum „dies Gibbons Roms sein Verfall, Name, in seinem
Geschichtswerke habe ich gelesen“ d.h. dies habe ich in Gibbons
Geschichtswerk, betitelt der Verfall des römischen Reiches, gelesen).
Die sanskr. und türk. Fassung von Act 161 (oben S. 70)
deckt sich ferner mit der ungarischen: (és imé vala ott) egy
Timotheus nevu tanítvány „(und siehe, war dort) ein Timotheus
mit Namen (namens) Schüler“. Und so finde ich diese Reihenfolge
innerhalb der Evangg. und der Apostelgeschichte noch über 15mal,
lauter Stellen, die an der griech. Vorlage nicht den geringsten
Anhalt haben. Ein außerbibl. Beispiel lesen wir in einer Erzählung
(„Der Spielkamerad“) von Mikszáth Kálmán (= Tolnai, Ungar.
Leseb. 46:1.) egy Bölyi Mátyás nevu tanító (elt a falunkban) „ein
B. Matthias namens Lehrer (lebte in unserm Dorfe)“.
Wenn auch die finnische Bibelübersetzung sich in Anlehnung
an griech. évduate sich meist des Ablativs nimeltä bedient, so lehren
doch einige Stellen, daß auch im Finn. so angeordnet werden
kann: Act 1614 eräs Lyydia niminen") purppuraumyyjä „eine) Lydia
benannte Purpurverkäuferin“ zig yuv) ôvóuatı Avdia, nogpgpvednwdAis;
9,5 erään Eneas nimisen miehen „einen Äneas benannten Mann“
évioundy tiva Övduarı Aivéav; Lk 24ıs Emmaus nimiseen kylään
„in (ein) Emmaus benanntes Dorf“ eis xwunv... 0 övoua H.;
ferner Act 183. 271.
IV. Über „und siehe“ im arabischen Erzählungsstil.
1. Dem hebr. hinné „siehe“ entspricht etymologisch arab. inna,
das nach Reckendorf, Syntaktische Verhältnisse im Arabischen 353f.
dazu dient, die Aufmerksamkeit des Zuhörers zu erregen und sie
besonders auf das Subjekt des „siehe“-Satzes zu lenken. Dieses
Subjekt steht immer, auch wenn es nicht unmittelbar auf „siehe“
folgt, im Akkusativ‘), wie inna ragulan daruba „siehe ein Mann
1) Charakteristisch für die türkische Wortfolge ist eine Verbindung wie
nasreddin hoga efendi ,Nasreddin Lehrer Herr“ (Horten 100), im Deutschen
gerade umgekehrt: Herr Lehrer N.
2) niminen ist Adjektivbildung vom Substantivum nimi „Name“.
3) Hingewiesen sei aber auf die verschiedene Stellung von „ein“: im Türk.
erst vor dem zugehörigen Substantiv, im Ungar. und Finn. schon vor dem
ganzen Gefüge.
*) In welchem Kasus sich der Hebräer das Subjekt gedacht hat, ist nicht
zu ersehen, da ja das Hebr. die Kasusendungen bis auf ganz geringe Reste auf-
gegeben hat (s. schon o. LXIV 201, Anm. 2).
72 M. Johannessohn
schlug“, ein Satz, den Reckendorf ursprünglich so auffaßt: „He
einen Mann! Er schlug“. |
2. Dieses arab. inna scheint überwiegend dem Gesprächsstil
eigen zu sein und deckt sich also hinsichtlich der Anwendung
nur zum Teil mit hebr. hinné’).
So hat z.B. das arab. Diatessaron an Stelle von xai
idod in der Erzählung niemals xa- inna, sondern in den meisten
Fallen bloßes ua „und“, oder, falls der dem xa idod vorauf-
gehende Satz durch einen temporalen Nebensatz ausgedrückt
wird, überhaupt keine Entsprechung.
Auch die in Studia Sinaitica VII abgedruckte arab. Über-
setzung der Acta (aus dem Syr.) meidet xai idod bzw. einfaches
idod in der Erzählung”) gänzlich und setzt dafür ein:
a) einfaches „und“ + an den Anfang gezogenes*) Verbum
substantivum: Act 161 ua-käna tamma ’ahadun min at-talamudi
1) Erst bei den christlichen Arabern, also in nichtklassischer Sprache,
ist mir ga- inna innerhalb der Erzählung in der Bedeutung von hebr. we-hinne
„und siehe“ begegnet, so 5mal hintereinander in Studia Sinaitica VII 7220 fl.:
kana li-rähibin ... ‘almanijjun ua-’inna -rrähiba marida ... uvinnahu kala
li-Talmäniii salli(sic!).... va-innahu salla ... va-inna-lalmäniia marida
ba'da dalika fa-kala li-rrähibi salli... na- inna ’rrahiba sallä „(es) war
einem Mönch... ein Laienbruder, und siehe, der Mönch (arab. Akkus.) wurde
krank ., und siehe er (angefügtes Pronomen) sagte zum L.: Bete... Und
siehe er betete ... Und siehe der L. wurde krank darauf uud(fa) sagte zu dem
Mönch: Bete... Und siehe der Mönch betete“. Auch in der unten S. 74
genannten arabischen Pentateuch-Übersetzung cod. Leiden Arab. 377 heißt es
Ge 6ı2 (nach ‘sehen’) ga- inna für wehinne: ua-ra’a llahu dälika ua-inna
larda kad fasadat „und sah Gott dies, und siehe die Erde, (sie) war schon
verderbt worden“ = hebr. „und sah Gott die Erde, und siehe usw.“.
) Auch in der Rede (1010. 21 1311.25 2029.25) wird ¿oú nicht durch ’inna
„siehe“ ausgedrückt. Hervorzuheben ist die Wiedergabe durch das Maskulinum
des Demonstrativpronomens im Sinne des Neutrums: 10:9 kala lahu rihu
llaht hada kad ’atika talätatu nafar(in) „sagte zu ihm [der] Geist des Gottes:
Dies(er), es sind gekommen zu dir drei Männer“ idod dvöges dvo (v. I. veeis)
d uyrobvreg oe. Ein solches hada für idod (syr. ha) begegnet uns auch in der
— leider noch ungedruckten, von W. Reimpell angefertigten — arabischen
Pentateuch-Übersetzung der Syro-Hexaplaris des Häreth b. Senän, so Ex 322.
ua-hada malaki jakdamuka „und dies(er), mein Engel wird zuvorkommen dir“
idod ô GyyeAds mov noonogedvetas (-cetac A) wed noo0Wnov oov, 24s hada damu
l-‘ahdi Nadi “ahida bihi r-rabu „dies, Blut des Bundes, welchen geschlossen
hat der Herr“ idod tò atua sis dtadjxns, Ze ore dero xdoros, ähnlich auch 3321.
Diese Verwendung des Demonstrativums berührt sich mit dem Verfahren der
griech. Tragiker, unter Mithilfe von ĝe das Auftreten von Personen anzukünden,
siehe o LXVI 184 Anm. 7. — Für das Arab. s. auch Graf, Der Sprachgebr. der
ältest. christl.-arab. Lit. 63. Nöldeke, Zur Gramm. des class. Arab. 48ff.
3) Über die Anfangsstellung des Verbums s. auch o. S. 66.
Das biblische xæ? iéod in der Erzählung samt seiner hebräischen Vorlage 73
„und war dort einer von den Jungern“ xai idod uadnıns oe
Zu nci;
8) das Perfektum des Verbums „kommen“ ): Act 1030 ua-fī
tisi s@atin min in-nahäri ... 'atänı ragulun fa-käma baina iadaiia
. ua-kala „und in der neunten Stunde vom Tage ... kam zu
mir ein Mann und trat zwischen meine beiden Hände (d. h. vor
mich) ... und sagte“ xai iðoù dvno Eoın Evonıdv uov ... c
pnolv. Ähnlich 12: und 102: (hier für einfaches idod nach einem
durch fabainä „und während“ = os eingeleiteten Vordersatz).
In 1112, wo das Satzgefüge anders als im Griech. abgeteilt
wird, geht dem „kam“ noch id dälika „damals“ (wörtlich etwa
„da dies“) voraus: id dälika "atäni taldtatu nafaran (sic) „damals
kamen zu mir (suffigiertes Pronomen) drei Männer“ xai idod
éEavtis toeis dvöges éméotnoav ... meds HE,
3. Im ganzen deckt sich jedoch, wie mir scheint, mit dem
in der Erzählung verwendeten hebr. w*hinne „und siehe“ syn-
taktisch eine ganz andere Wendung, nämlich fa-(ua-)’ida*) „und
da“, an die sich das Nomen (Subjekt) unmittelbar anschließt
(meist im Nominativ, gelegentlich mittels bi „an“, „in“), z.B.
baina anã n@imun ra’aitu ’anni 'atufa bi-Ika’bati fa-idā ragulun
sabitu $-Sa’ri baina r-ragulaini „während ich schlafend, sah ich,
daß ich den Umgang mache (arab. ein Wort) um die Kaba.
Und da [sc. erschien] ein Mann glatt des Haares (d. h. mit
glattem Haar) zwischen den zwei Männern“ (Ed. Sachau, Das
Berliner Fragment des Müsä°) Ibn Ukba, Sitzungsb. d. Pr. Ak.
d. W. 1904, S. 26, Z. 1%); ebenso mit „Mann“ hinter „und da“,
doch enthält der Vordersatz ein Bewegungsverbum, ebd. S. 25, Z. 1f.
Ein Eigenname folgt auf „und da“ Ibn Hisam ed. Wüsten-
feld 1535. (= Brünnow-Fischer, Arab. Chrestom. 42:1): fa-rafa‘tu
rast “ila s-sam@i ’anzuru fa-ida gabrailu fi surati ragulin „ich
erhob meinen Kopf zum Himmel, [indem] ich sehe (d. h. um zu
sehen), und da [war] Gabriel in Gestalt eines Mannes“.
Recht schön zeigt die syntaktische Gleichwertigkeit des hebr.
whinné „und siehe“ mit dem arab. fa-ida „und da“ eine Gegen-
1) „kommen“ u.ä. als Ersatz für xa? idod im Syr. sehr beliebt (Exkurs V,
unten S. 77, aber auch im Germ.
2) Arab. dd ist etymologisch (aber nicht syntaktisch) mit hebr. "ës ver-
wandt, das gewöhnlich in LXX durch: zöze wiedergegeben wird. — Arab. fa
übersetze ich hier der Deutlichkeit wegen einfach durch „und“; es liegt natürlich
mehr darin.
8) Müs&, gestorben 141 der Flucht, ist älter als Ibn Ishak (T 150), dessen
Werk durch Ibn Hišâm auf uns gekommen ist (Sachau a. a. O. 2).
74 M. Johannessohn
überstellung von Ex 4, im Hebr. mit Koran Sure 71 (= 26ss):
wajjabe jado bee wajjostah w*hinné jado megõra at kassaläg
„und er brachte seine Hand an seinen Busen und ließ heraus-
gehen sie, und siehe seine Hand aussätzig wie der Schnee* —
uanazaa jadahu fa-ida hiia baida’u „und er riß heraus seine Hand,
und da’) sie weiß usw.“. |
Zu vergleichen ist Sure 710 (= 2621, ganz ähnlich 2021)
fa ald “asahu faida hija tu banun mubinun „und er warf seinen
Stab, und da er (selbständ. Pronom.) eine Schlange, deutliche“,
wo aber die hebr. Parallelen Ex 710 und ıs nur einfaches „und“
verwenden: wajjaslek ... dt mattéhu ... wa-jehi letannin „und er
warf ... seinen Stab ..., und (er) wurde zur Schlange“, wajjas-
iki “ts mattéhu wajjihjüa letanninim „und sie warfen, ein Mann
= ein jeder) seinen Stab, und (sie) wurden zu Schlangen“.
Häufig verwendet auch die arab. Pentateuch-Übersetzung
der Syro-Hexapl. jenes fa’idä, auch nach „sehen“ (z. B. Ex 26
1410 392s as) Dt 913), ebenfalls oft auch die beiden von Lagarde
in seinen „Materialien zur Kritik und Geschichte des Pentateuchs
1867“ herausgegebenen arab. Handschriften, cod. Leiden Arab. 230
(Genesis) und 377 (der gesamte Pentateuch) ).
Das unter Abschnitt 1 (S. 72) erwähnte Diatessaron bedient
sich an drei Stellen (Mt 2. 317 411) des fa(ua)'ida für xai idov.
) Das gleiche fa’idä bietet die Übersetzung des unten S. 74 angeführten
cod. Leiden Arab. 377: tumma ’ahragaha fa-ida hija baidä’u „darauf ließ er
herausgehen sie, und da sie weiß“.
2) cod. 230 ist nachgeprüft von H. S. Davidson in Leipz. Semitist. Studien
III 5, cod. 377 von J. C. Hughes ebd. VII 3. — Bei der Gelegenheit möchte ich
auf ein paar sprachliche Dinge hinweisen: a) za- dad „und da“ wird gelegentlich
vor „sehen“ gestellt: cod. 377 Ge 182 „und erhob Abraham seine Augen, und
da, er sieht (Fa- dd huua jara) drei Männer usw.“, hebr. wehinne selösa
’anäsim „und siehe drei Männer usw.“ (LXX eldev, xal idod geste ävöges),
ferner 331 (vgl. das unten S. 81 angeführte Beispiel aus dem Lit.). — b) Der
Wahrnehmungssatz kann mittels eines durch za „und“ eingeleiteten Zustands-
satzes umschrieben werden: Ge 26s „und (er, sc. Abimelech) sah den Isaak,
und er scherzte mit (arab. acc.) Rebekka, seinem Weibe“ (ua-huua jala‘ibu
rifkä zaugatahu), hebr. wehinne „und siehe“. — c) Die im Koran häufiger
vorkommende Verbindung ra'd "dë „sehen auf jmd.“ (o. LXIV 253, Anm. 1,
vgl. auch hebr. Jes 530 822 ebd. 187, Anm. 1) wird cod. 230 Ge 612 gegen den
Grundtext hergestellt: „und sah Gott auf die Erde (fa-nazara ... ila
!-arda), und da, sie war verderbt worden“, hebr. wajjar’ . dt hä’äräz
wehinne „und er sah die Erde, und siehe“ (LXX xal eldev.... thv ën), —
d) Hebr. wehinne „und siehe“ wird durch ra’a „sehen“ umschrieben (wie ge-
legentlich in der LXX, o. LXVI 158 und in der Peschita, unten S. 78), und zwar
mit asyndetisch angeschlossenem Satz: Nu 1642 (177) oder mit ’anna „dab“:
Nu 1647 (1712) 17s (as).
Das biblische xa? dod in der Erzählung samt seiner hebräischen Vorlage 75
Weitere Beispiele aus verschiedenen Schriftstellern bringt
Reckendorf, Arab. Syntax 23. 308. 3571.
Beide Wörter, fa’idö „und da“ und ‘inna „siehe“, wozu noch
als dritte Hervorhebungspartikel la „fürwahr“ tritt, sind mir
vereint begegnet bei Ibn Hišam ed. Wüstenfeld 1041. (= Grünert,
Arab. Lesest. II 17.2 f.): uakäma zaugi “ila Särifinä tilka faida
"innahä la-häfilun „und stand auf mein Gatte zu jener unserer
Altersschwachen (Kamelin), und da, siehe sie [war geworden]
fürwahr eine Eutervolle“. Offenbar soll durch die Häufung der
Partikeln das ganz unerwartete Ergebnis noch mehr zum Aus-
druck kommen.
Einfaches idd „da“ wird als Einleitung des Anschlußsatzes
hinter einem Nebensatz') verwendet, wie z. B. in dem von
Reckendorf, Die Syntaktischen Verhältnisse des Arabischen 11
angeführten Satz: lammä dahaltu l-bāba ge" tamma ragulun
min baiti l-makdisi „als ich zur Tür hereintrat, da" [sc. stand]
dort?) ein Mann von Jerusalem“. So noch beduin. hd < de,
V.
Über „und siehe“ im Syrischen, besonders in der Peschita.
1. Gelegentlich wird im Syrischen innerhalb der Erzählung
nend „und da“ („und siehe“) oder — nach einem konjunktionalen
Nebensatz — einfaches ha „da“ („siehe“) verwendet, z. B. u-kam
“al septeh d-nahrä -h boor b-hen „und er stand über der Lippe
(= dem Ufer) des Flusses, und siehe [er] blickend (angaffend)
auf sie“ [sc. die dort waschenden Frauen] (Leben des Ephraem,
Brockelmann, Chrestom. 28:4). Mit diesem Satze lassen sich die o.
LXV1150f. verzeichneten, mittels „und siehe“ eingeführten Zu-
standssätze vergleichen. Doch ist die Übereinstimmung nur äußerlich.
Denn im Hebr. bezieht sich das Subjekt eines solchen „und
siehe“-Satzes auf eine im Vordersatze genannte Person, die nicht
Subjekt ist, wie Ge 2436 „und er kam zu dem Manne, und siehe
(er, d. h. der Mann] stehend über den Kamelen“ (LXVI 150). Da-
gegen ist im syr. Beispiel das Subjekt des „und siehe“-Satzes
mit dem des Vordersatzes identisch.
1) Vgl. Loos nach einem “s-Satz Act 101, wo allerdings ein Teil der
Überlieferung xa) idod aufweist, oben S. 46.
2) Die so verwendete Partikel nennen die arab. Grammatiker „das dd
der Plötzlichkeit“ (da -Ifaga’iiiatu). (Reckendorf, Arab. Synt. § 159).
3) Zu tamma „dort“ hinter idä „da“ vgl. hebr. Judic 21. h,, "on
sam is „und siehe nicht dort ein Mann“ (o. LXIV 194). Übrigens folgt auch
hier noch ein Präpositionalausdruck mijjosebe jabes „von [den] Einwohnern
[von] Jabes“.
76 M. Johannessohn
Doch dient wie im A. und N.T. auch im Syr. „(und) siehe“
zur Einführung einer neuen Person: gdas uhä gaisā d-taiiaie
’ethzi „(und als er stehend usw.) geschah es, und siehe, eine
Räuberschar von Arabern wurde gesehen“) (Leben des Rabbila,
Brockelmann 796). — ukad hälen methassab (Mud hä hasiä
dalaha ... slek léh I-bemä „und als darüber (er) nachdenkend
war, siehe der Heilige Gottes ... stieg hinauf auf die Kanzel
(Hijua)“ (Leben des Ephraem, Brockelmann 33:08), ukad “äbar-uä ...
ha atta dd... däbrä huät I-tren bneh „und als er vorüber-
gegangen war (an einer von den Straßen der Stadt), siehe Weib,
eins, führte ihre zwei Söhne“ (ebd. 4070).
Diese beiden letzten Sätze erinnern an die bei Mt vor-
kommenden absoluten Genetive mit anschließendem idod (S. 31ff.),
und so wird überhaupt im Syrischen der Gebrauch von „(und)
siehe“ in der Erzählung im großen Ganzen auf Einwirkung der
Bibelsprache beruhen.
2. Daß nämlich dem Aramäischen eine dem hebr. wehinne
„und siehe“ entsprechende Partikel in der Erzählung von Hause
aus fremd ist, zeigt, abgesehen von den aram. Teilen des Daniel,
wo ga- ar) (na- alu nur in Visions- und Traumberichten vor-
kommt (o. LXIV 225), besonders deutlich das Verhalten der
Peschita im N. T.:
Zwar kann xal idod wörtlich durch yhā ausgedrückt werden,
doch werden häufig andere Übersetzungen gewählt. Dabei ver-
fahren merkwürdigerweise die einzelnen Bücher hinsichtlich der
Bewahrung von xa ido’ ganz verschieden): |
Am treuesten bewahrt xai idov als uh. die Übersetzung der
Apokalypse (8mal unter 9 Fällen. Man darf wohl daraus
schließen, daß „und siehe“ wirklich als ein wichtiger Bestandteil
des Visionsstils empfunden wurde.
Unter den übrigen neutest. Schriften begegnet uns «hä am
häufigsten in Matthäus (11 mal unter 23 Fällen).
1) Hebr. wäre hier „sehen“ entbehrlich; Ex 1610 Spy (hebr.) ist anders.
Doch vgl. Mt 17s (Mk 94) sei (ld od) . oben S. 48. 59.
2) Zare (nach Brockelmann, Grundr. 1217 aus ree „siehe“ (Imperativ) über re
entstanden) ist in den Targumen die gewöhnliche Entsprechung von hebr. Ai „daß“
nach „sehen“ (Ge 14.10 usw.) und anderen Verben, auch für 42 = „denn“ (Nu 239
Dt 3252 349). Hebr. hinne „siehe“ wird durch das allgemein-aram. 2d wieder-
gegeben.
3) Schon die syrischen Exegeten nahmen, wenigstens für das A. T., mehrere
Übersetzer an. Siehe darüber A. Baumstark, Geschichte der syrischen Literatur 18
und Anm. 11.
Das biblische xa? ééod in der Erzählung samt seiner hebräischen Vorlage 77
Dagegen wird die Wendung im Lukas-Ev. nur 4mal (unter
14 Fällen) verwendet und fällt in der Apostelgeschichte ganz aus.
Auch das in Mt 10mal vorkommende einfache idod wird
ziemlich abgelehnt; es wird nur 2mal durch hä wiedergegeben.
Im einzelnen wird soi idod folgendermaßen ersetzt:
a) Durch einfaches u „und“): 7mal bei Mt, 4mal Lk, 2mal
Act, 1mal Apoc.
b) Durch an zweiter Stelle stehendes den „dann“, „aber“,
4mal (Mt 9s Lk 2e5 235 Act 161).
c) Durch den zusammengesetzten Ausdruck u-mehda*) „und
von einem“, d. h. „und mit einem Male“, „und sofort“ Mt 2751.
d) xai idod kann auch gänzlich unterdrückt werden °): Mt 910
Lk 131: 192 Act 1020 1272. Auch einfaches idod (Mt) nach einem
Genetivus absolutus, der syr. durch einen temporalen Nebensatz
umschrieben wird, bleibt 6 mal unberücksichtigt.
e) Eigenartig ist die Umschreibung von xal idod bzw. idod
durch Verba:
a) Durch die Bewegungsverben‘®) eta „kommen“, m'i? „ge-
langen“, „herankommen“, erg begegnen: Mt 1916 uetä had kreb
ue mar leh „und kam einer, näherte sich und sagte ihm“ xai
idob ,L οe adt sinev, Ähnlich 9ıs (für einfaches idod). —
Lk 512 etä gabrä da-mlé kuleh garbä „kam ein Mann, der voll
[war] ganz [von] Aussatz“ xa idod évo nArong Aémoas, — Mt 1246
’etau “emmeh u@hau käimin lbar „kamen seine Mutter und seine
Brüder stehend draußen“ idod ù l xal of Ad edo adtod
elornneıoav w. — Vgl. S. 73 u. S. 60, Abs. a y (Markus).
Act 82: yaréh mhaimna had d-a'te’'ua men kus „und begeg-
nete ihm Treuer (= Minister, Eunuch) einer, welcher kommend
war von Äthiopien“ xai idod done Aidioy.
1) Auch der Übersetzer der Genesis, der 27mal (einschließlich hinter
„sehen“) xa? éd0d (wehinne) mechanisch durch wha wiedergibt, sagt doch einmal,
154, dafür bloßes „und“: wWamar leh maria „und sagte ihm der Herr“ für den
längeren hebr. Ausdruck wehinne debar jhwh ’eläu le’mor „und siehe [das]
Wort Jahwes zu ihm zu sagen“ (LXX xal eb pwrh nvolov éyéveto 2005
abrdv).
2) Auch sonst, z. B. Mt 316 für eddds, 8sə für dé.
3) So auch Ge 3829 „und als (ukad) er wendete seine Hand, ging heraus
(npak) sein Bruder“ gegenüber hebr. „und es geschah gemäß [dem] Zurück-
bringen seine Hand, und siehe (2o*kinné) ging heraus sein Bruder“.
*) Die Genesis der Peschita kennt solche Umschreibungen durch Be-
wegungsverben nicht. Ob man annehmen darf, daß sie ursprünglich unsemitisch
gewesen und von auswärts in die Sprache der Peschita eingedrungen sind?
78 M. Johannessohn
Act 101: werden sogar zwei Verba des Gehens („heran-
kommen“, „kommen“), allerdings an verschiedener Stelle, hinzu-
gesetzt, so daß der syr. Text 4 Verba gegenüber nur 2 der
griech. Vorlage enthält: matti(iu) gabré hänun ... usa’el(u) ...
ue tag ukäm(u) ‘al tard „kamen heran Männer jene ... und
fragten ... und kamen und standen an der Tür idoö of dvögss
... GEOWTNORVTES ... Ereornoav en tov mvdAdva.
8) Durch „sehen“ )) Lk 712: ukad kreb I-tarä da-mditta
zeũ kad mlauuen mītā „und als er sich genähert hatte [dem] Tor
der Stadt, sah er, indem (= wie) [sie] geleitend einen Toten“
Òs dë Ayyıoev th nón ts wéAews, xai idod &exouileto tedvnnws.
y) Durch das Ethpeel (Passiv) von ’eskah „finden“ Act 110
’estkah(u) tren gabrin kaimin lyathon „wurden gefunden zwei
Männer stehend bei ihnen“ xal idod dvöges doo nagelotixeccay
avtots.
Aus der Genesis führe ich noch die Umschreibung mit kad
„indem“, „als“ hinter „sehen“ und „finden“ an: 26, „und er sah
den Isaak, indem?) er lachend mit Rebekka“ (kad mgahék), hebr.
„und siehe J. scherzend usw.“, 37:5 „und fand ihn ein Mann,
indem) [er] umherirrend auf dem Felde“ (kad ge bheklä), hebr.
„und siehe [er] umherirrend usw.“.
1) Auch Ge 2925 wird hebr. wekinne „und siehe“ durch syr. „sehen“ um-
schrieben, das aber hier mit de „daß“ konstruiert wird: ukad hud sapra uahzä
d-laia (Mi „und als war Morgen und er gesehen hatte, daß Lea sie“ (hebr.
„und es geschah am Morgen, und siehe sie Lea“ wehinne hi? lea). — Mit de
„daß“ für hebr. „und siehe“ wird — hier schon im Urtext vorhandenes —
„sehen“ auch Ge 613 und 312 konstruiert: „und sah Gott die Erde, daß (sie)
verderbt worden war“ (hebr. „und sah Gott die Erde, und siehe (sie) war ver-
derbt“) bzw. „und sah Jakob das Antlitz Labans, daß nicht (es) war mit ihm
usw.“ (hebr. „und sah Jakob das A. Les und siehe usw.“). — Eine Parallele
zu dieser im Syr. beliebten Konstruktion bei „sehen“ bietet eine sich mehr der
Volkssprache nähernde ngr. Bibelübersetzung, die statt des accusat. c. partic.
der Vorlage meist die Konstruktion „sehen“ + Objekt + te anwendet. Und
entsprechend dem Umstande, daß syr. de sowohl Konjunktion „daß“ als auch
Relativpronomen „welcher“ ist, findet sich statt dc: etliche Male 6 ömotos, z. B.
Mk 9:8 eldousv Eva, 6 dnotos uè tò Övoud cov anedimune tà ĝairuóvia (eldouev
tiva v tË Övöuarl oov Er.ßdiAovra ĝairuóvia). Vgl. % HE ene, nov Eddeve
åo pAweıd „sie sah er, wo (= daß) sie ausgab lauter Dukaten (Wied, Lehrb.
der neugr. Volksspr. 1268 f. ähnlich auch bei „finden“: Boloneı rij» ndon nod
xevrä für „er findet das Mädchen stickend“ (Seidel, Neugr. Chrestom. 64 8).
*) Vgl. Ge 3729 und Ex 213, wo in LXX wehinne „und siehe“ durch deg
ersetzt wird (o. LXVI 159).
3) Ob hier die LXX mit im Spiele ist, die die hebr. „und siehe“-Kon-
struktion in den accus. c. partic. umgewandelt hat (eldev ré Ioaax nailovrta,
eder gh d Ävdownos nAavdmevov), vermag ich nicht zu entscheiden (s. im
Das biblische xal idod in der Erzählung samt seiner hebräischen Vorlage 79
3. Zum Schluß dieses Exkurses möchte ich noch kurz auf das
sogenannte Evangeliarium Hierosolymitanum’) hinweisen.
Obwohl sich der Verfasser im ganzen ziemlich sklavisch an die
Vorlage hält (xal idod = u-hä), vermeidet er dennoch an 7 Stellen
diese Formel:
a) Ganz fort fällt xai idod Lk 841.
8) Nur idod wird unterdrückt Mt 832 17s Lk 225. — Zwischen
„und“ und Verbum wird Mt 82, und 92 noch das Personal-
pronomen der 3. Person eingeschaltet: u-henon suah(u) uä’mrin
„und sie schrieen und sagend* xai idod čxoačav Aéyortes bzw.
u-henon karreb(u) „und sie brachten heran“ x. id. mgoocépegov.
y) Für sich steht Mt 316, wo das als Adverbium gebrauchte
sue „zusammen“, „zugleich“ die Stelle von xal idod einnimmt.
VI. Zu lit. štai (S. 33).
1. a) Die für Matthäus charakteristische Ausdrucksweise
„Genetiv. absolut. + idod“ begegnet uns in ziemlich ähnlicher Form
auch im Litauischen: Dativ mit sogen. Gerundium + Stat (Star)) ),
z. B. tatpo jiems pas Gäert nubegant, Star, varles ... 4 vdnden iSöko
„so sie zum See hinlaufend, siehe, die Frösche ... in das Wasser
hineinsprangen“ (A. Kurschat, Lit. Lesebuch 121s = Rhesa, Aisöpas,
Nr. 42 (S. 22).
allgemeinen schon Strack, Einl. in das A. T.“ 191). Jedenfalls ist die Konstruktion
mit kad „indem“ gut syrisch, wie uns Aphraates belehrt, der in seinen
Homilien — neben der auch von ihm am häufigsten angewendeten Konstruktion
„Sehen“ + Akkusativobjekt + de „daß“ („welcher“), vgl. o. S. 78 Anm. 1 —
gelegentlich auch kad benutzt, z. B. I 49322 (ed. Graffin) haze’(h)ua l-kadisa
kad ’äte’ men ’edöm „sehend war er den Heiligen, indem [sc. er, d. h. der Heilige]
kommend von Edom‘, 79710 ua-hzä’ Salma ddàm kad metakkan „und sah
die Welt der Mensch, indem (sie) aufgestellt; ferner 1935 21224 25321 72412.
In 1451 und 28916, wo zwei Wahrnehmungen von „sehen“ abhängen, wird die
erste mit Hilfe von kad „indem“, die zweite durch de „daß“ („welcher“) aus-
gedrückt: „er sah die Tür des Himmels, indem (sie) geöffnet (kad ptihä), und
die Leiter, daß sie hinaufführend (de maske’) in die Höhe“ bzw. „er sah den
Himmel, indem er geöffnet (kad ptihin), und den Geist Gottes, daß er herab-
stieg (de nehtat)‘.
1) Siehe darüber auch Schultheß-Littmann, Gramm. des christl.-palästin.
Aramäisch $ 1, Abschn. 4, Anm. 1.
2) Aus šitai, z.B. Bretkuns Postille Lk. 29.10 (Leskien, Lit. Leseb. 1092. 5).
5) Natürlich findet sich die Gerundium-Konstruktion (ähnlich wie der griech.
absolute Genetiv) vielfach auch ohne anschließendes Star. Doch können auch
andere Interjektionen den Nachsatz eröffnen: jez bélipant, tvykst! zvaigzdetasis
äpreds princo akims pasirddi „[während] sie hinaufsteigend, — fvykst
(„Interj. beim Aufblitzen“) — das sternenbesäte Kleid den Augen des Prinzen
zeigte sich“ (Leskien, Lit. Leseb. 3628).
80 M. Johannessohn
Mitunter wird der Vordersatz in ein gleichsam moderneres
Gewand gekleidet, indem das Gerundium durch einen mittels
kaip (kai) „wie“, „als“ eingeleiteten Nebensatz ersetzt wird, z. B.
kaip jis kokig vdlunda savo véidg apzvatges büvo, stat, medéjas triabyjo
„als er eine Weile sein Antlitz beschaut hatte, siehe, der Jäger
blies“ (Kurschat 1320).
Besonders häufig treffen wir solche Gerundium- Konstruktionen
bei Donalitius an, aber auch die Märchen enthalten welche, wenn
auch spärlicher. Ob nur Einfluß der Bibelsprache vorliegt oder
ob daneben noch andere Ursachen anzunehmen sind, vermag ich
nicht mit Sicherheit zu entscheiden.
b) Der Gerundium-Satz weist, wie zu erwarten, verschieden-
artige Verba auf, darunter häufig (wie beim griech. Matthäus)
Verba des Redens, z. B. bèt jiems bekalbant „aber [während] sie
redend“ (Donal. bei Wiedemann, Handb. der lit. Spr. 214.,), auch
mit Fortfall des persönlichen pronominalen Dativs’), wie taip
besipdsakojant „[während wir uns“ oder „sie sich] so unterhaltend“
(Zz. B. Wiedemann 20296, Leskien 5418).
Auch auf die Beschaffenheit der Subjekte des „siehe“-Satzes
und ihre Stellung erstreckt sich die Übereinstimmung mit dem
biblischen Sprachgebrauch. Sie bezeichnen nämlich meist Per-
sonen, auch Tiere, viel seltener Sachen und Abstrakta*) und
schließen sich in der Regel unmittelbar an stai an.
c) Es gibt aber auch Fälle, die über die Sprache der Bibel
mehr oder minder hinausführen. Abgesehen von den uns schon
begegnenden teip „so“ und bet „aber“ vor der Gerundium-Kon-
struktion möchte ich hier nur auf ein paar charakteristische Sätze
hinweisen: ein mq į vienus namüs atéjus ir pro duris į stubg Zengt
benörint, stat, sutinkü gaspadine „ſals] so ich in ein Haus ge-
gangen und durch die Tür in die Stube schreiten wollend, siehe
(ich) treffe die Landwirtin usw.“ (Schleicher, Lit. Leseb. 24621) ).
Hier folgt das neue Subjekt nicht im Nominativ, sondern im
Akkusativ, abhängig von dem Verbum „begegnen“, „treffen“,
dessen Subjekt mit dem des Vordersatzes identisch ist.
1) Auch für den griech. absoluten Genetiv ist das pronominale Subjekt
nicht notwendig, siehe Kieckers, Historische griechische Grammatik (Göschen)
IV 98, auch oben S. 32 Anm. 3.
2) Beispiele zu geben, zumal innerhalb dieses engen Rahmens, erübrigt sich.
3) In einem Satz ähnlichen Inhalts beginnt der Nachsatz statt mit stat
mit dem Personalpronomen: jém jau keliés dienäs éjus, jis pritika vienq
zmögy ,{als] er schon einige Tage gegangen, er trifft einen Menschen“
(Schleicher 241 1 u).
Das biblische soi dos in der Erzählung samt seiner hebräischen Vorlage 81
Zwischen den Gerundium-Satz und Kai, das das neue, per-
sönliche Subjekt im Nominativ einführt, wird ein vorbereitender
Satz eingeschoben: jiemdviem linksma? smaguridujant, Stat, dürys
atsivere ir gaspadörius jéjo „als] sie beide fröhlich naschend,
siehe, — die Tür öffnete sich — und der Hausherr kam herein“
(A. Kurschat 13; = Rhesa Nr. 77), Selmui taip besidyvyjant, štat,
girgsteria dürys ir Saltysius Prickus tuo visiems pasiröde „[während]
Selmas sich so wundernd, siehe — knarrt die Tür — und der Schulze
Fritz sogleich allen sich zeigte“ (Donal. = Wiedem. 203120 f).
Vereinzelt findet sich die — im ganzen unbiblische’) — Ver-
bindung „siehe“ + Verbum des Sehens’): kai jis per skylute Ziuréjo,
Stai, pamdté jis Gott beklüpant „als er durch das Loch schaute,
siehe, sah er einen Löwen knieend“ (Schleicher 1401).
Kaum noch Spuren einer biblisch beeinflußten Ausdrucks-
weise zeigt ein Satz wie o kad jaú per daug Ziemjs müs pradeda
dövyt, Stat, tuojuus) vilnöng sáv ir kdilinius imam „und wenn zu
sehr der Nordwind uns anfängt zu quälen, siehe, sogleich unsern
Woll(-rock) und Pelz nehmen wir“ (Donal. = Wiedemann 20669 f)).
2. a) Recht häufig treffen wir auch das zusammengesetzte
ir (o) Stat „und siehe“ an. Doch scheint bei dieser Wendung
die Anlehnung an den biblischen Sprachgebrauch nicht so stark
zu sein wie beim einfachen $tai. Immerhin macht sich doch
zuweilen, gerade an den vorgenommenen Änderungen, der Ein-
fluß der Bibel bemerkbar. Auf einige wenige, zufällige Stellen
möchte ich aufmerksam machen: jis po valandös iséje, ir Stat,
sale slénksée lauké biwa vyrelis „er nach einer Weile ging hinaus,
und siehe, daneben. auf der Schwelle draußen war ein Mann“
(Schleicher 232,), hebr. würde der Anschlußsatz nur etwa lauten
„und siehe, ein Mann auf der Schwelle“, ähnlich ir stdi! pasirödi
jet moteriski pàčadanti pagelbet „und siehe, zeigte sich ihr eine
Frau, versprechend zu helfen“ (Leskien 3512 = Jurkschat, Lit.
Märchen usw. 7810).
Der „und siehe“-Satz enthält das Verbum des Findens:
potäm jis čjo į kita stübq, ir stat, Cé jis rádo princése bemiegance
1) Vereinzelt Rg IV 1321 xal id0d eldov = hebr. (o. LXVI 185).
2) Vgl. die oben S. 74 Anm. 2 verzeichneten Beispiele aus dem Arabischen.
3) „sogleich“ hinter Sas findet sich sehr oft; zu vergleichen ist damit
Zëoocpc Act 1111: xal idod gavtis toeis dvò geg nei. (oben S. 58).
+) Auch noch in neuerer Zeit begegnet 3/aö in der Rede, so in einem
von Leskien 9616 mitgeteilten Gedicht (aus dem Jahre 1899) vor einem Per-
sonennamen: štái, Jürgis müs isgélbés nud neldimes „siehe, Georg wird uns
heraushelfen von dem Unglück“.
Zeitschrift für vergl. Sprachf. LXVII 1/2. 6
82 M. Johannessohn
„darauf er ging hinein in eine andere Stube, und siehe, dort
er fand die Prinzessin schlafend“ (Schleicher 14021), hebr. etwa
nur „und siehe die Prinzessin schlafend“. Der lit. Satz erinnert
uns an LXX Jes 37. (o. LXVI 159) und Peschta Acta 110
(S. 78), wo „finden“ als Ersatz von „und siehe“ verwendet wird’).
b) Von dem hebr.-griech. Sprachgebrauche weichen ziemlich
ab Sätze, in denen sich unmittelbar an „und siehe“ der dativus
cum gerundio anschließt: o stai, jet küknio betrisient, sdké tas
kudikis „und siehe, [während] er in der Küche sich bemühend,
sagte das Kind“ (Schleicher 197. u), o stati! jam susvilpus arklgs
su visais pasikéli į õrq „und siehe, [nachdem] er (zusammen-)
gepfiffen habend, das Pferd mit allen erhob sich in die Luft“
(C. Jurkschat, Lit. Märchen und Erzählungen I 1361s). Eine ent-
sprechende griech. Konstruktion mit dem absoluten Genetiv
hinter xai idod gibt es nicht. Es sieht so aus, als ob diese lit.
Satzgefüge aus der unter Abschnitt 1 beschriebenen Konstruktion
‘dativus c. gerund. + idov’ hervorgegangen sind.
Während in allen bisher angeführten Sprachen die beiden
Bestandteile „und siehe“ stets zusammenbleiben, kann im Lit.
gelegentlich „und“ von „siehe* durch ein Wort getrennt werden:
visi dJvyjos’ is to dguna gaurüota küdike, 6 isvicius štai! b’ésqs — kätins
„alle wunderten sich über das wunderbare, behaarte Kind, und
— [nachdem sie] ausgewickelt habend (= nach dem Auswindeln) —
siehe, seiend ein Kater (Jurkschat 847).
Inhaltsübersicht.
Seite
A. wehinne „und siehe“ bzw. xal idod usw. im Alten Testament.
Band LXVI .... e I145—195
I. Bücher mit hebräischem Original een . I45—193
a) „und siehe“ nach einem Verbalsatz . . . . . . . =. . 146—170
a) Nach Verben der Bewegung . q . 146—166
(Beschreibung der Konstruktion. ae Die Verba
des Vordersatzes. Innere Beziehung des „und siehe“-Satzes
zum voraufgehenden. Gestalt des „und siehe“-Satzes.
Subjekt und Prädikat. Wortstellung.)
Verhalten der Übersetzer . . . 156—166
(Wiedergaben von „und siehe“. Gini ng le Ab-
neigung gegen eingliedrige Sätze. Wiedergabe der Verbal-
formen. Behandlung von hebr. prädikatlosen Sätzen.)
b) Nach Situationsschilderungen und durativen Verben . 166—170
1) Auch in der Vulgata wird ‘und siehe’ etliche Male durch invenire
und (seltener) reperire umschrieben. Siehe auch oben LXVI 159 Anm. 4.
Das biblische xa? Loos in der Erzählung samt seiner hebräischen Vorlage 83
(Bewegung und Ruhe beim gleichen Verbum. Auftreten
einer Person. „und siehe“-Satz nie en
Verhalten der Übersetzer
(Tempus des Vordersatzes und des xal 240 Sate
8) „und siehe“ nach einem Nominalsatz
1. Der hebr. Vordersatz ;
(Verba meist ‘gehen’ und ‘reden’ )
2. Der hebr. „und siehe“-Satz .
(Subj. fast nur Person.)
Verhalten der Übersetzer
1. Der Vordersatz
(Gen. absol. u. a.)
2. Der „und siehe“-Satz .
(xal idod, salpyns, ebdds; Tempus überwiegend Aorist.)
y) „und siehe“ nach einem zajehi „und es Be ee
1. Der „und es geschah‘-Satz .
enthaltend einen Nominalsatz (gr. 1 Gen., ER TP C.
inf. u. a.)
einen durch ke „wie“ eg leer Infinitiv E Pe ra:
Datierungen einfacherer Art
2. Der „und siehe“-Satz .
a) Die hebr. Vorlage .
(Subj. meist Person. Begegnung ‚Ewischen zwei i Per-
sonen.)
b) Die griechische Wiedergabe er ee Ae es it
(xal dod; xal eddds, nal Fv, nai rie, Wiedergabe
der Verbalformen.)
6) Anhang: Einzelstellen . ,
(Ge 2524 — Judic 4sıf. Rg II 1401 — Be Iv 6241 — Ge 1575
und 17. — Dan 10 f. „und siehe“ nach direkter Rede [Ge 153
Judic 21s Rg III 1911] — „und siehe“ als Verweisungs-
formel.)
II. sei édod in den nur griech. vorliegenden Büchern .
a) Die Makkabäerbücher (Ma I)
b) Die übrigen Bücher (Susanna) .
B. xal idod im Neuen Testament. Band LXVII
I. Matthäus
a) Frequenz von a 1 260 und 2605 und uber die Beschaffen.
heit des Vordersatzes .
b) Verwendungsweise von xal 260 und Med
c) Gestaltung des (xal) idov-Satzes .
1. Subjekt . ZENNER
(Eigenname, Person, Tiere, ‘Unbelebtes. Substantivum ;
els revẽg.)
2. Prädikat
d) Wortstellung .
e) Innere Beziehung des Vordarsatacs zum (nat) 260 Satz
6 *
Seite
168—170
170—178
171—172
172—173
174—178
174—175
175—178
178—186
178—182
178—181
181—182
182
182—186
182—183
183—186
186—193
193—195
193—195
195
30—62
30—44
30—34
34—35
35—42
35—37
31—42
42—43
43—44
84 F. Specht, Hom. fefdodFwr.
Seite
II. Die lukanischen Schriften =. 44—59
a) Frequenz von xal lid os und Lo on. 44—45
b) Beschaffenheit des Vordersatzes . . n =.=. 4—47
c) Verwendungsweise von soi ld o. . . 47 —51
Vom Subjekt (Einförmigkeit, de, yur, Eigenname)
d) Prädikat und Gestaltung des xal idov-Satzes . . . . . 51-56
1. Das Lukas-Evangelium .......... =... £51—55
2. Die Apostelgeschichte `, . . . : 2 222 nen... £55—56
e) Wortstellung . . 56—57
f) Innere Beziehung des Vordersatzes zum seet Leg, Satz . . 51—59
III. Bemerkungen über das Verhältnis des Matthäus zu Markus . 59—62
C. Exkurse „ ee a 68
I. „Noch er redond ee 6266
A. Altes Testament nnn 62—64
B. Neues Testament e, 6466
II. Über „eins“ als unbestimmten Artikel 66—69
(A. und N. T., Aramäisch, Äthiop. (Amhar.), Armen; Kach
III. Zur Stellung des Eigennamens . . 69—71
(N. T. — Parallele zwischen aind.-iran. und turk. Aung. inn)
IV. „Und siehe“ im arabischen Erzihlungsstil . . - . . . 1-75
V. „Und siehe“ im Syrischen, besonders in der Peschita . . . 75-79
VI. Litauisch lal e Soca gë e SE GCG 79—82
Berlin. M. nn en
Hom. gigädodwv.
Hom. Bıßdodwv, das immer am Versende in der Verbindung
mit waxed erscheint, ist in seiner Stammbildung nicht genügend
geklärt. Sehr vorsichtig äußert sich darüber E. Schwyzer, Griech.
Gr. 703,8. Man erwartet eine Bildung wie Bıßdoxwv im intran-
sitiven Sinn’), das die Handschriften als varia lectio zu Bıßdodw»
auch bieten. Das verbale Suffix sk konnte aspiriert werden, wie
die ai. Vertretung cch lehrt, die man wegen der griech. Ent-
sprechung ox gern auf idg. sk zurückführen will. Aber aspirierte
und unaspirierte Formen stehen sich hier genau so gegenüber
wie im Superlativ ai. -istha- gegenüber griech. -ıoros. Ferner
findet sich neben sk auch idg. sk*, das durch germ. Bildungen
wie got. gawrisgan, an. pryskua neben got. friskan"*), abulg. iskg,
lit. jieskau u. a. gesichert wird (Brugmann, Gr.? II 3, 352, 360).
Demnach könnte Bıßdodw» auf ein urgriech. *g*igtask*hon zurück-
gehen, wo die Aufeinanderfolge der 3 Labiovelaren gr-g*-krh zu
einer Dissimilation g*-g*-th führte.
Breslau. Fr. Specht.
1) Wegen trans. @sfdoxw s. Wackernagel, Sprachl. Unt. 18, 2.
3) Brugmann, Gr.? II 3, 271f. sieht in den germ. Bildungen kaum mit Recht
Analogiebildungen.
H. Kronasser, Die lateinischen Nominative auf -és. 85
Die lateinischen Nominative auf -és.
Uber die lateinischen Nominative vom Muster cladés und miles,
g. -is, sind die Meinungen geteilt. Brugmann (Grdr.“ II, 1, 220)
sieht darin abstufende Diphthongalstämme, was H. Pedersen (5-ieme
Decl. Lat.p.9, Danske Videnskabernes Selskab, Hist.-fil. Meddelelser
XI [1926] 5) seinen 2-Stämmen zuliebe eine „idée malheureuse“
nennt. Sommer vermutet in der ersten Auflage seines Hand-
buches (407) Dehnstufen von ei-Stämmen und gewinnt in der
zweiten (371) die Einsicht, die schon Lindsay (L. S. 397) gehabt
hat, daß hier Verschiedenartiges zusammengeflossen sei, was
auch Leumann (L. G.“ 232) meint. Lindsay hält die Endung -és für
die mundartliche Form vollstufiger Nominative auf *-eis. Lommel
nimmt ein Femininsuffix -é/-2 an (Idg. Femininbildungen 71f.),
dessen Reduktionsstufe im vedischen vrkis-Typus verallgemeinert
worden sei, während die Vollstufe -&') sich im Lateinischen und
Baltischen durchgesetzt habe. Im Vedischen und Lateinischen
sei das Nominativ -s angetreten. Schließlich muß noch erwähnt
werden, daß Hirt öfters (bes. Vok. 55ff.), die Vermutung Brug-
manns ausführlicher aufnehmend, dehnstufiges ei- zu erweisen
sucht. Auch Meringer trug BB. XVI 221ff. Beachtliches vor.
Betrachten wir die Entstehung unserer Nominative als Fort-
setzer idg. Formen, so ergeben sich folgende Möglichkeiten:
I. Normalstufen von Stämmen auf e-, an die das
Nominativ -s getreten ist.
Ete-Basen, die hier in erster Linie in Betracht kommen, lassen
sich als Nominalstämme nur in sehr geringer Zahl nachweisen
und finden sich innerhalb unseres Typus viel zu selten, als daß
er ihnen sein Entstehen verdanken könnte. Pedersen (a. a. O. 58)
setzt auf Grund abgeleiteter Formen wie famélicus, prolétarius,
nubecula usw. &-Stämme an; das -é- der Derivate stammt aber
aus dem eben umstrittenen Nominativ und wird auch bei Stämmen
gefunden, die sicher nicht auf reines -é- endeten, z.B. récula,
diecula, trabécula, vallécula*). Ferner ist gerade das von P. auch
ins Treffen geführte plebeius ein Beweis dafür, daß plebes kein
1) Berücksichtigt muß hier wie auch im Verlauf der folgenden Überlegung
der bekannte Umstand werden, daß Langdiphthonge schon in idg. Zeit ihren
zweiten Bestandteil verlieren konnten.
2) Analog müßte man bei Zinwer, navow/n usw. Stämme auf -ö- ver-
muten, wo es sich doch um solche auf -öi- handelt, die im n. s. -w(t) als Dehn-
stufe haben.
86 H. Kronasser
é-Stamm sein kann, weil doch sonst die zo-Ableitung zu *plebeus
hätte werden müssen; so aber muß man eine Zwischenstufe *-eiio-
voraussetzen, die auch aus *-esio- oder *-ewio- hervorgegangen
sein kann. Vom Lat. ausgehend sucht nun P. auch im Ai. einen
e-Stamm nachzuweisen, pdnthäs „Weg“, wegen der „frappanten
Ahnlichkeit“ der Deklination dieses Wortes mit dem Typus n. -és,
g. is:
s. n. pänthä-s facé-s
ac. pdntha-m Jace-m
d. path-é fac-i
g. path-ds fac-is
l. path-i fac-e
pl. n. pdntha-s face-s
d. pathi-bhyas faci-bus
g. path-dm *fac-um
Die Identifizierung der beiden Flexionen wird aber durch
die Mehrdeutigkeit des ai. d und i behindert. Dennoch aber werden
wir in einigen wenigen Fällen Stämme auf e ansetzen können,
welches direkt von schweren Basen auf -z stammt, sich aber auch
schon in idg. Zeit aus -é oder -éu entwickelt haben kann. Hierher
gehören fides, pröles und vielleicht auch famés, die nun bezüglich
ihrer Etymologie und Stammbildung zu untersuchen sind.
fides f., g. -@ (Enn., Luer.) und -&. Meillet (MSL. XXII215Fff.)
sieht in dem Wort eine Kontamination aus *crede-s (wegen ai.
sraddhä „Vertrauen“, beide aus *kred-dhe „Ansherzlegung“) und
fidere, was aber wegen der Quantitätsdivergenz des i nicht geht.
Hirt (Vok. 57) will in fidés die Entsprechung zu ed, -oög er-
kennen; dann läge in Fidius (Fest.: medius Fidius aus me dius
fidius ... „mich soll der Gott der Treue ...“, wie Verg. Aen.
1135 quos ego ...) eine Hypostasierung vor wie in reus. Solchen
dehnstufigen Formen von ei-Stimmen verdankt aber, wie sich
zeigen wird, der Typus n. -és, g. -is, seine Existenz. Warum sollte
ihn also fidés verlassen haben, um sich der fiinften Deklination
anzuschließen? Formen, die auf eine ete-Base schließen lassen,
liegen vor in ne-nıdn-ow „werde vertrauen machen, überreden“
(*bhidhé-) und măvós „überzeugend“ (*bhidha-). Diese schwere
Base auf -e kam als Nominalstamm ins Lat. und schloß sich in
der Flexion denen auf -d an: n. -2, g. -&, d. ei, ac. -ém, d. h. daß
wir hier eine der Wurzeln der fünften Deklination vor uns haben.
pröles, g. -is, f. „Sprößling; Nachkommenschaft“ (aus pro-
öles, vgl. subdlés und indöles). Neben alére ist auch *alere anzu-
Die lateinischen Nominative auf es. 87
setzen (exolétus zu *exolére, prolétarius von *prolétus zu *prolére).
Auch hier wurde die schwere Base (*ale-, über a vor I als o
s. Lit. bei Walde-Hofmann LEW.’ 32) zum Nominalstamm, schloß
sich aber unter dem Zug von pubés „Jugend“ dem Typus -és, -is an.
James, g. -is, -ei und - (aus ei?) neben seltenem famis (Varro)
„Hunger“ gehört zu *dhe- „hinschwinden“ (W. P. 1829) und nicht
zu * ghé- „auseinanderspringen, klaffen“ (Reichelt, BB. XX VI 270).
Über die Stammbildung ist Sicherheit nicht zu gewinnen: wenn
wir dem singulären Nominativ famis das Übergewicht geben, dann
stimmt wohl das bei W. P. a. a. O. Vorgetragene (idg. * dha-més =
lat. *famos nach sitis „Durst“ durch polare Beeinflussung zu famis
umgestaltet; danach dann auf Grund des häufigen Nebeneinanders
von Nominativen auf -és und -is famés), berticksichtigen wir aber
die seltenen Genitive auf -ei und -z (welch letzterer auch noch
von *famos stammen kann), dann werden wir auch hier an eine
schwere Base zu denken haben (*dhame-).
II. Dehnstufen von Stämmen auf -es-.
Hierher rechnete man möles, plebes, pūbēs und sēdēs wegen
möles-tus, ij dog, pübes, -eris „erwachsen“ und &öos. Bei molés
und sédés hindert schon die verschiedene Quantität der Vokale,
sie mit *mölus, -eris (wovon mölestus abzuleiten ist) und *sédus,
-eris in direkte Verbindung zu bringen, worauf Leumann hinweist
(L. G.“ 91). In pubes hingegen mag wirklich ein es-Stamm vor-
liegen, der mit seinem dehnstufigen Nominativ bei dem ererbten
Typus -es, -is allein Anschluß fand. Uber plébés s. S. 85f.
III. Normalstufen von Stämmen auf eu-.
Die zu erwartenden Abstufungen -éu-, -əu- und -- lassen
sich alle belegen. Die Vollstufe in den griechischen Nomina auf
-evs, für die Brugmann (G. G.“ 217f.) den Stammauslaut -éu- an-
nimmt, der, im Nominativ gekiirzt, in den obliquen Kasus bei
Homer vorliegt: -jos, ja aus og, fa. lonisch-attische
Formen wie IInņâeús, Tvôeús, arkadisch-kyprische wie IlnAns,
yoapns und solche auf attischen Vasen wie Tvôvs (= Ge) weisen
nachdrücklichst auf einen Stammauslaut -éu-; hier Fremdes zu
sehen, ist unnötig und falsch, zumal da sich nicht mißzuver-
stehende Spuren dieser Abstufung auch anderwärts finden. Die
aw. ac. nasdum und naszm (= hom. véxdv, n. venög) „Leichnam“
zeigen Voll- und eine Tiefstufe (die o-Stufe sehen Meringer, BB.
XVI 223, und Hirt, Nom. 74, im Dual, é6xt@ = astdu, und im Typus
88 H. Kronasser
ndrows, EWS, g. -w-oş aus *-dy-os), die zweite, u-, läßt sich
zeigen in Femininbildungen wie ai. prthivi, aw. yezivi (aus *-au-:)
neben prthu- und yazus (ac. yazum). Ebenso liegt au vor in
gravis, dem alten Femininum zu ßagös und ai. guru- „schwer“,
* g*(a)raut, d- ist enthalten in ai. agrä- „nicht schwanger, jung-
fräulich“ und mp. ’gr’v- (= agräv-a) „jungfräulich“ zeigt wieder
die Vollstufe -éu-. Von den lateinischen Nominativen auf -ës läßt
sich mit einiger Sicherheit nur plebes hier einreihen.
plebes, g. ei und a „große Menge; Bürgerschaft (im Gegen-
satz zu den Optimaten)“. Ein dehnstufiger i-Stamm scheidet
wegen der Flexion aus; dieser liegt vor in plebs und vielleicht
in plebitäs und plebicola (die aber wegen magnitäs, novitäs, auctöritäs,
agricola, Publicola usw. wenig Gewicht haben). In Anbetracht
von u übe „Menge“ und zAjdoc dss. kommt für plebes ein Stamm
auf V -éu- oder -es- in Frage. Den Ausschlag gibt die Flexion:
die schwere Base kam in der Gestalt *plédhé- (nach Abfall des u)
ins Lat. und es vollzog sich dasselbe wie bei fidés und vielleicht
bei fames. Somit ist plebeius aus *-eu-ios zu erklären (zum Laut-
lichen vgl. Gdius aus gäu-ios, osk. Gaaviis „der Frohe“ wie Laetus;
Gävius ist davon ebensowenig zu trennen wie Rävius von Räius),
und ist die o-Ableitung zu einem éu-Stamm genau so wie hom.
BaatAntos.
IV. Dehnstufen von Stämmen auf -eu-.
In dies, Zeds, ai. dyaus finden wir -eu- als Ableitungssuffix :
* dei-/di- „leuchten“ + -eu- (wie *ak- „scharf“ + -eu- = lat. acus,
g. -üs „Nadel“). Idg. *di-eu- wurde wegen seiner Einsilbigkeit als
Wurzelnomen aufgefaßt und folgend flektiert:
idg. al. griech. lat.
n. di-eu)-s dydus Zeug u. Zis (gr.) diésu. dies (in nu-diiis)
ac. di-eu)-m dyäm(ved.) Ziv diem
l. dran a-dyä ho-die
di-eu-i dyavi Atri Iove
Dieses Scheinwurzelnomen bildet mit den wirklichen Wurzel-
nomina auf Langdiphthong, res und spés, mit denen es in mehreren
Kasus übereinstimmte, die eine Gruppe des Grundbestandes der
fünften Deklination. Mit der anderen Gruppe, fidēs und plēbēs,
stimmten diese Einsilber im Akkusativ überein, vermittelten ihr das
Nominativ -s und bezogen von ihr die restlichen obliquen Kasus,
die in ihrer alten Form zum Teil noch lautgesetzlich stark ent-
stellt, isoliert und in Hypostasierungen aufgezeigt werden können
(g. *rei-ös = reus, s. Thurneysen, IF. XIV 131, hodie und Iove).
Die lateinischen Nominative auf -es. 89
Die Abstufung -eu-/-u-, D. -éu- zeigt sich z. B. auch in aw. -bäzäus
„Arm“ neben ëmge dss. In unserem Typus -es, -is läßt sich
kein solcher Fall nachweisen.
V. Normalstufen von Stämmen auf -éi-.
Hierher gehören nur die eben besprochenen Wörter *ré@-
und *sp(h)eä- (W. P. II 343 und 680). Hirt will nun allerdings
wegen ai. revant- und aw. raevant- „reich“ eine Normalstufe *rei-
ansetzen, doch erklären sich die beiden Wörter aus *rai-. Wegen
des singulären Plurals spérés bei Ennius, der doch eine große
Menge von sprachgeschichtlich nicht zu rechtfertigenden Neue-
rungen aufweist, auf einen s-Stamm zu schließen, ist natürlich
unmöglich.
VI. Dehnstufen von Stämmen auf -ei-.
H. Reichelt hat BB. XXV 241ff. auf den Diphthongcharakter
der sog. i- und u-Stämme und auf den Parallelismus ihrer Flexion
mit den r- und n-Stämmen hingewiesen. Für den dehnstufigen
Nominativ ergeben sich folgende Möglichkeiten: er, är, en, -ön
(wofür sich Belege erübrigen), -2u (s. o. IV.), -ðu (nicht nachzu-
weisen), -0i (der griech. Typus yx, g. -o aus *-wı, -O, V. or;
korinthische Vasen haben den Nominativ -wı stets, attische oft,
vgl. Kretschmer, o. XXIX 151ff.) und schließlich e Sommer
wollte in diesem -é den lateinischen Nominativ auf -és sehen,
stößt sich aber daran, daß sich in den anderen Sprachen keine
Anknüpfungen finden ließen. Hirt (Vok. 55ff.) unterstreicht neuer-
dings den von Reichelt betonten Parallelismus und zieht ai. sakhi-
„Freund“ und panthäs „Pfad“ zum Vergleich heran. Jedoch scheint
mir panthäs dazu wenig geeignet, weil seine Deklination keine
Form aufweist, die wirklich auf einen ;-Diphthong schließen ließe
(besonders störend: 1. pathä, g. pathas, a. pl. pathas). Hingegen
zeigt sakhi- (besser sakhay-) die gleiche Abstufung wie Gro: n. sakhä
und 77, v. sakhe und nxoi. Wir erkennen aber im Ai. die Vokal-
qualität ebensowenig wie im Hethitischen (die Behandlung der
Kurz- und Langdiphthonge ist dieselbe wie im Ai., vgl. Sturte-
vant, A comp. gr. of the Hittite language 99f., 102f., 168, 180),
wo sich auch abstufende Kurzdiphthongalstämme finden: neben
n. supis, ac. supin „rein“ steht ein dehnstufiger Lokativ supai als
Dativ und ein Ablativ mit verschleppter Dehnstufe supay-az. Dehn-
stufe könnte ferner vorliegen in den Nominativen zahais „Kampf“,
hurtais „Verwünschung“ und hukmais „Beschwörung“, Normalstufe
90 H. Kronasser
im Nominativ kesres „Handschuh“. Ein unmittelbarer Beleg für
die e-Qualität scheint mir nur in dsondıng vorzuliegen neben ndoıs
und ai. dampatis. Wir werden also unserem Typus die ihm von
Hirt angewiesene Stellung lassen, weil etwas Derartiges aus dem
Zusammenhang zu erwarten ist und weil die Nominative auf -és
die nötigen Bedingungen erfüllen, d. h. mit den i-Stämmen in
engster Verbindung stehen, indem sie in den obliquen Kasus mit
diesen übereinstimmen und oft Nominative auf -is im Lateinischen
und in den verwandten Sprachen neben sich haben. Auch wäre
eine sekundäre Entstehung, wie Brugmann bemerkt, in keiner
Weise verständlich. Wegen griech. zz und ai. sakhä und der
Analogie mit den r- und n-Stämmen kann man schließen, daß
diese Nominative ursprünglich asigmatisch gebildet waren; auch
erscheint ein Abfall des -s im Ai. und Griech. unerklärlich, während
der Antritt desselben im Lat. geradezu für notwendig gehalten
werden muß.
Aber nicht nur die theoretischen Erwägungen weisen darauf
hin, daß unser Typus dehnstufigen Nominativen von ei-Stämmen
sein Entstehen verdankt, sondern auch die Untersuchung der
einzelnen Wörter, bei der sich über die Hälfte als alte ei-Stämme
erweisen läßt, während sich der Rest aus Sekundärbildungen, Be-
sonderheiten, Unklarem und mehreren kleinen Gruppen zusammen-
setzt. Für die Entscheidung, ob es sich um sog. i-Stämme handelt,
werden folgende Kriterien dienen:
1. Stämme auf -ei- in den verwandten Sprachen.
2. Der Genitiv des Plurals auf -iwm ohne Nebenformen auf -um.
3. Denominative Ableitungen auf -i-lo-, -i-do- usw.
4. Denominative Verba auf -ei-ö, -i-ið und vielleicht auch auf
-2i-6. Dabei ist zu bemerken, daß diese mit Vorsicht heranzu-
ziehen sind, weil sie sich mit anders entstandenen Verben formal
decken. Möglicherweise aber haben die verbalen Typen auf -2iö,
-eiö und -iið hier ihren Ursprung: an die ei-Stämme und an ihre
asigmatischen, dehnstufigen Nominative trat die Personalendung
-, und es entstanden -eiö und -eiö, wovon dann -jð getrennt und
seinerseits produktiv wurde; es konnte dann auch an tiefstufige
ei-Stämme antreten, und wir kommen zu -i-iö, welches aber im
einzelsprachlichen Verlauf mit -- zusammenfällt (so wie -ei-0
und -é-o mit -é-46).
Mit Hilfe dieser Anzeichen lassen sich folgende Falle mit
mehr oder weniger Evidenz als ei-Stämme erweisen; sie zerfallen
in folgende Gruppen mit verschiedener Wahrscheinlichkeit:
Die lateinischen Nominative auf -és. 91
a) Mit dem Genitiv des Plurals auf -ium und mindestens noch
einem Anzeichen: aedés, rupes, caedés, clades, volpés, möles,
saepes, nubés.
b) Mit denominativen Verben auf -ei-6 und noch einem an-
deren Anzeichen: tähes, torrés, scabreès.
c) Mit dem Genitiv des Plurals auf -ium allein: cotés, fidés (Saite).
d) Mit einem anderen Kennzeichen: läbes, torqués, vallés, vatés,
sedes.
a)
aedés und aedis, g. -is, „Wohnstätte; Gotteshaus“, g. pl. -iwm.
Hier ist die Feststellung wichtig, daß der spätere allgemeine
Sprachgebrauch, wie ihn die Schulgrammatik darstellt: aedés und
aedis im Singular „Tempel“ (mit einer Zelle), aedes im Plural
„Wohnhaus“ (mit mehreren Gemächern), mit der älteren Zeit nicht
übereinstimmt (vgl. die Lexika und Wackernagel, Synt. I 89). Wir
haben es nicht mit einer übertragenen Pluralendung (Lindsay),
sondern mit einem dehnstufig und tiefstufig zugleich erhaltenen
ei-Stamm zu tun: n. aedis, aedi-ficium, aedi-cula, aedi-tumus „Tempel-
diener“ u. a., auch aided „der glänzende Himmel“ weist auf einen
alten ei-Stamm (s. u. S.99). Alle gehören zu *aidh- „brennen,
leuchten“ (W. P. I 4ff.), also aedes ursp. „Feuerstätte* als Zen-
trum der Behausung (vgl. synekd. „eigner Herd“) oder der Kult-
stätte. Der dazugehörige s-Stamm (alos „Brand“) ist in aestäs
„Sommer“ und aestus „Brand“ enthalten, aus *aidh-s-tät-s und
* aidh-s-teu-s, nicht aus *aidh-tät-s und *aidh-teu-s, wofür wir *aesäs
und *aesus zu erwarten hätten (vgl. fisus aus *bheidh-tos).
rüpes, g. is, g. pl. -ium, „steiler Felsenabhang, Fels(spitze)“
gehört zu *reu- „aufreißen, (aus)graben“ (schon idg. mit Deter-
minativ p-, vgl. ai. roh „Höhle“, an. rauf „Spalte“ u. a., s.
W. P. II 351); dazu kommt noch im Lit. ein i-Stamm, rupis „Fels“
(zuerst von Specht hierher gestellt o. LIX 144), idg. n. *reupēi
und *reupis.
caedés und caedis, g. -is, „Niederhauen, Mord“. Der g. pl.
auf -ium sowie caia „Prügel“ (aus *kaidid) lassen auf einen ei-
Stamm, kaidei-, schließen (W. P. II 538 (s)kai-d- „schlagen“).
clädes und clädis, g. -is, „Niederlage“ mit percello (*-celdo)
zu *kelä-d- „brechen, verletzen“ (W. P. 1436). Der i-Stamm, n.
* kbla-d-&i, erhellt aus dem g. pl. auf -ium und liegt auch vor in
aksl. kladi-vo „Hammer“.
volpes neben seltenem volpis, g. -is, „Fuchs“, g. pl. -ium. Bei
W. P. 1317 wird auf möglichen Zusammenhang mit Zuel. „reißen“
99 H. Kronasser
hingewiesen. In der Tat läßt sich die ganze Wortfamilie unter
diesem Bedeutungsträger semasiologisch und lautlich vereinen.
Es gab dazu zwei elek-Basen, nämlich *uelak- und *uelap-, von
denen folgende Abstufungen zu belegen sind:
SS *ulk- in aksl. vlsks, alb. ulk, lit. vilkas und ai. vrkas, die Du-
blette u- in Adxog (alle „Wolf“).
SS *ulp- in lat. volpes und lit. vilpisys „Wildkatze“, die Dublette
*lup- in lat. lupus „Wolf“ und abret. louuern „Fuchs“ aus *lup-
erno-). Außerdem wurde *lup- im Arischen guniert: ai. lopäsa-
und lopäka- „Schakal“; von diesem ist vielleicht griech. dhomné
„Fuchs“ entlehnt (Bartholomae, BB. X 294), von jenem arm.
atues „Fuchs“.
SV *ulap- in lit. (ëng „Fuchs“ und lett. lapsa dss. (aus *ulapisa).
Der alte i-Stamm zeigt sich im g. pl. auf -ium und in lit. vilpi-sgs
(*ulpei- neben *ulpi-).
möles, g. - is, „Masse, Last“. G. pl. auf -ium und das denomina-
tive Verb auf i-, mölior „eine Last in Bewegung setzen; etwas
unternehmen“, weisen auf einen alten 7-Stamm mit Dehnstufe in
der Wurzelsilbe *möli- und * mole. Gehört zu *mel- „stark, groß“,
nicht zu *mo- „sich mühen“ (W. P. II 301), vgl. *mölus S. 87. Zur
D vgl. S. 94. |
Saepés, g. -is, „Gehege“, praesaepes dss. (die Schreibung sepes
ist sekundär, s. Sommer, Hdb.* 71£.), g. pl. -ium, zu *saip- „Um-
friedung aus Dickicht“ (W. P. II 445). Von dem zugrunde liegenden
i-Stamm sind alle drei méglichen Formen erhalten: die dehnstufige
in saepés, die tiefstufige im Adjektiv *saepis, -e „dichtgedrängt“
(vgl. saepe „oft“ neben auxvdy „oft“, eig. „zusammengedrängt,
dicht; häufig“) und schließlich die synkopierte in saeps, g. -is,
„Gehege“.
nubés, g. -is, neben seltenem, aber altem (Liv. Andr.) nubs
„Wolke“. Wegen g. pl. -ium und Formen wie nübilus, nubifer,
nübigena, nubilösus, nubiläre u. a. m. hierher zu stellen.
b)
tabés, g. -is, „Hinschwinden; Flüssigkeit“ zu *ta-, täu-, täi-
„hinschwinden, zerfließen“ (W. P. I 701), woran das Determinativ
-bh- treten konnte: *täbh- in täbes und *täibh-/tibh- in Tipog
„Sumpfort“, Tibur (Wasserfälle des Anio) und in Tiberis (mit sek.
Ablaut). Das Denominativum fdbeo und Formen wie täbi-dus,
täbi-fluus, tabi-tudo u. a. weisen auf einen ei-Stamm.
torrés neben häufigerem torris, g. - is, „dürres Scheit“. ei-
Die lateinischen Nominative auf -és. 93
Stamm: Denominativum forreo „dörre“ (zu *ters- „trocken werden“,
ai. tarsdyati „läßt dursten“) und torri-dus „gedörrt, dürr“.
*scabrös, g. is, „Räude, Krätze“. Der Nominativ ist nicht
belegt, scheint aber existiert zu haben, vgl. scabrédo. ei-Stamm:
Den. scabreo „die Krätze haben“ und scabri-dus „rauh“.
c)
cötes und seltener cotis, g. -is, „spitzer Fels“. G. pl. -ium,
vgl. auch coti-cula „Wetz-, Probierstein“. Zu * „scharf“
(W. P. 1454) + -tei-/-ti- (D. -tei-). Auch die synkopierte Form ist
belegt cos, g. cotis „Wetzstein“.
fidés und später auch fidis, g. -is, „Saite“. Auch der Singular
bedeutet nicht selten „Leier“, wobei es sich aber um einfache
Synekdoche handelt und nicht, wie Lindsay wollte, um Übertra-
gung der Pluralendung. Der g. pl. auf -iwm und Ableitungen
wie fidi-cen, fidi-cina, fidi-cula usw. legen einen ei-Stamm nahe,
von dem sich zwei Formen erhalten haben. Die Etymologie ist
unklar (Lit. bei Walde-Hofmann, LEW.’ 493). M. E. hat das Wort
dieselbe Wurzel, die in der lo-Ableitung filum „Faden“ enthalten
ist und bei W.P. 1670 als *g*hei- „Ader, Sehne, Band“ angesetzt
wird. Diese Anknüpfung erscheint um so wahrscheinlicher, als ja
auch filum nicht selten „Saite“ (urspr. wie wohl auch fides „Darm-
saite“) bedeutet, z. B. Ov. fast. V 106 fila lyrae, Met. X 89 vates
fila sonantia movit. Auch hira „Darm“ gehört hierher (vgl. hilum
= filum). fides = * g*hi-d-é.
d)
labés, g. -is, „Fall, Sturz“. Die Ableitungen läbi-dus und
labi-lis „schlüpfrig* deuten auf den ei-Stamm.
torques und torquis, g. -is, „Halskette, Halsjoch*. Das De-
nominativum torqueo „drehen“ läßt einen ei-Stamm vermuten.
Derselbe dehnstufige Nominativ liegt vielleicht auch vor in apr.
tarkue „Riemen beim Einspannen der Pferde“.
vallés und häufigeres vallis, g. -is, „Tal“ gehört mit Haig
eig. „Tiefland“ zu Zuel. „drehen“ (zur Bedeutung vgl. aisl. dalr
„Bogen“ und unser „Tal“), dazu auch vallus „Pfahl“ und Hdog
„Nagel“ (die Bedeutungsbrücke ist aisl. valr „rund*), ferner vallum
„Wall“ (wie ir. fal „Zaun“, eig. „aus Flechtwerk gedreht“) und
lett. valnis „Wall“. Der lat. a-Vokalismus erklärt sich aus "and.
welches aber im Lettischen als wil- erscheinen müßte; wir be-
merken also deutlich das grundsprachliche Nebeneinander von
n. sg. *ublnē(i) (in lat. vallés, wozu vallis neugebildet wurde, und
94 H. Kronasser
in dig, inschr. oft falcıor, mit Ersatzdehnung) und *uolnis (in
lett. valnis).
vatés und seltener vätis, g. -is, , Weissager, Dichter“, g. -um
und -ium (Cic. hat beides). Es sei darauf hingewiesen, daß wir
keinen Anlaß haben, hier eine Entlehnung aus dem Gallischen
‚anzunehmen, die zuerst von F. Marx (Allg. Ztg. 24. 7. 1897) be-
hauptet wurde: man habe sich gescheut, die im Jahre 207 an-
erkannte Dichterzunft mit einem Fremdwort (poéta oder vatés) zu
benennen, und habe ihr daher den Namen „collegium scribarum
histrionumque* gegeben. Abgesehen vom unzulässigen Schluß ist
histrio auch sehr als Fremdwort verdächtig. Ferner hieß ja vätes
damals wahrscheinlich gar nicht „Dichter“, sondern „Weissager“;
im Miles gloriosus, der möglicherweise in eben demselben Jahr
geschrieben wurde, steht V. 911: „bonus vates poteras esse: nam
quae sunt futura dicis“. Andere stützen sich auf eine Stelle bei
Strabo (IV 197), wo es heißt, daß es bei den Galliern „obdreig“
gegeben habe, der Naturgeheimnisse kundige, hohe Opferpriester.
Die Stelle sagt beztiglich einer Entlehnung gar nichts, da wir ja
aus air. faith „Seher“ ohnehin unterrichtet wären. Das keltische
wie das lateinische Wort weisen auf einen alten i-Stamm *uätei-,
gehörig zu *uat- „im Geist erregt sein“ (W. P. I 216). Dehnstufige
Wurzelsilben bei i-Stimmen finden sich häufig: d7jers „Wettstreit“
neben elow „abhäuten“ (eig. „Schinderei“), ai. däri- „zerreißend*
neben därin- dss., got. wens „Hoffnung“ neben winnan „sich be-
mühen“, lit. is-monis „Geist“ neben menü „gedenken“ u. a. m. (s.
Brugmann, Grdr.* II I, 168f.).
sed es, g. -is, „Sitz“. Gegen einen ei-Stamm, den Hirt (Vok. 57)
ansetzen will, spricht der g. pl. auf um), nicht aber nach dem
soeben Gesagten die Dehnstufe, woran Leumann Anstoß nimmt
(L. G.“ 232). Außerdem wurde bei *sed- „sitzen“ die Dehnstufe
schon in idg. Zeit in die verschiedensten Bildungen verschleppt:
lat. sedäre „sitzen machen“, ai. sädayati dss., ai. sädas „Sitzung“,
lit. sédéti „sitzen“, ahd. -säza „-sitz“ (in Ortsnamen), an. sät „Hinter-
halt“ u. a. Diese Dehnstufe könnte von einem idg. Wurzelnomen
*seds, g. sedes, stammen, wozu auf Grund der obliquen Kasus im
Lat. sédés neugebildet worden wäre (so Leumann). Andrerseits
sprechen aber auch Anzeichen für einen alten e-Stamm: aw. und
1) Handschriftlich findet sich auch -zwm, welches aber die Herausgeber
stets in -um ändern; dies ist sehr wohl berechtigt, wenn man Probus berück-
sichtigt, der sedum als Musterbeispiel einem aedium gegenüberstellt (Keil
IV 92, 1).
Die lateinischen Nominative auf -és. 95
ap. hadis „Wohnsitz, Palast“, ai. sädayati „setzt“, lat. sedimen
„Bodensatz“ und schließlich auch Aäoe „Sitz“ (s. S. 99). Die
Entscheidung kann wohl nicht getroffen werden.
VII. Dehnstufen von Stämmen auf -en-,
u. z. entweder aus ens oder aus -es, weil auch en schon
idg. den zweiten Bestandteil verlieren konnte. Hierher gehört
nur verres neben ganz seltenem verris, g. -is, „Eber“. Auf Grund
von ai. vfsä, g. vfsnas, „Männchen; Hengst“ wurde das Wort von
Leumann (L.G.° 232) als n-Stamm erkannt, aber irrtümlich mit
d&oonv „männlich“ verglichen (dol. und kret. & % ohne F). Ent-
halten ist die Wurzel ger - „feucht“ + -en- : idg. n. *uerse(n),
g. *uersnés, lat. verré+s, g. *vernis (ausgeglichen zu verrés, verris).
Auch andere Wurzeln für „feucht“ erhielten, mit -en- determiniert,
die Bedeutung „Männchen, Mann“: *eras- in aw. rsd, g. +ar?sno
„Mann, Männchen“ (hierher &oonv, Zoo), *ueg*- in ai. uksd, g.
uksnds „Stier“, aw. ursä, g. uxsno dss. und in got. aúhsa, g. aúhsins
„Ochs“. Auch in aksl. jelend „Hirsch“ haben wir en-.
Mit Ausnahme der n-Stämme, die sich aber im Lat. mancherlei
Neuerungen erlaubten (s. Leumann, L. G.“ 264), handelt es sich
durchwegs um Möglichkeiten, die außerhalb des Typus -és, -is
und der fünften Deklination im Lat. nicht belegt werden können.
Nun muß auch darauf hingewiesen werden, daß Nominative
auf -és auch auf Grund einzelsprachlicher Erscheinungen im Lat.
neu entstehen konnten:
I. dachte Lindsay bei Wörtern wie aedés oder fidés an die
übertragene Pluralendung -és; Sommer glaubte canés so als „Meute“
fassen zu können (Hdb.* 371). Doch s. S. 86, 91 und 97.
II. ist folgender Tatbestand zu erwägen: analog den eu-
Stämmen erwarten wir bei den ei-Stämmen einen g. sg. auf -eis,
der aber, bevor noch der Wandel des ei- zu -i- vollzogen war,
durch die Genitivendung der Konsonantenstämme ersetzt wurde,
d. h. bevor es noch ein Paradigma n. -is (oder -és), g. -2s, welches
sich neben n. As, g. ds hätte halten müssen, gab. Der Grund
für diese in der Zwischenzeit erfolgte Substitution wird aus der
gleichzeitigen Ubergangsform des ei- in diesem zu erwartenden
vollstufigen Genitiv klar, die nur e- gewesen sein kann; der so
entstandene Gleichklang n. -as (oder -is), g. -zs sollte vermieden
werden. Als Ersatz bot sich die Genitivendung der Konsonanten-
stämme -es, die später zu -is wurde, in ihrer ursprünglichen Form
inschriftlich aber noch bewahrt ist (APOLONES, VENERES, vgl.
96 H. Kronasser
Ernout, MSL. XIII 346, und bei einem i-Stamm SALUTES, CIL.
1° 450). Umgekehrt wurde im Oskischen der g. sg. der i-Stimme
auf -eis auch auf die Konsonantenstämme übertragen: medikeis
„des Magistrates“. Weil aber im Lat. der n. sg. der i-Stimme
neben den beiden ererbten Formen auf -és und -is durch Syn-
kope des -i- auch eine dritte, den Konsonantenstämmen völlig
gleiche, aufwies, war es möglich, daß alte Konsonantenstämme
auf Grund ihres Genitivs auf -es und der übrigen obliquen Kasus
im Nominativ eine Nebenform auf -zs erhielten, die dann die alte
sogar verdrängen konnte. Fördernd wirkte dabei der Umstand,
daß ja zwischen den beiden Stämmen überhaupt ein reger Kasus-
austausch stattfand. Umgekehrt konnten natürlich auch neben
alte Nominative auf zs Formen auf -is und -s treten. Auch schon
früh synkopierte i-Stämme konnten später wieder die beiden an-
deren Formen neben sich bekommen. Solche nach den obliquen
Kasus neugeschaffene Bildungen sind:
a) Zu Wurzelnomina:
lues, compäges, sträges, trabes, vehes, ambäges, contäges und viel-
leicht auch sédés (s. S. 94).
lues, g. -is, „Seuche; Verderben“, g. pl. luum, gehört mit
luo ,abzahlen“ zu *leu- „abscheiden“ (W. P. II 407) und bedeutet
eig. „Auflösung“; n. ds, g. lues zu lués, luis.
d ges in compäges „Fuge, Gefüge“, impäges „Leiste“ und
repäges (Fest.) „Riegel“ gehört zu *päg- „festmachen“ und ist
dazu dieselbe Wurzelbildung wie pax zur Dublette *pak- dss.
(W.P. 112). Unklar in der Bedeutung bleibt propäges „Setzling,
Nachkomme“ neben propägäre „Iortpflanzen* (tr., vielleicht urspr.
nur von Stecklingen), danach dann spätes indäges , Nachforschung“
zu indägäre „aufspüren“.
sträges, g. -is, „Niederschlagen, -stürzen, Niederlage; am
Boden liegender Haufe“ zu *steré-(g)- „hinbreiten, hinwerfen“
(W. P. II 638). *storag- in strägulum „Decke zum Hinbreiten“ und
gterẽgs, g. *storoges, lat. steréx, g. strägis.
trabes neben häufigerem trabs, g. - is, „Balken“ zu *treb-
(W. P. 1757). *treps, g. *trabés, lat. ausgeglichen zu trabs, trabis,
dazu dann der Nominativ trabes.
` vehēs und seltener vehis, g. -is, „Fuhre“, g. pl. -um gehört
zu *ueg’h- „bewegen, ziehen“ (W. P. I 249): idg. n. *uég’hs, g.
*ueg hés.
am bãgès, g. -is, „Umgang, Umschweife“, meist im Plural ge-
braucht, der n. sg. findet sich erst bei Tacitus. Der g. pl. auf
-um läßt auf ein altes Wurzelnomen schließen, dessen Nominativ
Die lateinischen Nominative auf -es. 97
im Lat. nieht gebräuchlich war und für den schließlich ambägzs eintrat.
*contagés, g. -is, „Berührung“. Der Tatbestand ist der
gleiche wie bei ambäges, nur ist der n. sg. überhaupt nicht belegt.
b) Zu synkopierten i-Stämmen:
facés „Holzbrand, Fackel“ nur bei Festus; doch werden wir
seiner Notiz wegen facétus „witzig“ (eig. „glänzend“) und facétiae
„Witz, Feinheit“ Glauben schenken (Th. P. 62,9 faces antiqui
dicebant, ut fides). Gehört mit go’ pdog (Hesych.) und lit. Sd
„Kerze“ zu *ghuök*- „leuchten“ (W. P. I 645); far, facis verhält
sich also zu gwy so wie vox, vocis zu öy, nur daß es sich bei
fax um einen synkopierten i-Stamm handelt, weil in einem Wurzel-
nomen R nicht verständlich wäre. Zu far, facis wurde dann der
Nominativ faces (statt *faqués) neugebildet, konnte sich aber nicht
halten.
c) Zu anderen Bildungen:
strués, g. -is, „Haufen (geschichteter Dinge)“, g. pl. struum,
ist eine eu-Ableitung zu *ster- (W. P. II 638), *stereu-/streu-: zu
* strus, g. -is, wurde ein strués gebildet, wie zu gras, g. - is, „Kranich“
ein Nominativ gruss.
vepres, g. Aë, „Dornstrauch“; Vermutungen über die Etymo-
logie bei W. P. 1276. Die Handschriften zu einem unbekannten
Grammatiker (Keil V 592,20) bieten in einem Zitat aus Aemilius
Macer eine Form veper. Es könnte somit vepres nach den obliquen
Kasus (vepris, veprem) neugebildet sein; jedoch hat Baehrens (fr.
p. Lat. 345) die Änderung in vepre wohlbegründet vorgenommen.
Nun sei noch von einigen besonderen und unklaren Fällen
die Rede:
canés neben häufigerem canis, g. -is, „Hund“. Für das Idg.
ist auf Grund der verwandten Sprachen n. *kuö(n), g. *Kunés/-ds
anzusetzen; nehmen wir aber für den g. die zweite Möglichkeit
*Kuones, so ergibt sich für das Lat. n. *cö, g. *quanis, dann *co,
canis und schließlich nach den obliquen Kasus ein n. canés und
canis. Hirts Gleichung (Vok. 86) dor. Bavd : att. ong = g. sg.
canis: ai. g. sg. Sas stimmt also nicht, denn ein Schwund von
idg. u in *Kyondés ist m. E. noch nicht erwiesen; hingegen bringt
Leumann (L. G.“ 114) eine Anzahl guter Beispiele für den lateini-
schen Schwund von y vor & (s. auch Sommer, KE. 45).
alces und alcis „Elch“; alcis ist von urg. alxis entlehnt
(Walde-Hofmann, LEW’ 28), dazu dann alcés. Urverwandtschaft
kommt hier nicht in Frage, weil wir dann *olces zu erwarten hätten.
Vgl. auch Caes. b. G. VI2 „sunt item, quae EES alces“.
Zeitschrift für vergl. Sprachf. LXVII 1/2.
98 H. Kronasser
Nun sind noch einige unklare Fälle zu erwähnen:
gerrés, g. -is, ist ein Meerfisch, dessen Wertlosigkeit sprich-
wörtlich war (addere garo gerrem). Da es sich wohl um einen
kleinen Fisch handelt, man vermutet Kreßling oder Schrätz, wäre
Entlehnung aus dem Gallischen möglich, vgl. mir. gerr „kurz“ (zu
* gheres-/ghers- „klein“ W. P. I 604f., wofür lat. *herr-.
feles mit seltenem felis, g. is, „Katze, Marder“ könnte als
altes Wurzelnomen zu *bhel- „glänzen; weiß“ gehören (als „weiß
gefleckt oder gestreift“) und *bhel- 1., 3. und 5. wären die gleiche
Wurzel (W. P. II 175f., 177 und 180).
mélés und mélis, g. -is, „Marder, Dachs“ könnte an *mel-
6. oder 7. (W. P. II 293f.) angeschlossen werden, doch s. Walde-
Hofmann (LE W.“ 474), wo feles und mélés als verschiedene Wieder-
gaben desselben Wortes einer unbekannten Sprache aufgefaßt
werden.
Damit ist der Bestand des Typus -és, -is erschöpft.
Abschließend sei noch die Entstehung des überaus verbreiteten
at. Typus n. -ies, g. ie, besprochen. Was bisher darüber gelehrt
wurde, befriedigt nicht: Osthoff (Perf. 338 Anm.) läßt den No-
minativ vom Akkusativ aus entstehen. Die Reduktionsstufe des
Suffixes -ia/-ia läge im lat. Akkusativ auf -iam vor, der zu -iem
geschwächt worden sei (Sommer vergleicht Hdb.* 395 tibicen und
cornicen aus -can), „folgte den Spuren von diem und rem“ und
ein Nominativ auf -iés wurde neu geschaffen. Dieser Verlauf
wäre möglich, aber nur dann, wenn zur Zeit der Entstehung des
Nominativs das -æm des Akkusativs von dies, res und spēs schon
zu -em gekürzt war. Im Oskisch-Umbrischen aber, wo sich un-
verkennbare Spuren dieses Typus finden, fand die Kürzung der
Langvokale vor auslautendem m überhaupt nicht statt. Aus dem-
selben Grund ist die Vermutung Sommers a. a. O. abzulehnen,
der auch von einem Akkusativ auf -iem (aus -iim zu einem n. 2)
ausgeht. Lindsay (L. S. 394f.) meint, -ig- sei nur das unter dem
Einfluß des i umgeformte id (IENUARIUS, z. B. CIL. XI 5748,
jedoch ist ganz spät, s. auch Sommer, Hdb.’ 54). Willkürlich
nimmt m. E. Hirt (Vok. 208, Nom. 78) einen schon idg. Wechsel
zwischen -jā und -je an. Ganz unwahrscheinlich Collitz, der
dissimilatorische Veränderung von -i (aus -i) vermutet. Brugmann
(Grdr.* II 1, 221) läßt -i2- entstanden sein aus einem „formanti-
schen i-Element 7 ii“, woran er getreten sei. Die Form ;, ii
wählt B. wohl deswegen, weil i intervokalisch hätte fallen müssen;
da sich aber das Suffix ie nie nach Vokal findet, können wir
dieses i-Element mit dem Ausgang der i-Stämme identifizieren,
Die lateinischen Nominative auf -es. 99
von denen sich noch einige, die bei der Bildung mitwirkten, auf-
zeigen lassen. Im Umbrischen finden wir A6. neben einem alten
i-Stamm: t. Ig. VI. b. 11 avie „augurio“, II. a. 1 und 3 aviekate
'„auspicatae* (dat. fem.), VI. b. 52 aviekla „augurali“ (ab.) neben
I. b. 9 avif „aves“ (ac. pl.). Durch Suffixverkennung wurde dann
-iẽ- abgetrennt und als Abstrakta bildendes Suffix auch ander-
wärts verwendet, z.B. in VI. b. 59 iovie „milites“ (ac. pl., eig.
„waffenfähige Jugend“). Ähnlich liegen die Verhältnisse im Lat.,
wo man auf verlorene i-Stimme schließen kann bei aciés „Schärfe“
und cariés „Zerbrechlichkeit, Morschheit“ wegen dxig „das Scharfe,
Lanze“ und aw. sariš „das Gebrochene, Bruchstück“. Zieht man
dann noch die Tatsache in Betracht, daß :-Stämme häufig durch
ro-Ableitungen verdrängt wurden (vgl. Caland, 0. XXXI 267 u.
passim; Schulze, o. XLII 233 und Hirt, IF. XXXII 286 und bes.
Nom. 281f.; Erklärungsversuch bei Hirt 274), so gehört hierher
noch maciés „Magerkeit“, per-nicies „Untergang“, scabies „Rauhig-
keit“, rabies „Wildheit“ wegen macer „mager“, vexods „tot“, scaber
„rauh“, Adßoog (aus *6dßoos) „wild“. Später wurden Nominative
auf -i2s neben den verschiedensten mit irgendeinem i-Suffix ge-
bildeten Formen geschaffen, wie species „das Aussehen“, ésuriés
„Hunger“, delicies „Ergötzlichkeit“ zu specio „ansehen“, ésurio
„hungern“, déliciae „Wonne“ und delicio „anlocken“, ferner pro-
genies „das Geborensein, Abstammung“ und -geriés (in con- und
digeries „Zusammenhäufung“ und „Ordnung“) zu genius „Geburts-
gott“ und *gerius (in altlat. antegerio „außer der Ordnung, über
alle Maßen, sehr“). Zu induviae „Kleidung“ und induvium „Rinde“
entstand induvies „Zustand des Bekleidetseins, Kleidung“. Wegen
induo „anziehen“ entstand nun neben alluo „bespülen“, colluo
„benetzen“, éluo „abspülen“, ein alluvies „Überschwemmung‘“,
colluvies „Spülwasser“, öluvies „Überschwemmung“. Zu älteren
Formen auf -ia entstanden éffigiés „Bild“, prosapies „Abstammung“,
mäleries u. v. a., zu solchen auf -itia traten amicities, duritiés, laeti-
ties, observanties „Beobachtung“ usw. Schließlich wurden -ies und
-itiés ganz selbständig, wie in series „Reihe“, imperfundiés „Un-
reinlichkeit“, imbalnities „Zustand des Nichtgebadetseins“, barbariés
„Barbarei“ u. a. m. Diese Nominative auf -iös schlossen sich der
einen Gruppe der fünften Deklination an (dies, res und spēs) und
erleichterten durch die häufigen Formen auf id, neben die sie
getreten waren, die teilweise Flexion der fünften Deklination nach
der ersten.
Graz. H. Kronasser.
7 *
100 Fr. Stummer, Das angebliche etruskische Vaterunser.
Das angebliche etruskische Vaterunser).
Da ich nicht Etruskologe bin, las ich den Aufsatz von
Th. Kluge in Band LXVI Ihrer Zeitschrift, S. 254—56 zunächst
nur aus Neugierde, bald aber mit steigendem Interesse.
Schon in der ersten Zeile dieses „etruskischen“ Vaterunsers
fiel mir nämlich simc auf, das natürlich „dein Name“ heißen muß,
wie der Verfasser ganz richtig vermutet. Das c am Schluß ent-
spricht dem Konsonanten des Possessivsuffixes der 2. p. sg. msc.
im Semitischen; hebräisch heißt „dein Name“ simkä (nach der
Lesung der Masoreten). Dann fiel mir am Schluß von Z. 2
cenverz auf. Das ist offenbar eine Transkription der Konsonanten-
gruppe kn b’rs (nach der Lesung der Masoreten ken ba’ares =
„so auf Erden“).
Es gelang mir dann, fast alles als ,semitisch“ zu verstehen,
mit Ausnahme von valant‘u (Z. 1f.), ihti (Z.1) und vmiret u (Z. 4).
Die erste Gruppe hat ja Th. Kluge gedeutet; ob sich die beiden
anderen auch etruskisch erklären lassen, mögen andere unter-
suchen. |
Ziemlich mühelos läßt sich in Z.1 tfumemlecac erklären, zumal
wenn man die Variante tvu zu Hilfe nimmt. Es ist thw’ (= tabö,
es möge kommen) + einem willkürlich gebildeten memlec (nach
der jetzigen hebr. Vokalisation müßte das Wort mamlak heißen)
statt des gebräuchlichen Femininums mamlaka. Nicht schwierig
ist ferner Z. 4 laemn = Ihm (lehem = Brot): n ist Possessivsuffix
der 1. p. pl. = unser. Es findet sich gleich im ersten Wort: ep-n.
Dann ist ep = semit. 5 (ab = Vater). Dem Semitisten kommt
dann bei dem folgenden s gleich die Erinnerung an die Neben-
form $e des hebr. sogen. Relativpronomens, und am Ende von
Z. 3 wird er ebenso unwillkürlich bei dem cs an k'e- (Relativ-
„pronomen“ mit vorgesetzter Präposition xe) denken, das als Kon-
junktion „so wie“ gebraucht wird.
Allerdings wird ihm auch auffallen, daß Formen wie n für
das suff. 1 p. pl. oder Schreibungen wie ep statt ab, gelinde gesagt,
barbarisch sind. Aber solche Barbarismen finden sich noch mehr.
Der tollste ist wohl laten vmesa (Z. 4), das hebräischem lo ten
bammassä (wörtlich: „nicht gib in Versuchung) entspricht. Dieses
„Semitisch“ steht auf der gleichen Höhe wie das „Latein“ eines
gedankenlosen (Juintaners, der „non da“ statt „ne dederis“ über-
1) Kollege Fr. Stummer sandte mir freundlicherweise folgenden Brief zu,
den ich unter obigem Titel hier abdrucke. Dadurch wird, wie mir scheint, das
Rätsel des etruskischen Vaterunsers schlagend gelöst. Fr. Specht.
E. Schwentner, Argiya. — E. Schwyzer, Eochar. 101
setzt. Ferner ist „lan“ (Z. 3 bis und Z. 4) nicht hebräisch, sondern
syrisch.
Die Semitisten werden unschwer noch einige solcher Er-
scheinungen feststellen. Ich darf aber wohl abbrechen und dazu
übergehen, mtine Meinung über den Fall zu formulieren: Abge-
sehen von den oben genannten drei Wörtern ist dieses „etruskische“
Vaterunser in einem barbarischen „Semitisch“ verfaßt, das sicher
nie gesprochen wurde, sondern von dem Fabrikanten dieses Textes
willkürlich zurechtgemacht wurde. Ein Semitist war der Mann
nicht, sondern ein oberflächlicher Dilettant. Wenn ich erklären
soll, wie er auf eine solche Idee kam, so kann ich im Augenblick
nur sagen, daß ich mich erinnere, gelesen zu haben, daß man
früher einmal die Etrusker für Semiten gehalten hat. Es ist mir
aber nicht erinnerlich, wo ich das gefunden habe. Aber die Fach-
leute werden ja da Bescheid wissen. Diese Theorie mag den Ur-
heber unseres Machwerks „inspiriert“ haben.
Sollte mit der vorstehenden Skizze den Lesern Ihrer Zeit-
schrift gedient sein, so würde das mich sehr freuen.
Breslau. Fr. Stummer.
Argiya.
Den von mir ZII. VI (1928) 173 zusammengestellten altpersi-
schen adjektivischen Völkernamen Kusiy (Nom. Plur.): Kusa,
Putiyä, Mačiyā füge ich aus den Niya Kharosthi-Dokumenten bei:
präkr. Argiya „ein Mann aus Argi“ (sakisch Argifia?), H. W. Bailey,
BSOS. VIII (1936) 917 Anm. 1; W. B. Henning, BSOS. IX (1938)
565. 571, vgl. auch H. Jacobsohn, o. LVII (1930) 98 Anm. 1, wo
ZU. VI st. III zu lesen ist, für die apers. Lindernamen auf-iya,
Meillet-Benveniste, Grammaire du vieux- perse (1931) 153.
Schwerin i. M. Ernst Schwentner.
Eochar.
Nach gefälliger Mitteilung seitens eines Historikers zu o.
LXIII 32, Fußn. 2, steht in der Neuausgabe von Constantius’
Vita Germani c. 28 (Mon. Germ. hist., Scriptores rerum Mero-
vingensium VII [1920] 271) statt „Eochari“ als richtige Lesung
„Gochari“. Der Alanenkönig Goar sei auch aus andern Quellen
bekannt (W. Levison, Neues Archiv der Gesellschaft für ältere
deutsche Geschichtskunde XXIX [1904] 133ff.; Geschichte des
Rheinlandes, Essen [1922] 49), der Name Eochar zu streichen.
Berlin. E. Schwyzer.
102 M. Bartoli
Zur Lex Verner.
Alla memoria
del sommo linguista danese.
Das bekannte Vernersche Gesetz), kürzer Lex Verner ge-
nannt, kann noch immer nicht zur Ruhe kommen. Es wurde
mehrmals*) formuliert und wird hier eine Formel erhalten, die
von der heute herrschenden in zwei Punkten’) verschieden ist.
Zum besseren Verständnis der neuen Formel ist es ratsam,
die folgenden vier typischen Beispiele gleich vor Augen zu haben:
idg.*) germanisch got. bzw. ahd.
*dakru *tagru got. tagr (8 1)
*akesa * ahizá ahd ehir (82)
* gans gans ahd. gans (8 3)
*akua *ahwo got. ahwa (§ 4)
Nun zur Formel:
Die idg. stimmlosen Konsonanten p, t, En und s werden im
Germanischen stimmhaft: b, d, g und z (woraus r), und zwar
unter zwei Bedingungen:
I. in intersonantischer Stellung, d. h. -k- (intervokalisch),
-kr- und -rk-; nicht aber -ku- (§ 4);
II. unmittelbar vor dem Tone, genauer im Anlaut betonter“
Silben.
1) Oben XXIII 97—130.
) Siehe Herm. Hirt, Indogerm. Gramm. Bd. V (Der Akzent), Heidelberg
1929, § 62; außerdem dessen Handbuch des Urgermanischen, Teil I (Laut- und
Akzentlehre), Heidelberg 1931, § 59. Die neueste Literatur wird im Archivio
glottologico italiano XXVI 30 (Anm. 163) und von Streitberg, Michels und Jellinek,
Germanisch, Berlin 1936, S. 281 angeführt. [Vgl. jetzt Germanen und Indo-
germanen, Festschrift f. Herm. Hirt, hsg. von Helm. Arntz, Heidelberg 1936,
Bd. II, S. 617 (s. vv. Akzent u. Lautverschiebung); Vittore Pisani, Geolingui-
stica e indeuropeo, Rom 1940, 58 44—61].
3) Nach den heute meistens angenommenen Formeln ist der vorausgehende
Akzent, nicht der folgende, maßgebend: es „unterbleibt dieses Stimmhaftwerden,
wenn der idg. Ton unmittelbar vorausging“. So denkt z.B. Hirt in seinem
Hdb. des Urgerm. 190. Vgl. noch hier im Texte § 2. — Außerdem wurde in
den bisherigen Formeln der Lex Verner die besondere Stellung der Labiovelaris
nicht berücksichtigt.
*) Statt der Ausdrücke indogermanisch und indo-européen ziehe ich
ario-europeo vor; über diese u. &. Ausdrücke zuletzt Scritti in onore di Alfredo
Trombetti, Milano 1937, S. 183 u. 188. In dem vorliegenden Aufsatze ist der
Ausdruck indogermanisch angewendet, entsprechend dem deutschen Sprach-
gebrauch.
5) Siehe 88 1 u. 4.
l 6) Genauer, akzentuierten. Über das Wesen des Akzentes im Germani-
schen und im Indogermanischen vgl. zunächst Otto Jespersens Aufsatz „Verners
Gesetz nnd das Wesen des Akzentes“, in seinem Band Linguistica, selected
Zur Lex Verner. 103
Außer diesen zwei Bedingungen bleiben jene stimmlosen
Konsonanten stimmlos (-s) bzw. als stimmlose Spiranten (h bei
*ahizd, § 2).
Die wichtigste unter den ‚zwei Bedingungen ist de inter-
sonantische Stellung, so daß man jene Formel folgendermaßen
vereinfachen kann:
Die ıdg. stimmlosen Konsonanten werden germanisch stimm- .
haft, wenn sie sich in intersonantischer Stellung befanden, außer
dem Fall, wo sie in den Anlaut einer unbetonten Silbe zu stehen
kommen. Dieser Fall ist verhältnismäßig selten: genauer gesagt,
die Fälle wie
got. bröbar, ai. bhratar- (8 3),
got. hwabar, ai. katard- (§ 2 und 8 5)
wo also ¢ eine unbetonte Silbe anlautet und daher stimmlos bleibt
(und zwar als stimmlose Spirans), sind viel seltener als die Fälle
wie got. tagr aus idg. dakru (§ 1).
Die intersonantische Stellung ist nicht nur die Hauptbedingung;
sie ist, nach einer der genialen Intuitionen von Ferdinand de
Saussure’), das Wesen der Lex Verner. In dieser Beziehung
empfiehlt es sich auf eine ähnliche romanische Neuerung hinzu-
weisen: die lateinischen stimmlosen Konsonanten werden in
einer weiten romanischen Area stimmhaft, wenn sie sich in einer
intersonantischen Stellung befanden, die der oben angegebenen
z. T. gleich ist”).
Diese zwei Neuerungen, die romanische und die germanische,
erinnern ihrerseits an die keltische Lenition. Freilich handelt es
sich um drei verschiedene Neuerungen; doch sind sie nicht nur
ähnlich, sondern auch — was besonders zu merken ist — in be-
nachbarten Areen verbreitet. Die keltische Area ist das Zentrum der
romanischen Lenitionsarea*) und die historische Area des Kelti-
papers, Kopenhagen 1933, S. 229—248; ferner den „Natur des Akzentes“ be-
titelten § 88 in Hirts Hdb. d. Urgerm., mit der S. 143 n. 145 angeführten Literatur.
— Auch Archivio XXV 26, XXVI 30 (Anm. 163).
1) Cours de linguistique?, S. 207.
) Nicht nur in der intervokalischen Stellung, sondern auch in sonstigen
intersonantischen Stellungen: zwischen Vokal und 7 (z.B. Petrus, wuraus
Pedro, Peire, Pierre u. dgl.), l (pl, cl), auch 1 (sj): vgl. Archivio XX 135,
XXIV 38 [und besonders den Aufsatz J riflessi di afflare e confiare nell’
Italia meridionale: questioni di metodo, in den Atti della R. Accademia delle
scienze di Torino, Bd. 75 (1940), §1 u. Anm. 30f.].
8) Siehe die Zeitschr. Studi albanesi II 26f. In Mittel- und Süditalien (mit
den drei großen Inseln) ist die Lenition jünger als in Norditalien und hat
sich von diesem aus in Mittel- u. Süditalien verbreitet, was schon vor langer
104 M. Bartoli
schen war jener des Germanischen nahe). Aus diesen Grunden)
ist es wahrscheinlich, daß die romanische Lenition ein Echo der
keltischen ist), und daß diese und die germanische Lenition
(Lex Verner) ihrerseits auf einem gemeinsamen vorhistorischen
Substrat entstanden sind oder daß die eine zum Vorbild der
anderen wurde.
Diese Probleme‘) verlangen eine Diskussion, die hier nicht
folgen wird. Der Hauptzweck dieses Aufsatzes ist einfach, die
Beispiele der Lex Verner nach der neuen Formel zu ordnen.
Sie sind sehr zahlreich), aber wir werden uns auf die ver-
breitetsten beschränken‘), und zwar werden nur diejenigen an-
geführt werden, die mehr als einer germanischen Sprache ange-
hören und sich außerdem wenigstens in zwei anderen indoger-
manischen Sprachgruppen befinden ).
Zeit erkannt wurde: vgl. Vollmöllers Jahresber. X 111, XII 130; Giornale storico
della letter. ital. LXIX 380f. u. 385f.; Studi alb. II 26—28; Archivio XX 135,
XXV 186 (Anm.); zuletzt G. Rohlfs, La struttura linguistica dell’ Italia, Leipzig
1937, 8.16 [und besonders den soeben angeführten Aufsatz J riflessi di a flare, 3 8].
t) Genauer Archivio XXV 50, Anm. 135.
*) Auch aus chronologischen Indizien. Zu dem Alter des germanischen
„Stimmhaftwerdens“ siehe Hirts Hdb. d. Urgerm. $ 65. — Die romanische Leni-
tion ist älter in Gallien als in Iberien, Italien und Rätien: vgl. die Archivio
XXII 129 (Anm. 113) und XXX 174f. u. 178 angeführte Literatur und besonders
Elise Richter, Beiträge zur Geschichte der Romanismen, Teil I (Halle 1934),
88 118—124. [Vgl. jetzt Pisani, Geolinguistica, §§ 45, 57, 61].
3) Daran hat Verf. vor langer Zeit gedacht: z. B. Vollmöllers Jahresber.
XII 119, Anm. 33; Introduzione alla neolinguistica (Principi, scopi, metodi),
Firenze-Ginevra, 1925, S. 90.
*) Vgl. besonders die in Hirts Hdb. d. Urgerm. 88 65f. angeführte Literatur.
[Zuletzt Pisani, Geolinguistica, 88 44—61].
5) Vgl. Charles Clyde Barber, Die vorgeschichtliche Betonung der ger-
manischen Substantiva und Adjektiva (von der philosoph. Fakultät der Universität
Gießen gekrönte Preisschrift), Heidelberg 1932 (eine reiche Sammlung von fleißig
gruppierten Beispielen).
6) Vgl. § 1. Zu ähnlichen konventionellen Grenzen und zu ihrem Nutzen
8. Archivio XXVIII 128 (Anm. 2); auch XXV 48 (Anm. 126), wo auf die bezüglichen
Einwände geantwortet wird.
7) Z. B. folgende Wörter kommen im Germanischen und nur in einer an-
deren idg. Sprachgruppe vor: got. apn (lat. annus); ae. hdf (ai. gaphd-), dier
(griech. #zetgos); ahd. föh (lat. paucus), marah (air. marc). — Andere sind
zwar weiter verbreitet, doch verschieden gebildet: got. menops (lat. mensis),
geipus (lat. setius), wipra (aind. vitardm), wibrus (lat. veterinus); ahd. ebur
(lat. aper), salaha (lat. salix); schwed. ló (griech. 48755). — Andere wieder sind
der Entlehnung verdächtig, auch wenn sie lautgerecht sind: got. paida (griech.
bairn), anord. magr (lat. macer, ital. magro), mhd. kobe (griech. ying aus
*yvný).
Zur Lex Verner. Ä 105
§ 1. Idg. *dakri, germ. tagru, got. tagr.
Hier werden nur zweisilbige Beispiele gesammelt. Sie sind
sehr zahlreich und wurden an anderen Stellen) angeführt. In
diesem Aufsatz werden daraus nur die doppelten Beispiele ge-
bracht, nämlich solche, die zu gleicher Zeit für zwei Tongesetze
gelten, wie weiter unten klar werden wird. Zunächst beachte
man die bezüglichen Fälle:
ae. cwidu : lat. bitu-men, ai. jdtu (85) — got. *kindi- in kindins „Statt-
halter“ : lat. gentes -ium. — got. tagr : alat. dacru-ma. — got. -tigum : lat.
decu-ria (vgl. § 2). — ahd. zeigon : lat. dicad-re*). — Auch got. kalds, lat.
gela-re, -tus; got. -satida, abulg. saditi; got. tamida, lat. domitus. — Vgl.
Walde-Hofmann, s. vv.
Nach der Lex Verner — und zwar, wohlgemerkt, nach allen
bisher vorgeschlagenen Formeln — gehen diese germanischen
Worter auf idg. endungsbetonte Phasen zurück, möge man sie
sich als *gwetú, *genti oder wie auch sonst immer vorstellen.
| Man merke ferner, daß der Stammvokal dieser Wörter kurz
ist: e (bei *gwetú usw.), a und i. Daher stimmt die Lex Verner
auch in diesen Fällen (vgl. $5) mit dem Gesetze der idg. Oxy-
tonierung’) überein.
Freilich sind griech. ddxgv und ai. dgru, griech. déxa und ai.
dáça (auch lat. decem u. dgl.) paroxytoniert. Doch weist der idg.
Südosten (griech. und ai.) auch in diesen Fällen, wie meistens‘),
die vorhistorische Neuerung auf, gegenüber dem idg. Nordwesten
(germ. und balt.), d. h. griech. ddxov, déxa u. dgl. stammen aus
*daxov usw., wie uedv aus hel (§ 5).
Zum Schluß sei bemerkt, daß die genannten sechs Beispiele,
wie zahlreiche andere (vgl. § 5), sowohl für die Lex Verner als
auch für ein ihr ähnliches Tongesetz’) gelten. Seine Formel ist
kurz die folgende:
1) Außer der reichen Sammlung von Barber siehe Archivio XXIX 58
lu. XXXI 72].
2) Auch ahd. zogôn: Archivio XXVII 9 (11) u. 205 (15 .
9) Siehe Rivista di filologia e d’istruz. classica, Bd. LIX (1931), S. 207—221;
Archivio XXIX 54f., 58, 61 [X XXI 72].
*) Archivio XXIX 63; auch Schrijnens Aufsatz „Les rapports préhistoriques
du grec et du latin“, Bull. Soc. Ling. XXXVII? (1936), besonders S. 130—132.
Mélanges Boisacq, Bd. I (1937), S. 23, Anm. 5 [Neophilologus XXIV 135 —8; ver-
schieden doch ähnlich Specht u. Arntz, in den Rapports zu dem 5. internation.
Linguistenkongreß, 1939, S. 11öf. u. 122f. Gegen die daselbst, S. 129f., er-
hobenen Einwände vgl. Archivio XXX 67, Anm. 17].
5) Darüber zuletzt Archivio XXII 63—130 u. XXX 59—59. [Dagegen Pisani,
Geolinguistica, §§ 201—216; vgl. aber S.5.] Ed. Schwyzer hat jenes Gesetz
schon vor zehn Jahren (Idg. Jahrb. XI 74, 21), ehrlich, genau und klar an-
106 M. Bartoli
I. Im Germanischen und Armenischen werden die idg. Mediae
vor idg. unbetontem Vokal und im Auslaut stimmlos: für den
ersten Fall vergleiche man z. B. die soeben angeführten Wörter mit
germ. cw-, k-, t- (aus idg. gw, g, d); für den Auslaut ist auf die sehr
zahlreichen einsilbigen Stimme mit einer auslautenden Media’),
wie idg. *bäg, * ped : ae. boc, lat. fag-us, griech. pny-ds, nöd-es usw.
zu achten. |
II. Wenn sie dagegen eine idg. betonte Silbe anlauten,
werden die idg. Mediae germ. und arm. erhalten und im idg.
Süden aspiriert = bh, dh, gh.
§ 2. Hier können wir drei Typen unterscheiden:
I. Idg. *akesd, woraus germ. *ahizd, ahd. ehir : lat. acus, -era,
aus *-esd. | |
Das ist also wieder ein doppeltes Beispiel, doch verschieden
von den § 1 angeführten. Idg. *akesá hat zwei Tenues: die eine
unmittelbar vor einem unbetonten Vokal (%), die andere vor einem
betonten (s). Die erstere bleibt daher stimmlos (h), die andere
wird stimmhaft. Ähnlich verhalten sich folgende Beispiele:
anord. faer aus *faher : lat. pecora*), — got. taihunda : ai. dacatt-*);
somit wird es immer wahrscheinlicher, daß die idg. Grundlage von got. tai-hunda
endungsbetont war und „zwei Hände“ bedeutete. — Auch ae. héafod und got.
jühiza.
II. Idg. *kwoterös (vgl. § 4), woraus germ. *hwapards, got.
hwabar : ai. katard-. Jünger ist die Betonung der griechischen
Form: nöregog aus 6g (S 5). |
Die zweite Tenuis (¢) bleibt wieder stimmlos (5), weil sie un-
mittelbar vor einen unbetonten Vokal zu stehen kommt. Ähn-
lich sind:
asächs. féthara : griech. zregdv. — ahd. hasal(a) : alit. kasulas*). — ahd.
gahar : vgl. lit. ašarà. — Ferner adän. aer, aus *ahird : lat. acer -a; got.
gezeigt. — Auf die Einwände Debrunners habe ich Archivio XXV47f. ge-
antwortet. [Mein durchaus unpersönliches Referat — entsprechend den Wei-
sungen der damaligen Schriftleitung — bedeutet nicht Zustimmung, und ich
muß mir auch gegenüber dem vorstehenden Aufsatz Bedenken vorbehalten. Doch
sind die behandelten Fragen so wichtig, daß ich es gerechtfertigt finde, wenn der
verehrte Turiner Kollege auch in dieser Zeitschrift zu Worte kommt. Schwyzer.]
1) Vgl. Studi italiani di filologia classica, Nuova Serie XII (1935), S. 55—57,
Archivio XXIX 57 [XXXI 72f.].
2) Jünger sind lat. pecus, got. faihu. Hierher gehört auch ahd. farah,
nach plur. farhir : serb. präse (Neutr.); wohl auch asächs. rath, plur. nicht be-
legt, ahd. 16h „Gebüsch“, aus plur. Zukkir und lh (Schatz, Ahd. Gr. 212).
3) Siehe § 1 (zu got. -tigum) und § 5 (griech. déxa); vgl. IF. L 208—210.
4) Vgl. Niedermann in Mélanges Meillet, Paris 1904, S. 97 ff.
Zur Lex Verner. 107
ahana, griech. xavos aus -g (§ 5); ahd. amsala, lat. merula; got. anpar,
russ. vtorój. |
Auch asächs. furthor : ai. pratardm; ahd. swehur : griech. éxveds'). Jüngere
Betonung haben umgekehrt griech. zgdregos und ai. godgura- (§ 5). Das gilt
auch für griech. »&preoos aus -g: germ. *nurpra (ahd. nordar).
III. Idg. *senekös, germ. *-igds; |
idg. *jugesd, germ. *-izd, -r-.
In beiden Typen findet sich der stimmlose Laut vor einem
betonten Vokal und wird daher stimmhaft.
Aus idg. *senekés*) stammen got. sineigs, ai. sanakd-. — Ahn-
lich verhalten sich:
ahd. honag: ai. kdnakam aus *-dm (§ 5). — got. juggs: ai. yuvaca-,
lat. cuvencus. — got. tweifls : griech. d:aAdos aus *-6s (8 5). — Auch ahd. demar
(aus -): ai. tamas asd); anord. eir : lat. aes, aera *-esd, ai. dyas (8 5).
Aus idg. *jugesá sind got. jukuzi, ae. gycer entstanden: lat.
iugera. — Ebenso:
anord. hatr : ñjòͤ og *-eod. — anord. rekkr: ai. rdjas -asd. — anord.
sætra : griech. &dog. Ä |
& 3. Die hier gesammelten idg. Stämme lauteten auf -s und
-r (bzw. auf -és und -ter) aus. Viele unter ihnen haben dann
einzelsprachlich vokalischen Auslaut angenommen. Es lassen sich
darunter drei Typen unterscheiden:
I. Ahd. gans.
Diese Form hat sich aus idg. Zeit unversehrt bis in das Neu-
hochdeutsche bewahrt: genauer gesagt, sie ist älter als z.B. ai.
hamsd-, lat. anser. — Ähnlich ist die Geschichte der folgenden
Formen, bei denen je ein Beispiel der nicht germ. o-, d- und i-Bil-
dungen angeführt wird.
anord. Mús : russ. myso. — ai. næs : lat. näres Zum, — anord. oes : lit.
asq (Akkus.). — anord. dss: lat. öra. — got. weihs : lat. wicus.
Jüngere Bildungen sind got. ausö, lat. aures -ium*); ahd. Fasel, griech.
néos; ahd. kaso, lat. cas-cus; ahd. leisa (got. lais), lat. iva. — Vgl. Walde-
Hofmann, s. vv.
II. Got. agis.
Es ist ein es-Stamm: griech. dog kommt aus 6g nach dem
ue v-Gesetz (§ 5). Jünger ist die asächs. und ahd. Bildung: egiso.
Ein ähnliches Beispiel ist got. sigis : ai. sahas aus ds.
III. Got. brößar.
Die Betonung der idg. Phase *bräter (§ 1) wird zunächst
durch die Lex Verner und das mit ihr verwandte Tongesetz
9) [Neophilologus XXIV (1939), S. 131.
2) Archivio XXIX DUT 3) Vgl. Scritti Trombetti, S. 176f.
4) Vgl. Walde-Hofmann, s. v. und jetzt Benveniste, Origines I 7, 24, 62.
108 M. Bartoli
(oben § 1 erwähnt), ferner durch die slavischen und baltischen
Formen und zuletzt durch die griechischen und indischen be-
zeugt: vgl. besonders serb. brät, griech. pgodıwe, -no, ai. bhrdtar-.
Endungsbetont ist dagegen idg. *patér’): ai. pitär-, griech.
mato, got. fadar.
Ferner vergleiche man folgende stammbetonte Formen:
got. gulp : russ. zdloto. — got. *hliuba : agent, sraotam. — ae. mæp :
griech. urig. — got. nebla : griech. vürgov. — ae. röbor : ai. aritram. —
anord. vipbir: lat. uttis. — got. wulbus : lat. uoltus. — Auch got. ams(a),
griech dog; anord. ars, griech. dos; got. kals, lat. colum.
Wohlgemerkt, die Stammsilben dieser Formen sind oder
waren lang.
Einzeln stehen da ai. mätdr- und die germanischen Formen
mit vortonigem d: ae. mödor u. dgl. Sie sind nicht lautgerecht,
insofern sie einen langen Stammvokal und doch Endbetonung
haben: vgl. §§ 1 und 4. Es ist nun kein Wunder, daß diese Be-
tonung ein Echo der bei ai. pitdr- und ae. feder u. dgl. vor-
kommenden ist. Das Haupt der altindischen und auch jenes der
germanischen Familie war der Vater, nicht die Mutter.
§ 4. Idg. *akrd-, woraus got. ahwa.
Hier seien zunächst die bezüglichen Beispiele einfach ge-
sammelt.
Aus idg. -d: got. ahwa, lat. aqua.
idg. -G: got. aihwa-, lat. equos. — got. haihs, lat. caecus?) — anord.
la, griech. Adxxos, aus A — got. wulfs aus *uolk*ds (s. unten).
idg. -ú : ae. earh, lat. arqui. — ahd. fereh, lat. guerguetum.
| idg. -é : got. fimf, lat. quinque, lit. penki. — Auch wenigstens ein Verbal-
stamm: got. leihwan, lat. linquo ere,
Dagegen idg. -¢: anord. ylg-r, ai. vrt. Hier findet sich also der stimm-
hafte Laut (g), während die übrigen Beispiele den stimmlosen (% und f) aufweisen.
Die Labiovelaris ist nämlich vor a, o, u und vielleicht vor e,
wohl länger als vor i geblieben‘): daher einerseits idg. *uolkrös,
andererseits g.
1) Vgl. vorläufig Archivio XXVII 10, XXI 69. [Dagegen Pisani, Geo-
linguistica, $179; vgl. aber S. 5.]
*) Wenn caecus gleichsam „ein-äugig“ ist, lautete es auf *-ok¥*ds aus:
vgl. Walde-Hofmann, s. v.
3) Die idg. Labiovelaris ist keine Neuerung: vgl. Archivio XXVI 249 [u.
jetzt Hirt, Die Hauptprobleme der idg. Sprachwissensch., Halle 1939, S. 161£.]
Das sind dagegen die Palatallaute, woraus g u. dergl. der ddga-Sprachen: vgl.
Archivio XXVI 37, XXVII 217f. [Dagegen Pisani, Geolinguistica 88 177f., vgl.
aber S.5; auch Rapports zu dem 5. intern. Linguistenkongr., S. 127f., 130f.,
135— 37]. — Auch die aspirierten Mediae und Tenues sind vorethnische Neuerungen,
vgl. § 1 (II).
Zur Lex Verner. 109
Was die Betonung anlangt, sei zunächst daran erinnert, daß
die zweisilbigen idg. Stämme mit kurzer Stammsilbe endungs-
betont waren): griech. Tarnos, névte, Adxog, ai. deva-, pdfica, vrka-
kommen aus ines, *nevté usw., wie wédu aus *nedd (§ 5). Die
„reduzierte“ Stufe bei ai. *vrká-, got. wulfs u. dgl. ist eigentlich
die unbetonte gewesen.
Daher ist es nicht richtig, z. B. von idg. *dk*a, *ék*os, *uölkros
u. dgl. auszugehen). Diese Annahme ist allerdings nach der heute
herrschenden Formel der Ler Verner notwendig, nicht aber nach
der unsrigen: got. ahwa, aihwa-, wulfs usw. stammen von idg.
*akud, ekuös, *uolk*és, wo k nicht intersonantisch ist.
Eine Stelle fiir sich gebiihrt folgendem Fall:
idg. kuetuör : lat. quattuor, ai. catvdri : got. fidwor, d.h. zwischen
Vokal und Halbvokal (u) scheint Sonorisierung eingetreten zu
sein; doch vgl. ae. feopor.
§ 5. Einen ganz besonderen Fall bilden die germanischen
Reflexe der idg. Formen *bos und *bosés. Um sie klar zu ver-
stehen, empfiehlt es sich zunächst, die germanischen (vgl § 1)
und baltischen Reflexe der idg. Formen *gläd und *gladus zu be-
trachten:
idg. glad ergab zunächst germ. *glot, lit. * gld;
idg. *gladus, germ. adus, lit. *gladus.
Durch Verschränkung der zwei Reihen kommt man nun zu
germ. glad- (anord. glad-r) und lit. glodüs.
Ähnlich sind mehrere andere germanische Formen mit zwei
Mediae aus je einem idg. Paar entstanden.
ae. beard : lat. barba aus d.
got. göbs, god, asächs. gi-gado : griech. dyadds.
got. *gribs, grid: lat. gradior aus *gradt-. |
anord. grind : lat. grunda aus *-a.
ahd. grap, gröb, got. graba, gröba : griech. yodpw» aus *-@v?).
Die Geschichte dieser germanischen Formen ist jener der
entsprechenden baltischen und slavischen ähnlich: vgl. russ. borodd
(Nomin.), börodu (Akkus.).
Jetzt kommen wir zu unserem Fall, nämlich zu ahd. bar „nackt“.
idg. *bos ergibt zunächst germ. "bës:
idg. *bosös, germ. *pazds, par-, lit. bäsas, femin. basd.
1) Archivio XXII 71, XXIX 61 [XXX] 72].
2) So z.B. Hirt, Idg. Gramm. V 258 (got. ahwa); 47 und 263 (eo und
Avnos).
3) Vgl. Benveniste, Origines I 167.
110 M. Bartoli, Zur Lex Verner.
Aus *bös + *par- entsteht nun ahd. bar.
Ebenso sind endlich folgende Formen zu beurteilen:
idg. *gais ergibt germ. *gais;
idg. * gaisés, germ. *keizd, * keir-.
Aus dem Zusammenfluß dieser Formen entsteht anord. geirr.
Ähnlich ist die Geschichte von anord. barr (aus ra-), got.
barizeins: vgl. besonders russ. börosno.
Ferner vergleiche man got. funpus, das z. B. nach Brugmann,
Grundriß' I 8 244 (I), auf „Ausgleichung der urgermanischen
Stammform *tanp- und *tund-“, d.h. *tund-’ (lit. dantis) beruht.
Endlich vergleiche folgende Varianten:
stammbetont: endungsbetont:
ae. hweol aus *hwehol ae. hweogol
griech. ën Joe ai. cakra-
Die endungsbetonten Formen sind in diesem Fall älter als
die stammbetonten. Das gilt zunächst für cakrd- und griech. xd-
xdog, das aus *xuxddc (vgl. unten) kommt. Für die zwei ger-
manischen Formen und für die zahlreichen anderen Fälle mit
„schwankender Betonung“, die Barber a. a. O. gesammelt, sind
die Gründe des Schwankens noch nicht klar ersichtlich ').
Zum Schluß möge als eine Art Index der in diesem Aufsatz erwähnten
Wörter mit verschobenem Ton eine einfache Gruppierung solcher Wörter Platz
finden. Sie gehören diesen zwei Tongesetzen an, die an ihrem Orte besprochen
werden:
Zu dem pédu-Gesetz*): Anen § 1, dımidos § 2, Innos § 4, vën/ioc § 5, Adnos
84, ai. deru 8 1, jatu § 1, sdhas § 3, vika- § 4; aus *wedd usw.
Zu dem Ziagpos-Gesetz?): griech. véotegos, adétegos, nedtegos, auch dx g,
ai. kdnakam, cväcura-, alle § 2 erwähnt; aus *veoreods usw., wie Zlagos aus
*2lapds; vgl. EAAds, got. lamb aus idg. *lombds.
Am Schlusse angelangt, wollen wir uns der Worte erinnern,
mit denen der jüngst verschiedene Meister Hermann Hirt sich
anschickte, eben die Lex Verner zu besprechen‘):
„Es gehört zu den wunderbarsten Erscheinungen der Sprach-
geschichte, daß wir Nachwirkungen des idg. Haupttones bis heute
in unserer Sprache finden.“
Hirt meinte nur die in seiner Sprache nachwirkende Lex
Verner, nicht das ihr ähnliche Tongesetz, das auch sonst in unserer
Sprachfamilie (lat., griech., ind. und arm.) nachwirkt. Aus diesem
1) Vgl. vorläufig Hirts Hdb. d. Urgerm. I § 92.
2) Studi baltici III 14f., Archivio XXIX 55 u. 58 [XXXI 72].
3) Vorläufig Archivio XXII 99.
4) Idg. Gramm. V 62.
V. Pisani, Bayds. 111
Aufsatze) kommt man nun zu dem Ergebnis, daß jene zwei Ge-
setze übereinstimmen und sich einander ergänzen.
Sie stimmen überein, weil die Ausnahmen, wie ahd. bar und
anord. barr und geirr (8 5), nicht nur seltener, sondern auch
jünger“ sind als die Beispiele, in denen die zwei Gesetze har-
monieren: das sind die im $1; vgl. auch § 2 (III), § 3 (gans, agis,
brobar), 85 (gulp). Auch sind z. B. die anormalen Fälle des
Typus xaoöi« jünger als jene vom Typus x7je aus jo.
Die zwei Gesetze ergänzen sich insofern, als das eine sich
auf die idg. Tenues, das andere auf die Mediae beschränkt. Wo
nun das eine schweigt, redet fast immer das andere. Auch sind
beide sehr nützlich, weil sie bis zu den ältesten Tonverhältnissen
unserer Sprachfamilie hinaufreichen.
Turin, Oktober 1937. Matteo Bartoli.
Bayös.
Unter den von Sonneck, Gl. XXVII 23f. besprochenen, von
Petersen, AJPh. LVI 54ff. zusammengestellten “Greek Examples
of Word-Contamination” befindet sich auch die Hesychische Glosse
Bayós: Baotdeds, die aus dude und Baoılevs zusammengewachsen
sein sollte. Von einem rein griechischen Gesichtspunkt aus ist das
— wie übrigens der größte Teil von Petersens Aufstellungen —
wenig wahrscheinlich: dude ist ein lebendes Wort nur bei Homer,
und da bedeutet es „(Heer)führer“, nicht „König“: gesetzt aber
auch, daß eine Kontamination zwischen beiden Worten möglich
war, — wer denkt nicht eher für Bayds an altiranisches baga-
„Gott“? Apotheose ist auf mesopotamischem Boden uralt, schon
Sargon I (2500 v. Chr.) nennt sich Gott und erzählt von seinem
göttlichen Ursprung; später ist die Herrschervergötterung von
Alexander dem Großen und seinen Nachfolgern übernommen
worden. Leider stehen uns — soweit mir bekannt — keine
näheren Nachrichten zur Verfügung, um den Gebrauch von 60069
besser zu bestimmen: mir scheint aber am wahrscheinlichsten,
daß das Epitheton gerade am Hofe Alexanders bzw. der Seleu-
kiden von deren iranischen Untertanen gebraucht war, als An-
rufung und Bezeichnung für den König. Dann würde die Glosse
aus irgendeinem geschichtlichen Werk stammen.
Rom. Vittore Pisanı.
1) Vgl. Rivista di filologia e d’istruz. classica LIX 207—221.
2) Archivio XXV 48 (Anm. 125f.) u. XXIX 61.
112 J. Hamm
Über den gotischen Einfluß auf die altkirchenslavische
Bibelübersetzung.
Vor ungefähr zehn Jahren kam J. Vajs, einer der besten Kenner
der aksl. Literatur, auf Grund seiner vorwiegend textkritischen For-
schungen zu folgender Feststellung: „So haben wir, ähnlich wie
in der gotischen Ulfilas-Übersetzung, auch in dem altslavischen
Texte neben der byzantinischen Basis auch andere Elemente; be-
sonders häufig sind die Western-Varianten, außerdem aber auch
der alexandrinische und lateinische Einfluß. Es bleibt weitere
Aufgabe der Forschung, die nichtbyzantinischen Varianten auf-
zuweisen, und die Vorlage des altslavischen Textes in den Unter-
abteilungen des K-Textes aufzusuchen *).“ Dem Aufrufe Vajs folgte,
m. W., niemand. Das ganze Jahrzehnt hindurch wurde der Lösung
dieser Probleme nicht eine ausführlichere Abhandlung gewidmet,
und man begnügt sich u. a. auch heute noch mit einer mehr „zu-
fälligen“ — wie man gewöhnlich vermutet — Ähnlichkeit aksl. und
got. Texte. Auf ein vergleichendes Studium derselben legte man
anscheinend schon von vornherein keinen Wert. Ein dergleiches
Verhalten der Forscher ist vom Standpunkte der heutigen Lehre
von der Entstehung der aksl. Bibelübersetzung an und für sich
leicht verständlich, ja sogar fast ganz natürlich. Wie könnte man
nämlich vom Standpunkte der kyrillo-mazedonischen Hypothese
einer arianischen, und dazu noch fremdsprachlichen, gotischen,
lange vor dem Auftreten der Slavenapostel verschollenen Bibel
einen auch nur geringsten, scheinbaren Einfluß auf das Werk
Kyrills einräumen, um zugleich nicht die Grundlagen dieser ganzen
Lehre beträchtlich zu schädigen und schließlich in Frage zu stellen?
Denn ein unmittelbarer Einfluß der gotischen Bibel auf das Alt-
kirchenslavische nach der zweiten Hälfte des 9. Jahrh.s ist, nach
allem, was wir heute von den Goten und von ihrer Literatur wissen,
undenkbar; folglich müßte man ihn in eine frühere Periode, etwa
ins 6. oder 7. Jahrh., versetzen, was der Ablehnung der von Jagić
u. a. mit so viel Mühe aufgestellten Hypothese vom kyrillo-maze-
donischen Ursprunge der ältesten slavischen Literaturdenkmäler
gleichbedeutend wäre. Ich muß gestehen, daß ich mich vielleicht
auch selbst an diesen Versuch nicht gewagt hätte, wenn mich
meine paläographischen Forschungen nicht dazu gezwungen hätten.
Unzufrieden mit der Lösung, die Vajs in seinem Handbuche’°) bot,
1). J. Vajs, Byzantské recense a evangelijni kodexy staroslovénské, Byzantino-
slavica I, p. 1—9, Prag 1929.
2) J. Vajs, Rukovét hlaholské paleografie, Prag 1932 (Rukov. Slov. úst. 2).
Über den gotischen Einfluß auf die altkirchenslavische Bibelübersetzung. 113
versuchte ich selbst die Frage von der Herkunft der glagolitischen
Schrift auf eine plausiblere Weise zu lösen. Meine zu diesem
Zwecke unternommenen Forschungen erwiesen sich in der Tat als
erfolgreich, und es gelang mir auf Grund paläographischer Studien
festzustellen, daß die älteste slavische (d. h. die sogen. glagolitische)
Schrift unbestritten gotischer Herkunft ist. Meine kroatische Ab-
handlung über diesen Gegenstand ist bereits fertig und wird bald
im Drucke erscheinen. Um dieses Ergebnis vor dem Veröffent-
lichen einer möglichst allseitigen Kritik zu unterziehen, mußte ich
vom paläographischen auf das sprachwissenschaftliche und text-
kritische Gebiet übergehen, um festzustellen, ob sich auch von
diesen Standpunkten aus von einem gewissen gotischen Einflusse
sprechen läßt. Der Lösung dieser Frage widme ich diese kurze
Abhandlung, in der ich mich aus methodischen Gründen nur auf
die philologische Seite des oben erwähnten Problems beschränke.
Nach den Ergebnissen der bisherigen Forschungen unterliegt
es bereits keinem Zweifel, daß die ursprüngliche Vorlage der
got. sowie der aksl. Bibelübersetzung in der beiden gemeinsamen
K-Familie zu suchen ist, und ebenso kann man als unbestritten
hewiesen betrachten, daß die gotische Übersetzung unter einem
gewissen Einflusse altlateinischer Texte stand. Da Šafařík u. a.
und in neuerer Zeit auch Pogorélov und nach ihm Vajs geneigt
sind, den lateinischen Einfluß auch in der aksl. Evangelienüber-
setzung zu sehen, halte ich es für geraten, die realen Ergebnisse
ihrer Forschungen nachzuprüfen und festzustellen, ob die vermeint-
lichen lateinischen Varianten vielleicht auch im gotischen Texte
vorkommen. Denn im Falle, daß sie in derselben Gestalt auch dort
erscheinen, müßten wir annehmen, daß sie — rein hypothetisch —
ins Aksl. ebenso aus dem Lat. wie aus dem Got. gelangen konnten,
und ferner, wenn sie sogar weder im Griech. noch im Got. vor-
kommen sollten, dürften wir von einem unbestritten lateinischen
Einflusse erst dann sprechen, wenn die gegebenen aksl. Wörter
oder Ausdrücke unmittelbar aus dem Lat. entlehnt oder ihm treu
nachgebildet sind. Dabei darf man nicht außer Acht ‘lassen, daß
wir auch den slavischen Übersetzern in der Wahl der Ausdrücke
und der Gestaltung der Wendungen hie und da eine gewisse
Freiheit einräumen müssen. In der Tat, wie wir sogleich sehen
werden, die Mehrzahl der bei Pogor. LV.') angeführten Beispiele
kehrt auch im Got. wieder, so:
1) V. Pogorelov, Latinskoe vlijanie v perevod evangelija, Sbornik Fil. Fak.
III 32, Bratislava 1925.
Zeitschrift für vergl. Sprachf. LXVII 1/2. 8
114 J. Hamm
Mc. 1,2: yéyeanta: — scriptum est — gameliß ist — este pisano.
Me. 1,5: ngoa Á *Iovdaia yoga — omnis Iudaeae regio — all
Iudaialand — vosE yudeiska strana.
Me. 1, 12: éxBddder — expulit — ustauh — izvede.
Me. 1,45: ote unuéte adtov ddvacda: — ut iam non posset —
swaswe is juban ni mahta — Eko k tomu ne moZaase.
Mc. 2,2: Gore unnerı xwogeiv — ut non caperet — swaswe jupan
ni gamostedun — čko ks tomu ne voméstaachg se.
Mc. 2,3: Zoxovıaı — venerunt — gemun — pridg.
Me. 2,4: xalooı — submiserunt — insailidedun — sevesise.
Mc. 2,12: Gore 2£ioraodaı — ut mirarentur — swaswe usgeisnode-
dun — čko divléacho se.
Me. 2, 17: ioydorvtes — sani — swinpai — sedraviü.
Me. 3,7.8: noAb t — multa turba — filu manageins — menogs
narods: nd og co t — multitudo magna — manageins
filu — menogo mano2bstvo.
Me. 3, 10: Gore éninintery — ut irruerent — swaswe drusun — Eko
napadachg.
Me. 3, 13: noooxaleitaı — vocavit — athaihuit — prizeva.
Me. 4,4: èv 19 onelgeıv — dum seminat — mibpanei saiso — egda
séase.
Mc. 4, 5.6: dë tò un ërem (bis) — quoniam non habebat — in Pizei
ni habaida — zane ne iméase: quod non habebat —
unte ni habaida — zane ne ime(a)se. Vgl. Nik.
Mc. 4, 17: nodoxaıgoı — temporales — heilahairbai — vrémenvni.
Mc. 5, 26: tà nag aùtis ndvta — omnia sua — allamma seinamma —
vdse SVOE.
Me. 6, 21: eöxaloov — opportunus — gatils — potrébenu.
Me. 7,10: 6 xaxohoyov — qui maledixerit — saei ubil gibai —
ize zdsloslovits.
Me. 7, 26: EAA — gentilis — haibno — poganyni.
Me. 8, 36: Coure — detrimentum faciat — gasleipeiß sik —
otastetits.
Me. 9, 34: tig Geifon — quis eorum major esset — harjis maists
wesi — kto ests bolei.
Me. 9, 34: mods dAAndovs — inter se — du sis misso — drugs ke
drugu. (Vgl. L. 2, 15!)
Me. 9, 50: ër dAAnkoıs: — inter vos — mip izwis misso — mezdju
s0b0j0. |
Mc. 10,6: dooer xal Fijdv — masculum et feminam — gumein jah
ginein — moza i Zeng.
Über den gotischen Einfluß auf die altkirchenslavische Bibelübersetzung. 115
Mc. 10,32: tà uEAlovra ere ovußaiveiw — quae essent ei eventura —
poet habaidedun ina gadaban — eže chotease byti emu.
Mc. 10,46: ixavod dydov — plurima multitudine — managein gano-
hai — narodu menogu (: ixavds — dignus — warps —
dostoins, M. 8,8, Mc. 1, 7 ff.).
Me. 11,17: op yéyeantar — nonne scriptum est — niu gameliß ist —
nésts li pisano.
Me. 11,21: Ayer — dixit — qap — glagola.
Mc. 12, 36.37: adtds yo.. . gët od» — ipse enim... ipse ergo —
silba aur... silba raihtis — ts bo... sams ubo.
Me. 14,5: éndvw — plus — in managizo — veste.
Mc. 14,8: 5 £&oyev ary Enoinoev — quod habuit haec, fecit — pater
habaida so gatawida — eže imé si sčtvori.
Mc. 14,68: odx olda oöte Enlorauaı ti où Aéyers — neque scio, neque
novi quid dicas — ni wait, ni kann ha pu gibis — ne
uméjo ni ssvémd čto ty glesi.
Mc. 15,20: tà iu&tiæ tà ča — vestimentis suis — wastjom swesaim —
rizy svoje. |
Mc. 15,21: dyyagedovoıw — angariaverunt -— undgripun — zadese.
Mc. 15,31: &avrov — se ipsum — sik silban — sebe.
Mc. 15,39: xevtvelwy — centurio — hundafaps — sotonike.
Mc. 16, 4: Jewgoöcıw — viderunt — gaumidedun — videse.
Mc. 16,11: & eddy — visus esset — gasaihans ward — vid ens byst.
Der Unterschied von vazglasits und vaspéts bindet sich nicht
an lat. vocare, vocem dare, clamare, loqui ` cantare, wie das Pogor.
LV. 210 vermutet, sondern entspricht mehr dem got. wopjan : hruk-
jan (vgl. M. 26, 74.75; Jo. 13,38; 18, 27 u. a.). Ebensowenig darf
das aksl. chvalg vszdavs oder preljuby tvorits als eine Entlehnung
aus lat. gratias agens oder adulterium committit gelten, da es
im gegebenen Falle den lat. Ausdrücken treuer nachgebildet
worden wäre. Die Wendung tod v toig oteavois — qui in coelis
est kam auch im Got. vor und wurde dort in der üblichen Form
‘saei in himinam’ mehr als eine Verkürzung des eigentlichen ‘saei
in himinam ist’ (M. 10, 32. 33 u. a.) betrachtet. Über das Ver-
hältnis vest, vosb ` gradbes vgl. S. 124. Vom lat. luna, das bei-
Pogor. nur an einer Stelle, die fürs Got. in Betracht kommen kann
(Mc. 13, 24), belegt ist, und von anderen geringen Abweichungen
abgesehen, bleibt eigentlich von den Einzelwörtern nur das pro-
povédati = lat. praedicare übrig, wodurch jedoch noch immer nicht
gesagt sein soll, daß es schon aus der Zeit der ersten Übersetzung
datiert, da es als ein viel gebrauchter kirchlicher Terminus auch
8*
116 J. Hamm
später überhand nehmen konnte (vgl. z. B. pops, krig u. dgl.). Fast
charakteristischer erscheint mir das, was Pogor. LV. auf S. 213 so
zu erklären versucht: „In Mc. 1,6 gab der lateinische Übersetzer
treffend den griech. Ausdruck évdedupévos telyas naundov xal H-
vyv dequativny tei thy Öopbv adtod mit den Worten wieder:
vestitus pilis cameli, et zona pellicea circa lumbos ejus, aber der slavische
Übersetzer nahm das zona pellicea nicht für einen Ablativus, sondern
für einen Nominativus und übersetzte: obledens vlasy velobozdi i
poéss usnéns o crésléché ego.“ Wenn wir mit dem oben erwähnten
das got. gawasids taglam ulbandaus jah gairda filleina bi hup
seinana (ibid.) vergleichen, so sehen wir, daß auch hier die
aksl. Form näher dem Gotischen als dem Lateinischen steht und
daß in diesem Falle von einem Versehen des slavischen Übersetzers
kaum die Rede sein kann.
Pogor. LV. führt (S. 215. 216) auch etliche Beispiele aus
Berneker (Kyrills Übersetzungskunst, IF. XXXI 399—412) an, die
mindestens ebensoviel Anspruch auf eine lateinische wie auf eine
gotische Vorlage erheben können:
go adtév — elisit eum — gabrak ina — povrvée i (Nik.), L. 9, 42.
xe, — ex ordine — gahahjo — po redu Nik., L. 1, 3: x 9e —
deinceps — afar fata — potoms Nik., L. 8, 1.
Enoaivetas — arescit — gastaurknib — océpénéets Mc. 9, 18: é&nodvdy
— siccatus est — gapbaursnoda — isekng Mc. 5, 29.
ocet ô olvos ô véog — dirumpet vinum (utres) — distairai wein
bata niwo — prosadits vino novo Me. 2,22: oos
abröov — allidit illum — gawairpip ina — razbivaate i
Me. 9, 18.
ob rol elen ol... ovunviyovtar — hi sunt, qui... suffocantur —
Bai sind Baier... afhapnand — si sutb (ide). . pod a-
vlajuts se Nik. L. 8, 14: of dydou ovvenvıyov abıdv — a
turbis comprimebatur — manageins prathun ina — narodi
ugnitachu i Nik. L. 8, 42.
Wie wir sehen, folgt das Aksl. dem Got. (und Lat.) auch in
der synonymischen Wiedergabe griech. Ausdrücke und Wendungen.
Einen nicht geringen Anlaß dazu konnte den slavischen Übersetzern
eben das Got. bieten, das sich, wie bekannt, beim Übersetzen
ebenfalls häufig einer bunten Synonymik bediente (vgl. griech.
éxnAnoocecda: — lat. admirari, stupere — got. biabrjan, sildaleikjan,
usgeisnan, usfilma wairban M. 7,28; Mc. 6, 2. 10,26. 1,22 u. a.).
Die von Vajs als Latinismen betrachteten Ausdrücke’) wurden
1) Vgl. auch: J. Vajs, Jaky vliv mela latinsk& Vulgäta na staroslovansky
překlad evangelni (Slavia V, Prag 1927, S. 158—162).
Über den gotischen Einfluß auf die altkirchenslavische Bibelübersetzung. 117
teilweise schon erwähnt. Für ärıovoros gab Jagić, Entst.* 367 die
einzig richtige Erklärung, und das einsam dastehende ‘vs2dajoste’
(nur Assem.) konnte auch später ins Aksl. eindringen. Was diese
wie die anderen Stellen, wo man an einen lateinischen Einfluß
denken könnte, betrifft, stimme ich Vajs bei, wenn er sagt (Slavia
V 161): „Tato mista jsou spíše pripustna a pochopitelna jako pozdejst
zmeny ‘opravy pod vlivem Vulgdty... Snad je tu něco podobného
jako v památkách charvatsko-hlaholskych, kde vliv Vulgdty v pozdéjsi
době byl mnohem usilovnejst.“
Der Einfluß der Vulgata ist demnach in eine spätere Zeit zu
setzen und kann bei der aksl. Urübersetzung nicht in Betracht
kommen, wie das übrigens auch aus der lat.-aksl. Lehnwortkunde
klar erhellt. Von dem Gotischen können wir das jedoch nicht
sagen, denn obgleich ein unmittelbarer Einfluß des Gotischen nach
der zweiten Hälfte des 9. Jahrh.s undenkbar ist, finden wir in
der aksl. Bibelübersetzung unfehlbare Beweise, daß sie unter einem
unmittelbaren Einflusse der arianischen Bibel Ulfilas stand. Diese
Beweise zeigen 1. daß eine ganze Anzahl von gotischen Wörtern
an Stellen entlehnt wurde, an denen wir sie auch im gotischen
Original treffen, 2. daß gotische Wörter an solchen Stellen auch
unverändert (d. h. in ihrer urspr. got. Form) ins Aksl. übernommen
wurden, 3. daß verschiedene aksl. Wörter und Wendungen an
entsprechenden Stellen wörtlich aus dem Gotischen übersetzt wurden
(calques). Eine derartige, und dazu noch so mannigfaltige, Koin-
zidenz kann unter keiner Bedingung einem späteren Einflusse,
der sich etwa erst eine geraume Zeit nach der vollendeten Über-
setzung — etwa so wie es mit der Vulgata der Fall war — durch-
setzen sollte, zugeschrieben werden. Got. Entlehnungen, die in
der aksl. Bibel eine freie Stelle und hie und da sogar eine ab-
weichende Bedeutung einnehmen, konnten auch später (aus der
Volkssprache) in den Bibeltext eindringen, für die oben erwähnten
Fälle kann das aber keineswegs gelten. Ich bin deshalb überzeugt,
daß nicht nur irgendein späterer aksl. Text, sondern daß gerade
die Urübersetzung der aksl. Bibel unter gotischem Einflusse stand.
Ich werde im weiteren versuchen, die oben erwähnten Beweise, die
u. a. auch die Richtigkeit meiner paläographischen Ausführungen
zu bestätigen scheinen, in systematischer Ordnung anzuführen.
Dabei werde ich mich nur auf die beiden von Vajs herausge-
gebenen rekonstruierten aksl. Evangelientexte (M. u. Mc.)') und das
1) J. Vajs, Evangelium sv. Matouše, Prag 1935; CECR sv. Marka,
Prag 1927 (Krit. stud. starosl. textu bibl. 3,1).
118 | J. Hamm
bei Jagić, Entst.“ 300—420 (§ 55 — 56) ) dargebotene Material be-
schränken. Für die gotische Sprache bleibt — wie bisher — der
von Streitberg herausgegebene Text der Gotischen Bibel’ (I, Ger-
manische Bibl. II. Abt. 3, Heidelberg 1908) maßgebend. Fürs La-
teinische ziehe ich hier den Urtext der Vulgata, und fürs Griechische
die bei Vajs und Streitberg verwendeten Texte heran. Da der
Zweck dieser Abhandlung mehr informativ und anregend sein soll,
werde ich auch die Zahl der angeführten Beispiele aufs Nötigste
beschränken. Ein ausführlicheres Bild der got.-aksl. Sprachbe-
ziehungen wird wohl erst nach vergleichender Durchforschung aller
in Betracht kommenden Denkmäler erreicht werden. An eine voll-
ständige Darstellung dieser Beziehungen ist infolge der verhältnis-
mäßig ärmlichen Überreste der gotischen Literatur leider kaum
zu denken.
Die Beweise für den gotischen Einfluß auf die altkirchen-
slavische Bibelübersetzung können m. E. in zwei Gruppen geteilt
werden, von denen die eine (I) Wörter, die unmittelbar aus dem
Got. ins Aksl. übernommen oder aus dem Gotischen entlehnt wurden,
umfaßt, und die andere (II) Wörter und Wendungen, die aus dem
Got. übersetzt oder dem Got. treu nachgebildet wurden, enthält.
I.
In dieser Gruppe unterscheide ich: 1. Wörter, die unverändert
aus dem Gotischen ins Altkirchenslavische übernommen wurden,
2. Wörter, die in identischer Funktion und an identischen Stellen
aus dem Gotischen entlehnt wurden, und 3. Wörter, die ungeachtet
ihrer gotischen Herkunft im aksl. Texte selbständig auftreten.
1. Wörter, die unverändert aus dem Gotischen über-
nommen wurden (Identität der Stelle, Bedeutung und Form):
ju-(Ze) << got. ju-¶ Han) „schon“.
Aksl. ju- kommt stets in der Verbindung mit der Partikel
Ze = got. ban vor, so daß das aksl. juze in der Tat das got. jupan,
in welchem das fan durch das slavische Ze ersetzt wurde, treu
wiedergibt: vgl. A&yo dë bud — dico autem vobis — gibuh Han
izwis — glagoljo Ze vams, M. 6, 29; don dé 6 xevtveiwy — videns
autem centurio — gasaihans pan sa hundafaps — videvs Ze sotoniks,
Me. 15, 39: x fbn pias yevouéyns — etcum jam sero esset factum
— jah jupan at andanahtja waurbanamma — i jude pozdě byvasu,
Me. 15,42; ndai tédynuey — jam obiisser — jupan gaswalt — uže
umsréts, Mc. 15, 44. Nach Brückner ist das Wort urslavisch (SEJP.
1) V. Jagić, Entstehungsgeschichte d. kirchenslavischen Sprache, Berlin 19133.
Über den gotischen Einfluß auf die altkirchenslavische Bibelübersetzung. 119
210)*), und Berneker (SEW. 456f.)*) läßt die Frage über seine
Abstammung ungelöst.
plats < got. plats „Fleck, Lappen.“
Feist (EWG.“ 289) ist got. plats eine aksl. Entlehnung, Holt-
hausen (GEW. 77)*) ist das Wort unbekannter Herkunft, und Ki-
parsky (GSL.)’) führt es nicht an. Slav. platono, plastanica u. dgl.
sind aus plats abgeleitet worden. Neben dem got. plat (plats) hatte
das Aksl. auch die einheimische Form pras (so schon im Mar.,
Zogr. und Ostr.), vgl. Jagié, Entst.* 378. An eine Entlehnung aus
dem Slavischen ist ohnehin kaum zu denken, da schon Plinius
und Tacitus die Webekunst der Germanen bekannt war. Vgl.:
obdeis dé EnıßaAleı éniBAnua ĝáxovs dyvdapov mì luati nahdag —
nemo autem immittit commissuram panni rudis in vestimentum vetus —
abban ni hashun lagjiß du plata fanan parihis ana snagan fairnjana —
nikatoze bo ne pristavljajets pristavljenya plata ne béljena rizé vetasé,
M. 9,16; oddeis éniBAnua édxovs dyvapov énoodata ml tuatip
nadair — nemo assumentum panni rudis assuit vestimento veteri —
ni manna plat fanins niujis siujid ana snagan fairnjana — niktoze
‚pristavlenie plata ne bélena ne pristavléets rizé vetsse, Mc. 2, 21.
se (interj.) < got. sai „sieh, siehe“.
Dem griech. i6oö entspricht im Got. sai (Kieckers, Hdb. der
vgl. got. Gram. 288, § 172), das auch ins Aksl. übernommen wurde:
xa idov, noa À nölıs EEnidev eig ovvdvınoıw rei ’Inooö — et
ecce tota civitas exiit obviam Jesu — jah sat, alla so baurgs usiddja
wipra Jesu — i se vosb grads izide protivg Iisusovi, M. 8, 34; dot
SS ev ô onelowv tov oneigaı — ecce exiit seminans ad seminandum —
sai, urrann sa saiands du saian — se izide sejei séate, Mc. 4, 3.
Charakteristisch ist zum Beispiel Mc. 15, 35, wo griech. idod und
got. sai mit vičdb übersetzt wird, was man als eine Annäherung
an den griech. Urtext betrachten kann.
2. Wörter, die aus dem Gotischen entlehnt wurden I.
(identische Stelle und Bedeutung, slavisierte Form):
céls << got. hails? „heil, gesund“.
1) A. Brückner, Słownik etymologiczny języka polskiego, Kraków 1927.
1) E. Berneker, Slavisches etymolog. Wörterbuch, I, Heidelberg 1908—1913
(Indogerm. Bibl. I, Abt. 2, R. 2). |
2) S. Feist, Etymologisches Wörterbuch der gotischen Sprache, Halle 1923“.
4) F. Holthausen, Gotisches etymologisches Wörterbuch, Heidelberg 1934
(Germanische Bibl. I, Abt. 4, R. 8).
5) V. Kiparsky, Die gemeinslavischen Lehnwörter aus dem Germanischen,
Helsinki 1934 (Ann. Acad. Sc. Fennicae XXXII 2).
120 J. Hamm
Beispiele wie: i bodi cela ots rany tvoeje — jah sijais haila af
hamma slaha Beinamma (xal Todi d yiijg and ts udorıyds cov, Mc. 5, 34),
aæs priseds iceljg i — ik gimands gahailja ina (éyw Atav teoanevow
aùtóv, M. 8,7) oder: i icéléjets otro moi — jah gahailniß sa hiumagus
meins (xai iadnoeraı! ô nais uov, M. 8, 8) zeigen allzu deutlich, daß
céls eine Entlehnung aus dem Got. ist. Kiparskys Bedenken (GSL. 63)
ist etwas übertrieben, da wir got. anl. A nicht immer mit slav. x
identifizieren können. Celovati' erscheint in der Bed. „grüßen“
erst viel später und kommt in den ältesten aksl. Texten nicht vor.
ceta < got. kintus „Heller, Münze“.
Kiparskys Annahme (GSL. 109), aksl. ceta wäre unmittelbar
aus dem lat. centus entlehnt, kann nicht ernst genommen werden;
vgl. tov Ston nododvrnv — novissimum quadrantem — pana minni-
stan kintu — poslédonuju cetu, M. 5, 26 (Jurj.).
chlébs < got. hlaifs „Brot“.
Das Wort wird auch von Kiparsky (GSL. 199f.) als eine got.
Entlehnung betrachtet; vgl. neste bo dobro oteti chléba cedoms — unte
ni gop ist niman hlaib barne (od yae uaddv oti AaBeiv tov čotorv
tov téxvwv, Me. 7, 27).
kotol < got. katils „Kessel“.
Eine allgemein anerkannte Entlehnung aus dem Got., der Meillet,
Mladenovs und Lehr- Splawinski nur aus Akzentrücksichten wider-
sprechen; vgl.: prijese drs2ati krostenie stuklenicam i Epvanom3 kotlom
i odroms (Mc. 7,4) — andnemun du haban: daupeinins stikle jah
aurkje jah katile jah ligre (nag&Aaßov uoateiv, Bantıouods notnolwy
nai Seorov nai yahuiwy nai hm ).
kusiti << got. kausjan „kosten, prüfen“.
„Wegen der tadellosen lautlichen und semasiologischen Uber-
einstimmung des got. und slav. Wortes ist an Entlehnung fest-
zuhalten“ (Kiparsky, GSL. 205); vgl. auch: ne imots vekusiti semrati
— nt kausjand daupaus (un yevowvraı Yavdrov, Mc. 9, 1).
misa < got. mes „Tisch, Schüssel“.
Dieses Wort soll nach Kiparsky (GSL. 126f.) aus griech. #looog
entlehnt sein, obgleich wir nirgends einen Beweis dafür haben, daß
ulooos, welches Kiparsky nur aus dem Wb. von Sophocles kennt,
im Aksl. durch misa übersetzt wurde. Wenn wir dagegen solche
Stellen wie: i prinese glavo ego na misé — jah atbar fata haubip is
ana mesa (xai fveyne thy nepaihv adbtod éni nivan, Mc. 6, 28)
beachten, dürfte man kaum noch zweifeln, daß aksl. misa aus got.
mes entlehnt wurde. Selbst das got. 2 bietet hier keine unüber-
windliche Schwierigkeit, da es eigentlich schon im Got. “strongly
Über den gotischen Einfluß auf die altkirchenslavische Bibelübersetzung. 121
tinctured with the vowel sound heard in NHG. sie, she” war (Wright,
GG. 6)').
mytard < got. mötäreis „Zöllner“.
Kiparsky (GSL. 271.) zählt zwar dieses Wort zu den Fällen, „wo
beim heutigen Stand der Forschung eine Entscheidung unmöglich
ist“, gesteht jedoch, daß es zu den Wörtern, „die jedenfalls nicht
slavisch sind“, gehört (ib.). Seine Behauptung (ib. 272), „wegen
got. 5 ~ slav. y kann mötäreis nicht die unmittelbare Quelle des
slav. mytarv sein“, wird kaum jemanden befriedigen. Kiparsky
steht zu sehr unter dem Einfluß des geschriebenen Wortes und
läßt dabei außer acht, daß Entlehnungen nicht nach dem ge-
schriebenen, sondern nach dem gesprochenen Wortlaute über-
nommen werden. Ein got. 5 war, wie auch ahd. muta < got. möta
beweist, “a long close vowel, strongly tinctured with the vowel
sound heard in NHG. gut, good. Hence we occasionally find u
written, where we should etymologically expect 0” (Wright, GG. 7).
Für die Entlehnung mytard aus mötäreis spricht außerdem auch
die Tatsache, daß sich weder im Ahd. noch in einer verwandten
Sprache ein *mutari oder dgl. befindet. Vgl. oöyi xai oi veA@vaı
tò aöro norodom — nonne et ethnici hoc faciunt? — niu jah mo-
tarjos fata samo taujand? — ne i mytare li tožde tvorets, M. 5, 47.
mytonica < got. möta „Zoll; Zollamt“.
Mytonica wird aus aksl. myto abgeleitet, das unmittelbar auf
got. möta beruht. Wenn möta im Ahd. ein mu ta ergab, folgt daraus
noch immer nicht, daß die Entlehnung nicht unmittelbar aus dem
Got. erfolgen konnte (s. oben). Vgl. na mytonici — at motai (éni
tò teAwvıov, M. 9,9; Me. 2, 14).
mozda < got. mizdo „Lohn“.
Die Entlehnung ging wahrscheinlich den Weg griech. uiod6s >
got. mizdö > aksl. mozda. Eine Urverwandtheit mit dem Germani-
schen scheint mir hier weder nötig noch plausibel zu sein. Vgl.:
kọjọ med imate — ho mizdono habaif? (tiva uoiiou Eyere, M. 5, 46;
Mc. 9,41). Das Wort verbreitete sich bald auf Kosten des ‘myto’
und seiner Sippe, vgl. Jagić, Entst.“ 364.
ocbtb < got. aket „Essig“.
Kiparskys Frage (GSL. 117f.), „sollte vielleicht slav. ocots (statt
* ocetz) sein b dem begriffsverwandten *ocode < acidum verdanken?“
halte ich für überflüssig. Aksl. » konnte sich auch aus dem Got.
entwickeln, wo — wie bekannt — e nicht selten mit i alterierte
(vgl. usdrebi/usdribi Mc. 5, 10, duatsnéwun/duatsniwun Mc. 6, 53):
1) J. Wright, Grammar of the Gothic Language, Oxford 1910.
122 J. Hamm
isplend gobo ot — gafulljands swam akeitis (yeuloas ondyyov čovs,
Mc. 15, 36).
plesati < got. plinsjan „tanzen“.
Auch hier kann ich nicht umhin als an eine Entlehnung aus
dem Got. zu denken. Kiparskys Ausführungen (GSL. 98f.) sind
zu mangelhaft und wirken nicht überzeugend. Slav. pleskati,
plesngti sind onomatop. Ausdrücke, die mit urspr. plesati nichts ge-
meinsam haben, und lit. plesti ist allem Anscheine nach eine jün-
gere Entlehnung aus dem Slav. Auch die Isolierung des betref-
fenden Wortes im Got. ıst an und für sich noch kein Beweis, daß es
aus dem Slav. entlehnt wurde. Tatsache ist allerdings nur, daß
wir plesati in der Bibel an Stellen begegnen, wo es dem got.
plinsjan förmlich und semasiologisch entspricht. An eine Entleh-
nung aus dem Aksl. ist dabei kaum zu denken, da die got. Bibel
doch aus dem 4. Jahrh. stammt, und von einem Entlehnen aus
dem Slav. vor dem 4. Jahrh. ist uns so gut wie nichts bekannt.
Vgl. piskachoms vam i ne plesaste — swiglodedum izwis jah ni
plinsidedub (noa, Öuiv xai obx wexnjoacde, M. 11, 17; vgl.
auch Mc. 6, 22).
postiti < got. fastan „fasten“.
Die aksl. Form wird wohl aus dem Got. entlehnt sein, was
auch Kiparsky (GSL. 261f.) trotz aller Bedenken zugibt. Das ver-
hältnismäßig frühe Auftreten des skr. posts könnte man auch als
eine sekundäre Anlehnung an das ahd. fasto erklären, da bekannter-
weise Kroatien im 9. Jahrh. politisch die Oberherrschaft Karls des
Großen und seiner Nachfolger (ungefähr von 803 bis 878)’) und
kirchlich die des Patriarchen von Aquilea anerkannte. Vgl.: po
cto učenici ioanovi i farisei postets se a tvoi učenici ne postets se —
duhe siponjos Iohannes jah. Fareisaieis fastand, ip pai peinai siponjos ni
fastand (dati ol uadmrai ’Iwavvov zal ol tév Dagıcalwv yynotevovary,
of dë oni wadntai ob vnotevovay, Mc. 2, 18).
prozi < got. Dramstei „Heuschrecke“.
Ich halte aksl. prozi, das Miklosich, EW. 265°) aus der Wz.
preng- ausführt, für eine Entlehnung aus got. Zramstei, da das anl.
coronale 5 (Siev. G) auf got. Boden zu einem stimml. labiodent. f
verwandelt werden konnte, das dann ein aksl. bilab. stimml. p
ergab (: got. blahsjan, briskan), vgl.: bramsteins jah milip haipiwisk —
prozi i meds divii, Sav. (dxolò ag xai uelı &youov, Me. 1, 6).
1) F, Šišić, Povijest Hrvata u vrijeme narodnih vladara I, Zagreb 1925,
8. 307.
*) F. Miklosich, Etymolog. Wörterbuch der slavischen Sprachen, Wien 1886.
Über den gotischen Einfluß auf die altkirchenslavische Bibelübersetzung. 123
séati < got. saian? „säen“.
Beispiele wie séjei slovo séats — sa saijands 0 55 sayip (ô
onelowv tov Adyor oneiges — qui seminat, verbum seminat, Mc. 4, 14)
lassen vermuten, daß eine got. Entlehnung nicht unmöglich ist.
Schrader (Reall. 17) scheint dieser Vermutung nicht zu wider-
sprechen (vgl. ib. got. kaurn, gairnus, briskan — aksl. zrano, Zrensvb,
vresti).
smoky < got. smakka „Feige“.
Nach Kiparsky (GSL. 227f.) aus dem Balkangotischen; ne be
bo vreme smoksvams — ni auk was mel smakkane (ob yae D xareds
oixwv, Me. 11, 13).
stokl-enica < got. stikls „Becher“.
Stoklénica: aksl. stoklo << got. stikls, auch Kiparsky, GSL. 209;
držite . . . krasenié dbvanoms i stoklénicams — habaiß .. REECH
aurkje Pë stikle (nọateïte ... Bantiopods Zeotéin xal nornoelov,
Me. 7,8).
svekry << got. swathro? „Schwiegermutter“.
Beispiele wie prids bo razlocits... nevésto na svekrave svojo —
gam auk skaidan ... bruß wipra swathron izos (jAdov yao diydoa ..
vOUPNY nata tis mEvIEeods adrijs, M. 10, 35) u. dgl. sprechen aller-
dings zugunsten einer Entlehnung, besonders da sich in den
ältesten Evangelientexten für griech. nevdsgd auch das aksl. testa
behauptete (vgl. M. 8, 14).
svin-ija << got. swein? „Schwein“.
Die Entlehnung aus dem Got. ist höchst wahrscheinlich, da
es hier eigentlich nur auf den Genuswechsel ankommt. Vgl. stado
svinii mnogo pasomo — hairda sweine managaize haldana (dy yoiowy
noAlov Boonou&vn — grex multorum porcorum pascens, M. 8, 30),
possli ny vb svinije — insandei unsis in fo sweina (neuwdov buds
eis rob xXoloovs — mitte nos in porcos, Me. 5, 12).
velbbods < got. ulbandus „Kamel“.
Außer Mayer (s. Kiparsky, GSL. 213) stimmen alle überein, daß
aksl. velobgds aus got. ulbandus entlehnt wurde; vgl. udobée estz
velobodu skvozé igelind uši proiti... — azitizo ist ulbandau pairh
bairko neplos galeipan (ebxonwregdv oti xdundovy ia vg tovuadias
ins G ꝙiòoͤog eiceAdeiv, Mc. 10, 25).
vinograds < got. weinagards „Weingarten, Weinberg“.
Daß das Wort aus dem Got. entlehnt wurde, gibt auch Kiparsky
zu, obgleich er geneigt ist, aksl. vino aus dem Roman. abzuleiten
und in aksl. grads eine den Satem-Sprachen gemeinsame Entleh-
nung aus den Centum-Sprachen zu sehen (GSL. 224 ff. 103f.);
124 J. Hamm
vgl. vinograds élks nasadi — weinagard ussatida manna (dune
épitevoevy AvIownos — vineam pastinavit homo, Me. 12, 1).
vretograds < got. aurtigards „Garten“.
Kiparsky, GSL. 57f. zerlegt das Wort in ein unabhingiges
vrsts und ein ebenso unabhängiges grads, woraus dann vratograds
nachträglich durch Zusammensetzung entstanden sein soll. Diese
Ansicht ist m. E. unhaltbar, weil 1., wenn vrt und grads ursprünglich
dieselbe Bedeutung gehabt hätten, eine dergleiche Zusammensetzung
wahrscheinlich überflüssig gewesen wäre, 2. aksl. grads in der Regel
für griech. dig, got. baurgs steht und in der Bedeutung „Garten“
erst später, und dann nur sporadisch, erscheint (Jagić, Entst.“
330), 3. die Zusammensetzung schon im Aksl. einem kürzeren vrats
Raum machte, 4. weil eine dergleiche Zusammensetzung auf aksl.
Boden eine „völlig isolierte* Ausnahme sein würde, da, wie auch
Kiparsky gesteht, das Slav. im allgemeinen „keine Neigung zur
Bildung von Komposita zeigt“ (ib.). Ich stimme deshalb mit Stender-
Petersen') überein und füge zur Bekräftigung seiner Hypothese got.
aur (aksl.r) noch aksl. trans (got. Daurnus) an. Vgl. idese bé vrats —
Harei was aurtigards (önov fy annos, Io. 18, 1). Für aksi. vratograds,
vrets, vratsps (got. filigri) vgl. Jagić, Entst.“ 330f.
Zupelb << got. swibls „Schwefel“.
Wie man aus Zeplons schließen kann haben wir eigentlich ein
* Zypl-ons << swibls anzusetzen; vgl. odazdi Supelb i ognb s nebese,
Nik.“ — rignida swibla jah Goin us himina (&Boegev Beton xai
soo an' odeavod, L. 17, 29). :
Hier möchte ich noch auf M. 6, 30 hinweisen, wo griech. xAi-
Bavos durch aksl. ognd übersetzt wird, obgleich ogns in der Regel
für griech. wög steht (so M. 7, 19; Mc. 9, 43. 44. 45). Im Got. ent-
spricht dem griech. nög, aksl. ognd — ‘fon’, und griech. xAißevog
wird durch auhns übersetzt; seno selonoje ... vs ognd vamétajemo —
hawi haibjos... in auhn galagiß (tov xdorov Tod dygod... Sie
„Alßavov BaAlduevov — foenum agri quod... in clibanum mittitur,
M. 6, 30). Aksl. ognb statt pesto (Jagić, Entst.“ 292) könnte man
hier als eine mehr akustische, unbewußte Anlehnung an got. auhns
betrachten. Interessant ist auch aksl. vesb, vos», das mit lat. vicus und
got. wehs, weihs verwandt ist. Die Form gradeco (<< grads) konnte dem
schlichten doms gegenüber sehr früh die Bedeutung des got. baurgs,
weihs, haims übernehmen. Eine Burg wird — ungeachtet ihrer Größe
— auch heute noch skr. grad, slov. graščina genannt. Dem aksl.
1) A. Stender-Petersen, Slavisch-Germanische Lehnwortkunde, Göteborg 1927,
S. 370 ff. (Göteb. Kungl. Vetensk.-Vitterh.-Samhäl. Handl., Fj. Fö., Bd. 31, Nr. 4).
Über den gotischen Einfluß auf die altkirchenslavische Bibelübersetzung. 195
stegena, das Vajs (Slavia V 160) für griech. édyas, lat. vicos anführt,
entspricht an derselben Stelle (L. 14, 21) got. staigos.
3. Wörter, die aus dem Gotischen entlehnt wurden II.
(Die Entlehnung knüpft sich nicht an identische Stellen im Texte
an und kann als sekundär betrachtet werden).
Wörter wie bljudo, losts u. dgl. sind zwar auch gotischer Ab-
stammung (vgl. Kiparsky, GSL. 192—213), erscheinen aber in aksl.
Texten an Stellen, wo wir vergebens nach ihrem Urbilde im Go-
tischen suchen würden. So wird z. B. got. biups (> bljudo) stets
durch das griech. trapeza wiedergegeben: jah auk hundos undaro
biuda matjand — ibo i psi pods trapezajo Edets (xai yao tà uvvdoia
vnoxndtw rg toanélns Eodleı — nam et catelli comedunt sub mensa,
Mc. 7, 28), und aksil. b/judo nimmt die Bedeutung des got. més an:
na bljudé — ana mesa (Ei nivanı — in disco, Mc. 6, 25). Ähnlich
wird got. lekeis (> lék-) mit aksl. balii oder vracb (so Me. 2, 17f.),
got. hansa (> (a)bg. *hosa) mit aksl. spira oder narods (vgl. Mc.
15, 16; Io. 18, 3f.) übersetzt, und für aksl. reit, lostecd (got. airzipa,
afmarzeins; airzjans) werden wir im Got. vergebens nach lists oder
dgl. suchen. Wie schon oben (S. 117) erwähnt wurde, konnten
solche Wörter durch die Hand späterer Abschreiber in den aksl.
Text dringen.
Was aksl. kupiti betrifft, kann ich — zur Bekräftigung der von
Stender-Petersen, SGL. 375f. und Kiparsky, GSL. 204 geäußerten
Vermutung — L. 19,13 anführen: kupl’9 deite donvdeZe prido, Mar. —
kaupoß, unte ik gimau (nouyuarsdonode Ews Zorougt — negotia-
mini dum venio) An anderen Stellen steht aksl. kupiti in der
Regel für got. bugjan.
Bevor ich zur zweiten Gruppe übergehe, möchte ich noch auf
aksl. cesar aufmerksam machen. Nach Miklosich, Meillet, Kluge,
Mikkola u. a., denen auch Kiparsky, GSL. 194f. beistimmt, soll das
Wort aus got. kaisar entlehnt sein. Ich kann nicht umhin als Skok
u. a. beizustimmen, die geneigt sind, darin eine alte romanische
Entlehnung zu sehen. Wenn wir nämlich die aksl. und got. Texte
vergleichen, werden wir sehen, daß aksl. césard in der Regel für
griech. Baodeds, got. Hiudans und in keinem Falle für got. kaisar,
das stets in der Form kesard (so Mc. 12, 14—17 u. a.) erscheint,
steht. Eine Entlehnung des aksl. cesard aus got. kaisar würde
diesen Unterschied (cesard ` kesard) notwendigerweise aufgehoben
haben, was jedoch im Aksl. nicht der Fall war. Ich bin deshalb
der Meinung, daß die Urform des aksl. cesar außerhalb des Be-
reiches der got. Sprache zu suchen ist.
126 J. Hamm
| II.
In dieser Gruppe unterscheide ich 1. Wörter, die aus dem
Gotischen übersetzt oder ihm womöglich treu nachgebildet sind —
und 2. Wendungen, die denjenigen der got. Bibel möglichst treu
nachgebildet sind.
1. Wörter, die aus dem Gotischen übersetzt oder ihm
womöglichst treu nachgebildet sind:
Griech. dxgoßvoria: — praeputio — unbimait — neobrezanije (Col.
2, 13).
Griech. aͤllebg: — Zon yao ddıeis... nal nowjow buds yevéodar
dAueis dvdownwy — erant enim piscatores ... et faciam vos
fieri piscatores hominum — wesun auk fiskjans ... Jah gatauja
iggis wairban nutans manne — béasete bo rybaré .. . i satvorje
vě byti loveca clovékoma (Mc. 1, 16. 17).
Griech. dviorauaı, dvaornjvaı; aksl. vaskrosngti wird „in der Regel
gebraucht in der Bedeutung ‘vom Tode zum Leben auf-
erstehen’, während für das gewöhnliche ‘aufstehen’ vastati an-
gewendet wird“ (Jagić, Entst.“ 334). Dem aksl. vaskrosnote
entspricht got. usstandan, und dem aksl. vastati das got. ur-
raihtjan. So weit wire alles in Ordnung, aber charakte-
ristisch ist, daß das Aksl. und Got. auch in den Abweichungen
von der oben erwähnten Regel übereinstimmen. So wenn
Jagić (ib.) hervorhebt, daß uns im Aksl. statt des erwarteten
veskrosngti in Mc. 5,42; 6, 14 und L. 9, 22 vastati begegnet,
sehen wir, daß auch im Got. an denselben Stellen statt usstan-
dan ein urraihtjan erscheint (‘Iwdyyns ô Bantilwr éx vexody
nyéodn — Ioannes Baptista resurrexit a mortuis — Iohannis
sa daupjands us daupaim urrais — ioans krastei vasta ots
mratvychs, Me. 6, 14). Aber auch das Umgekehrte ist der Fall,
denn wenn Jagié (ib.) betont, daß man L. 8, 55; 9,8. 19 „für
dvaorijvaı nicht in der oben erwähnten Bedeutung vaskrose
liest“, sehen wir, daß auch im Got. usstandan statt urraihtjan
auftaucht: neopneng ele tv dooten dvéotn — propheta unus
de antiquis surrexit — praufetus sums pize airizane usstoh —
proroks eters ots drévenéchs vaskrose (L. 9, 8).
Griech. dnootdorov ` détw gëtt dnoordorov — det ei libellum repudii
— gibai izai afstassais bokos — dasts jei kenigy raspustonyje
(M. 5, 31).
Griech. doyvgıov : anéotoewe tà tordxovta doyvora ... xal bias
tà doyvora Ev TO vag dvexwonoe — rettulit triginta argenteos...
et projectis argenteis in templo, recessit — gawandida hans prins
Über den gotischen Einfluß auf die altkirchenslavische Bibelübersetzung. 197
tiguns silubrinaize ... jah atwairpands Haim silubram in alh
aylaiß — vszvrati tri deseti svrebroniks ... i povrogs sbrebro
vs crokeve otide (M. 27, 3. 5).
Griech. dıdßoAos ` undé didote Tönov th dag — nolite locum
dare diabolo — ni gibiß stap unhulßin — ne dadite mésta
neprijazni, Sis. (Eph. 4, 27).
Griech. sin : wird in der Regel durch ikona (< griech.) oder
obrazs, denen got. frisahts (so II. Cor. 3, 18) entspricht, über-
setzt, und nur I. Cor. 15,49 wird eixéy im Aksl. durch télo
wiedergegeben. Merkwürdigerweise lautet diese Stelle auch
im Got. nicht frisahts, sondern ‘mannleik’, woraus dann (durch
Anlehnung an aksl. té/o : got. leik) die aksl. Form entnommen
werden konnte.
Griech. xoivoy : bleibt in der Regel unübersetzt (krins), aber M. 6, 28,
wo wir im Got. bloma haipjos lesen, erscheint auch bei Sa
und Zo statt krins ‘cvéts seluny’ : x a α tere tà xolva Tod dy
— considerate lilia agri — gakunnaip blomans haibjos — semo-
trite cvéts selonyichs.
Diesen Wörtern könnte man auch etliche Ausdrücke zufügen,
die ihrer Stammbedeutung nach dem Got. nachgebildet sind, aber
die Etymologie all dieser Wörter würde uns weit über den Rahmen
dieser Abhandlung führen.
2. Wendungen, die denjenigen der gotischen Bibel
möglichst treu nachgebildet sind.
Von den hierher gehörigen Wendungen führe ich nur an:
Griech. dxodovd ?: Inooðg jxodovdnoev adt — Jesus sequebatur eum
— Iesus iddja afar imma — Iisuss po njemb idease, M. 9, 19.
Vgl. auch Mc. 9, 38: ős 00% dxodovdei uiv — qui non sequitur
nos — saei ni laisteib unsis — čko ne poslédova name.
Griech. doyn — du dx, èv deg, és dexns: Die aksl. Über-
setzung dieser stehenden Wendung ist iskoni, vs nacelé oder
ispreva, wovon die erste Form eine wörtliche Nachbildung des
griech. dn (e) doxis ist, und die dritte einem got. fram frumistin
(fruma, frumistja) entspricht. Dem aksl. vs nacelé/ispreva
steht in der Regel got. in anastodeinai/us frumistja gegen-
über: ër dort — in principio — in anastodeinai — vs nacelo,
Phil. 4, 15; dad ôè doxijs — ab initio — ip af anastodeinai —
a ots nacela, Mc. 10, 6; dar dexiis xticews — ab initio crea-
turae — fram anastodeinai gaskaftais — ots nacela z3daniju,
Me. 13, 19: Es doyijg — ab initio — us frumistja — isprova,
128 F. Specht, sose gelimida sin.
Nik.“, Io. 6, 64; dn dexüs — ab initio — fram frumistin — is
preva, L. 1,2 u. a. Vgl. Jagić, Entst.* 350f.
Griech. eis ovvavınoıw u. dgl. (eis dndvrnow, eis dndvınow, vgl.
Jagić, Entst.“ 386f.): ES e eig ovvavınow të Juegt — exiit
obviam Jesu — usiddja wipra Iesu — izide protivg Iisusovi,
M. 8, 34.
Unter gotischem Einfluß scheint auch eine ganze Anzahl solcher
Beispiele zu stehen: ër næs ô G &endjooeto éni tH ôa
attod — quoniam universa turba admirabatur super doctrina ejus —
unte alla managei sildaleikidedun in laiseinais is — čko veso narod
divlechg sę o učenii ego, Mc. 11, 18; xai dnooteiAovoı — et mittunt —
jah insandidedun — i poszlašę, Mc. 12, 13; dnooreilaı — mittit —
insandida — posčla, Mc. 11,1. usw. Auch in der Deklination
der im Griech. wie im Lat. unflektierten Personennamen“ ging
das Got. dem Aksl. voran: vera Aßoaau nal *loadx xai lLaA g —
cum Abraham, et Isauc, et Iacob — mib Abrahama jah Isaka jah
Iakoba — ss Avraamomdi Isaakomp i Ijakovoms, M. 8, 11; 718&n00v
huds, bie Aaveid — miserere nostri, Fili David — armai uggkis,
sunau Daweidis — pomilui ny synu Davydovs, M. 9,27. Die Frage
vom aksl. Dativus absolutus ist — trotz der wertvollen Studie Jän
Stanislavs’ — noch immer nicht befriedigend gelöst worden.
Es wäre doch höchst interessant, den aksl: und got. Dativus Ab-
solutus einer eingehenden vergleichenden Forschung zu unterziehen,
da die aksl. Evangelien auch in dieser Hinsicht durchschnittlich
in mehr als 70% aller Fälle mit dem gotischen Evangelientexte
übereinstimmen.
Zagreb (Agram). J. Hamm.
sose gelimida sin
des 2. Merseburger Zauberspruches, wo man gelimida mit „ge-
leimt“ wiederzugeben pflegte, hat E. Schröder, Z. f. D. A. LXIII
174f. zu ags. lim, an. limr „Glied, Zweig“ gestellt, weil man
Knochen nicht gut leimen kann. Demgegenüber möchte ich auf
an. saman lima Orvar-Odds saga 41,10 verweisen: þau eru fjọl-
kunnig, svá at þau lima saman stad ok stjornur. Beidemal wird
limen, sa man lima von Zauberei gebraucht. Man beachte ferner den
Stabreim in stóđ und stjornur, der auf alte poetische Wendung weist.
Breslau. Fr. Specht.
1) V. Pogorélov, Formy greceskih slov v kirillo-methodievskom pere vodé
evangelija, Byzantinoslavica II, Prag 1930.
2) Jan Stanislav, Dativ absolutny v starej cirkevnej slovanline, Byzautino-
slavica V, Prag 1934.
Zeitichrift für
vergleichende‘
Sprachforſchung
auf dem Gebiete der
indogermanifchen Sprachen
BEGRÜNDET VON A. KUHN
NEUE FOLGE /VEREINIGT MIT DEN
Beiträgen zur Kunde
der Indogermanifchen Sprachen
BEGRÜNDET VON A.BEZZENBERGER
RAUSGEGEBEN V
HANNS CERTEL, EDUARD SCHWYZER, FRANZ SPECHT
67. BAND
3./4. HEFT
en DA
Gottingen
Inhalt. l Seite
H. Oertel, Zu den ai. Ellipsen „ ia ee et ap e eee
E. Schwentner, Vogelnamen und Volkswitz ie i . 153
J. Wackernagel F und A. Debrunner, Indoiranica. 21. Ai. a-ling- „umarmen“.
22. Ai. äsayati äsita-. 23. Ai. utsuka-. 24. Mittelindisch -eitika-, -aytttaka
und dgl. 25. Aw. karati- „Messer“ == v. xrti-. 26. Ai. kréánu-. 27. Ai.
ksarati — ksdlayati. 28. Ai. khäd- „essen“. 799, Ai. gr-: gde. 30. Ai.
jayampati-. 31. deüvos. 32. Ai. di- „fliegen“. 33. Ai. tārā-. 34. Dekhan.
35. Ai. dad- „halten“. 36. Ai. ndpumsaka-. 37. Ai. nāgá-. 38. Ai. prägti-.
39. Ai. müla-vrt. 40. Ai. vardhana-. 41. Ai. väsyasti-. 42. Ai. vipula-.
43. Ai. vibali-. 44. Ai. vivisvams-. 45. Ai. vistt- „Fronarbeit“. 46. Ai.
vyemäna-. 47. Ai. Sürana-. 48. Ai. sr == „vereinigen“. 49. Ai. sũci-„, Nadel“.
50. Mi. se — té. 51. Ai. spr- „gewinnen und losmachen“. 52. Ai. sruc-,
sruva-. 53. Ai. harmyd-. 54. Vedische Zitate bei Patadjali . . 154
M. Johannessohn, Berichtigung und Ergänzung zu S. 55, Z. 5f. (Wortstellung
im Bibl. -Aramäischen.) — Berichtigung zu S. 68, Anm. 4. 182
P. Thieme, Merkwürdige indische Worte. 1. Metathesen. 2. Dissimilationen.
3. Partielle Metathese. . . en EEN | . 183
J. Lohmann, „Mots expressifs“ ge aa ze rein Ok u er ee de ae LOB
K. Bouda, Zu o LXIII 51 und LXIV 83. . . 196
D. Demetracopoulon- Lee, Noun categories in Wintu. The Generic and the
Particular. (Mit einem Vorwort von Joh. man). E . 197
W. Krause, Thrak. "Aownos (dots) und Alonnos . . RE oe Be ae EE
M. Leumann, heilen „kastrieren“ und sanare „kastrieren“ „ e LO
W. Kaspers, Die Waffenbezeichnung cateia > > 2 2 2718
F. Specht, Griech. Seo . . .. 219
A. J ohannesson, Isländische Beiträge zum indogermanischen Wörterbuch . 220
E. Schwyzer, perà yvaunsmor yévvoow. . > > 2 2 223
W. Krogmann, Got. kaupatian . . . . . 2... ̃ 224
V. Pisani, Ahd. ö?!“ Sia. 48 2 inv cat em ae. oe me e ek tee eee
J. J. Hamm, Aksl. prozi, prodzi be ta ie ee “Se. Se A ee ze BE
E. Schwentner, Toch. A kats „Bauch“ an ite ars eee
P. Thieme, Weiteres zum indischen Adoptionsritus en ee ee, ee E 7
E. Hofmann, Sach- und a zum 67. Bande. 230
Zugesandte Druckschriften ee ee. e
Titel und Inhalt. . ee e ) 5
Preis des ram in der Reibe 8 RM., 1 10 RM.
Beiträge, die vorwiegend die indogermanischen Sprachen Asiens oder allgemein
sprachwissenschaftliche Fragen betreffen, werden an Prof. Dr. Hanns Oertel, München 27,
Pienzenauerstr. 36, erbeten; solche aus dem Gebiete der west- und südeuropäischen, ins-
besondere der klassischen Sprachen nebst Zubehör an Prof. Dr. Ed. Schwyzer, Berlin-
Dahlem, Podbielski-Allee 19; Arbeiten über baltisch-slavische und germanische Sprachen
sowie über indogermanische Altertumskunde an Prof. Dr. Fr. Specht, Breslau,
Hindenburg-Platz 16, Arbeiten über allgemein indogermanische Gegenstände ist jeder
der drei Schriftleiter entgegenzunehmen bereit. Die Schriftleitung dieses Heftes besorgte
Prof. Dr. Fr. Specht. — Besprechungen können nur solchen Werken zugesichert werden,
welche ein Herausgeber erbittet. — Anzeigenleiter: J. Holzhey, Göttingen. Pl. 2.
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A 3
a
— — — —
* a E "e E past oy
H. Oertel, Zu den ai. Ellipsen. 129
Zu den ai. Ellipsen.
8 1. Die ai. Ellipsen verdienen eine ausführliche Untersuchung.
Es ist natürlich, daß im Satzzusammenhang einer längeren Periode
ein schon erwähntes Wort im Verlauf ausfallen kann und vom
Hörer leicht ergänzt wird; so z.B. TS. 2.5.1.1 sa pratyaksam
devebhyo bhagam avadat paroksam asurebhyah, ..., sarvasmai vai
pratyaksam bhagam vadanti, yasma eva paroksam vadanti tasya
bhäga uditah ‘Den Göttern versprach er Öffentlich einen An-
teil, heimlich aber den Asuras; ...; jedem verspricht man ja
öffentlich einen Anteil; wem man aber (einen Anteil) heimlich
verspricht, dem ist der Anteil (wirklich) versprochen’ (s. unten
§ 4). Anders liegt der Fall, wenn aus der Umgebung ein Wort
nicht ergänzt werden kann, z. B. in der Parallelstelle JB. 2. 153.3—4
sa ha sma pratyaksam devebhyo vadati paroksam asurebhyo, yasmä
u ha vai bhüyah kamayate tasmai paroksam vadati, ..., sa prat-
yaksam asmabhyam vadati paroksam asurebhyah (s. unten § 4).
Die JB.-Stelle zeigt, daß die Wurzel vad gewissermaßen den Ob-
jektsakkusativ bhdgam aufgesaugt hat, so daß sie nicht mehr
sprechen’, sondern einen Anteil versprechen’ bedeutet, auch wenn
das Objekt aus der Umgebung nicht ergänzt werden kann. Man
kann in solchen Fällen von lexikalischen Ellipsen sprechen.
So findet sich im Ai. für ‘sich den Mund zuhalten’ sowohl
der volle Ausdruck SB. 3. 8. 1. 15 apigrhya ... mukham; AB. 6.33. 3
mukham apyagrhnät; KB. 30. 5 (144,9) mukham apijagräha; (144, 10)
yad vai me, jälma, mukham näpyagrahisyah, als auch verkürzt (ohne
mukham) TS. 6.1.3.8 apigrhya smayate (Caland, Acta Orientalia II,
p. 28, 9—12 korrigiert Keiths falsche Übersetzung); TA. 5.1.4
tasmäd diksitenäpigrhya smetavyam. Vgl. SankhAr. 4. 15; KaugUp.
2.15 päninäntardhäya. Ebenso für ‘sich die Nase zuhalten’ der
volle Ausdruck SB. 1.4.1.2; 4. 2. 2. 10 apigrhya näsike, aber ver-
kürzt (ohne näsike) SB. 4. 1.3.8 tasmät kunapagandhan näpigrhnita;
K. 27. 3 (142,6) = Kap. 42. 3 (250, 12) tasmät tasmän (scil. gandhät)
näpigrhyam, somasya hi sa rājňo gandhah. Aber für ‘sich die
Ohren zuhalten’ findet sich nur der volle Ausdruck: ChUp. 3. 13. 8
karnäv apigrhya parallel zu SB. 14. 8. 10. 1 (BAUp.Madhy. 5. 10.1
Kanva 5. 9. 1) karnäv apidhaya. Nicht hierher gehört TS. 6.4.10.2
apigrhya präfcau nihkramatah, das Keith (gegen Sayana) fälschlich
mit ‘they depart towards the east closing their eyes’ übersetzt;
richtig Caland zu ApSS. 12.23.6 ‘Sie [d. h. der Adhvaryu und
der Pratiprasthätr-Priester] schreiten in östlicher Richtung hinaus,
Zeitschrift für vergl. Sprachf. LXVII 3/4. 9
130 H. Oertel
die Schalen [des hellen und des Quirlschoppens] bedeckt haltend';
ef. K. 27.8 (147, 20—21) yad apigrhya präßca uddravatah ... yad
anapigrhya (nachdem sie die Bedeckung, d. h. die Hand oder den
über die Schale gelegten Holzspan weggenommen haben’ [Caland])
purastät pratyaficau tisthantau juhutah; MS. 4. 6. 3 (81,17—20; 82, 1)
mit Wz. dha + api: yad apidhäya präncä itah ..., yad anapidhaya
pratyaficau tisthantau juhutah ..., yad apidhäya prāñňcā itak ...,
atha yad anapidhäya pratyaicau tisthantau juhutah ..., yad api-
dhäya präfica itah ..., atha yad anapidhaya pratyaficau tisthantau
juhutah ...
So steht weiter die Wurzel i+ abhi -ava ins Wasser steigen’
SB. 3. 2. 2. 27 (bis); 3. 8. 5. 10; 4. 4. 5. 10 (bis); MS. 3. 6. 7 (68, 18);
4. 8. 5 (112,4 und 113, 12); PB. 5. 9. 3; SB. 3. 1. mit dem Ob-
jektsakkusativ apah, aber SB. 5. 3. 4. 6 viryam va etad apam udar-
dati pasau vā puruse väbhyavete ohne diesen. Ähnlich die Wurzel
srj + vi ‘ein Gelübde beenden’ SB. 1.1.1.6; 1. 9. 3. 23; TS. 1.7.6.6;
KB. 2.4 (5,18) mit Objektsakkusativ vratam, aber SB. 1.1.1.3; 5;
SBKanva 2.1.1.3 ohne ihn. Ein weiteres Beispiel unten § 10.
Solche Kürzungen kommen natürlich sehr häufig bei technischen
Ausdrücken von Berufssprachen (Havers, Handbuch d. erklärenden
Syntax, 1931, § 109, S. 127 mit der Anmerkung dazu, S. 245) vor.
So gibt das ApSS. 24. 1.23 juhotiti codyamäne sarpirajyam pratiyät
die allgemeine Regel, daß, wenn bei dem Verbum ‘opfern’ (Wz.
hu) kein Objekt angegeben wird, man dazu als Objektsakkusativ
Schmalz’ hinzudenken müsse. Für solche Ellipsen bei opfer-
technischen term. tech. vgl. unten $ 2 und $ 3. Die Wurzel
2 gā+ ud kommt überhaupt nie mit dem Objektsakkusativ udgi-
tham vor (der Instrumental unten § 3, a, 2).
Für die Kasussyntax wichtig werden derartige Ellipsen, wenn
die Konstruktion eines Kasus nur durch Ergänzung eines im
Texte nicht vorhandenen und auch im Satzzusammenhange nicht
schon vorgekommenen Wortes erklärt werden kann. Bei der
Variabilität des Kasusgebrauches und den vielen Übergriffen eines
Kasus (besonders des Genitivs) ins Gebiet anderer Kasus) ist
es nicht immer leicht zu entscheiden, ob in einem gegebenen
Falle wirklich eine syntaktische Ellipse anzunehmen ist. So
hat man zur Erklärung des Genitivs des Vaters bei der Wurzel
jan + d z. B. MS. 1. 9. 8 (140, 6) @sya viro jäyate wegen TS. 1.7.4.6
äsya prajäyäm vāji jayate an eine Ellipse von prajayam gedacht
1) Vgl. zu den Kasusvariationen in der vedischen Prosa Sitz.-Ber. d. Bayer.
Akad. d. Wiss., Jahrgang 1937, Heft 8; 1938, Heft 6; 1939, Heft 6.
Zu den ai. Ellipsen. 131
und z. B. bei TS. 6. 4.11.1 rugnavatya rea bhrätrvyavato grhniyat
wegen TB. 1. 4. 1. 2 devata va eta yajamänasya grhe grhyante
yad grahäh an eine Ellipse von grhe. Mit Unrecht, wie ich in
den Sitz.-Ber. d. Bayer. Akad. 1938, Heft 6, S. 6—28 (unten
§ 11) gezeigt zu haben glaube. Dagegen werden die Genitive
pucchasya und uttarasya paksasya SB. 10. 2. 1. 4 tatha pucchasya
tathottarasya paksasya ebenso (ist das Verfahren) beim Schwanz
und beim linken Flügel” durch Annahme einer Ellipse zu erklären
sein, wenn man SB. 4. 5. 2. 3 yathaiva tasyai (scil. vapäyai) car-
anam ‘wie das Verfahren bei dieser (Netzhaut) ist’ und SB.
13. 4. 4. 1; 13. 5. 1. 3; 13. 5. 3. 11; 13. 6. 1. 4 tesam (scil. pasunam)
samänam karma die Prozedur bei diesen (Opfertieren) ist die-
selbe’; 12. 3. 5. 2 tad ahawähitägneh karma das ist die Prozedur
für einen Ahitagni’ vergleicht.
Im Folgenden lege ich den Anfang einer Untersuchung
solcher Ellipsen vor.
§ 2. Der Genitiv bei den Wurzeln ah-+ anu, bré+ anu und
vac + anu als opfertechnischen termini technici den Einladungs-
vers hersagen und bei der Wurzel 1 ig + pra.
A. Bei der Wurzel bru + anu (als opfertechnischem term. tech.)
steht in den folgenden acht Mantras der Genitiv der Opfergabe
und Dativ der Gottheit (ohne einen Objektsakkusativ):
1. SB. 3. 8. 2. 26 agnisomabhyam chagasya vapäyai medaso ’nu-
brahi.
2. SB. 3. 8. 2. 29 agnisomabhyam chägasya haviso ’nubrühi.
3. TS. 6. 3. 10. 3; AB. 2. 10. 1); Vadhüla Satra*) (Caland, Acta
Orientalia VI 182, § 67); KSS. 6. 8. 9; ApSS. 7.24.1; MSS. 1.8.5.17
manotäyai haviso ’vadiyamanasyanubruhi.
4. ApSS. 12. 20. 15; MSS. 2.3.7.9 pratah pratahsävasyendräya
purodäasanäm anubrühi. .
5. ApSS. 7. 21.1; KSS. 6. 6. 24; MSS. 1. 8. 4. 33 indrägnibhyan
chägasya vapaya (K SS. vapäyai) medaso ’nubrühi.
6. ApSS. 7.25.9; KSS. 6. 8. 14; MSS. 1. S. 25. 6 indrägnibhyam
chägasya haviso nubrũhi. |
7. ApSS. 7. 22. 12; KSS. 6.7.19; MSS. 1. 8. 5.5 indragnibhyarn
chägasya purodadsasyanubrihi.
8. ApSS. 7. 22. 12 indragnibhyam purodäsasyävadiyamänasyä-
nubrũhi.
Dazu, ohne Dativ der Gottheit,
9. SB. 5. 1. 3. 14 chägänäm haviso ’nubrühi.
1) Diese beiden Verweise sind in Bloomfield’s Concordance nachzutragen.
9%
132 H. Oertel
Und, ohne Genitiv der Opfergabe:
10. AB. 2.15.1; SB. 3.9.3.8;9; MS. 4. 5. 3 (66,11); KSS.
9.1.10; MSS. 2. 3. 2. 1 devebhyak prataryavabhyo ’nubrūhi (AB.
°yävabhyo hotar anubrũni).
11. ApSS. 12. 3. 15 prätaryävabhyo devebhyo ’nubrihi.
Wie SB. 4.3.1.8; 4. 4. 2. 3 (bis); 14. 2. 2. 15 (bis) nanuväkyam
anväha; SB. 1.7. 2. 17 sa vai ... anuvakyam anubrüyät zeigen,
ist hier zu anubrähi der Objektsakkusativ anuvakyam (scil. ycam)
oder anuväkyäh (scil. rcak) zu ergänzen und die Genitive der
Opfergabe hängen davon ab, vgl. SB. 1.6.3.27 tasmät tasyanu-
stubham anuväkyäm anväha und AB. 2.10.3; 4 kasmäd (4 tasmäd)
ägneyir (scil. anuvakyah) eva manotäyai haviso ’vadiyamanasyanvaha
[die Parallele KB. 10.6 (48,6) manotam anväha].
Die Mantras 1—8 sind also zu übersetzen: ‘Sage für Agni
und Soma (den Einladungsvers) des Omentums und des Fettes
des Bockes (d. h. den zur Darbringung des Omentums und des
Fettes des Bockes gehörigen Einladungsvers) her’; ‘Sage für Agni
und Soma (den Einladungsvers) des (die) Opfergabe (bildenden)
Bockes (d.h. den zur Darbringung einer aus einem Bocke be-
stehenden Opfergabe gehörigen Einladungsvers) her’; ‘Sage für
Manotä (den) zur Opfergabe, die abgeschnitten wird, (gehörigen
Einladungsvers) her’; ‘Sage am Morgen für Indra (die Einladungs-
verse) der Opferkuchen der Morgenpressung (d. h. die Einladungs-
verse, die zur Darbringung der Opferkuchen bei der Morgen-
pressung gehören) her’; und so auch AB. 2. 10.3 “Warum sagt er
für Manota (d. h. trotzdem doch das Opfer für Manotä bestimmt
ist) auf Agni bezügliche (Einladungsverse) der Opfergabe (d. h.
als zur Darbringung der Opfergabe gehörige Einladungsverse)
her?“) So haben wohl auch Eggeling, Keith und Caland die
Konstruktion aufgefaßt, z. B. Recite (the invitatory prayer) over
the havis of the buck to Agni and Soma’ (Eggeling), Recite to
Manota for the oblation which is being divided’ (Keith), ‘Für
Manota sage den Einladungsvers zu der Opfergabe, wenn sie ab-
geschnitten wird’ (Caland), obwohl sie nicht niher auf die geni-
tivische Konstruktion der Opfergabe eingehen. Kaum richtig ist
die Erklärung, die Delbrück (Ai. Synt., S. 161, 24—33) für die
Mantrakonstruktion mit dem Genitiv der Opfergabe gibt. Er über-
setzt zwar den ersten Mantra SB. 3.8. 2. 26 Sprich die Einladungs-
verse an Agni und Soma für die Netzhaut und das Fett des
1) Die Antwort gleich darauf: agnih sarvä manotä, agnau manotäh
samgacchante.
Zu den ai. Ellipsen. 133
Bockes’, erklärt aber dann: „wörtlich wohl: ‘sage den Göttern
von)) der Netzhaut und dem Fette des Bockes’“, und verweist
auf PW. s. Wz. 1iş+ pra (Spalte 821,35). Dort handelt es sich
um den Imperativ presya, über den das PW. bemerkt: „Ebenso
ist auch der häufige imperat. presya mit begleitendem acc. oder
gen. (P. 2. 3. 61) nicht geradezu durch ‘bringe dar’ zu erklären,
sondern als abgekürzte Redeweise aufzufassen für fordere auf
zur Darbringung (oder Recitation). Wo gen. steht, ist dieser
partitiver Art, z. B. agnisomäbhyäm chägasya vapäm medak presya
SB. 3. 8. 2. 27 sind Worte des Adhvaryu an den Maitravaruna:
“richte deine Aufforderung (an den Hotar) in Betreff der Dar-
bringung für Agni und Soma’“. Aber gerade in dieser vom PW.
angezogenen Stelle ist doch der Genitiv chägasya direkt von den
Objektsakkusativen vapäm und medak abhängig, ganz wörtlich
übersetzt: Treib an die Netzhaut und das Fett des Bockes', d.h.
gib (o Maiträvarunapriester dem Hotrpriester) den Befehl in bezug
auf die Netzhaut und das Fett des Bockes’. Genau so sind die
Genitive zu konstruieren in den Mantras SB. 3.8.3.29 agnisomä-
bhyam chägasya havik (die Opfergabe des Bockes’, d. h. die aus
einem Bocke bestehende Opfergabe’) presya; 5. 1. 3. 14 chägänam
havih prasthitam presya; SB. 4. 2. 1. 23; ApSS. 12. 23.4; KSS.
9.10.14; MSS. 2.3.7.9 prätah prätahsavasya (ApSS., MSS. °sav-
asya) sukravato (ApSS. fügt manthivato hinzu) madhuscuta indraya
soman prasthitän presya Für die morgens bei der Somapressung
für Indra vorgetretenen, hellen und gequirlten Soma enthaltenden,
Süßes träufelnden Somaschoppen gib (, o Maiträvaruna, dem Hotr)
den Befehl’ (Caland).
Allerdings findet sich presya auch ohne Objektsakkusativ mit
einem Genitiv der Opfergabe; so ApSS. 12.20.15 prätah pratah-
sävasyendräya purodasanam presya, das Caland mit Für die morgens
bei der Morgenpressung dem Indra darzubringenden Opferkuchen
gib (dem Hotr) Befehl’ übersetzt. Aber auch hier kann purodäsänam
kein partitiver Genitiv im Sinne Delbrücks (Ai. Synt. § 109, 4,
S. 158 und 159, 18ff.) sein. Vgl. zu diesen Genitiven noch ApSS.
7.21.1; MSS. 1. 8. 4. 34 indrägnibhyärn chägasya vapäya medasah
[aber die Parallele KSS. 6. 6. 26 hat die Akkusative vapar» medah]
1) Hat Delbrück dabei vielleicht an den Genitiv bei der Wurzel vad ge-
dacht, wie SB. 5. 1. 2. 19 atha mädhyandine savane madhugrahasya ca surä-
grahänäm codyate weiter wird bei (der Erörterung der) mittäglichen Pressung
von dem Honigschoppen und von den Suräschoppen gesprochen’? Vgl. etwa
noch mit der Wurzel dra SB. 10. 6. 1. 11 na häsya bruvänarn cana vaisvänaro
hinasti “Vaisvänara does not harm anyone who speaks of him’ (Eggeling).
134 H. Oertel
presya gib (dem Hotr) den Befehl zur Hersagung des Opferverses
zum Fette, zur Netzhaut des Bockes für Indra und Agni (Ca-
land); ApSS. 7. 25. 9; MSS. 1. 8. 5. 27 indragnibhyam chägasya
havisah [aber die Parallele KSS. 6.8.15 hat den Akkusativ havih]
presya “Gib (dem Hotr) den Befehl zur Hersagung des Opfer-
verses zur Opfergabe des Ziegenbockes für Indra und Agni’ (Ca-
land); ApSS. 7.22.12; MSS. 1.8.5.6 indragnibhyam purodäsasya
[die Parallele KSS. purodäsam] presya [KSS. om. presya] ‘Gib (dem
Hotr) den Befehl zur Hersagung des Opferverses zum Opfer-
kuchen für Indra und Agni’ (Caland).
Bemerkenswert ist bei diesen Genitiven (ohne Objektsakkusa-
tive) mit presya: (a) daß ihnen an einigen Stellen Akkusative
gegenüberstehen’); (b) daß sie erst in den von den Srautasütren
überlieferten Mantras auftreten; und (c) daß diese genitivischen
Formeln immer in unmittelbarer Nachbarschaft gleichstilisierter
Formeln mit anubruhi vorkommen, was den Gedanken einer Ein-
wirkung der anubrühi-Formeln auf die presya-Formeln nahelegt.
B. Bei der Wurzel vac+ anu (als opfertechnischem term. tech.
‘die anuvakya [den Einladungsvers] hersagen’) steht der Genitiv
des Opferherrn in folgenden Stellen:
1. TS. 2. 5. 7. 4 yam kämayeta ` sarvam äyur iyäd iti "pra vo
vaja" (RV. 3. 27. 1) iti tasyänücya : ” gna a ya vitaya" (RV. 6. 16. 10)
iti samtatam uttaram ardharcam älabheta.
2. AB. 2. 17. 1; 2; 4; 5; 8 satam anücyam äyuskämasya | trint
ca Satäni Sastis cänücyani yajüakämasya | sapta ca satani vinsatis
cänücyäani prajäpasukämasya | astau Satan anücyäny abrähm-
anoktasya | sahasram anucyam svargakamasya.
Aber die Gottheit steht im Dativ’):
AB. 2. 15. 4 prajäpatau vai svayam hotari prataranuvakam anu-
vaksyaty ubhaye deväsurä yajfiam upävasann ` asmabhyam anu-
vaksyaty asmabhyam iti, sa vai devebhya evanubravit. Die Stelle
ist bemerkenswert, weil hier von einem Opfer die Rede ist, das
Prajapati als Hotrpriester fiir die Götter und Asuras als Opfer-
herren darbringt.
1) Die Vedic Variants III § 502, p. 255, 19 bemerken zu diesem Parallelismus
von Genitiv und Akkusativ: We should render the first variant (d. h. die
genitivische Variante) “prompt (to the offering) of an oblation of a goat to
Indra and Agni’. The gen. seems to be dependent on an expression of offering
understood; cf. Schwab, A I Tieropfer 119. Otherwise Delbrück 161.”
2) Uber den Parallelismus von Genitiv und Dativus commodi s. die aus-
führliche Behandlung in den Sitz.-Ber. d. Bayer. Akad. d. Wiss., Jahrgang 1938,
Heft 6, $ 22—115.
Zu den ai. Ellipsen. 135
Doppeldeutig (Genitiv :: Dativ) ist me in AB. 5. 34. 1 anvavo-
cam me; der Satz fehlt in den Parallelen GB. 1.3.4 und JUB.
3.17.4.
§ 3. Der Genitiv bei der Wurzel 2 gā + ud die Funktion des
Udgatr-Priesters ausüben’.
(a) Wenn die Wurzel 2gä+ud ‘den Udgitha(-teil des Saman)
singen’ bedeutet, so steht die Person, in deren Interesse der Ud-
githa intoniert wird, im Dativ:
1. SB. 14.4.1.3—8 (BAUp.Madhy. 1.3.3—8 = Kanva 1. 3. 2—7)
tebhyo (scil. devebhyah) vag [ebenso prana, caksur, srotram, mana
und esa präna] udagäyat. Cf. unten (c), 5.
2. JUB. 4.8.5 tasmä etena gäyatrenodgithenojjagau Fur ihn
sang er den Udgitha mit dem Gayatra-Udgitha’.
(b) Wenn sie aber bedeutet ‘als Udgätr-Priester fungieren’,
so steht der Genitiv des Opferherrn:
1. PB.6.7.1 brhaspatir vai devänäm udagäyat. Der Kommentar:
devãnãm yajiie pürvam udagäyad udgätram akarot und danach Ca-
land: ‘exercised the function of Udgätr (at the sacrifice) of the
gods’.
2. JB. 1.171 (Caland, Auswahl § 61, p. 66, 9) sa ha nrmedhah
suvratasyojjagau ‘Nrmedha erfüllte die Funktion des Udgatr’s
fur Suvrata’ (Caland).
3. JB. 1. 234 (Caland § 87, p. 91, 24) tasya (scil. putrasya) ha
svayam (scil. hrisväsayäh) evojjagau ‘Er (Hrtsvasayas) selbst trat
als dessen Sänger [besser Udgätr'] auf’ (Caland).
4. JUB. 2. 8. 2 tasya (scil. Saryätasya mänavasya) häyäsya evoj-
jagau; 3 uttarata ägato ’yäsya äfgirasas Sarydtasya mänav-
asyojjagau “Für ihn (Saryata Mänava) übte Ayasya das Amt des
Udgätr aus; aus dem Norden gekommen, übte Ayäsya Angirasa
für Saryata Manava das Amt des Udgätr aus’. Hierher gehören
wohl auch die doppeldeutigen (Genitiv :: Dativ) Formen te und
me JUB. 2. 7. 2 (quater) ayar ta udgäyatu; 4; 6; 8; 10 yan me tvam
udgäyeh; 2.8.1 tvam me, bhagava, udgäya.
5. JUB. 3. 30. 3 tena sa (scil. patangah präjäpatyah) rsinam
udagäyat; 4 eteno eva sämnä ... prajäpatir devänam udagäyat,
und wohl auch das doppeldeutige (Genitiv :: Dativ) te in 5 yas
gmaivaitat säma vidyat sa smaiva ta udgayatu.
6. JUB. 4. 8. 3—4 sa hovaca: ... tväm aham anena yajfienaimiti |
tasya vai te tathodgasyamiti hoväca yathaikarad eva bhutva svargam
lokam esyasiti. Aber gleich darauf mit Dativ: tasma etena gayat-
renodgithenojjagau; s. oben a, 2.
136 H. Oertel
7. JUB. 3. 30.2 tad yasya vai kila säma vidvan sämnodgäyati
devatanam eva salokatam gamayati; gleich vorher mit doppel-
deutigem (Genitiv :: Dativ) me ` brahmano vai me sama vidvan
sämnodagäyat.
8. JUB. 1. 18. 11 tato mriyunä papmana vyävartate `tho yasy-
aiva vidvan udgayatt.
9. JUB. 1. 24. 4 trpyati prajayä pasubhir ya etad evam vedätho
yasyawam vidvan udgayati.
10. JUB. 1. 27. 7 o häsyaite jd ante ya etad evam vedätho yasy-
awam vidvan udgäyali.
11. JUB. 1.30.5; 1.45.6 evam eva na kam cana bhrairvyam
pasyate ya etad evam vedatho yasyaivam vidvan udgayati.
12. JUB. 1. 32. 6 evam eva sa sarvasmät päpmano ’timucyamäna
eti ya evam vedätho yasyaivam vidvan udgayati.
13. JUB. 4. 8. 9 sãñgo haiva satanur amrtas sambhavati ya etad
evam vedätho yasyaivam vidvan udgāyati.
14. JUB. 4.9.5 atha yasyaivam vidvän udgäyati ya eväsya
prane mriyupäsas tam eväsyonmuficati. Dieselbe genitivische Kon-
struktion bei den anderen Teilen des Saman (Prastava, Pratihara
und Nidhana): 4 tad yasyaivam vidvan prastauti; 6 atha yasyai-
vam vidvan pratiharati; 7 atha yasyaivam vidvan nidhanam upaiti.
Vgl. (mit Wz. stu + pra) JB. 1.175 (Caland § 62, p. 67, 16)
sa yam kamayeta yajamänam : svargalokah sydd iti: „...“ ity asya
prastuyat, “Wenn er (der Sänger) in Bezug auf den Opferherren
wünscht: „Möge er in den Besitz des Himmelsraumes kommen“,
so mache er für ihn den Prastava: „...“’ (Caland). [Anders
JB. 3. 92 (Caland § 179, p. 239, 4) tasya trih prastauti, sakrt prati-
harati, trir nidhanam upayanti “Von dieser Singweise macht er
den Prastava dreimal, einmal den Pratihara, dreimal unternimmt
man das Schlufsttick’ (Caland)].
[Außer den oben (b), 4, 5 und 7 angeführten Stellen stehen
die doppeldeutigen (Genitiv :: Dativ) Pronominalformen nah, me
und te noch SB. 14. 4.1.3—8 (BAUp.Madhy. 1.3.3—8 — Kanva
1.3.2—7) tva na udgäya;. AB. 5. 34.1; GB. 1.3.4; JUB. 3.17.4
udagasin me; JUB. 3.31.1 sa eva ma udgäsyati; 6 tvam eva ma
udgasyasi; 8 ayam ma udgasyati.]
(e) Parallel zur genitivischen Konstruktion der Wurzel 294+ ud
‘als Udgätr-Priester funktionieren’ geht das Nomen udgätr mit dem
Genitiv des Opferherrn:
1. PB. 6.5.5 yad aha: barhaspatya (d. i. Pratika des Mantra
bärhaspatyo si PB. 1. 2. 4) iti, brhaspatir vai devanäm udgätä, tam
eva tad yunakti.
Zu den ai. Ellipsen. 137
2. JB. 3. 233 (Caland § 203, p. 278, 21) tesäm (scil. vibhinduki-
yanam) drdhacyud agaslir udgätästt.
3. KB. 30. 6 (114, 17— 18) tesäm nas (scil. ädityänäm) tvam
(d. i. Agni) eva hotäsi (so Lindners Text; die Hss. B, L, K hotäsa
und so Aufrecht, AB., p. 443,1 von unten) brhaspatir brahmäyäsya
udgata ghora angiraso ’dhvaryuh.
4. ChUp. 1.2.13 sa ha naimistyandm udgata babhüva.
5. JUB. 2.1.1 devanadm vai sad udgätära äsan ` vak ca manag
ca caksus ca srotrum cäpänas ca pränas ca). Cf. oben (a) 1.
RA Die Wurzel vad mit Objektsakkusativ bhägam einen An-
teil versprechen’ und mit Ellipse von bhägam.
TS. 2. 5. 1. 1 sa pratyaksam devebhyo bhägam avadat paroksam
asurebhyah, ..., sarvasmai vai pratyaksam bhagam vadanti, yasma
eva paroksam vadanti tasya") bhäga uditah. Es ist leicht ver-
ständlich, daß im dritten Satze der Objektsakkusativ bhagam aus-
gelassen wurde.
Aber JB. 2. 153. 3—4 (Transactions of the Connecticut Academy
of Arts and Sciences XV [1909] 180) sa ha sma pratyaksam deve-
bhyo vadati paroksam asurebhyo, yasma*) u ha vai bhüyah kämayate
tasmai paroksam vadati, ..., sa pratyaksam asmabhyam vadati
paroksam asurebhyah.
$ 5. Der Genitivus personae bei der Wurzel dhyd + ni parallel
zum adnominalen Genitivus personae bei der Wurzel dhyā + ni
mit Objektsakkusativ väcam.
SB. 14. 7. 3. 5 (BAUp. 4.5.5 Madhy.) vyākhyāsyāmi te, vacam
tu me vyacaksanasya nididhyäsasva,
1) Anders K. 25. 10 (117,17—18) = Kap. 40.3 (224,9) prajapater (die
Hs. Ch. prajäpatir, von v. Schroeder nach Kap. emendiert) vd udgätä dem
Prajäpati gehört der Udgätr-Priester’ (Caland zu ApSS. 11. 9. 13); die Parallele
MS. 3.8.9 (108,8) hat an Stelle des Genitivus possessivus das Adjektivum:
prajapatya udgätä.
JUB. 3.7.7 ta u ha vai jabalau didiksate Sukras ca gosrus ca, tayor
ha pracinasalir vrta udgätä; 3.10.1 ya esäm ayam vrta udgätäsa, wo die
Genitive tayoh und tesäm als Genitivi agentis mit instrumentaler Funktion
(Delbrück, Ai. Synt. § 106, p. 153, 10—20) zum Participium praeteriti vrtah
gehören. |
*) Zu dem den vorausgehenden Dativen beim Verbum finitum parallelen
Genitiv beim Participium praeteriti vgl. SB. 13. 4.1.7 athäsmä (scil. yajamänäya)
adhvaryur niskam pratimuncan vacayati, aber 11 yo ’sya (scil. yajaman-
asya) miskah pratimukto bhavati tam adhvaryave dadati.
3) Der Dativ yasmai hängt nicht direkt von kamayate ab, sondern von
einem zu ergänzenden Infinitiv vaditum: “wem er seinen Anteil sicherer zu
versprechen wünscht’. Vgl. Sitz.-Ber. d. Bayer. Akad. d. Wiss., Jahrgang 1937,
Heft 8, $100, Anm. 1, p. 135—136.
138 H. Oertel
aber die Kanva-Rezension (4.5.5) ohne väcam: etad vyäkhyäsyami
te, vydcaksanasya tu me nididhyäsasva.
Und so (ohne väcam) beide Rezensionen SB. 14. 5. 4. 4 (BAUp.
2.4.4) vyakhydsyami te, vyacaksänasya tu me nididhyäsasva.
Cf. Syntax of Cases I § 48, Ex. 46, p. 109; Renou, Etudes
de Grammaire Sanskrite I, p. 47, Anm. 11.
§ 6. Der Genitivus personae bei der Wurzel vadh + prati
parallel zum adnominalen Genitivus personae bei der Wurzel
vadh mit Objektsakkusativ vacam.
AB. 6. 33.4 alaso 'bhür yo me vacam avadhih. [Die Parallelen
AB. 6. 33.3 tasya ... mukham apyagrhnat; KB. 30.5 (144, 9—10)
tasya ... mukham apijagräha und yad vai me, jalma, mukham
napyagrahisyah. |
Aber (ohne vdcam)
AB. 7. 28.1; JB. 2. 124 (JAOS. 19, p. 121,15) brhaspateh prat-
yavadhit; Sayana zu AB. glossiert mit svaguror brhaspater vakyam
svakiyena vakyena pratyavadhit.
§ 7. Der Genitiv in der Phrase yatra pravähanasya jaivaler asa.
Während SB. 14. 9.1.1 (BAUp. Madhy. 6. 1. 1 = Kanva 6. 2. 1)
sa djagäma jaivalam (Känva jaivalim) pravähanam paricärayamänam
hat, liest SB. 14. 9. 1. 7 (BAUp.Madhy. 6.1.7 = Kanva 6.2.4) sa
djagäma gautamo yatra pravähanasya jaivaler asa. Die Kon-
struktion ist ohne jede Parallele im Ai. Säyana gibt zwei Inter-
pretationsmöglichkeiten: yatra pravähanasya jaivaler asa ` sanam
dsthayika*) sasthidvyam va prathamästhäne, von denen die zweite
wertlos ist. Delbrück, Ai. Synt. § 5, p. 9, 28—30 hält es für
sicher, daß hier eine Ellipse eines Wortes wie grha Haus vor-
liegt, ähnlich wie Sayanas erste Erklärung eine Ellipse von äsana,
ästhäyikä annimmt.
Wo grha sonst mit einem Genitivus personae bei der Wurzel
gam Ted gebraucht wird, steht es im Akkusativ‘): SB. 1.1.1.7
(Känva 2.1.1.6) te ’sya (Kanva tasya) visve devä grhän ägacchanti
(Kanva abhyägacchanti); SB. 2.1.4.1 (Kanva 1.1.4.1) te S (Känva
tasya) visve deng grhän ägacchanti; SB. 2.3.1.7 (Känva 1.3.1.3)
agnihotram eva (so Känva; Madhy. agnihotram) juhvato grhän ägac-
chanti (Kanva abhyägacchantı); SB. 3. 9. 2. 7 visve devä yajamānasya
grhän ägacchanti; AB. 1.15.1 somo vai raja yajamānasya grhān
1) Vgl. Säyanas Glosse zu SB. 14. 6. 10. 1 (BĀUp. 4.1.1) asäm care:
asanam krtavān ästhäyikam dattavan.
2) Bemerke, daß SB. (beide Rezensionen) und AB. den Accusativus pluralis
grhän, die anderen Texte (MS., K., Kap., TB., GB.) den Singular grkam haben.
Zu den ai. Ellipsen. 139
ägacchati; MS. 3.3.6 (39, 7—8); GB. 2.1.6 dvayé vai devä ya-
jamänasya grham ägacchanti; MS. 3.9.1 (112, 4) ya vai manus-
ard jo grham ägacchati (cf. Caland zu Apss. 11. 16. 15, Anm. 2);
TB. 3. 7. 1. 7; K. 35. 18 (64, 4) = Kap. 48. 16 (306, 21) ye (scil. deväh)
yajamänasya sd am ca prätas ca grham ägacchanti; TB. 1. 7. 1. 6
ye yajamänasya säyam grham dgacchanti’). Sonst findet sich noch
(wenn man von den zahlreichen Stellen absieht, in denen ein
Accusativus personae direkt von Wz. gam-+ä abhängt) einmal
ardham mit dem Genitivus personae bei der WZ. id: ChUp.
5. 3. 6 sa ha gautamo rajio ’rdham eyäya. Ein Typus *gautamah
pravähanasya jaibaler djagama, den man dem griechischen eis
Aid og iévat und lateinischen ad Dianae venire an die Seite stellen
könnte”), ist in der vedischen Prosa nicht zu belegen ).
Er würde auch zur Erklärung der SB.-Stelle nicht ausreichen,
weil dort ein yatra-Satz steht und ein elliptisches Nomen im
Nominativ ergänzt werden muß. Die Genitive in yatra- bzw.
yatah-Sätzen sind sonst durchweg als Genitivi partitivi aufzu-
fassen, so SB. 1. 2. 4. 16 = 3.3.1.7 yatra va asyai (i. e. der Erde)
khanantah krürikurvanty apaghnanti (die Känva-Parallele 2.2.2.9
yad va asyah kim ca khananti; und cf. Caland zu ApSS. 10. 23. 9);
SB. 1. 3. 3. 10 yatra va asyai bahulatama ogadhayah; MS. 2. 5. 5
(53,19) yatra tū (var. lect. tu) bhümer jäyeta tat prajijüäseta; TS.
6. 1. 5. 4 yatah khalu vai yajfasya vitatasya na kriyate tad anu
yajfiah paräbhavati (cf. Caland zu ApSS. 10. 21. 10); TS. 6.4.2.5
= 6.4.9.4 yatah khalu vai yajfiasya vitatasya na kriyate tad anu
yajnam raksansy avacaranti An welcher Stelle der Erde grabend
1) Zweifelhaft ist der Lokativ sadhäge mit Genitivus personae JB. 1. 271
(Caland § 95, p. 103, 5—6) tau haruner dcaryasya sabhäga Ajagmatuh, wo
‚vielleicht mit Caland, WZKM. XXVII 77, sabhäga in sabhaga(v) zu emendieren
ist; vgl. das Adjektivum sadhdga zu einer Disputation gehend’, Syntax of Cases
89, Ex.9, p. 12—13.
2) Zum elliptischen Genitiv des englischen Typus ‘at the baker’s (scil.
shop)’ vgl. A. E. H. Swan, in A Grammatical Miscellany offered to Otto Jespersen
on his 70th birthday, Copenhagen and London, 1930, p. 275—286.
2) Das gilt auch von JB. 2. 387 (Caland § 163, p. 209, 4 von unten) fesam
ha prsthyasya sadahasyaikenähnästutam (die Hs. "hasyaitenähna’) äja-
gama, das Caland frei mit ‘Er kam zu ihnen an dem Zeitpunkte, da der
Prsthya-sadaha bis auf einen Tag abgelaufen war? übersetzt; wörtlich aber:
Er kam zu deren bis auf einen Tag ungesungenem (Teil) des Prsthya-sadaha’.
Vgl. JB. 2. 152 (Caland 5 142, p. 172, 14—15) tesam ha sarvam eva pratas-
savanam näjagäma, “Während deren ganzen Morgenlitanei [wörtlich: Zu
deren ganzen Morgendienste’] kam er nicht' (Caland). In der ersten Stelle
hängt fesdm von astutam ab, wie in der zweiten von pratassavanam.
140 H. Oertel
sie (dieser) eine Wunde zufügen ...; an welcher Stelle der
Erde die Pflanzen am zahlreichsten sind ...’; ‘an welcher Stelle
des in Gang gesetzten Opfers keine Opferhandlung vollzogen wird
.... Da der Genitiv pravahanasya jaivaleh nicht so erklärt werden
kann und man nicht wagen darf, die gut bezeugte Lesart der Stelle
in yatra pravähanasya jaivaler [üsanam] dsa zu emendieren, so bleibt
nichts übrig als hier mit Sayana und Delbrück eine Ellipse anzu-
nehmen, die fürs Ai. ganz singulär ist. Herrn Ernst Lommatzsch
(Marburg) verdanke ich einen Hinweis auf Liv. 2.7.12 ubi nunc
Vicae Potae est domus in infimo clivo aedificata (Wölfflin, Archiv
f. lat. Lex. II 370 [1885]); mehr bei J. B. Hofmann in Stolz-Schmalz,
Lat. Gramm. 394 oben).
$ 8. Die Wurzel car in der Bedeutung ‘coire? mit und ohne
Objektsakkusativ mithunam.
(a) Bei der Wz. car coire' steht mithunam immer, wenn die
Person nicht angegeben wird: K. 34. 5 (39, 12 und 13); GB. 2. 2. 6
mithunam caranti; SB. 11.5.4.16; GB. 1. 3. 21 na mithunam caret;
SB. 4.6.7.9 und 10 jayapati mithunam carantau; GB. 1. 3. 20 mi-
thunam carisyatha; vgl. SB. 14. 9. 4. 3 (bis); 4 (BAUp. 6. 4. 3; 4)
adhopahäsam carati (4 caranti). Nur einmal steht die Frau im
Lokativ im Sloka SSS. 15.17 mätary api mithunam caranti [aber
die Parallele AB. 7. 13.13 mäträpi mithunibhavanti )].
Passivisch mit dem Instrumental mithunena: SB. 1. 9. 2. 8
tira-iva mithunena caryate.
(b) Ohne mithunam steht Wz. car ‘coire? mit dem Instrumental
der Person K. 36.5 (72,17); MS. 1. 10. 11 (151, 3—4) anrtam va
esa karoti ya patyuh kritä saty athanyais carati; SB. 2. 5. 20 (Kanva
1. 5. 1. 17) im Mantra kena carasi (= KSS. 5.5.6) und varunyam
ha va etat stri karoti yad anyasya saty anyena carati; SB. 6. 4. 4. 19
api svayäd jäyayä tira-ivaiva cicarigati; dazu mit gewolltem Doppel-
sinn (Eggeling: ‘perform :: cohabit’) SB. 1. 8. 1. 11 sa yo Raivam
vidvan id ayd carati.
Einmal mit dem Akkusativ der Person: SB. 9. 5. 1. 54 yad
. manusyam caret if he were to have intercourse with a
human female’ (Eggeling). Der Akkusativ stellt sich dem Akkusativ
1) Griechische Fälle wie aiyufjs dne aut edbjneos „es leuchtete, ging ein
Glanz aus von der Lanze“ X 319, wo man Nom. oédag ergänzt (W. Leaf zur
Stelle) — vielleicht ohne Not — und die häufigeren wie psAdwpoyor dé yoñua
Ondevayv Xpv Eur. Ph. 199, wo yoga doppelt zu denken ist (vgl. Kühner-Gerth
I 35, f), zeigen nicht die gleichen Bedingungen. [E. Schwyzer.]
2) Bloomfield’s Concordance registriert die Variante mdtrapi :: mdtary
api nicht.
Zu den ai. Ellipsen. 141
bei Wz. as + mithunt SB.Kanva 1.2.4.11; 2. 7. 2. 1; 4.2.1.19 mi-
thuny enam syam; 1.1.1.3 mithuny enäh syam (Caland, SB.Kanva I,
Introduction III § 21,b, p. 60) an die Seite für den SB.Madhy.
1. 7. 4. 1; 2. 2. 4. 15; 3. 2. 1. 25 mithuny enaya syam; 2. 1. 1. 5 mi-
thuny äbhih syam den Instrumental bietet. Caland vermutet für
den Akkusativ Beeinflussung durch Wz. bhū sam ‘coire’ c. Ac-
cusativo, das SB. 1.7.4.1; 2.1.1.5; 2.2.4.15 (Kanva 1. 2. 4. 11);
3. 2. 1. 25 (tam sambabhüva) in unmittelbarer Nachbarschaft steht.
S. § 9.
Das PW. s. Wz. car 6 (Spalte 954, unten) und Delbrück,
Ai. Synt. § 5, p. 8, 22—26 nehmen hier eine euphemistische Ellipse
(Havers, Handbuch der erklärenden Syntax § 170, p. 190 mit der
Anmerkung dazu p. 267) an; kaum richtig, da mithuna nicht zur
Sphäre des ai. sprachlichen Tabus gehört. Vgl. § 9 Wz. bh - sam
mit und ohne mithunam. Es liegt eine einfache Kürzung einer
häufigen Redensart vor.
§ 9. Die Wurzel bhū sam “coire? mit und ohne mithunam
mit abhängigem Accusativus personae.
(a) Mit mithunam: K. 12. 5 (167, 16); K. 27.1 (137,9) = Kap.
42.1 (246,3) täm (scil. väcam) mithunam samabhavat; SB. 6.1.2.1
so ’gnind prthivim mithunam samabhavat; 3 sa räyunäntariksam mi-
thunam samabhavat; sa ädityena divam mithunam samabhavat; 6 sa
manasa vacam mithunam samabhavat; 7—9 sa manasaiva Geo
mithunam samabhavat; SB. 10. 6. 5. 4 (BAUp. 1.2.4) sa manasa
vacam mithunam samabhavat. |
(b) Häufiger ist die Ellipse von mithunam: KB. 23.4 (104, 24);
TS. 2. 5. 1. 6 (ter); TB. 1.3.3.4; TS. 6. 1. 3. 6 = MS. 3. 6. 8 (70,4) =
K. 13. 3 (182, 3) = K. 23. 4 (78, 22) = Kap. 36. 1 (188, 2); TS. 5. 5.
4. 1; TB. 1. 1. 3. 8; K. 8. 5 (89, 12) = Kap. 7. 1 (72, 13); MS. 1. 6. 12
(106, 8); SB. 1. 7. 4. 1; 2. 1. 1. 5; 2. 2. 4. 15 (Känva 1. 2. 4. 11); 14. 4.
2. 5—9 (BA Up. Madhy. 1. 4. 5—9 = Kanva 1. 4. 3—4).
810. Lexikalische Ellipse bei AB. nita ‘tot’, hingeschieden'.
AB. 2. 2. 21—22 yad aha: “krdhi na ürdhvan caranäya jivasa”
(RV. 1. 36. 14) ity eva tad aha | yadı ha va api) nita iva yajamano
1) Das PW. Spalte 270,10 und pw. p. 231, Spalte 3,11 führen die AB.-
Stelle unter Wz. mi+ api an, sicher nicht richtig; Wz. 27 + api immer mit
Akkusativ bedeutet entweder (a) “jemanden einen Pfad entlang führen’ TS. 2.2.2.1
apathat panthäm apinayati; AB. 1. 8. 13; GB. 2. 1. 13; K. 10.5 (129, 5—6);
MS. 1.8.9 (129, 15); 2. 1. 10 (11, 16); 4. 8. 3 (109, 16); TB. 1. 4. 4. 10 panthäm
(GB., TB. panthanam) apinayati; SB. 12. 4. 4. 1 yajnapatham apinayati; oder
(b) jemanden wohin führen’ K. 26. 2 (123, 1) antariksam apinayati (wo aber
die Kap.-Parallele 40. 5 [229, 1] atinayati liest, wie K. und Kap. im vorher-
142 H. Oertel
bhavati pari haivainam tat samvatsardya dadäti. Der Sinn muß
sein: ‘selbst (api) wenn der Opferherr so gut wie (iva) tot ist’,
vgl. TS. 2.1.1.4; 2. 1. 2. 7; 2. 1. 9. 3; 2. 2. 10. 4—5; 7.2.4.3; 7.2.
7. 4 uta yaditasur bhavati jivaty eva. Sa yana glossiert die AB.-
Stelle: yady api yajamäano mrtyund nita eva bhavati tathapi tat-
pädapäthena mriyum parihrtyainam samvatsarayadyuhpradaya kalat-
mane dadaätı.
Daß eine Ellipse vorliegt, ist sicher. Aber dafür, daß der
Tod (mrtyuh) einen Sterbenden aus dem Leben ins Totenreich
“abführt’ oder ‘geleitet’, so nahe sie uns liegt, kann ich in den
Brähmanas keine Parallele finden’): TS. 3.3.8.3—4 (Caland zu
ApSS. 13. 24. 15) grivabaddham enam (scil. yajamänam) | amugmin
loke neniyeran (würden ihn in jener Welt hin und herzerren’, vgl.
TS. 2.1.1.2; MS. 2.5.1 [47,19]; 4.3.3 [42, 6]; K. 12.13 [176, 6—7]
vayur vā imäh praja nasyotä ittham cettham ca [TS. om. ittham
cettham ca] neniyate) bezieht sich auf das Schicksal des Opferherrn
im Totenreiche, der die auf die Vedi gestreuten Halme nicht ver-
brannt und sich so von seiner Schuld dem Yama gegentiber nicht
schon auf Erden freigemacht hat. Ebensowenig kann verglichen
werden, wenn es mit Bezug auf das Opfertier, das zum Schlachten
geführt wird, SB. 3. 8. 1. 10 heißt mriyave hy etam (scil. pasum)
nayanli, ..., na va etah mriyave nayanti yam yajnäya nayantı;
TS. 3.1.5.1; 6.3.8.1 mrtyave vā esa niyate yat pasuh; 6.3.9.4
pra vā eso ’smäl lokāc cyavate yah pasum mrtyave niyamanam an-
varabhate; MS. 3.9.7 (126,5) pasor vai märanäya (lies so) ni-
yamanasyahavaniyam medhyo ’bhy upakrämatı.
Man kann AB. nitah als Participium praeteriti nītáh zur
Wurzel ni ziehen, man kann es aber auch als nitah (Participium
praeteriti zur Wurzel i+ ni [ná + itah]) auffassen. Auf die zweite
Alternative weist RV. 10. 161. 2; AV. 3. 11. 2; 20. 96. 7: yddi ksi-
täyur (vgl. die oben angeführten TS.-Stellen mit yadıtäsuh) yadı
vd päreto yddi mrtyér antikdm nita (Pp. ni-itah) evd | tám
d harämi nirrter updsthäd dspärsam enam Satdsäradäya hin: ‘Ob
seine Lebensdauer zu Ende ist, oder ob er dahingegangen, ob
in des Todes Nähe er eingegangen, ich hole ihn her aus der
gehenden Satze lesen); $B.1.8.3.11;20; 12.8.1.21 devalokam apinayati;
dazu (c) im übertragenen Sinne TS. 2.2.8.2 gavam evainam nyinam apiniya.
Visva-Bandhu Sästri, Vaidika-Padanukramakosa (Lahore 1936) II 2 p. 569,
Spalte 1, Zeile 26 sub mita stellt es zu Wz. nī.
1) Am nächsten stünde einer solchen Auffassung AV. 8. 8. 11 nayatamin
mrtyuduta yamadata apombhata ~ AVPaipp. 16. 30. 1 (L. C. Barret, American
Oriental Series IX, p. 32) mrtyudata amin nayata yamadita apombhata.
Zu den ai. Ellipsen. 143
Nirrti Schoße, zu hundertjährigem (Leben) hab ich ihn berührt’.
Vgl. dazu Wz. i+ ni mit unerwünschten Objektsakkusativen:
(a) mit artim TB. 1.4.6.5 = K. 34. 2 (36, 23—37,1); TB. 1.4.7.1;
SB. 1. 4. 3. 22 (bis); MS. 1. 4. 7 (55, 10); 1. 5. 14 (83, 14); 1.8.4
(119,17); 3.7.3 (78,6) [in allen diesen MS.-Stellen steht drtim
nitah im Gegensatz zu sarvam äyuh mit Wz. i]; MS. 4. 7. 6 (101,4);
SB. 2.10.7, (b) mit abalyam und sammoham SB. 14.7.2.1 (BAUp.
4. 4. 1), (e) mit animanam SB. 14. 7. 1. 41 (BAUp.Madhy. 4. 3. 41 =
Kanva 36); AB. 4. 26. 3, (d) mit bhangam KB. 4. 1 (14,17); (e) mit
bhresam K. 7.11 (73,5; der Satz fehlt in Kap. 6.1); K. 20.8
(27,20) = Kap. 31.10 (158, 12); TS. 7.3.1.1; AB. 5. 33. 3 (ter);
GB. 1.3.2 (octies), [dazu das Gegenteil GB. 1.3.3 (octies) mit
abhresam, und vgl. JUB. 3.16.4 mit der Anmerkung], (f) mit
tamah K. 34.2 (37,7), (g) mit ksudham TS. 7.2.4.1; MS. 3.7.4
(79,10); 3.9.4 (118,8 und 14 [bis]. Es ist also nicht unwahr-
scheinlich, daß für AB. nitah eine, hier möglicherweise euphe-
mistische, Ellipse von mrtyor antikam (RV.) oder artim (MS.1.4.7
55, 10]; 1.5.14 [83,14]; 1. 8. 4 [119,17]; 3.7.3 [78,6]) anzu-
nehmen ist.
Dasselbe nita auch Vadhila Sūtra (Caland, Acta Orientalia IV,
§ 45, p. 40,11) atha yadi yajamäna upatäpi syat katham kuryad
iti, vinastir (d. h. die Mantras sdram te caksur gachatu svähä usw.)
juhuyäd ity ähus, tā va eta vinastayo huyante: suryam te caksur
gachatv asau svähä, sarasvatim te vag gachatv asau sväheii yaja-
mänasya nämagräham, sa yady api mīta wa bhavatı jivaty eva,
wozu Caland bemerkt: „nita zu nyeti, vgl. animänam nyeti.“
$11. Der Genitivus personae bei der Wurzel jan und ihren
Komposita.
Die Konstruktionen der Wurzel jan und ihrer Komposita sind
in den Sitzungsber. d. Bayer. Ak. d. Wiss., Jahrgang 1938, Heft 6,
§ 2—21, S. 6—28 ausführlich behandelt worden. Kurz gefaßt
ergibt sich:
Dem Ablativ des Vaters (15mal bei der Wz. jan [a. a. O.
§ 3, S. 6—7]; 5mal bei der Wz. jan+ā [§4, S. 7—9]; 5mal bei
der Wz. jan + pra [§5, S.9—10]) stehen mehr als doppelt soviele
Genitive des Vaters gegenüber (22 mal bei der Wz. jan [§6,
S. 10—11]; 33mal bei der Wz. jan +&[88, S. 12—16, wo JUB.
4.6.6 = 4.7.4 katamo vas tad veda yad vidusas sūdgātā suhota
svadhvaryus sumänusavid äjäyate und JUB. 4.7.4 yo vai manus-
yasya sambhutim veda... tasya sūüdgātā suhota svadhvaryus sumänu-
savid djd ate nachzutragen ist]; 3 mal bei der Wz. jan + pra [§ 10,
144 H. Oertel
S. 16—17]). Der Genitiv des Vaters mit den Lokativen prajayam,
kule steht nur bei der Wz. jan T q (S 13, S. 21—22) und zwar
14 mal. Bemerkenswert sind hier die Parallelen TB. 1. 3. 2. 4
äsya vāji jd ate gegenüber TS. 1. 7. 4. 6; 1. 7. 6. 7; 3. 2. 9. 2 äsya
prajayam vāji jäyate; TS. 1. 5. 8. 4; TB. 2. 2. 3. 5; 2. 2. 11. 2; MS.
1. 9. 8 (140, 6) dsa viro jayate und MS. 1. 8. 3 (118, 13—14);
3. 7. 9 (89, 5—6) q häsya viro jäyate gegenüber ChUp. 3. 13. 6
äsya kule viro jäyate.
Hauptsächlich wohl auf Grund dieser Parallelen ist Delbrück,
Ai. Syntax § 5, S. 9, 32—36 geneigt, die Genitive des Vaters durch
eine Ellipse von orbe, prajayam zu erklären. Er zieht aber auch
(Ai. Syntax § 106 am Ende, S. 153, 29—32) eine andere Erklärung
in Erwägung: „Im Indischen setzt man nicht selten einen posses-
siven Genitiv zu einem Nomen in Beziehung, wo wir lieber
einen Dativ zum Verbum in Beziehung setzen würden, z. B.
tasya ha putro jajfie ein Sohn dessen wurde geboren’, ihm wurde
ein Sohn geboren’ AB. 7.14. 2“, und Ai. Syntax S. 296,4 über-
setzt er SB. 11.5.1. 11 jata u te am tarhi putro bhavitä mit dann
wird auch dieser dein Sohn (mit dem ich schwanger gehe) ge-
boren sein’.
Wo immer putrah mit einem Adjektivum verbunden ist, liegt
diese zweite Auffassung dem deutschen Sprachgefühl ganz nahe,
z. B. TS. 1.5.8.5; 1.7.6.5 tejasvy eväsya brahmavarcast putro
jäyate dessen Sohn wird als ein glänzender, mit Brahmanruhm
begabter geboren‘.
Wie ich a.a. O. § 21, S. 27—28 ausgeführt habe, scheint mir
diese zweite Auffassung den Vorzug zu verdienen. Denn erstens
sind die Genitive des Vaters mit den Lokativen prajäyäm, kule
auf die Wz. jan+ä beschränkt; zweitens läßt sich der Genitiv
des Vaters bei der Wz. jan und ihren Komposita ohne Schwierig-
keit auf einen ursprünglich adnominalen Genitiv zurückführen;
und drittens stellt sich der Genitiv :: Ablativ bei der Wz. jan
und ihren Komposita dem Genitiv :: Ablativ bei den Verben der
Trennung (Sitzungsber. d. Bayer. Ak. d. Wiss., Jahrgang 1985,
Heft 12) an die Seite, vergleiche z. B. TS. 3.4.8.6 annädyam
eväsya haranti gegenüber JB. 3.71 annädyam vā etasmäd dharanti
mit TS. 6. 4. 10. 5 atiry asya prajä jäyate nadya gegenüber
SB. 1.8.3.6 samänäd eva purusäd atta cadya$ ca jäyate.
8 12. Der Genitivus personae parallel einem Dativus commodi.
Für diesen Parallelismus findet man das Material in den
Sitzungsber. d. Bayer. Ak. d. Wiss., Jahrgang 1938, Heft 6, § 22
Zu den ai. Ellipsen. | 145
— 114, S. 29—79 zusammengestellt, z. B. MS. 3. 8. 8 (106, 11—12)
asurä va etan valagan devebhyah pränesu nyakhanan gegenüber
K. 25. 9 (116, 2—8) = Kap. 40. 2 (222,17) te (scil. asuräh) de-
vanäm pranesu valagan nyakhanan; TS. 6. 2. 11.1 asurā vai niryanto
devanam pranesu valagan nyakhanan die Asuras, hinausgehend,
vergruben Zaubersubstanzen (zur Bedeutung von valaga vgl.
Caland zu Kaus. 39. 1 [S. 132, Anm. 1]) in den Hauchen der
Götter’ (Caland zu ApSS. 11.11. 6). Ebenda § 115, S. 79—80
sind Delbrücks Auffassungen des Genitivs besprochen.
Delbrück, Ai. Synt. § 5, S. 9, 32 ff. ist hier wieder geneigt, eine
Ellipse eines Lokativs wie ‘im Hause’, ‘beim Opfer’ anzunehmen, so
z. B. TS. 5. 1. 4.5 catasrbhih sam bharati catväri chandänsi chan-
dobhir eva, gäyatrıbhir brahmanasya gäyatro hi brahmanas, trstugbhi
rüjanyasya traistubho hi räjanyah mit vier Versen bringt er die
Geräte zusammen, also mit den Metren, da der Metra vier sind,
mit Versen im Gayatri-Metrum im Hause (beim Opfer) eines bräh-
mana, denn dieser ist gäyatrisch, mit Versen im Tristubh-Metrum im
Hause eines räjanya, denn dieser ist tristubhisch’, indem er auf
TS. 5. 3. 8. 3 visurüpam asya grhe drsyate yasyaitä upadhiyante
Verschiedenartiges zeigt sich in dem Hause eines Mannes, in
dessen (Hause d.h. bei dessen Opfer) diese Altarsteine aufgelegt
werden’ verweist.
Doch denkt er auch hier (Ai. Synt. S. 10, 13ff.) an die Möglich-
keit, den Genitiv als einen ursprünglich adnominalen aufzufassen,
und geht darauf Ai. Synt. 8106 am Ende, S. 153, 29—36 noch
einmal ein: „Im Indischen setzt man nicht selten einen possessiven
Genitiv zu einem Nomen in Beziehung, wo wir lieber einen Dativ
zum Verbum in Beziehung setzen würden“, wofür er SB. 6. 1. 3. 15
yad asya tan nämäkarot der Name desselben, den er machte‘, "der
Name, den er ihm gab’ anführt (vgl. Sitzungsber. d. Bayer. Ak. d.
Wiss., Jahrgang 1938, Heft 6, § 28, E, S. 36, wo als fünftes
Beispiel KB. 7.2 [29,9] na vd ajätasya garbhasya nama kurvantı
nachzutragen ist )).
Auch hier halte ich diese zweite Erklärung für die richtige.
Denn erstens ist die Zahl der Stellen, in denen der Genitiv mit
den Lokativen orbe, yajñe verbunden vorkommt und von ihnen
abhängig gemacht werden kann oder muß, verhältnismäßig recht
1) Das von Delbrück angeführte zweite Beispiel TS. 1. 5. 1. 1 tad asya
sahasäditsanta gehört zu den Genitiven bei den Verba der Trennung (Sitzungsber.
d. Bayer. Ak. d. Wiss., Jahrgang 1935, Heft 12, 8 11, 8. 29—30 und 8 20, 1,
S. 37, 1—4).
Zeitschrift für vergl. Sprachf. LXVII 3/4. 10
146 H. Oertel
gering (etwa 17, vgl. a. a. O. § 114, S. 78—79); zweitens lassen
sich diese dem Dativus commodi parallelen Genitive ungezwungen
auf ursprünglich adnominale Genitive zurückführen, z.B. AB. 7.
25. 1—2; 4 tad ahur: yad brahmanasya diksitasya: brähmano ’diksisteti
dıksam ävedayanti katham ksatriyasyävedayed iti | yathaivaitad brah-
manasya diksitasya ` brahmano ’diksisteti diksam avedayanty evam
evaitat ksatriyasyavedayet purohitasyärseyeneti |... tasmät tasya
purohitasyarseyena diksäm ävedayeyuh (cf. ApSS. 2. 16. 10; 10. 11.
5; 24. 10. 13—14) wörtlich: “wenn man eines geweihten Brahmana
Weihe (mit der Formel) „Der Brahmana ist geweiht“ ankündet,
wie soll man (die Weihe) eines Ksatriya ankünden? Grade so
wie man die Weihe eines geweihten Brähmana (mit der Formel)
„Der Brahmana ist geweiht“ ankündet, ebenso soll man (die Weihe)
eines Ksatriya (‚der keinen Rsi unter seinen Vorfahren hat,) mit
der Ahnenreihe (seines) Purohita ankündigen; .. deshalb soll man
dessen (d. h. des Ksatriya) Weihe mit der Ahnenreihe (seines)
Purohita ankündigen’; aber die ursprünglich adnominalen Genitive
brähmanasya diksitasya, ksatriyasya und tasya beginnen sich aus
dieser Verbindung zu lösen und die Bedeutung für einen Brahmana’,
‘fiir einen Ksatriya’, ‘fiir diesen’ anzunehmen. Und drittens stehen
diese Genitive des öfteren in genauer Parallele zu Dativen, vgl.
z. B. PB. 6.9.13... iti bahubhyah pratipadam kuryät (The tristich
SV. 2. 180—182) he should take as opening one for a plurality
(of sacrificers)' (Caland) gegenüber JB. 1. 94... iti bahünäm
samyajamananam pratipada kuryät (a. a. O. § 28, F; S. 37—38);
PB. 21. 1. 4 yasmä evam viduse somam krinäti gegenüber K. 24. 1
(89,13) = Kap. 37. 2 (195, 6) uta tayä (scil. gava) rajanyasya (seil.
somam) kriniyat; MS. 3. 8. 6 (101, 5) aparimitad etad bhratrvyam
nirbhajya yajamänäya (scil. vedim) parigrhnäti gegenüber TB. 3. 2.
9.7 yasyaivam viduso vedim parigrhnanti.
8 13. Der Genitivus personae bei A. den Verben des Essens
und B. den Verben des Annehmens’*). A. Zu den Ellipsen von
grhe stellt Lüders, Sitzungsber. d. kgl. preuß. Ak. d. Wiss. 1916 (X),
S.282 den Genitivus personae bei den Verba des Essens. Er
erklärt so das me in ChUp. 4. 1. 1 sarvata eva me ’tsyanti in der
Hoffnung, daß die Leute überall bei ihm essen wiirden’*), indem
er Boehtlingks Konjektur vatsyanti für me "tsyanti sicher mit Recht
1) Vgl. A Volume of Eastern and Indian Studies in honour of F. W. Thomas,
C. I. E. (Separatband zum New Indian Antiquary, 1939), p. 160—165.
2) Sankara nimmt hier eine Ellipse von annam an: sarvata eva me ma-
männam tesu āvasatheşu vasanto tsganti bhoksyante.
Zu den ai. Ellipsen. 147
ablehnt. Dafür daß hier eine Ellipse von orbe anzunehmen sei,
führt er AB. 2.9.6 an na diksitasyäsniyät, das Sayana mit diksi-
tasya grhe näsniyat glossiert: „ag und ad mit dem Genitiv einer
Person heißen also in jemandes Hause, bei jemandem essen’
(Delbrück, Ai. Synt. S. 9).“
Lüders folgt Renou, Gr. Sk. § 222, F, p. 308, der ApDhS. 1.
18.9 trayanam varnänäm ... na bhoktavyam mit (il) ne doit pas
prendre de repas (chez ceux) des trois (premiéres) castes’ über-
setzt; und weiter P.Thieme, Der Fremdling im Rigveda (Abhandl.
f.d. Kunde des Morgenlandes XXIII, 2, 1938). Thieme tibersetzt
(S. 16, Anm. 2) AV. 5. 29. 4 = AVPaipp. 13. 9. 5 (JAOS. XLVIII 54)
pisäco asya (AVPaipp. ’sya) yatamo jaghäsa mit Welcher P. immer
bei ihm gegessen hat’ und RV. 10. 87. 18 = AVPaipp. 16. 7. 8
(Barret, American Oriental Series IX, p. 9) visam gavam yatudhanah
pibantu') mit Gift sollen die Hexeriche bei den Kühen trinken
(statt der Milch, die sie haben wollen)’; und so auch (§ 103,
S. 105 a. E.) RV. 2.1.4 tvam aryamä satpatir yasya sambhujam mit
‘Du (o Agni) bist Aryaman, der Hausherr, in dessen (Haus) ich
speisen möchte’*). Für die vedische Prosa ergibt eine Überprüfung
der Stellen folgendes Resultat:
1. Bei der Wz. ad läßt sich der bloße Genitiv der Person,
deren Speise gegessen wird, nicht belegen, es steht dort immer
der Objektsakkusativ annam mit dem Genitivus personae 2. B.
AB. 8. 24.2 na ha vā apurohitasya rajiio devi annam adanti und
so GB. 1.3.19 (89,5 Gaastra); PB. 18. 1. 11; 12; TS. 2. 2. 6. 2;
2. 3. 7. 4; 2. 5. 1. 6; TB. 1. 4. 3. 2; MS. 1.8.8 (127, 5); 2.1.3 (4,4);
2. 3. 7 (34, 19 und 21); 3. 6. 7 (69, 13 und 18); K. 8. 11 (95, 9) =
Kap. 7. 8 (79, 9); K. 10. 5 (129, 13); K. 12. 5 (167, 22 und 23; 167, 23
168, 1; 168, 1—2 und 2); K. 12. 7 (169, 20); K. 23. 2 (75, 10) =
Kap. 35. 8 (184, 19); K. 23. 6 (81, 10; 11—12; 12; 14 und 16); vgl.
dazu das Kompositum K. 23. 9 (85, 20) = Kap. 36. 6 (193, 10)
diksitännam ... adanti.
Und so auch der Objektsakkusativ annam c. genit. personae
1) Die AV. Parallele 8.3.16 visam gavam yätudhäna bharantam.
2) Thieme § 12, S. 16—17 erwägt auch die Möglichkeit einer Ellipse von
grhe für den Genitivus personae fava RV.1.150.1 = SV. 1.97 = SVJaim. 1.
11.1 = Nir. 5.7 puru tva dasvän (SV. dasivan; SVJaim. däsivam) voce (SV
Jaim. voced) ’rir (SVJaim. arir) agne tava svid d todasyeva Saranda d
mahasya (SVJaim. mahasyä) “Hoch dich ehrend nenne ich mich Fremdling
in Deinem (Hause), o Agni (= nehme ich Deine Gastfreundschaft in Anspruch),
(wo ich sicher bin) wie im Schutze eines großen (Rosse-)lenkers (i. e. Kriegers)“.
10*
148 H. Oertel
bei der Wz. jakg TS. 2.2.6.2 vidvigänayor annar jagdhvä parallel
zu 2.2.6.2 yo vidvisänayor annam atti’).
2. Aber bei der synonymen Wz. as ‘essen’ halten sich die
Konstruktionen (a) mit dem Objektsakkusativ annam, asanam c.
genit. personae und (b) mit bloßem Genitivus personae ziemlich
die Waage:
(a) AV. 9. 6. 24 (Prosa) na dvisato ’nnam asniyän na miman-
sitasya na mimänsamänasya; 25 yasyannam asnanti; 26 yasyannam
nasnanti; PB. 11.8. 10; 14. 3. 12 ayäsyo vā ängirasa ädityanam diksi-
tãnãm annam äsnät; KB. 7. 3 (29, 19) kasmäd diksitasyasanam näsnanti;
SB. 4. 6. 5. 4 yavanto no ’sanam agnanti; JB. 1.223 (Caland § 83,
S. 86,3 von unten) = 3. 250 (Caland § 206, S. 287, 10 von unten)
anäsyännasyännam asitvä; JB. 2. 135 (Caland § 140, S. 168, 10—9
von unten) yo ’näsyännasyännam asnäti; JB. 2. 83 (Caland § 130,
S. 145, 6 von unten) yad vā vidvisananam asanam äsa (vgl.
TS. 2. 2. 6. 2 vidvisänayor annam atti; KSS. 25. 8. 16 pratigrhya
vidvisänayoh). Ähnlich mit dem Objektsakkusativ havih und Genitivus
personae AB. 7. 11. 1; KB. 3. 1 (8, 17—18) na ha vā avratasya deva
havir asnanti; uta me devä havir asniyuh; KB. 3. 2 (9, 17) na ha va
anärseyasya devä havir asnanti.
(b) AB. 2. 9.6 na diksitasyasnıyat (Sayana interpretiert: diksi-
tasya grhe nasniyat*)); SB. 3. 6. 3. 21 tasmad diksitasya näsniyät,
..., tasmäd asyäträsnanti; KB. 2. 8 (7, 12) yasyo ha vā api devah
sakrd asnanti; J UB. 1. 57. 1 tasmäd u gäyatäm näsniyät’). Dazu aus
den Sütras mit Wz. bhuj KSS. 25.8. 16 patitasya bhuktva (Weber, Ind.
Stud. IX 247); ApDhS. 1. 18. 9 trayanam varnandm ... na bhokta-
vyam (Renou, Gr. Sk. § 222, F, p. 308). Ebenso Manu 4. 207
mattakruddhaiuranam ca na bhufjita kadā cana (Speijer, Ved. und
Sk. Syntax § 64, S. 18).
Wenn man beim Genitivus personae mit den Verben des
Essens überhaupt eine Ellipse annehmen will, so läge es im Hinblick
auf die unter (a) und (b) zusammengestellten Parallelen am nächsten,
an eine Ellipse von annam, asanam zu denken, wie denn auch
Sankara ChandUp. 4.1.1 sarvata eva me ’tsyanti mit sarvata eva
me mamannam tesv avasathesu vasanto ’tsyanti bhoksyante glossiert.
1) Zur Suppletion ad :: Joke (ghas) vgl. Delbrück, Ai. Synt. § 160, p. 274,
12—14; Wackernagel II, 1 §5, b, Anm., p. 16, 20; Renou, Gr. Sk. §280, p. 399,
29—30.
2) Diese Stelle ist von Weber, Ind. Stud. IX 247 und von Lüders, Sitzungber.
d. kgl. preuß. Ak. d. Wiss. 1916 (X), 282 angezogen worden.
) Vgl. TB. 1. 3. 2. 7 tasmad gayatas ca mattasya ca na pratigrhyam.
Zu den ai. Ellipsen. 149
Für eine Ellipse von grhe lassen sich nur anführen: MS. 1.8.8
(127, 7) orbe tu tasya tatah paro näsniyät; K. 8. 12 (96, 8—9) =
Kap. 7.7 (78, 15—16) grhe (so liest v. Schroeders Text mit Tı, Brl.,
und D.; Ch. grhi; St. grhän; für Kap. gibt Raghu Vira keine var.
lect.) tv (die Kap. Hs. nv) asya tato näsniyät. Dazu ApSS. 5. 14. 2
grhe tv asya tato näsniyät (Rudradatta: asya bahupustasya grhe tatah
param näsniyäd yajamanah) er esse jedoch nachher nichts aus
dessen Wohnung” (Caland )).
B. Nun hat aber schon Weber, Ind. Stud. IX 247 bei der Er-
örterung des Genitivus personae ohne Objektsakkusativ mit den
Verben des Essens scharfsinnig auf die parallele Konstruktion bei
der Wz. grh + prati als Geschenk annehmen’ hingewiesen):
SB. 14. 6. 10. 3 (BAUp. 4. 1. 3) apratigrhyasya’) pratigrhnati (Sankara
glossiert apratigrhyasya mit ugrädeh, vgl. Manu 4. 212 ugrännam
[scil. na bhufjita]); TB. 1. 3. 2. 7 tasmäd gäyatas ca mattasya ca na
pratigrhyam (der Kommentar ergänzt dhanam‘)); K. 14. 5 (205, 1—2)
yo gäthänäräsansibhyäm’) sanoti tasya na pratigrhyam (vgl. das
vedische Zitat mattasya na pratigrhyam der Kasıka zu Pan. 3. 1. 118);
MS. 1.11.5 (167,8—9) yo gäthänäräsansibhyäm sanoti na tasya
pratigrhyam ... na mattasya; JB. 1. 223 (Caland § 83, S. 86, 8 von
unten) = 3. 250 (Caland § 206, S. 287, 10 von unten) sa (3. 250 om.
sa) yo garagir manyetäpratigrhyasyo pratigrhyandsyannasyannam asitvä
‘wer sich vergiftet meint, weil er (etwas) entgegengenommen hat
von jemandem, von welchem man nicht entgegen nehmen darf,
weil er Speise von jemandem gegessen hat, dessen Speise man
nicht essen darf (Caland) ).
1) Vgl grhe mit upaharanti AV. 8.10.21 upäsya grhe haranti ya evam
veda “in his house do they present food who knows thus’ (P.-E. Dumont,
JAOS. LIX 429—430).
2) Auch die folgenden Belege fiir Wz. grh + prati c. Genit. personae sind
von Weber mit Ausnahme der aus MS. und JB., die ihm nicht zugänglich waren,
aufgezählt.
$) Zu apratigrhya einer, von dem nichts angenommen werden darf’ vgl.
SB. 11. 1. 6. 35 anapoddhärya das, wovon nichts weggenommen werden darf’,
TS. 2.8.1.5 anaparudhya das, wovon einer nicht vertrieben werden kann’;
Syntax of Cases I 860, Ex. 115, Rem., p. 222, 30—37.
4) Vgl. JUB. 1. 57. 1 tas mãd u gayatam näsniyät.
5) Zu gäthänäräsansı vgl. Weber, ZDMG. XV 136; Ind. Stud. X 53; Manilal
Patel, Die Dänastutis des Rigveda (Marburger Diss.) 1929, S. 69—70.
©) Auch in der Anm. zu PB.19.4.10 (yad eva bahu pratigrhnati yad
garam girati yad anannam atti) übersetzt Caland die JB.-Stelle: having
received a gift from a person from whom he ought not to accept a gift, having
eaten food from one whose food he should not eat’; die Übersetzung in der Anm.
150 H. Oertel
Aus den Sutras führt Weber noch KSS. 25. 8.16 an: prati-
grhya vidvisänayoh, womit TS. 2. 2. 6. 2 vidvisänayor annam atti;
vidvisänayor annam jagdhvä; JB. 2. 83 (Caland § 130, S. 145, 6 von
unten) vidvisinadndm asanam dsa zu vergleichen ist.
Gegen die Annahme einer Ellipse der Objektsakkusative annam,
asanam spricht die Tatsache, daß die Wz. grh + prati niemals
mit diesen verbunden auftritt; ebensowenig findet sich das vom
Kommentar zu TB. 1.3.2.7 ergänzte dhanam. Mit einem Worte
für Speise (und zwar ohne Genitivus personae) steht die Wz.
grh + prati nur KB. 25. 15 (119, 19) aphälakrstäng ca pratigrhnan
und KB. 6. 14 (27, 10—11) athainat (scil. präsitram) pratigrhnäti
(vgl. TS. 2. 6. 8. 7 präsitram prasnati).
Sonst finden sich bei der Wz. grh + prati noch die Objekts-
akkusative dnandan, havih, ähutim, ähuts und nispadah mit einem
klar adnominalen Genitivus personae: SB. 10. 5. 5. 2; 4 na (4 naiva)
te havih pratigrahisyati; KB. 2. 7 (6,5) katham nv imän vayam
änandän asmädrsasyaiva (Wackernagel III § 218, b, S. 436, 17, wo
TB. Druckfehler für KB. ist) pratigrhniyama; KB. 2.8 (6,23 und
7, 4-5) tasyai (scil. yajamänasya) "o devah satyahutasyahutim
pratigrhnanti; KB. 2. 8 (7,12) prati haiväsyaite ähuti devad grhnanti;
TS. 7. 2. 10. 4 so pi ha vā asya sirsanya nispadah pratigrhnati yo
dvädasähe pratigrhnati “wer beim Dvädasaha Daksinas entgegen- .
nimmt, empfängt, was von seinem (des Gebers) Haupt herabfällt’
(Caland, zu ApSS. 21. 1. 5).
Ob auch die Wz. labh ohne Objektsakkusativ mit einem
Genitivus personae konstruiert wird, ist nicht sicher und hängt
von der Interpretation des vimäthyasya in der folgenden Stelle
ab: JB. 2. 299 (Caland 8 156, S. 200, 1 von unten — 201, 1) tena
haitena maruto yata indrägni iksam cakräte : ime ced va idam sama-
payanti maruta evedam sarvam bhavantiti, tan ha (die Hs. tan sa
ha) sattraparivesanam sahasram jigyatus, tad dhaisam vimäthicakrire
(die Hs. nach Caland vimdsicakrire, nach Whitneys Abschrift
vimäsicakrire), papmanam ha vā esäm tad vimethire, tasmäd u ha
vimäthyasya na lipseta : net papmano ’pabhajä iti; Caland übersetzt:
„Als die Maruts (einst) mit diesem (Opfer) beschäftigt waren,
überlegten Indra und Agni über sie: “Wenn sie dies zu Ende
führen, so werden die Maruts alle Macht bekommen’. Als Sieger
entwendeten sie diesen (Maruts) eine Tausendzahl (von Kühen)'),
zu PB.9.2.16 “having eaten food from one from whom no gift may be accepted,
from one whose food may not be eaten? ist ein augenscheinlicher lapsus calami.
1) Zum doppelten Akkusativ bei der Wz. syd (Ji) vgl. außer der von
Zu den ai. Ellipsen. 151
die Zurüstung ihres Sattra [Anm. 25: Vgl. AB. 5. 14. £]. Da er-
schlugen) sie (die Maruts) deren (Tausendzahl [?]) [Anm. 26:
‘Sinn der Worte unklar; Übersetzung, besonders von vimathikr’)
unsicher’). Dadurch erschlugen °) sie deren Mißgeschick. Deshalb
soll man, von einem, der zerschlagen werden soll, nicht(s)
zu erlangen suchen, damit man nicht Anteil an seinem Miß-
geschick habe).“
Was nun vimäthyasya angeht, so ist es mir zweifelhaft, ob
es überhaupt als Gerundivum aufzufassen ist; belegt sind von
der Wz. math nur SB. 12. 4. 3. 3 ulmukamathya und TS. 6. 3. 5. 2
manthya; vimäthya ist also eher ein sekundäres Derivativum vom
Nomen vimätha (SB. 3. 8. 3. 36; TB. 1. 3. 8. 4) ‘etwas oder jemand,
das (der) in einer Balgerei verwickelt ist’. Jedenfalls aber braucht
vimäthyasya nicht maskulin zu sein (Caland: ‘von einem, der
zerschlagen werden soll’), sondern es kann ebensogut Neutrum
sein (‘von etwas, das zerschlagen werden soll’), In letzterem
Falle ist es ein Genitivus partitivus (Delbrück, Ai. Synt. § 109,
S. 159—161; Renou, Gr. Sk. § 222, B, a, p. 304, 4ff.): Deshalb
soll man von etwas, worum gestritten worden ist, nicht zu nehmen
suchen, damit man keinen Anteil am Unglück habe’. Zu dieser
Konstruktion der Wz. labh mit dem Genitivus rei vgl. die Mantras
K. 9. 7 (118,9); ApSS. 8. 18. 4 bhagas (ApSS. bhaga) stha, bha-
gasya vo lapsiya das Glück seid ihr, möchte ich des Glückes teil-
Caland (Anm. 24) angezogenen Stelle JB. 2. 249 (Caland § 149, S. 187, 10 und 8
von unten) indra vai marutah samajinot sväm visam ..., sahasram (scil.
marutah) ajydsistam Indra brachte seine Leute, die Marats, um ihre Habe. .,
die beiden (Indra und Soma) haben (die Maruts) um tausend (Kühe) gebracht’
noch PB. 21. 1.1 indro marutah sahasram ajinät svam visam ..., maruto
ha sahasram ajyäsistäm (Delbrück, Ai. Synt. § 122, S. 180, 7 von unten).
1) Zu vimäthicakrire vgl. ApSS. 18.7.8 vimathikrtya (Talav. glossiert
mit äcchidyächidya), wo Caland “nachdem sie sich darüber gebalgt haben’
übersetzt. Vgl. TB. 1. 3. 8. 4 vimatham kurvate.
2) Die Wurzel math + vi hin und her zerren’, zerreißen“ mit yajnam
AB. 1. 18. 1; GB. 2. 2. 6; MS. 4. 8. 9 (118, 12); K. 25. 2 (103, 18); Kap. 38. 5
(209, 7, wo ma = ja jnam); mit havyam MS. 1. 10. 10 (150, 8); K. 36. 5 (72,
3—4); mit havingi KB. 28. 2 (134, 16, wo die Hs. M. vimathnate, die anderen
Hss. und Lindners Text vibadhnate); mit pasum MS. 4. 8. 9 (118, 12 und 15);
TS. 3. 1. 3. 2; AB. 7. 1. 5; mit papmanam SB. 2. 5. 2. 24 (Känva 1. 5. 1. 22) tad
dhäsam (Kanva: tad äsäm) marutah päpmänam vimethire; tatho evaitasya
(Känva: tato vd etasya) prajanam marutah päpmänam vimathnate; 26
(Känva 24) yatra vai (Känva: yatra ha vai tat) prajäpateh prajanam
marutah papmänam vimethire.
3) Vgl. JB. 3. 72 (Caland zu PB. 8. 1. 10) nec chuco ’pabhaja iti; PB. 8.
1. 11 ya esam aéam eti tasmä eva $uco pabhajate.
152 H. Oertel, Zu den ai. Ellipsen.
haftig werden’ (Caland); K. 8. 10 (87, 23); MSS. 1.7.7.8 bhago
si, bhagasya lapsiya; in Prosa TB. 1. 6. 10. 5 utkiranti, bhagasya
lipsante sie werfen (die Kuchen) in die Höhe; (indem sie sie
wieder auffangen,) suchen sie das Glück zu ergreifen’ (Caland
zu ApSS. 8. 18. 4); ChandUp. 1. 10. 6 yad batännasya labhemahi
‘ach, wenn ich nur (etwas) Speise bekäme’ (Sankara: annasyalpam
labhemahi); AB. 2. 3. 12 tasmät tasyā (scil. pasoh) ’sitavyam caiva
lipsitauyam ca; aus den Sütras ApSS, 1. 11. 2 (Renou, Gr. Sk.
§ 222, B, a, p. 304,7) näsyaitäm ratrim kumäräs cana payaso la-
bhante (Rudradatta: asyam ratryam asya kumärä api payasa eka-
desam na labhante) an diesem Tage bekommen seine Kinder gar
keine Milch’ (Caland); ähnlich bei der Wz. dp K. 36. 10 (77, 5)
= MS. 1. 10. 16 (155, 16) te ’syaptvä vyanayan, vgl. Sitzungsber.
d. Bayer. Ak. d. Wiss., Jahrgang 1934, Heft 6, S. 48, Anm. 1.
Der Genitivus personae bei der Wz. grh + prati ‘als Ge-
schenk annehmen’ hat eine Parallele im Genitivus personae bei
der Wz. dā + ä ‘wegnehmen’. In den Sitzungsber. d. Bayer.
Ak. d. Wiss., Jahrgang 1935, Heft 12, § 11, S. 29—30 und § 20,
S. 37, 1—4 sind die Beispiele für den Parallelismus des Ablativus
personae und Genitivus personae bei der Wz. dd + ā mit Ak-
kusativobjekt zusammengestellt. Fur den Genitivus personae
ohne Akkusativobjekt vgl. SB. 11. 4. 3. 2 na vai striyam ghnanty,
uta tva asya jivantya evädadate vielmehr nehmen sie ihr (einem
Weibe) lebend (ihre Habe)’; TS. 3. 5. 4. 2—3 yajfahano vai devä
yajfiamusah (Arbman, Rudra, Uppsala Universitets Årsskrift 1922,
S. 150) | santi, ta esu lokesv äsata adadanad vimathnanad yo dadati
yo yajate tasya ‘indem sie dem, der gibt, und dem, der opfert,
(die Opfergabe) wegnehmen und sie an sich reißen’; K. 10.
(128,15) varunagrhito vā esa yo ’nyasyadadina upaharamänas ca
carati ‘der, welcher fortwährend einem anderen (seine Habe) weg-
nimmt und sich aneignet’.
Diesem Genitivus personae bei der Wz. grh + prati schließt
sich der Genitivus personae bei den Verba des Essens ohne
Schwierigkeit an: ‘Er ißt (empfängt Speise) von Jemandem’, wo
unserem Sprachgefühl ‘bei Jemandem’ näher liegt. Solche Ver-
schiedenheiten der Auffassung sind nicht selten, vgl. z. B. Caland,
IF. XXXI 107 „Wenn wir sagen ich wärme mich am Feuer’,
‘ich wasche mich im Strome ... so sagten die Alten ich wärme
1) Vgl. die Parallelen MS. 1. 10. 20 (160, 12) tan urdhväan udasya prati-
labhante, bhagam eva pratilabhante; K. 36.14 (81,10) tan udasya prati-
labhante wad eva bhütva bhagam pratilabhante.
E. Schwentner, Vogelnamen und Volkswitz. 153
mich vom Feuer her usw., weil die Wirkung von dem Feuer,
von dem Strome ausgeht“ (dazu W. Schulze, Kleine Schriften,
S. 652, 388—653, 5). RV. 1. 117. 11 agastye brahmand vavrdhana
„werden zwar die Asvin von Agastya gepriesen, aber der Dichter
sagt, daß sie es bei A. sind“ (Oldenberg, RVNoten I, S. 37, 10—13
zu RV. 1. 34. 5). Wackernagel, Vorlesungen über Syntax II (1924)
S. 219, 10—16 „In dem alten melischen Epigramme (Kaibel, Epi-
grammata Graeca No. 740) nai Aids, “Expdyta öS dé duevpäs
&yadua ist Ekphantos als der gedacht, bei dem man etwas be-
kommt, gerade wie etwa Wulfila das nag&iaßov dnd tod Kvolov
(I Kor. XI 23) ‘ich habe von dem Herrn empfangen’ mit andnam
at fraujin eigtl. ‘ich habe bei dem Herrn entgegengenommen’
wiedergibt. Es ist sehr verständlich, daß an Stelle dieser lokalen
Ausdrucksform bei ö&xeodaı eine mehr ablativische aufkam“.
München. Hanns Oertel.
Vogelnamen und Volkswitz.
Der Blutfink oder Gimpel (pyrrhula europaea) heißt nhd.
dompfaff, älter thumpfaff (16. Jahrh.), ndd. doemher (1542), dompäpe
(entlehnt als dän. dompap, domherre, schwed. domhärre) wegen
seiner schwarzen Kappe auf dem Kopfe und vielleicht auch wegen
seiner vollen Figur (Suolahti, Deutsche Vogelnamen 139); die
Haubenlerche oder Kotlerche (alauda cristata) heißt in Öster-
reich kotmönch, älter kottmünch (1687), Suolahti a. a. O. 99; der
schwarzstirnige Würger (lanius maior) wird wegen seiner
schwarzen Kopfplatte von österreichischen Vogelhändlern als
Mönch (1780) bezeichnet (Suolahti a. a. O. 152f.). Im Litauischen
heißt das schwarze Wasserhuhn oder Schilfhuhn (fulica atra)
auch klebönas, eigentlich „(kathol.) Priester, Pfarrer“, weil der
Volkswitz den weißen Fleck auf dem Kopfe des Vogels mit der
Tonsur eines Geistlichen vergleicht (Nesselmann, Wb. der lit.
Sprache 217b). Anderer Art und derber ist der Volkswitz, wenn
im Niederlitauischen (Zemaitischen)derkastrierte Hahn,Kapaun,
Kapphahn als kaplonas’), koplunas „Kaplan“ (Nesselmann, Wb. der
lit. Sprache 178b; 205a) bezeichnet wird.
Diese Beispiele ließen sich wohl leicht aus anderen, besonders
lebenden Sprachen und Mundarten vermehren’).
1) Jetzt schriftlit. kapeliönas, Niedermann-Senn-Brender I 436 b.
2) z. B. Krabd „Krähe“, Spottname der katholischen Geistlichen wegen ihrer
schwarzen Tracht; Charles Schmidt, Wb. der Straßb. Mundart 62a. — Korr.-Note].
Schwerin i. M. Ernst Schwentner..
154 J. Wackernagel f und A. Debrunner
Indoiranica’).
Aus dem Nachlaß von Jacob Wackernagel, herausgegeben von
Albert Debrunner’).
21. Ai. d-ling- „umarmen“.
Dieses Verbum, das dem Epos und den klassischen Autoren
geläufig ist”), wird von Böhtlingk und Roth (unter äling-) und
von Uhlenbeck (Et. Wb. unter äling-) zu linga- „Merkmal“ ge-
stellt, was semasiologisch nicht befriedigt.
Näher liegt Anknüpfung an abhi-viangd- RV. 1, 133, 4b, das
die neueren Vedisten“) mit „Schlinge“ wiedergeben“); das zu-
gehörige Verbum steht im selben Lied im Absolutiv abhi-vidgyd
1c, 2a, wo Geldner im Anschluß an Sayana „einfangen“ übersetzt.
Mi. Wandel der seltenen Konsonantenverbindung vl- zu U-
l- ist durchaus möglich; vgl. prakr. -U- aus -- (Pischel, Prakr. 204
§ 296). Auch der Wandel von a zu i vor % ist mi.: AMg. ingäla-
aus ai. angära- „Kohle“ (Pischel a. a. O. 85f. § 101f.), AMg. JM.
muinga- aus ai. mrdanga- „Trommel“, ähnlich AMg. ghimsu- aus
ai. ghramsa- „Sonnenglut“, AMg. vadimsa- aus ai. avatamsa- „Kranz“.
Zu vergleichen ist lat. e >i vor dem gutturalen Nasal (tinguo =
téyyo, u. dgl.).
lingayati im Sinn von „citrikarana“ („in ein Bild verwandeln“)
Dhätup. 33, 65 = 10, 199 Böhtl. gehört wohl zu linga-; ob Nir.
10,17 (148, 8) upalingin- „an Stelle von etwas tretend“, upa-
lingayati „upagacchati“ („tritt herzu“) Durga zu Nir. 10, 17, upa-
lingana- „Begleitumstände, Verabredung“ Kaut. zu d-ling- oder
zu linga- zu stellen sind, mag unentschieden bleiben.
22. Ai. äsayati äsita-.
BhP. 9, 1, 37 sudyumnasyä ’sayan pumstvam „sie wünschten
(hofften) die Mannheit des Sudyumna“ ziehen beide Petersburger
Wörterbücher zu @-si- „in, auf etwas liegen“ unter Verweis auf
kl. äaya- „(im Herzen ruhender) Gedanke, Absicht“. Natürlicher
1) Fortsetzung zu o. LXI 190ff.
*) Im Nachlaß von J. W. fanden sich diese Beiträge in sehr verschiedenem
Grad der Ausarbeitung, von der flüchtigen Notiz (so das meiste) bis zur fast
druckreifen Ausfertigung. Meinen Anteil an der Weiterführung und Fertig-
stellung auszurechnen, wäre kaum möglich — und außerdem kleinlich. A. D.
3) Ohne d nur Mbh. 12, 165, 49 = 6089; Zing- im Sinn einer Bewegung
lehrt der Dhätup. 5, 48 = 1, 165 Böhtl.
4) Neißer, Zum Wb. des RV. 1,66; Geldner, Übersetzung.
5) BR. „Abschüttelung“; Graßmann, Wh. (Sp. 1751!) „das Bedrängen, Fort-
drängen“; Ludwig, RY. II No. 475 „schleuderwürfe“.
Indoiranica. | 155
ist die Annahme eines Denominativums aus dsd- „Wunsch, Hoff-
nung, Erwartung“ (mit der Möglichkeit von Denom. auf -a-yati
aus d-Stimmen rechnet auch Delbrück, Das ai. Verbum 204).
Anders v. MS. 3, 6, 2 (61, 14. 16), TS. 6, 1, 1, 4 dsita-: die Be-
deutung „satt“ ist von P. 6, 1, 207 bezeugt und paßt an allen
Stellen’); sie liegt auch in der Ableitung TS. 7, 1, 17 = KathAév.
1, 8 (153, 5) äsitimdn- „Sattheit“) und im Kompositum MS. 3, 6, 2
(61, 15.16) dty-asita- „übersättigt“ vor. Demnach liegt die Deutung
als d-asita- „der sich voll gegessen hat“ nahe, wie sie schon
Pat. zu V.1 zu P. 6,1, 207 gibt. Das Bedenken, das Oldenberg
zu RV. 10, 37,11 gegen die Verbindung von as- mit à erhebt,
wird hinfällig durch die parallelen Bildungen RV. 8, 9, 19a d-pi-ta-,
AV. 9, 1, 9a d-pi-na „der sich voll getrunken hat“ und weiter
durch v. d-pürna- „ganz gefüllt“. Daß der Akzent nur zu dieser
Erklärung paßt, gibt auch Oldenberg zu.
Wieder anders zu beurteilen ist agité- SB. 14, 7, 3, 11 = BAU.
4, 5, 11 „zum Essen dargereicht“ wie gleich nachher päyitd- „zum
Trinken d.“, also von den Kausativen B. äsayati v. paydyati.
asité- „gegessen“ kommt AV., TS. 1, 6, 7, 4 = SB. 1, 1, 1, 9,
Kath. 25,10 (118, 21 zweimal) = KapisthSamh. 40, 3 (225, 10),
JB. 2, 409 vor, das negierte dn-asita- TS. = SB. ebd.
23. Ai. utsuka-.
Zu dem Präsens v. icchdti „wünscht“ (aus idg. *is-ské-ti,
Walde-Pokorny I 12) wird nach dem Muster der Desiderativa,
denen es ja seiner Bedeutung nach nahe verwandt ist, ein Subst.
icchd- „Wunsch, Verlangen“ (MS. 3, 8, 10 [109, 12] mangalecchdyat
„fausti ominis causa“ [R. Schmidt, Nachträge s. v.], dann ep. und
kl.) und ein Adj. icchú- „wunschend“ (seit KSS. belegt, auch von
P. 3, 2, 169 bezeugt) gebildet; vgl. z. B. v. jigisd- jigisu- zu jigisate
„wünscht zu siegen, zu erlangen“. Lautlich klingt von den alten
Desiderativen am stärksten v. bhiksd- „das Betteln“ zu v. bhik-
gate „bettelt“ (Desid. aus bhaj- „Anteil haben, genießen“) an.
Eine derartige Nachbildung nach den Desiderativen ist auch
himsä- „Schädigung“ (seit Maitryup. 3, 5, d-himsä- seit SB. AB.)
zu v. hims- „schädigen“. Noch Graßmann hält zwar hims- für
ein wirkliches Desiderativum aus han- „schlagen, töten“, was
y Auch RV. 10, 37, 110 und 10, 117, 7a, wo BR. (unter 2. aś Kausativ)
ein Neutrum „Speise“ annehmen; ferner ApSS. 10, 6, 9.
2) Mantra ksudhe svahä, äsitimne svähä „Heil dem Hunger, der Sattheit“.
äsitimän- aus äsita- wie YV. tarunimdn- „zartes Alter“ aus v. fdruna-
„Zart“, TS. dhumrimdn- aus YV. dhamra- „grau“ usw.
156 J. Wackernagel ¢ und A. Debrunner
natürlich unmöglich ist: es gehört zu einer Wurzel his- (Wacker-
nagel, Ai. Gr. 144 8 40).
Zu dem genannten icchu- ist nun aber das ep. kl. utsuka-
„begehrend, sehnstichtig, unruhig, besorgt“ als Hypersanskritismus
für ein mi. *ucchuka- zu stellen: Angleichung eines i an ein 2
der folgenden Silbe ist im Mi. beliebt; so z. B. ucchu- „Zucker-
rohr“ < iksu-, usu- „Pfeil“ C isu- (Pischel, Prakr. 131 8 177;
Geiger, Pali 46 8 16, 1a), ’O&Uuayıs Arrian Ind. 4,5 (lies Aere
aus *uksumati- oder *ucchumati- = iksumati- (Flußname); vgl.
auch v. chibuka-, S. cubuka- neben spätkl. cibuka- „Kinn“. Hyper-
sanskritisches ¢s für mi. cch findet sich auch in Lex. gutsa-
„Klumpen“ für M. guccha- aus *grpsa- (zu S. grapsa- „Büschel“)
(Ai. Gr. 1158 § 135a), ferner in inschr. utsrtäni für ucchritäni „auf-
gerichtet“ Epigr. Ind. 5, 183 (Inschrift aus dem Jahr 1184 oder 1185).
24. Mittelindisch -ettika-, -ayittaka- u. dgl.
1. Das Präkrit kennt Adjektiva auf -éttika- -éttiya- -ettia-
-ittia- aus den Pronominalstämmen a-, a-, ya- (oder ja-) und ta-,
und zwar sind sie sowohl von Hemacandra (2, 156. 157) als auch
in der dramatischen Literatur bezeugt (Pischel, Prakr. 116 § 153);
z. B. Sak. 29,9 Pischel ettikena vi (= 16, 9 Cappeller ettiena =
20,9 Böhtlingk ettaena [sic]) „bloß hiermit“; 71, 14 P. ettikehim
(= C. 39,6; Bö. 44,10 ettiehim) kusumehim „mit dieser Anzahl
von Blumen“; 76, 6 P. ettikassa (= C. 41,17; Bö. 47, 9 ettiassa)
kälassa „binnen so langer Zeit“; 114,11 P. ettike dëng edassa
ägame „so ist mein Kommen zu ihm“, d.h. „so bin ich zu ihm
(dem Ring) gekommen“.
Der Bedeutung nach entspricht also ettia- dem ai. iyant-,
kettia- dem ai. kiyant-, yettia- dem ai. yävant-, tettia- dem ai.
tavant-. Es liegt daher nahe, (k)ettia- mit (k)iyant- in etymo-
logischen Zusammenhang zu bringen. Das meint wohl auch
Cappeller, wenn er im Prakrit-Index seiner Ausgabe (S. 109)
ettia- = iyant- setzt. Das Verhältnis denkt sich Pischel a. a. O.
genauer so, daß er ein *ayat = iyat annimmt und aus diesem ein
* ayat-tya- nach dem Muster von ai. iha-tya- kva-tya- tatra-tya- ab-
leitet. Das ist unmöglich; denn die Adj. auf -tya- werden nur
aus Ortsadverbien gebildet, nicht aus Pronominalstimmen. Man
wird daher lieber an das bekannte deminutive Adjektiv v. iyattakd-
„so winzig“ RV. 1,191, 15a, Fem. iyattikd- ebd. 11a anknüpfen,
das formell und semantisch gut dazu paßt. Niemand wird sich
daran stoßen, daß eine so vulgäre Bildung im Ai. nur an dieser
einen Stelle belegt ist.
Indoiranica. 157
2. Kalidasa braucht in den Prakritpartien seiner Dramen Ad-
jektiva auf -ittaa-, Fem. -ittiã- aus kausativen Verben in partizip-
ähnlicher Bedeutung; so z.B. Sak. 9, 20 Bö. = 11,3 P. = 6, 19 C.
paoharavittharaittaam attano jovvanam „deine die Brust entfaltende
Jugend“). Die Prakrit-Grammatiker leiten diese Bildungen aus
einer Taddhitabildung auf -itta- ab, die den Sinn des ai. -mant-
-vant- haben soll (Pischel, Prakr. 406 § 600). Da aber dieses -itta-
in der Literatur nicht belegt ist, ist es wohl nur eine Gram-
matikererfindung. Aber Böhtlingk (zu Sak. 9, 20, S. 161) hat sich
dadurch verleiten lassen, -ittaa- auf ein *-yitra-ka- zurückzuführen,
und Pischel a. a. O. stimmt ihm bei und lehnt die einleuchtende
Deutung Benfeys (GGA. 1856, 1216) aus *-yitr-ka- ab.
Natürlich ergibt *-yitr-ka- nicht direkt -ittaa-. Zunächst ist
von den Kasus mit -tr- (ai. -trā -tre usw.) das tt in den starken
Stamm eingedrungen (vgl. den NSg. Aug. uvadamsettäre = ai.
*upadarsayitä; Pischel a. a. O. 271f. § 390) und dann das ad-
jektivierende -aka- -ikä- angetreten.
25. Aw. karati- „Messer“ = v. krti-.
Vd.17,9 ar&tayas ča karatayas da „Speere und Messer“ ent-
hält zwei aus dem RV. bekannte Wörter: rsfi- (mehrmals; auch
AV. ep. kl.) und krti- (nur 1, 168, 3d). Meillet, MSL. 11 (1899) 21
und Bartholomae, Altiran. Wb. 454 wollen zwar mit Rücksicht
auf das sonstige aw. karata- „Messer“ das karstayas der obigen
Stelle aus Angleichung an das vorausgehende arstayas erklären.
Aber das ist nicht zwingend: das v. krt-i- „schneidend, Messer“
aus der Wz. krt- „schneiden“ hat gute Parallelen, z. B. in v. krid-é-
„spielend“ und AV. khan-i- „wühlend“ (betontes -i- ist Suffix,
nicht das i der sei-Wurzel!), während karata-, das einem ai. Nomen
agentis *krt-d- entsprechen müßte, Bedenken erregt, da der Typus
tudd- „schlagend“ zu Verben der 6. ai. Präsensklasse gehört,
also zu v. krntdti vielmehr krnid- zu erwarten ist (nach Whitney,
Roots 23 in B. -krnta- belegt; dies ist den Beispielen bei De-
brunner, Bull. School Or. Stud. VIII [1936] 487ff. beizufügen ).
26. Ai. krsdnu-.
Für v. krsdnu-, den Namen eines Schützen, „der Göttern
wie Menschen den Genuß des Soma mißgönnt“ (Geldner, Anm.
1) Sak. 11, 14 C. (ähnlich 15, 2 B., 21, 8 P.) se ummädaittaam ravam pekkhia
„ihre berauschende Schönheit gesehen habend“.
2) Außer der Tiefstufe in krytí- karəta- karəti- scheint auch die Dehn-
stufe ein Wort für „Messer“ ergeben zu haben: np. kärd, kurd. r (Horn,
Grundriß der np. Etym. 185).
158 J. Wackernagel + und A. Debrunner
zur Übersetzung von RV. 1, 155, 2), ist bisher keine überzeugende
Ableitung gefunden. Er erklärt sich zwanglos aus v. krsd- „mager“
und v. dnu-, einer Bezeichnung nichtarischer Leute, also aus
*kréd-anu-. Für die Beziehung der Kompositionsglieder stehen
zwei Möglichkeiten zur Verfügung: 1. „die Anu’s mager machend“
nach dem Typus trasd-dasyu- (Ai. Gr. II 1, 316 § 120ca), also mit
verbalem krsd- aus dem schon v. Verbum krs- ,abmagern‘;
2. Bahuvrihi „durch den die Anu’s mager sind“, also mit adjek-
tivischem krsd-.-. Wenn man daran denkt, daß auch trasddasyu-
Eigenname ist, wird man vielleicht die erste Lösung vorziehen.
27. Ai. ksarati — ksälayati.
Daß SB. ep. kl. ksälayati „bespült, wäscht ab“ das Kausa-
tivum von v. ksar- „fließen“ ist, erkannten schon Böhtlingk und
Roth; zum Wechsel von r und 7 vgl. Wackernagel, Festgabe
Jacobi (1926) 10ff. (zu ksälayati S.13). Es war also tiberfliissig,
daß Caland (Das JB. in Auswahl S.145) JB. 2,83 na ksarati
„läuft nicht über“ — niksälayet „leert aus“ — niksalayam cakära
„leerte aus“ wegen des ksar- das ksäl- in ksär- änderte. Vgl.
auch das Causativum causativi praksäläpayita „möge abwaschen
lassen“ AsvGS. 1, 24,10. Doch ist wenigstens an zwei vor-
klassischen Stellen das Kaus. ksärayati „läßt fließen“ belegt:
MS. 2, 3, 9 (37, 14) = Kath. 12, 11 (173, 16) viksärdyati neben evdm
wa hy ésd viksdrati (MS.) bzw. vi va hy esa kşariti (Kath.; vgl.
v. ksariti bei P. 7, 2, 34).
28. Ai. khäd- „essen“.
Die Volkstümlichkeit von khdd- „essen“ ergibt sich aus Kom-
posita wie khädata-modatä-, khadata-vamata-, khädatäcamatä- (Ai. Gr.
II 1, 328 § 124b, wo khäd- falsch mit „kauen“ übersetzt ist).
Schon im Mi. hat khäd- das alte ad- fast ganz verdrängt. Im
Pali ist ad- als Verbum auf die Gatha’s des Jataka beschränkt
(Trenckner, Pali Dictionary s. v. adeti) und die daraus gebildeten
Nomina wenigstens am Zurticktreten; vom Grasfressen der Tiere
brauchen RV. 1, 164, 40c und die Mantras (om) utsrjata gam das
Verbum ad-, der Anguttaranikaya (7,44) dagegen khäd- (Pischel,
SBBA. 1908, 458). Über das Fehlen von ad- im Prakrit vgl.
Th. Bloch, o. XXXIII (1891) 329, über dessen völlige Verdrängung
durch die Fortsetzungen von khäd- in den neuindischen Sprachen
W. Schulze, o. XLIII (1910) 379 mit Anm. 2 (= Kleine Schriften
627 mit Anm. 2).
Indoiranica. 159
29. Ai. gř- : Gd.
W. Neißer (BB. XIII [1888] 291 ff.) hat das Verdienst, die
Wurzel von gde im Ai. nachgewiesen zu haben. Doch hat er
dabei den Bogen überspannt (vgl. auch Walde-Pokorny I 691),
und es ist eine Nachprüfung nötig.
ud-gürna- mit der Bedeutung „emporgehoben“ steht für das
klassische Sanskrit fest (z. B. Kir. 15, 9, Sisup. 19, 50); Sayana zu
RV. 1, 116, 12 verwendet es als Glossem für ugra-, Hemacandra
an. 4, 128 für samudgata-; vgl. auch Nir. 1, 20 samudgirna- „hoch“
zur Etymologisierung von giri- „Berg“; udgurnäh prahäräh „Schläge,
zu denen ausgeholt wird“ Pat. zu V. 15 zu P. 3, 1, 26 (36, 16) im
Gegensatz zu nipatitah ,niedergefallene*. Das Bhattikavya stellt
daneben den Aorist ud-agurisata und das Perfekt uj-jugure in der
Bedeutung „emporwerfen“, der Dhatupatha 28, 103 (= 6, 103 Bö.)
und 33, 21 (= 10, 155 Bö.) die Präsentia gurate, gurayate, gorayate.
Dazu gehört wohl auch VS. 16, 46 (náma) udgurdmänäya (ndmo)
’bhignate : „dem Ausholenden“ würde sehr gut zu „dem mit Schlag
Treffenden“ passen.
Weil es nun aber in der alten Sprache zahlreiche gur-Formen
von gř- „lobpreisen“ gibt und in den Samhita's des schwarzen
YV.) das ud-gurdmänäya der VS. durch die entsprechende Form
des sonst deutlich zu diesem op. gehörigen, seit dem RV. be-
legten apa-gur- „bedrohen, schmähen“ ersetzt ist, stellt Böhtlingk
in beiden Wörterbüchern ein ud-gur- in der Bedeutung „drohend
die Stimme usw. erheben“) auf und stellt dazu auch udgurna-.
Das ist ganz unmöglich. Man muß sich dazu bequemen, das gf-
von udgürna- von dem von apa-gur- zu trennen und es nach
Neißers Vorschlag zu ßdAAsıw zu stellen, dessen Wurzelformen
gede- Bân- deutlich auf eine schwere Basis weisen und dessen
Präsens auf ein idg. *grIndti zurückgehen wird: vgl. att. Baddjow,
ferner Baddntis „das Werfen“ bei Athenäus, „oot Adınvnow“
bei Hesych (also wohl alter Sakralausdruck) ).
Schon Bartholomae (Altiran. Wb. 512 hat die Wurzel auch
auf iranischem Gebiet erkannt in jungaw. niyräire „sie werden
niedergeschleudert*. Das iran. ni-gar- und das ai. ud-gur- passen
1) TS. 4, 5, 9, 2; MS. 2, 9, 8 (127, 2); Kath. 17, 15 (258, 11); Kaps. 27, 5
(117, 15).
2) Auch TS. 2, 6, 2,5 apagürya heißt nicht „wegschlagen“ (Neißer a. a. O.
292, der unrichtig aus dem Vorhergehenden vdjram als Objekt ergänzt); vgl.
Keith, TS. Übers. 1207 A.5. Vgl. ferner über apa-gur- H. Oertel, ZII. VIII 287.
3) 8. jetzt Schwyzer, Griech. Gramm. I (1939) 693 mit Fußn. 9; kelt. -dad/-
ebenfalls aus In- Pedersen, Vergl. Gramm. d. kelt. Spr. II (1913) 459.
160 J. Wackernagel ¢ und A. Debrunner
sehr gut zusammen. Auch bei den ai. Wurzeln :- „gehen“, grabh- .
„ergreifen“, dhä- „setzen, legen“, yam- „ausstrecken“ korrespon-
dieren die beiden Präverbia, ebenso in den zueinander gegen-
sätzlichen v. ny-dfic- úd-añc- „nach unten, oben gewandt“ (RV.
8, 4,1; 8, 28, 3b; 8, 54 [65], 1b).
Ob die oben genannten Formen des Bhattikavya nach ud-
gurna- aus *-agarisata und *-jagre umgeformt sind, wie die pür-
Formen von př- „füllen“ nach pürnd-, oder ob sie reine, vielleicht
sogar nur von den Grammatikern geschaffene Neubildungen sind,
ist nicht auszumachen. Sicher ist ud-gurna- ererbt, wahrscheinlich
auch ud-gurate. Als Simplex und mit anderen Präverbien als ud
hat sich g7- „werfen“ wegen der Konkurrenz von g7- „lobpreisen“
und 9y „verschlingen“ nicht halten können.
Die beliebte Zusammenstellung von klass. gal- und seiner Sippe
mit BdAAsı» wird durch die obige Kombination nicht gestört und stört
sie nicht. Aber sie ist an sich unwahrscheinlich. Die Bedeutung
„fallen“ würde zu @dAdew allenfalls passen; aber der Grund-
begriff ist „träufeln“, was von BddAdew weit abliegt, aber zu dem
deutschen quellen stimmt; der Versuch, „träufeln“ und „werfen“
unter „fallen lassen“ zu vereinigen (Walde-Pokorny I 690), über-
zeugt nicht.
30. Ai. jayampati-’).
jayampati Kath. 6, 4 (52, 14) steht in einem Mantra an Stelle
von dämpati der MS. 1, 8, 4 (119, 14) und von jäyäpati der KapS.
4, 3 (40, 3). Raghu Vira in seiner Ausgabe der Kaps. möchte
daher die Unform wegkorrigieren. Das ist aber nicht nötig:
jäyampati ist eine Kontamination aus den beiden anderen Wörtern.
Diese sind zwar in der Bildung verschieden: dämpati RV. AV.
usw., auch Kath. 31, 15 [17, 10]), ist elliptischer Dual von démpati-
„Hausherr“ ), dagegen jäyä-patt (KapS., SB.) Dualdvandva „Frau
und Gatte“); aber sachlich bedeuten beide dasselbe: „Hausherr
und Hausfrau“, und auch äußerlich täuschen sie durch die Zwei-
gliedrigkeit und den dualischen Ausgang Fat eine Gleichheit des
Aufbaues vor.
31. dedvos.
Das Etymologicum Magnum (259, 30) gibt für Aedvvoog u. a.
folgende Erklärung: vior dé gooa, Sut Enneiön EBaollevoe Núons:
xatà dë thy Ivddy pwvğv deüvos ô Baoıleüs‘). Gewiß steckt hinter
J) Vgl. dazu auch H. Oertel, S. Bayr. Ak. W., phil.-hist. Abt. 1934, Heft 6,
61, Nr. 9.
9 Ai. Gr. I 1,155 § 65 3 A.; III 244 § 133bA. 3) Ebd. II 155 § 65 b.
) Ähnlich Etym. Gud. 342, 20 Stefani.
Indoiranica. 161
deövoc das indische deva-, das ja im Sanskrit wie im Pali und
Prakrit in der Bedeutung „König“ ganz geläufig ist. Wir werden
also edos für deövos einsetzen dürfen.
32. Ai. di- „fliegen“.
Das vorklassische Verbum di- (seit dem RV. belegt) „fliegen“
tritt in der ep. und klass. Sprache’) als di- auf; doch lebt di-
noch bis ins Neuindische neben di- weiter (Shina dizéi aus diyate,
Hindi dare, zig. uryel aus uddiyate, usw.; Turner, J. Gypsy
L.S. III 5 [1927] 173). Bloch, Bull. School Or. Stud. 5, 739 A.
erklärt den Zerebral als rätselhaft und nicht aus dem Drawidischen
deutbar, vermutet aber Beeinflussung durch die Wurzeln dra-
dru- ,laufen“.
Lieber aber wird man von der Zusammensetzung mit nih-
ausgehen (RV. 4, 27,1d nir adiyam „ich flog davon“), d.h. von
*niz-di-; die Verallgemeinerung des Zerebrals hat ihre Parallele
in sthiv-, das von den Zusammensetzungen mit ni- nih- rati-p
ausgegangen ist (Ai. Gr. I 236 § 205c).
33. Ai. tärä-.
Scharfsinnig hat G. Ipsen (IF. XLI 179ff.) das idg. Wort für
„Stern“ aus akkad. istar „Venus“ hergeleitet. Er spricht sich
dabei nicht über das Genus aus. Wenn er recht hat, müssen
dorne und seine Genossen ursprünglich Feminina gewesen sein.
Dieses ursprüngliche Genus lebt erstens in lat. stella fort: die
lat. Deminutiva halten das Genus des Grundwortes fest; zweitens
in ai. tärä- „Stern“, das zwar erst von den Epen an belegt ist,
dessen Alter aber durch die schon im AV. gebrauchte Erweite-
rungsform tärakä- verbürgt ist). Dieses tärä- gehört zu den ur-
sprünglichen Monosyllaba, die dank ihrem femininalen Geschlecht
zu Stämmen auf d erweitert worden sind (Ai. Gr. III 324 § 163).
Man darf daher vermuten, daß auch das vedische (s)ér-, das
zum Teil den s-Anlaut bewahrt hat (Ai. Gr. I 265 E 230ay),
Femininum war; aber die einzigen erhaltenen Formen dieses
Stammes: v. strbhih und Val. 7 (= RV. 8,55), 2b tdrah, lassen das
Genus nicht erkennen. Ebensowenig der gäthaaw. Gen. Pl. stram.
Aber das jungaw. star- ist deutlich Maskulinum, ebenso done seit
1) Vgl. Ai. Gr. 1172 §148b. Der Beleg ditara- SB. 4, 5, 5, 5 fällt weg,
da E. Leumann in R. Schmidts Nachträgen mit Recht ardditarah liest, also den
Komp. von TS. arddi-, dem Fem. von MS. ardda- „langhörnig“.
) Vgl. Ai. Gr. III 212f. § 119b. Zära- zu sír- wohl zuerst Lassen, Ind.
Bibl. 3,18. 44. Zum d der Wurzelsilbe vgl. noch neupers. Stra.
Zeitschrift für vergl. Sprachf. LXVII 3/4. 11
162 J. Wackernagel f und A. Debrunner
Homer. Dieser Genuswechsel erklärt sich wohl zunächst aus der
Häufigkeit der Nomina agentis auf -tar- vt. Allerdings ist
das lautlich anklingende Sachwort yaotjo „Magen“, ursprünglich
„Fresser“ ), Femininum; wahrscheinlich hat es als Deckwort für
vndös dessen Genus übernommen.
Es gab übrigens auch eine Göttin tära-, die besonders bei
den nördlichen Buddhisten Ansehen genoß (vgl. G. de Blonay,
La déesse Buddhique Tara, Paris 1895, bes. S. 61ff.). Die ist wohl
aus dem Appellativum tārā- heraus entwickelt und hat mit der
babylonischen Istar nichts zu tun. Die Buddhisten lieben es, den
Namen an tärayati „rettet“ anzuknüpfen.
Woher das Maskulinum des germanischen Wortes (z. B. ahd.
sterno) stammt, wird man vielleicht erkennen, wenn man die
Herkunft der n-Erweiterung aufklären kann. Die Erinnerung an
den bekannten r/n-Wechsel (J. Otrebski, Indog. Forsch. I [1939] 97)
hilft nicht weiter, da er wohl ursprünglich auf Neutra beschränkt
war und beim Wort für „Stern“ nirgends eine Spur des Neutrums
zu finden ist.
34. Dekhan.
Das Mask. *) daksinä-patha-, der seit dem Epos belegte Name
von Südindien, aus dem das heutige „Dekhan“ geworden ist,
wird von BR. als „Land im Süden“ erklärt‘). Dagegen besteht
aber das Bedenken, daß weder path- noch patha- „Land, Gegend“
bedeutet; auch das daksind-patha- der Sütras enthält -patha- in
der gewöhnlichen Bedeutung „Weg“: „der Weg für die Tiere,
die den Opferlohn (daksinä-) bilden“. Man wird also auch das
andere daksinä-patha- als „Weg nach Süden“ deuten; man braucht
dann nur die recht wahrscheinliche Annahme zu machen, daß
etwa ein daksinäpatham eti") „er geht den Weg nach Süden“ als
„er geht nach dem Südland“ umempfunden wurde. Übrigens
leiten auch Böhtlingk und Roth uttarāpatha- „Nordland“ aus „der
Weg nach Norden“ ab; aber dieses wohl als Gegensatz zu dak-
sinäpatha- gebildete und erst spätklassische Kompositum ist nicht
zum Eigennamen eines Landes geworden.
Zu erwägen wäre auch eine Rückführung von daksinäpatha-
auf daksina + AV. SB. d-path-a- „Weglosigkeit“, also „das un-
1) S. jetzt Schwyzer, Griech. Gramm. I 530 mit Fußn. 3.
) Prellwitz, o. XLVII 297f.; dazu jetzt Schwyzer a. a. O. Fußn. 2.
) Z. B. Nala 9, 23 daksinäpathah.
4) Auch Renou-Nitti-Stchoupak: „region du Sud“.
5) Vgl. RV. pdnthäm eti „er geht einen Weg“ u. dgl.: Delbrück, Ai.
Syntax 169.
Indoiranica. 163
wegsame Land im Süden“, wobei man etwa verweisen könnte
auf SB. 7, 2,1,19 dpatham ivai ti, ad etdm disam éti „in weg-
loses Land geht er, wenn er nach dieser Richtung geht“. Doch
scheitert diese Lösung daran, daß dpatham AV. 10, 1, 16a deutlich
Neutrum ist (was man auch nach der Wortbildung erwartet),
während daksinäpathah Mask. ist (s. 0.).
35. Ai. dad- „halten“.
BR. III Sp. 568 nehmen für einige vorklassische Stellen einen
Prisensstamm dad med. „bei sich führen, bewahren, tragen,
halten“ zur Wurzel dā- an. Es ist aber schon längst erkannt,
daß hier eine besondere Wurzel dad- „halten“ vorliegt: Laska
Nir. 2, 2 (40, 19) leitet (unrichtigerweise) danda- „Stock“ von einem
dadati im Sinn von dhärayati ab und belegt dies mit dem Vers
akrüro dadate manim „A. trägt den Edelstein“. Benfey im Glossar
zum SV. (S. 88) betrachtet zwar dad- als eine verstümmelte Form
von dadä-, nimmt aber doch wenigstens eine neue Wurzelform
„dad I* an.
Für Unabhängigkeit der Wurzel dad- von dä- spricht schon
das thematische, wurzelbetonte Präsens: am deutlichsten in v.
dddamana-, VS. 8, 61 = TS. 1, 5, 10, 4 = Kath. 34, 19 (49, 16) dá-
dante; akzentlos v. dadate, adadanta, dadatam, AV. dadate, ada-
danta, SV. 2, 339 = 2, 3, 2, 9, 2b adadetäm fiir RV. 8, 65 (76),
11b und AV. akrpetam, VS. 27,16 = TS. 4, 1, 8, 2 = MS. 2, 12, 6
(150, 8) = Kath. 18, 17 (277, 17) = KapS. 29, 5 (133, 6) dadante für
RV. 1, 90, 2c raksante und AV. 5, 27, 7b raksanti; bestätigt wird
die Trennung durch die Ableitung daditr- „Bewahrer“ (daditärah
VS. 7,14 = TS. 3, 2, 3, 1 = Kath. 4, 4 (31, 12) = KapS. 3, 3 (28, 6)
— SB. 4, 2, 1, 22; dafür abhigrahitärah MS. 1, 3, 12 (34, 8).
Aber auch die Bedeutung paßt gar nicht zu da- „geben“.
Darum erkennt Mahidhara zu VS. 8, 61 zwei dada- an (dada
däna-dhäranayoh „dada im Sinn von ‘geben’ und festhalten“)
und glossiert er ebenda dadante durch dhärayanti (vgl. oben
Yaska), während er allerdings zu VS.7,14 daditdrah als datarah
erklärt. Daß die Bedeutung „festhalten, wahren“ durchaus be-
wußt war, ergibt auch der Wechsel von dadante mit raksante
„sie halten (die Gelübde)“ und von daditärah mit abhigrahitärah
„Ergreifer (von Gütern)“ in den obigen Mantra’s. Nach den
Samhita’s gibt es kaum noch Belege für dad- „halten“; in Be-
tracht kommen dadase Mbh. 2, 4,12, ep. dadasva, Kenop. 3, 9
dadiyam, Vas. 28,6 adadat.
11*
164 J. Wackernagel f und A. Debrunner
Unsicher ist die Zugehörigkeit zweier vorklassischer Formen:
RV. 6, 49, 136 sdrmann upadadydmäane „in dem dargebotenen
Schutz“ und AV. (3 mal) upadddya ,darauflegend*. Wegen der
Bedeutung möchte man eher an da- „geben“ denken; es wäre
dann der Präsensstamm ausnahmsweise der Passiv- und Gerundium-
bildung zugrunde gelegt (so Lindenau, Ztschr. f. Indol. III 269).
Das wäre für das Gerundium nicht ausgeschlossen, aber aller
Wahrscheinlichkeit nach für das Passiv. So muß man die Stellen
doch wohl irgendwie mit dad- „halten“ verknüpfen.
Eine Etymologie für die Wurzel dad- scheint sich nicht zu
bieten. Aber das ist kein Grund, sie an den aufgeführten
sicheren Stellen abzulehnen.
36. Ai. ndpumsaka-.
Das Wort ndpumsaka- bezeichnet etwas, das nicht Mann und
nicht Weib ist, d. h. lebende Wesen als solche, die weder nur
das eine noch nur das andere, sondern beides sind, also „Herma-
phroditen“, oder solche, die weder das eine noch das andere sind,
also „Kastraten* (so seit MS. 2, 5, 5 [53, 18; 54,9]), oder dann
Wörter als solche, die im grammatischen Sinn weder „Maskulina“
noch „Feminina“, sondern „Neutra“ sind. Diese doppelte Aus-
schließung von Mann und Weib ergibt sich aus mehreren Stellen
mit voller Klarheit: SB. 5, 5, 4, 35 nd vd esd stri, nd pümän, ydd
napumsako gauh. ydd dha puimams, téna nd stri, ydd u strt, téno
nd pumams, tdsman ndpumsako gau „er ist kein Weibchen, kein
Männchen, der kastrierte Ochse. Weil er ein Männchen ist, darum
ist er kein Weibchen; weil er aber doch ein Weibchen ist, darum
ist er kein Männchen; deshalb ist er ein kastrierter Ochse“); auch
SB. 10, 5,1, 3 stehen stri púman ndpumsakam nebeneinander (in
gramm. Sinn), ebenso 2 mit -näman-; in der SvetU. 5,10 wird
von der Seele gesagt:
nai vd stri, na pumän esa,
na cai vd yam napumsakah.
Demnach steht nd-pums-aka- für *nd-stri-pums-aka- mit der
bekannten Unterdrückung des Mittelgliedes in Komposita wie in
Ökbaum)berg oder Salz(ach)burg*). Wenn auch das vorausgesetzte
1) Vgl. Lucr. V 839, wo aus der unsicheren Überlieferung immerhin hervor-
geht, daß der Androgyne als mecutrum(que) und utrimque remotum be-
zeichnet ist.
) Vgl. Karl Müller, Wiss. Beihefte zur Ztschr. des D. Sprachvereins Nr. 45,
S. 34ff.; G. Binz, Jährl. Rundschau des Deutschschw. Sprachvereins 1922, 26f.;
weitere Lit. bei K. Bohnenberger, GRM. XVII (1929), 329 A. 3 und W. Havers,
Handb. d. erklär. Syntax (1931) 258.
1
Indoiranica. 165
Wort nicht belegt ist, so doch das entsprechende Kompositum
ohne -aka-: TB. 3, 12, 6, 1 (Mantra’s)
_sdrvah striyah, sdrvan pumsdh,
sdrvam nd-stri-pumafi") ca véi,
Zur Reihenfolge stri-pums- ist an SB. S. stri-pumdmsau, MS. 1,
10, 11 (151,10) = Kath. 36, 6 (73, 5. 16) strī-pumsaú „Mann und
Frau“ (nach der Regel Ai. Gramm. II 1, 166 § 7148), ep. Sing.
stri-pumäms- „Mann und Weib zugleich“ und an die Reihenfolge
stri- pumäms- in den obigen Beispielen zu erinnern.
Angesichts dieses Tatbestandes muß der Gedanke verstummen,
napumsaka- als grammatischer Ausdruck könnte ursprünglich be-
deutet haben: „nicht einen Menschen bezeichnend“, also „sächlich“;
das wäre auch schon deswegen unwahrscheinlich, weil púmāms-
in der Bedeutung „Mensch“ erst im Epos belegt ist.
37. Ai. nägd-.
Das seit dem SB. belegte Wort nägd- bietet zwei Probleme:
1. Die Abgrenzung gegen sarpd- und dhi-: Das Erbwort
dhi- wird seit dem RV. von Schlangen und Schlangendämonen
gebraucht, ebenso sarpd-, aber erst von RV.X und vom AV.
an; dagegen wird nägd- nur für Schlangendämonen verwendet
(Vogel, Indian Serpent Lore, London 1926, 281), und der Amara-
kosa nennt das Wort unter den Synonymen für „Schlange“ nicht
(doch neuind. näg „Cobra“). Wahrscheinlich ist nägd- trotz dem
späteren Vorkommen ein Erbwort*) und darum auf Mythus und
Kultus beschränkt. sarpd- „Kriecher“ zu v. sarp- ist etymologisch
durchsichtig und vielleicht erst auf indischem Boden gebildet.
Auch lat. serpens konnte jederzeit auf die Schlange angewendet
werden (Plinius und andere brauchen es auch für kleine kriechende
Insekten), und das griech. gozetdy „Kriechtier“ ist überhaupt nie
auf die Schlange eingeschränkt worden.
2. Schon seit SB. XIV bezeichnet nāgá- auch den Elefanten.
Vogel a. a. O. verweist auf das anguimanus elephantos und boves
Lucas ... anguimanus bei Lukrez II 537, V 1303. Das dem angui-
manus entsprechende *näga-hasta- kommt zwar im Ai. nicht vor;
aber nägd- könnte eine Kurzform dafür („Russel“ statt „Rüssel-
hand“) oder für eine ähnliche Bildung sein. Das ist auf alle Fälle
wahrscheinlicher als die Erklärung von Vogel a. a. O. 210f., die Ele-
fanten seien als Stützen der Welt an die Stelle der Schlangen getreten.
1) Die Ausgabe der Bibliotheca Indica schreibt nd siripuman (und ihr
nach die Vedic Concordance), was natürlich unmöglich ist.
*) Etymologie freilich unsicher: Walde-Pokorny II 339. 698.
166 J. Wackernagel } und A. Debrunner
38. Al. prästi-.
Die übliche etymologische Zusammenstellung von v. AV.B.
prästi- „Seitenpferd“ mit v. AV. VS. B. prsti- „Rippe“ (so z.B.
BR.) macht allerlei Schwierigkeiten: 1. prsfi- und seine sicheren
Verwandten AV. usw. pdrsu- = jungaw. parasu- porosu- und v.
usw. pärsvd- bedeuten nicht „Seite“, sondern „Rippe“; 2. wie
soll man sich die Wortbildung prästi- denken? 3. mit den Ab-
lautsverhältnissen pars- prs- pras- ist schwer zurechtzukommen
(trotz den Fällen wie dars- drs- draksydmi; vgl. Ai. Gr. 171
§ 63a0).
Dagegen paßt prästi- gut zu slav. plesati, lit. plensti „tanzen“
(s. Specht, o. LVII 1/2 [1929] 159; Pisani, Mélanges Boisacq II
[1938] 191 stellt das balt.-slav. Wort zu nAlooouaı < *plivkh-,
aber idg. -in- stimmt nicht zu lit. -en): das nicht eingespannte,
daher in seinen Bewegungen freiere Seitenpferd ist der „Tänzer“,
also prästi- aus idg. *plykti-. Die Bedeutung als Nomen agentis,
die Wurzelstufe und der Akzent stimmen genau zu v. dhúti-
„Erschütterer* und zu VS., SB. 1, 2, 1, 3, SSS. 8, 24, 3 dhrsti-
„kühn“. |
39. Ai. müla-vrt.
P. 8, 2, 36 lehrt, daß für den Endkonsonanten der Wurzel
vrasc- vor Suffixen, die mit Konsonant (außer Halbvokal und
Nasal) anlauten, und am Wortende ein s substituiert wird (für
das natürlich im Auslaut nach 8, 4, 56 ¢ eintritt; der dem c voran-
gehende Zischlaut fällt nach 8, 2, 29 weg). Die Kasıka gibt dafür
als Beispiele vrasfr-, vrastum, vrastavya- und mila-vrt'). Die
Schreibung -vrt ist richtiger als das bei BR. (unter 2. vrasc) im
Anschluß an die Kalkuttaer Scholien zu P. dargebotene -vraf,
wie ja auch in der Kasika an derselben Stelle richtig dhana-bhrt
„Getreidekörner röstend“ (zu kl. bhrjj- „rösten“), rajju-srt „den
Strick von sich gebend, Seiler“ (vgl. VS. rajju-sarjd- „id.“; zu
v. srj- „entlassen*), kamsa-pari-mrt „Becherputzer“ (zu v. mrj-
mdrjmi ,abwischen“) geschrieben ist. In einer Kvipbildung ist
Tiefstufe der Wurzel zu erwarten.
Die von der Kasika beispielhaft belegte sekundäre”) Be-
handlung des Wurzelauslauts von vrasc-, wie sie P. a. a. O. lehrt,
wird von Scheftelowitz, Zeitschr. f. Indol. VI 111 bloß mit dem
Zeugnis der Scholien zu P. belegt und auf den Einfluß von bhrjj-
1) Bei Pat. fehlt die Regel, in der SiddhK. das Beispiel muülarrt.
%) Über vrask- vrasc- s. Ai. Gr. 1149 § 128a und Scheftelowitz, Zschr.
f, Indol. VI (1928) 110f.
Indoiranica. 167
zurückgeführt. Beides ist unrichtig. Die Behandlung von vrasc-
als Wurzel auf s tritt schon in der Samhitäprosa auf: vrastavya-
Kath. 26,4 (126,1ff.) achtmal neben fünfzehnmaligem Präsens
vrsc- in diesem und dem vorhergehenden Kapitel (ähnlich KapS.
41, 1. 2); sie liegt wohl auch dem Ersatz von v. orktvt (RV. 10,
87, 2d) durch vrstvd im AV. (8, 3, 2d)*) zugrunde. Welche Formen
von bi- aber hierfür hätten vorbildlich sein sollen, ist uner-
findlich.
Auffällig ist jedoch, daß die indischen Kommentatoren des
Panini das unbelegte müla-vrat, richtiger mila-ort gerade zu vrasc-
ziehen. Dieses Verbum bedeutet „abhauen, fällen“; man versteht
also nicht recht, wie müla „Wurzel“ als sein Objekt gedacht sein
konnte. Freilich kommt māla- als Objekt von vrasc- unbestreitbar
vor, aber immer nur bildlich von Personen, von Übeltätern, deren
Wurzel oder die mitsamt der Wurzel „abgehauen“ oder „zer-
hauen“ werden sollen: So zuerst im jungen 10. Mandala des RV.
(87, 10d tredhd mülam yatudhdnasya vrsca „dreifach zerhaue die
Wurzel des Zauberers“), dann im AV. (13,1, 56e tdsya vrścāmi
te mülam „dem haue ich dir die Wurzel ab“) und im TB. (3, 7,
6, 16 Mantra prajäm ca tdsya mülam ca nicair devä ni vrscata
„haut seine Nachkommenschaft und seine Wurzel (ö) nieder (),
ihr Götter!“). Einmal spricht der AV. von einem Haar, sdémiilo
yds ca vrsc(y)äte „das mitsamt der Wurzel abgehauen wird“. Da-
gegen vom Ausreißen von Pflanzen wurzeln wird ein ähnlich
klingendes Verbum gebraucht, nämlich vrh- (brh-)*); TB. 1, 5, 2, 8
mülam esam avrksäme ti tán mulavdrhani „ihre Wurzel haben wir
ausgerissen; deshalb (heißt das Naksatra) “Wurzelausreißerin’*
(das auch TB. 1, 5, 1, 4 genannt ist), SB. 14, 6, 9, 34 (= BAU. 3,
9, 34) at sämulam udorheyur orksém „wenn man den Baum samt
der Wurzel ausreißt“, ApDhS. 1, 32, 24 mūlam vrhati, Nir. 5, 4
vrhati mulani als Etymologie für varäha- „Eber“. Doch wird der
Begriff milam vrh- auch auf lebende Wesen angewendet:
RV. 3, 30, 17a. b úd vrha rdksah sahdmilam indra
vrsch mddhyam präty dgram Srnihi
„reiß den schädigenden Dämon samt der Wurzel aus, o Indra!
1) Whitney übersetzt die AV.-Stelle mit ,cutting off(?)“ und will in der
Anm. v. vrktoi eher zur Wurzel oyj- „wenden, ablenken“ ziehen, was durch
die AV.-Variante widerlegt wird. BR., Graßmann und Oldenberg (zur Stelle)
leiten es richtig von vrasc- ab.
) Daß v- hier älter ist als d- (vgl. Ai. Gr. 1183 § 161), vermuteten schon
BR. (unter 1. dark), wenn auch mit falscher etymologischer Verknüpfung mit
lat. vellere.
168 J. Wackernagel f und A. Debrunner
Hau ihn in der Mitte durch, brich ihn vorn ab!“ Auch AV. 6,
110, 2b = 112,1b milabdrhanat pári pähy enam „beschütze ihn
vor dem Entwurzler“ scheint enam auf eine Person (das Kind) zu
gehen. Unklar 12, 5, 33 mulabdrhani und die gleichnamige Be-
zeichnung des Naksatra Mila (s. o.) ).
Demnach wird man auch das müla-vort der Grammatiker, das
sie schwerlich erfunden haben, zu dieser Wurzel vrh- ziehen,
also als „Wurzeln ausreißend“ = mila-vdrhana- erklären. Das A
dieser Wurzel entstammt einem grundsprachlichen Palatal: sie
zeigt im Ai. nirgends gh, und das Part. Pf. Ps. ist seit den Sam-
hita’s als vrdhd- belegt (vgl. Ai. Gr. I 274f.). Da jedoch, wie
oben gezeigt, mila auch mit vrasc- verbunden wird, wenn auch
nur in bildlicher Weise, so haben die Grammatiker, d. h. wohl
schon Panini, der mit seiner Regel wahrscheinlich auch dieses
Beispiel meinte, doch nicht weit daneben gegriffen, wenn sie in
mula-vrt die Wurzel vragc- suchten. Die Frage, ob denn die
Grammatiker nicht in den übrigen Kasus einen Anhalt für die
Etymologie hatten (der Akk. z. B. mußte ja -vorscam oder -vrham
lauten!), können wir nicht entscheiden; daß sie nur einen (er-
starrten?) Nom. Sg. -vrt kannten (etwa aus einem älteren Text?),
scheint nicht außer dem Bereich der Möglichkeit zu liegen.
40. Ai. vardhana-.
Ai. vardhana- „Stadt“ belegen die beiden Petersburger Wörter-
bücher) mit käsi-vardhana- aus Mahavastu 1, 184, 19, pundra-
vardhana- teils ebenfalls aus buddhistischen Texten, teils aus dem
Paficat. und Matsyapur., paundra-vardhana- aus verschiedenen kl.
Texten, und punya-vardhana- aus dem Vetalap. (p. 14,35 Uhle;
= pundra-v.?). Böhtlingk (pw.) macht auf den frappanten Anklang
an altpers. vardana- aufmerksam, und der kann nicht zufällig
sein. Nun ist aber Urverwandtschaft ausgeschlossen, schon weil
ap. vardana- ein uriran. vrza*na*- fortsetzt. Also ist vardhana-
Lehnwort aus dem Persischen. Warum aber dh und nicht d?
Man wird zunächst an volksetymologischen Anschluß an das alte
vardhana- ,mehrend“ denken. Aber man beachte auch, daß die
Schreibung d im Ap. ungenau und dafür vielmehr der Spirant 6
anzusetzen ist; s. jetzt Debrunner, IF. LVI (1938) 176. Für das
Ai. ist dh die genaueste Wiedergabe von ô. Spiranten werden
in solchen Sprachen, die keine Spiranten besitzen, gern mit
1) Dagegen gehört sicher ep. kl. barha- ,Schwanz(feder) des Pfaus“ nicht
zu vrh- „ausraufen“ (BR.!), sondern zu örk- „hoch“.
2) PW. IV 757. 761. 887, pw. VI 36b.
Indoiranica. 169
Aspiraten wiedergegeben. So schrieben die Griechen (ph) für
iranisches F (Zz. B. Doadorns = ap. Fravartis) und fiir lateinisches f
schon zu einer Zeit, wo ꝙ noch nicht spirantisch gesprochen
wurde, entsprechend y (kh) fiir den iran. stimmlosen gutturalen
Spiranten (z. B. “Ayauuévns = ap. Hayämanıs).
Ob das zuerst im Epos belegte vrdh- „abschneiden“ nebst
vardhaka- vardhaki(n)- und Lex. vardhana- „das Abschneiden“
etwas mit vardhana- „Stadt“ zu tun hat, mag dahingestellt bleiben.
41. Ai. väsyasti-.
In einem Mantra kommt ein Wort vdsyasti- vor. Das große
Petersburger Wörterbuch kennt es noch nicht, das kleine gibt
ihm die Bedeutung „zur Wohlfahrt gelangend“ und setzt es gleich
mit v. vdsya-isti- „das Suchen nach Wohlfahrt“. Beides bedarf
der Nachprüfung.
Die älteste Form des Mantra ist wohl vasukd ’si vesasrir (oder
ir) asi vdsyastir asi TS. 3, 5, 2, 5; 4, 4, 1, 3; 5, 3, 6, 3; Kath. 17,7
(250, 15); 37,17 (98, 10) ); KapS. 26, 6 (109, 2); GB. PB. LSS.
VaitS. Der Sinn dieser Formel ist undeutlich (Keith übersetzt in
der TS.: „Thou art the wealthy, thou art the brilliant, thou art
the gainer of good“) ); aber da vasukdh und vesasrih sicher mas-
kuline Adjektive sind, wird man gern auch vdsyastih so auffassen.
Freilich zeigen die Varianten der Formel deutlich femininische
Auffassung von vdsyasti-: MS. 2, 8, 8 (113, 3) vdsyastya vdsyastyai
vdsyagfim jinva wie auch vorher vésasriya vésasriyai vésasrim jinva
(vgl. auch ebenda das wohl als Neutrum gemeinte vasukena vasukdya
vasukdm jinva), ferner LSS. 5, 11, 8 vasyastaye tva = VaitS. 26, 14
vasyastyai tvä wie ebenda vesasriye tua = vesasriyai tvä. Wir werden
also wohl für die eine Form des Mantra Maskulina, für die andere
Feminina annehmen müssen.
Wie aber ist dieses vdsyasti- zu erklären? Mit der Annahme
einer Entstellung aus v. vdsya-isti- ist sicher nicht auszukommen.
Aber das Wort erinnert an AV.KB. ästi- „das Erreichen“, TS.
usw. vy-dsti- „Erfolg“, sdm-asti- „das Erreichen“, v. AV. VS.
jardd-asti- „das Alter erreichend, Alterserreichung“ (Ai. Gr. II 1,
150 § 81 b), und im Vorderglied steckt sicher v. vdsyas- „Wohl-
fahrt“ wie in v. vdsya-isti- und AV. vasyo-bhüya- „Mehrung der
1) Die Ausgabe von L. v. Schroeder gibt zwar an der zweiten Käthaka-
stelle vasvastir ohne Variante; das scheint ein Druckfehler zu sein, denn Simon
im Index zu dieser Ausgabe führt die Stelle unter vasyasti- an und kennt kein
vasvastt. `
2) Caland faßt in seiner Übersetzung von PB. 1, 10, 11 alle drei Wörter
als Eigennamen auf.
170 J. Wackernagel + und A. Debrunner
Wohlfahrt“. Zu erwarten wäre also *vdsya-asti-; da dies nach
P.8, 3,17 und anderen Zeugnissen (s. Ai. Gr. 1338 unten) als
*ydsya-y-asti- gesprochen wurde, so ist daraus durch Haplologie
vdsyasti- entstanden (vgl. ebenda 278ff.) ). Sollte vasv-asti- (s.
S. 169 Anm. 1) doch nicht bloßes Versehen sein, so wäre es eine
gute Bildung mit v. vdsu- „Gut“ als Vorderglied.
vasyasti- heißt also „Wohlfahrt erlangend“ (Mask.) oder „Er-
langung von Wohlfahrt“ (Fem.): die Bildung auf -ti- kann schon
im RV. in solchen Komposita die beiden Bedeutungen haben
(Ai. Gr. III, 190 § 81b).
42. Ai. vipula-.
Eine Art von umfangreichen Sttra’s, die sonst vaitulya-
heißen, heißen bei den Buddhisten vaipulya- = kl. vaipulya- „Dicke,
Breite“); vgl. pali vepulla- „Ausdehnung, Entwicklung“. Derselbe
Wechsel von p und ¢ findet sich auch bei dem der Vrddhi-
bildung zugrunde liegenden Wort. Zwar als Adj. ist nur ep. kl.
vipula- (auch päli) „groß“ belegt, aber ein Fürst im Mbh. heißt
sowohl vitula- (1, 5536 Calc.) als auch vipula- (s. die Varianten
in der Ausgabe von Sukthankar I S. 929 Zl. 44).
Es liegt also wohl ein mundartlicher Lautwandel vor. Ist
das ¢ oder das p ursprünglich? Für Ursprünglichkeit des ¢ sprechen
zwei Gründe: 1. Charpentier, JRAS. 1927, 119f. hat wohl mit
Recht das seit dem AV. geläufige pispa- „Blute“ und das vispitd-
„Gefahr“ von RV. 7, 60, 7d; 8, 72 (83), 3a aus v. pustd- „auf-
geblüht“ bzw. v. (ä)vistitd- „umhüllt“ (vispitd- also eigentlich „ ver-
wickelte Lage“) abgeleitet; 2. eine Grundform vitula- läßt sich
als Bahuvrihi aus vi- und VS. tuld- „Waage“, also etwa als „ohne
Gleichgewicht, unausgeglichen, übertrieben“ deuten.
Die Bedingungen des Lautwandels festzustellen, dazu reichen
die spärlichen drei Wörter nicht aus. Einerseits spielt wohl eine
gewisse Anziehung zwischen wu und p mit, die aus Fällen wie
purnd- „voll“ und purú- „viel“ von py-, aber girnd- „gepriesen“
und gér- „Loblied“ von op. bekannt ist (Ai. Gr. I 28f. § 24. 25a)
und die offenbar auch das p von TB. úpa-mlupta- „verborgen“
für das & von v. dpa-mlukta- „id.“ und MS. 1, 8, 4 (119, 10); 4, 1,
9 (12,9) ni-mrukta- „untergegangen“ (von der Sonne) verursacht
hat). Andrerseits liegt auch Annahme von Assimilation von ¢
1) Diese Erklärung ist schon Ai. Gr. II 1, 128f. § 55d ganz kurz gegeben.
Sie wird jetzt hier genauer begründet.
) Der Sinn von vaitula- im Gana cihana ist unbekannt.
3) Vgl. auch Geiger, Pali 47 § 18: pa. ni-mujj- für ni-majj- „untertauchen“,
muti- für mati- „Gedanke“ u. a.
Indoiranica. 171
an labiales p (pusta- > puspa-) und v (vitula- > vipula-, vistita- >
vispita-) nahe.
43. Ai. vibäll-.
Der Flußname vibali- (nur RV. 4, 30, 12a sindhum vibälyam)
hat bisher keine Erklärung gefunden. Die von Sayana gegebene
Verbindung mit bala- „Knabe, Kind“, das erst seit den Upani-
shaden belegt ist, wird von BR. mit Recht abgelehnt.
Man kann es als Fem. eines Adj. *vi-pära- „dessen Ufer
weit auseinander stehen“ auffassen.
pärd- „das andere Ende, die jenseitige Grenze“ wird v. mehr-
mals vom jenseitigen Ufer eines Flusses (8, 85 (96), 11b nadinam,
10, 155, 3b sindhoh, 4, 30, 18b sardyoh pärdtah „am andern Ufer
der Sarayu“) und des Ozeans (1, 167, 2d samudrdsya, 1, 116, 4c
ärdräsya „des nassen Elements“) gebraucht. düra-pära- „dessen
andres Ufer weit entfernt ist, breit“ ist im Epos Beiwort von
Flüssen, z.B. R.2,71,2 hrädunim dürapäräm, und im Awesta ist
dürad-pärä- ein Beiwort des Flusses Rawha. Die Bedeutung „weit
auseinander“ hat vi- in Bahuvrihi’s schon im RV. (Ai. Gr. II
1, 285 8 110b 1). Man braucht für pära- in *vi-pära- nicht ein-
mal die allgemeine Bedeutung „Ufer“ anzunehmen, sondern kann
mit einer Grundvorstellung „dessen (von jeder Seite aus gesehen)
jenseitige Ufer weit auseinanderstehen“ rechnen.
Doch scheint para- doch auch in die Bedeutung „Ufer, Rand
(von Flüssigkeitsbehältern)* übergegangen zu sein. Wenn wir
das annehmen, so ergibt sich nämlich eine befriedigende Deutung
zweier anderer, ebenfalls auf den RV. beschränkter Komposita:
jihmd-bära- und nicina-bära-. RV. 1, 116, 9 ist die Rede von einem
Brunnen (avatd-), den die Nasatya’s umstürzen, so daß der Boden
oben (uccd-budhna-) und der Rand (so Geldner in der Übersetzung)
schief, geneigt (jihmd-bära-) ist und die labenden Wasser wie
beim Tränken des Viehes ausfließen können; auch 8, 40, 5c ist
mit jihmd-bara- als Attribut von arnavd- „Meer“ etwas Ähnliches
gemeint. An beiden Stellen ist es nicht nötig, -bära- mit „Öff-
nung“ zu übersetzen, wie es BR. tun, offenbar um eine etymo-
logische Anknüpfung an die Wurzel vr- „öffnen“ zu gewinnen.
Ähnlich steht es mit nicina-bära-: RV. 5, 85, 3a gießt Va-
runa das Faß (kdvandha-) mit dem Rand nach unten (nicina-
bära-) über Himmel und Erde und den Luftraum aus, 8, 61 (72), 10
die Hotar’s den (Soma-)Brunnen (avatd-) mit dem Rad (?) nach
oben (uccd-cakra-) und dem Rand nach unten (nicina-bära-).
Weniger klar ist, was 10, 106, 10b mit gdvi nicinabäre gemeint
172 J. Wackernagel + und A. Debrunner
ist. Aber auch an diesen Stellen braucht nicht an eine AusguB-
öffnung (BR.) gedacht zu werden).
Die Verbindung von vibält- und -bära- mit pärd- setzt natürlich
Wandel von p zu b voraus. Nun ist bekanntlich der Übergang von
p in v im Mi. überaus geläufig (Pischel, Prakr. 143 f. § 199; Geiger,
Pali 56 § 38,5) und ein Schwanken zwischen v und b auch in
der Überlieferung der vorklassischen Literatur nicht ungewöhnlich
(Ai. Gr. 1183f. 8 161; Scheftelowitz, WZKM. XXI [1907] 133f.). In
der Annahme von Präkritismen im RV. darf man heute nicht
mehr so ängstlich sein wie K. F. Johansson vor vierzig Jahren
(o. XXXVI 388 A. 4). v für p ist Ai. Gr. 1223 § 196 A. nur durch
knappen Hinweis auf Bopp, Gr. crit. 156; Benfey, GGA. 1846,
832 und Delbrück, o. XXI 87 erwähnt und o. LXI (1934) 201 ff.
durch Beispiele belegt worden. Hinzuzuftigen sind: ep. kl. viklava-
„verstört, traurig“ zu v. krap- „jammern“ (BR. unrichtig zu
ep. kl. vihvala- „erschöpft“), Un. Ujjv. seva- = v. sépa- „penis“,
Lex. aküvära- akivara- kūvāra- = VS. 24,35 und Parallelen ákķkū-
pāra- (dafür KathAsv. 7,3 [176,1] kuvara-, lies küvära-) „Meer“
(das ebenfalls das Wort pärd- ,jenseitiges Ufer“ enthält). Über
v für p in südindischen Sütratexten u. dgl. s. Ai. Gr. I p. XX XIII
und Winternitz, Mantrapatha p. XXI.
44. Ai. vivisvdms-.
Das Ptz. Pf. Akt. von vis- wird aus der vorklassischen Literatur
nur durch einen Vers belegt, bei dem die verschiedenen Sam-
hita’s gerade in dieser Verbalform stark auseinandergehen und
keine die zu erwartende Form aufweist. Die Varianten sind:
AV. 4, 23,1c visovisah pravisivdmsam imahe
„den, der in einen Stamm nach dem andern eintritt, flehen
wir an“;
TS. 4, 7, 15, 1 = MS. 3, 16, 5 (190, 7)
visvasyam vist pravivisivdmsam imahe;
Kath. 22,15 (71,5) wie TS., aber pravivisanam.
Die reduplikationslose Perfektform wire nicht unerhört (Whit-
ney* § 790. 803a). Dagegen erregt das if Anstoß. Denn vis-
ist eine anif- Wurzel, und -i-vams- ist in der alten Sprache fast
nur bei sef-Wurzeln zu finden, und sonst nur hinter mehrfacher
Konsonanz, z. B. AV. YV. jaksiväms- (zu v. jaghäsa jaks-iydt); v.
vivésitha ist kein Gegenbeweis, da es ja sogar v. dsitha von as-
1) Johansson, o. XXXVI (1899) 385. 388 A. 4 erklärt dieses -ddra- als
Ablautform von bila- „Loch“ und nimmt seinen früheren Gedanken (-dara- mi.
aus -dvära-) ausdrücklich zurück: beide Ableitungen überzeugen nicht.
Indoiranica. 173
„sein“, cakartitha von krt- „schneiden“, dudohitha von duh-
„melken“ gibt.
Alle Anstöße verschwinden mit einem Schlag, wenn man die
verschiedenen Lesungen zu der normalen Form pravivisvdmsam
vereinigt. Auch das Metrum kommt dann in Ordnung:
visovisah pravivisvdmsam imahe
V—-U-|UU—-i-U—-Uu-..
So ist der Vers erheblich besser als mit dem pravisivämsam =
ei- der AV.-Überlieferung (vgl. Oldenberg, Prolegomena
58f.); die YV.-Texte haben den Vers dadurch ganz entstellt, daß
sie das altertümlichere Kasus-Amredita durch die gewöhnlichere
syntaktische Fügung visvasyam visi ersetzt haben.
45. Ai. visti- „Fronarbeit“.
BR. trennen das ep. kl. visti- „Fronarbeit“ von dem v. visti-,
das nur in den adverbiellen Instrumentalen vist? „abwechselnd“')
RV. 1, 20, 4c, vistibhih „id.“ ) 1, 92, 3a, trivisti?) „dreimal“ 4, 6, 4d;
4, 15, 2 a, trivisti-dhätu‘) 1,102, 8a = v. tri-dhätu „die dreifach ge-
teilte Welt“ belegt ist, und sie stellen das spätere visti- zur
Wurzel viş- „tätig sein“. Man fragt sich aber: Wenn visfi-
eigentlich „Tätigkeit“ heißt, warum bezeichnet es dann nie „Arbeit“
schlechthin, sondern nur ,Fronarbeit“? Man kann zweifellos beide
Wörter als eines betrachten und beide visti- zur bekannten Wurzel
wik- „Wechsel“ von lat. vicis, vices usw., ahd. wéhsal „Wechsel“
stellen’), wobei sich der palatale Charakter des & für die Grund-
sprache aus dem gs ergibt, und man kann darauf hinweisen, daß
sich bei der Fronarbeit die Leute ablösen. Die Grundbedeutung
von visfi- wäre also „Wechsel“. Das Wurzelnomen lat. vic- ist
gewiß älter; aber daß sich im Ai. *vis- „Wechsel“ neben vig-
„Wohnung, Stamm, Volk“ nicht halten konnte, ist kein Wunder.
46. Ai. vyemäna-.
Den Beispielen für postkonsonantisches -y- aus -iy- (Ai. Gr.
I 59f.; o. XLVI [1914] 269f.) schließt sich vyemdna- an. Es ist belegt
Kath. 13, 6 (187, 7f.) yam vyemänam yaksmo grhniyat, ... yam
vyernänam yaksmo grhnäti „welchen ... die yaksma-Krankheit er-
faßt“. Eine Karika zu P. 6, 4, 120 (219, 1. 3) führt vyemanam auf
1) Geldner, Übers.: „durch Dienstleistung“.
2) Derselbe: „an der Arbeit“.
3) Nur trivisty vor Vokal; Pp. -e, besser wohl -#; vgl. Ai. Gr. III 146 oben.
1) Geldner, Übers.: „das dreifache Gegengewicht“.
5) Walde-Pokorny 1 235, wo das ai. Wort fehlt; auch Uhlenbeck (Etym.
Wb.) trennt visti- von vices und wöhsal.
174 J. Wackernagel f und A. Debrunner
die Wurzel am- zurück (Ptz. Pf. Atm.); danach auch die Neueren
wie Böhtlingk (im kleinen Pet. Wb. unter am und unter 2.
2. vyoman), der als Bedeutung „etwa unrettbar“ vermutet. In-
dessen ist es doch eher als vi-yemändm zu verstehen, woraus sich
etwa die Bedeutung „sich spreizend“ ergäbe; vgl. o. a. a. O. über
v(i)-yamd- „Klafter“ und die Stellen RV. 4, 54, 5e ydtha-yatha
patdyanto viyemiré „so sehr sie auch im Fliegen (die Flügel) aus-
gebreitet haben“ (so Geldner, Ubers. auf Grund von Pischel,
Ved. Stud. I 174) und MS. 4, 5, 6 (72, 13) paksino viydtya paksdn
„die Vögel, die Flügel ausbreitend“.
47. Ai. Sürana-.
Süranäsah ist RV. 1, 163, 10a ein Beiwort von Rossen. Die
bisherigen Erklärungsversuche folgen entweder dem Anklang an
v. súra- „Held“ (Oldenberg z. St.: „heldenhaft“ als nicht fest-
stehend; Graßmann, Wb.: „stark, schnell“ mit Fragezeichen) oder
verzichten auf Ubersetzung (BR.; Geldner, Ubers.). Eine einfache
und sachlich vortreffliche Lösung des Rätsels ergibt sich, wenn
man Haplologie (vgl. Ai. Gr. I 279) für *süra-rana- „Helden-
kampflust besitzend“ annimmt. rána- ist im RV. beliebt. Da-
gegen unterliegt eine Bildung auf -a-na- aus einem Subst. auf a
schwersten Bedenken.
48. Ai. S- „vereinigen“.
yugasdram mit Instrumental MS. 2, 4, 1 (38, 3) = Kath. 12, 10
(172, 7) wird in den Petersburger Wörterbüchern durch „zugleich
mit“ wiedergegeben, und durch den Verweis auf S. ep. kl. yugapad
„gleichzeitig, zugleich“ (BR.: „urspr. in demselben Joch stehend“)
bahnt Böhtlingk im kleinen Wb. die Erklärung an. Es ist ein
adverbielles Absolutivum yuga-sér-am auf am von der Wurzel
F „vereinigen“, die mit aw. sar- „vereinigen, Vereinigung“
identisch ist und zu xegdvvvm usw. gehört‘); vgl. RV. 8, 2, 9b
d-sir-ta- „durchmischt“, v. @-sir- „Mischtrank“ und Walde-Pokorny
1419. In den Absolutiva auf am ist zwar in offener Wurzel-
silbe Dehnung des a tiblich; aber Ausnahmen sind nicht uner-
hört, z.B. MS. 3, 10, 2 (131,17) älábham, R. 3, 7, 22 uparamam;
vgl. auch Renou, MSL. XXIII 6 (1935) 359f. Anm. 3.
49. Ai, sūci- „Nadel“.
V. sūci „Nadel“ (nebst. szcika- „stechendes Insekt“) klingt
an die Wurzel syz- siv- „nähen“ an und ist doch damit nicht zu
vereinigen: was sollte -ci- sein? Wohl aber paßt sei zu ep. kl.
1) J. Gonda, Acta or. XIV (1936) 201 trennt aw. sar- von der Wurzel für
„mischen“.
Indoiranica. 175
$üka- „Stachel der Ähre, eines Insekts“ und zu aw. sūkā- „Nadel“;
es steht also für *szc/- (vgl. auch Bartholomae, Altiran. Wb. 1582).
s für s kann man den Beispielen in der Ai. Gr. (1226 § 197 d ;)
anreihen: dieser Lautwechsel steht durch busa- „Dunst“ für
*hrsa- (Bartholomae, ZDMG. L [1896] 712) schon für den RV. fest.
Man darf aber auch an Beeinflussung von *süci- durch syū-
denken, mit dem säci- an der einzigen rigvedischen Belegstelle
(2, 32, 4c) verbunden ist.
50. Mi. se = té.
Pischel, Prakr. 299 § 423 bezeugt fiir die AMg. und die Mg.
einen Nom. Pl. se bzw. Ze im Sinn von ai. (und mi.) té „diese“.
Ein ebensolches se kommt mehrmals bei Agoka vor: Dhauli 5,
5.6 (C. I. Ind. I ed. Hultzsch S. 87), Brahmagiri 10 (ebd. S. 176:
se ime dhammaguna „eben diese moralischen Tugenden“) und
wohl auch Dhauli, Sep. 1, 11 (S. 94). Aber auch Delhi-Topra 7, 25
(zweimal) und 27 (ebd. S. 132f.) viyäpatäse „(sie sind) beschäftigt“
— viyäpatä ebd. 25. 26 (viermal). 27 ist dahin zu stellen. Zwar
nimmt Hultzsch (S. 87 Anm. 3 und p. CXVI) im Anschluß an
Franke und Michelson hier einen Nom. Pl. auf -äse an, worin sich
die alte vedische Endung -äsah fortsetzen soll. Das wäre aber
sehr seltsam: Diese dem Ai. mit dem Awesta gemeinsame Endung
ist ausschließlich poetisch-archaisch, findet sich vorklassisch nur
in Hymnen und Opferspriichen, klassisch gar nicht, mittelindisch
nur in den Liedern der Buddhisten (Ai. Gr. III 100 § 49a A.).
Wie sollte sie sich da in die Prosa des Amtsstils verirrt haben?
Man bedarf aber der Annahme gar nicht. Obigen Sätzen
ganz gleichartig ist an der genannten Stelle des fünften Fels-
edikts von Dhauli das zweimalige viyd/pa/ta se. Zwar wollte
Franke (Wiener Ztschr. IX 349f.) auch hier einen solchen No-
minativ auf -äse ansetzen. Aber Michelson (AmJPhilol. XXXII
442f.), dem Hultzsch S. 87 Anm. 3 folgt, nimmt se als Nom. Pl.
des Pron. dem., weil alle vier Paralleltexte durchweg hinter viyä-
pata und dessen Entsprechungen te bieten (C. I. I. 1192).
Pischel bringt S. 298 den Nom. Pl. se mit dem präkr. Dat. -
Gen. Sg. (und Pl.) se „ejus, eorum“) zusammen. Aber dieser ist
ein aus dem Indoiranischen ererbtes Enklitikum, das verschiedenen
Präkrits eignet (Ai. Gr. III 484f. $ 238b), dagegen jenes nomina-
tivische se eine Besonderheit der Mg. und AMg.: wegen des aus-
lautenden -e konnte der Nom. Sg. se se (Pischel 299) auch für den
1) Auch als Akk. verwendet: so im Sg. Aug. (wie auch me und tel), im
Pl. in der Jaina-Sauraseni neben dem Nom. fe (Pischel 299).
176 J. Wackernagel f und A. Debrunner
Plural verwendbar erscheinen. Dagegen bei griech. of ftir tol,
das man sonst gern mit diesem se vergleichen möchte, liegt einfach
Übertragung des Anlauts des Nom. Sg. 6 auf den Plural vor;
daher macht im Griech. auch das Fem. die Änderung mit: af für
ral nach Nom. Sg. I, während das Prakrit in allen Dialekten den
Nom. Pl. tao festhält (Pischel 301 § 425).
51. Ai. spr- „gewinnen“ und „losmachen“.
In spr- sind zwei idg. Wurzeln zusammengeflossen: 1. eine
Wurzel für „gewinnen“, die am deutlichsten in Stellen wie
RV. 5, 44, 10c sprnavama vdjam „wir wollen Beute gewinnen“ und
im Kompositum v. dhana-spr-t- „Beute gewinnend“ vorliegt und
mit idg. *pel- „verkaufen, verdienen“, *pelnos „Verdienst“ (Walde-
Pokorny II 51; vgl. YV. pan- „einhandeln, feilschen“: Ai. Gr. 1194
§ 172d A.) verbunden werden kann, 2. eine Wurzel für „losmachen
von etwas“ (Oertel, Sitzgsb. Bayer. Ak., Ph.-h. Abt. 1938, 6,
S. 61 Anm.), die zu idg. *sp(h)er- „(mit dem Fuß) wegstoßen“
(Walde-Pokorny II 668ff.) gehören könnte. Eine Sonderung der
Belege nach diesem Gesichtspunkt wäre dringend nötig.
52. Al. sruc-, sruva-.
Griech. 6vxdvn „Hobel“ (mit metrisch gesicherter Kürze des v)
wird von den etymologischen Wörterbüchern *) zu lat. runcare
„jäten“, ai. luñc- „ausraufen“ gestellt. Nun hat freilich das
Lateinische das aus dem Griechischen entlehnte *ricina, das in
den romanischen Sprachen erhalten ist (Meyer-Lübke, Rom. et.
Wb.“ Nr. 7445), im Anschluß an runcare zu runcina umgestaltet.
Allein die etymologische Verbindung von runcare mit ĝvxávn
scheitert trotzdem am Fehlen des bei idg. r- obligatorischen Vokal-
vorschlags im Griechischen). dvxdvn muß am Anfang ein y-
oder s- verloren haben. So kann man es versuchsweise zu v.
srüc- „armlanger Opferlöffel“ stellen. | |
Wegen der Bedeutungsähnlichkeit stellt man zu diesem srúc-
gern das v. sruvd- „(kleinerer) Löffel“. Für dieses Wort steht
aber eine wohl bessere Anknüpfung zur Verfügung: aw. srū-
sruva- „Nagel, Horn“ nebst Ableitungen wie srvaéna- „aus Horn“,
srvara- „gehörnt“ (zur Sippe von xdea, xéoas usw.; Walde-
Pokorny I 404). Dann wire die nachvedisch hiufige Schreibung
sruva- die ursprünglichere und s für $ wie oben S. 175 zu erklären.
1) Z. B. Uhlenbeck, Boisacd, Walde, Lat. et. Wb.; Walde-Pokorny II 353.
Nicht Ernout-Meillet.
) Die von Walde-Pokorny a. a. O. versuchte Erklärung für den Wegfall
des Vokalvorschlags wird niemanden überzeugen.
Indoiranica. 177
53. Ai. harmyd-.
Für harmyd- (im RV. und AV. immer harmiyd- gemessen) gibt
Geldner im Glossar die Bedeutungen „festverschlossenes massives
Haus, Schloß, ‘Stein’, Verließ“*); vgl. auch Zimmer, Ai. Leben 149:
„Dasselbe, insofern Haus und Hof umfriedigt waren, bedeutet
harmya“. Mit diesem Wort hat Bartholomae (Altiran. Wb. 1681)
mit Recht das aw. zairimya- verbunden, das in mehreren Kom-
posita und Ableitungen belegt ist: zairimyawura- (= ai. *harmyän-
gura-) als Bezeichnung der Schildkröte („deren Glieder in einem
festen Haus sind“ )), zairimyäka- ebenfalls als Bezeichnung der
Schildkröte („mit einem festen Haus versehen“)*), wozu Bar-
tholomae a. a. O. mit Recht an ai. (Les) harmufa- „Schildkröte“
erinnert; zairimyävant- „der ein festes Haus besitzt“ (vom Mond).
unklar zairimyafsman-, vielleicht „das Haus als Fessel habend,
ans Haus gebunden“ (Duchesne a. a. O. 149 § 186). Beide i von
zairimya- sind natürlich epenthetisch, so daß aw. *za*rm(i)ya*-
genau zu ai. harm(i)ya- stimmt; der Annahme eines hinter dem
m teils erhaltenen, teils geschwundenen a (Bartholomae a. a. O.
unter Verweis auf IF. VII 70) bedarf es nicht.
Die weitere etymologische Anknüpfung des indoiran. Wortes
fehlt bisher; auch Uhlenbeck im Ai. et. Wb. gibt keine Nun
bietet aber das Griechische Wörter mit yeou-, die dazu gehören
können: Hesych yéoua’ nolnua, xalıd, Lukian xeouddıos (uodd-
Böaıwaı yeouddsror), Hesych xeouddios‘ xeıgonindns Alos, xal ô
axooBodtouds („Plänkelei*), Homer yeouddsoy „faustgroßer Stein“,
Pind. Aesch. Eur. yeouds ,id.“, Lykophron „Felsblock“, Hesych
xeouanıorhs’ Aldo xeaoonindns, xal dloxos Baxyeios, Hesych
&xeoudlouev‘ thy yi» sioyaléueda (wohl eigentlich „wir ent-
steinten (den Acker)“), Hesych vemyeouos: uf vewori eigyaou£vn.
Aus dem allem ergibt sich ein yéoua „großer Stein“, aus dessen
indoir. Entsprechung das indoiranische Wort als zo-Adjektiv ab-
geleitet wäre. Ob auch die homerischen yégados und xeods
„Geröll“ dazu gehören“) (-ad- aus *-md-??), bleibe dahingestellt.
Die kulturgeschichtliche Auswertung dieser Etymologie bleibe
den Kundigen überlassen. Es ergibt sich zunächst sicher, daß
die Indoiranier das Steinhaus kannten; man vergleiche auch
1) Dazu harmye-sthah „im Stall befindlich“ RV.7,56,16c, wovon ghar-
mye-stha 10, 106, 5c nur eine ktinstelnde Umdeutung ist (Oldenberg zur Stelle).
2) Vgl. J. Duchesne-Guillemin, Les composés de l’Avesta (1936) 155 § 196;
zu -ya- für -yä- Debrunner, IF. LVI (1938) 175. |
*) Zum o für a Debrunner a a. O. 174f.
*) Boisacq unter x&oados, Walde-Pokorny I 600.
Zeitschrift für vergl. Sprachf, LXVII 3/4. 12
178 J. Wackernagel ¢ und A. Debrunner
RV. 4,30, 20ab, wo von den 100 steinernen Burgen (des Sam-
bara) die Rede ist (was nicht wie das häufige dyasi puh „eherne
Stadt“ bildlich gemeint sein kann). Für die Indogermanen leugnen
bekanntlich die Prähistoriker den Steinbau (Schrader-Nehring,
Reallex.* II 473f. 476; Schrader-Krahe, Die Indogermanen
[1935] 49f.).
54. Vedische Zitate bei Patafijali.
Die vedischen Zitate Patafijali’s sind von M. Bloomfield nicht
in seine Vedic Concordance aufgenommen worden, während er
die Mantrazitate Yaska’s berücksichtigt hat. Es mag daher er-
wünscht sein, hier einige solche Zitate (Mantra’s und prosaische)
aus Patafijali (und gelegentlich aus andrer grammatischer Literatur)
zusammengestellt zu finden — als Anregung für eine vollständige
Durcharbeitung der vedischen Zitate bei den Grammatikern.
a) Unveränderte Zitate.
1. Als Beispiel für v. bh statt h führt Pat. zu V. 1 zu P. 8,
2, 32 (III 404, 10f. Kielhorn) an: gardabhena sämbharati MS. 3, 1, 3
(3, 15) = Kath. 19, 2 (2, 3) = KapS. 29, 8 (136, 9) (Prosa).
2. Der Satz tå baljaväpayo viddm akran „die Baijavapi’s haben
diese gekannt“ MS. 1, 4, 7 (54, 14f.) wird von Pat. zitiert (münd-
liche Mitteilung Kielhorns an L. von Schroeder; s. dessen Ein-
leitung zur MS.-Ausgabe I p. XVIII).
3. Das Zitat von Pat. zu V. 1 zu P. 8, 2, 32
udgräbham ca nigräbhäm ca
brihma devd avivrdhan
„Erhöhung und Erniedrigung —
die Götter haben mein Gebet gefördert“
stimmt genau zu VS. 17, 64, TS. (an drei Stellen), SB. ApSS.,
während MS. (an zwei Stellen), Kath. (an zwei Stellen; die zweite
kehrt KapS. 28, 3 [124,4] wieder), MSS. (nur der erste Vers)
Subjekt und Objekt vertauschen:
udgrabhds ca nigräbhäs ca
brdhma devdm') avivrdhat.
4. Die MS. 1, 6, 11 (104,6) kennt in einer Prosapartie div-
mit Akk. in der Bedeutung „spielen um, verspielen“: gdm asya
tdd dhah sabhdyam divyeyuh „an diesem Tage mögen sie in der
Versammlung um seine Kuh spielen“. P. 2, 3, 59 läßt für die
klassische Sprache diesen Akk. bei div- nur für Komposita zu,
stellt aber in der folgenden Regel fest, daß er „in einem Bräh-
mana“ beim Simplex vorkomme, und Pat. zitiert dazu genau die
1) MS. 1, 1, 13 (8,15) devam sicher falsch.
Indoiranica. 179
Stelle der MS., ebenso die Kaéika. Schon Schroeder (MS. I
p. XVII und in der Anm. zur Stelle) schließt daraus mit Recht,
daß dadurch die MS.-Stelle gegen Konjektur gesichert wird (s.
auch P. Thieme, Panini and the Veda, Allahabad 1935, S. 11)».
5. In dem Spruch iam ürjam ahdm itá ddi MS. Kath.“) 16, 14
(237, 7); 20, 4 (21,17) „Belebung und Kraft entnehme ich daraus
für mich“ bestätigt Pat. zu V. 2 zu P. 6, 4, 64 (207, 13) ausdrücklich
adi, das altertiimlicher ist als das ddam der VS. (12, 105) und der
KapS. 25, 5 (98, 13); 32,6 (in der Angabe von Raghu Vira 31, 6
[152, 21]) und als das d dade der TS. (2mal); vgl. Wackernagel
Festgabe Jacobi (1926) 13f.
6. Zu RV. 10, 82,5c = VS. usw.
kám svid gärbham prathamdm dadhra dpah
» Welchen Keim trugen die Wasser zuerst?“
gibt es eine in der Vedic Concordance fehlende Variante kim für
kam; sie steht in Handschriften der MS. (2, 10, 3 [134, 13]) und
vielleicht in einer des Kath. (18, 1 [265, 18]), ferner in der einzigen
Handschrift der KapS. (28, 2 [122, 4]). Dieses kim svid ist falsche
Eintragung aus kim svid vanam ... RV. 10, 31, 7a und kim svid
asid ... 10,81,2a, die beide im YV. in der Nähe jenes andern
Verses zitiert werden (z. B. VS. 17, 18. 20. 29; TS. 4, 6, 2, 3. 4. 5).
Um so bemerkenswerter ist es, daß Pat. zu V. 8 zu P. 6, 4, 22
(189, 9) eben jene falsche Variante kim svid garbham hat; es paßt
aber zu den engen Beziehungen zum schwarzen YV., die Thieme
a. a. O. 63f. für Panini nachgewiesen hat.
7. VS. 6,19 = TS. MS. KapS. 2, 14 (23, 1), SB.
ghridm ghrtapävänah pibata,
vasam vasdpavanah pibata
„trinkt Opferbutter (Schmalz), ihr Opferbutter-(Schmalz-)Trinker“
hat in der Handschrift des Kath. (3, 7 [26,13]) die Variante“)
vasapavanah, was natürlich eine falsche Angleichung an ghrtap- ist.
Auch hier geht Pat. zu V. 1 zu P. 6, 4, 66 (208, 1) mit dem Kath.!
8. VS. 11, 63 u. Par. supänih svangurih subähüh „mit schönen
Händen, Fingern, Armen“ wird im SSS. 8,18,1 in der Form
subähuh svangurik zitiert und so auch von Pat. zu P. 8, 2, 18
(398, 20).
1) Vgl. auch gam divyadhvam in dem Mantra SB. 5, 4, 4,23 = KSS.
(Thieme a. a. O. ungenau gam divyanti SB. 5, 4, 22).
2) Die zweite Kathakastelle fehlt in der Vedic Concordance, aus beiden
fehlt addi in Simons Index zum Kath.
*) Fehlt ebenfalls in der Vedic Concordance.
12*
180 J. Wackernagel f und A. Debrunner
b) Ungenaue oder abgekürzte Zitate.
Wenn nur ein einzelnes Wort zitiert wird, könnte bisweilen
eine freiere Bezugnahme auf eine vedische Stelle vorliegen.
9. dhenumbhavyä Pat. zu V.3 zu P. 6,3, 70 (167, 22) bezieht
sich wohl auf MS. 4, 4, 8 (59, 12) dhenumbhdvya(h) bhavanti „sie
sind im Begriff, Milchkühe zu werden“.
10. lokamprnasya „auf die Formel lokdm prna bezüglich“
Pat. ebd. zu V. 6 (167, 24) steht vielleicht nur deswegen im Gen.,
weil im Varitika selber ein Gen. steht (lokasya prne); dann kann
das Zitat auf irgendeinen der Belege für lokamprnd- (TS. -nd,
-ndh, Kath. -naya) gehen.
11. V.1 zu P. 6, 4,170 stellt als Patronymikon aus hitanäman-
haitanäma- und haitanämana- zur Wahl. Pat. zitiert dazu ärohito
vai haitanäma(na)h; das scheint auf MS. 3, 4, 6 (51,20) abhydro-
haty; ährtö vat haitanämandh zu gehen. Das zweite Beispiel
Patafijali’s: samano haitanäma(na)k macht nicht den Eindruck eines
literarischen Zitats.
c) Sonst unbekannte Varianten zu vedischen Texten.
12. Pat. zu P. 2, 3, 60 gam ghnanti, gam pradivyanti, gam
sabhäsadbhya upaharanti „die Kuh töten sie, die Kuh verspielen
sie, die Kuh setzen sie den in der Versammlung Sitzenden vor“
stammt aus dem Kath. (8, 7 [90, 11] = KapS. 7, 4 [75, 1); aber im
Kath. ist vidivyante überliefert, in der KapS. vidivyanti, und statt
des zweiten und dritten gäm in beiden Texten täm.
13. AV.13,1,56d; 57d
nd (c)chayam karavé param
„du sollst in Zukunft keinen Schatten werfen“
wird von Pat. zu V. 1 zu P. 6, 1, 76 (51,22) und von der Kas.
abweichend angeführt:
na (c)chayam kuravo ’paräm.
Beide Abweichungen sind fehlerhaft: kuravah ist eine unmögliche
Form, und apardm verdirbt den Sinn vollständig.
14. Die Prosastellen AV.19,18,5a und 7a
süryam té dydvaprthivivantam rcchantu
„sie sollen auf die Sonne samt Himmel und Erde stoßen“
visvdkarmanam té saptarsivantam rcchantu
„sie sollen auf Visvakarman samt den sieben Rsi's stoßen“
führt Pat. zu P.8,2,15 (396,18.15) in der Form
s. te dydvaprthwimantam
v. te saptarsimantam
Indoiranica. 181
an: -i-mant- und -i-mant- sind jünger als -i-vant- und -i-vant, aber
schon im RV. belegt, z. B. rayi-mdnt- tdvisi-mant-.
15. Pat. zu P. 6, 4, 128 (220, 17) imäny arvanah padani für
AV.10,4,7c imäny drvatah padd „dies sind die Fußspuren des
Renners“ geht mit dem arvanah über den v. und kl. Gebrauch
des n-Stammes statt arva(n)t- hinaus (Ai. Gr. III 260 § 143) und
ersetzt den älteren Ausgang -@ des Neutr. Pl. der a-Stämme durch
das jüngere -äni (ebd. 103 § 51a).
16. Für harindsya raghusyddah AV. 3, 7, 14a = ApSS. 13, 7, 16
„der schnell springenden Gazelle“ gibt Pat. zu P. 8, 2, 18 (398, 19)
varunasya raghusyadah (und lagh-), was sinnlos ist; an derselben
Stelle (398, 19f.) ist RV. 1, 187, 7d = Kath. 40,8 (142, 10) dram
bhaksäya gamyah „mögest du passend zum Genießen kommen“
durch das ebenfalls mögliche aram (alam) bhaktäya „zur Speise“
ersetzt.
17. VS. 23, 55 = SB. 13, 5, 2, 18 ká im are pisangild „du da,
wer bist du, du Braungelbe“ ist bei Pat. zu V.2 zu P. 6, 1,127
(90, 2f.) und ebenso von Mahidhara zur VS.-Stelle geglättet zu
kā im are pisangilä; vgl. auch VS.23,11 u. Par. kd svid äsıt
pisangild. Pat. führt die Stelle ausdrücklich als Beispiel für das
Fehlen des Sandhi an; er hat also sicher die Lesart kd im...
vor sich gehabt.
d) Vedische Zitate unbekannten Ursprungs.
18. Padam. zu P. 3, 2, 43 zitiert aus chandas: siva eko dhyeyah
$ivamkarah „Šiva allein ist als Heilbringer zu denken“.
19. Pat. zu V. 4 zu P. 3, 2,171 (235, 9) vrsa sahamänam
säsahih erinnert entfernt an AV.17,1,1—5 visäsahtm sdhamanam
säsahändm. |
20. Pat. zu V. 1 zu P. 6,1, 76 (51, 21f.) aus chandas: visva-
janasya (c)chattram.
21. Pat. zu V. 1 zu P. 6, 1, 127 (89, 22) prajäm vindäma
riviyam „wir möchten eine rechtmäßige Nachkommenschaft er-
langen“; vgl. Kath. 31, 14 (16, 11) prajäm videya vajavatim suviräm
„möge ich eine beutereiche, heldenreiche N. erlangen“.
22. Ebenda zu V. 2 (90, 3) aus chandas als Beispiel für
Fehlen des Sandhi: yatha angadak (?) „wie Angada“; dafür Kas.
zur Stelle: pathä agaman „sie gingen auf dem Weg hin“.
23. tasya te bhaksamkärasya Pat. zu V. 2 zu P. 6, 3, 70 (167, 19).
Das Wort bh. „Essen gewährend“ wird sonst nur aus MS. 4, 7, 3
(96, 14) angeführt: eté hima bhaksamkärds ca bhavanti.
182 N. Johannessohn, Berichtigung und Ergänzung zu S. 55, Z. 5f. und S. 68.
24, Pat. zu V.1 zu P. 8, 2,32 (404,10) marud asya grabhitä
„der Wind ist sein Ergreifer“ ist schwerlich Variante zu AV. 1,
12, 2d
yo dgrabhit párvā ’sya gräbhitä
„der als Ergreifer seine Gelenke ergriff“;
oder ist in diesem Vers des AV. der Wind als Subjekt gedacht?
25. Pat. ebenda (404, 11) sämidhenyo jabhrire „die Samidheni-
Verse gewannen“: zu RV.10,64,6d u. Par.
mahö yé dhänam samithésu jabhrire
„die in den Kämpfen großes Gut gewannen“?
Basel und Bern. J. Wackernagel 7 und A. Debrunner.
Berichtigung und Ergänzung zu S. 55, Z. 5f.
(Wortstellung im Bibl.-Aramäischen.)
Meine Bemerkung über die Wortstellung innerhalb der Ver-
bindung ‘Partizipium + Verbum substantivum’ im Bibl.-Aramäischen
ist nur zum Teil richtig. Allerdings findet die dort behauptete
Voranstellung des Partizipiums ausnahmslos statt, wenn das Parti-
zipium ein Verbum des Sehens oder des Gehens ist, d. h. also
in all den für die xai i6oö-Gefüge in Betracht kommenden Fällen.
So heißt es ca. 12mal im Daniel hdzé haet (h“uaitä) „sehend
war ich (warst du)“, ferner mistakkal h*yét „betrachtend war ich“
(Dan 786); mehallek bzw. ’äte had „gehend“ bzw. „kommend war
er“ (4. ae] 71s). Sonst liegt diese Reihenfolge nur noch vor in
mit ar’bin lih*udn „sich mischend werden sie sein“ (24s) und in
der Formel zedia lähtue „gewußt (part. pass. Kal) wird es sein
(sei es)“: Esr 418. 1 5s mit der Ergänzung lemalltã „dem Könige“,
Dan 318 lak malkä „dir, [0] König“.
In allen übrigen Fällen geht das Verbum substantivum dem
(aktiven und passiven) Partizipium voraus, so u.a. bei “bad „tun“
(Esr 7.6 Dan 611); bend „bauen“ (Esr 511); bed „suchen“ (Dan 6s);
j ab „geben“ (Esr 6s.. Dan 6s), hiernach auch bei hakreb „sich
nähern lassen“, „darbringen“ (von Opfern, Esr 610), obwohl es
Causativum (Aphel) eines Bewegungsverbums ist, doch folgt
hier noch ein zweites, durch ‘und’ verbundenes Partizipium (wie
Dan 510 = Bas: drei Partizipia folgen dem Verb. subst. 6:1). Be-
sonders zeichnet sich der soeben erwähnte Vers Dan 510 aus, der
die Folge “Verbum subst. + Partizip’ 9(!)mal enthält, darunter
viermal die Wendung di hand sabe’ „wen (was) er war wollend“.
Berichtigung zu S. 68, Anm. 4,
Das Aristophanes-Beispiel (Aves 1292) hat W. Bauer, wie
er mir freundlich mitteilt, in der 3. Auflage seines Wörterbuches
gestrichen.
Berlin. M. Johannessohn.
P. Thieme, Merkwürdige indische Worte. 183
Merkwürdige indische Worte.
1. Metathesen.
Neben das vedische dundubhim han „die Trommel schlagen“
(z. B. AV. 20, 132, 9 dundubhim hanat, SB. 5, 1, 5, 6 dundu-
bhyäghäta, TB. 1, 3, 6, 2 dundubhint samäghnanti) tritt im Epos ~
täday (z. B. MBh. 14, 85, 37 dundubhih ... atädyata, 13, 14, 33
dundubhih ... täditah). Beide Ausdrucksweisen setzen sich in die
spätere Sprache fort, in welcher allerdings das alte dundubhi-
beliebteren Synonyma Platz zu machen pflegt. So liest man im
Mrech. kurz hintereinander: X 11/12 (ed. Stenzler S. 158, 18)
ahanedha dindimam, ebd. 32/33 (166, 24) tadedha dindimam.
Auch das Verbum pra + hr in der späteren Bedeutung „schlagen“
dem Pali sehr geläufig, wird im Mittelindischen im gleichen Sinne
gebraucht. Von der Trommel (bheri), die Indra dem Asketen
schenkt, sagt er Jätaka II 102, 13f. imasmim tale pahate tum-
hakam paccdmitta paläyissanti, imasmim pahate mettacitta hutvä
caturanginiyä senäya pariväressanti „wenn diese Fläche [der Trommel]
geschlagen wird, werden deine Feinde fliehen, und wenn diese
[andere] geschlagen wird, werden [dir] freundliche [dich] mit einem
aus den vier Waffengattungen bestehenden Heer umringen“.
Da liegt es nahe — schon im Hinblick auf pali tala „Gang
usw.“, skrt. ätodya n. „musikalisches Instrument“ („das zu
stoßende“) —, das im Sanskrit seit dem Epos belegte pataha m.
„Trommel“ (auch im Pali., im Prakrit padaha) als eine Entlehnung
aus einer Volkssprache zu erklären, in der es durch Metathese
aus pahaja „geschlagen“ entstanden war. Das Partizip selbst
war durch seine selbstverständlich jedem stets offenkundige Zu-
gehörigkeit zu paharati vor Entstellung geschützt. Im Verlauf
der Entwicklung, die aus dem attributiven Adjektiv ein Appellativ
machte, wurde das Wort autonom, so daß der Mißaussprache kein
korrigierendes etymologisches Bewußtsein entgegenstand. Das
männliche Geschlecht von pafaha (erst spätere Lexikographen
kennen es auch als Neutrum) steht im Einklang mit dem einer
Reihe sonst gebräuchlicher Benennungen der Trommel: dundubhi
(RV. +, fem. nur AV. 6, 38, 4), dindima (Epos +, pali dendima
auch n.), ädambara (SB. +), mrdanga (Epos +, pali mutinga), panava
(Epos +, Pali), änaka (Pali, spät. Skrt.).
Einen analogen Fall zwar nur mutmaßlicher, aber doch wahr-
scheinlicher vorwegnehmender Umstellung eines lingualen) ¢ liefert
1) Ich ziehe diesen nichtssagenden Ausdruck dem beliebten, aber überaus
184 P. Thieme
die Deutung von skrt. afavi, pali afarł f. „Wald, Dschungel“.
Ich möchte das Wort, das nach Uhlenbeck zu af „gehen“ gehören
soll, nach dem Pali-English Dict. „wahrscheinlich dravidisch“ ist,
durch Metathese aus *avati erklären, also einem volkssprachlichen
Widerbild eines hochindischen *avrti „kein Gehege habend, un-
umhegt = wild“.
Ist das richtig, so würde man allerdings zunächst ein Neutrum
erwarten. Aber neutrale :-Stämme sind im Pali ganz selten. Zwar
sind akkhi „Auge“ und atthi „Knochen“ stets Neutra, aber z. B.
satthi n. „Schenkel“ wird auch als Femininum gebraucht (z. B.
Jat. III 83 Gatha 95 satthi bhagga), und einem skrt. arcis n.
„Flamme“ antwortet stets feminines acci (Geiger, Pali § 101). Auch
sonst läßt sich die Neigung beobachten, i-Stämme in feminine
Flexion zu überführen: Geiger, o. c. § 76 verweist auf feminine
Formen, die zu kucchi m. „Bauch“ und säli m. „Reis“ belegt sind.
Nach den Grammatikern kann auch skrt. aksi n., nach Hemacandra
können auch die Maskulina skrt. afjali, kuksi, granthi, nidhi, rasmi,
vali, vidhi im Prakrit durch entsprechende Feminina reflektiert
werden: Pischel, Prakrit § 358.
Der offenbar der Sanskritform atavi zuliebe gegebene Ansatz
atavi des Pali-English Dict. ist bei Andersen-Smith, Critical Pali
Dict., mit Recht zu afavł geändert. Der Ablativ afavito läßt sich
leichter durch den Ansatz afavi, die zahlreichen Komposita mit
afavi- im Vorderglied lassen sich durch den Ansatz von atavi
ebensogut erklären, wie den von afavi (vgl. Geiger o. c. § 33, 2)
erklären. Episch skrt. äfavika „Waldbewohner“ führt gleichfalls
auf afavi. Wenn aber femininer i- und 7-Stamm im Mittelindischen
nebeneinander liegen, darf man voraussetzen, daß der Stamm mit
kurzem i der ältere ist: es ist die :-Flexion, die sich ausbreitet
und schließlich, im Prakrit, die fem. i-Sttimme ganz und gar ver-
schluckt: Pischel o. c. § 384.
Ein drittes Beispiel möchte ich nur als Frage vorlegen. In
hind. sarak f. „Weg“ vermutet J. Bloch, Ehrengabe Wilhelm Geiger
(1931) 20, eine Ableitung von skrt. sataka n. „Wagen“ ). In diesem
Fall müßte man das Wort wohl auf ein *sajakka << *safakya „ fur
törichten „cerebral“ vor. Lanmans Vorschlag „domal“ (Festgabe A. Kaegi,
S. 22 ff.), der sich nicht durchgesetzt hat, ist besser, obgleich er den ursprünglichen
Sinn des skrt. mürdhanya (vgl. Ndd W. 1935, 171 Anm. 2) auch nicht wiedergibt.
2) Anders R. L. Turner, Comp. and Etym. Dict. of the Nepali Language
(1931) s. v. satak, der an skrt. srti f. „Pfad“ denkt, das aber fast nur in der
ältesten Sprache vorkommt.
Merkwürdige indische Worte. 185
Wagen dienender [Weg]“ °) (vgl. etwa gonikä „Kuh“: prakrt. gonikka
<< *gonikya „Rinderherde“: Pischel o. c. § 598) zurückführen, das heißt
ein *safaka (oder irgendein mittelindisches Widerbild) neben altem
Sakata (RV. 10, 146, 3 sakaft) voraussetzen.
Die Metathesen, die ich hier angenommen habe: -ahaja >
-ataha, avati > atavi, sakata > safaka waren natürlich begünstigt
durch die Ähnlichkeit der Silbenfolgen, über die die Rede des
Volkes leicht stolpern konnte. Was ursprünglich nur ein Ver-
sprechen war, setzte sich im Fall pataha und afavi wohl deshalb
durch, weil der schärfer artikulierte Konsonant im Bewußtsein
wichtiger war und deshalb durch die Metathese gewissermaßen
an die ihm zukommende Stelle gesetzt wurde, im Fall *sataka,
weil ein Wortbild geschaffen ward, das den überaus zahlreichen
Nomina auf -ka akustisch entsprach.
Metathesen finden sich auch sonst im Mittelindischen: Geiger,
Pali § 47,2 (es fehlt z. B. upähana für *upänahä : skrt. upänah f.
„Sandale“, palibodha usw. C *pravirodha über *pabilodha: Andersen,
Pali Reader II s. v. palibuddha, der mit Unrecht, wie mir scheint,
der Annahme einer Dissimilation aus pariruddha und anderen Un-
wahrscheinlichkeiten den Vorzug gibt); Pischel, Prakrit § 3542). Im
Neuindischen sind sie geradezu häufig: J. Bloch, Formation de la
Langue Marathe § 167, der unter anderem verweist auf Beames,
Comp. Grammar of the Modern Arian Languages of India I (1872)
p. 276. Hier heißt es von der Silbenmetathese: This sort of cor-
ruption is common among the lower classes all over India ...
such words are not generally found in dictionaries, being looked on,
with some justice, as merely local corruptions arising from ignor-
ance or caprice ... a recognition of the existence of this tendency
is sometimes useful as pointing the way to the derivation of a
word which might otherwise remain unknown. Ich glaube, diese
Sätze verdienen es wirklich, angeführt zu werden. Sie scheinen
mir Wort für Wort auf das Mittelindische zu passen, von dem
wir ja nur literarische Texte, keine Dialektaufnahmen besitzen, die
uns aber trotzdem in ganz deutlichen Spuren dieselbe „Tendenz“
der „niedrigen Volksklassen“ verraten und uns damit das Recht
geben, ihre Wirkung auch bei der Erklärung zunächst dunkler
Worte in Rechnung zu stellen.
1) Das fem. Geschlecht ist nach Erörterungen von Bloch Le selbstverständlich.
2) Im Ms. Dutreuil de Rhins liest man B. Z. 28 maturu ` mäturo = pali
mäluto, C 2.6 aparato = pali appataram: Lüders, NGGW. 1899, 4871.
186 P. Thieme
2. Dissimilationen.
1. Skrt. abhipräya m. „Absicht, Ziel“ läßt sich ohne weiteres
aus dem Sinn des Verbs abhi + pra +i „auf, [etwas] zu (abhi)
los (pra) gehen“ begreifen. Ganz anders steht es mit pali adhip-
pda „Absicht“.
Zunächst einmal gibt es im Sanskrit eine präverbiale Ver-
bindung adhipra überhaupt nicht. Monier- Williams' Sanskrit-
English Dict. kennt zwar ein adhipra + dhäv und ein adhipra
+ sū, aber die beiden Stellen, aus denen im Anschluß an das
PW. diese Verben abstrahiert sind, rechtfertigen solche Ansätze
mit nichten. In TB. 2, 5, 6,4 giribhyo ddhi ydt pradhdvasi „wenn
du vorwärts (los) läufst von den Bergen her“, wie in Kath. 14, 7
(206, 10) = MS. 1, 11, 7 (168, 13) prajdpatir evainam vájrād ddhi
präsuvati „Prajäpati ist es, der ihn vom vajra her (= aus der Ge-
fahr fort) vorwärts treibt“, handelt es sich doch ganz offensicht-
lich nicht um das Präverb, sondern um das postnominale Adverb
ddhi, das lediglich den Sinn des voraufgehenden Ablativs noch
einmal hervorhebt.
Will man sich aber an die theoretische Möglichkeit klammern,
daß aus solchen oder ähnlichen Sätzen ein präverbiales adhipra
sich entwickeln konnte — was eben im Sanskrit nicht geschehen —,
so muß man doch zugeben, daß das im Pali belegte adhippaya
von Rechtswegen nur den Sinn haben dürfte: „Fortgehen von“.
Es bleibt also nichts übrig als die Annahme, daß adhippäya
aus Gründen, die im Sprechvorgang, nicht in der Grammatik
liegen, an die Stelle von abhipräya getreten ist, daß wir es dem-
nach mit einer Art Dissimilation: einer Ersetzung aus dissimila-
torischer Neigung, zu tun haben. Ohr und Zunge des Volkes
sind oft feinfühliger als die des durch eine Schule Erzogenen,
“Gebildeten’, dem nun wieder, da er doch eben an strengeres
Denken und genaueres Analysieren gewöhnt ist, die Sinnlosig-
keit eines *adhipraya anstößig gewesen wire. Lässigem gramma-
tischen Gefühl genügte das Vorhandensein irgendeines Präverbs:
bis zu dieser Grenze konnte es der phonetischen Neigung weichen.
Ganz vergleichbar ist das oben erwähnte palibodha usw. < *pra-
virodha, in welchem doch wenigstens ein Präverb (pali) und eine
Wurzel (budh) erkennbar schien, wenn auch nach der vollzogenen
Metathese der Sinn des Ganzen „Hemmung“ sich aus den Teilen
nicht mehr zusammensetzen ließ.
In der gleichen Weise wie skrt. abhipräya und pali adhippäya
stehen sich gegenüber:
Merkwürdige indische Worte. 187
skrt. abhi + pad „kommen zu“ : pali adhipajjati „kommt zu“
abhi + pat „losstürzen auf“ : adhipatana „Angriff“
abhipra + arthay „begehren“: adhipatthita „begehrt“
abhi + bhū „überwältigen* : adhibhavati „überwältigt“
usw.
abhi + bhäs „anreden“ : adhibhäsati „redet an“
abhimanas „den Geist [auf
etwas] gerichtet habend“ : adhimanas „aufmerksam“
abhimäna „Stolz“ adhimäna „Einbildung“
abhi + vah „hinbringen“ : adhivahana n. „Tragen,
Bringen“.
Daß die hier beobachtete dissimilatorische Neigung sich nicht
in völlig konsequenter Wirkung durchgesetzt hat, wird niemanden
ernstlich erstaunen. Die Wörterbücher geben hinreichend Aus-
kunft über die nicht seltenen Fälle, in denen Wörter im Pali mit
abhip-, abhibh-, abhim-, abhiv- beginnen, teilweise stehen sie als
Nebenformen neben den oben genannten. Es handelt sich hier
selbstverständlich um die gelehrteren Bildungen im Gegensatz zu
den echt volkstümlichen.
Die wirkliche Ratio des Wechsels von abhi und adhi im Pali,
den auch das Critical Pali Dict. nur konstatiert (s. v. adhi) —
genauer gesagt: Die Ratio der Ersetzung von abhi durch adhi hat
demnach mit der des Wechsels von adhi und ati, den man im gleichen
Atem zu nennen pflegt, gar nichts gemeinsam. Denn adhi „[hinaus]
über“ und ati „vorbei an“ stellen oft nur eine verschiedene Auf-
fassung der gleichen Bewegung dar: ein skrt. adhideva „über die
Götter hinausgehend, über den Göttern stehend“ und ein pali
atideva „an den Göttern vorbeigehend, jenseits der Götter be-
findlich“ fielen in dem Ergebnis „übergöttlich, Ubergott“ zusammen.
2. Dem Ausdruck Jat. II S.160 Gatha 114: pāram samuddassa
„auf der andern Seite (adverb. Akk.) der Flut“ antwortet in der
Prosa der Kommentarerzählung S. 159, 10: pära gangäya, das
vom Herausgeber Fausbøll, von Andersen, Pali Reader II s. v. para
und vom Pali-English Diet. als ein Kompositum erklärt wird: „auf
der andern Seite der Ganga“. Sprachgerecht wäre aber doch nur
ein gangäpäre oder dgl. Sollte nicht para gangäya für param
(sprich: päran) gangaya durch Dissimilation stehen?
Das Recht zur Bejahung dieser Frage erweisen ein oder zwei
analoge Ausdrücke. Das Gegenstück zu adho mit Gen. oder Abl.
„abwärts“ ist uddham „aufwärts“: Critical Pali Dict. s. v. adho.
Entsprechendes gilt fürs Sanskrit: z. B. Manu 5, 132 urdhvam
188 P. Thieme
nabher yani khäni... yany adhah ... „die Löcher, welche aufwärts
vom Nabel sich befinden, .. diejenigen, welche abwärts.“
Aber Jat. II S. 283.12f. uddha gangäya ... adho gangaya „auf-
wärts der Ganga... abwärts der Ganga“: erwartet wäre uddham
gangaya.
Peta-Vatthu Co. S. 168 para gangäya „jenseits der Ganga“
wird vom Pali-English Dict. als einziges Beispiel seiner Art auf-
geführt (s. v. para): param gangäya wäre normal).
Die Wendungen pära gangäya, para gangäya „jenseits der
Ganga“ und uddha gangäaya „aufwärts der Ganga“ dürften als
feste Ausdrücke der lebenden Sprache — der Magadhi des Ganges-
landes — entnommen worden sein. Eine phonetische Empfindlich-
keit, die sich in grammatisch so rücksichtsloser Dissimilation äußert,
ist nur in einer vom Volk wirklich gesprochenen Sprache denkbar.
Daß die zitierten Kommentatoren die Ausdrücke bereits fälschlich
als Komposita aufgefaßt haben, über deren grammatische Korrekt-
heit sie sich nicht weiter den Kopf zerbrachen, ist sehr wohl
möglich. Eingeführt haben sie sie jedenfalls nicht.
3. Nach Vararuci 3, 7, 8 stehen sich im Prakrit gegenüber
avaranha „Nachmittag“, puvvanha „Morgen“ und majj hanna
„Mittag“. Wackernagel hat o. XXXIII 575f., unter Hinweis auf
zwei von W. Schulze |. c. 392 = Kl. Schriften 430 namhaft ge-
machte Belege für die Abneigung gegen die Aufeinanderfolge
zweier Aspirata im späteren Griechisch: böot. Cowryd: — dvtlderte,
majjhanna aus einer gleichen Abneigung erklärt.
Pischel, Prakrit $ 214, hat diese Erklärung verworfen — das
Prakrit könne die ihm zugeschriebene Abneigung seinen Laut-
gesetzen nach gar nicht haben — und o. c. § 148 majjhanna aus
madhydmdina durch Ausfall des i in unbetonter Silbe entstehen
lassen.
Die Idee ist brillant. Einleuchtender jedoch scheint mir
Wackernagels Vorschlag. Pischels Gegengründe, § 214, uber-
zeugen mich jedenfalls nicht. Daß zunächst im Prakrit auch
majjhanha gebräuchlich ist, versteht sich ohne weiteres durch
analogische Wiederherstellung nach puvvarha usw. Prakrt. khuha
„Hunger“ gegenüber pali khuda dürfte der Einwirkung von skrt.
ksudhä zu danken sein. Entsprechendes könnte für prakrt. maj-
1) Überliefert ist auch para gangäyam, was man wohl auffassen müßte:
„an der jenseitigen Ganga“ — „jenseits der Ganga“,' vgl. Jat. II S. 335,25 para-
kantäre „im jenseitigen Wald“ — „jenseits des Waldes“. So darf ich para
gangaya nur mit Vorbehalt nennen.
Merkwürdige indische Worte. 189
jhattha < madhyastha „in der Mitte stehend“ gegenüber pali maj-
jhatta gelten, das ein vollkommenes Analogon zu majjhanna zu
bieten scheint. Ich will indes auf dies letztgenannte Wort kein
Gewicht legen, denn es muß Pischel zugegeben werden, daß inter-
vokalische kkh, Oh, tth, pph in den Volkssprachen des öftern ihren
Hauch verlieren, ohne daß es uns möglich wäre, einen besonderen
Grund anzugeben). Um so schärfer möchte ich einen prinzipiellen
Einwand gegen Pischel formulieren: Was er mit seinem Material
überhaupt nur beweisen konnte — und bewiesen hat — ist, daß
das literarische Prakrit eine Abneigung gegen die Aufeinander-
folge von Hauchlauten nicht kennt. Damit ist aber über die im
Mittelindischen wirklich vorhandenen Sprechgewohnheiten nichts
gesagt. Eindringendster Scharfsinn und weitreichende Belesen-
heit erst haben es W. Schulze ermöglicht, in dem von Wacker-
nagel zitierten Aufsatz eine Tendenz zur Hauchdissimilation
im späteren Griechisch festzustellen in einem „viel weiteren Um-
fange, als unsere literarische Überlieferung und die in ihr vor-
herrschende normalisierte Orthographie auch nur ahnen ließ“. Ich
fürchte, auch das Prakrit — eine Gelehrtensprache kaum minder
als das Sanskrit — verrät uns nur gelegentlich und zufällig etwas
von einer gleichen Tendenz, ohne uns einen brauchbaren Maß-
stab für ihre wirkliche Stärke zu liefern. Ich erinnere noch an
dhanka „Kranich usw.“ für *dhankha < skrt. dhvänksa, wo die
dissimilierte Form wie mit ka-Suffix gebildet aussah und wohl deshalb
erhalten blieb. Das Pali bietet mehr: neben dem schon erwähnten
khuda [und majjhatta] sei etwa auf piha, pihedi (mit p statt ph) < skrt.
sprhä, sprhayati hingewiesen. Neben jighacchä „Hunger“ < skrt.
jighatsä finden sich dighaccha und jigacchä: beides offenbar weniger
gelehrte Formen, in denen einmal j—cch zu d—cch, das andere
Mal gh—cch zu g—cch dissimiliert sind. Man wird geradezu auf
den Gedanken geführt, daß in Wirklichkeit sich gelehrtes jighacchä
und volkstümliches *digaccha*) gegenüber standen, welch letzteres
in den genannten inkonsequenten Schreibungen erhalten wäre.
Im Ms. Dutreuil de Rhins liest man: B 30 abhivuyu < abhibhuya,
B 13 kanana, lies: kanhänam = khandhänam (vgl. pali piha). Die
Berechtigung, mit Hauchdissimilationen in mittelindischen Mund-
arten zu rechnen und ihnen besonders in etymologisch dunkeln
Worten und versteinerten Formeln, die sich dem Zugriff über-
1) Das Critical Pali Dict. s. v. afta 2 vermutet dravidischen Einfluß.
2) Kuhn, Beiträge zur Pali-Grammatik 41 zitiert diese Form. Im Pali
English Dict. finde ich sie nicht angegeben.
190 P. Thieme
kluger Orthographen entziehen konnten, nachzuspüren, dürfen
wir den angeführten Fällen’) wohl entnehmen — aber auch z. B.
dem Verhalten der heutigen Maräthi, in welcher Beispiele für
Hauchdissimilationen recht zahlreich sind: J. Bloch, Formation § 169.
Den deutlichsten und bezeichnendsten Beleg für Hauchdissi-
milation im Mittelindischen, dem deshalb eine Sondererwähnung
zukommen mag, liefert uns das Widerbild von skrt. sprs „berühren“.
Der Gegensatz von pali phusati, phasseti „berührt“, phassa „Be-
rührung“ einerseits und puttha „berührt“, der sich im Prakrit
wiederholt (Pischel o. c. § 311), ist ja doch schlechtweg schlagend.
Nur einer lebendigen Kraft mag es gelingen, in dieser Weise ein
Paradigma zu zerschlagen.
Im Pali wie im Sanskrit begegnet ein affahäsa „lautes Lachen“.
Im Sanskrit handelt es sich dabei stets um das Lachen des Siva:
Megh. D. 59, Ratnavali I V. 3, Das. Car. (Pürvap.). Die indi-
schen Lexikographen abstrahieren aus dem Wort ein afta „laut“,
das Critical Pali Dict. s. v. erinnert an atta m. „Wachtturm“: eine
wirkliche Deutung des seltsamen Wortes kenne ich nicht. Wie
wäre es, wenn wir aftahäsa nach Anleitung von puttha „berührt“
aus *hatthahäsa = *hrstahäsa „fröhliches, aufgeregtes Lachen“
dissimiliert sein ließen?
Der sich in komischer Bedrängnis befindende Vidüsaka ruft
Sak. (Dev. Rec.) VI 26/27 dem König: bho vaassa avihä avihä
„He Freund, avihä, avihä“. Die Sanskrit-chaya gibt das merk-
würdige avihä unverändert wieder, Raghavabhatta weiß nichts dar-
über zu sagen, als daß es eine Partikel zum Ausdruck der Be-
drängnis sei: aviheti khede nipätah. Wir haben aber jetzt die
Erklärung des Wortes leicht: es reflektiert ein skrt. abhidhäva
„eile zu Hilfe“, wie wir nach W. Schulze, Kl. Schriften 167 nebst
Anm. 2 und 7, zu übersetzen haben. Die Kontraktion der Laut-
folge ava zu o gemäß Pischel, Prakrit § 165, die Ersetzung von
abhi, oder seines volkssprachlichen Vertreters ahi, durch avi < api
aus dissimilatorischer Neigung, wie die von abhi durch adhi in
pali adhippäya usw. (o. S. 186f.) — mit dem für die Beurteilung
unwesentlichen Unterschied, daß in dem einen Fall die Aufein-
anderfolge von Labialen, im andern diejenige von Hauchlauten
vermieden wurde.
Die Identifizierung von avihā und abhidäva darf ich nicht
einmal als mein Eigentum betrachten. Mit Ausnahme von R lesen
sämtliche Hss. der Bengali-Rez. der Sak. an unserer Stelle statt
1) Kuhno.c. 41 gibt einige interessante Beispiele aus dem Satzzusammenhang.
Merkwürdige indische Worte. 191
avihä vielmehr abhidhdva, was natürlich nur eine in den Text
geratene Sanskritglosse des richtig verstandenen avihä sein kann,
das demnach vom Herausgeber hätte eingesetzt werden sollen.
Statt dessen hat Pischel das von R gebotene avida rezipiert, das
zwar eine scheinbare Stütze in einer Angabe bei Märkandeya findet
(vgl. Pischel, Prakrit § 22), in Wahrheit von hier durch einen
gelehrten Schreiber, dem das skrt. abhidhäva seiner Vorlage im
Munde des Vidüsaka mit Recht anstößig erschien, übernommen
sein durfte. Denn gänzlich unerklärlich wäre das abhidhäva der
Hss. als Glosse eines ursprünglichen avida.
3. Partielle Metathese.
Pischels Ansicht, daß es irrtümlich sei für die gelegentliche
Vertretung von hochindischen Dentalen durch volkssprachliche
Linguale andere Einflüsse anzunehmen als „dialektisch verschiedene
Aussprache“ (d. h. Zusammenfall von Dentalen und Lingualen
in gewissen Dialekten), Prakrit $ 218, wird kaum je Anhänger
gefunden haben. Es liegt auf der Hand, daß es sich in der über-
wiegenden Mehrzahl der Fälle um einen ohne weiteres erkenn-
baren Grund: assimilatorischen Einfluß eines ursprünglich benach-
barten, vorausgehenden oder folgenden, r oder s handelt: J. Bloch,
L’Indo-Arien p. 56.
Auch da, wo der genannte Einfluß nicht stattgehabt haben
kann, sind wir gehalten, nach einer besonderen Ursache zu suchen.
Denn Pischels Auffassung, wie sie aus seinem’ Verfahren nicht
nur hier hervorgeht, daß wir es entweder mit strikt durchgeführten
„Gesetzen“ oder aber mit dem Verstehen gänzlich unzugänglicher,
willkürlicher „Lautvertretung“ zu tun haben, wird nicht nur aus
prinzipiellen Erwägungen in Frage zu stellen sein, sondern auch
von dem von ihm selbst mit musterhafter Ausführlichkeit und be-
wundernswürdiger Vollständigkeit in seinem klassischen Werk
zusammengetragenen Material selbst widerlegt. Es sind vor allem
die Neigung zur Assimilation und zur Dissimilation, die wir gerade
in „Volkssprachen“ erwarten, welche mit entgegengesetzten Kräften
in fortwährendem, erbittertem Kampf liegend bald zum Ziel ge-
langen, bald ersticken.
Sichere Beispiele für die Wirkung der Assimilation sind JM.
danda gegenüber gewöhnlichem danda „Stock“ (vgl. J. Bloch, o. c.
p. 58); AM. JM. dohala neben gewöhnlichem dohala. Zweifellos
gehört hierher auch skrt. dindima „Trommel“ neben pali dendima
(pali dindima verrät Einfluß von dundubhi). Denn pali dendima
192 P. Thieme
ist offenbar nichts als eine Weiterbildung von danda mit dem von
Lüders, Festschrift J. Wackernagel 305, aufgezeigten mittelindischen
Possessivsuffix -ima, heißt also eigentlich „mit einem Stock (mit
Stöcken versehene (= mit Stöcken gespielte) [Trommel]“. Der Er-
satz des a der ersten Silbe durch einen helleren Vokal (&, dann :)
vor heller Silbe hat Analogien; prakrt. dhanka „Kranich usw.“ Y
dhvanksa (mit anlautendem Lingual wegen des ursprünglich folgenden
$): fem. dhénkt (danach dann auch masc. dhinka), ubbiri (neben
ubbara) < urvarä (Pischel, o. XLII S. 166°), prakrt. nigina < nagna
über *nagina, pali, prakrt. mifija < *majja über *manja; pali sirimsapa
< sarisrpa, timissa < tamisrä: Geiger, Pali § 16.
Es ist gewiß bemerkenswert, wie vollständig die angeführten
Beispiele zu dem stimmen, was Vendryes, MSL. XVI 53ff., als
Bedingungen der Fernassimilation formuliert hat: danda für danda
mag sehr wohl entsprungen sein einem «sentiment du redoublement»
(l. c. p. 54), dindima für déndima desgleichen: es ist ja ein klarer
Fall eines Wortes «ou le sujet parlant est tenté de voir une onoma-
topée» (I. c.): „onomatopoetisch“ begnügt sich Uhlenbeck das
Wort zu nennen. Und bei dohada ftir dohada handelt es sich
jedenfalls um Laute, die man charakterisieren kann als «de types
très voisins les uns des autres» (l. c. p. 56): sie sind «trop [sem-
blables] pour subsister commodément dans le méme mot». Be-
merkenswert, wie ich meine, nicht nur aus theoretischen Grtinden,
sondern auch um der Beurteilung eines praktischen Vorschlags
willen, mit dem ich mich noch zu beschiftigen habe.
Deutlicher und durchgreifender, wenn auch seltsamerweise
noch nicht beobachtet, ist die dissimilierende Wirkung eines [ur-
sprünglich] benachbarten Dentals:
Skrt. ädadhäti > AMg. ädahati usw., AMg., J. M. ädhäti (mit
Vorspringen des Hauches aus *ädhaati), von wo aus dann auch
Kausativformen wie ädhavai und Part. Perf. JM. ädhiya;
skrt. tudita > AMg. tudiya; tudati > tudai (He.)
skrt. patati, > Mg. padadi, M., AMg., JM., A. padai; skrt.
patatu > M., AMg. padaü;
skrt. patita S., M. padida, M. A. padia,
von wo aus dann — bei dem häufigen Vorkommen des Part. Perf.
in den Volkssprachen als der einzigen verbalen Vergangenheits-
form kein Wunder — eine Wurzel pad abstrahiert und in allen
1) Ich zitiere gerade diese beiden Beispiele, weil es urodrä und dhvänksa
heißt, was allein schon die von Pischel, Prakrit $101, vorausgesetzte Einwirkung
des alten Akzentes widerlegt. Vgl. auch J. Bloch, L’Indo-Arien p. 48.
Merkwürdige indische Worte. 193
Formen und Ableitungen durchgeführt wurde (sogar in dem als
verwandt empfundenen padäkä : skrt. pataka „Fahne“;
skrt. kvathita kvathati > pali kathita, S kadhida, AMg. kadhia,
M. kadhai, von wo aus dann eine Wurzel kadh „sieden“ (die sowieso
nur im Part. Perf. und dritten Personen geläufig sein konnte);
skrt. dvaidha > pali dvelhaka n. „Zweifel“ über *dvedhaka
skrt. budbuda > pali bubbula m. „Blase“ über *budbuda
skrt. vidyut >M. vijjula „Blitz“ über *vidyutä (vgl. pali vidyuta)
skrt. dvädasa > AMg. JM.duvdlasa „12“ über *duvädasa
Eine Zauberformel, mit der wir nun jedes volkssprachliche
d, t für d, terklären könnten, haben wir freilich damit noch nicht
gefunden. Aber wir haben doch das Gebiet „spontanen“ Eintretens
von Lingualen um ein weiteres Stück eingeschränkt und damit
uns das Recht erstritten, nach Erklärungen zu suchen, wo es zu
begegnen scheint.
Prakrt. ddhatta „angefangen“ = „hat angefangen“ ist gewiß
nicht aus skrt. ärabdha entstanden. Aber auch Pischels Auffassung,
Prakrit $ 223, das Wort sei das Part. Perf. des Kausativs von
ā + dhā kann nicht richtig sein. Sie ist zwar frei von laut-
lichen und morphologischen Bedenken, läßt aber die Bedeutung
gänzlich unerklärt. Ich möchte deshalb vorschlagen, an Ver-
knüpfung mit skrt. d + dhrs „sich wagen an“ zu denken. Nach
Panini 3, 4, 65 gehört dhrs zu den Verben, die mit einem Infinitiv
konstruiert werden können. Diese Konstruktion, die zu der von
prakrt. ädhatta stimmt, ist auch mehrfach belegt. Vgl. z. B. Ait.
Br. 4,8,3 na ha tam dadhrsatur apodihiti vaktum „sie wagten sich
nicht daran zu ihm zu sagen: gehe fort“; MBh. 1, 88, 10 na capi
tväm dhrsnumah prastum agre. Wir hätten lediglich anzunehmen, daß
dies ursprünglich allerdings wesentliche Bedeutungselement der
Kühnheit verloren ging, und aus „sich wagen an“ ein „sich machen
an“ wurde. In der Tat heißt prakrt. ädhatta auch nicht eigent-
lich „fing an“ sondern „machte sich daran“. In den meisten
Fällen sind zwar beide Übersetzungen möglich: z. B. Jacobi, Er-
zählungen in Maharastri S. 21,19 sahiwm ädhattä „sie machte
sich daran (oder: fing an) zu erzählen“, ebd. 26 hindium ädhatto
„er machte sich daran (oder: fing an) herumzugehn“, S. 24, 31
nindium adhatto „er machte sich daran (oder: fing an) zu schmähen“,
S. 59,1 ddhatta padibohium „sie machte sich daran (oder: fing an)
zu bekehren“. Aber S. 1, 25 märeum ddhatto kann nicht heißen:
„er fing an“, sondern: „er machte sich daran [ihn] zu töten“ =
„er unternahm es, versuchte es.
Zeitschrift für vergl. Sprachf. LXVII 3/4. 13
194 P. Thieme
Es bleibt, die lautlichen Verhältnisse zu klären. Skrt. ddhrsta
würde regelrecht *ädhattha werden müssen, für welches dada]
(mit oder ohne Zuhilfenahme von Hauchdissimilation zu recht-
fertigen) eintreten könnte. Von *ädhatta zu ädhatta aber läßt
sich durch Annahme eines Umspringens zwar nicht der Laute,
aber doch der Artikulationsstellen gelangen.
Eine einigermaßen analoge Erscheinung hat vor langer Zeit
schon W. Schulze im späteren Griechisch beobachtet: Annei7 für
Aren, Yuunre für Yuntıo usw. (Kleine Schriften 288), ngr. diya
für diva, oͤbzaryo für $vydıne usw. (Kl. Schriften 304,711). W. Schulze
nennt sie „eine merkwürdige Metathese, bei der nicht die Kon-
sonanten, sondern gleichsam die ovußeßnxdra der Konsonanten
ihre Stellen wechseln“ (o. c. 711). Ganz buchstäblich darf man
freilich diese Formulierung nicht nehmen, denn die Artikulations-
stelle rechnet an und für sich nicht unter die ovuBeByxdta der
Konsonanten. Darauf kommt es jaaber gar nicht an. Die Haupt-
sache ist offenbar nicht, was einem Phonetiker, der einen Laut
für sich selbst betrachtet, als sein wesentlichstes Merkmal erscheint,
sondern was ein Sprechender als hervortretendsten Unterschied
zweier benachbarter Laute empfindet: im Falle $vydrno : duydtno
war dies ganz natürlicher Weise die Artikulationsstelle, im Falle
*adhatta dagegen, wo es sich um zwei Verschlußlaute mit ganz
nahe benachbarter Artikulationsstelle handelte, konnte diese in der
Wertung hinter dem Stimmton, der Aspiration und der Länge der
Konsonanten zurücktreten.
Vor em Rätsel, aber eines, an dessen Lösbarkeit man von
vornherein glauben möchte, stellt uns der Anlaut der Pali- und
Prakritwurzeln das, das „beißen“ : skrt. das, und dah „brennen“:
skrt. dah, der nur im Part. Perf. dattha und daddha mit dem
Sanskrit überein zu stimmen pflegt — sei es nun daß hier aus
dissimilatorischer Neigung etwas Altes bewahrt, oder etwas Neues
eingesetzt worden ist.
Einen Grund für die Ersetzung des anlautenden d durch d
wird man mit wahrscheinlichem Erfolg innerhalb der Paradigmata
suchen: an irgend einer Stelle muß d sich irgendwie phonetisch
ergeben haben und dann verschleppt worden sein. Bis hierher
befinde ich mich in Übereinstimmung mit H. Smith, der den Vor-
schlag gemacht hat (vgl. J. Bloch, L’Indo-Arien p. 58), von den
Partizipien dattha und daddha, die im Prakrit gelegentlich neben
den oben genannten Formen vorkommen, auszugehn, und an eine
Assimilation des Anlauts an die folgenden Linguale zu denken.
Merkwürdige indische Worte. 195
Er hat auf seiner Seite den Vorteil, daß er keiner rekonstruierten
Form bedarf, sondern nur mit belegten Worten zu arbeiten braucht.
Es kann sich aber sehr wohl um einen trügenden Schein handeln:
da dattha und daddha dem Pali fremd sind, ist es doch sehr
wahrscheinlich, daß es sich in Wirklichkeit um Neubildungen
für die im Pali allein herrschenden, im Prakrit überwiegenden
dattha und daddha handelt: nahe genug lagen sie ja. Entschieden
gegen H. Smith spricht, daß die Assimilation eines Dentals an
einen folgenden Lingual nur sehr gelegentlich «pour quelques mots
seulement, et seulement dans une partie des langues» (J. Bloch,
L c.) nachzuweisen ist, während sie hier in sämtlichen mittel-
indischen Dialekten strikt durchgeführt wäre. Auch würde sie
sich im Falle dattha > dattha bereits nicht mehr den sonst zu
beobachtenden Vendryesschen' Bedingungen fügen (o. S. 192) und
im Fall daddha > daddha bliebe der Ausgangspunkt, die Form
daddha selbst ganz dunkel.
Die beiden Verben müssen getrennt behandelt werden.
Skrt. dasta ergab regelrecht dattha, neben dem auch ein
*datta (vgl. pali vattha, vatta < skrt. vrsta) stehen konnte. Aus
*datta konnte durch partielle Metathese ein *datta werden. Dies
halte ich für die Form, die zur Einführung des d den Anlaß gab.
Das Part. datiha hat entweder immer daneben gelegen, oder ist
eine Neubildung nach dem Muster: pali kasati : kattha, phusati : puttha,
visati ` vittha.
Die rekonstruierte Form *datta läßt sich nun auch von ganz
anderer Seite her als wahrscheinlich, ja notwendig voraussetzbar
erweisen.
Im Mittelindischen stehn neben einander die Partizipien:
mutta < mukta, und mukka < muna, ritta < rikta und rikka <
*rikna, sitta < sikta und sikka < sikna: Pischel, Prakrit § 566.
In mehreren Prakrits gibt es nun auch ein dakka gebissen,
das von Pischel, Le, auf *dakna zurückgeführt wird. Allein wie
sollte solche Grundform zu stande kommen: schlechterdings wäre
nur ein *dasna möglich. Es bleibt nichts als die Annahme einer
Neubildung, für die nur *datta als Ausgangspunkt ın Frage kommt:
mutta ` mukka, ritta : rikka, sitta : sikka = *datta : dakka.
Im Falle dah haben wir es von vornherein leichter. Man kann
doch eigentlich nicht im Ernst glauben, daddha sei eine alte Form.
Skrt. dagdha muß einmal ein *daddha ergeben haben. *daddha
1) Nep. dith < drsti (Bloch, 1. c.) hat, soviel ich sehe, im Mittelindischen
keine Analogien.
13*
196 J. Lohmann, „Mots expressifs.“ — K. Bouda, Zu. o. LXIII 51 u. LXIV 83.
aber konnte ohne weiteres zu *daddha dissimiliert werden: diese
Form halte ich für den Anlaß zur Einführung des dim Verbum dah.
Hemacandra 4, 246 lehrt, daß man zu dah ein Passiv dajjhati
bilden kann. Das verhältnismäßig hohe Alter dieser Form erweist
das Ms. Dutreuil de Rhins, wo sie belegt ist: B. 34, CI”? 2. Pho-
netisch läßt sie sich natürlich nicht erklären: es muß eine Neu-
bildung sein, die aber unser postuliertes daddha notwendig voraus-
setzt; baddha : bajjhati, ruddha : rujjhati = *daddha : dajjhati.
Wie aber erklärt sich das tatsächlich im Pali und Prakrit be-
legte daddha? Ich muß gestehen, daß ich eine andere Möglichkeit
als die Annahme einer Entstehung aus daddha durch partielle
Metathese nicht sehe. Von dahati zu daddha zu gelangen ist schwer:
weder pali vahati : dhe, noch lihati : lilha, mihati : milha noch
auch vaddhati : vaddha kommen als Vorbilder wirklich in Betracht.
Hat sich die Form mit Metathese deshalb durchgesetzt, weil im
Falle des einzigen andern Verbs mit anlautendem d ein ähnliches
Verhältnis von Verbalstamm und Partizip herrscht: dasati : dattha
und dahati : daddha mochten sich gegenseitig stützen.
Halle (Saale), z. Z. im Felde. P. Thieme.
„Mots expressifs.“
Meillets Lehre von den expressiven Bildungen der indoger-
manischen Sprachen ist mit Recht in den letzten Jahren mehr
und mehr Beachtung geschenkt worden. So darf vielleicht hier
darauf hingewiesen werden, daß Begriff und Bezeichnung der
Expressivität auf den Nestor der französischen Linguisten, Maurice
Grammont zurückgehen: à côté des onomatopées il y a dans les
langues quantité de mots, désignant non plus un son, mais un
mouvement, un sentiment, une qualité matérielle et morale, une
action ou un état quelconques, dont les fonémes entrent en jeu
pour peindre l’idée; c'est ce qu'on peut appeler les mots expressifs
(Revue des langues romanes XLIV [1901] 140).
Rostock. J. Lohmann.
Zu o. LXIII 51 und LXIV 83.
Verschiedene Stämme fur 1. „ihm geben“ gegenüber 2. „mir,
dir geben“ finde ich auch in zwei tibeto-birmanischen Sprachen
der westlichen sogen. pronominalized languages, die nach Sten
Konow von einem hierfür jedoch, soviel ich weiß, nicht verant-
wortlichen Mundäsubstrat beeinflußt sind. Kana wari 1. ran. 2. ke.
Kanasi 1. ran. 2. ke LSI III 1, 434. 444.
Berlin. K. Bouda.
D. Demetracopoulou-Lee, Noun categories in Wintu. 197
Noun Categories in Wintu.
The Generic and the Particular.
Da eine, rein beschreibende, Darstellung des Genussystems einer kaliforni-
schen Indianersprache in dieser Zeitschrift vielleicht überraschen wird, seien dem
Aufsatz von Frau Dr. D. Demetracopoulou-Lee einige Worte voraufgeschickt. Zu
den dringendsten Aufgaben der Sprachwissenschaft gehört zweifellos, als erster
Schritt zu einem allen Sprachstrukturen gerecht werdenden System der allgemeinen
Grammatik, die Sammlung des Materials für ein Inventar der in den Sprachen
der Erde tatsächlich vorkommenden grammatischen Kategorien. Als Baustein
hierfür scheint mir die vorliegende Arbeit, über das stoffliche Interesse der in
ihr behandelten Frage hinaus und trotz ihres im einzelnen etwas skizzenhaften
Charakters, einer allgemeineren Beachtung und Betrachtung wert zu sein. Die
Verfasserin ist von anthropologischen und ethnologischen Materialsammlungen
her zu ihren sprachlichen Studien geführt worden. Vielleicht hängt damit die
unbelastete Frische zusammen, mit der sie den grammatischen Phänomenen gegen-
übertritt und in vorurteilsloser, einfühlender Interpretation den besonderen gei-
stigen Gehalt des Systems der von ibr studierten Sprache zu erkennen sucht.
Dieses ist in der Tat in mehr als einer Hinsicht bemerkenswert. In den bisherigen
sprachtypologischen Darstellungen, bis zu Misteli und F. N. Finck, sind die Sprachen
Amerikas nur ungenügend berücksichtigt worden. Fincks „Haupttypen“ bedeuten
in diesem Punkte sogar einen Rückschritt gegenüber seinen Vorgängern: bei ihm
erscheint das exzentrische Eskimoische, das den — im übrigen dort durchaus nicht
allein herrschenden — polysynthetischen („einverleibenden“) Typus in einer ganz
besonderen Ausprägung zeigt, als einziger Vertreter der Sprachen der westlichen
Hemisphäre! Wie vielfältig die amerikanischen Sprachen in Wirklichkeit sein
müssen, beweist gerade auch das von Frau Dr. Lee erforschte, bis dahin nur
unzulänglich bekannte „Wintu(n)“, das ursprünglich fast im ganzen Sacramento-
Tale gesprochen wurde. Das hier geschilderte Genussystem dieser Sprache ist
vor allem dadurch bemerkenswert, daß dem Sprecher in gewissem Umfange die
Wahl des Genus freisteht (u. S. 204 und passim). Den Indogermanisten muß
aber darüber hinaus noch zweierlei interessieren. Zunächst tritt das Genus, wie
beim idg. Neutrum im Gegensatz zum m., äußerlich in Erscheinung durch einen
Unterschied in der Kasusbildung: beim Genus A (generic) wird (ganz wie
im idg. Neutrum) als Subjekts- und als Objekts-Kasus die gleiche Form gebraucht,
und zwar wie im Idg. ursprünglich die „Stammform“, während das Genus B
(particular) die beiden Kasus durch je eine besondere Form ausdrückt (u. 8. 200f.).
Im Wintun dient die Stammform in A auch als „Genetiv“, für den B eine be-
sondere Form hat, während A eine in B fehlende Lokativ-Instrumental-Form
besitzt. Dieser Unterschied in der Kasusbildung läßt sich dann weiter, wie im
Idg., mit der Bedeutung der beiden einander gegenübergestellten Genera in
Verbindung bringen. Die Art der Opposition ist freilich in beiden Sprachen nicht
ganz die gleiche. Immerhin ist bemerkenswert, daß Frau Dr. Lee zunächst den
Eindruck hatte, es handele sich um die in den amerikanischen Sprachen weit
verbreitete Unterscheidung animate — inanimate, die ja von Meillet auch im Idg.
als die ursprüngliche angesehen worden ist. Der Ausgangspunkt war im Idg.
aber wohl eher eine Unterscheidung von aktiven und passiven Begriffen (daher
ist das Werk, wie auch das Werkzeug, n., die Tat dagegen m. oder f.), was
dann weiter mit der besonderen Art des idg. Verbums zusammenhängen wird.
198 D. Demetracopoulou-Lee
Natürlich berühren sich „aktiv“ und „animate“, bzw. „passiv“ und „inanimate“
miteinander — wie auch anderseits das „Aktive“ sowohl wie das „Belebte“ in
der Wirklichkeit vorwiegend in individueller Gestalt auftreten, bzw. dem Betrachter
als Inviduum erscheinen, daher die Beziehung des Genus B des Wintun zu diesen
beiden Kategorien, und auf der anderen Seite die Ähnlichkeit deg Genus A (generic)
mit dem idg. Neutrum. Das idg. Neutrum hat ja, nach den Forschungen von
Joh. Schmidt, ursprünglich wohl überhaupt auch nur eine mangelhafte, oder doch
eine von dem „individuellen“ Plural des m./f. sehr verschiedene Pluralbildung
gehabt! J. Lohmann.
Phonetic Key’).
> glottalization of preceding consonant, a glottal closure.
* rough breathing (spiritus asper).
B intermediate between 5 and p.
D intermediate between d and ¢.
q back palatal stop, intermediate between surd and sonant.
x mid-palatal surd, continuant.
x back-palatal surd, continuant.
2 linguo-alveolar lateral surd.
t linguo-alveolar lateral surd affricative.
te affricative surd mid č-sound, similar to German sch.
e German 4, Greek e.
= (as in d, OI indicates that the vowel is long.
All other symbols are pronounced approximately as in German.
The Wintu‘ are a tribe of Indians living in California, along
the upper reaches of the Sacramento, McCloud and Pitt rivers.
Their language, one of the Penutian stock, is both synthetic and
inflective. Primary roots are predominantly verbal, with names
for objects for the most part derived from the activity or state
of being which is associated with each. In verbal phrases the
speaker always indicates, by means of ablaut change and appro-
priate suffix, whether or not he has participated in the activity
described, and if so, in what way”). In short, the Wintw language
is very conscious of the speaker’s attitude and mood. This sub-
jectivity is reflected not only in the verbal, but also in the nominal
categories with which this paper is concerned.
Wintu‘ grammar recognizes two noun classes. Of these, one
is small and contains a fixed number of nouns. To it belong
most relationship terms and a small number of pronouns. Its
1) The material on which this study is based was collected under the aus-
pices of the Department of Anthropology of the University of California, in the
summer of 1929. My principal informant was Sadie Marsh, a full-blood Winta"
aged about forty.
2) For a description of this linguistic phenomenon see the author's Con-
ceptual Implication of an Indian language, in Philosophy of Science,
vol. 5 (1938) pp. 89—102.
Noun Categories in Wintu. 199
formal elements are not productive at present, some of its nouns
show a tendency to go over to the remaining class, and no new
nouns are referred to it. Its distinctive suffixes have lost their
connotation as suffixes, and nouns carrying them are simply
thought of as so many fixed forms. The remaining class of nouns
functions actively to-day. To this class are assigned the few
nouns and the many personal names which have entered the
language since the coming of the Whites. And it is this class
which provides the speaker with a morphological means of distin-
guishing that which he regards as generic from that which for
him is particular.
At first glance, Hu seemed to me to share with other
American Indian languages the practice of distinguishing between
the animate and the inanimate. I found that live animals and
men were grouped together in one class, which I called the class
of animates. When animals were considered as food they were
found to be treated as the non-animal objects, in the class of
the inanimates. However, difficulties soon begann to appear.
Most things not animal seemed to be delegated at will to either
of the two classes. Names of body parts brought further con-
fusion into my early conclusions. Some of them were treated
always as belonging to the group of animates, and others, for no
apparent reason, to the group of inanimates. These anomalies I
dismissed at first as examples of the irrationality of language, or
as due to conveniently unknown historical causes. However, as
more anomalies came to light, it seemed advisable to abandon
the ready-made classification.
And now a different basis for classification became apparent.
I found that body parts were grouped with the inanimates only
when they appeared singly. The head, the belly, the back, the
face, the nose were in this group. When body parts occured
in larger numbers, they were classed with live animals and men.
Furthermore, definite tendencies were detected in regard to the
assignment of dead animals to one of the two classes. When
venison was carried by a man, that is, as a whole dead deer
slung from the shoulder, it was found in a class with the animates.
When it was carried by a woman, in pieces in a carrying basket
as so much flesh, it took its place in a class with other inanimate
objects. Obviously, under these circumstances, the animate-
inanimate basis for classification was not adequate, some other
factor must determine the classification.
200 D. Demetracopoulou-Lee
Thus it became evident that the animate-inanimate classi-
fication was only incidental to a more fundamental and permeating
distinction between nominal concepts regarded as generic, and
those conceived as particular. Further, it soon became ap-
parent that this distinction was not made between two coordinate
groups of nouns. One grouping, the generic, emerged as basic.
The other, the particular, then appeared as particularizing, rather
than pointing out that which was particular. The former referred
to a genos. The latter selected an individual from the un-
differentiated mass and presented it as a delimited substance.
The two groups of nouns which I have called generic and
particular are distinguished by means of morphological elements.
To describe these, it will be necessary to draw provisionally a
hard and fast line between them. For the sake of convenience,
I shall speak of Category A, the generic, and Category B, the
particular.
Category A has no morphological elements of syntactical
significance. The subject is not differentiated from the object and
this in turn is not differentiated from the attributive. There are two
cases. There is a common case, in which a noun can stand as a
subject or object, as attributive and as partitive. For this the un-
modified noun stem is most commonly used. For a number of
nouns, however, the category is emphasized through the addition
of -m or -n directly to the noun stem. There is also a locative
case, formed through the suffixation of -in (-n, if the noun ends
in -i). The -in indicates position in space, or, when suffixed to
generic pronouns, in time. Furthermore, it forms an instrumental,
and is used to express periphrastically concepts which, in English,
would have been expressed by means of words indicating pos-
session. A few examples will serve to illustrate the two generic
cases).
gewel house: Dina gewel bia behold, (a) house lay there.
gewel olsaDama (the) house (he) raised-up-in-his-arms. qgewelin
hina (he) arrived at-the-house. The gewel remains unchanged
when it plays the part of subject in 1, and of object in 2. In
3, it takes the locative suffix -in.
1) In the examples given throughout the paper, the verb usually occurs
in the stem of subjectivity without the usual suffixes which indicate time of
occurrence and source of information. This is because the examples come from
narratives, where the -kilaké denoting hearsay knowledge is given only once
at the beginning of the tale, and is thereafter only assumed. I render such
verbs in the past time.
Noun Categories in Wintu. 201
naus dress: naus tcalabé it is a nice dress. ndusin bës ieibE
(dress-at being it-is) it belongs to the dress. In 1, näus forms
the subject. In 2, the locative suffix -in is used to form a peri-
phrastic possessive. This was said by my informant apropos of
a button which had come off my dress.
k'as live oak acorns: kas duyä (she) gave acorns. kas
ital acorn shell. kas remains unchanged in 1, where it is the
object, and in 2, where it is used attributively in a compound
noun.
This attributive function of the common case is very im-
portant, since it adjectivizes nouns. When a word, as a sub-
stantive, appears only in Category B, its generic form serves to
change it into an adjective. For example:
Ze e Bkat (tee Bhal plus indicating particularization) scoundrel,
a worthless one; Bom tc’eBkal bagihas sunas land (which was)
bad, brushy, stony. `
xayit a white one; yayi white, whiteness. wintũ' person,
an Indian; wintūn human, Indian.
The basic function of the common case is perhaps the par-
titive, difficult to distinguish from the attributive. Since the
generic refers to a type or class, we might go further and say
that the common case is always partitive. Thus, a sentence with
a generic object such as: nur baibé (salmon (he) eats) might best
be rendered in English with: he is partaking of salmon. Further
examples:
tc ,s horn: tcayäs BaDtutcus horn wedge, wedge of horn.
ttite acorn: ttite tcoDos (a new term come in since the
arrival of White Man’s bread) bread of acorns, acorn bread.
In Category B we find more cases. The subject is often,
though not always, distinguished from the mere stem which
forms the generic. A number of nouns are given a strong
aspiration at the end to indicate the subjective case. Verbal
derivatives in - form the subjective through the suffixation of -t,
and so do a number of relative and interrogative pronouns which
morphologically belong with the nouns. In this gender we find
a genetive which plays the part of a possessive and of an
agentive, that is, of the transposed subject in a passive phrase.
It is formed through the affixation of -un. Category B also forms
an object case, which plays an important role in Wintié since it
delimits verbs of middle voice as well as transitive verbs. The
suffix -um forms the object case. This suffix is attached directly
202 D. Demetracopoulou-Lee
to the nominal stem, or, when the stem is vocalic, indirectly,
preceded by h or y, used as glides.
nop (noB plus) deer: (subjective) nop Banabiré deer must
be moving about. (objective) ag Bum ttomabé he has killed a deer.
(possessive-agentive) nöBun dout deer’s travelling, i. e. tracks of
a deer. (generic-attributive) noB tcir deer meat, venison.
mai (particular) toe: (objective) mayum p’odélada toe I- am-
hurt (middle voice), I hurt my toe.
nur salmon: (subjective) Bihard nur salmon is-still-running.
(generic-attributive) nur dayi salmon flour. (possessive-agentive)
nurun wuruD atmada by-the-salmon-it-being spawned I-looked-on,
I watched the salmon spawn.
nep (neB plus‘) grasshopper: (possessive-agentive) neBun
DeBtei grasshopper’s coming-out-of-the-ground, where the grass-
hoppers hatched out.
Harry: (subjective) Harry k’uBabé Harry is chopping wood.
(agentive-possessive) Harryhun Dowuheres Harry’s brought-in-the-
hand, that which was brought by Harry.
Examples of verbal nouns: tand to doctor, tahi (generic)
doctoring, fahit (particular) doctor. watcad to weep, watci weeping,
watcit one who weeps, cottontail rabbit. tul& to travel by water,
tuli swimming, boating, tulit otter.
Category B, then, distinguishes not only the genetive, but
also a subjective and an objective form from the mere stem of
the noun which serves as an attributive. Category A, on the
other hand, which is in essence an abstraction, the naming of
a genos, provides no morphological specification of the syntactical
relationship of the noun.
In addition to these morphological traits of the two noun
categories, is to be noticed the influence of the category of the
object on the transitive verb which it delimits. There are two
suffixes in Wintu which indicate that the action affects an object.
The suffixes are not, properly speaking, transitivizing, since they
can be affixed to verbs which are already transitive. They point
rather to an object which shares in the activity described and
they reflect its category. The suffix -ma is used when the
object is of Category A, and - (-wil) when the object belongs
to Category B. For example:
Di Bd (DeBu-) to cross: DeBuma to take a thing (Cate-
gory A) across, DeBuwil to take something animal or particular
across.
Noun Categories in Wintu. 203
Most! commonly 21 and -ma are used to form derivatives
from the verbs bia, buha, suke, which have the meaning of to
be, in a lying, sitting, standing position, respectively, from hara
to go, and from hina to arrive.
bia (be-) to be in a lying position, to be: ber to be with
someone, to possess something particular. ilam bei (they) had
(a) child. ttäburugum tcalimDonum ekitcesDonum bewil white-
stones-obj. nice-disjunctive-obj. heat-holding-disjunctive-obj. (she)
had-them (Category B).
buha (boh-) to be in a sitting position, to dwell: bohil
wiDam keDëm kürit (they) dwelt-with (Category B) man- obj. one-
obj. borne(Category B), they dwelt with (or dwelt having) a man
who was their son. datei son Bur bohmes (from bohma) hot
stones (son, Category A) (were) his sitting-with (Category A), he
sat having stones which were hot.
hara to go, hina (hen-) to arrive: tcus ... harma, gewel
.. . henma wood (Category A) (she) carried-along (Categ. A), (to
the) house (she) brought (Categ. A). haril eweD ... maD leik’uDem
take-along (Categ. B) this-obj. ... your younger-brother- obj.
(Categ. B). BuléD ... haril, ponorDuwil, ... gewelin bei them-
two-obj. (Categ. B) (she) took-along (Categ. B), ran-with (Categ. B),
at-the-house arrived-with (Categ. B).
Except for the standard derivatives, however, which, like
bewil, bohma, etc. have heen crystallized into new words with
new meanings, the texts contain only a few instances of the -il
and -ma suffixes. My informant was ready to form such paradigms,
which she said were ,correct“, but it is clear that in the speech
of the younger generation at any rate these suffixes play no
great part. A occurs much oftener than ma, and this would
lead us to suppose that the function of the suffixes is one of
emphasizing the category of the affected object, and specifically
of stressing particularization. l
yunBile to wrap, tc’eka to tie: BuD ... yunBilewil, ... fe eil
him-obj. (Categ. B) ... wrapped (Categ. B), . tied (Categ. B).
nigä (neq-) to find: nequwil BuD elin bēsum (they) found
(Categ. B) him-obj. at-the-shore lying-one-obj. (Categ. B).
It is obvious in the examples given that the category of
the noun is also reflected in the accompanying adjectives, de-
monstratives and in the pronouns which represent these nouns.
The process which I have called particularization picks out
an individual in a class of individuals. It makes its distinction
904 D. Demetracopoulou-Lee
within a class. It does not specify the individual as against
members of a different class. The function of differentiating
between classes or between members of different classes is carried
by the disjunctive suffix -Dö(n) (generic) or -Döt (particular).
The following examples will serve to illustrate this type of
contrast:
Dumdédi ... anu Dog, Bel yaBaiDu ...; und yaBaiDuDot
. werilikilak Red-face (a Wintu) grabbed it, they (i. e. he and)
the White-man ...; so the White-man-disjunctive (i. e. not the
Wintu) carried it home.
Bi Dep'urum usadot hina gewel. uD Bi eleu henmina, e Det
they several-disjunctive (i. e. the rest of them, the not killed)
arrived home. And he did not arrive, the one (of a number of
brothers who go hunting, one is killed by a monster).
Particularization does not distinguish the definite from the
indefinite. For example, we get the following passage in a myth:
k’asttal kendile ukin ttõl Dõnin ., yal p'... niga * asttal
tolDönin bes acorn-shell down-fell in-that cradle-in-disjunctive .. .,
another woman ... found acorn-shell in-cradle which-was. Here the
second k’asttal is obviously definite, yet it occurs in Category A.
With these two negative points cleared, namely, that Category B
does not form a contrast between classes, and that it does not
refer to the „definite“, let us proceed to survey the nouns to
be found in each of the two Categories.
It would be misleading to draw a line between the two
categories and assign a fixed number of nouns to each. Every
particular noun can represent the essence of the genos to
which it belongs, thus forming a generic attributive. Not all
generic nouns, however, can be considered as particular. And
many particular nouns can be treated as generic only when they
stand in the position of an attribute, i. e. when they are stripped
of all delineative significance and have become adjectival. So it
is possible to give an estimate of the nouns which may be ex-
pected to occur usually in one or the other of the categories.
In Category A we find unique objects, mass words, geo-
graphical terms, on the whole, the names of such objects which
need not be particularized or cannot be particularized, for
example: Bom earth, land, holol sunshine, o/DiBas spring, sani
day, k’oltei sky, tciBi night. To this group also belong all verbal
nouns referring to the act (nomina actionis), from which the
name of the agent is differentiated only through particularization.
Noun Categories in Wintu. 205
mineles (generic) dying, death, particular) a dead one, one
who has died: mineles haihaina unanteresken death you liked,
so-you-said. minelesum wine (the) dead-one (he) saw. |
ttumä (ttom-) to carry slung from the shoulder: ttomi the act
of carrying thus, Homit carrier.
p’onöri act of running, p’onörit a runner, a mad fox.
Among nouns representing unique objects are to be found
also the names of body parts’). These can always be parti-
cularized, when referring to different unidentified people or
animals. But when they stand for the unique body parts of a
specific individual, they appear in Category A.
wenemBom waist: xunlaktca wenemBom he put his arms
around his waist.
Deti belly: Deti elp’citcund belly (she) bit-reflexive, she bit
her own belly.
Domoi head, hair: Domoi k’ihunä hair (he) combed-reflexive,
he combed his own hair. niga Domoi kelas (she) found long hair.
sono nose: sono tcubada (the) nose I-drip, my nose runs.
Dum face: Dum p’odäluken (the) face you-might-hurt, you
might hurt your face.
poyog head: poyoqDo wenemharä (his) head went-in.
Dogigi backbone: ei war Dogigi bite him on the backbone!
. teir flesh: agtcund tcir (she) devoured-reflexive flesh, she
devoured her own flesh.
Names of body parts which occur in pairs are usually treated
as generic. This is because they are considered as one whole,
and one of a pair is then referred to as a half. On such occasions,
when I say olp ai, I mean shoulder or shoulders, and when I
want to specify only one shoulder, I say tcan olp'ai half a
shoulder, one-side-shoulder °).
Dole(m) leg: uku DoleDö yunlaktca that (generic) leg-dis-
junctive (generic) (he) embraced, he put his arms around his leg.
Dolem bana leg (she) ate-reflexive, she ate her own leg. elt’ilik ...
DolemDonum bored-revolvingly-into ... leg-disjunctive (Cate-
gory B). tc&ka DoleDö (he) tied (his) leg-disjunctive (Category A).
1) To this the word for heart purus seems to form an exception, since it
often appears in the form of pürum, the object case of Category B. This,
however, may be only an analogy to those nouns of Category A which take
the generic -m.
2) There are rare cases of the occurrence of the names of paired body
parts in Category B. Most often the particularizing suffix is not added directly
to the noun, but to the suffixed disjunctive.
906 D. Demetracopolou-Lee
kuril rib part of the body: kurilum yunbétca ribs-objective
(Category B) bent-inward. kuril yunbétcut ribs (Category A) having-
been bent, having had his ribs bent.
qede arm: BuD tciné gede, olgire him (he) took-hold-of
arm, raised, he took hold of his arm and raised him. muDe
kukup’iwin g’ede (they) felt Kukupiwit’s arm. y’ede heke bimam
arm (Category A) where you-have-it (Category A)?, where is
your arm?
maianag ankle: poltcus elpolica maianagDonum club
clubbed-against ankle-disjunctive-objective (Category B).
puyeq knee: uku puyegDö xunlaktca that (generic) knee-
disjunctive (generic) (he) embraced.
makas thigh: nektcuna makas (he) cut-off (reflexive) (his
own) thigh.
In the second group, that of nouns referring to masses, we
find such words as mém water, nūq smoke, bug‘ pus, yaBaiDu
supernatural power, spirit, yel behind, tus wood, brush for
firewood, po‘ fire (the last two appear occasionally in Category B),
lū rain. Among generic names of geographical features may be
mentioned: iubeg deep pool in a creek, lul pond, yemer trail,
wagaD creek, tc’arau (a) flat, sdwal holy spot, log' shore, tun
slope, tc’eri sand, bukul dust, ashes.
cert wineu har go get sand! Geert tciné g’ayit ieibida sand
to-get travelling I-am. tcali nequma tcarau nice (generic) they-
found-it (generic) flat (generic), they found a nice flat. se iB
bukul (she) flicked-about ashes. mém olg’eBtca water (she)
dipped-up.
On the fringe of this group are found. words referring to
adverbial concepts, such as nor south, wai north, Bui east, nom
west. These are regarded as generic, witness the generic demon-
strative uku which alone among demonstratives can qualify them.
In hara nor uku he went there south, nor is qualified by the
same demonstrative which we find with the generic Dole in uku
DoleDo yunlaktca that leg he embraced, given above.
Manufactured articles are usually to be found in Category A.
Such are: dus dress, famis shoes, fuite bunch of sticks with
which time is kept durmg the singing of girls’ puberty songs,
tuD earth lodge, gewel house, kelekele knife, koBi carrying basket,
hola pipe. u
Among names of types we find words designating a whole
plant or type of tree, while different parts of the plant can be
Noun Categories in Wintu. 207
designated by forming compounds of the word referring to the
type plus that referring to the designated part. For instance,
we have aB elderberry, aB mi elderberry tree, aB loni elderberry
bark, and so forth. In this group we might mention also pronouns
of a generic sort: Be something-unknown, what?, uku that,
henogDi some-unknown-kind-of, what-kind-of?, but these do not
properly belong to the scope of this paper.
Exclusively in Category B, we find nouns referring to
people, including all proper names, and nouns referring to live
animals. Only one exception to this rule has been found in the
texts, and that occurred when particularization would have been
superfluous. It is the following: modumä g’agasDon (he) cured
the-mad-one (generic). It is to be noted, that the disjunctive
suffix -Dön has placed the mad one in a class distinct from that
of the sane ones, the rest of the people’).
So far, we have found that a noun is assigned to one or
other of the categories according to conditions inherent in the
object which it represents. When these conditions are commonly
present, then the noun may be considered as belonging more or
less strictly to one category. We have also seen that some
nouns change their category according to the changing conditions
of the object to which they refer. So a mad girl is referred to
generically. In the same way, a dead animal, when imagined
as a whole, is represented by a noun of Category B, and when
regarded as a kind of flesh it is represented by a noun of Cate-
gory A. Below are given a number of examples from texts
mentioning nop (nöB plus) deer as generic or particular ac-
cording to contingency. It is to be kept in mind that nop is
the subject case of the particular and noBum the object case and
that nöB forms the common case of the generic.
no Bum koduma deer (he) hunted. nöBum ttoma deer (he)
killed. noBum yowuma’a, wine nöBum bohemum (a) deer (he) scared-
out-of-the-bush and saw (a) big deer. noBum mayasDöt deer the-
one-who-tracked. nöBum yuBtcabet'an though-he-shot-at deer.
So far, only live deer have come in question and have been
referred to in the particular in every example. However, even
live deer may be treated as simply representing a genos.
1) It might be contended, that the sick and the mad are regarded as
having lost their spirit or soul, and are therefore considered inanimate, thus
supporting a theory of animate-inanimate distinction. But such is not the
belief among the Wintu. The sick have been shot with spirit arrows. As for
the mad, opinion differs, but agrees in considering them animate.
208 D. Demetracopoulou-Lee
nöB mai wint'an, eleu noB winmina deer tracks though-he-
saw, he-did-not deer (generic) see-not, though he saw deer tracks
he did not see any deer. |
Below are listed a number of phrases where noB occurs,
chosen indiscriminately from texts dictated by men and women.
We notice that every time that hunters carry dead deer home,
slung whole from the shoulder, this is referred to in the par-
ticular, that when women carry deer, cut into pieces in a back-
basket, or when they cook venison, this is considered generic.
haril qewel noBum ttomit (he) carried to-the-house (a) deer slung-
from-his-shoulder. noB harme abames! (-me and -mes are forms
of the generic-applicative -ma) deer carry having-in-a-basket-on-
your-back! (addressed to a woman). suke noB abames (she) stood
deer having-in-a-basket-on-the-back. noB bämä deer (she) fed-
them. noB toma humus deer (she) boiled fat. ndB bawida deer
we-shall-eat. eleu noBum ttomumina unir, eleu noB bämina he-
did-not deer kill-not saying, he-did-not deer eat-not; saying: he
did not kill deer, he did not eat deer. boyum noBum ttomit ...
BuD nöB tläma many deer having-brought-slung-from-the-shoulder
... to-him deer (they) gave-as-a-gift.
Deer, then, as so much flesh, are usually treated as generic,
as a genos of meat. An exception to this is made when the
speaker wants to refer to the flesh of a special deer. One of
the Wintu myths tells how a number of brothers kill deer near
their dwelling and in the evening invite their elder brother to
come and eat of their venison. They say wee noB bawida come,
we shall eat deer (generic). The elder brother, who despises
deer caught near human habitation, fed on human offal, replies
Bu D teenis noBum ba pur man that (partic.) dirty deer (partic.)
eat yourselves! |
A specific instance of change of noun category, corresponding
to change of condition in the object referred to, is found in a
group of nouns where the particularized is a special subdivision
or member of the generic.
sem (generic) is hand, when used in contrast to sem (par-
ticular) or sé or set „finger“.
mai (generic) is foot, when used in contrast to mai (par-
ticular) or ma‘ „toe“.
k’uwil (generic) eyebrow ridge, the whole eyebrow ridge
with hair, kuwit (k’uwil plus‘, particular) eyebrow, hairy part.
Dum (generic) face, Du‘ eye.
Noun Categories in Wintu. 209
nal (generic) shell of acorns, nuts, Hal (al plus‘) mussel.
tc’oDos (generic) acorn bread, £c’oDos (particular) acorn flour
for bread.
_ yiwiD (generic) acorn soup, which with acorn bread formed
the staple food of the Wintu, yiwit (particular) acorn mush.
gewel (generic) house, gewel (particular) woodrat's nest.
yaBaiDu (generic) supernatural being, supernatural power,
vã Bai Du (particular) White Man.
bohem sem big hand, bohe‘ se thumb (big finger).
It is to be noted, however, that in such cases Category B
apparently has not always this meaning. When my informant
wanted to tell me that she had caught her finger — not her
hand — in the door, she said semum Dirawilda. On the other
hand, we find the following sequence in a myth: tc’ubema setk’-
ahayum ... unikila BögaD bana setk’ahayum ... kom semum bana
(she) pricked-with-a-splinter (her) little-finger ... then-finally
she ate-her little-finger ... (her) whole hand (particular!) she ate.
Here, since Category B was not needed to specify the finger,
as setk’ahai has a name of its own, Category B can be used in
referring to the hand.
The above-mentioned type of particularization functions also
when a special aspect is to be brought out of something which
is otherwise regarded as genos or mass. My informant, Sadie
Marsh, asserted repeatedly that pa fire, and eus wood, firewood,
never took the um suffix, in other words, that it was never
particularized. However, both of them appear in a particularized
form in my texts, though only once apiece. When a man goes
fishing at night, and holds a lighted brand in his hand, it is
said: põhum Dowunä (the) fire (particular) (he) held-in-his-hand-
for himself, he held his own light. In another myth, two boys
are sent to get firewood. har wineu ... paqa tc’us go get...
manzanita wood, they are told. They go up the mountain and
call down to ask which manzanita wood they are to bring. The
answer is mis waiélabim BuD weril tcalim pagatc'usum there
further-uphill-north-which-is that (particular) bring (particular-
applicate) nice (particular) manzanita wood (particular).
Finally, there is a large number of non-animal nouns which
ean belong to either category according to individual preference
or even to the momentary mood of the individual. When
EDC Thomas talked to me about flowers, one day, she referred
to them consistently in the particular. ¢tcalim lulim nequwilda,
Zeitschrift für vergl. Sprachf. LXVII 3/4. 14
210 D. Demetracopoulou-Lee, Noun Categories in Wintu.
she said, tc’ ékuwil tc’imakus lulim beautiful (partic.) flowers (partic.)
I-found-them (partic.), let-us-make-a-chain-of (partic.) wild-azalia
flowers (partic.). When I read this to Sadie Marsh she remarked
that EDC liked to put on airs. Yet EDC herself sang a dream
song where flowers were treated as generic. luli haihaina, luli
doyut (I) like flowers, give-me flowers. Harry Marsh, in some
of the dream songs which he sang, represented flowers as particular,
and in other as generic. Unfortunately, I have neglected to take
different recordings of the same song sung by him at different
times, so now it is impossible to determine whether he always
represented flowers as particular in one song, and as generic in
another. |
An interesting sex-differentiation comes into prominence
when weapons and other implements of man are spoken of.
I have two versions of one myth, given respectively by a man
and by a woman. In this there is a passage where a monster-
killer equips himself to deal with the monster and puts his
various implements and weapons into his sack. The woman
refers to them as ,all sorts of things“ and then proceeds to
enumerate them generically. The man speaks of them as put in
one by one and refers to them in the particular: filtkum yamin
elite, unibuha tcayas BaDlüteum elite ... (a) drill (partic.) in-the-
sack (he) put-in, and (a) horn wedge (partie) (he) put-in .. .
We conclude, then, that there are no fixed genders or cate-
gories for the Wintu noun and that Category B is no fixed class,
but merely an instrument for particularization. The particularization
may be applied to set nouns, as by tribal habits; it may be used
on set occasions only, depending on changing conditions; or it
may depend entirely on the attitude of the speaker toward the
object which is represented by the noun in question. We must
speak, then, not of mutually exclusive categories, but of aspects,
present together in each object. We find that tribal usage may
have chosen one of these aspects to be always specified, or that
the aspect is chosen according to the permanent habit or the
fleeting mood of the individual speaker. We should say, then,
that the Wintu noun recognises two aspects in the noun: the
generic and the particular. |
Claremont (California). D. Demetracopoulou-Lee.
eee -
W. Krause, Thrak. “Aowzos (dots) und Alannos. 211
Thrak. “Aownos (&cıs) und Alonxos.
Lat. astur erklärt A. Mayer, o. LXVI 105 aus einem messap.
* asr- > * astr zu idg. aku- * oku- „scharf, spitz, schnell“ ). Vielleicht
ist es erlaubt, zu der gleichen Wurzel den Flußnamen "Aownos
zu stellen. Flüsse mit diesem Namen gibt es an verschiedenen
Stellen, bei einzelnen wird ausdrücklich betont, daß sie durch enge
Gebirgstäler fließen. 1. Kleiner Fluß im Gebiet der Malier. 2. Haupt-
Fluß des südlichen Böotiens. Nach Thuk. II 5, 2 trocknete er im
Sommer häufig aus, schwoll jedoch nach Regenglissen gefährlich
an. Bei Strabo IX 404 wird die Gegend an seinem oberen und
mittleren Lauf Lacaoumia genannt. 3. Hauptfluß von Phliasia
und Sikyonia. 4. und 5. Bäche auf Agina und Paros. 6. Neben-
fluß des Lykos. Außerdem heißt so eine Stadt der Eleutherolakonen,
deren Namen auch als AownoAıs (<< ‘Aowndnodts) überliefert wird,
Endlich noch ein böotisch-phliasisch-sikyonischer Flußgott, der von
den Platäern als alter König ihrer Stadt gefeiert wurde ).
Aus diesen sachlichen Gründen halte ich die bisherige Er-
klärung von Aownog zu doc als „Schlammfluß“ nicht gerade für
wahrscheinlich. Denn Gebirgsbäche führen wohl kaum so viel
Schlamm, daß aus dieser Tatsache ihre Bezeichnung stammen
könnte. Dazu kommt noch die morphologische Schwierigkeit, daß
der Schwund des in doc (aus idg. * gsi- nach Walde-Pokorny I 324)
in der Komposition auffällig ist). So besteht keine Schwierigkeit,
den ersten Bestandteil von “Aowzos as- als einen am ehesten wohl
thrak. Reflex von idg. at „spitz, scharf, schnell“ zu betrachten.
Es wird auch erlaubt sein, dabei an Namen wie Assarakos, Asso-
paris, die Ortsnamen Asseria, Assinone und den sizil. Flußnamen
Assinaros zu denken‘), deren rein illyr. Herkunft ja in Frage
steht. Für doss selbst möchte ich die herkömmliche Bedeutung
„Schlamm“ nicht als feststehend annehmen. Das Wort kommt
nach Liddell-Scott nicht sehr häufig vor. Homer Il. G 321, Nicander
Theriaca 176, Chariton 2,2. An den beiden letzten Stellen kann
man die Bedeutung „Schmutz“ 6unos, wie die Schol. zu Nic. er-
klären, wohl annehmen. Anders verhält es sich mit der Iliasstelle:
1) Die gleiche Entwicklung sr > stur darf man vielleicht in dem Flußnamen
Stara sehen, eventuell ausidg.*srya. Vgl. Verf., Commentationes Vindobonenses III
(1937) Die Namen der Etrusker bei Vergil, S. 35 Anm. 20. [Zu aster s. Pisani
o LXVI 256ff.]
*) Vgl. Pauly-Wissowa, RE. II 1705.
3) Vgl. über die Kompositionsfuge Schwyzer, Griech. Grammatik I, S. 447
Zus. 1.
) Krahe, Lex. altillyrischer Personennamen 153.
14*
212 W. Krause
BiSff. xad dé pew oérén elldow pauddosıy, Alig yégados nepıyedas
pugiov, oddé ol dort’ énxsorhoovta: Ayasol allkEaı, doe ol dow
zadinegde xadiyw. Hier ist mit dow ganz offensichtlich auf
vand d oοοπ / und zyégadosg Bezug genommen, wie auch der Scholiast
zu Asch. Hik. 32 diese Stelle erklärt. Dort heißt es ac ndda
zéeow id’ Ze docder Jeivaıi. Dies dowde: wird durchwegs als
„schlammig“ übersetzt, obwohl die Scholten schreiben: do@des]
nyniade Gl. wauymdeı. thy yàg yduuov obtws paci» hg A Ü
„Eilvow waudsdors, tóonv ol dos", Hesych erklärt dow G 321: tùy
per’ doredxwy .. Ad Lion und dass mit xóvıs, dowdns Hik. 32 mit
duucöng. Daraus wird ersichtlich, daß man bei dots nicht so sehr
an „Schlamm“ als vielmehr an „Sand“ gedacht hat und daß die
Bedeutung von dos als „spitzer Flußsand, Steingries“ nicht aus-
geschlossen ist. Somit ist die Ableitung von *ak-i-s gegeben, wie
sie in griech. die „Spitze, Stachel“ vorliegt; in dos eine Satem-
Überlieferung, in dxis der Centum-Reflex ').
Den zweiten Bestandteil von Ano -wnos, erklärt Aly,
Gl. V (1914) 72 als suffixales ao zu dy „das Auge“. Richtiger
vermutet wohl Walde-Pokorny 146 nach Fick, BB. XX1161 hier idg.
dy- „Wasser, Fluß“, indem er ö als Resultat der Kontraktion mit
einem auf o- endigenden ersten Glied auffaßt. Vgl. Ivnog,
Fluß auf Delos, I’deywros am Isthmos, übertragen auf Köpwros
(Flußname in Thessalien und Atolien), Merdau (Arkadien, vgl.
Mesapos) und 40 og. Idg. dy- findet sich in diesem Gebiet z.B.
in Ania, alter Name für den Peloponnes, ‘Anıdwv, Fluß in Arka-
dien, ‘Anıdawds, Fluß in Thessalien (bei Herod. VII 196 *Hasdavdc)
und Fluß in der Troas’. “Aowzog ist also wohl ein thrak. Fluß-
name mit der Bedeutung von etwa „Wildwasser“.
Zu diesem ‘Ao- aus al- gehört dann ‘Aowan, Eponyme eines
sikyonischen Flusses, Aowssis, Name für Euboia (hier fanden sich
ja auch die Abanten, deren thrak. Herkunft ich sprachlich zu er-
weisen versuchte), ebenso Name von Phlius, sowie mythologischer
Name für Flußgottheiten: AD Tochter der Pimpleis in Pierien,
1) Die Beziehung zu lat. sentina u.a. bei Boisacq, Dict. ét. 87 wird hier-
durch hinfällig; ebenso idg. "gsi als Grundform Walde-Pokorny a. a. O. I 324.
Es scheint mir auch wahrscheinlicher zu sein, den maked. Flußnamen °A$:6s hier-
her su stellen als ihn als den „dunkelfarbigen“ zu deuten.
*) Jokl, Ebert RL. XLII 285 weist auf das Schwanken von idg. ö im Thrak.
als o und a. Vielleicht ist dies auch hier in dy zu sehen, so daß die Formen
auf oog auch auf *-op- < *ap- zurückgehen können. Die Länge aus der oben
angegebenen Kontraktion.
D Vgl. a.a. O. 8. 32f.
Thrak. “Acwzos (docs) und Alonnos. 213
and endlich Aownddwoeos und Aoœhu,õ, e, Personennamen, die in
Attika, Böotien und Argos zum Teil schon aus alter Zeit belegt
sind. Auf weitere Zusammenhänge soll hier in dieser kurzen Notiz
nicht eingegangen werden, da sie eine breite linguistische und
historische Beweisführung erforderten.
Nur doagov „Haselwurz“ möchte ich noch als thrak. aus *ak-
aro-m erklären; Plinius N. Hist. XXI 30 betont ausdrücklich, daß
diese Pflanze damals besonders in Thrakien gefunden wurde,
Die Bezeichnung als „Spitze“ könnte von den Blättern kommen,
eher aber von dem scharfen Aroma (vgl. Plinius XII 47 über
eine als asarum bezeichnete Pflanze).
Ganz zu trennen von “Aowzos ist Alonnos, wenn auch Gruppe)
vorbehaltlich eine solche Erklärung von Aionzog für möglich hält
Es ist jedoch äußerst schwierig, absolut zwingende Gleichungen
von ais-as zu finden’), und eine Durchsicht der Eigennamen wie
der Appellativa unter diesem einzelnen Gesichtspunkt läßt im
einzelnen andere Möglichkeiten offen. Bechtel, Die hist. Personen-
namen der Griechen 29, führt unter dem Stichwort alsa eine
ganze Reihe von Personennamen an: Aioa-yéyns, Aydgaıoos, Aa-
wasoldas, Aloolò ys, Ao und unter ařoros: Aloıdöns bòot. Holodog,
Aiolas, Alorog, Aiciwv. Eine Erklärung von Alonmog in diesem
Sinn ist nun wohl bedeutungshalber nicht möglich. Viel näher
dürfte die Erklärung bei Pape, Griech. Eigennamen 40 als „Ehren-
ström“ dem Wahren kommen, indem er ganz richtig in oo das
idg. dy- „Wasser, Fluß“ vermutet. Das 5 ist durch den Einfluß
der geschlossenen Aussprache von d in Kleinasien zu erklären,
und man könnte an das Lykische denken), wenn Gruppes a. a. O. 313
Anm. 14 ausgesprochene Vermutung, daß am Aisepos Reste der
Lykier saßen, zu Recht besteht. Den ersten Bestandteil Aic- er-
klärt Pape vielleicht unter dem Eindruck der Etymologie von
griech. iegdg und ahd. era, idg. *aizu- (vgl. dazu Boisacq 368 s. v.
izgdc), die jedoch nach Kretschmer, Gl. XI (1921) 280 kaum halt-
bar ist).
Um klarer sehen zu können, müssen wir die in Frage kommenden
Namen überblicken. Zunächst Alonzog selbst: 1. Fluß in Mysien;
!) Griech. Mythologie und Religionsgeschichte 309 Anm. 2.
) Vgl. V. Georgiev, Die Träger der kretisch-mykenischen Kultur, ihre
Herkunft und ihre Sprache, Annuaire de lUn. de Sofia Fac. Hist. Philol. Tome
XXX 4, I. Teil, S. 115.
) Vgl. Kretschmer, Gl. I 32; XXVIII 243.
*) Vgl. auch Specht, o. LXVI 68.
214 W. Krause, Thrak. "Aownos (dors) und Alonxos.
2. Troer. Aioros: 1. Fluß in Bithynien; 2. Epiklesis des Poseidon
auf Delos, wo ein leoeòg did Blov des Poseidon-Aisios genannt
wird’); 3. Athener. Alo: 1. Stadt in Thessalien, auch Aicw-
vla, Alowvis; 2. kleiner Fluß im südlichen Makedonien; 3. Vater
des Iason; 4. Tegeat; 5. Vasenmaler. Alsa: thrak. Stadt. Aiodun:
1. Stadt in Thrakien; 2. alter Name von Epiros. Aloaxos: 1. Sohn
des Priamos; 2. Anführer der Zentauren. Die italischen Anklänge
lasse ich aus den oben angeführten Gründen beiseite. In all
diesen Namen ist es wohl erlaubt, die Wurzel *eis- „sich heftig,
schnell, ungestüm bewegen“ zu erkennen, die ja bekanntlich zur
Bildung einer Reihe von Flußnamen verwendet wurde. Ob wir
allerdings von *eis- auszugehen haben und in or die offene Aus-
sprache des idg. e wie Néotos: Ndoros*) annehmen müssen oder
von *ois- und nach idg. ö > partiell thrak. a ein *oi > ai, möchte
ich nicht zu behaupten wagen. Für letzteres spricht, daß die ge-
nannte thrak. Stadt Alodun auch Olouun heißt und Suidas ihre Ein-
wohner Qiovyaio: nennt. Der Bedeutung nach ist dann Alonnos
ebenfalls „Wildwasser“ wie auch Alorog und Alochv.
In den Ortsnamen Aloa und Aioöun ist bereits die häufige
Bedeutungsentwicklung von *eis- zu „gesund, stark, fest“) anzu-
nehmen, und wir können sie als die „Feste“ migyoc auffassen,
eine Bedeutung, zu der bereits 1856 Muys, Griechenland und der
Orient 16, allerdings vom Phönizischen aus, gekommen ist. Daß
im Griech. nun in Eigennamen dieses thrak. *ais- „stürmend, stark“
mit dem zwar alten, aber wohl echt griech. aloa „Teil; Schicksal“ zu-
sammenfiel und so gedeutet wurde, ist weiter nicht verwunderlich.
Die Feststellung der einen oder anderen Bedeutung in Eigen-
namen dürfte sehr schwer fallen. Hingegen scheint mir die Deutung
von aicddwy „Falkenart“ und oiodgoeg: etò og tégaxoc als „der
Hurtige, Stößer“ aus thrak. *ais-aros erlaubt zu sein. Bedeutungs-
mäßig trifft sie mit der von Kretschmer, Gl. XI (1921) 281
aufgestellten überein, nur soll hiermit auch der Versuch gemacht
werden, das *ais- zu erklären. Ebensowohl aioaxos, der nach
dem Bild bei Ovid ein „Taucher“, aber nicht, wie die Wörterbücher
angeben, „ein sprechender Vogel wie eine Elster“ ist‘).
Wien (z. Zt. im Felde). Wilhelm Krause.
1) Wenzel in Pauly-Wissowa I 1085.
2) Jokl, Ebert RL. XIII 285. 3) Walde-Pokorny I 106.
t) Griech. aloaxos: 6 vis Ödpvns xAdédos, dv xaréyovtes Öuvovv tods Jeg.
Hes. — nach Boisacq unerklärt — gehört als „Lebensrute, Mai“ (M.P. Nilsson,
Gesch. d. griech. Rel. I 112, Anm. 6) ebenfalls hierher.
M. Leumann, zeilen „kastrieren“ und sanare „kastrieren“. 215
heilen „kastrieren“ und sanare „kastrieren“.
Die beiläufige Notiz von Schwyzer o. XLVI 7“ „Für ka-
strieren liegt ein einheimisches Wort in heilen mit unsicherer
Deutung vor (Schw. Idiotikon II 1 145ff.)“ gibt mir Veranlassung
zu ein paar Bemerkungen. |
Diese Verwendung des Verbums heilen oder von Ableitungen
desselben ist im deutschen Sprachgebiet nach den Dialektwörter-
büchern ziemlich weit verbreitet, beispielsweise in Nachbarschaft
der Schweiz in Schwaben, Bayern, Tirol, aber auch nördlicher
bis ins niederdeutsche Sprachgebiet. Neben den Angaben des
Idiotikons mögen hier Verweise auf das Grimmsche Wörterbuch
IV 2, 825 und auf O. B. Schlutter, Anglia XXX (1907) 131 ge-
nügen. — Schlutter selbst verdeutlicht damit einen. Beleg aus
dem Altenglischen für haelan „kastrieren“, den einzigen bisher
bekannten, den von daher Bosworth-Toller 496 entnommen hat.
Mit den germanischen Sprachen gehen die romanischen zu-
sammen: sanare „kastrieren“ (Meyer-Lübke, REW. nr. 7566) ist
auch in der südlichen Nachbarschaft der Schweiz gut bezeugt,
als lomb., piem., engad., ferner abruzz., piazz., neuprov., berrich.
Im Schriftitalienischen gilt es als veraltet; aus dem Altfranzösi-
schen gibt Godefroy s. v. sener genügend deutliche Belege; vgl.
auch D. Behrens, Beitr. zur frz. Wortgesch. u. Gramm., 1910, 241
(gleich Ztschr. Rom. Philol. XIV [1890] 364). Über die offenbar
nur mehr geringe heutige mundartliche Verbreitung in Nord- und
Suditalien und Sardinien unterrichten im Sprach- und Sachatlas
Italiens und der Südschweiz (AIS.) von Jaberg und Jud (Band VI)
die Erläuterungen zu den Karten 1089 „Schweine kastrieren“,
1069 „kastrierter Schafbock“, 1080 „kastrierter Ziegenbock“, 1088
„kastrierter Eber“.
Damit ist jeder Versuch, das deutsche heilen „kastrieren“ vom
geläufigen Verbum heilen „gesund machen“ (und „gesund werden“)
zu trennen, gerichtet, beispielsweise die im Idiotikon versuchte
Ansetzung einer älteren Bedeutung „reinigen“ aus noch älterem
„brennen“. Das deutsche heilen „kastrieren“ ist eine Lehnüber-
setzung aus mittellat. sanare „kastrieren“. 1
Die Technik des Kastrierens von Tieren ist in Rom seit
früher Zeit bekannt: der Ausdruck hircum castrare steht bei Plautus
Merc. 272 u. 275; über die Kastration von agni, verres, vituli, equi,
catuli canum und galli, also ungefähr von allen Haustieren, aus-
genommen die gerade bei Plautus indirekt erwähnten Ziegenböcke,
spricht Varro an den einschlägigen Stellen seiner Schrift de re
216 M. Leumann
rustica: II 2, 18. 4, 21. 5, 17. 7, 15. 9, 14. III 9, 3 (vgl. auch The-
saurus linguae Latinae 8. castrare); die Prozedur beschreibt am
genauesten Columella 6, 26; geläufig sind für kastrierte Hengste,
Eber, Hähne die Fachausdrücke cantherius, maialis, capus (Varro
rust. II 7,15); caballus „kastriertes Pferd“ ist zu erschließen aus
Martial I 41,20. Die Germanen lernten diese Sitte wahrscheinlich
von den Römern. — Die Kastration von Menschen ist in Baby-
lonien sicher seit dem dritten Jahrtausend im Tempeldienst getibt,
und von da etwa in hellenistischer Zeit nach Griechenland und
weiter nach Rom gekommen; man denke an die galli, die ver-
schnittenen Priester in Catulls Attis-Gedicht 63 (mit dessen Vorbild
bei Kallimachos) oderin Varros Menippeen 132 u. 150. Doch ist das in
unserem Zusammenhang nebensächlich. — Zur Kastration im Alter-
tum s. E. Maass, Rh. Mus. LXXIV 432ff. u. F. Specht, o. LX VI 4—8.
Der Fachausdruck ist bei Tieren immer castrare; daneben
stehen urere oder excidere, exsecare und ähnliche Verben. Dagegen
sanare ,kastrieren“ scheint im Altertum nicht belegt zu sem;
jedenfalls die Mulomedicina Chironis, in der man es zuerst sucht,
hat es nicht, wie sich aus Oders Wortindex sicher feststellen läßt.
Die Vermittlung der Bedeutungen „heilen“ und „kastrieren“ läßt
sich also nicht aus der Überlieferung ablesen, sondern nur durch
Vermutung gewinnen.
Auf den ersten Blick ist die Bedeutungsentwicklung von
„heilen“ zu „kastrieren“ sicher befremdlich; sie kann nur ent-
weder an die Operation selber bis zur folgenden Heilung oder
aber an die mittelbaren Folgen der Operation geknüpft sein.
Für den ersteren Fall zitiere ich aus dem Schwd. Idiotikon
die Erklärung von Schmeller: „Schm. denkt [für heilen] an die
auf das Kastrieren folgende Heilung der Wunde“; anders faßt
die Sache Behrens a. a. O. 242 „eine Bedeutungsänderung von
„heilen, pflegen“ (zu „operieren“ und weiter) zu „kastrieren“
dürfte nicht zu gewagt erscheinen“. Bei der letzteren Erklärung
vermißt man zweifellos das Zwischenglied in der allgemeineren
Bedeutung „operieren“. Bei der ersteren könnte man daran er-
innern, daß die Operation eine gewisse Vorsicht und eine sorg-
fältige Nachbehandlung für die Verheilung erforderte, wie etwa
die Beschreibung bei Columella lehrt. Man könnte dabei auch
wohl an euphemistische Umschreibung denken; freilich gewinnt
man aus Varros Behandlung nicht gerade den Eindruck, daß für
jene Zeiten beim Kastrieren von Tieren ein Bedürfnis nach ver-
hüllender Ausdrucksweise bestand. — Mir wirkt keine dieser
beiden Verknüpfungen sehr überzeugend.
heilen „kastrieren“ und sanare „kastrieren“. 217
Die im richtigen Zeitpunkt vorgenommene Kastration von
Haustieren hat aber auch mittelbare Folgen, die für den Menschen
als Tierhalter sehr wesentlich sind, und um derentwillen er sie
allein vornimmt. |
Die eine Folge betrifft besonders die kleineren Haustiere
(Widder, Eber, Hahn): durch die Kastration wird, worauf übrigens
die altfranzösischen Belege ausdrücklich hinweisen, das sonst un-
genieBbare Fleisch erwachsener Tiere genießbar, und es bietet
sich die Möglichkeit der Mästung der für den Fortpflanzungs-
und Züchtungsbedarf überzähligen männlichen Tiere. Wollte man
hier die Erklärung vermuten, so müßte man offenbar in sanare
porcum „ein Jungschwein heilen“ eine Metapher sehen für „ein
Jungschwein (durch Kastration) für menschlichen Genuß geeignet
machen“. Eine solche Annahme ist recht unglaubwürdig, zumal
ja sanare „heilen“ daneben immer lebendig blieb.
Die andere Folge wird besonders an den großen Haustieren
Hengst und Stier augenfällig, es ist die Besänftigung der ur-
sprünglichen Wildheit. Wieder aus dem Idiotikon zitiere ich:
„andere fassen die Brunst als eine Art Krankheit auf, von der
die Tiere durch Verschneidung geheilt werden“; aber an die Auf-
hebung der Brunstwildheit darf man bei dieser Heilung sicher
nicht denken, denn die galt nicht als Krankheit. Hengste und
Stiere sind nur zur Fortpflanzung zu verwenden, kaum jedoch
wegen ihrer Unlenksamkeit zu Arbeitszwecken als Reit- oder Zug-
tiere. Für die Pferde sagt es Varro ausdrücklich, rust. II 7, 15
ut ibi ad castra habere volunt acres, sic contra in viis habere ma-
bunt placidos; propter quod discrimen maxime institutum est ut ca-
strentur equi; demptis enim testiculis fiunt quictiores „für den Kriegs-
dienst will man wilde Pferde, für den Verkehr auf Straßen lieber
sanfte: wegen dieses Unterschiedes ganz besonders hat man die
Kastration eingeführt, denn durch Wegnahme der Hoden werden
sie ruhiger.“ — Nun ist der Fachausdruck für Tiere (und Men-
echen), die durch ihre Wildheit unbehandelbar sind, insanus mit
insanire und insania. Zwar kenne ich diese Ausdrücke nur in
Anwendung auf krankhafte Wildheit von Tieren, Chiron mulom. 295.
ut fiat insanus simile rabioso, vgl. auch 276; Veg. mulom. 2, 6, 12.
Doch scheint es mir gegeben, daß man auch die von Natur wilde |
Gemütsart der Hengste und Stiere als insania bezeichnete. Also
hier, im negierten in-sanus „wild“, scheint mir der Ankntipfungs-
punkt für sanare „kastrieren“ zu liegen: ich fasse es als eguum
naturals virilitate insanum castratione sanum reddere.
Ziirich. | M. Leumann.
218 W. Kaspers, Die Waffenbezeichnung cateia.
Die Waffenbezeichnung cateta.
In einem Aufsatz der Zeitschrift für Ortsnamenforschung
(XIII 213ff.) erschloß ich aus Orts-, Flur-, Gelände- und Sachnamen
für kat(t)- die Bedeutung „Winkel, Biegung, Krümmung“, und
knüpfte unter allem Vorbehalt den Namen der Katze als „Tier
mit dem krummen Rücken“ an denselben Stamm an.
Das Wort cateia bestätigt meine Etymologie. Es kommt beı
Vergil, Aeneis VIII 741 vor, der von den Bewohnern der Stadt
Abella sagt: Teutonico ritu soliti torquere cateias. In den Wörter-
büchern wird es gewöhnlich mit „Wurfspieß* oder , Wurfkeule“
übersetzt. | |
Nun hat L. Franz, Alteuropäische Wurfhölzer, Festschrift f.
P. W. Schmidt, Wien 1928, nachgewiesen, daß es sich um eine
bumerangähnliche Waffe handeln muß. Er stützt sich dabei u. a.
auf die Stelle des Isidorus Hisp. (Origines XVIII 7): (cateia) est
enim genus Gallici teli, ex materia quam maxime lenta, quae iacta
non longe propter gravitatem evolat, sed quo pervenit, vi nimia
perfringit; quod si ab artifice mittatur, rursus redit ad eum
qui misit. Auch Vergils Kommentator Servius hatte eine Ahnung
von der Handhabung der Waffe, nur daß er sich ihren Rückflug
ohne Hilfsmittel nicht vorstellen konnte: . . quam in hostem iacu-
lantes lineis, quibus eam adnexuerunt, reciprocam faciebant.
Das Charakteristikum bumerangähnlicher Wurfhölzer ist die
Krümmung. So wird der Bumerang der Eingeborenen Australiens
als eine aus hartem Holz bestehende etwa 60 cm lange Schiene
beschrieben, die, seitlich abgeflacht, in der Mitte knieartig ein-
gebogen ist. Nach Silius Italicus, Punica III 277, ist die cateia
eine gekrümmte Waffe: panda manus est armata cateia. Vgl.
homo pandus „Mann mit dem Katzenbuckel“ bei Quintilian.
Zweifellos ist cat-eia „die krumme (Waffe)*. Das Wort reiht
sich zwanglos in die von mir herangezogenen Orts- und Sach-
namen: Kat-wik (heute Kettwig a: d. Ruhr), Kat-wijk (Holland),
Kait-hagen, -sund, -repel usw. Mit Recht lehnt Walde-Hoffmann,
Lat. etym. Wb. s. v. die Verknüpfung mit Kelt. katu- „Kampf“
als zu farblos ab. Pokorny, Z. f. celt. Phil. XX 428, stellt das
Wort zu mir. caithid (*katejeti) „verbraucht, wirft, muß“. Selbst
wenn man „wirft“ als ursprünglichen Sinn des Verbs gelten läßt,
ist angesichts der vielgestaltigen Wurfwaffen der Alten diesem
Etymon auch. keine charakteristische Färbung zuzuerkennen.
Die reiche Mannigfaltigkeit der kat- Namen auf germanischem
Sprachgebiet (worüber ich meinen oben genannten Aufsatz nach-
Fr. Specht, Griech. ded. 219
zulesen bitte) veranlaßte mich, das Wort für germanisch zu halten.
Nun spricht Vergil von Teutonico ritu, nach Isidorus nennen
die Spanier und Gallier diejenigen, die die cateia zu werfen ver-
stehen, „Teutonen“, Servius übernimmt aus Vergil Teutonicum
ritum, während der Zusatz eines Interpreten seines Vergil-
Kommentars aus dem 10. Jahrh. (Cod. Turonensis) geradezu sagt:
Cateia autem lingua Theotisca hastae dicuntur, was mit Aelfrics
{angels. Bischof des 11. Jahrh.) Erklärung übereinstimmt: Clava
vel cateia vel teutona „anes cynnes gesceot“. Das Wort scheint
also in der Tat germanisch zu sein, wenn auch die Sache nach
den klassischen Autoren vorzugsweise den Galliern eigentümlich
gewesen sein soll. Ja, einmal wird es sogar als persisch gebucht
(vgl. den Artikel im Thesaurus). Wort und Sache haben einen
ziemlichen Bereich, ähnlich wie der Tiername „Katze“, der ja auch
den Germanen, Römern, Galliern, Orientalen u. a. bekannt war.
Diese merkwürdig weite Verbreitung von kat- zu erklären,
scheint mir folgende Möglichkeit gegeben. Cat-eia enthält ein
Suffix, das zur Bildung illyrischer Ortsnamen, wie z. B. Aquileia,
dient. Gerade in neuester Zeit sind enge Beziehungen zwischen
germanischer und illyrischer Bevölkerung festgestellt worden,
archäologisch z.B. durch A. Krebs in Eberts Reallexikon XIV 1929
in dem Artikel über Westfalens Vorzeit, sprachlich durch Pokorny,
Die illyrische Herkunft der -apa-Namen (Mélanges Holger Pedersen
Aarhus 1937, 541 ff.) ). Wir dürfen annehmen: 1. kat- ist germanisch
und wird durch illyrische Vermittlung verbreitet; oder 2. kat- ist
vorgermanisch (illyrisch) und hat als germanisches Lehnwort zu
elten.
S Bei dieser Sachlage glaube ich nun mit voller Sicherheit dem
Tiernamen „Katze“ dieselbe Herkunft zusprechen zu können,
wie dem Gisa men Kat-wik oder dem Sachnamen cat-eia.
Mülheim (Ruhr). W. anne
Griech. ded.
Wegen prakr. aviha = skr. abhidhava (o. 190f.) sei an das ver-
wandte griech. ded: deögo, toéye Hes. erinnert, das man nicht
mit W. Schulze, qu. ep. 388,3 und E. Schwyzer, Griech. Gramm. 798
als athematische Bildung aufzufassen braucht. Da beiden Wörtern
der Sinn „hierher“ anhaftet, kann Kürzung wegen Funktionslosig-
keit vorliegen. Vgl. dazu auch griech. nab statt nade (Wacker-
nagel, Glo. VII 223, 1).
Breslau. | Fr. Specht.
1) Vgl. dazu Zeitschr. f. Ortsnamenforschung II 1926, S. 71ff. (Controverse
über die apa-Frage), wo ich schon auf die Möglichkeit illyrischer Herkunft dieser
Namen hinwies.
220 A. Jéhannesson
Isländische Beiträge zum indogermanischen Wörterbuch.
1. Idg. ad- „fallen“ (W.-P. 1339): isl. hjadna „hinschwinden,
verringern, verschwinden“, hjadn n. „Schnee der zerschmilzt“.
Es liegt nahe, an die Wz. kad- zu denken, vgl. lat. cado, -ere
„fallen“, armen. cacnum „fallen, niedrig werden“. Indessen kommt
shetl. jada und hjad „toter Körper, mageres lebendes Wesen“
vor, das von Jak. Jakobsen in seinem Shetl. Wb. 299 in Verbindung
mit norw. eta, etur „Lockspeise“ gesetzt wird. Vielleicht gehört
das shetl. Wort zum isl. hjadna.
2. Idg. gar- „hart“ (W.-P. I 354): isl. hranalegr „ barsch, rauh,
rücksichtslos“, krani m. „ungestüme, rauhe Person“; entspricht gr.
zçavaós „hart, rauh, felsig“.
3. Idg. ghet- „Schaf“? (W.-P. 1 384): isl. héda f. „Schaf, Schafs-
kopf“ (im Isl. wurde hed- > hed-, vgl. z. B. Hedinn > Hédinn). Es
ist recht eigentümlich, daß man diese Wz., die nur aus mir. cit,
seinat „Schaf“ und arm. zoj „Widder“ bekannt sind, im nisl. Wörter-
buch von Blöndal wiederfindet. |
4. Idg. ghneus- (W.-P. 1585): isl. njöori m. „eine Art Fuß-
krankheit“, njérafotr „Klumpfuß*. Dieses Wort kommt zuerst im
Wörterbuch von Björn Halldörsson (Lexicon islandico-latino-dani-
eum, Kopenh. 1814) vor und wird übersetzt mit „affectio pedis,
abi talus et tarsus cum metatarso et digitis pedis, in unum glo-
bosum os concreti sunt, unde vestigium formatur rotundum“; zu
vergleichen ist gr. yvadw „schaben, kratzen, abnagen“, yvavęóg
„leckerhaft“, xvöos, xvoög „das, was abgekratzt werden kann“,
ferner lit. gniasai „Geschmeiß, Ungeziefer“. Zur Nebenwurzel
ghneudh- gehört gnjédi m. Bezeichnung der Saat (in Snorris Edda
unter sdda heiti), mit der ursprünglichen Bedeutung „das Zer-
riebene“.
5. Idg. ger- „harren, hoffen“? (W.-P. I 411): isl. kara und
hjara „das Leben fristen“, dazu hjarna „aufleben, zu Kräften
kommen“, hjarga „einen aufmuntern, erfrischen“, vgl. lett. ceré
„meinen, vermuten, hoffen“, nhd. harren.
6. Idg. (s)k(o)reu-, (s)k(o)rau- (W.-P. 1417) als Erweiterung
der Wz. ker-, kor- kr- ,Schallnachahmung für heisere Töne“;
isl. hraunsna „krähen“, vgl. lit. kriunù, ti „viel und schwer
‚husten, ohne genügend aufhusten zu können“, vgl. ferner norw.
dial. skrynja „Geräusch machen“ und isl. hrynja „cum strepitu
decidere“.
7. Idg. greu-, grews- „Eisscholle“ usw. (W.-P. I 478): isl. hret
Isländische Beiträge sum indogermanischen Wörterbuch. 221
n. „zerstreute Eisschollen, Eisbrocken“. Die nächsten Verwandten
scheinen zu sein gr. xedos „Frost“ und lit. xrusd „Eisscholle“.
8. Idg. gher- „greifen, fassen, umfassen“ (W.-P. I 603): isl.
‚gera f. „Schaffell mit der Wolle darauf“ (vgl. geru-skinn), vgl. gr.
x6gsov „Nachgeburt, aus Milch und Honig bereitete Speise, Haut,
Leder“.
9. Idg. *ghou-ros „furchtbar, voller Furcht“ (W.-P. I 636): isl.
gaurr m. „erbärmlicher Mensch“ (vgl. die Zitate in Fritzners Wb.),
nisl. gaurildi n. „Schlingel“, gauragangr „Lärm, heftiges Auf-
treten“, gaurast „an etwas mit Mühe, Beschwerde arbeiten“;
vgl. hiermit ai. ghörd- „furchtbar, grausam, böse“, got. gaurs
„betrübt“, ahd. gérag „elend, arm, gering“. Unsicher ist der Ur-
sprung der nisl. Bedeutung von gaurr „langer Kerl, Stange,
dicker Nagel“ (Torp, Nynorsk etymol. Ordbog 176 vergleicht norw.
dial. gorre „kleiner Knabe“, schw. dial. gärre, gurre (dazu gosse <
gorr-si), engl. girl und weiter ai. hrasvd- „kurz, klein“, idg. gher-
„kurz, klein“, vgl. W.-P. I 604).
10. Idg. greut- „drängen, zusammendrücken“ (W.-P. I 650):
isl. udumkrad n. „Gewimmel“, ist zusammengesetzt aus te
und krid, vgl. norw. dial. kroda seg „sich „zusammendrängen“,
kroda f. „dichter Haufen“, shetl. krodni dass., vgl. engl. croodle
und curdle „zusammenhäufen“.
11. Idg. pel- in Wörtern für „Sumpf“ (W.-P. II 55): isl. fjalfr
n.; dies Wort kommt vor im Gedichte Haustlong (ca. 900), Str. 18:
Fjorspillir let falla
fjalfrs dldgra gjalfra
bolverdungar Belja
bolm d randar holmi
== Fijorspillir bolverdungar Belja lét bolm fjalfrs ölägra gjalfra
falla & randar holmi.) Die Form fjalfrs ist gesichert durch die
Alliteration und durch den Reim mit gjalfra; da gjalfr und gjalfra
immer vom Meeres- oder Wasserbrausen verwendet wird, muß
Jalyr etwa „Wasser“ bedeuten (öldgra gjalfra „mit lautem Brausen“)
und es liegt daher nahe, fjalfr mit idg. pel- „Sumpf“ zu verbinden,
vgl. ai. palvaldm „Teich, Pfuhl“, lat. pals, -üdis „Sumpf, stehendes
Wasser“; hierzu stellt man auch als „sumpfliebenden Baum“,
ahd. fel(a)wa „Weide“, nhd. felber. Finnur Jónsson in Lexicon
poeticum stellt unrichtig fjalfr zu fela „verbergen“ (also „Zu-
fluchtsstelle“), es muß „Wasser“ oder ähnliches bedeuten. In
pörsdräpa, Str. 20 kommt die Form undirfjalfrs in einer bis jetzt
unerklärten Verbindung vor.
222 A. Jéhannesson, Isländische Beiträge zum indog. Wörterbuch.
12. Idg. pin- „Holzstück* (W.-P. II 71): nisl. fina f. „fettes
Stück Fleisch“, kommt zuerst im Wb. von Björn Halldörsson vor
und wird mit „pingve frustulum carnis“ übersetzt, vgl. ai. pinaka-
m. „Keule, Stock“, gr. ziva, -axos „Sparren, Balken“ und abg.
pond m. „Baumstrunk“.
13. Idg. meit- „fett, mästen“? (W.-P. II 247): nisl. meid f.
„das Fetteste vom Speck des Walfisches“; muß zu idg. meit- ge-
hören, vgl. ir. maith „Fett“, apr. maitā „nährt* usw.
14. Idg. mela*dh- „Erhöhung, Kopf“ (W.-P. II 295): nisl.
mjalli m. „Verstand“, besonders in der Redensart hann er ekki
med öllum mjalla „er ist nicht bei vollem Verstand, in seinem
Kopfe wackelt eine Schraube“, vgl. besonders breton. melle „fon-
taine de la tête, sinciput“, mellenn an penn, mellez „la suture de
la tête“ (Johansson, o. XXX 449 Anm. 1, zitiert bei W.-P.).
15. Idg. mel- „Glied“ (W.-P. II 293): isl. malar f. Pl. „Kreuz
am Körper“ (zuerst in Skidarima, ca. 1400, vorkommend); Bj. Hall-
dörsson Übersetzt: „os innominatum, os coxae boum et ovium“
(nisl. Form malir). Vgl. z. B. ai. märman- n. „Glied, offene un-
geschützte Körperstelle“, lett. melmeni „das Kreuz am Körper“.
16. Idg. neug- „dunkel, undeutlich“ (W.-P. II 324): nisl. njorunn
f. „die Nacht“ (njérunnardrop „Samenfluß“). Muß zu neug- ge-
hören, vgl. lat. nuscitiones „caecitudines nocturnae“, nuscitiosus „qui
propter oculorum vitium parum videret“, vgl. ferner lit. niūksóti
„im Dämmerlicht, im Dunkel daliegen“, niūkiù, niūkiaŭ, nitkti
„dumpfes Getöse machen“. |
17. Idg. rab- „von ungestümer Wut ergriffen sein“? (W.-P.
II 341): isl. rdpa „in steter Bewegung hin und zurück sein“
(rdp n.), vgl. norw. dial. repa „schnell davon trippeln“. Torp in
seinem Nynorsk etymol. Ordbok vergleicht (nach Roß) norw. dial.
ripa „sich beeilen“ (das sicherlich nisl. hripa ist „etwas in Eile
machen, besonders schreiben“). Eher ist an idg. rab- „von Un-
gestüm ergriffen sein“ in lat. rabies „Tollheit“, rabio, -ere „wüten“
zu denken. Isl. ráta „herumirren“ wird als Lehnwort aus afrz.
raver, rever „herumirren“ (nfrz. réver „träumen“) betrachtet,
woraus mhd. reben „träumen, verwirrt sein“, vgl. holl. reveten und
mndl. mnd. regen „närrisch sein, sich verreden“. Wahrscheinlicher
ist, daß ráfa mit rdpa ursprünglich verwandt ist und daher rab-
neben rabh- anzusetzen ist (man könnte auch an Verwandtschaft
mit idg. rebh- „sich bewegen, spielen“ denken).
18. Idg. reir- „beben, zittern“ (W.-P. II 349): isl. rira „röcheln“
(rirar 4 barka [in der Kehle], in einem anonymen Gedicht des
12. Jahrh.s).
E. Schwyzer, pesà yvaunınos yévucacy. 223
19. Idg. reubh- Farbenbezeichnung (W.-P. II 360): isl. rjúpa
„Schneehuhn“. Diese Etymologie ist kaum richtig, denn rjúpa
ist nur die Vollstufe zu ropa „rülpsen, aufstoßen“, rypta „sich er-
brechen“ (vgl. W.-P. II 357), ahd. .rofezen „aufstoßen“ usw., es
heißt noch im Neuisländischen von dem männlichen Vogel des
Schneehuhns, daß es ropar; der Vogel wird nach dem Rülpsen
in der Brutzeit benannt, vgl. die isländischen Sprichwörter: halt
lætur! hundunum pd þeir ropa „die Hunde bellen laut, wenn sie
rülpsen“ (Sprichwörtersammlung von Gudmundur Jönsson), „enginn
ropar svangur“ „keiner rülpst, wenn er hungrig ist“, vgl. ferner
das Zitat in Blöndals Wörterbuch: („rjüpkarrinn) (der männliche
Vogel) ... ‚ropadi‘ frá But, hvar rjúpan sæti á eggjunum“ (gab es
durch Rülpsen bekannt, wo das Huhn auf den Eiern brütete);
eine dritte Ablautsform ist endlich raupa „brauten, aufschneiden“
(in übertragener Bedeutung).
20. Idg. leig- und leig- „dürftig, elend, krank“ (W. LP. II 398):
isl. 1é- in lélegr „schlecht, gering, unansehnlich“, lémagna „ent-
kräftet“, Jébarn „Säugling“ und endlich Zéskrápr, m. „schlechte
Haut vom Eishai“ (wird in Riemen zerschnitten und für Schuhe
verwendet). Die Form /é- geht zurück auf urnord. *léhw- (vgl.
z. B. isl. lea > bé „leihen“ < lihwan, got. leikan, nhd. leihen‘),
aus idg. leig- vgl. gr. öAlyos „klein“, Aoıyös „Verderben“, lit. liga
„Krankheit“, lett. liga „Seuche“, vgl. ferner air. Boch „elend, un-
glücklich“. Ein Beweis hierfür ist, daß l&magna und litilmagna
(eig. „der wenig vermag“) Synonyme im Isländischen sind.
21. Idg. &- „planlos umherschweifen, irren; auch geistig irre
sein“ (W.-P. I, 87): isl. álpast, vb. refl. „sich wie ein Narr be-
tragen“, vgl. alpan, f. (in Morkinskinna) „närrisches Benehmen“,
vgl. gr. din „das Umherschweifen“, didouaı, ddalvo „schweife
umher“, vgl. ferner dAöxn „Unruhe, Beängstigung“, Aal „bin
wahnsinnig“, lett. aluöt, aluötiös „umherirren, sich verirren“, lett.
M „halb verrückter Mensch“, äl’uöties „sich närrisch gebärden“.
Reykjavik. Alexander Jöhannesson.
perà yvayıırlor yévucoiv,
So lautet der Ausgang des Verses A416 in der Vulgata. Die
mehrfach bezeugten Varianten YVANT OL, yva(u)nvoios und yévvoiw
deuten auf eine Lesart nerd yvantoio: yévvoiw mit drei Besonder-
heiten, die der Vulgata abgehen. Wie das unmovierteVerbaladjektiv
und an- für -ayz-, ist auch nerd c. dat. altertümlich; zu yE&rdoıv
vgl. Specht o. LIX 222 und Fußn. 2 und meine Griech. Gramm.
1571,8 und Fußn. 3.
Berlin-Dahlem. E. Schwyzer.
2324 W. Krogmann
Got. kaupatjan.
Nach F. Holthausen, Got. etym. Wb. (1934) 56, ist die Herkunft
von got. kaupatjan ,xodapiley, mit der Faust schlagen)“ dunkel.
Was bei S. Feist, Etym. Wb. d. got. Sprache 231*, an Deutungs-
versuchen auch verzeichnet ist, verdient keine Beachtung. Um eine
Ableitung von got. kaupon „handeln“, als die schon J. Grimm,
D. Wb. III 1379, das Wort betrachtete, kann es sich seiner Be-
deutung wegen nicht handeln. Die Begriffe „mit der Faust schlagen“
und „handeln“ lassen sich weder mit Grimm und J. Franck, Anz.
L d. A. XXI 300, durch die Vorstellung „den Handschlag zum
Abschluß des Kaufes geben“ vermitteln, noch ist mit v. Grienberger,
Unters. z. got. Wortkunde 139, wegen ae. cap M. „Vieh, Gut,
Besitz“ und dgl. für kaupatjan eine Grundbedeutung „jemanden
als Ware behandeln, wie ein Vieh mit Stößen und Schlägen an-
treiben“ zu erschließen. Auch eine Entlehnung aus arm. kop‘em
„prügele“ unter Anschluß an kaupon kommt gegen S. Bugge, IF.
V 274, nicht in Betracht. Ganz abwegig ist die von C. C. Uhlenbeck,
Kurzgef. etym. Wb. d. got. Sprache 89, vorgetragene und auch
von Fr. Kluge, Urgermanisch 45f., erwogene Ansicht, daß
‚kaupatjan zu got. haubi5 N. „Haupt“ gehöre und aus einer Sprache
mit vorgermanischem Konsonantismus stamme. Unhaltbar ist end-
1) Die in den Wörterbüchern angesetzte Bedeutung „ohrfeigen“ ist ungu-
treffend. Zwar wird gr. noAagp/Lsıw oft in diesem Sinne gebraucht, doch hat es
auch die Grundbedeutung „mit den Knöcheln der geballten Faust schlagen“ be-
wahrt, woraus auch die allgemeinere Anwendung als „prügeln“ entwickelt ist.
Das Verbum ist von xdAagos „Faustschlag. Ohrfeige“ abgeleitet, das im Dorischen
an Stelle von att. xdvöuios „Knochengelenk der Finger, Faust, Schlag mit der
geballten Faust, Ohrfeige, Knebel, Wulst des Zahnfleisches“ gebraucht wurde
und entgegen der bisherigen Verbindung mit xoAoßd; „verstümmelt“, xoddnzte
„behaue, behacke* zu gr. xodogayv < *xolapar < *gole-bho- „Gipfel, Spitze“
und weiter gr. dg, xoddvn „Hügel“, lat. collis < *kol-n-is, se. kyll M. F. <
*hul-n-is „Hügel“, lit. kdinas „Berg“ zu stellen ist. Auch das entlehnte lat.
colaphus bedeutet außer „Ohrfeige“ „Faustschlag“, und ebenso heißt das Verbum
eolaphizare neben „ohrfeigen“ vor allem „mit den Knöcheln der geballten Faust
schlagen“. Beweisend für die Bedeutung von got. kaupatjan ist besonders der
Beleg Matth. 26, 67: boah spiwun ana andawleien is jak kaupastedun ina;
sumaib-bau lofum slohun „tóre événtvoaw eis tò nedowxow adtod xal éxo-
Adyıoav aöıdy, ol dé deed", wo kaupastedun gegen lofum slohun steht.
Vgl. auch Vulg. tunc expuerunt in faciem ejus et colaphis eum ceciderunt,
alii autem palmas in faciem ei dederunt = ahd. tho spuuun sie sin annust, ...
inti mit fustin sluogon inan, andre mit flahheru henti in sin annussi
siuogun (Tat. 192, 1f.); ae. þa spætton hig on his ansyne and beoton kine
mid heora fystum, sume kine slogon on his ansyne mid heora bradum
handum.
Got. kaupatjan. 225
lich auch die nachträglich von E. Sehrt, Language VIII (1932) 138ff.,
vertretene Meinung, daß das got. Verbum auf gr. xoAapiLeıv selbst
surtickgehe und vermutlich über vulgürlat. colaphizare entlehnt
sei’). Anscheinend hat keiner bisher geprüft, ob das Germanische
nicht außer dem von lat. caupo „Krämer“ abgeleiteten *kaupon in
got. kaupon, an. kaupa, ae. céapian, afries. kāpia, as. köpon, ahd.
kouyon „kaufen“ noch einen weiteren Anschluß für got. kaupatjan |
biete. Andernfalls hätte man seine Sippe kaum übersehen können.
Unmittelbar zu got. kaupatjan stellen sich bedeutungsmäßig
schwed. mdartl. kufa „stoßen, bändigen“, ne. cuf „mit der Faust
schlagen“, nhd. mdartl.kuffen „stoßen, prügeln“, woneben M. Richey,
Id. Hamborg. (1743) 143, auf Grund einer Wortsammlung Matthesons
noch nd. kufen „Ohrfeigen geben“ verzeichnet. Die Grundlage
dieses Verbums bildet idg. *geup-, eine Labialerweiterung der
Wurzel idg. *geu- „biegen, kriimmen, wölben“, die Walde-Pokorny,
Vergl. Wb. d. idg. Sprachen I 555ff., behandeln. Weitere Sprosse
aus idg. *geup- sind etwa an. kéfottr „rund, kugelförmig“, isl. küfr
„Aufwölbung, Gipfel“, norw. kūv „rundliche Erhöhung, oberer Teil
des Rückens, Haufe, Heuhaufe“, een „rundlich, gewölbt“, holl.
kuif „Federbusch, Schopf, Haube, Baumwipfel“, frnhd. kaupe „Feder-
busch“. Die Bedeutung des Verbums erklärt sich genau wie bei
gr. xodagilew aus der Vorstellung „mit den Knöcheln der ge-
ballten Faust schlagen“. Weitere Parallelen sind beispielsweise
ostfries. knüfen, nd. knuffen „stoßen, puffen“, mhd. knochen „mit
der Faust schlagen, knuffen“ und an. knosa „mit Schlägen miß-
handeln“, ahd. knussen „schlagen“, an. kniiska dass., schweiz. chnüssen,
chnüsten „prügeln“, an.knylla „schlagen, stoßen“, ae. cnyllan „stoßen“,
mhd. knüllen „schlagen, stoßen, knuffen“ < *knuzlian. Ostfries.
knisfen, nd. knuffen gehören zu ostfries. knüfe „Klotz, Klumpen,
Knorren“, mnd. knövel „Knoten, Knöchel“, mhd. knübel „Knöchel“
u. K., mhd. knochen tritt zu an. knjükr „rundlicher Berggipfel“, norw.
mdartl. knjuka, knoka „Knöchel“, an. knykill „kleiner Knoten“,
mnd. knoke, „Knochen“, mhd. knoche „Knochen, Knorren, Bündel“,
ae. enycel, mnd. knökel, mhd. knüchel „Knöchel“ und dgl., an. knosa
und sein Zubehör endlich stellt sich zu an. knauss M. „rundlicher
Berggipfel“, mnd. knäst M. „Knorren“, schweiz. chnüs „Knorren,
Klumpen“, norw. knust, knysta „verdrehter Klotz, Knorren“, schwed.
mdartl. knose „Auswuchs“ usw. Von schwed. mdartl. kufa, ne. cuff,
nhd. mdartl. nd. kufen unterscheidet sich got. kaupatjan zwar durch
sein p-, doch finden wir neben germ. *küf-, üb- germ. *kup-
1) Vgl. noch H. Adolf, Neophil. XIX 1001.
Zeitschrift für vergl. Spracht. LXVII 3/4, 15
226 | V. Pisani, na
in norw. mdartl. kup „Ausbuchtung, Buckel“, schwed. kupa „halb-
kugelförmiges Gehäuse, Bienenkorb“, kypa „rundes Gefäß aus Stroh“,
nd. küpe „großer Tragkorb“, ne. mdartl. kipe „geflochtene Fisch-
reuse, Korb“ und dgl. Got. kaupatjan beruht auf ablautendem *kaup-
„Knöchel, Faust“, das durch norw. mdartl. kaupa „Knolle“, kanp
„hölzerne Kanne“ auf das beste gestützt wird.
Berlin Willy Krogmann.
Ahd. bihal. |
In seinem Aufsatz Griech. n&Aexvs : ahd. bihal (o. LXV 154ff.)
hat Karstien endgültig mit der landläufigen Zurückführung von
ahd. bihal auf ein älteres *bijla- aufgeräumt; seinen Vergleich des
ahd. Wortes mit griech. r£iexvs, skr. paragi-h, assyr.-babyl. pilakku
kann ich dagegen nicht unterschreiben): zu viele lautliche Hinder-
nisse stehen nämlich im Wege. Nicht nur die Metathese LE zu
*I, die wohl am leichtesten zu rechtfertigen wäre; aber woher
ist das b- statt des zu erwartenden /, woher das -i- statt e
oder -i- zu erklären? Und weiter, weder das Griech. noch das
Skr. deuten auf Betonung des Mittelvokals hin: diese müßte ad
hoc angenommen werden, um das -h- statt -g-, d. h. die Durch-
brechung des Vernerschen Gesetzes zu rechtfertigen; es sei denn,
daß die Metathese von LE zu LI vor der Durchführung dieses
Gesetzes eingetreten ist! Nicht genug damit, während Griech.
und Skr. den u-Stamm treu bewahrt haben, hätte das Deutsche
das Wort in die a-Deklination eingeführt; auch das deutsche Neu-
trum statt des griechischen und sanskritischen Maskulinums gibt
zu Bedenken Anlaß. Sind auch diese Einwände einzeln genommen
überwindlich, tut doch ihre Masse die Unwahrscheinlichkeit des
Karstienschen Versuchs dar, welcher m. E. als geistvoller, aber
unbeweisbarer Einfall zu betrachten ist.
Ein phonetisch tadelloser Ansatz wäre dagegen germ. bihla-
aus älterem * bhei(d)-klo-: für den Schwund von d vor k käme.
) Mit Bezug auf das Problem des ¢ in paraguh, das Karstien o. LXV 157 AA
streift,[verweise ich auf meine Behandlung desselben IF. LVI 285 ff.; RSO. XVIII 91ff.
Ich erlaube mir weiter daran zu erinnern, daß in meinen Studi sulla preistoria
delle lingue indeuropee (Mem. Acc. Lincei VI, IV, VI) 563ff. das Schwanken in
skr. demä : lit. akmuö usw. auf progressive Schwächung der Palatalassibilierung
in ihrer Verbreitung nach Norden zurückgeführt ist; daselbst S. 594 habe ich
gemeint, neben phryg. "Axua» (vor dunklem Vokal) stünde Ac. (vor hellem
Vokal) in der Inschrift Ramsay o. XXVIII 394 Nr. XVI Sorngı EN Odi,
was wohl unbemerkt geblieben ist.
J. J. Hamm, Aksl. prozi, prodzi. 227
in Betracht die alte Etymologie von *-komt- *-kmt- in den Zehner-
namen aus *-(d)komt- *-(d)kmt- zu *dekm, vgl. Brugmann, Gr.“
II 2,29. Das Wort würde so die Wurzel von skr. bhi-nd-d-mi
„ich spalte“ von lat. finds ds., von got. beitan, ahd. bizzan „beißen“
enthalten. Das Interessante dabei ist, daß dieselbe Bildungsweise
noch in zwei sehr altertümlichen Wörtern wiederkehrt, die wie das
Beil zur Ackerbauterminologie gehören: lat. falcula sicul. gdyx do
‘Se&navov’ dissimiliert aus *dalklo- für älteres *dhalg-klo- : lit. dalgis
(für die Literatur vgl. Hofmann in Walde, LEW’ 459, deren Be-
denken m.E. nicht Stich halten) und lat. furcula lit. Zirklés „Schere“
aus *Zirg-kles zu lit. žeřg-ti „die Beine spreizen“, Urform *ĝhrgklā
(Literatur bei Hofmann a. a. O. 570). Wir hätten somit eine kleine,
sehr alte Gruppe von germ.-lat.-balt. Wörtern mit eigentlicher
Bildungsweise für technische Ausdrücke des Ackerbaus einschließ-
lich Waldarbeit.
Rom. Vittore Pisani.
Aksl. prozi, prodki.
Gr. dxols, pl. dxoiòeg „Heuschrecke“ bleibt, wie bekannt’),
in den ältesten aksl. Evangelientexten in der Regel meist un-
übersetzt (akrids), und nur in etlichen Denkmälern (so Sa, Ni,
Ga, De) kommt der slawische (oder slawisierte) Ausdruck prozi, resp.
prodzi (Plur.) vor. Miklosich (Etym. WO, der slav. Sprachen, Wien
1886, 265) wollte darin die W. preng- sowie die Bedeutung
„Springer“ sehen und stellte das aksl. prost dem ahd. hewiskrékko
zur Seite. Da er jedoch, abgesehen von dem sekundären g des
Singulars progz, das dem n. pl. -zi (dai) nachgebildet wurde,
auch das o der Wurzelsilbe unerklärt läßt, verlieren seine Aus-
führungen an Wert und müssen als unzulänglich abgelehnt werden.
Ich bin der Meinung, daß das aksl. prọzi mit der W. preng- und
dem ahd. hewiskrékko oder lit. sprugti nichts gemeinsam hat, sondern
daß es wie vinograds, vrstograds, Zupls”) u. dgl. nur eine
Entlehnung aus dem Gotischen ist. Wenn wir nämlich die be-
treffenden Stellen (Matth. 3,4; Marc. 1,6) mit dem erhaltenen g
(Marc. 1,6) vergleichen, so sehen wir, daß gr. dxeis dort in der Form
Dramstei (: aisl. bramma „trampeln“, as.thrimman „springen“)*) wieder-
1) Vgl. V. Jagić, Entstehungsgesch. der kel. Spr., Berlin 1913, S. 301.
2) Aus got. weinagards, aurtigards, swibls.
3) F. Holthausen, Got. etymol. Wtb. (Germ. Bibl. I, IV. R., Bd. 8), Heidelberg
1934, S. 113.
15*
228 E. Schwentner, Toch. A kāts , Bauch“.
gegeben wird, woraus dann mittelbar oder unmittelbar das aksl.
prozi entlehnt wurde. Die Möglichkeit einer dergleichen Ent-
lehnung findet ihre historische Begrundung vor allem in der Tat-
sache, daß sich im Glossar sowie in der Phraseologie der ältesten
aksl. Denkmäler — trotz aller Mühe verschiedener Übersetzer —
ein gewisser gotischer Einfluß nicht verleugnen läßt. Außerdem
ergeben sich auch auf dem phonetischen Gebiete keine unüber-
windlichen Schwierigkeiten. Das anl. coronale 5 (Siev. 8) konnte
nämlich auch auf gotischem Boden zu einem stimml. labiodent. f
verschoben werden’), welches sich dann im Aksl. ganz regelmäßig
in ein bilab. stimml. p verwandelte. Einen Beweis dafür sehe ich
z.B. auch in dem got. Zlahsjan, gablahsnan „erschrecken“, welchem
im Aksl. plašiti „erschrecken, einschüchtern“ und plachs „schüchtern“
entsprechen. Das o entwickelte sich demnach aus got. am und was
aksi. z, dz anbelangt, verweise ich auf drazati (vgl. z. B. Matth. 9, 2:
Odeon, téxvov — Prafstei, barnilo! — drazai, éedo!).
Zagreb (Agram). J. J. Hamm.
Toch. A kats „Bauch“.
Da bei S. Feist, Vergl. Wb. der got. Sprache’ (1939) 390 s. v.
qius; F. Holthausen, Got. etym. Wb. (1934) 79 s. v. gißus; Alt-
engl. etym. Wh. (1934) 66 s. v. wida); Walde-Pokorny I 560, das
zugehörige toch. Wort fehlt, mache ich darauf aufmerksam, daß
toch. A käts „Bauch“ (Toch. Gramm. 25; 51) genau dem got. gidus
„Magen, Bauch, Mutterleib“, altn. kvidr „Bauch, Magen“, ags.
cwid(a) „Bauch, Unterleib“, ahd. quiti „vulva“, mnd. gueden „Bauch-
fell“ entspricht. Schrader-Nehring, Reallex. I 635b führen das
toch. Wort (wohl nach Mitteilung von E. Sieg) zwar an, geben
aber keine Etymologie. Im toch. Wortregister S. 823 ist das Wort
versehentlich ausgefallen, so daß es leicht übersehen werden kann.
Außerhalb des Germanischen und Tocharischen läßt sich obige
Sippe weder lautlich noch semasiologisch mit Sicherheit nach-
weisen.
Schwerin 1. M. Ernst Schwentner.
1) Vgl. B. Sievers, Grdr. der Phonetik, Leipzig 1901, 5. Aufl., S. 129, Anm. 332.
P. Thieme, Weiteres zum indischen Adoptionsritus. 229
Weiteres zum indischen Adoptionsritus.
Daß die Knie-(Schoß-)setzung als Adoptionsförmlichkeit in
Indien gar nicht bezeugt sei, habe ich o. LXVI 134 zu rasch be-
hauptet. Ram. 2, 118, 26ff. berichtet Sits von ihrer wunderbaren
Geburt aus der Erde und wie sie von dem pflügenden Janaka
gefunden wurde: „Er, der Kinderlose, von Liebe ergriffen, hob
mich selbst auf seinen Schoß mit den Worten ‚Mein ist diese
Tochter‘ und schenkte mir seine Liebe“ (Ram. 2, 118, 30 anapatyena
ca snehäd ankam äropya ca svayam, mameyam tanayety uktva sneho
mayi nipätitah). Es ist immerhin bemerkenswert, daß sie aus-
drücklich sagt: ankam äropya ... svayam: das übliche war nicht,
daß man auf den Schoß gehoben wurde, sondern (wie Sunahsepa
oder die Taube, a. a. O. Anm. 2) sich selbst darauf setzte, das
heißt, es handelt sich hier tatsächlich, wie ich schon für die Knie-
setzung bei den Nordgermanen vermutete (a. a. O.) um eine Über-
tragung und Weiterbildung einer Gebärde des Schutzsuchens,
durch die man sich in jemandes Gewalt und Besitz begab. Darauf
führt wohl auch die Formulierung mameyam tanayä, die den Ge-
danken der Besitzergreifung in den Vordergrund stellt.
Heutzutage ist die Kniesetzung geradezu ein Bestandteil der
Adoptionsförmlichkeiten: Mrs. Sinclair Stevenson, The rites of
the twice-born (Oxford 1920) 132 “Next taking the boy by his
right wrist, he [der natürliche Vater] leads him over to the
adopting father, who seats him on his own knee”, 133 “Then
he [der adoptierte Sohn] is taken inside the house and seated
on his new mother’s lap ...“ Nach meinen Erörterungen a. a. O.
würde ich diese Symbolik wie folgt deuten: Der Vater nimmt
durch die Kniesetzung Besitz von dem Kinde, die Mutter legiti-
miert es durch die Schoßsetzung (Scheingeburt). Die Variation
des Ausdrucks bei Mrs. Stevenson spiegelt, so scheint mir, in-
disches Gefühl: es ist der männliche Schoß, dessen Nennung
dem Inder allenfalls anstößig erscheinen mag.
Halle (Saale), z. Z. im Felde. P. Thieme.
230
Sachregister. — Wortregister.
Sachregister.
Altertumskunde: Steinbau bei den Indo-
iranern 177f. — Adoptionsritus 229.
Bedeutung: feucht > Männchen, Mann
95. — heilen > kastrieren 215ff. —
Seitenpferd — Tänzer 166. — Trommel
im Ai. 183.
Betonung: mater nach pater 108. —
&Aagos-Gesetz 110. — wév-Gesetz 110.
Ellipse: im Ai.: 129ff. — lexikalische
129f. 141 ff. — bei: brü + anu 131ff. —
lig + pra 133f. — vac + anu 134 .—
Zon + ud 135ff. — stu + pra 136. —
vad 137. — dhya + ni 137f. — vadh
+ prati 138. — car 1408. — bhū +-
sam 141. — ita 141. — jan 143f. —
in der Phrase yatra pravahanasya
jaivaler äsa 138 ff.
Genus: Genuswechsel bei ‘Stern’ 161. —
Genussystem des Wintu 197 ff.
Kasus: Kasussystem des Wintu 200ff.
Lautlehre: Aspiratae 108 A. 3. — Pala-
tal 108 A. 3. 226 A. — Labiovelar 108
u. A. 3. — Hauchdissimilation 188 ff. —
Schwund von y 97. — Spirant durch
Aspirata ersetzt 168f. — Indisch: ¢> p
1708. — pod 112. — 523 175f. —
cch > ts 156. — Metathese 183ff. —
partielle M. 191ff. — Dissimilation
186. — D. durch Dental 192f. —
Schwachtoniger Vokalismus im Latein
27 ff. — Lenition im Romanischen 103
A. 3. 104 A. 2. — Verners Gesetz 102 fl.
— Medien-Gesetz im German. und Ar-
men. 106.
Nominalflexion: Latein. 5. Dekl.: Grund
typen 86. 88. — Nom. auf -es 85 ff. —
bei kons. St. 95 fl. ;
Schreibung im Avesta: von v 13f. —
Schwanken bei d 10.
Stammbildung: -klo/-kla für Ackergerät
226f. — Kompositum: der im Vorder-
glied enthaltene Verbalbegriff ist am
Hinterglied vollzogen gedacht 9. —
Latein: efe-Basen 85ff. — Dehn-Stufe
von St. auf -es 87. — von St. auf en
88f. — von St. auf A 89ff. — von
St. auf -e 95. — der Wurzelsilbe bei
i-St. 94. — Normalstufe von St. auf
-& 89. — von St. auf eu 87f. — -tes
Erweiterung der 7-St. 98f.
Suffixe: im Wintu: transitivierende
202f. — disjunktive 204.
Syntax: ‘noch er redend’ im AT 62ff. —
im NT 64ff. — Stellung des Namens
bei dvdware 49 A. 4. 69 ff. — ‘eins’ als
unbest. Artikel 36f. 66ff. — -que als
nebensatzeinleitende Konjunktion 1ff. —
wenn-Ausdrücke temporal 4. — Gen.
personae im Ai.: bei aś 1488. — grh +
prati 149f. — labh 1508. — d te
152. — -uerd + Dat. 223. |
Vedische Zitate: bei Pataiijali 178 ff.
Verbum: Suffix -sk(h)- 84. — Praeverbia
im Ai.: Korrespondierung von ssi- und
ud- 160. — Lat. Denominativa auf
-46 90.
Yasna: übersetzt: Y.34 6—15. Y 31,14.
23.
Wortregister.
Indogermanisch. |*ghou-ros 221 *melatdh- 222 * 222
* d- 223 * gläd 109 * ne 222 *reir- 222
* Aas 109 * gladús 109 * pel- 221 *reubh- 223
*bosds 109 * greut- 221 * pin- 222 *(s)k(o)reu- 220
* gais 110 ad- 220 *gar- 220 Hethitisch.
*gaisos 110 * leig- 223 *ger- 220 hukmais 89
* gher- 221 * meit- 222 *ghet- 220 hurtais 89
* ghneus- 220 * mel- 222 *greu- 220 kesres 90
supis 89
sahais 89
Tocharisch.
kats 228
Altindisch.
akivara- 172
agri- 88
atavi- 184
adhipra 186
dnu- 168
abhidhava 190. 219
abhipraya 186
abhivlangd- 154
asitd- 155.
apita- 155
d- ling 154
äsayati 154f.
agita- 155
asitd- 155
i+ ni 143
iccha- 155
icchü- 155
iyattakd 156 -
isudhya- 16 fl.
uttaräpatha- 162
utsuka- 155f.
utsrtäni 156
udguramäna 159
udgürna 1591.
upadad- 164
spamlupta- 170
upalingin- 154
krti 157
krsd- 158
krsanu- 1578.
kridi 157
ksärayati 158
ksälayati 158
khant 157
khäd 158
gal- 160
gutsa 156
gr- 1591.
ca 3 u. A.
card - 110
ced 3 ;
jayampati- 160
jihkma-bara- 171
Wortregister.
ya 150 A. 1
4 dindima 191
di- 161
tara- 1618.
daksind-patha-
162f.
dad- 163f.
div- 178
adhasth 28 A. 3
dhuti- 166
ndpumsaka- 1641.
nägd- 165
nī+ api 141 A. 1
nicina-bara- 171
pataha- 183
panthas 89
payttd- 155
pard- 171
puspa- 170
prthivi 88
prsti- 166
prästi- 166
barha- 168 A.1
| busa- 175
bhikga- 155
math + vi 151 A. 2
mätär- 108
mila-ort 1666 fl.
lingayati 154
vardhana- 168
vdsyasti- 1691.
vasvasti-169 A.1.170
viklava- 172
vitula- 170
vipula- 170
vibali- 1718.
vimäthya- 151
vivisvams- 1721.
visti- 173
vispitd- 170
vrdh- 169
vrh- 167
vyemäna- 173f.
vrasc- 166f.
gata ta- 184
su rana - 174
sr 174
seva- 172
$ruva- 176
sakha 89f.
sakhi- 89
saca 21.
sa ced 21.
sa yatha 2
sarpä- 165
sücı- 1748.
spr- 176
sruc- 176
sruvd- 176
harmyd- 177
hims- 15öf.
himsä- 155
Pali.
acci 184
atavt 184
attahäsa 190
adhippäya 186
abhivuyu 189
uddha 188
upähand 185
kathita 193
khandhanam 189
jigaccha 189
jighacchä 189
dajjhati 198
dag 194f.
dah 194ff.
dighacchä 189
dvelhaka 193
para 188
palibodha 185f.
pära 187
pihä 189
puttha 1%
phusati 190
bubbula 193
satthi 184
seyyatha 2 A. 2
Prakrit.
Argiya 101
aviha 190. 219
ädahati 192
| ddhatta 193
| -tttaa- 157
ettia- 156
khuhä 188
dakka 195
231
dhanka 189. 192
tudiya 192
duvälasa 193
padadi 192
padaka 193
padida 192
majjhanna 188
majjhattha 1881.
vijjula 193
se 1751.
Hindustani.
sarak 184
Iranisch. _
(Awestisch unbe-
zeichnet.)
ama- 9
asistem 9
dréi 9
ah(a)ma 6
isuidya- 16H.
karati- 157
np. kärd 157 A. 2
gaeòdã 8 |
yrafstra- 13 A.
xrafsträis 10
tatibyö 6
tot 7
dadra- 21.
darasta-aénak- 9
pwi- -ahi 14
dräyeidyäi 10
pairigasda- 8
pairi-gäide 8
patri-ga-vacah- 8
pairi pourubyö 12
pars vad 10
-bazäus 89
byente 11
niyratre 159
mainyus vanhus 7
yasna- 6
vaysat 14
ap. vardana- 168
vöyadra 131.
od 108.
vidvacigm 14
rasna 14
razar- 14
Wortregister.
232
sūkā- 175 duxden 176
sponta- 6 ji g 177
sra@ 176 v 177
aatrimya- 177 ôç ef 3f.
sasta-tita 91. os Ste ZP
iyaodnä 10 Gore 4
haidyam 13 Makedonisch.
ee ai Aids 212 A. 1
WER Umbrisch,
Thrakisch. avie 99
Aloa 214 tovie 99
aloanos 214
wlodtev 214 Lateinisch,
alodowe 214 absque 1. 5
Alonnos 2138. acies 99
Ati 214 meats 2]
aestäs 91
GR > aestus 91
‘Aowzos 211ff. alcas 97
Griechisch. *alere 86
alaaxoc 214 A. 4 alluviés 99
dAdo 2 A. 1 ambäges 96f.
dere 2111. amicitias 99
Bayds 111 astur 211
gd. A 1698. caedés 91
Balinıds 159 canés 97
Bıßdodav 85 caries 99
yaoııio 162 cateia 2181.
yvantog 223 clades 91
dsordıns 90 compäges %
ded(v)os 160%. *contagés 97
dfjers 94 cötas 93
dose 5 ` | delicies 99
4x6 898. dies 88
dad 28 A. 3 donec 5
Sed 219 effigies 99
xa? ¿dod BOR. 87ff.| esuries 99
51ff. 55. 57 A. 3. faces 97
58. 61. 73 ff. 119 | falcula 227
sagdia 111 fames 87
1% 111 famulus 28 u. A. 3
noAapilew 224 A. |fax 97
ndxAos 110 falas 98
Svona49A.4. 50A.2| fides 86. 93
évdpar: 49 A. 4 filum 93
*Ofdpasis 156 furcula 227
dre 2f. Gaius 88
ds3 — dré 5 -gerizs 99
nós 2 A. 1 gerres 98
gravis 88
kira 93
imbalnities 99
indages 96
induvtéis 99
insänus 217
labes 93
saepes 92
sänare 215
scabtes 99
* scabrée 93
sédés 87. 94f. 96
sentina 212 A. 1
Mittelirisch.
gerr 98
Ostgermanisch.
(Gotisch unbe-
zeichnet.)
agis 107
ahwa 108f.
brébar 1071.
alan. Gockar 101
kaupatjan 224%.
nik 1A.
pus 228
tathunda 106
teen pus 110
Nordisch.
(Isländisch unbe-
zeichnet.)
álpast 223
barr 110
fina 222
fjalfr 221
gaurr 221
geirr 110
gnjodi 220
| geera 221
kara 220
héđa 220
shetl. kjada 220
kjadna 220
hranalegr 220
hraunsna 220
hrul 2201.
norw. kaupa 226
knosa 225
schwed. kuffa 226
norw. küp 226
lélegr 223
lémagna 223
saman lima 128
litilmagna 223
malar 222
meid 222
mjalli 222
njóri 220
njorunn 222
rdfa 222
rdpa 222
raupa 223
rira 222
rjúpa 223
ropa 223
norw. skrynja 220
Adumkrüad 221
Westgermanisch.
(Ahd. unbezeichnet.)
bar 1091.
Skat 2261.
farah 106 A. 2
gans 107
gelimida 128
ags. haelan 215
phd. heilen 215
ags. hweogol 110
ags. kweol 110
nhd. Katze 2181.
mhd. knochen 225
nd. knuffen 225
h 106 A. 2
as. rath 106 A. 2
Baltisch.
lit. tai 79 ff.
apr. tarkue 93
lett. valnis 931.
Altkirchen-
slawisch.
el» 1198.
césare 125
ceta 120
chlèbꝰ 120
Juze 1188.
kotole 120
kusiti 120
misa 1208.
mytaro 121
mytonica 121
mozda 121
ocoto 121
ogee 124
plašiti 228
Wortregister.
plato 119 duha 203
plesati 122. 166 Bui 206
postiti 122 bukul 206
prozi 122. 2271. dug 206
se 119 Deli 205
stats 123 DiBa 202
smoky 123 Dole(m) 205
stoklänica 123 ` Domoi 205
svekry 123 Dogigi 205
svinija 123 Dum 205. 208
tèlo 127 hard 203
velvbod» 123 henogDi 207
vinograds 123 hina 203
oretograds 124 hola 206
voskrosneti 126 holol 204
Zupelo 124 xayit 201
Arabisch. run hüte 203
"ida 75 „
Ces k’elek’ele 206
inna 71 ff. f
le 75 Soft 206
8 k’oltct 204
fa -- ſua) ida (98. kuril 206
Syrisch. k’uwil 208
era 77 laha 202
eta’ 77 lg? 206
ha f. 22D 206
uha 76 lul 206
be 75 lulas 206
y-mehda 77 mai 202. 208
kad 78 u. A. 3 maianag 206
meta’ 77 makas 206
Sue’ 79 mem 206
Wintu mineles 205
aB 207 naus 201. 206
Ber 207 nep 202
bewil 203 migd 203
bia 203 nom 206
dohem 209 nop 202. 207f
bohma 203 sor 206
Bam 204 xu 206
sur‘ 202
olDiBas 204
olp’at 205
po" 206. 209
ponöri 205
poyog 205
pürus 205 A. 1
puyeg* 206
g'ede 206
qewel 200. 206. 209
sani 204
säwal 206
sem 208
sono 206
suke 203
Comes 206
tarau 206
tcayds 201
tc’sBkal 201
tc 203
teeri 206
tciBi 204
tcir 205
Ze oiiog 209
teus 206. 209
Hal 209
tlile 201
og" 206
tlumaā 205
tule 202
tin 206
uku 206. 207
wai 206
wagaD 206
toatc 202
wenemBom 205
toit 201
yaBaiDu 206. 208
yal 206
yemer 206
yiwiD 209
234 Zugesandte Druckschriften.
Zugesandte Druckschriften').
Schriftleitung und Verlag übernehmen keinerlei Verpflichtung, unverlangt.
zugesandte Veröffentlichungen zu besprechen; mit Rücksicht auf den verfügbaren
Raum muß im allgemeinen die Anführung des Titels (gegebenenfalls mit kurzer
Kennzeichnung des Inhaltes) genügen. Zeitschriften-Aufsätze können nur in be-
‘sondern Fällen berücksichtigt werden (im folgenden Bericht sind zugesandte
Aufsätze ausländischer Zeitschriften in reichlicherem Maße als gewöhnlich an-
geführt). |
Abeghian, Artasches, Das armenische Volksepos. Mitteilungen der Aus-
land-Hochschule an der Universität Berlin, Jahrgang XLII (1940) 225—238.
Erhältlich bei A. Collignon, Berlin, für 1 RM. [Interessanter Bericht über das
aus dem Volksmund gesammelte, in 65 Varianten bekannte Epos, dessen Haupt-
held David von Sassun ist, über dessen geschichtliche Bedingungen — arabische
Herrschaft in Armenien — und dessen Beziehungen zum mittelgriechischen
Volksepos. |
Académie Roumaine. Langue et Littérature. Bulletin de la Section litté-
raire rédigé par Ph.Capidan et D.Caracostea. Imprimeria nationalä. Bucuresti.
Vol. I. No. 1. 1940. 124 S. 85 Lei. [Die französisch redigierte neue Zeitschrift
enthält im 1. Heft zwei sehr interessante sprachwissenschaftliche Aufsätze:
8. Puscariu, L’&conomie du langage S. 5— 17; Th. Capidan, Le bilinguisme
chez les Roumains S. 73—94, sowie kleine Artikel, Besprechungen und einen
Nekrolog über N. Dräganu des zweitgenannten Gelehrten S. 95—124. Auf
S. 94—100 führt Th. Capidan macedorum adaré „ich mache“ auf eine thrak.-
illyr. Entsprechung von dedw usw. zurück, S. 100—102 gewinnt er der Infinitiv-
frage eine neue Seite ab: im Gegensatz zu neugriech. od verwenden Albaner,
Rumänen und Bulgaren zum Ersatz Konjunktionen, die ursprünglich „wenn“ be-
deuten.]
Acta linguistica. Revue internationale de linguistique structurale pu-
blié[!] avec le concours d’un conseil international par Viggo Bröndal et Louis
Hjelmslev. Conseil international A. Belié-Belgrade, E. Benveniste-Paris
V. Bröndal-Copenhague, S. K. Chatterji-Calcutta, G. Devoto-Florence
A. H. Gardiner-Londres, L. Hjelmslev-Copenhague, R. Jakobson-Brno
J. Kurylowicz-Lwöw, G. van Langenhove-Gand, J. v. Laziczius-Buda-
pest, Hj. Lindroth-Göteborg, V. Mathesius- Prague, St. Romansky- Sofia,
A. Rosetti-Bucarest, A. Saareste-Tartu, f E. Sapir-New Haven, A. Seche-
haye-Genéve, A. Sommerfelt-Oslo, A. Sotavalta- Helsinki, W. Fr. Twad -
dell-Madison Wis., J. Vendryes-Paris, D. Westermann- Berlin, N. van
Wijk-Leyde. Copenhague, Munksgaard 1939ff. Preis des Bandes (von jähr-
lich 3 Heften) 15 din. Kr. [Der vol. I fasc. 1. 1939 (80 S.) beiliegende Prospekt
entwickelt auf Frz., D. und Engl. die Ziele der neuen Zeitschrift: Die klas-
sische Sprachwissenschaft betrachtete die Sprache als „eine bloße Wirksam-
keit der sprechenden Individuen“, als „labiles, unzusammenhängendes, zufälliges
Ergebnis einer blinden Entwicklung und psychologischer Analogiewirkungen“,
wobei die lokalen und vorübergehenden sog. Lautgesetze regelmäßig waren; die
strukturelle Sprachwissenschaft scheidet das individuelle Sprechen (parole)
von der Sprache (langue) als gesellschaftliche Institution und zusammenhängendes
1) Abgeschlossen 1. Juli 1941. Aufgenommen sind auch einige persönliche
Zusendungen. Die nicht gezeichneten Inhaltsangaben stammen von E. Schwyzer.
Zugesandte Druckschriften. 235
System mit gegebener Struktur und beschränkter Anzahl von Elementen (Pho-
nemen, Morphemen), deren Gegensätze das Gleichgewicht des Ganzen bedingen;
die Erklärung geschieht aus der Sprache selbst, unter Ablehnung außerlinguisti-
scher (z. B. psychologischer) Erklärung. Aus dem Einführungswort der Heraus-
geber im ersten Heft erfährt man, daß der Gedanke einer besonderen Zeitschrift
für „le point de vue structural, la conception de la langue dans sa totalité,
dans son unité et dans son identité“ unabhängig in den cercles linguistiques
von Prag und Kopenhagen aufkam. Des ersten Herausgebers Aufsatz „Lingui-
stique structurale‘ 2—10 entwickelt den Gegensatz dieser abstrakten und
generalisierenden, totalitären Betrachtungsweise zum historischen Positivismus
nicht nur der Sprachwissenschaft. Die weiteren Aufsätze geben Beispiele für
die „strukturale“ Behandlung einzelner Sprachmanifestationen. Der zweite Her-
ausgeber behandelt La notion de rection (S. 10—23); E. Benveniste, Nature
du signe linguistique (S. 23—29) wendet de Saussures Lehre von der Willkür-
lichkeit des. signe’s in ihr Gegenteil. E. Zwirner, Phonologie und Phonetik
(S. 29—47) setzt sich als Phonetiker mit Trubetzkoy und Bühler auseinander.
Jespersens Aufsatz The history of a Suffix (S. 49—56), nämlich engl. en.
verrät kaum etwas vom Strukturalismus, stammt auch aus dem Jahre 1901.
Es folgen Besprechungen: v. Ettmayer, Das Ganze der Sprache, und Trubetz-
koy, Grundzüge der Phonologie, weiter Nekrologe tiber Trubetzkoy und Sapir.
Zum Schluß kritisiert Hj. Lindroth (S. 78—80) den Terminus Strukturalismus,
für den er Systemologie wünscht.) |
Akademie der Wissenschaften in Wien. Philos.-hist. Klasse. Anzeiger
76. Jahrg. 1939. Wien und Leipzig, Hölder-Pichler-Tempsky A.-G. 1940. 70 S.
[Daraus seien genannt W. Ruth, Experimental-phonetische Untersuchung über
die Dehnung kurzer Vokale im heutigen Englisch, S. 29—41; A. Wilhelm, Die
Pyrophorie der Lemmier, S. 41—46; E. Kalinka, Sprachliche [aus
dem Deutschen], S. 56—61.] |
E Andriotis, N. P., 1. Die Ausdrucksmittel für „gar nichts“, „ein wenig“
und „sehr viel“ im Alt- Mittel- und Neugriechischen. Byz.-Neugriech. Jahr-
bücher XVI (1939/40) 59—154. — 2. De quelques faits phonétiques du dialecte
moderne de Samothrace. ?’Aoyxeio» tod Bonxınod Aaoypagixod xal yAwaoınod
Inoavgoö rduoc ZT (1939/40) 153—208. — 3. Herganarınal Zoevvar zept vii
gpúcewsş nal v. dtagxelas röv veoehAnvinay pornévtwy. ’Adnva N’ (1940) 86—97.
— 4. TAwooını, Acoypapla. Aus "Aglegwpa: sis Kwos. "Auavrov. Athen 1940.
30 8. [1 veranschaulicht auch anderwärts bekannte expressive Redeweisen an
reichstem, oft kulturgeschichtlich reizvollem Stoff; in das gleiche Stoffgebiet ge-
hört 4, reiche Sammlungen für das Adynaton für „nie“; 3, im Berliner Institut
für Lautforschung entstanden, dessen Einrichtungen und Methoden für die griechi-
schen Leser dargelegt werden, stellt experimentell Quantitätsunterschiede der
neugriechischen Vokale nach dem Tonsitz fest; in 2 behandelt der Verfasser
bes. Differenzierungserscheinungen bei Berührung von Vokalen nicht nur im
Samothrakischen, sondern auch im Altgriechischen. Die vier Aufsätze geben
eine höchst erfreuliche Anschauung der Richtungen neugriechischer SES
schung und der persönlichen Bestrebungen des Verfassers.]
Baecklund, Astrid, Die univerbierenden Verkürzungen der heutigen russi-
schen Sprache. Inaugural-Dissertation. Universitätsbibliothek Uppsala 1940.
142 8. 5 Kr. [In Rußland sind nach dem Weltkrieg zahlreiche neue Wörter
aus den Abkürzungen mehrerer Begriffe entstanden, wie wir es auch in be-
286 Zugesandte Druckschriften.
‘scheidenem Umfang in der deutschen Sprache erlebt haben, z. B. in SA., Sipo
usw. Der Entstehung, Geschichte und Bildungsweise der verschiedensten Kür-
sungen geht nun die Verf. in ihrer ausgezeichneten Dissertation nach und sucht
auch psychologisch die äußeren und inneren Triebkräfte zu begreifen. Dadurch,
daß sie alle diese Erscheinungen in einen größeren Zusammenhang stellt, hat
das Buch auch über das Russische hinaus seine Bedeutung. Fr. Specht.]
Bartoli, Matteo, 1. Der italienische Sprachatlas und die Arealnormen.
Zeitschr. f. Volkskunde N. F. X (1939). — 2. Der archaische Charakter des West-
germanischen. Neophilologus XXIV 127—140. — 3. Le innovasioni preetniche
nello slavo. III eme Congrès international des slavistes. Publ. de comité No. 2
8. 71. — 4. Una norma dell’ albanese e del greco e la questione delle velari ario-
europee. Rivista d’Albania I (1940) 234—260. — 5. I riflessi di afflare et con-
Rare nell’ Italia meridionale. — Questioni di metodo. Atti della R. accad. delle
scienze di Torino LXXV (1939/40) 1—44. [Auch hier kämpft der Verf. unter
Heranziehung neuen Stoffes und mit reichen Literaturangaben für seine be-
kannte Theorie (vgl. o. LXVII 102ff.), in 4 auch für sekundäre Entstehung der
idg. Palatalreihe. In 5 verteidigt B. seine Methode auf romanistischem Gebiet.}
Bense, J. F., A dictionary of the Low-Dutch element in the English
vocabulary. Martinus Nijhoff, Haag 1926—1939. XXXII, 663 S. Geb. 32 Gulden.
[Dieses Wörterbuch niederdeutscher Lehnwérter in der englischen Sprache ist.
hochwillkommen. Da die Entscheidung, ob ein Lehnwort vorliegt, nicht immer
leicht ist, gibt der Verf. in der Einleitung die Gründe an, die ihn zu seiner
Annahme geführt haben. Bei jedem Einzelwort wird gewissenhaft das erste
Vorkommen angemerkt, auch Wörter, die heute nicht mehr üblich sind, werden
aufgeführt und als solche gekennzeichnet. Die vielen sachlichen Erörterungen
heben das Buch über das rein Sprachliche weit hinaus und geben einen guten
Einblick in das englische Geistesleben, in Kultur, Handel usw. Fr. Specht.)
Beranek, Franz J., Die Jiddische Mundart Nordostungarns. Gedruckt.
mit Unterstützung des Reichsinstituts für Geschichte des neuen Deutschlands.
Brünn, Rohrer 1940. 5,50 RM. 58 S. [Das Vorwort weist nachdrücklichst auf
den bohen Wert des von 10 Millionen gesprochenen Jiddischen für deutsche
Sprachgeschichte, Mundartenkunde und Ortsnamenforschung hin und erhofft von
dessen Studium eine Befruchtung der ganzen Sprachwissenschaft. „Als. Beispiel:
einer Mundartmonographie, deren wünschenswerte Zahl nicht hoch genug an-
geschlagen werden kann“, soll die Bearbeitung der ostjiddischen Mundart der über
100000 Juden von Karpathenrußland dienen. Nach einer Einleitung wird ge-
ordnetes Material für die Lautlehre geboten, für die Vokale 8. 17—41, für die
Konsonanten S. 42—58. Mitbehandelt sind die hebräischen, slawischen, magyari-
schen Lehnwörter. Auf Einzelheiten wie enk „euch“ u. A. kann hier nicht ein-
gegangen werden.)]
Bertoldi, Vittorio, Questioni di metodo nella linguistica storica.
con esempi presi supratutto del dominio Latino e neolatino. Napoli, Stabilimente
tipografico editoriale 1939. 335 8. [Die auch stilistisch sorgfältig ausgearbeiteten
Vorlesungen eines Jahreskursus des Verf.s an der Universität Neapel beginnen
mit einer geschichtlichen Betrachtung, in der bereits Gilliéron neben Schuchardt
und de Saussure persönlich, das auslautende -s (wozu jetst Reichenkron u. S. 249)
sachlich die Hauptrolle spielen. Die Hauptteile umfassen La geografia lingui-
stica (gilliéroniana!) 8. 21—58, L'indagine storico-geografica dei fatti di lingua
8. 59—136 und I criteri d'indagine storico-geografico applicati al latino S. 137
Zugesandte Druckschriften. 237
dis 292, dabei besonders Contatti fecondi con la civiltà mediterranea S. 198—207,
Conclusioni und reichhaltige Indici folgen. Dem lesbar gehaltenen Text sind
jeweilen bibliographische und andere Nachweise nachgeschickt. Den Latinisten
geht besonders auch die Behandlung von au : 6 S.146—170 an.]
Björck, Gudmund, HN ATAAZKWN. Die periphrastischen Konstruktionen
im Griechischen. Uppsala, Almqvist (Leipzig, Harrassowitz) 1940. 139 8. 6 Kr.
(= Skrifter utgivna av K. Humanistiska Vetenskaps-Samfundet i Uppsala 33 : 2.)
[Ein willkommener Beitrag sur griech. Syntax: Abgrenzung der echten von der
unechten, bes. adjektivischen Periphrase, Ablehnung semitischen Ursprungs für
die im Präsens erst nachchristlich häufigere echte Periphrase eiu? zody |
Bloch, Alfred, Zur Geschichte einiger suppletiver Verba im Griechischen.
Diss. Basel. Basel, Waldstein 1940. 114 S. [Behandelt nach einer historisch-
kritischen Einleitung besonders S. 22—82 elu: — Zëss, FAGow u. A., kürzer die
dekanntere Suppletion bei Verba für „schlagen“ und „sehen“. Wichtig nicht
nur für den Aspekt und Tempus, sondern auch für die Bedeutungsentwicklung
der behandelten Verba. Vgl. das Wort- und Sachregister S. 112—117.]
Bornemann, Eduard, 1. Odyssee-Interpretationen. Zugleich eine Ein-
führung in die sprachlichen und sachlichen Probleme des Epos. Frankfurt a. M.,
Diesterweg 1940. IV, 168 S. 4,40 RM. — 2. Auswahl aus Homers Odyssee.
A. Text (II, 85 S.). B. Wortkunde (179 S.). — 3. Auswahl aus Xenophons Ana-
basis. A. Text (VIII, 48 8.). B. Wortkunde (IV, 748.). (2 und 3 = Diester-
wegs Altsprachliche Schulausgaben Heft 1 und 2ff. 1940.) [Hier kommt besonders
1 in Betracht, ein gerade auch in. sprachlicher Beziehung höchst erfreuliches,
durchaus empfehlenswertes Arbeitsbuch für den reifen Schüler, aber auch für den
Studenten und Lehrer. Es betrifft etwa 2000 Verse aus a, e, 2, 4, „ und ent-
hält auch nähere Erörterungen zur Wortkunde. Wie im Literarischen und Sach-
lichen bietet es auch im Sprachlichen manches Neue, dessen Verwertung durch
Register erleichtert wird.]
Bouda, Karl, Beiträge zur kaukasischen und sibirischen Sprachwissen-
schaft. 3. Das Tabassaranische. Leipzig, Brockhaus 1939. 125 S. (= Abhand-
lungen für die Kunde des Morgenlandes XXIV 1). [Bespricht die ganze Gram-
matik dieser südostkaukasischen Sprache, kurz auch den Satzbau § 106, auf
Grund von zwei Druckschriften. Den Schluß machen ein Text und drei Ver-
aeichnisse: Affixe, Verba, andere Wörter.]
Bulanda, Edmund, Etrurja i Etruskowie. Lwöw 1934. XXVI, 467 S. nebst
2 Karten. [Das leider polnisch geschriebene Werk enthält eine Übersicht über
die wichtigste Literatur als Einleitung. Dann folgt in zwei Teilen Herkunft,
Geographie, Staatswesen, Religion und Sprache und Architektur, Malerei, bildende
Kunst und Kunstgewerbe. Alles in sauberem Druck und guten Abbildungen, die
man selten wieder so an einer einzigen Stelle wird vereinigt finden. Th. Kluge.]
Byzanz, Neugriechenland und die europäische Türkei. Bücherkatalog
Nr. 477 von Otto Harrassowitz, Leipzig. 1571 Nummern.
Vme Congrés International des Linguistes 28 aoft—2 septembre 1939.
Premiére publication: Réponses au Questionnaire. 104 8. mit 538. Suite.
Deuxiéme publication: Rapports. 149 8. Bruges, Imprimerie St. Cathérine.
[Von den Druckschriften, die den abgesagten Brüsseler Kongreß vorbereiten
sollten, enthalten die Réponses Äußerungen über die Wurzeltheorie, die innere
Sprachform, die Gemeinsprache, das Substrat, die morphologische Struktur, die
poetische Sprache, die idg. Dialekte, die Verwandtschaft der german. Sprachen
238 Zugesandte Druckschriften.
u.a. von einer größeren Anzahl von Forschern, die Rapports die geplanten, teil-
weise referierenden Vorträge von Duchesne-Guillemin (Wurzeln), Sauvageot (Zwei-
sprachigkeit), Pintelon (Gemeinsprache), Bartoli (Substrat), Hjelmslev (Struktur),
Mukafovsky (poetische Sprache), Arntz (idg. Dialekte, mit Beiträgen von Specht),
Martinet (Verwandtschaltsverhältnisse der german. Sprachen).]
Covorbiri literare; 8. o. LXVI 270. [Jahrgang 72, Nr.6—12 und 73,
Nr. 1—3 enthalten ausschließlich literarische Aufsätze.]
Debrunner, A., Aus der Krankheitsgeschichte des Genitivs. SA. aus
Berner Schulblatt 1939/40, Nr. 39/41. 29 8. [Launiger Vortrag besonders über
den Gen. „in der heutigen nhd. Schriftsprache“ S. 9—22 und in der Schweizer
Mundart; als besonders alt und zäh gilt dem Verf. der partitive Gen. Plur.]
Detschewv, D., Antični pametnici vo Bolgarija. Bulletin de l'Institut
archéologique bulgare XII (1939) 281—301 mit deutschem Resumé 301—303
[24 griechische und 3 lateinische Grabschriften, teilweise mit thrakischen Namen;
Nr. 1 fda», 12 Çõovoa, 2 brondıw.]
Devoto, Giacomo, Storia della lingua di Roma. Bologna, L. Cappelli.
429 S. mit 15 Tafeln und Karten. 55 Lire. [Der prächtig ausgestattete Band
bildet den 23. Band der vom Istituto di studi Romani hg. Storia di Roma. Der
Gegenstand wird in 11 Kapiteln behandelt: I. Le origini indoeuropee del latino.
II. Le origini mediterranee. I Protolatini in Italia. III. L'età arcaica. IV. L'età
di Plauto. V. L'età di Cicerone. VI. II latino in Italia. VII. Da Augusto à
Quintiliano. VIII. L'età argentea. IX. Il latino dell’ Impero. X. L'età cristiana.
XI. Il latino dopo la fine dell’ Impero. Der erste Teil des Anhangs (8.371—381)
gibt die theoretische Grundlage der Behandlungsweise, der zweite eine biblio-
graphie raisonnée (S. 383—397); der Rest entfällt auf Indici usw. Die klare und
gepflegte, nirgends überladene Darstellung der lateinischen Sprachgeschichte in
ganzer Breite, einschließlich Syntax und Wortschatz, wendet sich an Philologen
und Liebhaber des Lateinischen, bietet aber auch dem Sprachforscher sehr viel
und auch Neues, nicht nur in den drei ersten oder im sechsten Kapitel. Mit Devotos
Werk besitzt die italienische Literatur ein Gegenstück zu Meillets Aperçu d'une
histoire de la langue latine, das über sein Vorbild hinausführt.]
Dornseiff, Franz, Der deutsche Wortschatz nach Sachgruppen. Begister.
Berlin, W. de Gruyter 1940. 588. 1,60 RM. [Der zweiten unveränderten Auf-
lage des Werkes beigegeben, kann das Register auch den Besitzern der ersten
dienen als Ersatz des Stichwortverzeichnisses 8. 499—509.]
Ddpns, Bact., Halasoygayına soi npırına els row “Hodycos. d'H
M® 1939, 8.3—48. [97 Bemerkungen zu Hesych, bes. auf Grund der neu-
griechischen Sprachüberlieferung. S. 43—48 &niuergov über oxytone Adjektiva
auf de neben barytonen Substantiven.]
Finzenhagen, Ulrich, Die geographische Terminologie des Griechischen.
Diss. Berlin. Würzburg, Triltsch 1939 (richtig 1940). VI, 159 S. (auch in Buch-
ausgabe, 158 8.). [Nach allgemeinen Vorbemerkungen wird der idg. geographische
Wortschatz in sachlicher Ordnung dargestellt und beurteilt; nach einer Vor-
bemerkung über die Quellen und einem Rückblick auf den im Griechischen er-
haltenen idg. geographischen Wortschatz folgt die Besprechung der griechischen
Neubildungen ebenfalls in sachlicher Ordnung. Überall ist der Bestimmung der
Bedeutungen besondere Aufmerksamkeit geschenkt. Ein Schlußkapitel bespricht
vorsichtig die Möglichkeiten einer relativen Chronologie des griech. geograpbi-
Zugesandte Druckschriften. 239
schen Wortschatzes. Sehr dankenswert ist auch der Index der behandelten ‚griech.
Wörter S. 155—158.]
Fitzhugh, Thomas, The Aryan voice. University of Virginia, Bulletin of
the school of Latin. Sec. ser. No. 8, whole number 18, 7 S. 50 Cent.
Fraenkel, Ernst, Zur umbrischen Sprachgeschichte. Filologu biedribas
rakstu 20 (Rigä 1940) 25 S. [Wichtige, teils bestätigende, teils anders fassende,
Einzelausführungen im Anschluß an die Ausgabe der iguvinischen Tafeln von
Devoto. Die S.7—10 ausführlich begründete Erklärung von kukehes und cehefi
leuchtet mir sehr ein; steht sie doch in knapperer Form genau so ‘schon in
meiner Besprechung von Bucks Grammar of Oscan and Umbrian in der Berl.
philol. Wochenschr. 1905, Sp. 1223f.]
Frisk, Hjalmar, 1. Gratus, gratia und Verwandtes. Eranos XXXVIII
(1941) 26—30. — 2. Zur griechischen Wortkunde. Ebd. 36—46. [I. grates agere
war eigtl. „Lob, Beifall spenden“; gratus „dankbar“ beruht auf ingratus „cui
nibil gratum est“. 2. behandelt xaAxo- und inzoxopvoris, Ze ovveoymð, xe-
phAcov, dAxds, adrog.]
Friedrich, Johannes, Hethitisches Elementarbuch. 1. Teil. Kurzgefaßte
Grammatik (Idg. Bibl. 1. Abt. Samml. idg. Lehr- und Handbücher, 1. Reihe, Gram.
Bd. 23,1). Heidelberg, C. Winter 1940. 108 S. Brosch. 6 RM. [Es ist auf das
wärmste zu begrüßen, daß wir endlich eine heth. Grammatik in deutscher Sprache
haben. Da sich der Verf. seit langem auf diesem Gebiet hervorragend betätigt
hat, bürgt er für die Güte der Arbeit. In knappster Form auch unter Bertick-.
sichtigung von Wortbildung und Syntax wird hier alles, was der Lernende
braucht, in zuverlässiger Weise geboten. Man hätte vielleicht hie und da, wo-
die Lesung nicht sicher ist, neben der Umschrift auch die Wiedergabe der Keile
gern gesehen, damit der Leser eine selbständige Kontrolle hat. So muß er sich
ganz der Führung des Verf.s anvertrauen. Hoffentlich folgen nun bald auch
ausgewählte Lesestücke, so daß dann ausreichende Hilfsmittel zur Erlernung des
Hethitischen zur Verfügung stehen. Fr. Specht.]
Tewgyandas, Anp. Iwavy. 1. Suppody els thv doumvelav e xasad-
swav -aọi xal -ını. ’Ayıdgwpa cis Kwvor. "Auarsov. “Adjvas 1940, 419—434.
— 2. *Erupodoysxal diavaphoeıs. Aeinoyeag. AeAslov tç “Axadyplas ’Adn-
väv I (1939) 73—88 (erschienen 1940). [1 S. 419—423 der nicht nur direkt aus
lat. -arium, sondern öfters griechische Bildung zu allerdings entlehntem dee,
z. B. a ard zu rde; 423—434 Zut nicht aus lat. -icium, sondern teils von
Fällen, wie zegdixcow abgelöst, teils zu én, 2 enthält I (S. 73—83) & (aus.
Vok. steil, noviged, podeyos, pavovelr, Kalau(p)dıa, Kacoagesd — Kawapıann,
Xaord. II (S. 83 — 88): Der Numeruswechsel 40% — Ac, Offa — Opa,
Idi gat — Ildioa erklärt sich, indem in eis tiv di “ADGvas der Akk. Pl.
als Gen. Sing. verstanden wurde.]
Georgiev, Vlad., Das Schicksal der indogermanischen o-Deklination im
Etruskischen. Sofia 1939. 50 S. (Annuaire de l'université de Sofia, fac. hist.
philol. XXXV 8). I, Das Etruskische ist eine echt indogermanische Sprache“
und zwar ein späterer Dialekt des Vorgriechischen Pelasgischen — Urillyrischen =
Trojanischen, eines Dialektes der thrakisch-illyrischen Sprachgruppe; vgl. o. LXV
287. Kxkurs II behandelt Trauser, Thraker, Troer, Etrusker, die alle das gleiche
Namenselement enthalten sollen.]
Gerov, Boris, Die Wiedergabe des griechischen ꝓ und des griechischen f-
Lautes im Altbulgarischen. Studia historico-philologica Serdicensia I (1938)
240 Zugesaudte Druckschriften.
125—134. [Slav. sp statt griech. op durch spätgriech. Aussprache, so ist auch
sås Bowinloons durch pinik- wiedergegeben; auch skoref- statt owoenios
beruht auf griech. Aussprache; griech. A wird als ¢ und f aufgefaßt; weiter über
die Wiedergabe von sv av, über sv für op u. a.]
Govori i predavanja. Discours et conférences. III ien congrès inter-
national des slavistes 1939. Publications du comité d’organisation No. 4. Beo-
grad. 151 S. [Hier heraussuheben: Fr. Ramovš, Obči momenti iz rasvoja slo-
venskega jezika 37; A. Mayer, Die zeitliche Bestimmung der urslawischen
Periode 45; A. Isalenko, Poterja glagol’nych form v russkom jasyke 56;
P. Skok, L’6tude des traits communs des langues balkaniques provenant du slave
en tant que le fondement de la linguistique balkanique 79; N. van Wijk, L'étude
comparative des systèmes phonologiques des langues slaves 28.]
Gerschewitsch, Ilja, T, -TI-, - TO.-Suffiasi di „nomina actionis“ in
composti Omerici et Rigvedici. Studi ital. di filol. class. N.S. XV (1938) 131—161.
173—192. [Behandelt zuerst f-, dann -f- und fi-, in der Absicht, alle als ur-
sprüngliche nomina actionis nachzuweisen; vgl. die Komposita mit -es S. 189 fl.]
Gottschald, Max, Die deutschen Personennamen. Samml. Göschen Bd. 422.
Berlin, W. de Gruyter 1940. 134 8. Geb. 1,62 RM. [Der durch seine Deutsche
Namenkunde und wortgeschichtlichen Arbeiten bekannte Verf. hat hier in vor-
bildlicher Weise unser Wissen über die Entstehung und Bedeutung der deutschen
Personennamen kurz zusammengefaßt. Da durch die verstärkte Sippenforschung
die Frage, was ein Name bedeutet, weite Volkskreise beschäftigt, kann das Buch
jedem, der sich schnell über die Herkunft der Familiennamen unterrichten will,
warm empfohlen werden. Fr. Specht.]
Graur, A., 1. Bulletin linguistique publié par A. Rosetti VII (1939)
105—192. — 2. La quatrième conjugaison latine. Bull. Soc. Lingu. XL (1939)
127—150 [1 enthält mannigfaltige Beiträge zur rumänischen Sprachwissenschaft,
8. 105—114 über einige Typen von Personennamen; 2. betrachtet auf Grund
einer historischen Übersicht der Verba auf -ire und ihrer Ableitungen diese im
ganzen als sekundär für Verba mit ,, die Denominativa auf re als Nachbil-
dungen zu -äre.] |
Grégoire, Ant., Edmond — Puxi — Michel. Les prénoms et les surnoms de
trois enfants. Liège et Paris 1939. 188 S. (= Bibliothèque de la Faculté de
Philosophie et Lettres de l'Université de Liège. Fasc. LXXXVI). [Fortsetzung
der kindersprachlichen Studien des Verf.s o. LXIV 281. „Puxi“ ist nur Bericht
über die Stadie von L. Spitzer; „Edmond“, ein Sohn des Verf.s, erhielt im ganzen
etwa 50 Kosenamen, wenig im Vergleich sum Enkel „Michel“, dem die süd-
französische Mutter etwa 1000 Namen gab und dabei 500 Suffixe verwendete.
Das unterhaltende Buch ist wichtig für Onomatologie und Wortbildung.)
Hermann, Eduard, Jacob Wackernagel. Nachrichten von der Gesellschaft
der Wissenschaften zu Göttingen, Jahresbericht über das Geschäftsjahr 1938/39.
8. 76—89.
— 1. Althochdeutsche Kleinigkeiten. — 3. „Jeder einzelne" in den ger-
manischen Sprachen. Nachrichten usw., Philolog.-hist. Klasse, Fachgruppe IV,
N. F., Bd. III Nr. 3 S. 37—51 und Nr. 7 S. 173—206. 1940. — 3. Sprache und
Erkenntnistheorie. Nachrichten usw., Philolog.-hist. Klasse, Fachgruppe III,
Bd. III Nr. 3 und 7, N. F., Bd. II Nr. 4 8. 95—113. 1940. — 4. Sind der Name
der Gudden und die Ortsnamen Dansig, Gdingen und Graudenz gotischen Ur-
aprungs? Nachrichten von der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen
Zugesandte Druckschriften. 241
Philolog.-hist. Klasse, Jahrgang 1941, Nr. 1 (zugleich Fachgruppe IV, N. F., Bd. 3
Nr. 8) S. 207—291. [Die meisten Leser wird 4 finden, worin in weitausgreifenden
Untersuchungen die gestellte Frage bejaht wird, freilich überall mit Bedenken.]
Holt, Jens, Les noms d’action SI? (-TIZ). Études de linguistique gree-
que. Universitets-orlaget i Aarhus 1940. 198 S. [Stellt die Aspektbedeutung
dieser Bildungen in den Vordergrund und ist daher auch für die Syntax wichtig.
Auf eine allgemeine Einleitung folgen drei morphologische Kapitel, die vier fol-
genden gelten Homer, Hesiod und den Lyrikern, den Ionikern und Attikern. Auf
ein französisches und ein dänisches Resumé folgt der Index 181—194.] |
Hrkal, Eduard, Einführung in die mitteleuropäische Zigeunersprache mit
Wörterverzeichnis. Leipzig, Otto Harrassowitz 1940. 102 8. [Kurze Übersicht
der grammatischen Hauptpunkte (S. 10—32) und Deutsch-Zigeunerisches Wörter-
buch (S. 33—100). Das Buch wendet sich besonders an solche, deren Beruf eine
Kenntnis der Zigeunersprache wünschenswert macht. Für eine N eusuflage wären
einige kurze Lesestücke nützlich. H. Oertel.]
Hrozny, Bediich, Die älteste Geschichte Vorderasiens. Prag 1940. Allein-
vertrieb für Deutschland C. F. Schulz & Co., Plauen (Vogtl.). 172 S. Geb. 10 RM.
[Das Buch ist ursprünglich Zechisch geschrieben und vom Verf. selbst in das
Deutsche übertragen worden. Dabei ist ein kleines Kapitel über die Entzifferung
der kretischen Schrift neu hinzugefügt worden. Wir erhalten eine gute, knappe
Zusammenstellung über die Geschichte Vorderasiens bis in das 2. Jahrtausend
und lernen die verschiedensten Völker, Sprachen und Kulturen von der Ägäis im
Westen bis nach dem Iran im Osten kennen. Bei dem ungeheuren Fortschritt,
den unsere Kenntnisse vom alten Orient in den letzten Jahrzehnten genommen
haben und weiter nehmen, muß man aber damit rechnen, daß manches von dem,
was hier vorgetragen ist, berichtigt werden muß. Für den Augenblick gibt aber
das Buch trotz gewisser, nicht bewiesener Behauptungen des čech. Forschers gut
den Stand der Forschung wieder. Fr. Specht.]
Hubschmied, J. U., Über Ortsnamen des Amtes Frutigen. Hg. von der
Heimatkunde-Vereinigung Frutigen 1940. 61 S. [Hauptabschnitte: Gallische
Namen 1—11, romanische 11—27, germanische 27—53; es folgen Nachwort, An-
merkungen und Index.] |
— 1. Deux noms de rivière gaulois. Actes et mémoires du premier Con-
grès international de toponymie et d’anthroponymie. Paris 1938. 68. — 2. Ro-
manisch -tco, -anco. Mélanges A. Duraffour. Romanica Helvetica XIV (1939)
211—270. Zürich und Leipzig, Niehans. [Die Orbe hieß im ganzen Lauf einst
auch Thièle, d. Zihl — mit burgundischem 1 —; beide Namen bedeuten „(gött-
liche) Kuh“. 2. -inco und -anco sind nicht ligurisch, sondern germanisch.]
Soupis prací Odricha Hujera k jeho Sedesdtce v listopadu 1940. Vydal
Pražský linguisticky kroužek. V Praze 1940. 44 S. [Musterhaft gearbeitete,
nach Jahren angeordnete Bibliographie, mit alphabetischem Register der Ver-
fasser der besprochenen Schriften.]
Hummelstedt, Eskil, Östsvenska verbstudier, morfologisk-semologisk under-
sökning. Inkoativa verb på na och verb med -, Z-, r-, s- eller ¢- suffix i Närpes-
mälet. Helsingfors 1939. 1578. [Die Herausgabe der Arbeit hat sich durch den
finnisch-russischen Krieg, an dem der Verf. teilnahm, um ein Jahr verzögert. Er
behandelt in gründlicher und sorgfältiger Untersuchung eine Reihe von Verbal-
typen im Ostschwed., wie es an der Südwest-Küste Finnlands gesprochen wird.
Im Mittelpunkt steht die Mundart von Närpes. Aber auch andere Dialekte sind
Zeitschrift für vergl. Sprachf. LXVII 8/4. 16
242 Zugesandte Druckschriften.
mitherangezogen. Das meiste Material hat der Verf. selbst seit 1930 gesammelt.
Die Art der Wortbildung und Bedeutung steht bei der Untersuchung im Vorder-
grund. Daneben wird die Etymologie gebührend berücksichtigt. Für die Verben
auf -na stellt der Verf. wesentlich eine inchoative, für die auf Z- (Typ ahd.
stammalön), r- (Typ ahd. wackarön) und k- (Typ ahd. ppi) eine iterative,
seltener diminutive, für die auf s- (Typ got. katizon) und t- (Typ ahd. (k)naf-
fezen) eine iterativ-intensive Bedeutung fest. Aber nicht immer läßt sich diese
scharfe Scheidung durchführen. Bezeichnend ist der häufige Gebrauch dieser
Verben bei besonders starken Gefühlsbetonungen. Fr. Specht.]
Huth, Otto, Der Lichterbaum. Germanischer Mythos und deutscher Volks-
brauch. 2. Aufl. 1940. (Deutsches Ahnenerbe, Reihe B. Fachwissenschaftliche
Untersuchungen: Abt. Arbeiten für idg. Glaubensgeschichte Bd. 1.) [Das Buch
gehört wesentlich der Volkskunde an und steht nur am Rande der Sprachwissen-
schaft. Aber der Verf. stellt sich das hohe Ziel, den Nachweis zu führen, daß
der Lichterbaum in die idg. Urzeit zurückreicht. Bei dem lückenhaften Material,
das bisher vorliegt, läßt sich das noch nicht einwandfrei zeigen. Aber mit der
Möglichkeit, daß der Beweis einmal gelingt, ist zu rechnen. Da das Buch über
Erwarten schnell von neuem aufgelegt werden mußte, hat der Verf. das sich
ständig mehrende Material noch nicht voll verarbeiten können. Hoffentlich wird
eine 3. Auflage ihn seinem Ziel etwas näher bringen. Fr. Specht.) |
Johannisson, Ture, Verbal och postverbal partikelkomposition i de Ger-
manska spräken. Lund 1939. 381 S. [Der Verf. behandelt ein stark vernach-
lässigtes Gebiet des Bedentungswandels. Ihn beschäftigt die Frage, wie die
german. komponierten Adjektiva, deren 1. Glied eine Partikel oder Präposition
ist und den Sinn des betreffenden Adjektivs verstärkt, zu ihrer Bedeutung ge-
langt sind. In einer sehr gründlichen und umsichtigen Untersuchung, die sich
wegen des allzugroßen Umfangs auf einige verstärkende Partikeln beschränken
muß, sucht er die Entstehung trotz scheinbarer Übereinstimmungen wie lat. per
in permagnus und an. for in fortoitri „sehr klug“ usw. nicht im Idg., sondern
erst einzelsprachlich. Er sieht den Ausgangspunkt in der Verbalkomposition.
Von hier aus und zwar aus dem Partizip wäre die Bedeutung auf das dem
Sinne nach oft nahestehende Adjektiv übertragen worden, wie etwa in schwed.
athungrig „susgehungert“ aus dem gleichbedeutenden Partizip uthungrad. Hier
und an vielen anderen Stellen kann er diese Annahme durch das spätere Vor-
kommen der adjektivischen Bildungen wahrscheinlich machen. Aber selbst wenn
noch Zweifel bleiben, der Beweis nicht immer eindeutig zu führen ist und hie und
da auch Einwendungen zu erheben sind, so bleibt das Buch allein schon durch
die Materialsammlung namentlich aus den nord. Sprachen wertvoll. Fr. Specht.]
Kainz, Friedrich, Psychologie der Sprache I. Grundlagen der allgemeinen
Sprachpsychologie, 1941, Ferdinand Enke Verlag, Stuttgart. XII + 373 8., geb.
16, 80 RM. [Dieser erste Band des anregenden, aus Vorlesungen an der Wiener
. Universität erwachsenen Buches behandelt 1. Wesen, Ziele und Aufgaben, Ar-
beitsrichtungen und Verfahrensweisen der Sprachpsychologie; 2. Das Wesen der
Sprache (Zeichennatur der Sprache, Aufbau des sprachlichen Zeichensystems,
Sprache und Anschauung, Sprechen und Denken); 3. Die Leistungen der Sprache:
Primäre (monologische und dialogische) Sprachfunktionen; sekundäre Sprach-
funktionen (ästhetische und ethische Sprachfunktionen, das magisch-mythische
Verhältnis zur Sprache, die logisch-alethischen Sekundärfunktionen); 4. Die Ent-
stehung der Sprache. Besonders zu beachten ist das Bestreben des Verte die
Zugesandte Druckschriften. 243
Sprachpsychologie in engste Verbindung zu setzen nicht nur mit sämtlichen
Richtungen und Teilgebieten der allgemeinen Psychologie, sondern auch mit
Ethnologie, Kulturkunde, Gesellschaftslehre, Anthropologie, genetischer Zoologie,
Paläobiologie, Prähistorie, Sprachpathologie und deren medizinischen Grundlagen
(Neurologie und Psychiatrie), wobei sich manche neue Ausblicke eröffnen. Auch
der Philologe und vergleichende Sprachforscher wird das Buch mit Nutzen lesen
und mannigfaltige Anregungen daraus schöpfen können. H. Oertel.]
Kluge, Theodor, Die Zahlenbegriffe der Völker Americas, Vorderasiens,
der Munda und der Palaioafricaner; ein dritter Beitrag zur Geistesgeschichte
des Menschen. 1939. 736 S. und 30 Karten und Die Zahlenbegriffe der Dravida,
der Hamiten, der Semiten und der Kaukasier [mit Etruskern, Basken usw.]; ein
vierter Beitrag sur Geistesgeschichte des Menschen. 1941. 65 8., 5 Karten.
Maschinenschrift; Selbstverlag des Verfassers (Berlin-Steglitz, Feuerbachstr. 63).
{Fortsetzung der o. LXIV 282 und LXVI 272f. genannten weltweiten Arbeit des
Verfassers. Wer den Ozean der Wortlisten durchquert, stößt gelegentlich auf
eine erörternde Insel, so im dritten Teil — von dem hochinteressanten Vorwort
abgesehen — 8. 2ööff., wo z. B. über 1 und 2, 8.325 über die Null, S. 440
Eskimozahlen, S. 455 Abzugzahlen, S. 474 Klassifikation, S. 639—649 Zusammen-
fassung über die amerikanischen Sprachen, S. 693 Samojedisch und Idg. Der ge-
ringere Umfang des vierten Teils erklärt sich teils aus sachlichen Gründen, teils `
daraus, daß die Behandlung einzelner Fragen auf die Fortsetzung verschoben ist.] .
— Das ossische Siedlungsgebiet. 1940. 81 S. (Maschinenschrift) mit zwei
großen Karten. Selbstverlag usw. [Auf das methodisch und kulturgeschichtlich
interessante Vorwort folgen zuerst 8. 5—19 die fast durchaus nur georgischen
Orts-, Berg- und Flußnamen aus der Geographie des Georgiers Wakusti von 1748,
dann das Verzeichnis nur der Orte des amtlichen Verzeichnisses S. 20—23 und
der darin fehlenden der — bedenklichen — russischen zaristischen Generalstabs-
karte 8. 23—27, dann ein Verzeichnis der Berge, Pässe, Gletscher, Flüsse, Seen
und Kurgane nach der Karte 8. 27—42, weiter sonst nicht bekannte geogra-
phische Namen aus Hahn 1910 und dem Wörterbuch von Ws. Miller S. 43—47, end-
lich ein Verzeichnis der Orte, für die im amtlichen Verzeichnis Ossen als Ein-
wohner angegeben werden, S. 52—81 — nach der aufschlußreichen Einleitung
S. 47—51; ossisch sind nur die Namen auf S. 52—569, andere sind russisch, tata-
risch, georgisch, auch iran. oder armen. Lehnwörter. Den Namen sind nach
Möglichkeit Erklärungen beigegeben. 8. 8 steht der verheißungsvolle Satz: „Vor-
liegende Arbeit bringt den ersten sicheren Nachweis über einen Weg, den die
indogermanische Völkerwelle nach Persien und Indien genommen hat“; aber nach
8. 51 sind die Ossen erst unter dem Drucke von Tataren und Mongolen vom
Norden in den Kaukasus eingedrungen, wie allgemein angenommen wird!]
Knoch, Aug., 1. Die Verwendung von Bruchzahlen in der älteren irischen
Literatur. Zeitschr. f. kelt. Philol. XXII (1940) 39—53. — 2. Ein irischer Sonder-
fall von Epizeuxis. Ebd. 54—57. [1 ist typisch im Recht und in der Poesie
und beleuchtet z.B. auch die „Quintessenz“, 2 gehört zu den typischen Wieder-
holungen der Poetik.]
Kodzu, Harushige, 1. Dasosıupgosos. SA. 8.59—71. — 2. A Study in the
History of the Arcadian Dialect. Opuscula sodalium Societatis Studiorum Graeco-
Latinorum I. Tokyo 1940. 8.3—37. [1 wesentlich referierend; Verf. erklärt
den Typus 9. nach Meillet vom Desiderativ mit s aus; Zort sekundär oder Er-
weiterung von . 2. bespricht mit guter Literatur- und Quellenkenntnis neuere
| 16*
244 Zugesandte Druckschriften.
Anschauungen über die Stellung der „vordorischen“ Dialekte; Arkadokyprisch,
Äolisch, Ionisch waren einst eine Einheit, in der zuerst das Ionische eine Sonder-
stellung gewann. Zuerst kamen die Arkader nach dem Peloponnes und über-
nahmen dort die kretische Zivilisation. Durch Mischung der Arkader und Äoler
entstanden die Achäer; später kamen die Ionier nach dem Peloponnes.]
Konow, Sten, Khotansakische Grammatik mit Bibliographie, Lesestticken
und Wörterverzeichnis. Mit einer Schrifttafel (Porta Linguarum Orientalium,
Sammlung von Lehrbüchern für das Studium der orientalischen Sprachen, hg.
von Richard Hartmann, XII). Leipzig, Otto Harrassowits. 1940. 130 8. [Vor-
sügliche kurze Einführung in die khotansakische Grammatik, für die dem Verf.
der Dank aller Indologen sicher ist. Dazu fünf Seiten Bibliographie, Lesestiicke
aus sechs verschiedenen Texten mit sorgfältigem Glossar. H. Oertel.]
— A medical text in Khotanese Ch. II 003 of the India Office Library,
with translation and Vocabulary (Avhandlinger utgitt av Det Norske Videnskape-
Akademi i Oslo II Hist.-Filos. Klasse 1940, No. 4). Oslo 1941. 104 S. [Lateinische
Transkription, englische Übersetzung und Wörterverzeichnis des von Bailey, Codices
Khotanenses (Kopenhagen 1938) in Faksimile publizierten Textes. Wichtig für die
Geschichte der indischen Medizin und für die khotanische Lexikographie. H. Oertel.}
Krause, Wolfgang, Ziu. Göttingen, Vandenhoeck & Ruprecht. 1940. (Nach-
zichten von der Gesellschaft der Wissenschaften zu Göttingen, Philol.-hist. Klasse,
Fachgruppe XV, N. F., Bd. III Nr. 6 S. 155—172.) [Für die Zurückführung auf
idg. *dejyos „Gott“ .]
Krenn, Ernst, Föroyische Sprachlehre (Germ. Bibl. I Abt. Samml. germ.
Elementar- und Handbücher, 1. Reihe: Grammatiken 22). Heidelberg, C. Winter
1940. 139 8. Brosch. 6,50 RM., geb. 8 RM. [Für den Sprachforscher ist diese
Mundart des kleinsten nordischen Volkes, das seit dem 9. Jahrh. von seinem
Mutterlande losgerissen ist, deshalb von Wichtigkeit, weil sich hier die Sprache
fast in völliger Abgeschlossenheit von den übrigen nordischen Dialekten ent-
wickelt hat. Die Darstellung der Sprachlehre ist rein schulmäßig. Große wissen-
schaftliche Ansprüche darf man an das Buch nicht stellen. Da es aber in Deutsch-
land kaum ein Werk zur Erlernung des Föroyischen gibt, wird man es benutzen
müssen. Fr. Specht.]
Kuryłowicz, J., Intonation et morphologie en slave commun. Rocznik
slawist. XIV (1938) 1—66. [Neubehandlung der slawischen und baltischen Ak-
zentuation vom morphologischen Standpunkt; Zusammenfassung S. 62ff.]
van Langenhove, George, Linguistische Studien II (Essais de lingui-
stique Indo-européenne). Rijksuniversiteit te Gent, werken uitgegeven door de
faculteit van de wijsbegeerte en letteren, 87. aflevering. Antwerpen 1939. 151 8.
85 Frank. [Das einigende Band der vier sonst nicht in Beziehung stehenden
Abhandlungen 1. Sur quelques racines indo-eur. du type *azeu-, 2. Le nom de
la nouvelle mariée en Indo-eur., 3. Sur l'interprétation de quelques noms de per-
sonnages divins, 4. Notes pour une théorie de la racine ist die Anwendung von
Benvenistes Wurzeltheorie auf vier besondere Fälle. Wer an Benvenistes Lehre
nicht glaubt, wird auch die Ansichten L.s ablehnen müssen. Man kann dem be-
gabten Verf. einen großen Scharfsinn nicht absprechen. Aber ehe Benvenistes
Lehren nicht besser begründet sind, hängen auch seine Ausführungen in der
Luft. Fr. Specht.]
Lejeune, Michel, Observations sur la langue des actes d’affranchissements
delphiques (= Coll. linguistique XLVII). Paris, Klincksieck 1940. 1618. [Be-
Zugesandte Druckschriften. 245
handelt in statistischer Verarbeitung mit vielen Tabellen unter voller Berück-
sichtigung der Chronologie in Kap. II und III zwei auch syntaktisch wichtige
Formeln der Freilassungsurkunden, die konsekutive und die kondizionale; Kap. IV
gilt dem Unterschied zwischen rol vdervesc und of dr u. a. in der Zeugen-
formel, Kap. V den Imper. Plur. und den Dativformen auf or und og, Die Ein-
leitung (Kap. I) spricht von den Quellen; das Schlußkapitel VI faßt zusammen
und zieht methodische Folgerungen für eine sprachliche Gesamtbehandlung der
delphischen Freilassungsurkunden, von der die Schrift des Verf.s eindrucksvolle:
Proben gibt.]
Lexer, Matthias, Mhd. Taschenwörterbuch. 22., überarbeitete Aufl. Leipzig,
S. Hirzel 1940. 343 S. Brosch. 8 RM., geb. 9,50 RM. [Das durch viele Jahr-
zehnte bewährte Lexersche Taschenwörterbuch des Mhd. ist seit einigen Jahren
durch E. Henschel und R. Kienast in immer neuen Auflagen bearbeitet worden.
Dabei wurden viele Versehen berichtigt und der Wortschatz vermehrt. Auch die
letzte, jetzt erschienene Auflage hat im einzelnen manche Verbesserungen er--
fahren. So wird das Buch in der vorliegenden Gestalt nicht nur Germanisten,
sondern auch den Nachbarwissenschaften, die sich mit dem Mhd. beschäftigen
müssen, weitere gute Dienste leisten. Fr. Specht.]
Meijerbergs Arkiv för Svensk ordforskning, utgivet af styrelsen för Meijer-
bergs institut vid Göteborgs högskola. Bd. II. Göteborg 1939. 148 S. Bd. III.
1941. 160 S. Preis des Bandes 3 Kr. [Dem 1. Bd. dieser neuen schwed. Zeit-
schrift, die ganz aus der Feder des hervorragenden Sprachforschers und glän-
zenden Etymologen Ewald Lidén stammte, sind nunmehr zwei weitere Bände
gelolgt. Außer dem inzwischen verstorbenen Liden kommen eine ganze Reihe
schwedischer Forscher zu Wort. Die eigentlichen wortgeschichtlichen und etymo-
logischen Arbeiten beschränken sich fast ausschließlich auf das Schwedische.
Aber das übrige Nordische und auch das sonstige Germ. wird im weitesten Sinne
mitherangezogen. Für die schwed. Sprache kann die Zeitschrift eine hnliche
Bedeutung gewinnen wie einst die Zeitschr. f. deutsche Wortforsch. für die
deutsche. Fr. Specht.]
Meyer, Karl H., Altkirchenslavische Studien. I. Fehlübersetzungen im
Codex Suprasliensis. Schriften der Königsberger Gelehrten Gesellschaft 15/16.
Jahr Geisteswissenschaftl. Klasse, Heft 2. VI und 63—95. [Bespricht und klas-
sifiziert nach einführenden Vorbemerkungen 67 Fälle von Vertauschung griechi-
scher Wörter durch die slavischen Übersetzer der 570 Folioseiten des Codex,
dazu vier Fälle von Verwechslung von Eigennamen. Einzelnes ist durch Ver-
lesen oder Verhören veranlaßt.]
Michailové, Georgi, Eziksts na grackité nadpisi ots Belgarija I Fonetika
(La langue des Inscriptions Grecques en Bulgarie I. Phonétique par Gueorgui
Michailov). Sofija 1940. XII, 84 8. (= Studia historico-philologica Serdicensia.
Supplementi vol. VI). [Die römisch paginierten Seiten enthalten eine Übersicht;
über die Fundstellen von Inschriften und die grammatische Literatur sowie Be-
merkungen über die Koine, die arabisch paginierten geben Vokalismus, Konsonan-
tismus und Sandhi unter steter Bezugnahme auf die bekannten grammatischen
Darstellungen. Die lateinischen Elemente und die griechischen poetischen Ele-
mente sind mitbehandelt, ebenso die hier besonders wichtigen thrakischen.
Dankenswert ist auch das Register S. 76—80, das die Benutzung der bulgarisch
geschriebenen Schrift erleichtert.]
Mugler, Charles, Problèmes de sémantique et d'ordre syntaxique. Paris
246 Zugesandte Druckschriften.
1939 (= Publications de la faculté des lettres de i’université de Strasbourg,
fasc. 92). IV, 175 8. [Fortsetzung der Studien des Verin über das griech.
Relativ, die DLZ. 1939, 1379—1882 gewürdigt sind. Das neue Heft behandelt
I. Les fonctions sémantiques de la relative dans la phrase grecque; II. La place
de la relative dans la p6riode et dans le vers.]
Mühlhausen, Ludwig, Zehn irische Volkserzählungen aus Süd-Donegal
mit Übersetzungen und Anmerkungen. Schriftenreihe der „Deutschen Gesellschaft
für keltische Studien e. V.“, Heft 3. Halle, M. Niemeyer 1939. 157 8. Kart.
4 RM. [Die vorliegenden zehn Erzählungen hat der Verf. selbst 1937 an Ort
und Stelle aufgenommen. Um die Texte einem größeren Leserkreis zugänglich
zu machen, sind sie mit deutscher Übersetzung versehen worden. Auf eine genau
phonetische Wiedergabe mußte verzichtet werden, aber die mundartliche Färbung
der Sprache tritt trotzdem zutage. Volkskundliche und sprachliche Anmerkungen
von §. 116 ab erhöhen die Brauchbarkeit des Buches, das nicht nur für den
Keltisten, sondern auch für den Volkskundler von Wert ist. Fr. Specht.]
Nachmanson, Ernst, 1. Remarques Syntaxiques sur les Ecrits Hippo-
cratiques. APAI"MA Martino P. Nilsson . .. dedicatum. 1939, 309—333. — 2. Zu
den griechischen Doppelpräpositionen. Eranos XXXVIII 1—8. — 3. Zur Aussprache
des o im Spätgriechischen. Ebd. 108f. (1941). [1 Zum adverbalen gen. part. und
seinem Wechsel mit dem Akk. — 2 su Anel zegi, Grën, dad Bons Wwexa u. a.
3 dvapınploxera« (Plotin) deutet auf q als offenes e gegenüber «.]
Nakonetschna, Hanna, und Rudnyékyj, Jaroslav, Ukrainische Mund-
arten. Stidkarpatoukrainisch (Lemkisch, Bojkisch und Husulisch). Auf Grund
von Schallplatten bearbeitet. Leipzig, Harrassowits 1940. 100 8. (= Arbeiten aus
dem Institut für Lautforschung an der Universität Berlin, hg. von D. Wester-
mann, Nr.9). [Entbält außer den auch volkskundlich bemerkenswerten Texten
eine allgemeine geschichtlich-methodische Einleitung mit zwei Karten und zwei
Lauttabellen, sowie Einleitungen zu den drei Mundarten, eine Zusammenfassung
and ein Glossar 8. 89—100.]
Nencioni, Giov., 1. Innovazioni africane nel lessico latino. Aus Stud.
ital. fil. class. NS. XVI (1939). 508. — 2. Lessico giuridico Latino e tradizione
mediterranea. Aus Aunali della R. Scuola Normale Superiore di Pisa ser. II
vol. IX (1940) fasc. I. 148. — 3. Bauxalıs dia et xavudAcov.. Roma 1940. 78.
(wohl Sonderdruck). — 4. In tema di sostrato egeo. Aus Studi ital. di Filol.
class. NS. vol. XVI (1939) fasc. 3. 88. [1 gibt nach einleitender Übersicht über
das Sprachgebiet eine sehr dankenswerte Zusammenstellung der Lehnwörter aus
dem Agyptischen — diese sind meist durch das Griechische vermittelt —, dem
Libyisch-Berberischen und Punischen. 2: Hauptsächlich methodische Auseinander-
setzung mit Devoto, Terracini, Piganiol; mediterran nur etwa culleus, licium,
festaca, verbena, libra, stipulor. Nach 3 Badxalıs aus kopt. Baixov, hierogl.
33k. t; nach 4 kommt jedoch aus letzterem vielmehr H, das nicht igkisch
ist, wohl aber dordg.]
Norden, Eduard, Aus altrömischen Priesterbüchern. Lund, Gleerup (usw.)
1939. 300 S. (= Skrifter utgivna avk. humanistiska vetenskapssamfundet; Lund
XXIX). [Die genaue sachliche und besonders auch sprachliche Interpretation
der römischen Auguralformel und des Arvalliedes, die den Hauptinhalt des
Buches ausmacht, darf von keinem Latinisten übersehen werden; man vgl. z. B.
die Ausführungen über Aer und - ner, guirguir, tesca, quod, cortumio.|
- Zugesandte Druckschriften. 247
Numminen, Paavo, Das lateinische in mit Akkusativ bis zu Augustus’
Tod. Helsinki 1938. 255 8. [Der Verf. dieser Erstlingsschrift scheidet zwischem
1. lokalem, 2. direktivem und affektbetontem, 3. translativem und finalem Ze,
4. in der Masse, der Menge, Beziehung, Art und Weise, 5. temporalem in. Die
Arbeit ist willkommen als selbständiges Gegenstück zu der entsprechenden Ab-
teilung des Thesaurusartikels do und hat den Vorzug, außer auf griechische auch
-auf finnische Parallelen hinzuweisen. Außer der Bedeutung kommen auch Stellung
und individuelle und Gattungsunterschiede zu ihrem Recht. Nicht berücksichtigt
ist der Gesichtspunkt, daß in c. acc. ältern bloßen Akk. fortsetzt. Beigegeben
‚sind zwei instruktive Register S. 244—255.]
Oertel, Hanns, Zu den Kasusvariationen der vedischen Prosa. Zweiter Teil.
Sitzungsberichte der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Philosoph.-histor.
‚Abteilung 1938, Heft 6. Dritter Teil. Ebd. 1939, Heft 6. [Vgl. o. LXV 289.}
— Zu den Wortstellungsvarianten der Mantras des Atharvaveda in der
Saunaka- und Paipaläda-Rezension und des Sämaveda in der Kaushuma- und
- Jaiminiya-Rezension. Sitzungsberichte der Bayerischen Akademie der Wissen-
sehaften, Philosoph.-hist. Abteilung, Jahrg. 1940, Heft 7. 1718. [Wichtig für
die Wortstellung überhaupt; in dem reichen Material der Mantras sind die Ab-
weichungen weder metrisch noch stilistisch, sondern psychologisch bedingt; vgl.
die Einleitung S. 1—13.]
Palmer, Philip Motley, Neuweltwörter im Deutschen. Heidelberg, Winter
1939. 1748. 9,60 RM. (= Germanische Bibliothek II. Abt.: Untersuchungen
and Texte 42). [Den Hauptteil bildet die lexikalische Zusammenstellung S. 17—161,
worauf ein Bücherverzeichnis folgt; die Einleitung gibt eine chronologische und
alphabetische Liste von ersten Belegen und eine Übersicht über die Herkunft
aus verschiedenen amerikanischen Sprachen, dem Spanischen usw. Im ganzen
also ein bescheideneres Gegenstück zu dem bekannten Hobson-Jobson für die
anglo-indischen Wörter.]
Paul, Otto, Sei deutsch! Geschichte und Volksforschung in Grundzügen,
aeg ee von der Forschungs- und Lehrgemeinschaft „Das Ahnenerbe“
Heft 1: Die Hauptkulturkreise der jüngeren Steinzeit. — 2. Die Zeitstufen der
deutschen Kulturgeschichte. — 3. Einführung in die vergleichende arisch-ger-
manische Sprachwissenschaft. — 4. Die Langobarden. Ahnenerbe-Stiftung Verlag,
br. 625 RM. [Diese neue Reihe macht sich zur Aufgabe, in kurzer gemein-
verständlicher Form auch unter Benutzung von Tabellen Sprache, Kultur und
‘Geistesleben des idg. Menschen zu schildern. Fr. Specht.]
Pax, Wolfgang, Adolf Friedrich Stenzler [mit Lichtbild]. Pommersche
Lebensbilder III 284—296 (Stettin, Saunier). [Lebensvolle Biographie, nicht nur
für die Geschichte der Indologie und Orientalistik und für die deutsche Geistes-
‚geschichte, sondern auch für die Indogermanistik bedeutsam.]
Pisani, Vittore, Geolinguistica e Indeuropeo. Roma, Bardi 1940. 269 8.
(= R. accad. naz. dei Lincei. anno 336 = 1939. Serie VI, vol. IX, fasc. II
8. 110—379). [Neben den anerkannten gegenseitigen Beeinflussungen benach-
barter Sprachen in Wortschatz und Syntax fehlen auch flexivische und lautliche
nicht, die um so häufiger sein können, je ähnlicher die Sprachen sind: diese An-
‚schauung, die der Verf. schon in seinen „Studi sulla preistoria delle lingue ind-
europee“ vertrat, verteidigt er in dem neuen Buch in der „Introduzione“ 7—15
im allgemeinen, um sie dann in drei Kapiteln darzulegen 1. an Beziehungen der
germanischen, keltischen und römischen Welt in Nord- und West-Frankreich,
248 Zugesandte Druckschriften.
Deutschland und den britischen Inseln, 2. an Beziehungen zwischen der griechisch-
römischen und griechisch-slavischen Welt, 3. an balkanischen Beziehungen.]
— Introduzione allo studio delle lingue germaniche. Roma, ed. univer-
sitarie 1940. 111 S. 10 Lire. (Manuali linguistici del R. istituto superiore
orientale di Napoli. 2°.) [Einfache, klare, vorsichtige Einführung in die alt-
germanische Laut- und Formenlebre (bes. die gotische) für italienische Studenten
mit einigen persönlichen Auffassungen (S. 31—87). Vorangeht eine Einleitung,
es folgen allgemeine Bemerkungen über Wortschatz und Wortbildung, einige
Texte (Runen, Mth. 5 got., Vaterunser got., an., ahd.) und eine ausführliche Biblio-
graphie. Teilweise ist des Verf.s Introduzione alla linguistica indeuropea voraus-
gesetzt, die als Nr. 1 der Sammlung erschien. Man vergleiche auch des Verf.s
ausführliche Besprechung der Germanic Grammar von Prokosch im Arch. glottol.
ital. 31. 1939. 57—68.]
— 1. Augusto e il latino. Annali della R. Scuola Normale Superiore di Pisa
(Lettere ecc.). Ser. II vol. VII 221—236. — 2. Corresposioni tri- e polimembri.
Annali etc. Vol. VIII (1939). 118. — 3. Indoiranica. Rivista degli studi
orientali XVIII 91—113. — 4. Intorno alle antiche iscrizioni persiane. Ebd. XIX
81—97. — 5. La lingua e la sua storia. Arch. glottol. ital. XXXI (1939) 1—12.
— 6. Dor. vürıog. Ibid. 49—51. — 7. Note di fonetica e morfologia greche.
R. Istituto Lombardo di Sc. e lett. LXXIII (1939—40). 55 8. — 8. Sul valore di
téAgov ed éise Athenaeum XVIII (1940) 3—10. [1 Festrede; 2 gibt griech..
lat., ital. u. a. Beispiele; 3 enthalt unter 11 Nummern auch Philologisches, hier
wichtig die drei ersten mit xéefepgos und čovĉa; 4. bietet außer Worterklärungen
Grammatisches, so Stamm masdah- sekundär für -ä; artäca brasmanty ellipt.
Dual; 3. Sg. auf -, 3. Plur. -3a, -ka; 5 Antrittsvorlesung in Mailand; 6 macht
für »ä@rıog unsicheres varıa bei Epikur geltend; drr sei AN; 7. gibt 26 Ar-
tikel im Anschluß an meine griech. Grammatik; 8 für séAcov , Furche“ und & Axe
il „trahere“ dei due buoi spricht N 707. Zahlreiche Besprechungen und kleinere
Artikel des rührigen Verfassers können hier nicht genannt werden.]
Prexi, Maria, Wortgeographie des Mittleren Böhmer- Waldes mit 78 Karten.
Arbeiten zur sprachlichen Volksforschung in den Sudetenländern. 7. Heft.
R. M. Rohrer-Verlag, Brünn/Leipzig 1940. 63 S. Br. 7,50 RM. [Die Arbeit be-
bandelt die Benennung und Verbreitung landwirtschaftlicher Ausdrücke in der
bayrischen Mundart des Mittleren Böhmer-Waldes. In einem 2. Abschnitt gibt
die Verfasserin die politische und kirchliche Einteilung und Zugehörigkeit des
Gebietes an, zeichnet die soziale Stellung der Siedler und untersucht ihre Her-
kunft. Es ergibt sich dabei die schon oft in solchen Arbeiten gemachte Fest-
stellung, „daß die früheren Herrschafts- und Kirchspielgrenzen zum großen Tei}
mit den heutigen Wortgrenzen zusammenfallen“. Fr. Specht.]
Publications de la Commission d’Enqu&te Linguistique. III. Some
undescribed Languages of Luzon by Morice Vanoverbergh. IV. The Dumäki
Language. Outlines of the Speech of the Doma or Béricho, of Hunza by
D. L. R. Lorimer. Nijmegen 1937 bzw 1989, Dekker & van de Vegt N. V.
200 S. mit Karte bzw. VIII, 2448. mit Tabellen. Je 2,50 Gld. [III enthält
S. 13—56 grammatical notes, bes. Beispiele, des Casiguran Negrito, S. 57—69
ein Glossar und 8. 70—91 Texte dieser Sprache; S. 92—193 (Part II) tabellarische
Wortvergleichungen aus 15 Sprachen von Luzon (Philippinen); Part III 8. 194—207
bespricht die quinäre Zählweise im Ilongot. Wie die Texte enthält die Ein-
leitung auch sachlich Interessantes. In IV bandelt es sich um eine indoarische,
Zugesandte Druckschriften. 249
vielleicht mit dem Zigeunerischen verwandte Sprache einer Bevölkerung von
wenigen Hundert Köpfen, die als Musikanten und Schmiede unter Burushaski-
sprechender Bevölkerung im westlichen Karakorum leben. Von 600 gesammelten
Wörtern ist mehr als die Hälfte sicher entlehnt. Sie sind S. 189—219 aufge-
führt, worauf 8. 220—244 ein English-Dumäki-Index folgt. Auf die geographisch-
ethnographischen und sprachlichen Vorbemerkungen S. 1—21 folgt eine grammatische
Auswertung des in wenigen Tagen aufgenommenen Materials mit Berücksichti-
gung des Gebrauchs der Formen 8. 22—128, weiter der einzige Text mit Er-
läuterungen S. 128-138. Ausstattung und Druck beider Bände sind vorzüglich.]
Pudor, Heinrich, Beihefte zu Dr. Heinrich Pudors „Entstehung der
Sprache“ und „Neue Helgoland-Forschungen“ Nr. 24—30. Verlag Dr. H. Pudor,
Leipzig 1940/41. S. 125—180. [Die betreffenden Hefte geben sprachliche Deutungen,
die man besser mit Stillschweigen übergeht. Fr. Specht.]
Raucq, Elisabeth, Contribution à la linguistique des noms d’animaux en
Indo-Européen. Rijksuniversiteit te Gent, werken uitgegeven door de faculteit
van de wijsbegeerte en letteren, 88 aflevering. Antwerpen 1939. 109 S. IR Raucq
ist Schülerin G. van Langenhoves und knüpft an seine Arbeiten an. Grundlage
ist für beide das Ablautsystem Benvenistes. Die Verf. gibt eine Reihe von
Etymologien von Tiernamen, in denen sie oft Komposita sieht. Beziehungen zu
Verbalwurzeln sind, worin ich ihr zustimme, selten. Aber da ich Benvenistes
Lehre nicht nur für unerwiesen, sondern für verkehrt halte, habe ich das Emp-
finden, als ob hier viel Fleiß und Begabung an eine falschen Sache verschwendet
worden ist. Fr. Specht.]
Reichenkron, Günter, Beiträge zur romanischen Lautlehre. Jena,
W. Gronau 1939. 1988. (Berliner Beiträge zur Roman. Philologie, hg. von
Gamillscheg u. Winkler. Band X 1/2.) [Behandelt nach einer kurzen Einleitung
das nominale und adverbiale auslautende -s, ausgehend vor allem vom AIS.
Für den Indogermanisten ist besonders wichtig der Abschnitt über das Ost-
romanische S. 157—185, in dem auch die balkanphilologischen Qualitäten des
Verf.s in Erscheinung treten — vgl. z. B. den Exkurs über die Ortsnamen bei
Prokop. S. 181—184 — und der „Schluß“ S. 186—189: -s war einmal fest, z. B.
in gemeinrom. -as Nom. Acc. Pl.; der Schwund, der nichts mit dem altlateinischen
zu tun hat, auch keine Substratwirkung ist, hängt mit den Betonungsverhält-
nissen des Satzes zusammen; seit dem 3/4. Jahrh. treten s-lose Schwachton-
formen auf.]
Revue des études indo-européennes s. o. LXV 2%. [Von der Fort-
setzung liegen mir von Band I fasc. 2—4 einige Sonderdrucke vor, von denen
einer bis S. 439 reicht, alphabetisch: A. Burger (s xna. mit Ersatz-
dehnung aus -avo-); G. Cuendet (Zz im NT. und in den Übersetzungen);
A. Debrunner (metrische Kürzungen wie orauivscoo: und Erweiterungen:
sAwd- noiv?-); 8. Feist (ceézoAos „dreimal umwandelt“); E. Fraenkel (zur
idg. Semasiologie, so Wald, Hain: Sumpf, „berühren“, ,stols“); H. Pedersen
(xdoyw zu *bhendh; nagdévos < *nugpa-Fevos „sich dem säugungsfähigen
Alter nähernd“); V. Pisani (Seds; Salacia; umbr.Vufiune lat. Liber Quirinus;
*Paddpavdus; Toyn; Cocles; Virbius e Astrabakos; Venus Fisica); ferner II 1,
(1939) 102 S., enthaltend: N. van Wijk, Sur quelques types de dialectes mixtes;
E. Peruzzi, Remarques sur l’inscr. de la fibule de Preneste; G. Bonfante;
N problema dei Taurisci ecc. und Ancora il carattere satem del tracio; A. Cuny
Le facteur „temps“ und Le gendre des mots francais & initiale vocalineg
250 Zugesandte Druckschriften.
E. Fraenkel, Etymologisches und Syntaktisches; W. J. van Windekens, Une
terminaison indoeuropéenne de l'impératif en tokharien; L. H. Gray, Notule;
dazu Besprechungen von Hirt, Urgerm. und Walde-Hofmann durch Bonfante.}
Rohlfs, Gerh., Das Griechentum Unteritaliens. Ipaxsınd tio "Anadnulas
Adnvdy XIV (1939) S. 340—358. [Neueste Zusammenfassung der Forschungen
über griechische Einflüsse in den italienischen Mundarten Unteritaliens und über
die noch griechisch sprechenden Gebiete in Kalabrien und der Terra d'Otranto
unter Heranziehung der Materialien des Aefcxd» ‘Iorogexdv und der Ergebnisse
einer Studienreise in Griechenland.]
Saertryk af acta philologica Scandinavica, Tidsskrift for Nordisk
sprogforskning. Levin og Munksgaards forlag. København. S. 261—365. [Enthält
die 13. Bibliographie der skandinavischen Philologie von Mitte 1937 bis Mitte
1938. Fr. Specht.]
v. Schaubert, Elisabeth, Heyne-Schückings Beowulf, 15. Aufl. 1. Teil
Text 105 8. 2. Teil Kommentar 1448. 3. Teil Glossar 232 8. Bibliothek der
ältesten deutschen Literatur-Denkmäler III. Bd. Paderborn, F. Schöningh 1940.
[Die altbewährte Beowulfausgabe von M. Heyne, die zuletzt L. Schücking heraus-
gegeben hatte, hat jetzt durch E. von Schaubert eine völlige Umarbeitung er-
fahren, so daß man fast von einem neuen Buche sprechen kann. Die ergebnis-
reichen Forschungen der letzten 20 Jahre sind ihm zugute gekommen. Am deut-
lichsten erkennt man das am Kommentar, der eine völlig andere Gestalt er-
halten hat und mehr als verdoppelt worden ist. Aber auch Text und Glossar
sind an zahlreichen Stellen umgestaltet worden. Dabei zeigt sich der kon-
servative Sinn der Verfasserin in der Textgestaltung im günstigsten Licht. Das
Buch wird auch in der neuen Gestalt gute Dienste leisten können. Fr. Specht.]
Schmid, Wolfgang, Ethica Epicurea Pap. Hero. 1251. Lipsiae apud
Harrassowitz 1939. 93 8. (= Studia Herculanensia edenda curavit Chr. Jensen
fasc. primus). [Dem Index S. 88—93 wird auch der Sprachhistoriker manches
entnehmen.]
Schwyzer, Eduard, 1. Die Parenthese im engern und im weitern Sinne.
— 2. Syntaktische Archaismen des Attischen. Abhandl. der Preuß. Akad. der
Wissenschaften, Phil.-hist. Klasse, 1939, Nr. 6, 46 8. bzw. 1940, Nr. 7. 16 8.
[1: Terminologie, Theorie, Beispiele, Nutzanwendung der Parenthese in den idg.
Sprachen. 2: Das Attische ist aueh in syntaktischer Hinsicht oft altertümlicher
als Homer.]
Siegert, Hans K., Die Syntax der Tempora und Modi der ältesten
lateinischen Inschriften (bis zum Tode Caesars). Diss. München. Würzburg,
Triltsch 1939. X, 72 8. [Systematische Ausdeutung des bisher mehr nur bei-
läufig herangesogenen inschriftlichen Stoffes, der gut geordnet, verständlich be-
urteilt und in die allgemeine Entwicklung eingeordnet wird.]
Sombart, Werner, Volk und Sprache. Schmollers Jahrbuch Lem (1939)
S. 15—42. [Besinnliche Kritik des bekannten Volkswirtschaftlers an den Be-
griffen Volksseele, Volks- und Sprachgeist, am Begriff Sprache und am Zu-
sammenhang von Sprachart und Volksart, der sich weder in der Wortstellung
noch im Wortschatz noch in der Wortbedeutung zeige, am ehesten noch in der
Sprechweise. S. 40—42 Literatur. Der Aufsatz sollte ursprünglich einen Teil
von Sombarts Buch Vom Menschen, Berlin 1938, bilden.]
Specht, Franz, 1. Die äußere Sprachform als Ausdruck der seelischen
Einstellung. Die Alten Sprachen V (Juli 1940) 112—122. — 2. Die indo-
Zugesandte Druckschriften. | 251
germanische Familie und der Unsterblichkeitsgedanke. Deutschlands Erneuerung
1941, Jan. 8. 11—20. — 3. Zur ahd. Stammbildung. Festschrift für G. Baesecke,
Halle 1941. 8. 109—121. [1 erklärt im genannten Sinne die Geminaten, a, b,
die tenues aspiratae, allerlei Anlautwechsel, Tabuwörter, öfters im Sinne von
A. Meillet; 2 anregende Zusammenfassung; neu über idg. sinus „Sohn“, eig.
„Geburt, Nachkommenschaft* mit Parallelen und sachlicher Begründung; 3 lehnt
für ahd. alansa, segensa, waganso Umstellung von -nsa aus -sna ab und sieht
darin durch s erweiterte »-Stämme wie in -is- und -ws- erweiterte i- und
u-Stämme]) |
Stammler, Heinrich, Die geistliche Volksdichtung als Äußerung der
geistigen Kultur des Russischen Volkes. (Samml. slay. Lehr- und Handbücher,
III. Reihe: Texte und Untersuchungen VIII.) Heidelberg, C. Winter 1939. 171 8.
Br. 9, gb. 11 RM. [Der Verf., ein Schüler Bernekers, behandelt den sogenannten
duchovnyj stich, eine eigenartige Dichtungsgattung des russ. Volkes, die be-
sonders im 15.—17. Jahrh. geblüht hat und trotz des religiösen Inhalts merk-.
würdige Beziehung auch zu der großruss. Volksdichtung, den Bylinen, zeigt.
Herkunft, Verbreitung, Inhalt, und der tiefere Sinn dieser Dichtungsart und.
ihre Träger werden vorgeführt und in die ganze russ. Gedankenwelt eingebaut.
So ist das Buch auch für den wertvoll, der den russ. Menschen verstehen und
sich mit ihm auseinandersetzen will. Fr. Specht.]
Struck, Erdmann, Bedeutungslehre. Grundzüge einer lateinischen und
griechischen Semasiologie (Hellenen und Römer in deutscher Gegenwart und.
Zukunft, Heft 1/2). Leipzig, Teubner 1940. X, 159 8. 840 RMk. [Als wohl-
unterrichtetes, reichhaltiges, gut geschriebenes Hilfsbuch in der Hand des Lehrers-
zur Belebung des Unterrichts, aber auch für den Studenten und Dozenten als.
Anregung zur Vertiefung der Interpretation willkommen (dieser Seite besonders-
dienen die Literaturnachweise). Wichtig und in diesem Umfang neu ist die
Herausarbeitung der besonderen Denkrichtungen der Griechen und Römer.
Selbständig ist die Anordnung, auch manche Auffassung.]
Sundwall, Johannes, Knossisches in Pylos. Acta academiae Aboensis
XIII 8. Abo 1940. 58. {Der Verf. bringt, anschließend an seine Ausführungen
Forschungen und Fortschritte bzw. Research and Progress VI. 1940, S. 147—149-
und an Blegen, Am. Journ. of Arch. 1939, 557f., neue Beweise für den graphischen
und inhaltlichen Zusammenhang der bisher bekannt gemachten Proben der-
600 Schrifttafelchen von Pylos mit den Denkmälern der knossischen Linear--
schrift B bei.] |
Teykowski, Hans, Der Präpositionsgebrauch bei Menander. Diss. Bonn 1940...
938. [Bietet in einem allgemeinen und einem besonderen Teil statistische Zusammen-
stellungen; im allgemeinen Teil S. 7—18 werden auch andere Quellen verglichen.]
Uhlenbeck, C. C., Oude aziatische contacten van het Eskimo. Mededee-.
lingen der Nederlandsche Akademie van wetenschappen, afdeeling letterkunde.
Nieuwe reeks, deel 4, Nr. 7. Amsterdam 1941. 27 S. (= 8. 201—227 des Bandes).
[Verteidigt die Schrift Eskimo en Oer-Indogermaansch o. LXIII 284 gegen ver-
schiedene Kritiker. Methodisch wichtige Ausführungen über den Begriff Ur-
verwandtschaft.]
Weisgerber, Joh. Leo, Theudisk, der deutsche Volksname und die west--
liche Sprachgrenze. Marburger Universitätsreden Nr. 5. Marburg, N. G. Flwert.
1940. 618. Kart. 1,80 RM. [Die Schrift beschäftigt sich mit der Entstehung
des Begriffes „deutsch“, der in ganz anderer Weise als sonstige völkische Be-.
nennungen geprägt worden ist. Auf breitester Grundlage, auch unter Heran--
252 Zugesandte Druckschriften.
ziehung des romanischen Materials sucht W. zu zeigen, daß das Wort in den
Grenzlanden des Westens unseres Sprachgebietes erst um 700 in der Bedeutung
„zum eignen Volk gehörig“ geschaffen worden ist. Daraus hätte sich dann
durch die Beziehung des Wortes auf Land und Leute der heutige Begriff
„deutsch“ entwickelt. Entscheidend und sicher richtig ist die Hervorhebung des
Grenzlandes bei der Entstehung des Wortsinnes. Das Wort selbst ist aber bereits
westgerm. und nicht erst um 700 gebildet worden. Darüber anderswo. Fr. Specht.}
— Die volkhaften Kräfte der Muttersprache. Frankfurt a. M., Diesterweg
1939. 848. [Die zunächst für Erzieher bestimmte Schrift behandelt vielfach
nen und immer anregend ihren Gegenstand in den Abschnitten I. Ganzheitliche
Betrachtung der deutschen Sprache. II. Einblick in die Denkwelt der d. Sprache.
1. Vom inhaltlichen Aufbau des d. Wortschatzes; 2. Wege zu einer arteigenen
d. Satzlehre. III. Die Leistungen der Muttersprache im Leben unseres Volkes.
Es sei hier besonders auf den syntaktischen Abschnitt aufmerksam gemacht.]
— Das Bretonentum nach Raum, Zahl und Lebenskraft. Halle, Niemeyer
1940. 40S. (= Schriftenreihe der „Deutschen Gesellschaft für keltische Studien“,
bg. von L. Mühlhausen, Heft 5). [Wichtig sind hier besonders die Angaben über
das Sprachgebiet — mit Karten — und die Bemerkungen über die bretonische
Beeinflussung galloromanischer Mundarten S. 35f.]
Weisweiler, Josef, Die Stellung der Frau bei den Kelten und das
Problem des „keltischen Mutterrechts“ (Sonderdruck aus Zeitschr. f. celt. Phil.,
Bd. XXI, S. 205—279. Halle, M. Niemeyer 1939. 75 8. Br. 5 RM. [Der Frage
nach der Stellung der Frau und dem angeblichen Mutterrecht bei den Kelten
wird hier unter Heranziehung einer umfangreichen Literatur eingehend nach-
gegangen. W. kommt nach sorgfältiger Prüfung des allerdings recht dürftigen
und zu sicheren Schlüssen nicht immer ausreichenden Materials zu dem Er-
gebnis, daß die keltische Frau im Kult, in der Ehe, in der Kunst, im Recht,
zuweilen auch in der Staatsführung eine hervorragende Rolle gespielt hat, die
aber kaum über das hinaus geht, was sich sonst bei idg. Völkern findet. Es
läßt sich zwar eine Mutterverehrung, aber nirgends ein Mutterrecht mit Sicher-
beit nachweisen. Fr. Specht.]
Wersdörfer, Hans S. J., Die gıAocopia des Isokrates im Spiegel ihrer
Terminologie. Untersuchungen zur frühattischen Rhetorik und Stillehre. Leipzig,
Harrassowitz 1940 (= Klassisch- Philologische Studien, hg. von E. Bickel,
H. Herter, Chr. Jensen, Heft 13). [Behandelt »g&nov, xaivóv, idéa, xarpds, dazu
xoupós u. A. Ausführlicher Index.]
Wörterbuch der deutschen Pflanzennamen, mit Unterstätzung der
Preußischen Akademie der Wissenschaften bearbeitet von Heinr. Marzell
unter Mitwirkung von Wilh. Wissmann. Leipzig, Hirzel. Lieferung 5 Borago-
Calycanthus. Sp. 625—752. 1940. 5RM. [Enthält an längeren Artikeln die
mundartlichen Bezeichnungen für Borretsch, Mondraute, Reps, Gemiise-, Rüben-
kohl, Zittergras, Trespe, Zaunrübe, Erdkastanie, Hasenohr, Schwanenblume,
Buchs, Steinquendel, Bergminze, Pantoffel-, Ringelblume, Schlangenwurz, Heide-
kraut, Sumpfdotterblume. Im übrigen vgl. o. LXVI 276.]
Zinn, Ernst, Der Wortakzent in den lyrischen Versen des Horaz. I. Teil:
Abhandlung. 112 S. II. Teil: Die lyrischen Verse des Horaz nach Wortgrenzen
und Akzent geordnet. 119 8. München, Neuer Filser-Verlag 1940. [An dem
Problem Iktus und Akzent (1, 41ff.) ist auch der Sprachforscher interessiert.
1, 68—86 reiche Sammlungen zum Typus “Ages “Ages aus dem Griechischen, La-
teinischen, Deutschen.]
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— — — — — — —
Digitized by Google
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