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Ithaca, Nem York
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allowed 'to circulate.
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port «all cases of books
ESP aa ent e o or mutilated.
Do not deface books by marks and writing.
CORNELL UNIVERSITY LIBRARY
1924 078 824 608
ZEITSCHRIFT
für
wissenschaftliche Photographie
Photophysik und Photochemie.
Unter Mitwirkung befreundeter Fachgenossen
und insbesondere von
H. Kayser,
o. ò- Professor an der Universitat Bonn
herausgegeben von
E. Englisch, und K. Schaum,
Privatdozent an der Techn. Hochschule Privatdozent an der Universität
zu Marburg a. L.
zu Stuttgart
BAND I.
Mit einer Tafel.
Leipzig, 1903.
Verlag von Johann Ambrosius Barth,
Do
x
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5
A
N
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,
ASIA
Druck von Metzger & Wittig in Leipag.
Inhalt des I. Bandes.
‘(April 1908—Februar 1904.)
Ziele der Zeitschrift von H. Kayser . . . Y .%
Leo Baekeland, Die elektrolytische Wirkung metallischer Teilchen in licht-
empfindlichen Papieren. . . í :
— Eine praktische Methode zur quantitativen Bestimmung des Silbers. in photo-
graphischem Papier .
A. Bogojawlensky, Über die Einwirkung von einigen Metallen "auf eine
photographische Platte . ;
B. Donath, Der Projektionsapparat der Urania für Dreifarbenphotographie ;
J. Drecker, Über Intensitätsverhältnisse in photographischen Lichthöfen
G. Eberhard, Untersuchungen über das Spektrum des Siliciums .
J. M. Eder, Sensitometrische Prüfung gewöhnlicher und orthochromatischer
Platten . .
E. Englisch, Das Verhalten der Bromsilbergelatine im à Grenzgebiet der Solari-
sation .
Aug. Hagenbach und H. Konen, Über das Emissionsspektrum des Queck-
silbers in Geisslerröhren ; 3
J. Hartmann, Eine Revision des Rowlandschen Wellenlängensystems ;
— Eine Reihe von Filtern zur Erzeugung von homogenem Licht.
K. A. Hofmann, Die radioaktiven Stoffe nach dem gegenwärtigen Stande der
Forschung . . :
Hugo Kauffmann, Über den Ursprung der Farbe bei organischen Stoffen
H. Konen, Neuere Arbeiten über F unkenspektren . : >. 237,
— Über die Kruppsche Gitteraufstellung im physikalischen“ Institut der Uni-
versität Bonn (siehe auch A. Hagenbach und H. Konen) . . . ...
E. König, Über einige neue Sensibilisatoren . . .
R. Kothe, Über Tiefenvorstellung und Tiefenwahrnehmung und ihre Beziehung
zur stereoskopischen Photographie . . : . 268,
J. Lauwartz, Über Messungen und Gesetzmäßigkeiten ' im Bandenspektrum der
Tonerde . .
Hans Lehmann, Úber die Anwendung des Teleobjektivs in der Spektroskopie
— Ultrarote Flammenspektra AA
Josef Loos, Über Wellenlängen und Gesetzmäßigkeiten in "den Hauptbanden
des sogenannten Kohlenoxydbandenspektrums .
A, und L. Lumiére und A. Seyewetz, Über die Herstellung und die ent-
wickelnden Eigenschaften des Metochinons, einer Verbindung des Methyl-
paramidophenols (Metol) mit dem Hydrochinon . . $0 La
— Über die verschiedenen Entstehungsursachen und über die Zusammensetzung
des sogenannten .,dichroitischen Schleiers“ in der Photographie . . . .
— Über die Zerstörung des photographischen Farbschleiers .
— Über den Gebrauch des Acetons in den Entwicklern als Ersatz der Alkalien
Lüppo-Cramer, Zur Photochemie des Jodsilbers . E E a
— Photochemie einiger emulgierten Schwermetallverbindungen ; A
R. Namias, Über die Fähigkeit gewisser Alkalisalze organischer Säuren, ‘die
Beständigkeit von Bichromatpräparaten zu erhöhen . . .
A. Pflüger, Prüfung des Kirchhoffschen Gesetzes an der Emission und
Absorption glühenden Turmalins . u A ra a a Ze
— Il —
Seite
A. Pflüger, Das Absorptionsvermögen einiger Gläser im a wirk-
samsten Teile des Spektrums. . ; . . 140, 214
J. Precht, Notiz über die Absorption des Tartrazins ; . 202
— Die Methode der verzögerten Entwicklung ; 262
— Einige Anwendungen der Methode der verzögerten Entwicklung 355
E. Pringsheim, Herleitung des Kirchhoffschen Gesetzes 360
— Über die Strahlungsgesetze . 391
Die Tätigkeit der Physikalisch- Technischen Reichsanstalt i im Jahre 1902 201
F. Richarz, Bemerkungen zur Theorie des Kirchhoffschen Gezetzes. 5
— Nochmalige Bemerkung zur Theorie des Kirchhoffschen Gesetzes . . . 359
Karl Schaum und Wilhelm Braun, Úber das ne Verhalten
von bindemittelfreiem Halogensilber I. 377
Karl Schaum, Nachtrag . . 383
W. Scheffer, Zur stereoskopischen "Abbildung mikroskopischen Objekte (mit
einer Tafel) De Maren AA TA ; . . . IB, 149
Referate.
Emission und Absorption des Lichts. Spektralanalyse. Photometrie.
Knut Angström, Das mechanische Äquivalent der Lichteinheit .
J. M. Eder, Photometrische Untersuchungen der chemischen Helligkeit von
brennendem Magnesium, Aluminium und Phosphor .
J. Formänek, Über die Beziehungen zwischen Konstitution und Absorptions-
spektrum sefärhter organischer Verbindungen . u ER:
W. N. Hartley, Die Absorptionsspektra der Metallnitrate : ;
— Eine Untersuchung über die Zusammensetzung von brüchigem Platin :
— Absorptionsspektren und chemische Konstitution von organischen Stoffen
J. Hartmann und G. Eberhard, Über das Auftreten von Funkenlinien in
Bogenspektren. . .
J. Hartmann, Über einen neuen Zusammenhang zwischen Bogen- und Funken-
spektren. . te E ;
Th. Lymann, Über die "Verlängerung ı von | Spektrallinien Eur, eh
P. G. Nutting, Das Reflexionsvermógen von Selen, Cyanin und. Glas im
Ultraviolett .
C. Runge und J. Precht, Die Stellung des Radiums. im periodischen System
nach seinem Spektrum .
R. W. Wood, On screens Transparent only to Ultra- Violet Light and their
Use in Spectrum Photography Ln E ; i
Lumineszenz.
Alex. de Hemptinne, Sur la Luminescence des Gas
Entladungeu, elektrische Wellen.
E. Cohn, Metalloptik und Maxwellsche Theorie . . RE a A
E, Goldstein, Einwirkung von Kathodenstrahlen auf anorgan. "und organ.
Präparate
E. Hagen und H. Rubens, Über Beziehungen zwicchen dem Refexionsver-
mögen und ihrem elektrischen Leitvermögen
J. Härden, Über die Analyse der Entladungen eines Kondensators in Ver-
bindung mit einer Hochfrequenzspule do e ¿
M. Planck, Über die optischen Eigenschaften der Metalle für lange Wellen š
H. Freiherr Rausch von Traubenberg, Über die elektrische Zerstreuung
am Vesuv
K. von Wesendonk, “Über Spitzenausströmungen infolge von n Teslaentladungen
Radioaktivität. Elektronen.
S. J. Allan, Radioaktivität von frisch gefallenem Schnee
C. Barus, Die Bezichung der Ionisation zur Kernbildung bei Phosphor
30
245
247
142
143
211
210
211
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179
180
179
143
180
253
253
— mm —
F, Cook Gates, Wirkung der Hitze auf induzierte Radioaktivität ;
F. Giesel, Über den Emanationskörper aus Pechblende und über Radium .
— Über Polonium . a
— Über Polonium und die induzierende Eigenschaft des Radiums
W. M. J. Hammer, Radium, Polonium und Actinium . . . . . . +. .
K. A. Hofmann und J. Wölfl, Über das radioaktive Bei . . . . . .
— Das radioaktive Blei als primár wirksamer Stoff . ae a a EE
K. A. Hofmann und F. Zerban, Über radioaktives Thor .
G. C. Schmidt, Über die Emanation des Phosphors . ;
E. von Sch weidler, Über die angebliche Radioaktivität und die Lumineszenz
von Reten .
J. Strutt, Die Herstellung “und die Eigenschaften eines intensiv "radioaktiven
Gases aus metallischem Quecksilber . . . . e es.
Photochemie.
J. C. Bose, Zusammenhang der Wirkung von Licht und elektr. Strahlung auf
die Materie .
— Über die Ähnlichkeit zwischen Strahlung und mechanischem Zwang. (st rain)
— Über die Zugtheorie (strain theory) der photographischen Wirkung
— Molekulare Zugtheorie des Sehens und der photographischen Wirkung .
Gibson Dyson und Arthur Harden, Die Verbindung von Kohlenmonoxyd
mit Chlor unter dem Einfluß des Lichts . St
Emanuel Goldberg, Beitrag zur Kinetik photochemischer Reaktionen. Die
Oxydation von Chinin durch Chromsáure . ee
Charles Soret, Über die radiophone Empfindlichkeit des Chlorsilbers ;
Thcorie photographischer Prozesse.
J. M. Eder, Experimentaluntersuchungen über Solarisationsphánomene, Ent-
wicklung solarisierter Schichten zu normalen Negativen. — Unterschied des
Solarisationsbildes auf Jodsilber und auf Bromsilber .
B. Homolka, Über die Anwenduny der Alkalisalze der Amidoessigsäure z zum
Abschwächen photographischer Silberbilder . . . ; .
E. König, Über die Entwicklung von Chlorsilbergelatineplatten y
A. u. L. Lumiére u. Seyewetz, Über die Anwendung des Triosymethylens
als Ersatz des Alkalis bei der Entwicklung .
A. Miethe, Über die sensibilisierende Wirkung der sogenannten Isocyanine
L. Radke, Solarisation und Umkehrwirkung in der Photographie .
A. Reiss, Über die Wirkung von Metallsalzen auf das latente Bild .
C: Schmuck, Beobachtung über Negativumkehrung . . ;
E. Valenta, Über Pyrogallolentwickler mit ätzenden Alkalien
— Zur Kenntnis der chemischen Vorgänge beim Schwärzen des mit Sublimat
gebleichten Silberbildes mit Thiosulfaten .
— Das Sensibilisierungsvermögen einiger Farbstoffe der Cyaningruppe auf Brom-
silbergelatine. z „3... 0-0. Sen a se oc ee e a
Farbenphotograpbie.
Die Farbenphotographie nach dem Ausbleichverfahren . .
R. Neuhauss, Neues úber direkte Farbenphotographie (Ausbleichverfahren) .
Sanger Shep h erd, Farbenphotographie auf Papier . . .
Anwendungen der Photographie.
R. Kempf-Hartmann, Photographische Darstellung der ae von
Telephonmembranen . ;
W. Nikolaew, Photographieren des Augenhintergrundes. der Ti iere . !
E. Ruhmer, Die photographische Darstellung von Mikrophon-Stromcurven
Spektroskopie, Entfernungsmessung u. S. w.
P. Grützner, Einige Versuche über stercoskopisches Sehen . .
E. Hering, Herstellung stereoskopischer Wandbilder mittels Projektionsapparates
Seite
253
213
249
212
249
250
249
249
III
250
114
38
108
114
144
III
W. A. Nagel, Stereoskopie und Tiefenwahrnehmung im Dämmerlicht .
C. Pulfrich, Über die bis jetzt mit dem Stereokomparator auf astronomischem
Gebiete erhaltenen Versuchsergebnisse .
Physiologische Optik.
E. Aschkinass und W. Caspari, Über den Einfluß dissoziierender Strahlen auf
organisierte Substanzen, insbesondere über die bakterienschädigende Wirkung
der Becquerelstrahlen
V. Benussi, Über den Einfluß der Farbe auf die Größe der Zöllnerschen Täuschung
Magnus Blix, die sog. Poggendorfísche optische Täuschung . .
A. Brückner wad E. Th. v. Brücke, Zur Frage der Unterscheidbarkeit rechts-
und linksäugiger Gesichtseindrücke ;
E. Hering, Von der en unabhängige Änderung d der Weib-
empfindlichkeit ó ; ;
C. Hess, Zur Kenntnis des Ablaufs ‚der Erregung im 'Sehorgan ,
— Untersuchungen über das Abklingen der Erregung im a nach kurz-
dauernder Reizung .
J. v. Kries, Über die Abhängigkeit der Dämmerungswerte von Adaptionsgrade
— Theoretische Studien über die Umstimmung des Sehorgans . a
W. A. Nagel, Zwei optische Täuschungen
— Tiefenwahrnehmung im Dämmerlicht i
E. v. Oppolzer, Grundzüge einer Farbentheorie i
E Rádl, Untersuchungen über die Lichtreaktionen der Arthropoden .
. Storch, Über das räumliche Sehen. . eh
Me Straub, Die normale Refraktion des menschlichen Auges do a
Otto Weiss, Das Verhalten der Akkommodation beim stereoskopischen Sehen
Technisches Repertorium.
Herstellung von Silberspiegeln . .
Die Entwicklung von Albertscher Colledemulsion
Prinzip des Sigriste-Verschlusses .
Neue Bücher.
Felix Auerbach, Das Zeisswerk und die Carl ne in Jena .
A. Frhr. von Hübl, Die Ozotypie .
Dr. Lüppo- Cramer, Die Trockenplatte, ihre Eigenschaften und ihre Behand.
lung in der photographischen Praxis ; ar a a, a a a a
Winkelmann, Handbuch des Physik .
Preislisten, geschäftliche Mitteilungen . . . 78, 118, 214, 288, 324, 358,
Seite
145
109
37
146
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107
257
256
256
254
254
148
145
387
105
145
323
106
248
115
116
181
357
258
213
390
Als Referenten haben an diesem Bande mitgearbeitet die Herren:
E. Baur (München), H. Kauffmann (Stuttgart),
M. Bodenstein (Leipzig), H. Konen (Bonn),
B. Breyer (Tübingen-Göppingen, A. Pflüger (Bonn),
E. Englisch (Stuttgart), © K. Schaum (Marburg),
A. Hagenbach (Bonn), | M. Seddig (Marburg),
F. Harms (Erlangen), | W. Seitz (Würzburg),
K. A. Hofmann (München), ' J. Zenneck (Straßburg).
Namen- und Sachregister.
Referate sind durch * hinter der Seitenzahl bezeichnet.
Abschwächer, Amidoessigsäure, Homolka
249*. `
Absorption, von Gläsern, Pflüger 140. —
Lichtfilter, Hartmann 259. von
Tartrazin, Precht 262. — von Metall-
nitraten, Hartley 142*. -— und Kon-
. stitution, Formánek 247*; Hartley 211*.
Aceton im Entwickler, Lumière u, Seye-
wetz 283.
Actinium, Hammer 99*.
Adaptionsgrad, V. Kries 254*.
Akkomodation beim steroskop. Sehen,
Weiss 106*,
Alberts Collodemulsion 115*.
Allan, Radioaktivität von Schnee 253”.
Aluminium, Photometrie, Eder 245*.
Amidoessigsäure, Homolka 249*.
Angström, Äquivalent d. Lichteinheit 30*.
Arthropoden, Radl 105*.
Aschkinass u. Caspari, Bakterien u. Becque-
relstrahlen 37*.
Astronomie, Stereokomparator, Pulfrich
109”,
Atomgewicht des Radiums, Runge und
Precht 29*,
Auerbach, Zeisswerk 18 1*.,
Auge, Refraktion Straub 323*, — Augen-
hintergrund, Photographie, Nikolaew
108*,
Ausbleichverfahren 111*; Neuhauss 250*,
Baekeland, Wirkg. met. Teilchen auf
phot. Papiere 419. — Silbergehaltbest.
in Papieren 423.
Bakterien unter Becquerelstrahlen, Asch-
kinass u. Caspari 37*.
Barus, Ionisation bei Phosphor 253*.
Becquerelstrahlen u. Bakterien, Aschkinass
u. Caspari 37”.
Benussi, Zöllnersche Täuschung 146*,
Bichromatpräparate, Namias 417.
Blei, radioaktives, Hofmann und Wolfl
99*. 251*,
Blix, Poggendorflsche Täuschung 148*,
Bogen- u. Funkenspektren, Hartmann 2 10*,
— Hartmann u. Eberhard 210*,
a rn un a sense
Bogojawlensky, Wirkung v. Metallen
auf phot Platte 384.
Bose, Zug-(strain-)theorie 102*. 102*. 103*,
103”.
Braun und Schaum,
schichten 377.
Bromsilber und Jodsilber, Eder 35* (So-
larisation).
Brückner u. v. Brücke, Gesichtseindrücke
107”.
Halogensilber-
Caspari, s. Aschkinass,
Chlorsilbergelatineplatten, König 212“,
Chinin, Oxydation durch Chromsäure,
Goldberg 32*.
Chromsäure, Oxydation d. Chinins, Gold-
berg 32”.
Cohn, Mctalloptik u. Maxwellsche Theorie
179*.
Cyanin, Reflexionsvermögen, Nutting 246*,
— Sensibilisator, Miethe 37*, Valenta
249*.
Dämmerungswerte, v. Kries 254*.
Dichroit. Schleier, Lumière u. Seyewetz
195. 277.
Donath, Projektionsapparat 94.
Drecker, Intensität der Lichthöfe 183.
Dynar 358*,
Dyson u. Harden, CO u. Cl in Licht 100*.
Eberhard, Siliciumspektrum 346. — u.
Hartmann, Bogenspektren etc. 210”,
Eder, Sensitometrie 119. — Photometric
von Mg, Al, P 245*, — Solarisations-
untersuchungen 35*,
Ewmissionsspektren des Si, Eberhard 346.
— Hg, Hagenbach u. Konen 342. —
Kohlenoxyd, Lauwartz 160. — Tonerde,
Loos 151. — ultrarote, Lehmann 135.
Englisch, Solarisation 364.
Entladungen, Kondensator, Härden 180*,
— Teslaströme, v. Wesendonk 180*,
Entwicklung, mit Aceton, Lumicre und
Seyewetz 283. — Metochinon, dieselben
71*, Trioxymethylen, dieselben 77%, —
von Chlorsilbergelatine, König 212*, —
solar. Schichten, Eder 35*. Precht 262.
355. — verzögerte, Precht 262. 355.
Erregung des Sehorgans, Hess 256*, 256”.
Farbe org. Stoffe, Kauffmann 60.
Farbenempfindlichkeit (photograph.), Eder
119. — König 174. Miethe 37*. Va-
lenta 249*,
Farbenempfindung (physiol.), Hering 257*.
Farbenphotographie 111*, — Neuhauss
250*. — Sanger Shepherd 114*.
Farbentheorie, Oppolzer 387*.
Farbschleier, Lumiére u. Seyewetz 195.277.
Flammenspektra, ultrarote, Lehmann 135.
Filter für homog. Licht, Hartmann 259.
Formánek, Konstitution u.Absorption 247°.
Funkenspektren, Hartmann 210*, — und
Eberhard 210*. — Konen 237. 289.
Gase, radioaktive, Strutt 252*.
Gates, Radioaktivität und Hitze 253*,
Giesel, Radium 31*. Polonium 213*.
Polonium u. Radium 251*,
Gitteraufstellung, Kruppsche, Konen 325.
Goldberg, Oxydation d. Chinins d. Chrom-
säure 32*,
Goldstein, Kathodenstrahlen 250*.
Grützner, stereoskop. Verss. 144*.
Hagen u. Rubens, Reflexions- und Leit-
vermögen 179*.
Hagenbach und Konen, Emissions-
spektrum d. Hg 342.
Halogensilber, bindemittelfreies, Schaum
und Braun 377, Schaum 383.
Hammer, Radium, Polonium, Actinium 99*,
Harden s. Dyson.
Härden, Entladungen eines Kondensators
180*,
Hartley, Absorption u. Konstitution 211*,
— von Metallnitraten 142*, — brüchi-
ges Pt, Konstitution 143*.
Hartmann, Lichtfilter f. homog Licht
259. — Revision v. Rowlands Wellen-
längensystem 215. — Bogen- u. Funken-
spektren 210%, — u. Eberhard 210*,
de Hemptinne, Lumineszenz von Gasen 98*,
Hering, Farbenempfindlichkeit des Auges
257°. — stereoskop Wandbilder 111*.
Hess, Abklingen d. Erregg. im Sehorgan
256*. 256*.
Hofmann, Radioaktivität (Sammelref.)
79. — u. Wolfl. radioakt. Blei 99*.
251*, — u. Zerban, radioakt. Thor 99*.
Homolka, Amidoessigäure im Ab-
schwächer 249*.
v. Hübl, Ozotypie 357*.
Isocyanine, Miethe 37*.
VI
|
Jodsilber, Eder 35*. — Liippo-Cramer 11.
Jonisation bei Phosphor, Barus 253*.
Kathodenstrahlen, Goldstein 250*.
Kayser, Ziele der Zeitschrift 1.
Kauffmann, Farbe org. Stofle (Ref.) 60.
Kempf-Hartmann, Schwingungen der Tele-
phonmembranen 38*,
Kirchhoffsches Gesetz, Pflüger 8. — Prings-
heim 360. 391. — Richarz 5. 359.
Kondensator, Entladungen Härden 180,
K onen, Funkenspektren (Sammelref.) 237.
289. — Kruppsche Gitteraufstellung 325.
— u.Hagenbach, Emissionsspektrum
d. Hg. 342.
König, Sensibilisatoren (Orthochrom T)
174. — Entw. v. Chlorsilbergel. 212*.
Konstitution und Absorption, Formánek
247*. — Hartley 211”.
Kothe, stercosk. Photographie 268. 305.
Kruppsche Gitteraufstellung, Konen 325.
v. Kries, Dämmerungserscheinungen und
Adaption 254*. — Umstimmung d. Seh-
organs 254*.
Latentes Bild, Backeland 419. — Bogo-
jawlensky 384. — Reiss 78*.
Lauwartz, Bandenspektrum d. Tonerde
160.
Lehmann, Telcobjektiv, Spektroskopie
41. — ultrarote Flammenspektren 135.
Leit- und Reflexionsvermögen, Hagen und
Rubens 179*.
Lichteinheit, Angström 30.
Lichtfilter, Hartmann 259. — ultraviolett
durchlässige, Wood 301*,
Lichthöfe, Drecker 183.
Loos, Bandenspektren des Kohlenoxyds
151.
Lumiércu.Seyewetz, Aceton im Entw.
283. — Metochinon 71*, — Trioxy-
methylen im Entw. 77%. — dichroiti-
scher (Farb-)Schleier 195. 277.
l.umineszenz v. Gasen, de Hemptinne 98*,
— v. Reten, v. Schweidler 252*,
L.üppo-Cramer, Photochemie d. Jod-
silbers 11. — von Schwermet. 50. —
Trockenplatte 258*,
Lymann, Spektrallinienverlängerung 211*.
Magnesium, Photometrie, Eder 245°.
Maxwellsche Theorie und Mctalloptik,
Cohn 179*.
Metalle, Wirkg. auf phot. Platte, Bogo-
jawlensky 384.
Metalloptik, Cohn 179*. — bei langen
Wellen, Planck 179*.
Metallsalze, Wirkg. auf photogr. Platten,
Reiss 78*,
Metochinon, Lumière u. Seyewetz 71*.
Miethe, Sensibilation d. Isocyanine 37*,
— VI
Mikrophonstromkurven, Ruhmer 114*.
Mikrophotographie, stereoskop., Scheffer
18. 149.
Nagel, Tiefenwahrnehmung im Dämmer-
licht 145*. — opt. Täuschungen 148*.
Namias, Alkalisalze org. Säuren in Bi-
chromatpräp. 417.
Neuhauss, Ausbleichverfahren 250*.
Nutting, Reflexionsvermögen im Ultra-
violett 246*,
Objektive, Dynar 358*. — Unofokal 390*.
Oppolzer, Farbentheorie 387*.
Optik, Metall-, Cohn 179*. — für lange
Wellen, Planck 179*.
Optische Táuschungen, Benussi 146*. —
Blix 148*. — Nagel 148”.
Orthochrom, König 174.
Ozotypie, v. Hübl 357*.
Papiere, phot., Baekeland 419. 423.
Pechblende, Giesel 31*,
Pflüger, Turmalin zur Prüfg. d. Kirch-
hoffschen Ges. 8. — Absorpt. v. Gläsern
im phot. wirksamsten Teil d. Spektrums
140. 214.
Phosphor, Emanation, G. C. Schmidt 98*,
— lIonisation u. Kernbildg., Barus 25 3*.
— Photometrie, Eder 245*.
Photochemie, von Halogensilber, Schaum
u. Braun 377; Schaum 383. — von
Jodsilber, Lüppo-Cramer 11. — von
Schwermetallen, ders. 50. — von Kohlen-
monoxyd plus Chlor, Dyson u. Harden
100*. — Kinetik der Oxydation von
Chinin, Goldberg 32*. — Zugtheorie,
Bose 102*, 102*. 103”. 103*.
Photometrie, von brennendem Mg, Al, P,
Eder 245”.
Planck, opt. Eigenschaften d. Metalle f.
lange Wellen 179*.
Platin, brüchiges, Konstitution, Hartley
143".
Poggendorffsche Täuschung, Blix 148*,
Polonium, Giesel 213*, 251*. — Hammer
*
Precht, Absorption des Tartrazins 262.
— verzögerte Entw. 262; Anwend. 355.
u. Runge, Radium 29*.
Pringsheim, Kirchhoffsches Gesetz 360.
— Strahlungsgesetze 391.
Projektionsapparat, Donath 94. — stereo-
skop. Wandbilder, Hering 111*.
Pulfrich, Stereokomparator in der Astro-
nomie 109*.
Pyrogallolentwickler, Valenta 35*.
Quecksilber, Emissionsspektrum, Hagen-
bach u. Konen 342. — Radioaktivität,
Strutt 252”.
nn 11 a iÁ
—
Radioaktivität, Allan 253*. — Barus 25 3*,
— Cook Gates 252*. — Giesel 31.
213. 251*. — Hofmann 79. — Hofmann
u. Wölfl 251*. — Hofmann u, Zerban
99°. — v. Schweidler 252*. — Strutt
252*. — s. Radium.
Radium 324*. — Giesel 31*. — Hammer
99*. — Runge u. Precht 29*.
Radke, Solarisation u. Bildumkehrung 249*.
Radl, Arthropoden ı05*.
Reflexionsvermögen, Nutting 246*. — u.
Leitvermögen, Hagen u. Rubens 179*.
Refraktion des Auges, Straub 323°.
Reichsanstalt 201.
Reiss, Metallsalze und latentes Bild 78*,
Richarz, Kirchhoffsches Gesetz 5. 359.
Rowland, Wellenlängensystem, Hartmann
215.
Rubens, s. Hagen.
Ruhmer, Mikrophonstromkurven 114*,
Runge u. Precht, Radium 29*.
Sanger Shepherd, Farbenphotographie 1 14*.
Schaum, Nachtrag 383. — u. Braun,
bindemittelfreies Halogensilber 377.
Scheffer, Stereo-Mikrophotographie 18.
149.
Schleier, dichroit., Lumière u. Seyewetz
195. 277.
Schmidt, G.C., Emanation d. Phosphors 98*.
Schmuck, Negativumkehrung 250*.
Schnee, radioaktiver, Allan 253*.
v. Schweidler, Reten 252*,
Schwermetalle, Photochemie, Lüppo-Cra-
mer 50.
Sehorgan, Erregung u. Ablauf ders., Hess
256*. 256%. — Umstimmung, v. Kries
254”.
Selen, Reflexionsvermögen, Nutting 246”.
Sensibilisation, Cyanin, Valenta 249*. —
Orthochrom, König 174. — Isocyanine,
Micthe 37.
Sensitometrie, Eder 119.
Seyewetz, s. Lumière u. Seyewetz,
Sigriste-Verschluß 116%,
Silberspiegel 248*.
Silicium, Spektrum, Eberhard 346.
Solarisation, Eder 35%. — Englisch 364.
— Radke 249*. — Schmuck 250*,
Spektroskopie, u.Teleobjektiv, Lehmann 41.
Spektrum, v. Hg, Hagenbach u. Konen
342. — Kohlenoxyd, Loos 151. —
Radium, Runge u. Precht 29*. — Si,
Eberhard 346. — Tonerde, Lauwartz
160. — Funken, Konen 237. 289. —
Ultrarote, Lehmann 135. — Absorption,
Pflüger 140. — Linienverlängerung,
Lymann 211*.
Stereoskopie, Grützner 144*, — Hering
ı11*. — Kothe 268. 305. — Nagel
145*. — Pulfrich 109". — Schefler 18.
'149. — Storch 145*.
A der retail
v. Wesendonk 180*..
Strahlungsgesetze, Pflüger8. — Pringsheim
360. 391. — Richarz 5. 359. — und
Zwang, Bose 102*. 102*. 103*. 103*,
Storch, räumliches Sehen 145*.
Straub, Refraktion d. Auges 323*.
Stromkurven v.Mikrophonen, Ruhmer 114*.
Strutt, Radioakt. v. Gasen aus Hg 252*.
Sublimatverstärkung, Valenta 249*.
Tartrazin, Absorption, Precht 262.
Täuschungen, opt., Nagel 148*. — Zöllner-
sche, Benussi 146*. — Poggendorffsche,
Blix 148*.
Telephonmembrane, Kempf-Hartmann 38*.
Teleobjektiv, u.Spektroskopie, Lehmann 41.
Teslaentladungen, v. Wesendonk 180*,
Thor, radivakt., Hofmann u. Zerban 99*.
v. Traubenberg, elektr. Zerstreuung am
Vesuv 143”.
Turmalin, Kirchhoffsches Gesetz, Pflüger 8.
Ultrarote Flammenspektra, Lehmann 135.
Ultraviolett, Absorption, Pflüger 140. —
VIII
Valenta, Pyroentwickler 35
Filter, Wood 30*. Reflexionsver-
mögen, Nutting 246*.
Unofokal 390*.
Urania, Donath 94..
* — Sensibili-
Sublimat-
sation d. Cyanin 249*.
verstärker 249*.
Verschluß, Sigriste 116°.
Wandbilder, stereoskop., Hering 111*.
Weiss, Akkommodation bei stereoskop.
Sehen 106,*
Wellenlängen, Revision von Rowlands,
Hartmann 215.
v. Wesendonk, nr d.
Toslaentl. 180".
Winkelmann, Handbuch d. Physik 213* 5
wölfl, s. Hofmann u. Wolfl.
Wood, ultraviolett durchlässige Filter 30*.
Zeisswerk, Auerbach 181*,
Zerban, s. Hofmann u. Zerban.
Zerstreuung, elektr., v. Traubenberg 143”.
Zöllnersche Täuschung, Benussi 146*.
Zugtheorie d. Licht- u. elektr. Wirkungen,
Bose 102”. 102*. 103*. 103*.
Zeitichrift für wilienichaftliche Photographie,
Photophylik und Phofodiemie
I. Band. 1903. Heft 1.
Ziele der Zeitschrift.
¡q í_ _ A aai,
Wenn ein junges Menschenkind das Licht der Welt erblickt,
so pflegen ihm gute Wiinsche auf den Lebensweg mitgegeben zu
werden, deren Fiille oft umgekehrt proportional zu seiner Lebens-
fähigkeit ist. Daher will ich, wenn mit dem vorliegenden Hefte
auch ein erster Schrei dem Lichte entgegen ertönt, die guten
Wünsche für mich behalten, und statt dessen lieber von Pflichten
und Zielen sprechen. |
Die neue Zeitschrift hat sich ein weites Arbeitsgebiet gesteckt,
welches wir am kürzesten als Physik des Äthers bezeichnen können;
damit umfassen wir gleichzeitig sowohl die Teile, welche, wie mir
scheint, allein mit Recht als Strahlungserscheinungen bezeichnet
werden, welche nämlich auf einer Wellenbewegung beruhen, als
auch diejenigen, welche erst in neuerer Zeit entdeckt wurden und
bei denen man ebenfalls von Strahlen spricht: Kathodenstrahlen,
Röntgen-, Bequerel-Strahlen u. s. w., also diejenigen Erscheinungen,
welche auf der Wirkung von Elektronen beruhen. Daß man hier
noch die Bezeichnung Strahlen anwendet, ist wohl nur historisch
zu entschuldigen, und dadurch bedingt, daß man anfangs die Er-
scheinungen nicht verstand; die ohne Einwirkung äußerer elektrischer
Kräfte gradlinig erfolgende Ausbreitung veranlaßte damals den
Namen der Strahlung.
Im Grunde haben die beiden Erscheinungsreihen so wenig mit-
einander zu tun, wie die Schallwellen in Luft mit dem Luftstrom
eines Gebläses zu tun haben; im ersten Falle bleibt das vermittelnde
Agens im wesentlichen an seiner Stelle, nur eine Bewegungsform
oder ein Zustand desselben pflanzen sich fort; im zweiten Falle
bleibt der Zustand des Mediums ım wesentlichen unverändert, aber
es wird selbst fortgeführt.
Eine Verknüpfung beider Erscheinungen hat aber doch ihre
Berechtigung, schon weil das Agens in beiden Fällen das gleiche
Zeitschr. f. wiss. Phot. 1. I
2 Ziele der Zeitschrift.
ist, der Lichtáther. Außer diesem rein äußerlichen Zusammenhang
besteht noch ein viel wichtigerer innerer, der eine Trennung der
Ätherwellen von der Bewegung der Elektronen ganz verkehrt er-
scheinen lassen würde. Eine der bedeutsamsten Entdeckungen der
Neuzeit, das von Faradays Genie vergeblich gesuchte Zeeman-
Phänomen, hat sehr wahrscheinlich gemacht, daß die Emission
diskontinuierlicher Spektra durch die Bewegung von Elektronen
hervorgerufen wird. Es muß daher auch die Absorption von Äther-
wellen durch die Elektronen stattfinden, diese erscheinen somit als
das Bindeglied zwischen dem freien Lichtäther und der Materie.
Ob letztere etwas vom Lichtäther Verschiedenes ist, oder nur ein
Kondensationsprodukt von Elektronen, braucht man hier vorläufig
nicht zu erörtern, sondern man wird gut daran tun, zunächst noch,
wenigstens zur Beschreibung der Erscheinungen, die Existenz einer
besonderen Materie anzunehmen.
Wie es mit der Strahlung der festen Körper steht, ob wir
auch hier Strahlung nur durch Elektronen erregt haben, ist nicht
so sicher. Doch ist es von Hause aus wahrscheinlich, daß sich das
Atom bei dem Übergange aus dem gasförmigen in den festen
Aggregatzustand in dieser Beziehung nicht ändert, sondern seine
Elektronen mit ihren Wirkungen beibehält. Diese Wahrscheinlich-
keit wird sehr erheblich gesteigert durch die Tatsache, daß in
Plancks Strahlungsgleichung für den schwarzen Körper eine der
beiden fundamentalen Konstanten gleich der Masse des Elektrons
ist. Wie man daher früher den Unterschied zwischen diskontinuier-
lichen und kontinuierlichen Spektren durch die größere oder ge-
ringere Freiheit der Atombewegung erklärte, wird man sie nun
durch die größere oder geringere Beeinflussung der Bewegung der
Elektronen eines Atoms durch die der Nachbarn zu erklären haben.
Denkt man sich nach dem Vorgange Runges das Atom unter
dem Bilde eines Planetensystems, dessen positiver Kern die Haupt-
masse enthält — für das Wasserstoffatom etwa 1500mal soviel, als
ein Elektron — und welches von einer Anzahl negativer Elektronen
als Planeten in elliptischen Bahnen umkreist wird, so hätten wir
die Änderungen der Spektra durch die gegenseitige Einwirkung
solcher Planetensysteme zu erklären. Wie man sieht, wird durch
die neue Auffassung die Einsicht in die Verhältnisse nicht gerade
erleichtert.
Jedenfalls scheint es nach dem Besprochenen, als ob alle
Strahlung auf Grund von lemperaturerhöhung durch Elektronen-
Ziele der Zeitschrift. 3
bewegung hervorgerufen werde. Noch viel selbstverständlicher er-
scheint das für elektrisch erregtes Leuchten. Wie steht es aber
mit den Erscheinungen der Fluoreszenz und Phosphoreszenz? Offen-
bar werden wir auch hier logischer Weise annehmen müssen, daß
durch Auftreffen von Ätherwellen (Lichtstrahlen) oder Elektronen
(z. B. Kathodenstrahlen) direkt nur die Elektronen der Körper er-
regt werden. Ob dann die Elektronen mehr oder weniger gedämpft
und durch die ponderable Materie beeinflußt weiter schwingen, oder
ob sie das Molekel modifizieren und bei einer folgenden Rück-
bildung desselben das Fluoreszenzlicht ausgesandt wird, oder was
auch sonst der Vorgang sein mag, wahrscheinlich ist die Mitwirkung
der Elektronen. Charakteristisch ist dafür, daß das Radium, eine
offenbar an Elektronenüberschuß krankende Substanz, phosphores-
ziert, in den Salzlösungen fluoresziert.
Durch solche Überlegungen gelangt man dahin, jede Strahlung,
eigentliche und uneigentliche, an die Anwesenheit von Elektronen
geknüpft anzusehen, und so ergibt sich die Zusammenfassung beider
Erscheinungsklassen als notwendige Konsequenz.
Welcher Art aber die Vermittlerrolle ‘der Elektronen zwischen
dem freien Lichtäther und der Materie ist, das ist eine ganz andere
und wie mir scheint, äußerst schwierige Frage, zu deren Lösung
noch sehr wenig geschehen ist. Wie z. B. bewirkt Temperatur-
steigerung, d. h. Erhöhung der kinetischen Energie der Materie,
stärkeres Leuchten, d. h. größere Amplitude der Elektronen? Wie
wird umgekehrt bei der Absorption aus der ursprünglich durch
Mitschwingen erzeugten Elektronenbewegung Wärme? Es treten
überhaupt, wenn man diese Anschauung etwas weiter ins Detail
verfolgt und für bestimmte Tatsachen nach Erklärung sucht, eine
Unzahl von Fragen und Schwierigkeiten auf. Freilich ist die ganze
Anschauung noch so neu, daß man sich dessen nicht wundern
darf; es wird gerade eine Hauptaufgabe der in dieser Zeitschrift
erscheinenden Arbeiten sein müssen, Licht in dies Dunkel zu bringen.
Dazu werden einerseits die spektralen Beobachtungen, vor allem
über das Zeemanphänomen und die Veränderlichkeit der Spektra,
die uns über das Verhalten der an Materie gebundenen Elektronen
unterrichten, andererseits Untersuchungen über die uneigentlichen
Strahlen, welche das freie Elektron behandeln, heranzuziehen sein.
Das eigentlichste Gebiet der Zeitschrift, die Photographie und
Photochemie, habe ich bisher nicht erwähnt, sie scheinen außer
Zusammenhang mit den Elektronen zu bleiben. Aber sollte das
ı *
4 Ziele der Zeitschrift.
nicht nur scheinbar sein? Was wissen wir denn eigentlich bisher
über den inneren Vorgang eines photochemischen Prozesses? Ich
denke: Nichts. Denn wenn man sagt, das Licht spalte z. B. aus
den Haloidverbindungen des Silbers einzelne Atome von Cl oder
Br ab, oder wenn mah sagt, in S oder P trete durch Licht eine
Umlagerung der Atome ein, so ist das eine rein äußerliche Be-
schreibung der Tatsachen. Eines wissen wir sicher: alle diese Vor-
gänge verbrauchen Energie, sie entziehen sie dem Licht, d. h. sie '
absorbieren dasselbe. Wenn wir oben sahen, daß diese Absorption
aller Wahrscheinlichkeit nach nur durch die Elektronen vermittelt
wird, so sind wir also auch für die photochemischen Prozesse beim
Elektron angelangt, und ein tiefer dringendes Verständnis wird auch
hier erst erreicht werden, wenn der Mechanismus seiner Vermittler-
rolle erkannt ist.
So sehen wir denn, daß das noch so junge Elektron — der
Name ist erst vor 30 Jahren durch Stoney eingeführt, seine Größe
durch Stoney und Richarz bestimmt worden — für alle hier zu
behandelnden Aufgaben von fundamentaler Wichtigkeit wird. In
diesem Sinne kann man präziser sagen, die Aufgabe der neuen
Zeitschrift sei: die Physik des Elektrons zu fördern. Wenigstens
muß das das hohe Endziel sein; bei der Lösung der Aufgabe frei-
lich muß viel kleinere Arbeit geleistet werden, sei es die Entdeckung
eines neuen Entwicklers, die Beobachtung eines photochemischen
Prozesses, die Ausmessung eines Spektrums, oder die Beschreibung
einer Beobachtung im Geißlerrohr. Wenn es sich um den Bau
eines mächtigen Palastes handelt, muß es auch Leute geben, die
Steine brechen, sie zufahren oder Mörtel anriihren; es kann nicht
nur leitende Architekten geben. Jeder zugefügte Stein trägt zum
Gelingen des Baues bei, jede Arbeit muß dankbar anerkannt werden,
vielleicht erweist gerade sie sich einmal von größter Bedeutung.
Hoffen wir, daß diese Zeitschrift dem Bau tüchtige Arbeiter
zuführt.
H. Kayser.
Bemerkungen zur Theorie des Kirchhofischen Gesetzes. 5
Bemerkungen zur Theorie des Kirchhoffschen Gesetzes.
Von F. Richarz.
In dem von Kirchhoff selbst gegebenen Beweise seines Ge-
setzes bieten diejenigen Schritte, welche sich auf die Gesamistrahlung
beziehen, keine Schwierigkeiten dar. Man denkt sich den bestrahlten
nicht-schwarzen Körper vom Emissionsvermögen Æ eingeschlossen
in eine vollkommen schwarze Hülle. Wenn Temperaturgleichgewicht
vorhanden sein soll, muß das Emissionsvermögen Æ kleiner sein als
dasjenige e eines vollkommen schwarzen Körpers; und zwar in dem-
selben Verhältnis, in welchem auch das Absorptionsvermögen A des
nicht-schwarzen Körpers kleiner ist als das (gleich I gesetzte) eines
vollkommen schwarzen Körpers. Das Verhältnis Z/e werde das
relative Emissionsvermögen des betreffenden Körpers genannt und
soll mit (€ bezeichnet werden. Dann folgt aus der Gleichheit von
€ und A für die Gesamtstrahlung natürlich keineswegs auch schon
diese Gleichheit für jede einzelne Wellenlänge; vielmehr wäre zu-
nächst auch denkbar, daß Ungleichheiten von Emission und Ab-
sorption für die eine Wellenlänge in dem einen Sinne, für die andere
in dem andern Sinne vorkämen, so daß für die Gesamtstrahlung
doch die bewiesene Gleichheit stattfindet. Derjenige Teil von
Kirchhoffs eigenem Beweis seines Gesetzes, welcher sich auf die
Einzelstrahlung bezieht, bietet nun große logische Schwierigkeiten
dar, derentwegen auf das hingewiesen werde, was über sie Kayser
in seinem Handbuch der Spektroskopie, Bd. II (1902), S. 27, sagt.
An derselben Stelle hebt Kayser die Einfachheit und Unbedenk-
lichkeit des kürzlich von Pringsheim!) gegebenen Beweises hervor.
Einen anderen einfacheren Beweis für die Einzelstrahlung hat auch
Helmholtz in seinen soeben erschienenen Vorlesungen über Theorie
der Wärme (gehalten 1890 und 1893, herausgegeben vom Schreiber
1) E. Pringsheim, Verhandl. d. deutsch. Physikal. Ges. 8. p. 81—84. 1901.
6 F. Richarz.
dieser Zeilen) gebracht. Auf Seite 162—164 führt er zuvor eine
Schlußfolge aus, deren Prinzip im wesentlichen von Balfour Stewart
herrührt; die dortige Überlegung gilt aber nur für die Emission
bezw. Absorption senkrecht zur Oberfläche ausgesandter bezw. ein-
tretender Strahlen.!) Sodann folgt auf S. 165 der neue Beweis:
„Die Gültigkeit des Kirchhoffschen Gesetzes für jede einzelne
Strahlenart läßt sich auch, wie für die Gesamtstrahlung, aus dem Be-
stehen des Wärmegleichgewichts zwischen Körpern von gleicher Tempe-
ratur herleiten. Wir beginnen mit der Betrachtung absolut schwarzer
Körper. Wie wir bewiesen haben, ist die gesamte Strahlungsintensität z
pro Flächeneinheit der Oberfläche (eine Kirchhoffs e proportionale
Größe) für alle schwarzen Körper dieselbe. Es könnte aber trotz-
dem bei einem gewissen schwarzen Körper die partielle Strahlungs-
intensität für eine bestimmte Farbe
f, von bestimmter Brechbarkeit größer
sein als bei allen anderen schwarzen
Körpern, wenn sie dann nur auch
für irgend eine andere Farbe f, kleiner
wäre als bei allen anderen: ohne daß
das Wärmegleichgewicht durch die
Gesamtstrahlung gestört würde. Nun
kann man aber durch verschiedene
optische Apparate, z. B. durch liniierte Spiegel und durch Prismen,
erreichen, daß Strahlen von bestimmter Spektralfarbe vorzugsweise
eine Richtung einschlagen, Strahlen von einer anderen (reinen)
Farbe eine andere. Denken wir uns z. B. im Innern einer absolut
schwarzen Hülle ein vollkommen durchsichtiges Prisma. Dann
kann man durch geeignet aufgestellte, vollkommen spiegelnde
Diaphragmen d erreichen, daß von der Strahlung der einen Seite
der Hülle nur die von einem bestimmten Flächenelement F aus-
gehende als ein geradliniges Bündes allein auf das Prisma fällt, von
ihm gebrochen wird in der Weise, daß eine Stelle g, auf der
anderen Seite der Hülle nur von denjenigen Strahlen des Bündels
getroffen wird, deren Farbe /, ist, eine andere g, nur von solchen
der Spektralfarbe /,. Nach der in $ 42 entwickelten Reziprozität
des Strahlenganges gelangen dann auch umgekehrt nur Strahlen der
Farbe /, von der Stelle g, aus, und nur solche von f von g, aus
1) Über den Beweis von Balfour Stewart vergl. Kayser, Spektroskopie
Leipzig 1902. IL p. 8—12.
Bemerkungen zur Theorie des Kırchhoffschen Gesetzes. 7
nach F. Die Stelle der Hülle bei g, und g, bestehe nun aus einer
solchen schwarzen Substanz — wenn sich eine fände — für welche
die Emission der Farbe /, größer sei, und die der Farbe /, kleiner
als bei allen andern schwarzen Körpern, während das Absorptions-
vermögen von vornherein bei allen absolut schwarzen Körpern nach
deren Definition für alle Farben = 1 sein muß. Dann wird in
bezug auf die gegenseitige Zustrahlung von g, und F kein Gleich-
gewicht stattfinden, insofern, als ersteres mehr emittiert, als es von F
erhält und absorbiert. Umgekehrt wird die von /, getroffene Stelle
Z, weniger emittieren als sie von F erhält und absorbiert. Infolge-
dessen müßte, wenn ursprünglich auch die Hülle überall gleiche
Temperatur hatte, nun die von f, getroffene Stelle kälter werden,
die von /, getroffene wärmer, im Widerspruch mit dem Postulate,
das zwischen den verschiedenen Teilen eines überall gleichmäßig
temperierten Körpers Wärmegleichgewicheit herrschen muß. Es kann
also keine schwarze Substanz geben, für welche nicht die auf die
Flächeneinheit bezogene Intensität der Strahlung (proportional Kirch-
` hoffs e) denselben Wert hätte wie für jeden anderen schwarzen
Körper, auch in bezug auf jede Farbe einzeln genommen.
Man sieht sogleich, daß es bei dieser Schlußweise nur darauf
ankommt, daß an jedem Orte dasjenige Verhältnis von Emission
und Absorption stattfindet, bei welchem nirgends in dem betrach-
teten System Temperaturänderungen stattfinden; und zwar muß
dasselbe Verhältnis, welches für die Gesamtstrahlung gilt, auch für
jede einzelne Strahlengattung allein gelten. Bei nicht-schwarzen
Körpern ist für die Gesamtstrahlung jene Bedingung erfüllt, wenn
das relative Emissionsvermögen € gleich ist dem Absorptionsver-
mögen A; und durch Betrachtungen, die an eine Anordnung, wie
die in der Figur dargestellte anknüpfen, erhält man auch bei ihnen
denselben Schluß, daß das Kirchhoffsche Gesetz für beliebig be-
schaffene Körper: E=A
auch für jede Strahlenart allein genommen gelten muß.“
Soweit Helmholtz. Gegen einen derartigen Beweis wendet
jedoch Kayser (l. c. pag. 27) mit Recht ein, daß ein vollkommen
durchsichtiges Prisma unmöglich sei, da vollkommene Durchsichtig-
keit und dispergierende Eigenschaften sich ausschließen. In der Tat
ist ja die Abhängigkeit der Fortpflanzungsgeschwindigkeit von der
Wellenlänge nur eine Folge der Absorption gewisser Wellenlängen,
und zwar in den Fällen der normalen Dispersion von Absorption
8 A. Pflüger.
im Ultravioletten. Dieser Einwand entfällt nun aber, sobald man
den Grundgedanken seines Beweises nicht, wie Helmholtz, durch-
führt unter Benutzung eines Prismas, sondern wie er schon selbst
als möglich andeutet, unter Benutzung eines „liniierten Spiegels“,
am einfachsten eines Äonkavgitters, welches so aufgestellt sei, daß
es von F ein reelles Beugungsbild in der Farbe / bei g}, in der
Farbe /, bei g, entwerfe. Mit dieser Abänderung wäre wohl die
Helmholtzsche Vereinfachung des Kirchhoffschen Beweises durch-
aus einwandfrei.
(Eingegangen am 14. März 1903.)
Prüfung des Kirchhoffschen Gesetzes an der Emission und
Absorption glühenden Turmailns.
Von A. Pflüger.)
Das Kirchhoffsche Gesetz sagt bekanntlich aus, daß für einen
beliebigen Körper das Verhältnis seines Emissionsvermögens E zum
Absorptionsvermögen A gleich dem Emissionsvermógen e des ab-
solut schwarzen Körpers sei, und zwar für dieselbe Körpertempe-
ratur 4, dieselbe Wellenlänge A der Strahlung, aber für jede beliebige
Polarisationsrichtung. Für ein bestimmtes :* und A gilt also immer:
| Le.
Während die indirekten Bestätigungen dieses Gesetze zahlreich
sind, mangelt es bisher an direkten Beweisen. Als einzige Versuche
eines solchen müssen angesehen werden die Arbeiten der Herren
Bouman und Rosenthal. Sie mafen spektrobolometrisch die
Emission und Absorption von erwärmtem Quarz, Glimmer und
Glas, sowie die Emission von Kupferoxyd, das sich nahezu wie ein
schwarzer Körper verhält, und fanden Proportionalität zwischen der
£ und der e-Kurve, erreichten aber keine große Genauigkeit.
Nun hat schon Kirchhoff einen Versuch angegeben, der das
Gesetz direkt zu prüfen gestattet. Eine parallel zur optischen Achse
geschliffene Turmalinplatte absorbiert den ordinaren Strahl, dessen
1) Vergl. Drudes Annalen 7. 1902, p. 806.
- —— A = — o —— — 5
Prüfung des Kirchhofschen Gesetzes an der Emission etc. 9
Polarisationsebene parallel der Achse steht, stärker, als den extra-
ordinären. Wir bezeichnen das Absorptionsvermögen für die beiden
Polarisationsrichtungen mit A, bezw. A. Es ist also A, > A,
Nehmen wir nun an, daß der Kristall diese Eigenschaft auch
in der Glühhitze beibehalte. Dann wird die glühende Platte senk-
recht zu ihrer Oberfläche Strahlen emittieren, die teilweise polari-
siert .sind, und zwar in der durch die optische Achse gelegten
Ebene. Denn nach dem Kirchhoffschen Gesetz müssen die
Emissionsvermögen Z, und Z, für parallel und senkrecht zur Achse
polarisierte Strahlen sich verhalten wie die Absorptionsvermögen;
es muß also gelten: A, _ E,
A, ES
E, ist also größer als Æ. Ein roher Versuch von Kirchhoff
bestätigte die Richtigkeit dieser Annahme. Eine glühende Turmalin-
platte wurde durch einen Kalkspatkristall betrachtet. Die Doppel-
brechung im Kalkspat erzeugt zwei Bilder der Platte, die sich, und
zwar ın dem richtigen Sinne, als verschieden hell erweisen.
Um diesen Versuch messend zu wiederholen, müssen die Größen
A, A, E, E, einer glühenden Turmalinplatte für eine bestimmte
Wellenlänge gemessen werden. Dies geschieht
vermittelst eines Spektralphotometers. Das In-
strument muß mit einem Nicol versehen sein,
um die beiden senkrecht zueinander polarisierten.
Komponenten der Lichtstrahlung jede für sich
untersuchen zu können.
Die Versuchsanordnung ist die folgende
(vergl. Fig. 1). J ist eine Lichtquelle, und zwar
eine hell erleuchtete Milchglasscheibe, die bis
auf ein Rechteck von einigen Quadratmillimetern
Größe abgeblendet ist. Von diesem Rechteck
wird durch die Linse Z, ein reelles Bild auf
die Oberfläche der Turmalinplatte 7° entworfen.
Letztere steht parallel der Milchglasscheibe; sie
wird von unten durch eine schwalbenschwanz-
förmige, punktiert gezeichnete Bunsenflamme zur
Rotglut erhitzt. Von der Turmalinplatte, und ¿>
damit auch von dem Bilde der Lichtquelle, deren
Strahlen also die Platte durchsetzen, entwirft
die Linse Z, ein reelles Bild auf dem Spalt S, des Lummer-
Brodhunschen Spektralphotometers. Die beiden Kollimatorrohre G
Fig. ı.
10 A. Pflüger.
und C,, der Glaswürfel W, das Prisma P, das Fernrohr F dieses
Instruments sind schematisch angegeben. J’ ist die konstante Ver-
gleichslichtquelle, auf die alle Messungen bezogen werden. N ist
ein zwischen Okular und Auge eingeschaltetes drehbares Nikol.
Der Gang der Messung ist der folgende. Zunächst wird das
Nikol N so eingestellt, daß seine Polarisationsebene einer der
Polarisationsebenen des Turmalins parallel steht. Dann wird J ab-
geblendet und die Intensität der Lichtstrahlung, also das Æ des
glühenden Turmalins für eine bestimmte Wellenlänge (nur im Rot,
da die Intensität in den übrigen Spektralbezirken bei der schwachen
Rotglut zu gering ist) gemessen, und zwar sowohl in der eben er-
wähnten, wie in der um 90 Grad gedrehten Stellung des Nikols.
Dies ergibt die beiden gesuchten Größen Z, und Z,, ausgedrückt
in Einheiten der Vergleichslichtquelle.
Nun wird die Blendung der Lichtquelle J entfernt, und die-
selbe Messung wie vorher durchgeführt. Zu der vom Turmalin
emittierten Strahlung addiert sich jetzt der von ihm durchgelassene
Bruchteil D der Strahlung der Lichtquelle, mit den beiden Kom-
ponenten D, und D, Wir messen also jetzt die Lichtintensitäten
E, + D, und E, + De |
Endlich entfernen wir den Turmalin ganz aus dem Strahlen-
gang und messen nur die Intensität der Lichtquelle J in beiden
Lagen des Nikols. Die beiden Intensitäten sollen J, und J,
heißen. Sie müßten natürlich gleich groß sein, wenn sie nicht
im Innern des Apparates ungleiche Schwächungen und Veránde-
rungen erlitten.
Um aus den J und D die A zu bestimmen, müssen wir noch
den Betrag .des vom Turmalin reflektierten Bruchteile R der auf-
fallenden Intensität J kennen. Wir berechnen X, und X, aus den
bekannten Brechungsindices z, und x=, des Turmalins, wobei wir
voraussetzen, daß diese sich mit der Erhitzung des Turmalins nicht
so erheblich ändern, daß das Resultat stark beeinträchtigt wird.
Da R nur etwa 6 Prozent beträgt, ist diese Annahme ganz un-
bedenklich. So erhalten wir:
A,=J,(l =D)
A, =3,(1-—R,-—D).
Durch die drei Messungen sind alle Größen, die wir brauchen,
bestimmt.
Untersucht wurden drei, aus drei verschiedenen Kristallindividuen
Zur Photochemie des Jodsilbers. II
geschnittene Platten. Die Tabelle der Resultate zeigt, daß in der
Tat, wie das Kirchhoffsche Gesetz es verlangt, die Gleichung
mit großer Genauigkeit erfüllt ist.
No. | Kristall | lin pu 2
1 I | 635 0,578
2 I 635 0,650 0,641 1,2
8 I 610 0,488 0,492 0,8
4 II 635 0,600 0,589 1,8
5 III 610 0,489 | 0,438 0,2
6 III 685 ¡| 0,590 | 0,594 | 0,7
(Eingegangen am 14. Febr. 1903.)
Zur Photochemie des Jodsilbers.
Von Lüppo-Cramer in Frankfurt a. M.
(Mitteilungen aus dem wissenschaftlichen Laboratorium der Trockenplattenfabrik
Dr. C. Schleussner, Aktiengesellschaft in Frankfurt a. M.)
Mit der Ersetzung des sogen. „nassen Verfahrens“ im photo-
graphischen Negativprozeß durch die Trockenplatte trat nicht nur
die Ersetzung des Bindemittels Kollodium durch die Gelatine, son-
dern auch die des Jodsilbers durch das Bromsilber ein, und die
physikalische Entwickelung wurde durch die chemische verdrängt.
Neben der Bromsilbergelatine spielt im Trockenverfahren die Chlor-
silbergelatine, deren Wesen 1881 von Eder und Pizzighelli
studiert wurde, noch eine Rolle für Positivprozesse mit Entwicke-
lung, und auch die gemischte Chlordromgelatine findet vielfach An-
wendung.
Fodsilber wird in Form von Gelatineemulsion bekanntlich nur
in geringen Zusätzen bis zu wenigen Prozenten zur Bromsilber-
gelatine verwendet; als selbständiger, bilderzeugender Körper kam
es nicht in Frage und ist als solcher auch keiner eingehenden
Untersuchung gewürdigt worden'). Eine einfache Überlegung ver-
1) Siehe Eders Ausführl, Handb. d. Phot., Bd. 3, 5. Aufl., p. 29 11902).
12 Lüppo- Cramer.
anlaßte mich zur Annahme der Möglichkeit, daß das emulgierte
Jodsilber vielleicht nur verkannt und deshalb eines weitergehenden
Studiums wohl wert sein könnte.
Vergleichen wir die verschiedenen Halogenide des Silbers mit-
einander in photochemischer Beziehung, so finden wir zunächt, daß
das Bromsilber die Lichtempfindlichkeit des Chlorsilbers in jeder
Form bedeutend übertrifft. |
Wir finden ferner, daß die Reduktion des Chlorsilbers viel
‘ leichter erfolgt als die des Bromsilbers. Während für die Hervor-
rufung von Chlorsilbergelatine schon recht schwache Entwickler
genügen!) und Rapidentwickler Schleier veranlassen, verträgt die
Bromsilberemulsion erheblich energischere Entwickler und ist gegen
schwache Reduktionsmittel, die Chlorsilber noch entwickeln, fast
indifferent.
Im Daguerreotypprozeß wie im nassen Verfahren ist nun Fod-
silber das lichtempfindlichste der Silberhalogenide. In beiden dieser
alten Prozesse ist die Entwickelung eine pAysikalische, eine Anziehung
des fein verteilten Quecksilbers oder des naszierenden Silbers durch
das latente Bild; eine Reduktion des Fodsilbers findet nicht statt.
In der Widerstandsfähigkeit der Silberhalogenide gegen Re-
duktionsmittel findet zweifellos eine Aufsteigung von Chlor- über
Brom- zu Jodsilber statt, wie die aus wässerigen Lösungen aus-
gefällten Körper zeigen und verschiedene rein chemische Über-
legungen bestätigen.
Da nach dem periodischen System der Elemente, nach welchem
die Eigenschaften der Elemente, und damit die ihrer Verbindungen,
Funktionen der Atomgewichte sind, zn jeder Richtung eine Skala
in der Reihenfolge Chlor-, Brom-, Jodsilber zu vermuten wäre und,
wie die obigen Überlegungen ergeben, diese Skala auch in Bezug
auf die Lichtempfindlichkeit stimmte, wenn wir das Jodsilber im
Kollodiumprozeß bei physikalischer Entwickelung ins Auge fassen,
so sollte man annehmen, daß auch bei chemischer Entwickelung
das Jodsilber das lichtempfindlichste der drei Halogenide sein müßte.
Das Hindernis, weshalb diese Lichtempfindlichkeit des Jodsilbers
nicht in die Erscheinung tritt, könnte vielleicht darin zu suchen
sein, daß man nicht Entwicklersubstanzen oder Entwicklermischungen
von hinreichender Reduktionskraft in Anwendung brachte.
1) Vergl. Liesegang in Eders Jahrbuch f. Phot. für 1902, p. 572 u. 573.
S. auch König, Photogr. Korresp. 1903, p. 14.
Zur Photochemie des Jodsilbers. 13
Um dieser Frage näher zu treten, habe ich die Emulgierung
von Jodsilber in Gelatine näher studiert und nach vielen Versuchen
unter Zugrundelegung meiner Erfahrungen in der Trockenplatten-
technik Jodsilbergelatineplatten erhalten, die eine außerordentlich
große Deckkraft und gleichzeitig ein homogenes feines Korn zeigten.
Die Lichtempfindlichkeit dieser Platten bei nachfolgender Hervor-
rufung in einem normalen Entwickler ist recht gering; sie ist an-
nähernd die einer CAlorsilbergelatine-Emulsion, wie man sie nach
den Angaben von Eder?) erhält. Eisenoxalat entwickelt in der
für Bromsilberplatten gewohnten Zeit gar nicht, doch tritt bei
längerer Einwirkungsdauer eine deutliche Hervorrufung ein. Wesent-
lich stärker wirkt Metolpottasche, noch stärker Amidol mit viel
Sulfit und in großer Konzentration. Verwendet man aber Amidol
mit Alkali nach folgendem Rezept: 100 ccm Wasser, 20 g wasser-
freies Sulfit, 2 g Amidol + gleiches Volumen zehnprozentiger Pott-
aschelösung, so erhält man eine recht rapide Anfangsreduktion
auch bei wesentlich kürzerer Exposition, wobei die unbelichteten
Partien der Platte glasklar bleiben, während dieser Entwickler Brom-
silberplatten total verschleiert. Ich versuchte also noch stärker
wirkende Hervorrufungssubstanzen in Anwendung zu bringen, wobei
solche Körper, die man zur Entwickelung von Bromsilber schon
gar nicht mehr gebrauchen kann, ihre Dienste am besten zu tun
versprachen.
Herr Dr. M. Andresen, der auf dem Gebiete der Entwickler-
chemie wohl die meiste Erfahrung besitzt, hatte die außerordent-
liche Liebenswürdigkeit, mir für den angedeuteten Zweck eine Reihe
von Substanzen, die in alkalischer Lösung Bromsilber nur unter
totaler Verschleierung entwickeln, zur Verfügung zu stellen. Es
waren dies Triamidophenol, Diamidoresorcin und Triamidoresorcin,
die ich nach dem für Amidol oben angegebenen Rezepte in An-
wendung brachte. Von diesen Körpern entwickeln die beiden letzt-
genannten das Jodsilber noch wesentlich rascher und intensiver als
Amidolpottasche, sie geben allerdings in kürzester Zeit so stark
gefärbte Brühen, daß die Gelatine sich intensiv färbt. Indessen ist
auch bei Anwendung des rapidesten Triamidoresorcins in alkalischer
Lösung eine recht lange Exposition nötig, und auch bei lángster?)
Entwickelungsdauer erhält man nur ein ganz dünnes Bild.
1) Siehe Eders Ausführl. Handbuch d. Phot., 3. Bd., 5. Aufl, p. 727 (1902).
2) Vielleicht wird die nur im Anfange recht rapide Wirkung der Entwickler-
substanzen, die sehr bald nachläßt, zum Teil auch mit bedingt durch das Auftreten
14 Lippo-Cramer.
Die Fixierung der Jodsilbergelatine gelingt nicht mehr in
Thiosulfat, sondern man muß zum Cyankali greifen, ist dann aber
genötigt, um die Auflösung des Bildes selbst zu verhindern, Sulfit
als Gegenmittel gegen die Oxydation des Silbers hinzuzufügen. Ich
verwendete: 10 g Cyankali, 20 g Sulfit wasserfrei + 200 ccm Wasser.
In diesem Bade löste sich das Jodsilber in 5 bis 10 Minuten glatt
auf, ohne daß das Bild angegriffen wird, wie ein Parallelversuch
mit einem gewöhnlichen Negativ zeigte. Auch bei lángster Ent-
wickelungsdauer bleibt das Bild auf Jodsilber so dünn, daß kein
normal kopierfähiges Negativ erzielt werden kann.
Es scheint aus diesen Versuchen hervorzugehen, daß in der
Tat die Jodsilbergelatine für die Praxis unbrauchbar ist, In theo-
retischem Interesse erschien es mir aber dennoch wichtig, nach
weiteren Beweisen dafür zu suchen, daß nicht nur eine schwere
Reduktion, sondern wirklich eine geringe Lichtempfindlichkeit des
Jodsilbers in emulgierter Form vorliegt.
Ich versuchte deshalb zunächst Jodsilber- Aollodiumemulsion,
die ich durch Überführung einer Bromsilber-Kollodiumemulsion
durch Digestion mit Jodkalium in Jodsilber herstellte, indem ich
200 ccm Emulsion von Albert mit einer Lösung von 45 g Jod-
kalium in so ccm Wasser + 50 ccm Alkohol versetzte, die Emulsion
nach einiger Zeit mit Wasser fällte, auswusch und wieder in Alkohol-
äther löste.
Auch diese Jodsilberemulsion ist gegenüber der Bromsilber-
emulsion äußerst wenig empfindlich, auch bei Hervorrufung mit
Amidolpottasche.
Weitere Hinweise hoffte ich durch Behandlung des /atenten
Bildes auf Bromsilber mit Jodkalium zu erhalten. Ein latentes Bild
auf gewöhnlicher Trockenplatte wurde zwei Minuten lang in fünf-
prozentiger Jodkaliumlösung gebadet und nach gründlichem Waschen
in Amidolpottasche entwickelt; es ergab sich ein schleierfreies, aber
sehr dünnes und gänzlich unterexponiert erscheinendes Bild; das
außerordentlich langsame Fixieren in Thiosulfat bewies die ein-
getretene Umwandlung in Jodsilber.
Da das latente Bild auf Bromsilberkollodium durch Baden in
der von Lumiére und Seyewetz (Eders Jahrbuch f. Phot. für 1898, p. 105)
nachgewiesenen Imidooxydationsprodukte, die in dem Maße entstehen, wie die Ent-
wickelung vor sich geht, und die in umgekehrtem Sinne wie der Entwickler auf das
Bromsilber wirken,
Zur Photochemie des Jodsilbers. 15
Bromkalilösung stark abgeschwächt wird, bei gleichzeitiger Gegen-
wart von Alkali jedoch unverändert bleibt*), und diese Reaktion
auch mit Jodkalium + Bromsilbergelatine vor sich gehen könnte, so
wiederholte ich den letzten Versuch bei gleichzeitiger Gegenwart
von Soda und machte eine Kontrollprobe mit dem alkalischen Jod-
kaliumbade vor der“ Exposition. Es stellte sich dabei heraus, daß
bei der Überführung des Bromsilbers in Jodsilber vor der Exposition
keinerlei Bildspur erhalten wurde, daß aber bei der Behandlung
des latenten Bromsilberbildes mit derselben Jodkalilösung ein wenn
auch wesentlich dünneres Bild als auf der Kontrollplatte erhalten
wurde. Hieraus scheint einwandsfrei hervorzugehen, daß in der
Tat die Lichtempfindlichkeit und nicht nur die geringe Disposition
zur Hervorrufung der Ursache des Verhaltens des Jodsilbers in
emulgiertem Zustande ist. Weiter bestätigt wurde dies durch eine
analoge Behandlung von Bromsilberkollodiumplatten mit alkalischer
Jodkalilósung und nachfolgender physikalischer Entwickelung: vor
der Belichtung verhindert die Umwandlung des Bromsilbers in Jod-
silber das Zustandekommen eines Bildes, vollzieht man nach der
Belichtung die Überführung in Jodid, so erhält man mit naszieren-
dem Silber ein Bild, wenn auch ein wesentlich dünneres und kürzer
exponiert erscheinendes, als auf der Bromsilberemulsion.
Da also weder das Bindemittel noch die Art der Hervorrufung
einen fundamentalen Unterschied in dem relativen Empfindlichkeits- -
verhältnis von Jod- zu Bromsilber bedingt, so könnte vielleicht der
beim nassen Prozeß vorhandene Silbernitratüberschuß die Ursache
der höheren Empfindlichkeit sein. Es zeigte sich jedoch, daß auch
nach dem Sensibilisieren im Silberbade das in Kollodium emulgierte
Bromsilber annähernd dieselbe, viel höhere Empfindlichkeit (bei
physikalischer Entwickelung) aufwies, als das analog behandelte
Jodsilber.
Die vorgeführte Reihe von Versuchen scheint also in der Tat
dem Jodsilber in emulgierter Form eine Ausnahmestellung zu geben,
die mit unseren derzeitigen theoretischen Überlegungen nicht in
Einklang zu bringen ist, und es scheinen bei der Entstehung des
Entwickelungsbildes auf Jodsilber noch Momente mitzuspielen, an
die eine rein chemische Erklärung vorläufig nicht heranreicht. In
dieser Beziehung hat der leider so früh verstorbene Luggin?)
1) Lüppo-Cramer, Phot. Korresp. 1902, p. 635.
2) Eders Jahrbuch f. Phot. für 1898, p. 156—171.
16 Lüppo- Cramer.
einige Spekulationen im Zusammenhange mit seinen Untersuchungen
über photoelektrische Bildbildung angestellt, aus denen einige Punkte
hervorgehoben sein mögen. Der genannte Forscher kommt a. a. O.,
S. 159, zu dem Resultat, daß „die charakteristische Tatsache, daß
Jodsilber viel kräftigerer Sensitatoren bedarf als Brom- und Chlor-
silber, durch die Verschiedenheit im photoelektrischen Verhalten
ihre Erklärung finde.“ Bemerkenswert ist auch der Passus S. 161:
„Die außerordentlich hohe Lichtempfindlichkeit des Jodsilbers gegen
physikalische Entwickelung, welche die des Chlor- und Bromsilbers
weit übertrifft, ist kein Beweis gegen die chemische Natur des
latenten Bildes. Bei der physikalischen Entwickelung kommt es
auf Veränderung in den Adhäsionskräften des lichtempfindlichen
Salzes an; nun spielen gerade bei diesen Kräften zudividuelle Ver-
hältnisse die allergrößte Rolle, und es ist keineswegs eine ungeheuer-
liche Annahme, daß Jodsilber durch geringe Mengen Photojodür
eine viel größere Änderung der Adhäsionskräfte erfahren solle als
Brom- und Chlorsilber durch die entsprechenden Mengen ihrer
Photosalze.“
Eine wichtige Arbeit über das Jodsilber in der Form, wie es
bei der Daguerreotypie zur Anwendung kommt, hat H. Scholl!)
in seiner umfassenden Abhandlung „Über die Veränderungen des
Jodsilbers im Lichte und den Daguerreschen Prozeß“ geliefert.
Scholl weist auf die bereits von Schultz-Sellack konstatierte
Trübung des Jodsilbers im Lichte hin und beweist durch eine Reihe
von Kontrollversuchen, daß nicht der Austritt von Jod die Ursache
der Trübung sein kann. Auch eine Sauerstoffaufnahme kann nach
Scholl nicht vorliegen, sondern es kann nur eine physikalische
Veränderung eingetreten sein. Der genannte Forscher deutet darauf
hin, daß Jodsilber bekanntlich dimorph ist, daß es bei höherer
Temperatur aus dem hexagonalen in das reguläre System übergehe,
wobei eine Farbenveränderung in ein viel lebhafterer Gelb vor sich
geht. Aus all seinen Versuchen schließt Scholl, daß die getrübte
Schicht durch reines, mechanisch fein verteiltes AgJ gebildet wird,
und daß der Sauerstoff dabei wahrscheinlich die Rolle einer kata-
lytischen, die Entstehung eines Zwischenzustandes fördernden Sub-
stanz spiele. „Das belichtete Jodsilber ist nach Arrhenius dis-
soziiert, die Stabilität der Verbindung also erschüttert. Zu einem
völligen Zerfall wird es aber erst kommen bei Gegenwart eines
1) Archiv f. wissenschattl. Phot. I, p. 242.
Zur Photochemie des Jodsılbers. 17
Körpers, der mit Szlder oder Jod eine Verbindung einzugehen
vermag.“
Was die weiteren Eigenschaften der Jodsilbergelatine anbelangt,
so ‚ist zunächst einiges über die spektrale Empfindlichkeit zu er-
wähnen. Meine Platten zeigen ein auffallend scharfes, schmales
Maximum bei G, welches nach beiden Seiten steil abfällt; eine be-
sonders hohe Empfindlichkeit für die brechbarsten Strahlen, die
Victor Schumann!) fand, konnte ich bei meiner Emulsion nicht
beobachten. Die optische Sensibilisierung mit Erythrosin gelang
mir beim Jodsilber ebensowenig wie beim Quecksilberjodid?); wie
ich gelegentlich meiner Untersuchungen über das Lippmannsche
Farbenverfahren beobachtete, läßt sich nicht pimak das „kornlose“
Jodsilber optisch sensibilisieren.
Die Farbe der Jodsilbergelatine ist weiß mit einem Stich ins
Grünliche, sie ist viel weniger von Weiß unterschieden als die der
meisten Bromsilberplatten des Handels, und nach dem Rufe, in
dem das Jodsilber steht, gelb zu sein, würde man in den Platten
niemals reines Jodsilber vermuten.
Die Jodsilberplatte läuft im Lichte nur äußerst wenig an; auch
bei mehrstündiger Bestrahlung im Sonnenlichte ist nur eine ganz
schwache Veränderung der Farbnuance zu konstatieren, und die
Platten fixieren sich immer noch glasklar aus.
Eine auffallende Erscheinung beobachtete ich endlich noch bei
einem Solaristerungsversuch mit Jodsilbergelatine. Unter einem
Negativ ergaben die Platten in drei Sekunden bei diffusem Tages-
licht ein ausexponiertes Bild. Eine sechs Stunden lang unter dem-
selben Negativ belichtete Platte schien sich in Amidolpottasche, in
welcher sie neben der drei Sekunden belichteten Platte entwickelt
wurde, zuerst gar nicht zu reduzieren, während das kurz exponierte
schon in allen Einzelheiten erschienen war. Nach einiger Zeit
merkt man indes, daß auch auf der überbelichteten Platte ein Bild
vorhanden ist; dasselbe sitzt nur in den Zeferen Schichten, aller-
dings als normales Diapositiv, d. h. noch nicht solarisiert, während
in der Aufsicht erst nach längerer Entwickelung etwas zu sehen
ist. Beim Fixieren merkt man deutlich, daß zn der obersten Schicht
der lange belichteten Platte kein Bild vorhanden ist, indem nach
1) Eders Jahrbuch f. Phot. für 1897, p. 357.
2) Siehe Lüppo-Cramer, diese Zeitschr. in einer der nächsten Nummern.
Zeitschr. f. wiss, Phot. 1. 2
18 W. Scheffer.
kurzem Fixieren das Bild auch in der Aufsicht kräftiger wird,
offenbar weil das unreduzierte Jodsilber der obersten Schicht weg-
genommen wird.
(Eingegangen am 13. Februar 1903.)
Zur stereoskopischen Abbildung mikroskopischer Objekte.
Von W. Scheffer.
Um dieses wichtige — leider sehr vernachlässigte — Hilfsmittel
der Forschung und des naturwissenschaftlichen Unterrichts mit Nutzen
zu besprechen, ist es nötig, zuerst auf die Grundgesetze der Stereo-
skopie einzugehen.
Fig. ı ist ein geometrisch konstruiertes Stereogramm; dasselbe
ergibt, im Stereoskop betrachtet, die Vorstellung eines freischweben-
den Ringes, durch den ein Stab durchgesteckt ist. Aus diesem
O ©
Stereogramm ergeben sich auf die einfachste Weise die Grund-
gesetze dieses Vorgangs:
I. Punkte stereoskopischer Vereinigung, die näher beisammen
liegen als andere solche Punkte, scheinen im Vorstellungsbilde dem
Beschauer näher zu liegen, und umgekehrt.
2. Alle Punkte stereoskopischer Vereinigung, die gleich weit
voneinander entfernt sind, scheinen im Vorstellungsbilde in einer
Ebene zu liegen.
I. ergibt sich ohne weiteres aus den Einzelbildern und dem
Vorstellungsbilde des Stabes, 2. aus denselben des Ringes.
Ist die Entfernung zweier Vereinigungspunkte a, so müssen
zwei andere Vereinigungspunkte eine von a verschiedene Entfernung
haben, wenn sie im Vorstellungsbilde vor oder hinter den ersteren
liegen sollen; sie müssen also die Entfernung a + d haben, wobei d
sowohl das + (positive) wie das — (negative) Vorzeichen haben
kann. Die Punkte, deren Entfernung a — d beträgt, werden in der
Zur stereoskopischen Abbildung mikroskopischer Objekte. 19
Vorstellung näher liegen als die, deren Entfernung a beträgt, und
‚ähnlich für + d; ist d = o, so ist die Tiefenwahrnehmung ebenfalls
=0. Es ist also die Tiefenwahrnehmung im Vorstellungsbilde ab-
hängig von der Größe d.
In geometrisch konstruierten Stereogrammen kann d selbstver-
ständlich willkürlich variiert werden, und durch das experimentelle
Betrachten möglichst einfacher Stereogramme, bei denen alle Be-
dingungen die gleichen sind und nur d verschiedene Werte hat,
können auf die einfachste Weise die Grenzwerte von d bestimmt
werden; sowohl der maximale, wie der minimale.
Um möglichst genaue Werte zu bekommen, stellt man die Zeich-
nungen in starker Vergrößerung möglichst exakt her und verkleinert
sie photographisch auf das nötige Maß der Stereogramme. Man
kann auf diese Weise Feinheiten in das Stereogramm bringen, und
auch komplizierte Figuren, die bei direkter Zeichnung in wahrer
Größe unmöglich sind. Eine 8—ıofache Vergrößerung genügt für
alle Fälle für die Originalzeichnung. l
Die Einzelheiten dieser Untersuchungen werden in einer be-
sonderen Arbeit veröffentlicht werden; es soll nur bemerkt werden,
daß die Resultate ergaben, daß für einfachste Zeichnungen die Tiefen-
wahrnehmung erst bei höheren Werten von d beginnt, als bei
komplizierten, weiter, daß die seitliche Entfernung der beiden
verschiedenen Punkte in der Vorstellung einen Einfluß hat: je größer
dieselbe, desto schwieriger ist die Tiefenwahrnehmung. Überbrückung
dieser Entfernung durch dazwischenliegende Vorstellungen erleichtert
die Tiefenwahrnehmung — es geben also komplizierte Stereogramme
leichter körperliche Vorstellungen, als einfache. Ähnlich sind die
Verhältnisse bei den maximalen Grenzwerten von d.
Werte, die in einfachen Zeichnungen (4 Kreise, Striche etc.)
so hoch sind, daß sie stören, werden in komplizierten Stereogrammen
noch ertragen — kurz gesagt — je einfacher ein Stereogramm,
desto ungünstiger sind die Bedingungen für die Vorstellung — je
detailreicher, desto besser.
Diese Betrachtungen sind wichtig für die Beleuchtung der Objekte,
und die mangelhafte Wirkung mancher sonst ganz guter Mikro-
stereogramme ist auf die Nichtbeachtung dieser Tatsachen zurück-
zuführen. Speziell bei schwachen Vergrößerungen, bis etwa 30fach
lin., ist in sehr vielen Fällen das auffallende Licht als Beleuchtung
dem durchfallenden bei weitem überlegen. Kleine Insekten, etwa
ein Floh, geben in durchfallendem Licht viel weniger Details als in
2*
20 W. Scheffer.
auffallendem — es ist also auch von vornherein anzunehmen, daß
mit letzterer Beleuchtung bessere und der Wahrheit näher kommende
stereoskopische Vorstellungen erreicht werden — eine Tatsache, von
der jeder Experimentator sich leicht überzeugen kann.
Wenn wir erst zu den gefärbten Objekten und stärkeren Ver-
größerungen kommen, werden die Photographien immer ärmer an
zarten Details und Übergängen zwischen den Einzelheiten des Bildes,
A es werden also solche Stereo-
gramme ohne weiteres unter
relativ ungünstigen Bedingun-
gen stehen; wer mit Aufmerk-
samkeit und Verständnis Mi-
krostereogramme von gefärb-
ten Schnitten betrachtet, die
bei 2— 300 f. L. V. aufge-
nommen wurden, dem kommt
so recht zum Bewußtsein, daß
in einem solchen Bilde vieles
fehlt und manches Gewebs-
element geradezu ohne Ver-
bindung mit seiner Nachbar-
schaft erscheint. Im Gegen-
a satz hierzu geben ungefärbte
É BD Gewebselemente oft über-
raschend schöne, lückenlose
stereoskopische Vorstellungen.
Bei der Beleuchtung mit
auffallendem Licht müssen alle
größeren Spiegelungen etc.
vermieden werden, da sie detaillose Flächen bilden, die die Vor-
stellung sehr stören können. Es ist manchmal recht schwer, eine
gute auffallende Beleuchtung herzustellen. Hier hat nur der mit
Geschick und Überlegung arbeitende Experimentator Erfolg.
Fig. 2 und 3 geben den Strahlengang für die Aufnahmen der
Stereogramme zweier Punkte, 2 beleuchtet mit auffallendem Licht,
3 mit durchfallendem. In Fig. 2 sollen die Punkte X und Y ver-
größert und stereoskopisch richtig abgebildet werden. Es wird zu
diesem Zweck die ganze Camera mit dem Objektiv um die Achse
M einmal nach rechts und einmal nach links geneigt und in jeder
dieser zwei Stellungen je eine photographische Aufnahme gemacht.
go
o P| $
Fig. 2.
Zur stereoskopischen Abbildung mikroskopischer Objekte. 21
Es werden dann die Objektpunkte die Bildpunkte x, y, und x, y,
ergeben. Da das Objektiv die Bilder umkehrt, müssen die Einzel-
bilder auch umgekehrt werden, was beim Kopierprozeß von selbst
geschieht. Im endgültigen Stereogramm ist die Entfernung z, x;
kleiner als y?y\. Es wird also in der Vorstellung x dem Beschauer
näher erscheinen als y.
Fig. 3 stellt denselben Vorgang der stereoskopisch richtigen
vergrößerten Abbildung zweier Punkte bei durchfallendem Licht dar.
Es ist dies der Weg, der in den meisten Fällen starker Vergröße-
rung eingeschlagen ist. Er unter-
scheidet sich prinzipiell nicht von dem
Verfahren mit auffallendem Licht —
nur die Technik ist eine andere. .In
Fig. 3 werden die Punkte X und Y
einmal von rechts, das andere Mal
von links mit parallelem Licht be-
leuchtet. Der Strahlengang und die
endgültige Anordnung gehen ohne
weiteres aus der Zeichnung hervor.
Es ist aber auch aus ihr ersicht-
lich, daß bei jeder der beiden Ab-
bildungen nur etn Teil des Objektives
beteiligt sein kann; es ist unrichtig,
wie manche Autoren behaupten, daß
bei solchen Aufnahmen die ganze
Apertur ausgenützt würde; wäre das y a To 5
der Fall, so wäre jede stereoskopische * u yn
Wirkung ausgeschlossen. Es ist also Fig. 3.
theoretisch gleichgültig, ob mit schiefer Beleuchtung möglichst enger
Apertur gearbeitet wird, oder mit teilweise abgeblendetem Objektiv,
wie das Fritsch schon vor langer Zeit vorgeschlagen hat.
Die im folgenden beschriebenen Vorrichtungen haben den
Zweck, die Tecknik dieser Aufnahmen möglichst zu vereinfachen.
Ihre Konstruktion war die Folge praktischer Bedürfnisse, und sie
haben sich bei häufigem Gebrauch als durchaus zuverlässige und
sehr einfache Apparate erwiesen,
Die Figg. 4, 5 und 6 stellen einen Apparat für Stereoauf-
nahmen bei schwachen Vergrößerungen dar. Die Camera ist kon-
struiert nach dem Prinzip der aufrechten mikrophotographischen
Camera (Zeitschrift für wissenschaftl. Mikroskopie XVIIL 1901. p. 401
22 W. Scheffer.
bis 412). Sie ist mit der Fußplatte verbunden vermittelst einer
Säulenkonstruktion, die ein Gelenk hat. Dasselbe ermöglicht eine
seitliche Neigung um die horizontal liegende Achse C. Diese wird
genau markiert durch die Spitze einer Stahlnadel (Zenzriernadel),
welche durch das Loch Z gesteckt werden kann und deren Spitze
bis in die Mitte des Gesichtsfeldes ragt.
Fig. 4 zeigt die Vorbereitung des Apparates zur Aufnahme:
Nachdem das betreffende Objektiv angeschraubt ist, steckt man die
Zentriernadel ein und stellt ihre Spitze scharf ein durch Heben und
Senken des Objektivs — im Groben durch Verschieben des Teiles U
an der Säule, im Feinen durch den Trieb 7.
Fig. 4. | Fig. 5.
Man hat sich nun die Achse, um die die Camera seitlich geneigt
wird, gewissermaßen optisch festgelegt, da die Spitze der Zentriernadel
dieser Achse mit großer Genauigkeit entspricht. Nun zieht man
die Zentriernadel heraus und stellt den mit dem Präparat beschickten
Objekttisch auf die Fußplatte. Der Bequemlichkeit halber kann die
Camera nach Lösung der Schraube D zur Seite geschlagen werden
(Fig. 5). Natürlich muß vorher die Zentriernadel herausgenommen
werden, da sie eine Bohrung im untersten Teil der Säule S, dem
Drehzapfen, passieren muß. Ebenso darf sie nie in dieser Stellung
des Apparats eingeführt werden, da sonst ihre Spitze anstoßen
würde. Nun dreht man den Apparat wieder in die erste Stellung,
schraubt D wieder fest und bringt die Mitte des Objekts in die
Mitte des Gesichtsfeldes, genau dahin, wo die Spitze der Zentrier-
Zur stereoskopischen Abbildung mikroskopischer Objekte. 23
nadel erschien. Die Scharfeinstellung geschieht #s#r durch Heben
und Senken des Objekttisches mit dem an diesem angebrachten
Trieb. Steht das Objekt scharf ein, so muß selbstverständlich die
Neigungsachse durch die Objektsmitte verlaufen. (Der Bequem-
lichkeit halber ist auf den Einstellscheiben die Stelle, die der Mitte
der Platte entspricht, mit einem Kreuz markiert; um die Spitze der
Zentriernadel genau in diese Mitte zu bringen, ist das Objektiv-
brettchen seitlich verschiebbar und durch die Schraube S feststell-
bar. Die Zentriernadel ist ein wenig länger als eigentlich nötig, so
daß ihre Spitze durch Zurückziehen oder Vorschieben der Nadel
genau an die Stelle des Kreuzes gebracht werden kann.)
Es sind also die Bedingungen der
theoretischen Konstruktion in Fig. 2 er-
füllt. Da sich jetzt das Objekt in der
Neigungsachse befindet, können Ände-
rungen der Vergrößerung durch Heben
und Senken von Objektiv und Einstell-
scheibe bewirkt werden — die Ein-
stellung durch Heben oder Senken des
Objekttisches ist nun nicht mehr zu-
lässig, da das Objekt sich an dem
richtigen Ort befindet.
Man neigt nun die Camera für die
eine Aufnahme nach rechts, und für die
andere nach links. Fixiert wird die AR
Neigung durch die Schraube XK. Fig. 6.
Die Sáule S hat eine Millimeter-
teilung, so daß die Stellung des Stirn- und des Rahmenteiles genau
abgelesen werden kann. Man kann so die empirisch festgestellten
Vergrößerungen genau immer wieder ohne Zeitverlust herstellen
Es ist empfehlenswert, sich für jedes Objektiv die wichtigsten Stellen
zu notieren und als Vergrößerungsquotienten möglichst runde Zahlen
zu wählen.
Die Exkursionen dieser Bewegung können bis auf !/, Grad
genau an. der Teilung bei G (Fig. 6) abgelesen werden. Eine
Neigung von je 3° nach rechts und links von der o-Stellung gibt
die naturwahren körperlichen Verhältnisse. Durch größere Neigung
kann man übertriebene Tiefenvorstellungen hervorbringen, umgekehrt
durch zu kleine Neigung. Es geben diese Möglichkeiten übertriebener
und verminderter Tiefenvorstellung Stoff zu interessanten Versuchen.
24 W. Schefer.
Außerordentlich wichtig, ja von entscheidender Bedeutung für
die Schönheit der Bilder ist die Beleuchtung. Wenn auch schlecht
beleuchtete Objekte ganz gute körperlich wirkende Stereogramme
ergeben, so lehrt doch der Vergleich von Aufnahmen bei guter und
solchen bei schlechter Beleuchtung die hohe Wichtigkeit dieses
Punktes. Aus den am Anfang dieser Abhandlung erläuterten Grund-
bedingungen geht hervor, daß ein Stereogramm möglichst detail-
reich sein soll; um dies zu erreichen, muß die Beleuchtung eine
möglichst gleichmäßige, und soviel möglich, eine solche mit diffusem
Licht sein, sie soll etwa einem mit weißen, hellen Wolken gleich-
mäßig bedeckten Himmel entsprechen. Einigermaßen ist dies zu
erreichen mit dem sogenannten Lieberkühnschen Spiegel, der
bekanntlich zuerst von Leeuwenhoek und Descartes angewandt
wurde. Für besonders leicht spiegelnde Objekte eignet sich eine
kleine Modifikation dieses Instruments, ein sogenannter Gipsreflektor,
der sein diffuses Licht auf das Objekt wirft, also dem weißbewölkten
Himmel am nahesten kommt. Abgesehen von schwierigeren Ob-
jekten als Insekten mit spiegelnder Leibesoberfläche, manchen
Kristallen etc., läßt sich fast alles mit dem metallischen polierten
Lieberkühn photographieren. Er ist an Lichtstärke dem Gips-
reflektor etwa um das sfache überlegen. Es soll hier noch be-
sonders hervorgehoben werden, daß zu jedem Objektiv ein besonderer
Spiegel die besten Resultate gibt; derartige Instrumente stellt die
Firma Fuess in hoher Vollendung her. Die Schatten sind für die
Auffassung des Stereogrammes von ganz untergeordneter Bedeutung,
es ist also vor allem wichtig, auf eine möglichst gleichmässige
Beleuchtung des Präparats zu achten; ganz weiche, scheinbar ein
Gewirr von Punkten darstellende Einzelbilder geben oft die schönsten,
geradezu überraschend wirkenden Vorstellungen.
Obgleich der Lieberkühnsche Spiegel ein historisches Instru-
ment ist, dürfte es vielleicht doch dem einen oder andern, der mit
den hier beschriebenen Vorrichtungen arbeiten will, erwünscht sein,
wenn die Wirkungsweise und Anwendung dieses Instruments hier
kurz erläutert wird.
Fig. 7. TT ist ein Objektträger aus recht durchsichtigem,
gut poliertem Glas; an diesen ist auf seiner Unterseite ein schwarzes
rundes Plättchen Æ angekittet. Der Mitte dieser schwarzen Stelle
entsprechend wird das Objekt auf die obere Seite des Objektträgers
gelegt. Über das Objekt wird der Hohlspiegel RR gestellt und
von unten wird mit dem Spiegel SS Licht in den Hohlspiegel
Zur stereoskopischen Abbildung mikroskopischer Objekte. 25
geschickt. Die Hohlspiegel sind für den betreffenden Zweck genau
berechnet und konstruiert, so daß alles vom unteren (planen) Spiegel
SS in den Lieberkühn fallende Licht auf die Æ entsprechende
Stelle fällt; es erscheint also das Objekt hell auf tiefschwarzem
Hintergrund. Von diesem heben sich die Objekte bei der Be-
trachtung im Stereoskop außerordentlich wirksam ab.
Unter Umständen kann auch ein weißer Hintergrund genommen
werden, indeß ist der tiefschwarze in den weitaus meisten Fällen
vorzuziehen.
Es ist sehr wichtig, für jedes Objektiv die richtige Hintergrunds-
größe zu haben, ebenso, wie den richtigen Lieberkühn. Alle drei
müssen in den Maßen richtig zu-
einander passen. Für die Gips-
reflektoren wurde nach vielen Ver- <>
suchen besagtes Material als das
optisch Günstigste gewählt.
Das Beschneiden der Bilder
wird wesentlich erleichtert dadurch,
daß die Neigung erfolgt in einer
den langen Plattenkanten paralle-
len Ebene. Es ergeben also diese
die Richtung der Hortizontalen.
Der in Fig. 2 dargestellte
Strahlengang ist selbstverständlich
auch zu erreichen durch Neigen Fig. 7.
des Objektes um die Achse M bei |
ruhig stehender Camera. Moitessier und Fritsch haben Wippen
konstruiert, die eine derartige Neigung des Objektes ermöglichen.
Speziell Fritsch hat ein sehr vollkommenes derartiges Instrument
konstruiert. Diese Wippen eignen sich nur für durchfallendes Licht;
bei nicht absolut diffuser Beleuchtung ändern sich die Helligkeits-
verhältnisse des Objektes beim Neigen oft ganz wesentlich. Gerade
für schwache Vergrößerungen ist aber, wie im Eingang dieser
Arbeit gezeigt wurde, die Beleuchtung mit auffallendem Licht der
mit durchfallendem vorzuziehen, und für diese ist es unbedingt
nötig, daß das Objekt nicht bewegt wird.
Für durchfallendes Licht bei schwachen Vergrößerungen (also
bei Objektiven mit kleinem Öffnungswinkel) ist die eben beschriebene
Anordnung vorzuziehen, man sollte hierzu aber nur Objekte mit
guter Durchsichtigkeit wählen, und bedenken, daß künstliche Auf-
26 W. Scheffer.
hellung mit Xylol, Canadabalsam etc. die Bilder außerordentlich detail-
arm, also für stereoskopische Betrachtung weniger geeignet macht.
Will man mitObjektiven von größerem Öffnungswinkel, also stärke-
ren Vergrößerungen arbeiten, so wird die Verwendung des auffallenden
Lichtes bald sehr schwierig, ja unmöglich, man ist also auf durchfallen-
des Licht und durchsichtige Objekte (Dünnschnitte etc.) beschränkt.
Man braucht zu einer solchen Aufnahme nichts weiter, als das
gewöhnliche mikro-photographische Instrumentarium. Nach der Auf-
stellung etc. sieht man bei herausgenommenem Okular in den Tubus.
Es erscheint dann je nach der Öffnung und Stellung der Beleuch-
tungsblende ein Teil des Objektivs mit Licht erfüllt. Nun verengert
man die Beleuchtungsblende so, daß das mittlere Drittel des Ob-
jektivs erhellt ist und schraubt dann die Blende mit dem Trieb
seitlich so, daß der Lichtkreis der Beleuchtung bis an den Rand
der Objektivöffnung geht, unter steter Kontrolle durch Hinein-
schauen in den Tubus. In dieser Stelle macht man eine Aufnahme;
dann bringt man durch Drehen die Irisblende auf die entgegen-
gesetzte Seite, so daß nun der Lichtkreis die gegenüberliegende
Randpartie der Objektivöffnung erhellt. Mit dieser Beleuchtung
wird die zweite Aufnahme gemacht, Anordnung der definitiven
Kopien sowie der Strahlengang gehen aus Fig. 3 hervor.
Es ist ohne weiteres klar, daß die Richtung der Horizontalen
gegeben wird durch eine Gerade, welche die beiden Orte der
Blendenmitte in den zwei Beleuchtungsstellungen verbindet. Man
wird sich bemühen, diese der Plattenkante (Kante des Rahmens)
parallel zu legen, da anders ein richtiges Beschneiden und Aufkleben
fast unmöglich ist. Leider existiert bis jetzt keine Beleuchtungsvor-
richtung, die die Exzentrizität und Kreisbewegung der Iris abzulesen
ermöglicht, man ist also beim Gebrauch des Abbe&schen Beleuchtungs-
apparats auf das Augenmaß angewiesen. Diese Methode ist im
Lehrbuch der Mikrophotographie von Dr. R. Neuhauss beschrieben.
Ein einfaches Verfahren hat Verfasser in der Zeitschrift für
wissenschaftliche Mikroskopie Bd. XVIII veröffentlicht. Es ermöglicht
eine ziemlich genaue Bestimmung ‚der Richtung der Horizontalen
und eine bequeme seitliche Verstellung der Beleuchtung.
Das Wesentliche des kleinen Beleuchtungsapparats ist ein kleines
Lämpchen, das Fig. 8 ın Naturgröße wiedergibt. Das Wesentliche
des Lämpchens ist, daß der Kohlenfaden a der Wand möglichst
nahe liegt. Das Lämpchen wird, wie Figur zeigt, ohne Kondensor
unter dem Objektträger angebracht. (Für sehr wärmeempfindliche
Zur stereoskopischen Abbildung mikroskopischer Objekte. 27
Präparate ist eine kleine Kühlkammer vorgesehen.) Bekanntlich ist
für das Zustandekommen des mikroskopischen Bildes der Strahlen-
gang des beleuchtenden Lichtes von der höchsten Bedeutung. Fig. 9
zeigt diese Verhältnisse für unser Lämpchen
Es sind den Abbildungen Fig. 9, I, Il, III folgende Maße zu
Grunde gelegt und in zehnfacher Vergrößerung dargestellt.
Länge des Kohlenfadens 1 mm, Dicke (Breite) derselben 0,1 mm,
Entfernung derselben vom Objekte O 2,5 mm. I zeigt den Strahlen-
kegel aller Strahlen für einen Objektpunkt, von der Breitseite ge-
sehen; II denselben Kegel von der Schmalseite. B ist seine Basis
(zugleich die Form des Kohlenfadens). Die einzige Voraussetzung
hierfür ist, daß der Kohlenfaden an allen seinen Punkten leuchtend
Fig. 8. Fig. 9.
sei, d. h. daß jeder derselben nach allen Richtungen des Raumes
Licht aussendet, eine Voraussetzung, die selbstverständlich zutrifft.
JII zeigt den Beleuchtungskegel eines 2,5 mm langen, gleich dicken
Kohlenfadens unter den gleichen Verhältnissen, man sieht, daß der
Kegel, von der Breitseite gesehen, weit stumpfer, der Öffnungs-
winkel der beleuchtenden Strahlen ein größerer geworden ist, daB
die Verhältnisse der Schmalseite sich aber nicht geändert haben.
Sodann ist ohne weiteres klar, daß Heben und Senken des Kohlen-
fadens den Öffnungswinkel der beleuchtenden Strahlen vergrößern
oder verkleinern wird.
Das Ideal der Beleuchtung wäre eine leuchtende Scheibe; dies
ist nicht zu haben. Ein spiralig gewundener Kohlenfaden würde fast
dieselben Dienste leisten; es war leider noch nicht möglich, solche
Spiralen in den kleinen Lämpchen anzubringen.
Allen praktischen Bedürfnissen genügen übrigens Lämpchen
28 W. Scheffer.
mit verschieden langen Kohlenfäden, deren Wahl von dem Objektiv
und dem Objekt (Abbildung durch Diffraktion oder Absorption) abhängt.
Getragen wird das Lämpchen von einem Stativ, das in Fig. 10
abgebildet ist. An der mit einer Führungsnute versehenen Säule Æ
ist der Arm, der das Lämpchen trägt, auf und nieder mit Schraube £
festzustellen. |
Die schwere Fußplatte ruht auf drei Punkten. Sie ist zugleich
Träger eines Widerstandes, auf dem die Kontaktfeder X schleift.
Vermittels dieser Einrichtung kann jede beliebige Helligkeit des
Glühens erreicht werden. Es schadet dem Lämpchen gar nichts,
wenn man für die kurze Zeit der Aufnahme den Kohlenfaden in
blendend hellem, weißem Licht erstrahlen läßt. _
Der Arm besteht aus einer Feder F,
die durch die Schraube C seitlich be-
wegt werden kann. Diese sehr empfind-
liche Seitwärtsbewegung ist für die Her-
stellung schiefer Beleuchtung von großem
Vorteil und ein vorzügliches Mittel, Mikro-
stereogramme aufzunehmen. Man stellt
den Arm senkrecht zur Kante des Rah-
mens, bringt den Kohlenfaden auf die
eine Seite der Objektivöffnung, indem
man in den Tubus hineinsieht; nach der
ersten Aufnahme schraubt man das
Lämpchen mit C auf die andere Seite
und macht die zweite Aufnahme. Stand
die Feder senkrecht zur Rahmenkante, so verlief die Bewegung des
Kohlenfadens parallel zu dieser, und die entsprechende Plattenkante
ergibt die Richtung der Horizontalen.
Mit der Bestimmung der Horizontalrichtung ist die wichtigste Vor-
bedingung für richtiges Beschneiden und Aufkleben der Bilder gegeben.
Die beiden hier beschriebenen Verfahren haben die Probe
praktischer Verwertbarkeit bestanden. Speziell das Verfahren für
schwache Vergrößerungen gibt überraschend gute und durchaus
naturwahre Resultate.
Die : hier beschriebenen Apparate werden von der Firma
R. Fuess in Steglitz bei Berlin hergestellt.
Die Camera mit Neigungsbewegung kann zugleich mit Vorteil
als aufrechte mikrophotographische Camera verwandt werden.
Die drei Stereogramme auf Tafel I sind Probeaufnahmen mit
Fig. 10.
Referate. 29
dem in den Figg. 4, 5, 6 erläuterten Apparat. Die Bilder müssen
ausgeschnitten und im Stereoskop betrachtet werden; sie sind selbst-
verständlich bereits seitenrichtig angeordnet. Die Einfachheit des
Verfahrens dürfte schon daraus hervorgehen, daß diese die ersten
Versuchsaufnahmen mit dem neukonstruierten Apparat sind.
Es ist bekanntlich nicht schwer, Stereogramme gut zu re-
produzieren; die Bisson-Gesellschaft hat, wie aus den Probebildern
ersichtlich, diese Aufgabe mit ihrem neuen Lichtdruckverfahren auf
das Beste gelöst.
(Eingegangen am 4. März 1903.)
Referate.
Emission und Absorption des Lichts. Spektralanalyse.
C. Runge und J. Precht. Die Stellung des Radiums im perio-
dischen System nach seinem Spektrum. (Physik. Zeitschr. 4.
No. 10. S. 285—287. 1903.)
Zur Beobachtung des Funkenspektrums des Radiums bedienten sich
Verfasser einer kleinen Probe von Radiumbromid, das ihnen von Giesel
überlassen worden war. Das Spektrum ist analog zusammengesetzt wie
das des Baryums und der andern verwandten Elemente Magnesium,
Calcium, Strontium. Bei diesen Spektren heben sich je drei Linienpaare
hervor, die als Linienpaar der Hauptserie, als Linienpaar der ersten und
als solches der zweiten Nebenserie bezeichnet werden. Von besonderem
Interesse sind die Abstände der Linien eines Paares; diese Abstände, in
der Skala der Schwingungszahlen gemessen, sind bei ein und demselben
Element für alle drei Serien gleich groß. Berechnet durch die Differenz
8
der Werte =>
Calcium zu 223, beim Strontium zu 801, beim Baryum zu 1691. Die
Abstánde in den drei Serien fúr das Radium finden sich zu 4858,3,
4858,5 und 4858,6, also in der Tat gleich groß. — Verf. erweitern das
früher schon bei den Alkalimetallen aufgefundene Gesetz und sprechen es
folgendermaßen aus: „In jeder Gruppe chemisch verwandter Elemente
ist das Atomgewicht einer Potenz des Abstandes der beiden Linien der
Linienpaare proportional“. Mit Hilfe dieses Gesetzes und des ermittelten
Abstandes berechnen sie das Atomgewicht des Radiums zu 257,8.
Dieser Wert ist größer als der von Frau Curie auf chemischem Wege
erschlossene. Die von ihr gefundene Zahl 225 findet zwar im perio-
dischen System in der Lücke zwischen Wismut und Thor eine richtige
Unterkunft. Stützt man sich indessen auf eine Ansicht Rutherfords,
so sollte das am stärksten Elektronen ausstrahlende Element auch das
größte Atomgewicht haben. H. Kauffmann.
ergibt sich der Abstand beim Magnesium zu 91,7, beim
30 Referate.
R. W. Wood. On screens Transparent only to Ultra-Violet
Light and their Use in Spectrum Photography. (Phil.
Mag. (6) 5. pag. 257—263. 1903.)
Im Nitroso-dimethyl-anilin hat Wood einen F arbstoff gefunden,
der einen von A = 500 up bis ungefähr A = 390 upu sich erstreckenden
Absorptionsstreifen besitzt. Er läßt also vom sichtbaren Spektrum nur
das Rot, Gelb und Grün durch, absorbiert den photographisch wirk-
samsten Teil und ist ferner durchlässig für das gesamte Ultraviolett bis
mindestens A = 200 uu.
Kombiniert man einen mit dem Farbstoff getränkten Gelatinefilm
mit einem dicken Kobalt- und einem „Signalgrün“-Glas aus Ives’
Chromoskop, so ist dies System für das sichtbare Spektrum völlig un-
durchlässig, aber durchsichtig für die Partie von A = 380 uu bis 4 = 340 uu.
Im Fokus einer Linse bleibt ein Stück Papier im Dunkeln unsichtbar,
wenn man die Lichtstrahlen vorher durch dies System gehen läßt, aber
ein Stück Urannitrat leuchtet auf.
Es ist klar, daß die Substanz gut zu brauchen ist, wenn man bei
Gitteraufnahmen die photographisch besonders wirksamen Strahlen dort
abblenden will, wo sie das Ultraviolett der Spektren anderer Ordnungen
überdecken. Zu diesem Zweck wird eine Glycerinlösung des Farbstoftes
in einem Absorptionsgefäß mit parallelen Quarzwänden vor den Spalt
gestellt. Da der Farbstoff schnell ausbleicht und in dem Glycerin sich
Blasen bilden, muß dies Absorptionsgefáb so eingerichtet sein, daB die
Lösung sich beständig durch Zu- und Abfluß erneuert. |
Photographien von Landschaften, nur mit ultraviolettem; von dem
obigen System durchgelassenem Lichte angefertigt, bieten mancherlei
Interessantes. Wir verweisen für alles weitere auf die Originalabhandlung.
Ä A. Pflüger.
Knut Angström. Das mechanische Äquivalent der Lichtein-
heit. (Phys. Zeitschr. 3. pag. 257—259. 1902.)
Verf. bestimmt mittels des von ihm konstruierten Kompensations-
pyrheliometers zunächst die Zrergie der Gesamtstrahlung einer Hefner-
lampe in Gramm-Kalorien. Er findet:
. Kal.
Wert der Gesamtstrahlung bei ı m Abstand = 0,0000215 s,
Der £Lichteffekt der Gesamtstrahlung wird folgendermaßen ermittelt.
Die Strahlung einer Lampe wird durch ein Spektroskop zerlegt und die
nicht sichtbaren Teile des Spektrums durch Schirme abgeblendet. Als-
dann werden die Strahlen des sichtbaren Spektrums durch eine Zylinderlinse
zu einem weißen Bilde vereinigt. Von einer zweiten Lampe wird da-
gegen die Gesamtstrahlung zu einem ebensolchen Bilde vereinigt; beide
Bilder werden im Photometer betrachtet und auf gleiche Helligkeit ge-
bracht, indem die zweite Lampe geeignet aufgestellt wird. Man hat
also zwei Strahlungen von physiologisch ganz gleicher Stärke und Zu-
sammensetzung; die erste enthält aber nur die Strahlen des sichtbaren
Spektrums, die andere die Gesamtstrahlung.
Endlich wird die Energie beider Strahlungen mit dem Bolometer
Referate. 31
gemessen und verglichen. So ergibt sich für den Lichteffekt der Hefner-
lampe
0,90%, (+ 0,04 %/,)
Aus diesen Bestimmungen berechnet sich die Energie, die unserer
Lichteinheit (= Energie der Lichtstrahlung auf 1 qcm in 1 cm Entfernung)
und Beleuchtungseinheit (= Energie der Lichtstrahlung auf I qcm in
ı m Entfernung) entspricht. Wir finden:
I Lichteinheit = 8,1-10% = ;
e
1 Meterkerze = 8,1 baL
sec
Der Lichteffekt einer Acetylenflamme bestimmt sich auf dieselbe
Weise zu 5,5 °/p A. Pflüger.
Radioaktivität, Elektronen.
F. Giesel. Über den Emanationskörper aus Pechblende und
über Radium. (Ber. der deutschen chem. Gesellschaft, 30.
S. 342—347. 1903).
Rutherford gelang es, aus den Salzen des verhältnismäßig nur
gering aktiven Thors eine Substanz abzuscheiden, die anfänglich aktiver
als Thor war, schließlich aber auf die Aktivität des Thors herabsank.
Er nannte sie »Th X« und war der Überzeugung, daß das Thor selbst
der primär aktive Stoff sei und daB »Th X« kontinuierlich aus diesem
entstehe. Verf. hat aus Pechblende einen Stoff gewonnen (Ber. d. deutsch.
chem. Ges. 35. 3610. 1902), der erstens die Wirkungsweise des Thors
sehr stark aufwies und zweitens, im Gegensatz zu »Ih X« an linearer
Strahlung und Emanation seit ungefähr !/, Jahr nichts eingebüßt hat.
Verfasser schließt sich nicht der Anschauung Rutherfords an und ver-
mutet, daß der emanierende Stoff zur Gruppe der Cererden gehört oder
doch deren Reaktionen folgt. Die Emanation hängt ab von der che-
mischen Verbindung, in welcher der Stoff vorliegt; dadurch erklärt sich
das Ausbleiben der Emanation früher untersuchter Präparate. — Man
scheidet den Stoff nach Art der Edelerden ab; alle Produkte emanieren,
nur die mit Oxalsáure oder mit Schwefelwasserstoff hergestellten nicht.
Das Oxalat ist frei von Thor und Didym und enthält nur Spuren von
Cer; merkwürdigerweise nimmt es nach dem Behandeln mit oxalsaurem
Ammonium sehr starke Emanation an. Das Chlorid ist selbst phos-
phoreszierend und emaniert, das Sulfat dagegen nicht. Als wesent-
liche Verunreinigung ist Lanthan nachweisbar. Der Gehalt an einem
neuen radioaktiven Element beträgt schätzungsweise 0,1 %/,. Die lineare
Becquerel-Strahlung dieser Präparate kann teilweise durch den Magneten
abgelenkt werden. Sie wirken induzierend auf benachbarte Körper, die
Induktion wird jedoch nur durch die Emanation und nicht durch die
Strahlung hervorgerufen. Im elektrischen Felde wandelt sich die Ema-
nation in eine Strahlung von der positiven zur negativen Elektrode um,
woraus hervorgeht, daß sie selbst positiv geladen sein muß. Diese
neuen Strahlen nennt Verfasser »E-Strahlen.« — Die Untersuchung des
32 Referate.
aus Radiumbromidlösungen entweichenden Gases durch Runge und
durch Bodländer ergab im wesentlichen Wasserstoff. Bodländer fand
78°/, Wasserstoff und 17 °/, Sauerstoff, sowie Braunfärbung der Lösung
durch Brom. Unter dem EinfluB des Radiums findet also eine Art
Elektrolyse statt, indem die negativen resp. positiven Elektronen die
Wasserstoff- resp. Hydroxyl- und Bromionen entladen. 5 cg Radium-
bromid gaben täglich eine Energie von 1,8 Watt-Sekunden = 0,43 Cal.
= 18000 gem! H. Kauffmann.
Photochemie. .
Emanuel Goldberg. Beitrag zur Kinetik photochemischer
Reaktionen. Die Oxydation von Chinin durch Chrom-
säure. (Zeitschr. f. phys. Chem. 41. 1—10. 1902.)
Verf. hat auf Veranlassung von Luther eine Reaktion untersuchen
wollen, die in homogenem verdünnten System unter der Wirkung des
Lichts sich allmählich vollzieht, da solche bisher kaum je eingehend
untersucht waren. Die Oxydation von Chinin durch Chromsäure erwies
sich als geeignetes Beispiel.
Die Belichtung geschah in dünnwandigen, möglichst gleichgeformten
Reagensgläsern, der Fortschritt der Reaktion wurde durch Titration der
unverbrauchten Chromsäure mit Thiosulfat verfolgt. Chinin war stets in
großem Überschuß, so.daß seine Konzentration sich praktisch nicht
änderte; auch die Konzentration der Chromsäure lied man nie um mehr
als */, ihres Anfangswertes abnehmen.
Um von der wechselnden Intensität des Tageslichts unabhängig zu
sein, wurden alle Versuche, die zu vergleichen waren, gleichzeitig neben-
einander angestellt.
I. Geprüft wurde zunächst der Einfluß der Wellenlänge des Lichts.
Die Versuchsröhren wurden von weiteren konaxialen Röhren umgeben
und der Zwischenraum mit Lichtfiltern gefüllt.
Reaktionsgemenge Lichtfilter A C’)
1 Vol. 0,05norm. CrO; Wasser 12,1
1 Vol. */,%, Chininsulfat 0,05norm. CrO, 1,3
J] Vol. *Y/,¿norm. H,SO, 1/,°/, Chininsulfatlösung 8,9
CuSO,, gesättigt 9,6
CuSO, + NH, 9,3.
Blaue und benachbarte ultraviolette Linien wirken, kürzere ultra-
violette (durch Chininsulfat absorbiert) wirken wenig, endlich wirken nur
diejenigen Strahlen, die absorbiert werden (Vogel).
2. Die Gültigkeit des Bunsen-Roscoeschen Gesetzes wurde unter-
sucht mit Hilfe von Seidenpapierschichten. z Schichten lassen m” der
ursprünglichen Lichtintensitát durch, wenn durch ezne Schicht dieselbe
von 1 auf m geschwächt wird.
1) AC = Abnahme des Chromsäuretiters, also ein direktes Maß der umge-
setzten Menge.
Referate. 33
íC, "JAC, AC,
Reaktionsgemenge n IC --NT gef m= V ER
dl, Y 4C, C,
1 Vol. 0,05norm. CrO, 0 10,7 1,00 — 1,00
1 Vol. */,%, Ch,SO, 1 7,3 0,68 0,68 0,69
1 Vol. */,¿norm. H,SO, 2 4,9 0,46 0,68 0,48
3 3,6 0,34 0,70 0,33
Mittel 0,693.
Zum gleichen Resultat führten Versuche, bei welchen die Licht-
intensität durch gleich dicke Schichten von Lösungen variabler Kon-
zentration geändert wurde. C
l dC, Mac: AC,
Reaktionsgemenge Lichtfilter AC gel. m= me. 22, uber
AC, AC, 4G,
Wie oben Wasser 11,6 1,00 — 1,00
0,0025 n. CrO, 8,5 0,73 0,73 0,74
0,005n. CrO, 6,0 0,52 0,72 0,54
0,01n. CrO 3,9 0,34 0,76 0,30
Mittel 0,74.
Also die Wirkung ist der Intensität des Lichtes proportional.
3. Die Berechnung der Reaktionsordnung nach van’t Hoffs Formel
führte zunächst zum Werte 1.
Reaktionsgemenge 1 Vol, Gemenge Anfangskonz. 4C n ber.
1 Vol. 0,25n. CrO, +0 Vol. Wasser 1,00 10,3 0.95
1 Vol. *,%, ChSO, +1 „ a 0,5 5,35 Alda
+3 „ 5 0,25 2,7 1.00
+7 „ i 0,125 1,35 á
Da aber mit Zunahme der Konzentration der reagierenden Stoffe
gleichzeitig die mittlere Lichtintensität im System abnimmt, so ist diese
Art der Rechnung hier unstatthaft. Eine Formel von Gros!) berück-
sichtigt diese Verhältnisse und führt in den zwei Grenzfällen für völlig
undurchsichtige Stofle (a) und für völlig durchsichtige Stoffe (b) zu den
Resultaten (C, = 2 C;):
A d Ce — 9nu—l 2 d C DES n—1
de 2 ; b: = 2x2 ,
wenn z die „Ordnung“ ist, mit welcher der fragliche Stoff in die Re-
aktionsgleichung eingeht. Praktisch ergab sich für geänderte Konzen-
re dC,
tration der Chromsáure (nahezu Fall a, undurchsichtig) fúr Ao nahe 1,
1
für geänderte Konzentration des Chininsulfats (nahezu Fall b, ganz durch-
sichtig) ein Wert von nahe 2:
i Es
Konz. der CrO, des Chininsulfats Ic n
1
0,0625 1 1,0 3
0125 88 1256
0,0625 eo 4.2 17
0,0625 I 70 i
1) Zeitschr. f. phys. Chem. 37. 157. 1901. (Wir werden über diese Arbeit in
Bálde ein Referat des Autors bringen können.)
Zeitschr. f. wiss. Phot 1. 3
34 Referate.
an nn a — - Es, a ww ZW R—- e =
woraus sich für z sowohl für Chromsäure als für Chininsulfat der Wert ı
ergibt.
In Summa ergibt sich daher für die Reaktionsgeschwindigkeit
dx
Ar = Å TE C Chiniisutjai ° C Chromu )
wo die Lichtstärke / noch eine Funktion der Konzentration darstellt.
4. Eine Prüfung der Wirkung verschiedener Zusätze (Salze, Säuren)
ergab, wenn auch nicht ausnahmslos, einen Parallelismus zwischen
Zunahme der Fluoreszenz und Zunahme der Reaktionsgeschwindigkeit,
doch mag ein Hinweis auf diese mehr qualitativen Beobachtungen genügen.
5. Der Einfluß der Temperatur.
Die Wirkung des Lichts wird im allgemeinen mit der der Tempe-
ratur in Parallele gesetzt, insofern beide beschleunigend auf langsam
verlaufende Reaktionen einwirken (Lemoine, Berthelot). Doch braucht
ihre Wirkung keineswegs die gleiche zu sein, z. B. fand Bodenstein
für die Zersetzung des Jodwasserstoffs
in der Wärme 2 HJ = H, + J, (Reaktion der zweiten Ordnung „bimolekular“),
im Licht HJ =H + J (erster Ordnung „monomolekular“).
Im vorliegenden Falle ergab sich zwar auch für die Reaktion im
Dunkeln in der Wärme (98") die gleiche Ordnung (die zweite) wie im
Licht, aber die Oxydationsprodukte waren verschieden in beiden Fällen,
so daß der Verf. es für wahrscheinlich hält, daß eine solche spezifische
Wirkung des Lichts allgemeinen Charakters sei.
Dafür spricht auch der Umstand, daß alle Lichtreaktionen — im
schärfsten Gegensatz zu allen bisher untersuchten lichtlosen, chemischen
Vorgängen — einen sehr kleinen Temperaturkoöffizienten der Geschwindig-
At 100
keit besitzen (Lichtlose -—, = 2 — 3).
t
k
oe a 100
Chininsulfat + Chromsäure — 1,06. (Verfasser.)
t
k
Oxalsäure + Eisenchlorid EZ 1,01. (Lemoine, Ann. Chim. Phys. [6.]
7. 433. 1895.)
k e
Styrol —> Metastyrol es 1,36. (Lemoine, Compt. rend. 129. 7109.
ki
1899.)
; ; : Kr
Oxalsáure + Quecksilberchlorid ?)
Ai
1,12. (Eder, Handbuch I. 2.381.)
— Die etwas ausführliche Form des Referats mag durch den Wert der
vorliegenden Arbeit für die wissenschaftliche Photochemie entschuldigt
werden, für welche dieselbe zweifellos eine der ersten systematischen
Anwendungen der chemischen Kinetik, jedenfalls auf völlig homogene
lichtempfindliche Systeme darstellt. Bodenstein.
1) Referent kann hinzufügen, daß nach unveröffentlichten und auch ziemlich
unvollendeten Versuchen auch der Zerfall des Jodwasserstofls im Licht sehr wenig
durch Temperaturerhóhung beschleunigt wird,
Referate. 35
Theorie photographischer Prozesse.
J. M. Eder. Experimentaluntersuchungen über Solarisations-
phänomene. Entwicklung solarisierter Schichten zu nor-
malen Negativen. -— Unterschied des Solarisationsbildes
auf Jodsilber und auf Bromsilber. (Phot. Corr. 1902. 045
—650; 703.)
Die zu den Versuchen des Verf. benutzten solarisierten Platten
wurden durch 10—60 Minuten langes Belichten mit Auerlicht aus 40
bis 50 cm Entfernung unter einem Chapman Jonesschen Skalen-
photometer erhalten. Es zeigte sich der erste Anfang des latenten
normalen Lichtbildes (Schwellenwert) bei 0,1, kräftiger Mittelton bei 1 —2,
kräftige Schwärzung bei 8—10 H.M.S.; der Beginn der direkten photo-
graphischen Schwärzung lag (je nach der Plattensorte) bei 3000— 10000,
der Beginn der Solarisation bei 27000—40000, deutliche Bildumkeh-
rung (Diapositiv) bei 300000 H.M.S. und darüber. Durch verzögerte
Entwicklung kann man die Grenze der Solarisation stark herabdrücken.
Ebenso, wie man durch Brom (Lüppo-Cramer) und durch Anımonium-
persulfat (Schaum und Braun) die Solarisation aufheben kann, läßt
sich die solarisierend belichtete Platte, wie Verf. gefunden hat, nach
15 Minuten langem Baden in Chromsäurelösung — 1 g Kaliumbichromat,
3 g Schwefelsäure, 100 ccm Wasser — normal entwickeln. Noch energi-
scher wirkt eine Lösung von 2 g Kaliumbichromat, 6 ccm konz. Salpeter-
sáure, 100 ccm Wasser bei 15—45 Minuten langer Einwirkung. Ob
der Reaktionsmechanismus mit demjgnigen der Solarisationsaufhebung
durch teilweises Fixieren (Englisch) identisch ist, läßt sich noch nicht
entscheiden. — Während bei nassem Bromsilberkollodium das Solari-
sationsbild ganz analog wie bei Bromsilbergelatine verändert wird, läßt
sich bei nassem Jodsilberkollodium das positive Solarisationsbild nicht
in das normale negative Bild umwandeln, vielmehr wird es — gerade
wie das normale latente Bild — langsam gradatim zerstört. K. Schaum.
E, Valenta. Über Pyrogallolentwickler mit ätzenden Alkalien.
(Phot. Corr. 1902. 703 — 706.)
Die gebräuchlichen Pyrogallolentwickler rufen bekanntlich das Bild
kräftig, aber weit langsamer hervor, als die Rapidentwickler (z. B. Metol);
den Vorzügen des Pyrogallols (gute Gradation, leichte Korrektur von
Überexpositionen durch Bromkaliumzusatz) stehen einige unangenehme
Eigenschaften gegenüber, vor allen Dingen die durch schnelle Oxydation
an der Luft bedingte geringe Haltbarkeit; wenig beständig sind die
ammoniakalischen, besser die mit Natrium- oder Kaliumkarbonat ver-
setzten Pyrogallolentwickler. Am schnellsten zerstört werden die Lösungen,
welche einen Überschuß von Alkalihydroxvden enthalten; als Entwickler
sind dieselben nicht brauchbar, da sie die Platte verschleiern. Ver-
fasser untersuchte das Verhalten von (natriumsulfithaltigen) Pyrogallol-
lösungen, welche auf 1 Mol Pyrogallol 1, 2 oder 3 Mol Alkalihydroxyd ent-
luelten. Es ergab sich, daß Entwickler mit 1 Mol Natrium- resp. Kalium-
3*
N
36 Referate.
hydroxyd weit rapider wirken, als die gewöhnlichen natriumkarbonathaltigen
Lösungen; Lithiumhydroxyd gibt in gleicher molekularer Menge einen
schwächeren Entwickler als Natrium- und Kaliumhydroxyd. Während
beim Natriumkarbonatentwickler das neunte Feld eines im großen
Scheinerschen Sensitometer aus !/, m Entfernung belichteten Streifens
nach 25 Sekunden erschien, wurde es bei Natriumhydroxyd nach 7, bei
Kaliumhydroxyd nach 6 Sekunden sichtbar. Setzt man die Rapidität
des Natriumkarbonatentwicklers = I, so ist die für Lithiumhydroxyd
= I, für Natriumhydroxyd = 3,3, für Kaliumhydroxyd = 3,6. Die
Gradation der bei Gegenwart der beiden letzten Basen hervorgerufenen
Platten ist gut, die Beständigkeit der Lösungen leidlich; Färbung der
Bildschicht tritt nicht ein. Verf. empfiehlt folgende Vorratslösungen:
A. Pyrogallol 25 g, Natriumsulfit 100 g mit Wasser zu 1 | verdünnt.
B. Kaliumhydroxyd 11,5 g (resp. Natriumhydroxyd 8 g) in 1 1
Wasser gelóst.
Zum Gebrauch 1 Teil A, 1 Teil B, 1 Teil Wasser.
. Lösungen mit 2 Mol Natrium- resp. Kaliumhydroxyd arbeiten sehr
rapid, schleiern jedoch; Lösungen mit 2 Mol Lithiumhydroxyd sind
brauchbar. Bei einem Gehalt von 3 Mol der Hydroxyde tritt völlige
Verschleierung ein.
Es sei dem Ref. gestattet, den mitgeteilten Resultaten einige physiko-
chemische Bemerkungen hinzuzufügen. Die Alkalisalze der schwachen
Säure Pyrogallol sind in wässeriger Lösung hydrolytisch gespalten. (Es
ist daher zweckmäßiger, die molekulare Konzentration von Pyrogallol und
Hydroxyd anzugeben, als von Mono-, Di- etc.-Phenolaten zu sprechen.)
Die reduzierende Kraft des Entwicklers wird bedingt durch sein Re-
duktionspotential und durch die Geschwindigkeit der Reaktion zwischen
den reduzierenden Anionen und den Silberionen (resp. dem festen Brom-
silber, cfr. Luther u. Friedländer, Phot. Corr. 1902. 252); sie wird
also abhängen von der Konzentration der Hydroxylionen und der An-
ionen des Pyrogallols. Nun gelten für das Gleichgewicht in einer Lösung
von Pyrogallol in Alkalihydroxyd folgende Gleichungen (indem wir das
Pyrogallol zunächst nur als einbasische Säure behandeln):
(1) C¿H¿(0H),0” x H'’=K,.C,H,(OH),,
(2) Me x OH’ = K, . MeOH,
(3) H' x OH = K,.
Aus (1, und (3) folgt:
: CHOH), x OH K opo.
57 CHOH RO O KK, Ban
Je größer also die Konzentration der Hydroxylionen in einer be-
stunmten Pyrogallollösung wird, desto größer wird die Konzentration
der Pyrogallolionen; Reduktionspotential und Geschwindigkeit des Um-
satzes steigen dementsprechend. In gleichen molekularen Konzentrationen
wirkt am wenigsten die schwächste der betreffenden Basen, das Lithium-
hydroxyd, weil sie eben am wenigsten elektrolytisch gespalten ist, daher
Referate. 37
die geringste Konzentration an Hydroxylionen gibt; dann folgt Natrium-
hydroxyd und dann die stärkste Base Kaliumhydroxyd. Wird die
Konzentration der Hydroxylionen sehr groß, so steigt das Reduktions-
vermögen auf einen zu hohen Wert und es wird auch an nicht be-
lichtetem Bromsilber Silber abgeschieden, d. h. die Platte schleiert.
Das Verhalten ammoniakalischer und karbonathaltiger Lösungen läßt
sich ebenfalls aus der Betrachtung der Gleichung (4) ableiten, da ja
wässerige Lösungen von Ammoniak sowie von Alkalikarbonat wegen der
Bildung von Ammoniumhydroxyd resp. wegen der Hydrolyse des
Carbonats Hydroxylionen enthalten. Die Gleichung (4) zeigt übrigens
auch, daß ein weiterer Zusatz von Pyrogallol zu einer molekularen
Lösung dieses Stoffes in Alkali nicht etwa, wie man leicht schließen
könnte, das Entwicklungsvermögen erhöhen muß; denn der hinzugebrachte
Überschuß des elektrolytisch nur sehr wenig gespaltenen Pyrogallols ver-
mindert die Konzentration der Hydroxylionen und kann durch die damit
verbundene Herabsetzung des Reduktionspotentials trotz der Vermehrung
der Pyrogallolionen die Kraft des Entwicklers vermindern. K. Schaum.
A. Miethe. Uber die sensibilisierende Wirkung der soge-
nannten Isocyanine. (Die Chem. Ind. 26. 54—55; Chem.
Centralbl. 1903. I. 553—554.)
Die Unlöslichkeit des Cyanins (Jodamylchinolinlepidin) in Wasser
und die Neigung der mit diesem Farbstoff sensibilisierten Platten zu
Flecken- und Schleierbildung machen die praktische Anwendung dieses
im orangeroten Spektralgebiet am besten sensibilisierenden Körpers fast
unmöglich. Verf. hat deshalb eine Reihe von Homologen des Cyanins
auf ihr Sensibilisierungsvermögen hin untersucht und dabei gefunden,
daß alle diese Farbstoffe in Wasser (und in Alkohol) löslich sind und
ganz hervorragende optische Sensibilisatoren darstellen. Besonders be-
merkenswert ist die Wirkung von Methyl- und Äthylisocyanin, indem
diese Körper sich vorzüglich zur Herstellung von panchromatischen
Platten eignen, d. h. von Platten, welche im ganzen Spektralgebiet an-
nähernd die gleiche Empfindlichkeit zeigen; die Sensibilisierung reicht im
Rot bis A = 670 uu. K. Schaum.
Physiologische Optik.
E. Aschkinass und W. Caspari. Über den Einfluß disso-
ziierender Strahlen auf organisierte Substanzen, insbe-
sondere über die bakterienschädigende Wirkung der
Becquerel-Strahlen (aus dem tierphysiol. Institut der kgl. land-
wirtsch. Hochschule zu Berlin). Pflügers Archiv f. d. ges. Psvsio-
logie, 86. Band 11/12, Bonn 1901.
Die Untersucher experimentierten anfangs an überlebender Frosch-
muskelsubstanz und fanden bei mehrstündiger Bestrahlung mit Röntgen-
sowie mit Becquerelstrahlen Herabsetzung des Sauerstoflverbrauchs der
Muskelsubstanz. Diese Herabsetzung war indessen gering und nicht
ganz eindeutig, und die Untersucher wählten daher den schon mehrfach
zu derartigen Zwecken benutzten Micrococcus prodigiosus. Während
38 Referate.
nun die intensive baktericide Wirkung der kurzwelligen Strahlen des
Spektrums bekannt ist, erhielten die Verf. in zahlreichen analogen Ver-
suchen mit Röntgenstrahlen ein vollkommen negatives Resultat. Zur
Prüfung der Becquerelstrahlen stand ihnen ein sehr stark radivaktives
Präparat zur Verfügung: I g Baryum-kRadiumbromidkristalle. Von
den zwei Gruppen von Strahlungen, welche ein solches Präparat aus-
sendet, zeigte die eine Gruppe (durch beliebige Medien nur schwach
absorbierbare, also stark durchdringende Strahlen) keinerlei schädigende
Wirkung auf die Entwicklung der Plattenkulturen. Wurden die Kulturen
dagegen der zweiten Gruppe, den ungemein leicht absorbierbaren Strahlen,
eine bis mehrere Stunden ausgesetzt, so sistierte das Wachstum der
Kulturen während der Dauer der Bestrahlung vollständig und die weitere
Entwicklungsfähigkeit der Bakterien wurde in hohem Maße geschädigt.
Völliges Absterben der Keime konnte nie erzielt werden. — Durch eine
Reihe von Kontrollversuchen ließ sich feststellen, daß tatsächlich die
genannten Strahlen das Wirksame waren und nicht etwa die geringen
Brommengen, welche das Präparat fortwährend frei werden läßt, sowie
auch nicht der eigentümlich veränderte ionisierte Zustand der Luft in
der Nähe der radioaktiven Substanz (eben wegen der starken Absorption
der Strahlen durften Präparat und Plattenkultur nie über 4 cm von
einander entfernt werden). Die bakterienschädigende Wirkung war auch
dann deutlich, wenn die Strahlen Aluminiumfolien von zusammen I u
Dicke zu durchsetzen hatten, eine Anordnung, bei welcher die Wirkung
von Bromdämpfen, Fluoreszenzlicht, ultravioletten Strahlen kleinster
Wellenlänge, ausgeschlossen werden konnte. Breyer.
Anwendungen der Photographie.
R. Kempf-Hartmann. Photographische Darstellung der
Schwingungen von Telephonmembranen. (Ann. Phys. 8.
S. 481—538. 1902.)
Um die Schwingungen von Telephonmembranen zu studieren, be-
nützt der Verf. folgende, bei einzelnen Versuchen etwas variierte
Anordnung. Auf der Membran wird ein kleiner Hohlspiegel aufgeklebt.
Das Licht einer Bogenlampe wird durch eine achromatische Linse von
ca. 30 cm Brennweite auf ein punktförmiges Diaphragma konzentriert.
Dieses Diaphragma steht im Brennpunkte eines zweiten sehr präzisen
Linsensystems von 56 cm Brennweite. Das durch dieses Linsensystem
parallel gemachte Licht fällt auf den an der Telephonmembran befestigten
Hohlspiegel, wird durch diesen convergent gemacht und auf einen Plan-
spiegel geworfen. Dieser reflektiert das Licht auf die Oberfläche eines
Zylinders, auf dem Celluloidfilms aufgespannt sind. Der Zylinder ist
so angebracht, daB auf ihm ein scharfes Bild des punktfórmigen Dia-
phragmas entsteht. Rotiert der Zvlinder und schwingt die Telephon-
membran, so beschreibt der Bildpunkt des Diaphragmas auf dem be-
wegten Film eine Kurve, die gewisse Schlüsse auf die Schwingungen der
Telephonmembran gestattet.
Mit Hilfe dieser Vorkehrung werden folgende Fragen untersucht:
Berliner Kongreß. 39
I. Schwingungen der Telephonmembran beim Ein- und Aus-
schalten eines wellenförmigen Stromes.
2. Abhängigkeit der Membranschwingungen von den Verhältnissen
im Stromkreis, von der Beschaffenheit der Erregerquelle und
3. von den Eigentönen der Telephonmembran.
4. Darstellung von Sprechlauten.
5. EinfluB der Eigenschwingungen der Membran auf die Kurvenform
der Vokale.
In einem Anhang werden Vorschriften über die Befestigung der
Präzisionshohlspiegel und über deren Oberfláchenversilberung gegeben.
Bezüglich der für die Untersuchung dieser Fragen nötigen
Hilfsapparate, die sehr ausführlich beschrieben sind, bezüglich der
Form der zahlreichen Kurven und deren Interpretation, soweit eine
solche gegeben ist, muss auf die Arbeit selbst verwiesen werden. Her-
vorgehoben soll aber werden, daß der Verf. die Technik der photo-
graphischen Aufnahme derartiger Kurven sehr gut ausgebildet hat: die
Kurven, welche der entwickelte Celluloidfilm lieferte, sind noch in der
Reproduktion von vorzüglicher Schärfe und Feinheit. Zenneck.
Bemerkung. Die Tafeln zur Abhandlung von Scheffer sind in Licht-
druck nach einem neuen Verfahren der Bisson-Gesellschaft, Berlin SW., Koch-
straße 9, hergestellt, welches den gleichzeitigen Druck des Lichtdruckcliches
mit dem Buchsatz ermöglicht. Wir werden darüber nächstens berichten.
V. Internationaler Kongreß für angewandte Chemie.
Berlin 1903, 2.—8. Juni. (Bureau: Charlottenburg, Marchstraße 21.)
Die Einladungsschreiben zur Teilnahme an dem V. Internationalen
Kongreß für angewandte Chemie, welchen von wissenschaftlichen und
industriellen Kreisen ein lebhaftes Interesse entgegengebracht wird,
kommen nunmehr zur Versendung. Der offiziellen Einladung, welche
in den Sprachen deutsch, französisch und englisch abgefaßt 'ist, liegt
eine Broschüre bei, welche alle wissenswerten Mitteilungen für die Kon-
greßteilnehmer enthält. Mit Ausnahme der Mitgliederlisten der ver-
schiedenen beim Kongresse vertretenen Komitees sind auch alle in der
Broschüre enthaltenen Angaben in drei Sprachen verfaßt.
Die Broschüre enthält ein dreisprachiges Anmeldeformular, die ge-
schäftlichen Mitteilungen des Bureaus, eine allgemeine Tagesordnung
des Kongresses, Mitteilungen des Ortsausschusses über festliche Veran-
staltungen und Verkehrserleichterungen. Daran schließen sich Bemer-
kungen über die Ziele dieser Internationalen Kongresse sowie ein Regle-
ment des Kongresses. Es folgen dann die Listen der Komitees:
I. Die permanente Kongreb-Kommission, welche sich aus den Präsi-
denten der bisherigen vier Kongresse unter dem Vorsitze des Präsidenten
des Berliner Organisations-Komitees, Herrn Geheimen Regierungsrates
Professor Dr. Otto N. Witt, zusammensetzt,
2. das Organisations-Komitee des V. Kongresses, welches sich
aus hervorragenden Vertretern der deutschen Wissenschaft und Industrie
zusammensetzt,
40 Berliner Kongreß.
3. das deutsche Haupt-Komitee, dem zahlreiche Vertreter der Be-
hörden des Reiches, der Bundesstaaten, der Staats- und städtischen
Behörden sowie Großindustrielle angehören,
4. die Internationale Analysen-Kommission, in welcher a bedeo
tende Chemiker aller Kulturstaaten befinden,
5. die auswärtigen Organisations- Komitees, welche sich den wich: l
tigeren Kulturländern zur Vorbereitung des Kongresses gebildet nanen;
6. den Ortsausschuß und
7. das Damenkomitee.
Den Abschluß bilden die vorläufigen Arbeitsprogramme der elf
Sektionen des Kongresses mit ihren Präsidenten, Sekretären und Mit-
gliederlisten. Eine große Anzahl internationaler Fragen und interessanter
Vorträge steht bereits auf der Tagesordnung, und es ist zu erwarten,
daß der V. Internationale Kongreß, welcher im Reichtagsgebäude zu
Berlin tagen wird, sowohl in Hinsicht auf seine wissenschaftliche Be-
deutung als auch bezüglich der geselligen Veranstaltungen sich würdig
an seine Vorgänger anschließen wird.
Die Versendung von nahezu 60000 Einladungen zu dem zum ersten
Male auf deutschem Boden tagenden V. Internationalen Kongreß für an-
gewandte Chemie ist nunmehr beendet. Diejenigen Fachgenossen und
Interessenten, welchen bisher (vielleicht wegen unbekannter Adresse)
keine Einladung zugegangen ist, würden gut tun, sich baldmöglichst an
das Bureau des V. Internationalen Kongresses für angewandte Chemie, Char-
lottenburg, Marchstrasse 2ı zu wenden. Da die Ausgabe von Karten für die
zahlreichen Veranstaltungen der Kongrebleitung nur eine beschränkte ist,
und es sich schon jetzt übersehen läßt, daß die Beteiligung seitens der in-
und ausländischen Fachgenossen die gehegten Erwartungen übersteigen
wird, so ist eine rechtzeitige Anmeldung zum Kongresse dringend zu em-
pfehlen. Der Mitgliedsbeitrag beläuft sich auf 20 M. Die für diesen ge-
lieferte Mitgliedskarte berechtigt zur Teilnahme an sämtlichen Sitzungen des
Kongresses, zum Empfange aller Drucksachen und Berichte und zur Be-
teiligung an allen festlichen Veranstaltungen mit Ausnahme des Festbanketts
im Zoologischen Garten, für welches seitens der beteiligten Damen und
Herren 20 M. zu entrichten sind. Damenkarten für Kongreßteilnehme-
rinnen werden zum Preise von 15 M. ausgegeben. Bei u der-
selben wolle man nicht vergessen anzugeben, ob die betrefiefe Dame
auch an dem Bankett teilzunehmen gedenkt. Den Vertretern von Fach-
und Tagesblättern stehen auf Wunsch Freikarten zur Verfügung, welche
zum Besuche der Hauptversammlungen und Sektionsberatungen im
Reichstagsgebäude berechtigen. Gegen Angabe ihrer Adresse an das
obengenannte Bureau des Kongresses erhalten alle Interessehten eine
Broschüre, welche eingehende Mitteilungen über den Kongreß sowie ein
Anmeldeformular zur Mitgliedschaft enthält. Diejenigen Kongreßmitglieder,
welche an Stelle von 20 M. einen Beitrag von 100 M. und mehr zahlen,
werden als „Förderer“ des V. Internationalen Kongresses für angewandte
Chemie ın einer besonderen Mitgliederliste namhaft gemacht.
Fir die Redaktion verantwortlich: Dr. E, ENGLISCH in Stuttgart,
Zeitidhrift für willenichaftliche Photographie,
Photophylik und Photodiemie
I. Band. 1903. Heft 2.
Über die Anwendung des Teleobjektivs in der Spektroskopie.
Von Hans Lehmann.
(Mitteilung aus der optisch-astronomischen Werkstätte von C. A, Steinheil Söhne
in München.)
Die Spektralapparate besitzen zum Zwecke der visuellen Beob-
achtung ein astronomisches Fernrohr, dessen Objektivbrennweite
mit der des Kollimators übereinstimmt. Das Auflösungsvermögen
des Kollimator- und Fernrohrobjektives soll dem des dispergieren-
den Teiles, des Prismas oder Gitters, möglichst nahe kommen, d.h.
Linien, welche der dispergierende Teil noch trennt, sollen im Fern-
rohr auch noch getrennt erscheinen. Da nun für das Auge das
Auflösungsvermögen nur etwa eine Winkelminute beträgt, während das
optischer Systeme bis auf Bruchteile einer Sekunde betragen kann,
(wenigstens für monochromatisches Licht), so ist es für rationelle
Ausnutzung der Leistungsfähigkeit des Apparates geboten, eine
krstäere Angularvergrößerung herbeizuführen.
Letzteres erreicht man nun auf verschiedene Weise. Einmal
kann man eine stärkere Okularvergrößerung anwenden, welche
natürlich mit dem Auflösungsvermögen des Apparates im Einklang
stehen muß, d. h. sie darf nicht stärker gewählt werden, als
nötig ist, damit zwei von dem System Kollimatorobjektiv + Prisma
oder Gitter + Fernrohrobjektiv gerade noch getrennte Linien unter
einem Winkel von mindestens 1” erscheinen, also für das Auge
trennbar werden, wenn der optische Effekt in Bezug auf Helligkeit
und Definition der günstigste sein soll.
Eine weitere Methode zur Erlangung einer stärkeren Ver-
größerung besteht in der Verlängerung der Objektivbrennweite des
Beobachtungsfernrohres. Dies erreicht man entweder durch direkte
(natürliche) Verlängerung der Brennweite, was jedoch aus technischen
Gründen nur bis zu einer gewissen Grenze zulässig ist, oder be-
quemer durch die Anwendung der sogenannten abgekürzten Fern-
Zeitschr. f. wiss. Phot. 1. 4
42 Hans Lehmann.
rohre. Bei dieser Art von Fernrohren wird die Verlängerung der
Brennweite dadurch erreicht, daß das von dem Fernrohrobjektiv
mit mäßig großer Brennweite entworfene Luftbild durch ein posi-
tives System vergrößert oder daß durch eine negative Linse der
Hauptpunkt des ganzen Systems vor das Fernrohrobjektiv verlegt
wird. Ein solches abgekürztes Fernrohr bringt die Vorteile mit sich,
daß man mit ihm bei verhältnismäßig geringen Dimensionen die
gleiche optische Wirkung erzielt wie mit einem gewöhnlichen Fern-
rohre von erheblich größerer Länge; und ferner gestattet es die An-
wendung eines schwachen Okulares, sodaß das Fadenkreuz feiner
erscheint, und ermöglicht so genauere Messungen als Fernrohre mit
starken Okularen. Der Nachteil der abgekürzten Fernrohre besteht
darin, daß durch die Einschaltung des Vergrößerungssystems (von
3—4 brechenden Flächen) ein Lichtverlust eintritt; jedoch kann
diesem Nachteil durch eine lichtstärkere Konstruktion des Spektro-
skopes entgegengewirkt werden.
Auch hier gilt natürlich bezüglich der anwendbaren Ver-
größerung, was oben bei der einfachen Okularvergrößerung gesagt
wurde, nämlich daß das Auflösungsvermögen des abgekürzten Fern-
rohres mit dem des Kollimators im Einklang stehen muß.
Wie man nun bei der visuellen Beobachtung nach den be-
'schriebenen 4 Methoden und deren Kombinationen je nach Bedarf
eine stärkere Vergrößerung herbeiführt, so kann man dieselbe auch bei
der photographischen Beobachtung in ähnlicher Weise erreichen.
Gewöhnlich wird die Brennweite des Cameraobjektives etwas
länger gewählt als die des Kollimators. Aber trotzdem ergibt sich
immer noch die Notwendigkeit, wenigstens bei Spektrographen
kleiner und mittlerer Dimensionen, die Spektrogramme zum Zwecke
der Ausmessung mikroskopisch stark zu vergrößern, welcher Maß-
nahme jedoch infolge der Größe des Silberkornes bald eine
Grenze gesetzt wird, oder aber zum Zwecke der Reproduktion etc.
im Vergrößerungsapparat photographisch zu vergrößern, wobei eben-
falls die endliche Größe des Silberkornes bald hindernd in den
Weg tritt.
Diese Nachteile nun beseitigt man am besten durch Anwen-
dung des abgekürzten Fernrohres, und zwar wird man sich am
besten des Negativsystems zur Vergrößerung bedienen, das in Ver-
bindung mit dem positiven Fernrohrobjektiv auch Teleobjektiv ge-
nannt wird. Dieses Objektiv ist in der astronomischen, Architektur-
und Landschaftsphotographie schon seit längerer Zeit mit großem Erfolg
Über die Anwendung des Teleobjektivs in der Spektroskopie. 43
angewendet worden. Es wurde zuerst im Jahre 1873 von Taylor
erfunden. Unabhängig davon ist es von A. Steinheil 1890 kon-
struiert worden. Seine Konstruktion und Wirkungsweise ist schon
so oft beschrieben worden, daß ich sie hier nur kurz berühren will.
Als Grundprinzip des Teleobjektives betrachte ich die Wirkungs-
weise eines positiven konkav-konvex-Meniskus, der dem Objekt die
konvexe Seite zuwendet (Fig. ıb).
Mit Hülfe der Näherungsformeln der geometrischen Optik findet
man, daß die Hauptpunkte Æ und 7, vor das System rücken und
nicht wie bei der bikonvexen Linse im Innern der Linse bleiben
Y
-— I — war- hh
A = 70
Aa 95
Fa do
A
|
t
y-----
Ss YY JO
A» so
mn = 4.37
F:b0
L = 38
a e
A” PA
Fig. la u, Ib.
(Fig. 1a). Die (hintere) Brennweite A, ist nun die Entfernung des
hinteren Brennpunktes 3, vom hinteren Hauptpunkt A. Nimmt
man also einen Meniskus von gleicher Brennweite F| wie die der
Bikonvexlinse, so wird man mit dem Meniskus bei geringerer Camera-
länge Z ein gleichgroßes Bild erhalten wie mit der Biconvexlinse
bei der größeren Cameralänge Z’. Der günstigste Effekt hängt, wie
man leicht sieht, von der Dicke d des Meniskus ab.
Ersetzt man daher die konvexe Fläche S, durch ein chroma-
tisch, sphärisch und astigmatisch korrigiertes positives System, ein
photographisches Objektiv, die konkave Fläche S, durch ein zer-
streuendes System, das ,,Negativ-System“, beider Objektive von
äquivalenten Brennweiten wie S, und S,, und vergrößert den Ab-
4*
44 Hans Lehmann.
— ——— m 220mm a a
stand d, so erhält man das moderne Teleobjektiv, wovon Figur 2
einen Durchschnitt gibt.
In unserer Werkstätte werden diese Teleobjektive in zwei Arten
ausgeführt. Bei der einen ist der Abstand Z unveränderlich; das
positive und negative System sind für den günstigsten Eflekt be-
rechnet und geben ein Bild von relativ großer Helligkeit, aber nur
einen Bildfeldwinkel von ca. 3°.
Das positive Objektiv S, besteht hier aus einem a astro-
nomisch-photographischen Fernrohrobjektiv von sehr großer Off-
nung. Ein derartiges Teleobjektiv diirfte sich als Cameraobjektiv
bei lichtstarken Spektralapparaten geringer Dispersion eignen. Man
erreicht mit ihm je nach der Konstruktion eine 2- bis 14fache Ver-
gróBerung.
Die zweite Art der Teleobjektive setzt sich aus einem der ge-
bräuchlichen Aplanat- oder Antiplanettypen (Fig. 2) und einem
3teiligen Negativ-System zusammen, doch so, daß d zur Erreichung
verschiedener Vergrößerung verändert werden kann. Diese Art
Teleobjektive besitzt eine relativ geringere Lichtstärke als oben
genannte; das brauchbare Gesichtsfeld beträgt hier aber 10%, sodaß
sich diese Objektive als Cameraobjektive der Spektrographen mitt-
lerer Helligkeit eignen. Sie bieten die großen Vorteile, daß man
mit einem Objektiv eine variable Vergrößerung erzielt und auch
Spektren starker Dispersion (bis 10°) in ihrer ganzen Ausdehnung
photographieren kann. Und dabei beträgt bei der stärksten anwend-
baren Vergrößerung die Cameralinge nur etwa den dritten Teil
der Äquivalentbrennweite des ganzen Systems.
Nebenstehende Tabelle gibt für zwei Beispiele ein Bild von
dem Gesagten.
Ferner zeigt Fig. ı auf Tafel I die in natürlicher Größe aus-
geführte Reproduktion eines kleinen Teiles des Sonnenspektrums,
Über die Anwendung des Teleobjektivs in der Spektroskopie. 45
Fig. 1.
46 Hans Lehmann.
der Gegend 7 und XK. Die Aufnahme geschah mit dem an zweiter
Stelle in obiger Tabelle angeführten Teleobjektiv. Das Kollimator- :
objektiv hatte eine Brennweite von 24 cm. Das Prisma war ein
steiliges, geradsrichtig für 7, verkittet, ca. 18 cm lang mit 4 cm
Basis und einer Dispersion von 13°. Die angewandte Vergrößerung
war ıofach. Das ganze Spektrum hätte also eine Länge von un-
gefähr so cm gehabt. Die Aufnahme geschah auf einer Chlorbrom-.
silberplatte von Perutz. Trotz der geringen Empfindlichkeit dieser
Plattenart betrug die Expositionszeit nur 5 Minuten. Dabei wurde das
Sonnenlicht mittelst einer Linse auf den Spalt konzentriert. Wie
schon erwähnt, waren die einzelnen Teile des Prismas verkittet.
Die nachteilige Wirkung verkitteter Flächen auf optische Bilder
habe ich bereits an anderer Stelle eingehend auseinandergesetzt!);
sie macht sich hier bemerkbar durch eine geringe Unschärfe der
allerfeinsten Linien. Trotzdem aber war ich im stande, sämtliche
Linien zwischen 7 und Ķ dieser Photographie mit denen in Herrn
Vogels Atlas?) zu identifizieren; ja ich habe sogar zwei weitere
feine Linien entdecken können, vermutlich atmosphärische Linien,
da die Aufnahme bei sehr tiefem Sonnenstande geschah.
Tabelle (zu S. 44).
Teleobjektiv 3 fache 5 fache 8 fache 10 fache
bestehend ausi¡ Vergrößerung Vergrößerung Vergrößerung Vergrößerung
SIE
= © A ha © i bm v i > © ' I
Bar s lze] 2| + 2282| 21 PP zs] 2| >» 2282| 2
392 (25.12 (282 . ¿[3 Pj 21 < SS] 8 | 4 ¡20|, €
SIC ICA ICI IA ICE
cesiaal 3 285215 (ES 1323 8158 al 8 23:58
g D u re = fæ] = A O = pa] = fea Q | = 3 = es Q = 2 S Mes Q
5 = A EL 3 TÉ 5 S Th z) = (o aiw 5 = Ti 5
Ee a ee ia ee
= ne I er E S SER EN A A gt | = = ee u EA rer
12 I 9,5 | 37 6 | 18 | 62 | 11 || 29 |100 | 18 | 38 |124 | 24
24 6 | 26 | 72 | 14' 42 ¡120 | 25 | 64 |192 | 45 | 85 | 240 | 50
(Alle Maße in Zentimetern ausgedrückt.)
Fig. 2 zeigt das mit demselben System in 9facher Vergrößerung
aufgenommene Sonnenspektrum durch ein einziges Prisma aus Stein-
heil-Flint der Schmelze Nr. 102, der Brechung #p = 1,6489 und
der reziproken relativen Dispersion » = 33,6, also von etwa 3° Dis-
persion. Die Reproduktion ist wieder in Originalgröße ausgeführt.
1) H. Lehmann, Anwendung der Hartmann'schen Methode der Zonen-
prüfung auf astronomische Objektive. II. Zeitschr. f. Instrumentenkunde. 1902. p. 326.
2) Publ, 3. des Astrophysikal. Obs. zu Potsdam, Bd. 1, Taf, 16, u. Tabelle dazu.
Über die Anwendung des Teleobjektivs in der Spektroskopie. 47
Die Platte war eine Perorto-Platte von Perutz; die Belichtungszeit
betrug ı Sekunde. Infolge des sekundären Spektrums der Objek-
tive erscheint natürlich nur ein bestimmter Teil des Spektrums
haarscharf, der hier bei G liegt. |
Wenn wir die Lichtstärke eines solchen Teleobjektives unter-
suchen wollen, so müssen wir die Helligkeitsgesetze der Flächen-
abbildung in Betracht ziehen. Wir finden, daß die Intensität $ des durch
das Teleobjektiv auf der photographischen Platte entworfenen Bildes
proportional dem Quadrate der relativen Öffnung ist; d.h. ist die
Prismenbasis oder die Gitteröffnung O und die der jeweiligen Ver-
gróBerung des Systems entsprechende Äquivalentbrennweite ~F,
so gilt :
|
Die Lichtstärke eines Teleobjektives nimmt also ab mit dem
Quadrate der angewandten Vergrößerung.
Während also bisher bei den spektroskopischen Untersuchungen
die visuelle Beobachtungsmethode mit Fernrohr und Okular der
photographischen mit einfachem Objektiv in Bezug auf Trennungs-
vermögen bei weitem überlegen war, so besitzen wir im Teleob-
jektiv ein Mittel, auch photographisch die feinsten Details eines
Spektrums festzuhalten, die wir noch eben mit dem Fernrohr zu
sehen vermögen.
Die hier beschriebene spektroskopische Methode setzt uns ferner
in den Stand, mit Spektralapparaten mäßiger Dimensionen Spektro-
gramme zu erhalten, die mit derselben Genauigkeit reduziert werden
können wie diejenigen, welche mit den großen Konkavgitter-Appa-
raten nach Rowland erhalten werden. Letztere Apparate besitzen
jedenfalls keine größere Lichtstärke; mußten doch Kayser und
Runge!) ihre Emissionsspektren der Elemente oft stundenlang be-
lichten. Von größtem Vorteil aber ist bei den Apparaten mit Tele-
objektiv die Möglichkeit einer stabilen und kompendiösen Kon-
struktion, sodaß eine durch Grundpfeiler vollkommen erschütterungs-
frei gemachte Aufstellung in einem besonders für den Apparat
geeigneten Raume unnötig wird,
Auch bei Spektralapparaten mit Quarzoptik zu Untersuchungen
im ultravioletten Spektralgebiet wird das Teleobjektiv von Vorteil
sein, indem entweder die Absorption in der Luftschicht durch
ı) H. Kayser u. C. Runge, Über die Spektren der Elemente. Abhandlungen
der Königl. Preuss. Akad. d. Wiss. zu Berlin. 1888. p. 17 etc.
48 Hans Lehmann.
Verkürzung der Schicht verringert oder eine stärkere Vergröße-
rung durch Verlängerung der Brennweite herbeigeführt wird, ohne
in letzterem Falle die Absorption durch Luft wesentlich zu erhöhen
und die Dimensionen des Apparates zu vergrößern. So läßt sich
z. B. ein solches Teleobjektiv leicht dem von uns konstruierten
Quarzspektrographen !) anpassen. Wegen der Undurchlässigkeit des
Glases für ultraviolette Strahlen muß hier das Teleobjektiv natür-
lich aus Quarz bestehen, und zwar wird man es am besten aus nicht
(durch Kalkspat oder Flußspat) achromatisierten Linsen zusammen-
setzen, weil man so ein größeres Spektralgebiet (durch Neigung der
Platte) auf einmal scharf erhält. (Vergl. l. c. p. 263.)
Wo aber immer eine natürliche oder künstliche Vergrößerung
der Brennweite des Cameraobjektives herbeigeführt wird, so ist ganz
besonders zu beachten, daß alle Fehler, mit denen das Kollimator-
objektiv behaftet ist, im Verhältnis der Quadrate der Brennweite
mit vergrößert werden. Diese Tatsache ist schon von Cornu?) und
Herrn Prof. Hartmann?) abgeleitet worden. Ich gebe hier eine
weitere Ableitung. Hat man folgende Größen:
Fig. 3.
fi und fa Brennweite des Kolimator- bezw. Cameraobjektivs. *
£ und Z” vordere bezw. hintere Brennweite des Gesamtsystems.
2 und 2' Entfernung der zu /, und Z bezw. /, und Æ’ gehörigen Brenn-
punkte voneinander,
x und x Entfernung Objekt—vorderer Brennpunkt bezw. Bild —hinterer Brenn-
punkt des Systems.
A=fı tf — T = „Intervall“ des Systems;
so gelten die Beziehungen: xx = FE
Br Ah. Pd Ahe, x Sf”. TR fè
F= A? / g A? in > ,
I
t
|
|
1) H. Lehmann, Über einen neuen Universalspektralapparat. Zeitschr. für
Instrumentenkunde. 1902, p. 261.
2) Cornu, Spectre notmal du soleil, II. Annales scientifiques de l’ecole normale
supérieure (2) 9 p. 35. 1880.
3) J. Hartmann, Eder's Jahrbuch für Photographie etc. 1902 p. 152.
Über die Anwendung des Teleobjektivs in der Spektroskopie. 49
Beim Spektroskop steht aber Spalt (Objekt) im Brennpunkte
des Kollimators; photographische Platte (Bild) in dem des Camera-
objektives, also muß sein:
z= si Jelent,
Daraus folgt:
no Je: dx _ RAN?
zug mi 2-6):
d. h. einer ungenauen Spaltjustierung entspricht ein — A) -mal so
2
großer Fehler in der Camera. Das gilt auch für die Richtung des
Spaltes parallel zur brechenden Kante des Prismas. Dabei gibt das
Vorzeichen die Richtung von den Brennpunkten des Gesamtsystems
aus an, in welcher die Verschiebung erfolgt.
Nimmt man an, das Kollimatorobjektiv ist mit chromatischer,
sphärischer oder mechanischer!) Aberation behaftet, und will man
wissen, in welcher Weise eine dadurch an einer bestimmten Stelle
der Fläche entstehende Fokusdifferenz df, des Kollimators durch
eine an entsprechender Stelle entstehende df, des Cameraobjektives
aufgehoben wird, so läßt man Spalt und Platte fest; man kann dann
dx und dx' als kleine Änderungen der Einzelbrennweiten ansehen:
dfi AY
4-4
Bei einem Doppelsystem verhalten sich die Fokusdifferenzen der
Komponenten, welche gleiche, aber entgegengesetzte Zonenabweich-
ungen des Gesamisystems hervorbringen, in erster Annäherung wie
die Quadrate der Einzelbrennweiten.
Da also Zonenfehler des Kollimatorobjektives durch das Camera-
objektiv im quadratischen Verhältnis der Brennweiten vergrößert
werden, so ist es unbedingt nötig, bei Anwendung einer starken
Vergrößerung durch Verlängerung der Brennweite des Camera-
objektives die Fehler des Kollimatorobjektives theoretisch und Zech-
nisch möglichst klein zu machen.
Genau dasselbe gilt auch für die Einzellinsen des Teleobjek-
tives, da auch hier durch Vergrößerung der Brennweite eines Ob-
jektives seine Fehler mit vergrößert werden.
1) R. Steinheil, Zeitschr. f. Instmumentenkunde. 19. p. 183. 1899.
(Eingegangen am 28. März 1903.)
50 Lüppo- Cramer.
Photochemie einiger emulgierten Schwermetallverbindungen.
Von Lüppo-Cramer (Frankfurt a. M.).
(Mitteilungen aus dem wissenschaftlichen Laboratonum der Trockenplattenfabrik
Dr. C. Schleußner, Aktiengesellschaft zu Frankfurt a. M.)
I. Quecksilberjodid.
Unter den Verbindungen des Quecksilbers sind eine ganze
-Reihe als lichtempfindlich bekannt. Die ältesten Mitteilungen über
das Quecksilberjodid stammen von Hunt!) aus dem Jahre 1844,
welcher fand, daß Quecksilberjodid auf Papier im Lichte braun
wird. Slater?) stellte fest, daß die Braunfärbung besonders im
blauen Lichte erfolge. Schnauß?) erhielt auf Quecksilberjodür,
welches er durch Eintauchen einer mit jodiertem Kollodium über-
zogenen Glasplatte in ein Quecksilberoxydulnitratbad erzeugte, ein
latentes Bild, welches er physikalisch entwickeln konnte.
Einen gewissen praktischen Wert fand das Quecksilberoxalat
in dem Ederschen Quecksilberoxalatphotometer.*) Umfassende
Untersuchungen über die Lichtempfindlichkeit einer größeren Reihe
von Quecksilberverbindungen lieferte endlich in neuerer Zeit
Namias.* Dieser Forscher erhielt bei verschiedenen Quecksilber-
salzen nach der Belichtung chemisch entwickelbare Bilder, so z.B.
lieferte ihm das saure Merkurotartrat ein basisches Merkurotartrat,
welches er mit weinsaurer Eisenvitriollösung reduzieren konnte. Von
den Oxydsalzen des Quecksilbers fand Namias besonders auch
das Oxalat geeignet, entwickelbare Bilder zu liefern.
Meine Untersuchungen über das latente Bild auf Halogensilber-
emulsionen und dessen Entwickelung ließen es mir wünschenswert
erscheinen, einen möglichst ähnlichen und einfach konstituierten
Körper auf sein photographisches Verhalten zu prüfen, um vielleicht
dadurch auch indirekte Hinweise für die photographischen Grund-
I) Researches on light, nach Eders Handbuch der Phot., I, p. 23.
2) London Phot. Society, Bd. VII, p. 48, nach Eders Handbuch der Phot,,
I, p. 23. i
3) Photogr. Archiv 1875, p. 13.
4) Eders Handbuch der Phot., Bd. I, p. 169.
5) Photogr. Korresp. 1895, p. 341—350.
Photochemie einiger emulsierten Schwermelallverbindungen. 51
probleme in den Haloiden des Silbers zu erhalten. Als ein. der-
artiger Körper kam nur das Quecksilberjodid in Frage.) Dieser
Körper hat in Form des alten Edwardschen Verstärkers und seiner
Varianten zwar schon eine Rolle in der Photographie gespielt, in-
dessen beschränken sich die Publikationen über das Quecksilber-
jodid als lichtempfindlichen Körper auf die oben zitierten von Hunt
und Slater.
Es mag befremdlich erscheinen, warum das durch seine schöne
rote Farbe ausgezeichnete Quecksilberjodid nicht häufiger ein Gegen-
stand photochemischer Untersuchung war. Der Grund scheint mir
darin zu liegen, daß die direkt sichtbare Veränderung des aus-
gefällten Jodquecksilbers durch das Licht nur eine ganz geringfügige, -
noch weit geringere als die von Brom- und Jodsilber, ist und daß
die Herstellung des roten Jodids zn emulgierter Form nur unter
besonderen Bedingungen gelingt. Wie ich mehrfach betont habe,
ist das verschiedene Verhalten des belichteten und unbelichteten
Bromsilbers gegen die Entwickler, der Unterschied, welcher die
Photographie überhaupt erst möglich macht, nur bei dem Brom-
silber in emulgierter Form vorhanden, indem das aus wässerigen
Lösungen ausgefällte Bromsilber im Dunkeln genau so leicht redu-
ziert wird wie nach voraufgegangener Belichtung. Beim Quecksilber-
jodid findet sich dieses Verhältnis wieder, und es können sich
Untersuchungen über dessen Lichtempfindlichkeit in dem Sinne,
wie wir diese bei den Haloiden des Silbers finden, auch nur auf
Jodquecksilber- Zmulsion beziehen.
Versucht man nun nach gewohnten Methoden, Jodquecksilber-
emulsion zu erzeugen, so erhalt man nicht das rote Quecksilber-
jodid, sondern eine gelblichweiße Modifikation, welche in ihrer Farbe
sich nicht von manchen Bromsilberarten unterscheidet. So erhält
man auf folgende Weise eine derartige Emulsion: 20 g Gelatine
werden in 400 ccm Wasser bei 40 Grad gelöst, dann eine heiße
Lösung von 10g Sublimat in 100 ccm Wasser und darauf 10g
Jodkalium gelöst in 50 ccm Wasser zugegeben. Man erhält eine
sehr feinkörnige Emulsion, die man nach Zusatz von weiteren 20 g
Gelatine in 60 ccm Wasser zum Erstarren ausgießt und in be-
1) Die Entwickelung des Mercurotartrates nach Namias ist wohl prinzipiell
von der der Silberhaloide unterschieden, insofern als bei den letzteren zweifellos eine
Art „Auslösungsprozeß“ stattfindet, was bei jenen organischen Verbindungen nicht
anzunehmen ist.
52 Lüppo-Cramer.
kannter Weise zerkleinert und wäscht. Die so erhaltene Queck-
silberjodid-Emulsion besitzt nur geringe Deckkraft und ist sehr wenig
empfindlich. Auch nach halbstündiger Belichtung unter einem
Negativ im diffusen Tageslicht erhielt ich bei der Hervorrufung mit
kräftigen organischen Entwicklern nur dünne unterexponierte Bilder,
so daß diese Emulsion keinen großen Reiz für weitere Unter-
suchungen bot. Bei der Verwendung von Gelatine als Kolloid er-
hält man anscheinend stets diese gelblichweiße Modifikation des
Quecksilberjodids, so z. B. auch, wenn man bei der Emulgierung
zuerst das Jodkalium und dann das Sublimat zusetzt, in welchem
Falle sich das entstandene Quecksilberjodid zunächst immer erst
wieder in dem Jodkalium als Doppelsalz auflöst, wodurch wesent-
lich andere Bedingungen gegeben sind.
Die gelblichweiße Modifikation des Quecksilberjodids geht durch
„Reifen“ allmählich in die rote über; so erreicht man beim Kochen
der Emulsion schon nach kurzer Zeit eine wesentliche Farben-
veränderung ins Orange, die bei weiterem Kochen oder langem
Stehen bei gewöhnlicher Temperatur immer mehr nach dem cha-
rakteristischen Scharlachrot des ausgefällten Jodquecksilbers über-
geht. Daß der Übergang der gelblichweißen Modifikation in die
rote auch mit einer Vergrößerung des Korns verbunden ist, erkennt
man leicht, wenn man nach einstündigem Kochen der gelblichen
Emulsion dieselbe stark mit Wasser verdünnt und dann ruhig stehen
läßt. Es setzt sich dann nach und nach ein roter Niederschlag
unten ab, während ein nur ganz schwach rosa gefärbtes Jodid in
feinerer Suspension darüber schwebt.
Der Übergang der gelblichen Modifikation in die rote vollzieht
sich auch, wenn man die alkoholische Lösung des ausgefällten roten
Jodids in Wasser oder sehr verdünnte Gelatinelösung gießt. Es
fällt zunächst gelblichweißes Jodquecksilber aus, welches nach
längerem Stehen in die rote Form übergeht.
In emulgierter Form erhält man das reín rote Quecksilberjodid
direkt, wenn man anstatt Gelatine Gummiarabikum verwendet. Man
setzt zu 100 ccm Gummilösung 1:3 zuerst 20 g Sublimat gelöst in
200 ccm heißem Wasser, dann eine Lösung von 100 ccm Gummi-
lösung 1:3 + 20 g Jodkalium in 60 ccm Wasser.
Zu der so erhaltenen, rein rot gefärbten, sehr feinkórnigen,
homogenen Emulsion, welche eine außerordentliche Deckkraft be-
sitzt, setzt man 120 g Gelatine, gelöst in 800 ccm Wasser, gießt
zum Erstarren aus, zerkleinert und wäscht. Auch wenn man bei
Photochemie einiger emulgierten Schwermetallverbindungen. 53
der Emulgierung umgekehrt verfährt, d. h. zuerst das Jodsalz und
dann das Sublimat zusetzt, erhält man die rote Form des Jodids.
Die rote Jodquecksilberemulsion besitzt im Verhältnis zur gelben
eine sehr hohe Lichtempfindlichkeit, sie beträgt etwa den dritten
Teil der Empfindlichkeit einer Chlorbromsilberemulsion des Handels, _
wie selbe zu Diapositiven Verwendung finden. Belichtet man unter
einem normalen Negativ drei bis fünf Sekunden im diffusen Tages-
licht, so erhält man bei der Hervorrufung mit Metolpottasche und
anderen kräftigen Entwicklern ausexponierte Bilder ohne jede Tendenz
zur Schleierbildung. Die Jodquecksilberemulsion gibt indessen nie-
mals eine so vollkommene Deckung bei der Entwickelung wie
Halogensilberemulsionen, wohl infolge der weniger dunkeln Farbe
des metallischen Quecksilbers, so daß auch aus diesem Grunde an
eine Verwertung der Emulsion für die Praxis nicht zu denken ist.
Die Quecksilberjodidplatten fixieren außerordentlich leicht und glatt
in Fixiernatron wie auch in Natriumsulft. Die Löslichkeit des
Quecksilberjodids in Sulfit ist so groß, daß bei den Entwicklern
normaler Zusammensetzung der Sulfitgehalt genügt, um die Bilder
gleichzeitig mit der Entwickelung auch zu fixieren. Diese gleich-
zeitige Auflösung des Quecksilberjodids bei der Entwickelung ist
nicht etwa der Grund der ungenügenden Deckkraft, indem Ent-
wickler ohne jeden Sulfitzusatz kein besseres Resultat geben, sondern
Bilder liefern, die sich nur durch die braunere Nuance des Nieder-
schlages, wie durch die gelbliche Färbung der unbelichteten Teile
unterscheiden.
Das emulgierte Quecksilberjodid ist ungleich schwerer zu redu-
zieren als die Silberhaloide, so wird es durch Eisenoxalat in nor-
maler Zeitdauer überhaupt nicht reduziert, andererseits kann man,
ohne Schleierbildung zu riskieren, die stärksten Entwickler, z. B. kon-
zentriertes Rodinal, in Anwendung bringen.
Die mannigfachen Reaktionen, denen das gewöhnliche photo-
graphische Silberbild zugänglich ist, lassen sich auf das Queck-
silbernegativ nur zum Teil anwenden. Von den gewöhnlichen
Verstärkungsmethoden gelingt nur die Uranverstärkung; die Brom-
kupferverstärkung wie selbstredend die Sublimatverstärkung versagen.
Die Abschwächung mit Ferricyankalium und Thiosulfat verläuft sehr
gut, während die Persulfatabschwächung nicht gelang. Gute Ver-
stärkung erreicht man mit physikalischer Verstärkung, indem man
zu einer Lösung von Quecksilberjodid in Sulfit einen Entwickler,
am besten Glyzinsulfit ohne Alkali, zusetzt.
54 Lüppo- Cramer.
Das latente Bild auf Quecksilberjodidemulsion läßt sich nach
dem Fixieren sowohl mit dem sauren Metolsilberverstärker wie mit
Quecksilberjodidsulfit und alkalischem Entwickler hervorrufen, aller-
dings ist der Quecksilberniederschlag schr hell gefärbt und das
erzielte Bild nur sehr dünn. Immerhin zeigen diese Reaktionen
mit Wahrscheinlichkeit, daß das latente Bild auf Quecksilberjodid
dem auf Bromsilber analog konstituiert ist.
Sehr interessante Verhältnisse bietet die Untersuchung der
spektralen Empfindlichkeit des Quecksilberjodids. Mit dem Spektro-
skop in der Durchsicht gegen den hellen Himmel betrachtet, läßt
die Quecksilberjodidemulsionsplatte nur Rot und Gelb durch, und
dieser charakteristischen Absorption gemäß liegt das Empfindlich-
keitsmaximum zwischen Æ und D. Die spektrale Kurve fällt bei G
plötzlich ab, und die Empfindlichkeit im Blau und besonders im
Violett ist gering. Diesem Verhalten entsprechend findet man bei
Aufnahmen von Farbentafeln auf Quecksilberjodidplatten einen so
hohen Grad von relativer Gelbgrünempfindlichkeit, daß die besten
orthochromatischen Platten des Handels kaum damit konkurrieren
können. Das von Slater (s. o.) erwähnte Quecksilberjodid ist also
auch in dieser Beziehung ein wesentlich anderes gewesen.
Eine optische Sensibilisierung der Quecksilberjodidplatten durch
Baden in Erythrosin und Cyanin hatte keinen Erfolg.
Die Quecksilberjodidemulsion würde vermöge ihrer Licht-
absorption in Verbindung mit der leichten Löslichkeit ihres Pig-
mentes in Thiosulfat ein ausgezeichnetes Mittel sein, um nach Art
der Isolarplatten als Unterguß unter einer Bromsilberemulsion die
Lichthofbildung zu verhindern. Es zeigte sich indes, daß die Ver-
wendung des Quecksilberjodids zu diesem Zwecke ganz ausgeschlossen
ist, indem sich Jodquecksilber und Bromsilber mit großer Leichtig-
keit umsetzen, so daß die Lichtempfindlichkeit ganz enorm herab-
gedrückt wird. Offenbar bilden sich beim bloßen Übergießen der
getrockneten Jodquecksilberemulsionsplatte mit Bromsilbergelatine
erhebliche Mengen Jodsilber, denn nach 10 Minuten langem Liegen
einer derartigen, mit zwei Schichten übergossenen Platte im Fixier-
bade war die rote Farbe des Quecksilberjodids gänzlich verschwunden,
dagegen noch grüngelbes Silberhaloid vorhanden, welches sich
äußerst schwer in Thiosulfat löste und dadurch als Jodid doku-
mentierte. Der Fall ist ein interessanter Beleg dafür, wie sich auch
unlösliche feste Körper in emulgierter Form mit größter Leichtig-
keit umsetzen können.
Photochemie einiger emuleierten Schwermetallverbindungen. 55
II. Bleijodid.
Über das Bleijodid wurden schon früh Versuche!) angestellt
und in der Hauptsache gefunden, daß es bei Gegenwart von Luft
und Feuchtigkeit am Lichte Jod verliert und in Bleioxyd und
Karbonat übergeht. Als Reagens auf ‚das frei werdende Jod wurde
mehrfach Stárke mit dem Jodblei vermengt.
R. Ed. Liesegang?) schließt an die ältesten Versuche von
Schónbein, Roussin, Schmid u. a. an und findet auch, daß
Quecksilberdämpfe das Jodbleibild verstärken, also eine Art physi-
kalischer Entwickelung ergeben. In England wurde weiterhin mehr-
fach in der besonders für die englischen photographischen Fach-
blätter charakteristischen kritiklosen Art die photochemische Reaktion
von Jodblei + Stärke als lichtempfindlichen Materials für Positiv-
papier als Neuheit empfohlen, bis Valenta’) 1891 auf die Über-
einstimmung dieser Resultate mit denen von Liesegang hinwies
und zugleich den Prozeß als praktisch wertlos hinstellte.
Bei allen Versuchen der genannten Autoren ist nicht von
emulgiertem, sondern von ausgefälltem, resp. auf Papier durch
Baden erzeugtem Jodblei die Rede, so daß mir die Untersuchung
einer Bleijodid- Zmzulsion einiges Interesse bot. Daß eine Reduktion
zu Metall durch Entwickler beim Bleijodid ausgeschlossen ist, war
von vornherein klar, doch erschien es nicht unmöglich, bei pyst-
kalischer Entwickelung mit naszierendem Silber neue Erscheinungen
zu beobachten, wie schon der Liesegangsche Versuch mit Queck-
silberdampf schließen ließ.
Das Bleijodid läßt sich in gleichmäßiger Emulsion erzeugen,
wenn man in folgender Weise vorgeht.
Zu 200 g zehnprozentiger Gelatinelösung werden 22 g Jod-
kalium, gelöst in 200 ccm Wasser, gegeben. Ferner wird zu wei-
teren 200 g Gelatinelösung eine Lösung von 20 g essigsaurem Blei
in 200 ccm Wasser und 0,5 ccm Eisessig gegeben.
Beide Lösungen werden auf 40 Grad gehalten und die Blei-
salzlösung bei Lampenlicht in dünnem Strahl unter kräftigem
Schütteln langsam zur Jodsalzgelatine gegeben. Es entsteht eine
intensiv gelbe, ziemlich homogene Emulsion; einige flockige Aus-
scheidungen bleiben beim späteren Filtrieren zurück. Man läßt die
1) Eders Handbuch der Phot. 1884, Bd. I, p. 23.
2) Eders Jahrb. f. Phot. für 1891, p. 420.
3) Eders Jahrb. f. Phot. für 1892, p. 442; Photogr. Korresp. 1891.
56 Lüppo- Cramer.
Emulsion zwei Stunden bei 30—40 Grad stehen und gibt dann
weitere 160 g Gelatine + 600 ccm Wasser hinzu, gießt auf Eis und
wäscht die zerkleinerten „Nudeln“ vier bis fünf Stunden lang in
fließendem Wasser.
Die mit dieser Emulsion überzogenen Platten sind sehr wenig
lichtempfindlich, indem man erst nach zweistündiger Belichtung
unter einem Negativ im diffusen Tageslicht einen physikalisch ent-
wickelbaren Eindruck erhält. Von einem „atenten“ Bilde kann
keine Rede sein, da der entwickelbare Eindruck auch vorher bereits
schwach sichtbar ist. Ebensogut wie mit dem Metolsilberverstärker
kann man mit Siärkekleister „entwickeln“, der unter Bildung von
Jodstärke das schwach sichtbare Bild sofort intensiv schmutziggrün
werden läßt. Die Stärke spielt indessen nicht nur die Rolle eines
„Indikators“, sondern besitzt auch in hohem Grade die Rolle eines
chemischen Sensidilisators. Trägt man nämlich auf die Jodblei-
gelatineplatten stellenweise dünnen Stärkckleister auf, so färben sich
bei der Belichtung diese Stellen sehr bald intensiv, während nach
gleich langer Belichtungszeit und darauf folgendem Betupfen mit
Kleister noch keinerlei Wirkung nachgewiesen werden kann.
Verleibt man der Jodbleigelatine vor dem Gzeßen der Platten
Stärkekleister ein, so ergibt sich nach dem Trocknen keine größere
Empfindlichkeit als bei den Platten ohne Starke; erst wenn man
die Platten anfeuchtet, tritt die sensibilisierende Wirkung wieder ein.
Feuchtigkeit allein bewirkt aber (auf einer stärkefreien Kontroll-
platte) keine Empfindlichkeitssteigerung.
Die Substanz des physikalisch entwickelten Bildes auf Jodblei
ist Silber, welches sich im Farmerschen Abschwächer leicht. löst.
Gegen chemische Entwickelung, auch gegen Amidol und Alkali-
karbonat, ist das Jodblei indifferent.
III. Silbersulfid.
Das Silbersulfid erhält man in emulgierter Form am einfachsten,
indem man die leichte Zersetzlichkeit des Sz/dberthiosulfates benutzt.
Zu 200 g zehnprozentiger Gelatinelösung wurden 10 g wasser-
freies Natriumthiosulfat, gelöst in 100 ccm Wasser, gegeben. Ferner
wurden 20 g Silbernitrat in 200 ccm Wasser gelöst und bis zur
Wiederauflösung des Silberoxyds mit Ammoniak versetzt. Gießt
man bei 35 Grad die Silberlösung in die Thiosulfatgelatine, so
bleibt einige Momente die Lösung farblos, wird aber nach und
Photochemie einiger emulgierten Schrwermetallverbindungen. 57
== ¿E q¿_? _ AA A: AS
nach dunkler, bis nach 10 Minuten eine tief dunkle, braunschwarze,
anscheinend ,,kornlose Emulsion von Schwefelsilber entstanden ist.
Dieselbe wurde nach ı!/, Stunden langem Stehen bei 40 Grad mit
einer weiteren Lösung von 40 g Gelatine in 250 ccm Wasser ver-
setzt und nach dem Erstarren, wie üblich, gewaschen und auf
Platten gegossen.
Für die Erkennung einer etwaigen, mit dieser Emulsion zu
ermöglichenden Entwickelung mußte zunächst ein Fixiermittel ge-
sucht werden, welches Schwefelsilber, nicht aber metallisches Silber,
auflóste. Ich machte zu diesem Behufe von der Tatsache Gebrauch,
daß Cyankalium Silber nur bei Gegenwart von Sauerstoff auflösen
kann, und hielt den Sauerstoff durch Sulfitzusatz fern. Je 10g
Cyankalium und wasserfreies Natriumsulfit wurden in 100 ccm Wasser
gelöst und ergaben ein Fixierbad, in dem metallisches Silber un-
verändert bleibt, in dem sich aber das Schwefelsilber in emulgierter
Form in einer Stunde bis zur Glasklarheit auflöste. Die Platten
waren so dick gegossen, daß man den Glühfaden der mit rotem
Glase umkleideten elektrischen Lampe durch die Schicht hindurch
noch ganz deutlich erkennen konnte. Eine Entwickelung ließ sich
deshalb auch leicht konstatieren. Sie erfolgte in physikalischem
Entwickler (Metol + Zitronensäure + AgNO,, wie üblich) momentan,
und zwar ganz gleich, ob die Platte unbelichtet oder stundenlang
belichtet war. Die physikalische Hervorrufung gibt in einer Minute
vollkommene Undurchsichtigkeit und lieferte nach dem Fixieren
in dem angegebenen Cyankaliumsulfitbade einen „kornlosen“ Silber-
niederschlag von schöner, tief dunkelroter Farbe. Daß der Nieder-
schlag reines Silber ist, geht daraus hervor, daß er sich in
Ferricyankalium und Thiosulfat glatt auflöst, während die Schwefel-
silberplatte in diesem Abschwächer unverändert bleibt.
Die chemische Entwickelung, sowohl mit Eisenoxalat wie mit
dem ungewöhnlich „rapiden“ Entwickler Amidolpottasche, ergibt
bei der Schwefelsilber-Gelatineemulsion ebenfalls keinen Unterschied,
einerseits unbelichtet, andererseits nach langer Belichtung; man er-
hält in kurzer Entwickelungszeit eine durchgreifende Reduktion zu
Silber, das nach dem Fixieren eine rein schwarze Farbe zeigt.
Schwefelsilber ist also ein Körper, der, wenigstens in der an-
gegebenen Weise dargestellt, den für die Halogenide des Silbers
so charakteristischen Unterschied in unbelichtetem und belichtetem
Zustande nicht zeigt und in diesem Sinne einer photochemischen
Reaktion nicht zugänglich zu sein scheint.
Zeitschr. f. wiss. Phot. 1. 5
58 Lüppo-Cramer.
IV. Quecksilbersulfid.
Das Quecksilbersulid gehört in Form des Zinnoders zu den
ältesten lichtempfindlichen Körpern; die Kenntnis der zerstörenden
Wirkung des Lichtes auf alle Malerfarben, unter denen der Zinnober
von jeher eine große Rolle spielte, reicht nach Eders historischen !)
Untersuchungen schon zwei Jahrtausende zurück (Vitruvius,
Plinius).
Der Zinnober wird am Lichte schwarz, indem sich aus dem
kristallinischen roten schwarzes, amorphes Schwefelquecksilber bildet.?)
Eine Schwefelquecksilber-Zimu/ston erhielt ich nach Analogie
der Schwefelsilberdarstellungsmethode im vorigen Absatz in fol-
gender Weise: |
Zu 250 g zehnprozentiger Gelatinelösung wurde eine Lösung
von 12 g wasserfreiem Natriumthiosulfat in 100 ccm Wasser und
hierzu langsam eine Lösung von 20 g Sublimat in 200 g heißem
Wasser gegeben. Man setzt wegen der leichten Koagulation der
Gelatine durch Sublimat dem letzteren keine Gelatine zu, erhält
aber trotzdem eine sehr feinkörnige Emulsion von hellbräunlich-
grüner Farbe. Nach 1?/,stiindigem Stehen bei gewöhnlicher Tem-
peratur wird eine Lösung von 150 g Gelatine in 500 ccm Wasser
zugegeben und nach dem Erstarren gewaschen.
Die Schwefelquecksilberemulsion besitzt eine sehr geringe Licht-
empfindlichkeit. Nach dreistündiger Belichtung in diffusem Tages-
licht werden die Platten allerdings deutlich erkennbar dunkler und
zeigen in der Aufsicht eine viel mattere Schicht, geben aber bei
chemischer Entwickelung mit Metolsoda wie Amidolsoda etne
durchgreifende Reduktion, wenn auch eine erhebliche Dunkelfärbung.
Mit alkalischem Amidol behandelt, wird auch der unbelichtete Teil der
Quecksilbersulfidplatte ein wenig dunkler, die Emulsion ,,schleiert“,
Die Substanz, welche die Dunkelfärbung bei chemischer Ent:
wickelung des Schwefelquecksilbers verursacht, scheint kein metal-
lisches Quecksilber zu sein, höchstens zu einem Tetil aus solchem
zu bestehen, da im Farmerschen Abschwächer auch nach stunden-
langer Einwirkung nur eine geringere Hellerfirbung auftritt, während,
wie in Absatz I erwähnt, die Negative auf Quecksilberemulsion in
Farmerscher Lösung in kurzer Zeit vollkommen abgeschwächt werden,
1) Eders Handbuch der Phot. 1882, Bd. I, p. 2.
2) Ebenda, p. I5.
Photochemie einiger emulgierten Schivermetallverbindungen., 59
Die physikalische Entwickelung mit Metolsilber liefert einen
starken Silberniederschlag auf der belichteten Quecksilbersulfidplatte,
während der unbelichtete Teil unverändert bleibt.
Eine Fixierung der Schwefelquecksilberplatten gelingt weder
in der für Schwefelsilber oben angegebenen Kombination von Cyan-
kalium und Sulfit, noch in reinem Cyankalium; vielmehr führt das
Cyankalium das Sulfid in eine tiefschwarze Verbindung über.
V. Oxyde des Silbers und des Quecksilbers.
Versucht man die Oxyde des Silbers und des Quecksilbers in
Gelatine zu emulgieren, indem man der Lösung von Gelatine + Silber-
nitrat oder + Sublimat die theoretisch notwendige Menge Natron-
lauge zusetzt, so erhält man unvermeidlich eine totale Koagulation
des Leimes.
Ich machte daher zunächst von der in Absatz I als gut be-
fundenen Emulgierung in Gummiarabikum Gebrauch.
Zu einer Lösung von 100 g Gummiarabikum in 500 ccm Wasser
wurde eine Lösung von 20 g Sublimat in 200 ccm heißem Wasser
und dann portionenweise 60 ccm zehnprozentige Natronlauge, ver-
dünnt mit 100 ccm Wasser bei 40 Grad beider Lösungen gegeben.
Man erhält so eine hellbräunliche, ziemlich feinkörnige Emulsion
von Quecksilberoxyd ohne flockige Ausscheidungen.
Ersetzt man in dieser Emulsion das Sublimat durch 20 g
Silbernitrat und verwendet 50 ccm zehnprozentige Natronlauge, ver-
dünnt mit 100 ccm Wasser, so erhält man das Sz/beroxyd in braun-
schwarzer, sehr feinkórniger Emulsion.
Setzt man nun zur Ermöglichung des Auswaschungs- und Gieß-
prozesses diesen Oxydemulsionen Gelatinelósung zu, so tritt wiederum
totale Koagulation ein, ein Beweis, daß in dieser feinen Verteilung
auch das fertig gebildete, sehr schwer lösliche Silberoxyd und das
so gut wie unlösliche Quecksilberoxyd eine außerordentliche Gerbe-
kraft besitzen.
Da sich also in Gelatine keine Emulsion der Oxyde des Silbers
und des Quecksilbers herstellen ließ, versuchte ich es mit Kollodium.
Es zeigte sich jedoch, daß sich auch in Kollodium keine Emulsion
der Oxyde herstellen ließ, indem bei Zusatz der theoretisch er-
forderlichen Menge von alkoholischer Natronlauge zu dem in
Kollodium gelösten Salze des Schmermetalls sich noch vor der
vollständigen Emulgierung der Oxyde eine Einwirkung des Alkalıs,
5*
60 Hugo Kauffmaun.
r——
resp. des gebildeten emulgierten Oxydes auf das Pyroxylin vollzog,
so daß dieses die Viskosität und Bindekraft in wenigen Augen-
blicken vollständig einbüßte.
VI Quecksilberoxydul.
Das Oxydul des Quecksilbers läßt sich im Gegensatz zum Oxyd
leicht in Gelatine emulgieren, ohne daß eine Koagulation eintritt.
Wegen der leichten Zersetzlichkeit des zu verwendenden Quecksilber-
oxydulnitrates in neutraler Lösung zu basischem Salz benutzte ich
eine mit Salpetersäure versetzte Lösung des Salzes.
Zu 50 g Gelatine, gelöst in 500 ccm Wasser, wurden zunächst
so ccm zehnprozentige Natronlauge und sodann portionenweise eine
frisch bereitete Lösung von 10 g Quecksilberoxydulnitrat in 100 ccm
Wasser + 3 ccm Salpetersäure, spez. Gew. 1,4, bei 40 Grad zu-
gegeben. Es entsteht eine ziemlich feinkörnige Emulsion des
Oxyduls von hellgrauer Farbe. |
Nach zwölfstündigem Stehen bei Zimmertemperatur wurde die
inzwischen erstarrte Emulsion wieder geschmolzen und nach Zusatz
von I0O g Gelatine, gelöst in 400 ccm Wasser, zum Erstarren aus-
gegossen u. s. W.
Die Quecksilbergelatineplatten lassen sich mit naszierendem
Silber ziemlich dicht entwickeln, doch ist es gleichgültig, ob man
die Platten gar nicht oder lange belichtet hat; also dieselbe Er-
scheinung wie beim Schwefelsilber.
Metolsoda entwickelt schwach, Amidolsoda stärker; auch bei
chemischer Entwickelung ist ein Unterschied der nicht belichteten
Teile gegenüber kürzer oder länger belichteten nicht zu konstatieren.
(Eingegangen am 13. Februar 1903.)
Über den Ursprung der Farbe bei organischen Stoffen.
Von Hugo Kauffmann.
Seit den letzten 30 Jahren hat sich die Zahl der gefärbten
organischen Stoffe, nicht zum allerwenigsten durch den Einfluß der
Farbstoffindustrie, ins Ungeheure vermehrt, und immer mehr, immer
unwiderstehlicher drängte sich die Frage nach dem Ursprung der
Ursprung der Farbe bei organischen Stoffen. 61
Farbe auf. Im Folgenden soll eine übersichtliche Darstellung der
wichtigsten Untersuchungen und der maßgebendsten Ansichten ge-
geben und diese beleuchtet werden. — Gleich zu Anfang sei bemerkt,
daß ein Unterschied zwischen Farbe und Färbevermögen besteht!)
und daß dieser Unterschied scharf festgehalten werden muß. Unter
Färbevermögen versteht man diejenige Eigenschaft von Stoffen, mit
oder ohne Hülfe von Beizen sich auf der vegetabilischen oder ani-
malischen Faser fixieren zu lassen. Von dieser Eigenschaft, die
offenbar mit der Frage nach dem Ursprung der Farbe in keinem
Zusammenhang steht, kann hier die Rede nicht sein. Der Gegen-
stand dieser Zusammenstellung ist nur der rein physikalische Begriff
der Farbe.
I. Das Spektrum gefärbter Stoffe.
Jeder gefärbte Stoff hat sein eigenes Absorptionsspektrum °),
das wohl mit dem Spektrum chemisch nah verwandter Stoffe manch-
mal Ähnlichkeit haben kann, im allgemeinen aber verschieden ist
von demjenigen aller anderen Stoffe. Die Feststellung des „Eigen-
spektrums‘“ der Stoffe stößt insofern häufig auf Schwierigkeiten, als
die Stoffe je nach den Aggregatzuständen meistens verschiedene
Spektren aufweisen. Insbesondere in Lösungen treten wechselnde
Spektren auf, die durch Assoziations- und Dissoziationserscheinungen,
sowie durch chemische Umsetzungen des gelösten Stoffes mit dem
Lösungsmittel bedingt sind. Die Kundt’sche Regel, daß die Ab-
sorptionsstreifen in Spektren gelöster Stoffe umso weiter nach Rot
hinrücken, je stärker die Dispersion des Lösungsmittels für die Region
des Absorptionsstreifens ist, bestätigt sich infolgedessen in sehr vielen
Fällen nicht.
Aber auch bei festen Körpern ist die Angabe des wahren
Spektrums häufig nicht ohne Weiteres möglich. Man denke nur
an die polychroitischen Stoffe, die nach verschiedenen Richtungen
wechselnde Absorptionsspektra geben. Ferner ist zu berücksichtigen,
daß ein und derselbe Stoff in verschiedenen Krystallformen andere
Farbe zeigen kann.
Welches ist nun das Eigenspektrum der Stoffe? Am reinsten
dürfte das Eigenspektrum dann sein, wenn die Stoffe sich in gas-
1) Perkin, Ber. d. deutsch. chem, Ges. 9. 950. 1876,
2) H. W. Vogel, Ber. d. deutsch. chem, Ges. 11. 1363. 1562. 1878; James
Moser, ebenda 11. 1416. 1878.
62 Hugo Kaufmann.
formigem Zustand befinden, nicht nur deswegen, weil die oben-
erwähnten Umstände wegfallen, sondern auch, weil infolge der Ab-
wesenheit der Kohäsion die Schwingungen der Moleküle weniger
gehindert werden.!) — Da jedoch die wenigsten Stoffe unzersetzt
verdampfbar sind, so ist man genötigt, das Spektrum doch für einen
anderen Aggregatzustand zu bestimmen. Um vergleichbare Resul-
tate zu erhalten, muß man daher stets angeben, ob der Stoff in
festem oder flüssigem Zustande, ob er in gelöstem und in welchem
Lösungsmittel er zur Verwendung kam.
Physikalisch betrachtet, läuft die Aufgabe, Beziehungen zwischen
Farbe und chemischer Zusammensetzung herauszufinden, daraut
hinaus, ein gesetzmäßiges Auftreten der elektiven Absorption fest-
zustellen. Farbe tritt dann auf, wenn die Absorption in den sicht-
baren Teil des Spektrums fällt. Die Gesetzmäßigkeiten werden am
leichtesten zu erkennen sein, wenn die Absorption sich nur auf einen
einzigen Streifen beschränkt. Dies ist aber verhältnismäßig selten
der Fall, weil meistens mehrere Streifen auftreten oder das Spektrum
einseitig ausgelöscht wird.
Halten wir zunächst am einfachsten Falle von nur einem Ab-
sorptionsstreifen fest und betrachten die Farbanderungen, die beim
Hereinrücken des Absorptionsstreifen vom Ultraviolett durch Violett
bis zum Rot entstehen. Die komplementären Farbenpaare im Spektrum
ordnen sich in der Reihenfolge an:?)
Violett Grüngelb
Indigo Gelb
Cyanblau Orange
Blaugrün Rot
Grün Purpur
Das Vorrücken des Absorptionsstreifens bedingt also ein Über-
gehen der Farbe von Grüngelb auf Gelb, Orange, Rot zu Purpur
und von da nach Violett über Indigo, Cyanblau, Blaugrün zu Grün.
Ein solcher Farbübergang wird als Farbvertiefung bezeichnet, das
Umgekehrte als Farberhöhung. *)
Vom chemischen Standpunkt aus ist die Frage zu beantworten,
in welcher Weise der Bau des Moleküls zu ändern ist, um eine der-
artige Vertiefung der Farbe herbeizuführen.
1) H. W. Vogel, Ber. d. deutsch. chem. Ges. 11. 1363. 1878; G. Krüss,
Zeitschr. f. physik. Chem. 2, 335. 1888.
2) M. Schütze, Zeitschr. f. physik. Chem. 9. 111. 1892.
3) M. Schütze, Zeitschr. f. physik. Chem. Y, 114. 1892.
Ursprung der Farbe bei organischen Stoffen. 63
II. Chromophore und Auxochrome.
Besonders häufig ist das Auftreten von Farbe bei Benzol-
derivaten, und so ist es ganz natürlich, daß für diese Klasse zuerst
Gesetzmäßigkeiten abgeleitet wurden. Witt!) erkannte, daß zwischen
Farbe und Substitution regelmäßige Beziehungen herrschen. Er wies
dies zwar hauptsächlich für Farbstoffe nach; die aufgefundenen Gesetz-
mäßigkeiten lassen sich jedoch nicht nur auf die Farbstoffe, sondern
größtenteils auch auf die Farbe überhaupt beziehen. Der Grund-
stock sehr vieler gefärbter Stoffe ist das Benzol oder ein anderer
aromatischer Kohlenwasserstof. Durch Substitution kann Farbe
hervorgerufen werden. Tritt eine bestimmte Art von Gruppen, die
Witt als Chromophore bezeichnet, in das Molekül ein, z. B. die Nitro-
Gruppe (NO,), so entsteht mehr oder weniger starke Färbung, und
die so gebildeten Stoffe heißen Chromogene. Führt man zu den
Chromogenen noch eine zweite Art von Gruppen, die Aurochrome?)
hinzu, z. B. die Amino-Gruppe (NH,), so wird die Farbe ausge-
sprochener, und es tritt eine Vertiefung derselben ein. So ist das
Nitrobenzol C,H,NO,, ein Chromogen mit dem Chromophor NO,,
beinahe farblos, Nitranilin C¿H¿(NO,¡NH,) mit dem Auxochrom NH,
gelb gefärbt.
Einige der ee Chromophore seien hier genannt: Die
Keto-Gruppe (CO), die in den Anthrachinonfarbstoffen auftritt, die
Azo-Gruppe (N,), die in den Azofarben vorhanden, ferner die Nitro-
Gruppe (NO,), von der schon die Rede war.
Auxochrome sind die Amino- und die Hydroxyl-Gruppen (NH,
und OH). Erstere hat einen größeren Einfluß wie letztere, und von
ihr leiten sich durch Ersatz des Wasserstoffs durch Kohlenwasserstoff-
radikale noch eine größere Anzahl mehr oder weniger wirksamer
Auxochrome ab. — Einen ähnlichen Einfluß auf die Farbe wie
die Auxochrome besitzen die Kohlenwasserstoffradikale°); insbesondere
die Anhäufung von Benzolringen wirkt farbvertiefend. So ist z.B.
das Nitronaphthalin C,,H,NO, gelb gefärbt, während das Nitro-
benzol C,H,NO, kaum Farbe zeigt.
Die aiai der Färbung hängt von dei Stellung der Auxo-
1) Otto N. Witt, Ber. d. deutsch. chem, Ges. 9. 522. 1876.
2) Otto N. Witt. Ber. d. deutsch. chem. Ges. 21. 325. 1888; R. Nietzky,
Chemie der organischen Farbstoffe. 1901. p. 14.
3) M. Schütze, Zeitschr. f. physik. Chem. 9. 118. 1892.
64 Hugo Kaufmann.
chrome zu den Chromophoren im Molekül ab; die ortho-Derivate
sind stark, die meta- und para- dagegen schwächer gefárbt.?)
Die Chromophore können sowohl ein- wie zweiwertig sein.
Die einwertigen wie etwa die NO,-Gruppe können selbstverständlich
nur an einem Benzolring hängen; die zweiwertigen wie die CO-
Gruppe oder N,-Gruppe befinden sich zwischen zwei Kohlenwasser-
stoffradikalen und zwar meistens zwischen Benzolringen, z. B. im
C,H,—CO—C,H, GH<CO>CH, GH—NZN- C,H,
Benzophenon Antrachinon Azobenzol.
Zu den stärkst wirkenden Chromophoren gehört die Azo-Gruppe,
dann folgen die Nitro- und die Keto-Gruppe, ferner die Gruppen
—CH=N— und —SO,— u.s. w.
III. Chinoide Stoffe.
Eine große Klasse von Stoffen, die sich zum Teil in die bis
jetzt behandelten einreihen ließen, sind diejenigen mit chinoider
Struktur, also solche, die sich von Chinonen ableiten. Den Chinonen
weist man keinen wahren Benzolring zu. Man unterscheidet zwei
Klassen: para- und ortho-Chinone.
O O
1 il
C C O
ASA
HC CH HC C
i N 1 |
HC CH HC CH
nr No
C C
]
O H
p-Chinon o-Chinon.
Die Chinone sind alle gelb bis orange gefärbt und zwar die
o-Chinone unter vergleichbaren Umständen tiefer als die p-Ver-
bindungen.?) Derivate dieser Stoffe, die dadurch entstanden sind,
daß der Sauerstoff ersetzt wurde durch andere zweiwertige Gruppen,
etwa durch NH, sind gleichfalls alle gefärbt. Allen diesen Stoffen
ist eines der folgenden Skelette eigen:
A
Y S
d
1) H. E. Armstrong, Ber. d. deutsch. chem. Ges. Y. 950. 1876.
2) H. E. Armstrong, Ber. d. deutsch. chem. Ges. 27. 21. 1894.
Ursprung der Farbe bei organischen Stoffen. 65
Man bezeichnet deshalb ihre Struktur als eine chinoide. Zu
diesen chinoiden Körpern gehört eine große Anzahl sehr bekannter
Farbstoffe: Anthrachinonfarbstoffe wie Alizarin und Purpurin; Tri-
phenylmethanfarbstoffe wie Fuchsin und Rosolsäure; ferner die
Eurhodine, Safranine und viele andere.
Ein Teil dieser Substanzen kann auch unter dem in Il. dar-
gelegten Gesichtspunkte betrachtet werden, z. B. die Anthrachinon-
derivate. Das Alizarin etwa
kann aufgefaßt werden als ein p-chinoider Stoff, denn der mittlere
seiner drei Ringe ist der Chinonring. Es kann aber auch ange-
sehen werden als ein Benzolderivat, das sowohl durch Chromophore
als auch durch Auxochrome substituiert wird. Die Auxochrome
sind die Hydroxylgruppen, die Chromophore die beiden CO-Gruppen,
und der Träger dieser Gruppen ist der Ring rechts.
Die chinoiden Stoffe erleiden durch Substitution eine ähnliche
Änderung der Farbe wie die nicht chinoiden. Anhäufung von Kohlen-
wasserstoffradikalen, Einführung von Hydroxyl- und Amino-Gruppen
vertieft die Farbe. Über diese chinoiden Stoffe ist von Kehrmann ))
der Satz aufgestellt worden: Wird der mit der Chinongruppe ver-
bundene Atomkomplex als Ganzes betrachtet positiver, so verschiebt
sich die Färbung von Gelb nach Rot und Violett. Wird dieser
Komplex dagegen negativer, so erfolgt Farbenwechsel in entgegen-
gesetztem Sinn.
IV. Gefärbte Kohlenwasserstoffe und gefärbte aliphatische
Verbindungen.
Eine neue Wendung nimmt die Frage nach dem Ursprung der
Farbe durch die Berücksichtigung von gefärbten Kohlenwasserstoften,
also von Verbindungen, die weder Chromophore und Auxochrome
ı) Fr. Kehrmann, Chemiker-Ztg. 1890. 508,
66 Hugo Kaufmann.
enthalten, noch chinoider Struktur sind. Einer derselben ist das
längst bekannte Acenaphthylen,
HC CH
das von goldgelber Farbe ist!); ferner ist zu nennen das rote Di-
biphenylenáthen?):
CH, — C,H,
u 050 1.
GH, C,H,
Das nahestehende Biphenyldiphenylenäthen (C,H, ,C-CiC,H,),
ist in festem Zustande gelblich, in Lösungen intensiv zitronengelb
gefärbt.?)
Ein neues Gebiet gefärbter Kohlenwasserstoffe erschloß Thiele.)
Durch Kondensation des Cyklopentadiéns mit Aldehyden und Ketonen
erhielt er neue, bis dahin unbekannte Kohlenwassersoffe, die sich
alle durch intensive leuchtende Färbung auszeichnen und die er
daher Fulvene nannte. Das Methylphenylfulven z. B. ist ein Öl von
der Farbe einer Chromsäurelösung; das Diphenylfulven ist ein Stoff,
der in tiefroten Prismen krystallisiert.
E a er Be
| a | E
CH : CH C,H, CH:CH on,
Methylphenylfulven Diphenylfulven.
Gelb gefärbt ist auch das Benzalfluoren.* — Man könnte in
diesen Stoffen überall die Gegenwart einer chromophoren Gruppe
annehmen. Die ihnen allen gemeinsame Atomgruppierung:;
SEC
wäre dann als eine solche anzusehen.)
Zu den Fulvenen gehören auch Stoffe, die, frei von Benzol-
ringen, rein aliphatischer Natur sind. Sie sind ebenfalls noch
intensiv gefärbt, z. B. das Dimethylfulven C,H, >C. C < (CH) das
ein leuchtend orange gefärbtes Ol darstellt.
Die Fuivene führen hinüber zu anderen aliphatischen gefärbten
1) C. Graebe, Ber. d. deutsch, chem. Ges. 26. 2354. 1893.
2) H. Klinger u. C. Lonnes, Ber. d. deutsch. chem. Ges. 29. 739. 1896.
3) J. Thiele, Ber. d. deutsch. chem, Ges. 33. 666. 1900.
4) J. Thiele, Ber. d. deutsch. chem, Ges. 33. 852. 1900,
5) C. Graebe, Ber. d. deutsch. chem, Ges. 26. 2354. 1893.
Ursprun ung der Farbe bei organischen Stoffen. | 67
Verbindungen. Zu nennen sind in erster Linie die «-Diketone, als deren
Vertreter das Diacetyl CH,-CO-CO-CH,, eine gelbe Flüssigkeit, ange-
führt sei. Die CO-Gruppe entfaltet in dieses Stoffen ihre chromo-
phore Wirkung, ähnlich wie in denen der aromatischen Reihe.
Wesentlich für das Zustandekommen der Farbe ist, daß swe? CO-
Gruppen vorhanden sind — eine einzige genügt nicht, Aceton CH, -
CO-CH, ist farblos — und ferner, daß diese beiden Gruppen direkt,
ohne ein anderes zwischenständiges Atom, miteinander verkettet
sind, — Acetylaceton CH,-CO-CH,-CO-CH, und Acetonylaceton
CH,-CO-C,H,-CO-CH, zeigen keine Farbe.
Eine der na nen nahestehende chromophore Gruppe
ensteht, wenn eine CO-Gruppe sich mit einer doppelten Bindung
vereint. Dieses Chromophor >C-CH.CO— bedingt, wie Wallach?)
darlegte, daß Stoffe wie Mesityloxyd und Pulegon violette Strahlen
absorbieren und gelbstichig erscheinen. Durch nochmaliges An-
hängen einer Doppelbindung wird die Gruppe
>CZCH—CO—CH-IC<
gebildet, die schon deutlich gelbe Farbe hervorruft, also ein kräf-
tigeres Chromophor ist.
Wenn auch die Zahl der gefärbten aliphatischen Verbindungen eine
geringe ist, so kann doch kein Zweifel herrschen, daß zum Auftreten von
Farbe die Gegenwart eines Benzolringes nicht unumgänglich not-
wendig ist. Allerdings ist zuzugeben nicht bloß, daß die Zahl der
gefärbten Benzolderivate viel größer ist, sondern auch, daß bei diesen
die Farbe in unendlich mannigfaltigeren Abstufungen auftritt. Die
chromophoren Gruppen kommen eben erst in Verbindung mit Benzol-
ringen zur vollen Entfaltung ihrer Wirkung.
V. Chinoide Struktur als Ursprung der Farbe.
Graebe und Liebermann waren die ersten, die auf einen
Zusammmenhang zwischen Konstitution und Farbe der organischen
Verbindungen aufmerksam machten.?) Aus der Tatsache, daß die
gefärbten Stoffe sich reduzieren lassen und Wasserstoff aufnehmen,
schlossen sie, daß die Atome inniger aneinandergelagert sind als
zum Zusammenhalt des Moleküls notwendig ist. Sie wiesen ins-
1) O. Wallach, Nachr. d. k. Ges. d. Wiss. zu Göttingen. Mathem.-physik.
Klasse. 1896. Heft 4. 1—5.
2) C. Gracbe u. C. Liebermann, Ber. d. deutsch. chem. (res. 1, 106, 1308,
68 | Hugo Kauffmann.
ee, En ed ns a A eb De ma
besonders auf des Verhalten der Chinone hin, welche durch die
Wasserstoffaufnahme ihre gelbe Farbe verlieren und in die farblosen
Hydrochinone übergehen.
In dem Maße, wie die Farberichemie voranschritt und die Auf-
klärung der Konstitution vieler Farbstoffe gelang, häuften sich die
Kenntnisse über Beziehungen zwischen Konstitution und Farbe. Es
entstanden die oben dargelegten Begriffe Chromophor, Chromogen,
Auxochrom. Einen tiefen Einblick gewann man, als sich sehr viele
Farbstoffe, z. B. die Triphenylmethanfarbstoffe, die Indophenole, das
Methylenblau, die Safranine, Eurhodine und viele andere als Ab-
kömmlinge der Chinone, also als chinoide Stoffe entpuppten, und
allmählich entwickelte sich mehr und mehr die Ansicht heraus, die
Farbe der Benzolderivate sei überhaupt in allen Fällen nur durch
die chinoide Struktur bedingt.
Einer der Hauptvertreter dieser Richtung ist Armstrong,!')
der soweit ging, in gefärbten Stoffen auch dann chinoide Struktur
vorauszusetzen, selbst wenn keine chemischen Anzeichen dafür
vorlagen. So schrieb er z.B. auch dem Dioxyterephthalsäureester
eine chinoide Formel zu, die von v. Baeyer bestritten wird, der
diese Substanz als wahres Benzolderivat ansieht.) Armstrong sah
sich zur Unterstützung seiner Ansicht genötigt, die Hypothese der
„isodynamischen“ Umlagerung zur Hilfe zu nehmen. Er nimmt an,
daß, wenn farblose Benzolderivate bei einem Wechsel des Aggregat-
zustandes oder bei der Salzbildung sich färben, der gewöhnliche
Benzolring in den chinoiden Ring übergeht und bezeichnet eben
diesen Übergang als isodynamische Umlagerung. — Doch schon
bei ganz einfachen Stoffen, den Nitrophenolen, gerät er in Wider-
spruch mit den Tatsachen. Bei den o- und p-Nitrophenolen stößt
seine Erklärungsweise auf keine Schwierigkeit, denn für beide Stoffe
ist eine chinoide Struktur möglich, nämlich:
O NO,H o
o À
| | \
NA est
NO,H.
Das o-Nitrophenol ist gelb, wäre also chinoid; das p-Nitrophenol
ist weiß und nicht chinoid, geht aber bei der Salzbildung mit Basen
1) H. E. Armstrong, Proc. Chem. Soc. 1892. 103. 143, 189, 194; 1893. 52,
$5, 63, 200.
2) A. Baeyer, Ann. d. Chemie, 245, 189. 1888,
Ursprung der Farbe bei organischen Stoffen. 69
in gelbe, also chinoide Stoffe über. Beim m-Nitrophenol indessen
versagt diese Erklärung, denn für diesen Stoff kann man sich keine
chinoide Formel zurechtlegen. Färbung dürfte demnach für das
m-Nitrophenol und seine Salze nicht zu erwarten sein. Es ist aber
auch Armstrong nicht gelungen, diese Stoffe in ungefärbtem Zu-
stand herzustellen. Bei vielen anderen nahm er zur Unterstützung
seiner Ansicht Formeln an, die mit den chemischen Erfahrungen
nicht in Einklang stehen, z. B. beim Azobenzol.
VI. Moderne Auffassung über den Ursprung der Farbe.
Zusammenfassend muß man sich dahin äußern, daß die Gegen-
wart eines chinoiden Ringes zweifellos Farbe hervorruft, daß aber
angesichts der Tatsache, daß auch nicht chinoide Stoffe ganz sicher
gefärbt sein können, die Frage nach dem Ursprung der Farbe nicht
beantwortet ist. Im chinoiden Ring treffen eben gerade solche Um-
stände zusammen, die Farbe hervorrufen; welches aber diese Um-
stände sind, ist noch zu erforschen.
Einen Fingerzeig bieten uns die gefärbten Stoffe der alipha-
tischen Reihe, bei denen sicher, mangels eines Benzolringes, eine
chinoide Struktur ausgeschlossen ist. Stellt man diejenigen Gruppen,
die in der aliphatischen Reihe Farbe hervorrufen, zusammen, also:
O 0
11 li
—C C
O
N
>C.. CH—C—
O
Il
>SCZCH—C-CHTC<
und nimmt die Fulvene hinzu, so sieht man, daß das einzige Ge-
meinsame in ihrer Struktur nur allein das mehrfache Auftreten von
Doppelbindungen ist. Von v. Kostanecki sind noch mehrere der-
artige chromophore Gruppen zusammengestellt worden,!) die alle
aufs Unzweideutigste zeigen, daß die Gegenwart mehrerer Doppel-
bindungen an der Farbe schuld ist.
Indessen ist nicht allein die bloße Gegenwart mehrerer Doppel-
bindungen verantwortlich, sondern unumgänglich notwendig ist noch
2) R. Haller u. St. v. Kostanecki, Ber, d. deutsch. chem. Ges. 30. 2047. 1897.
70 Hugo Kauffmann.
die möglichst nahe Aneinanderlagerung der Doppelbindungen. Die
dichteste Anhäufung findet sich bei den Chinonen:
O O
1 : 1
C C O
enge Pe
HC CH HC C
I il !
HC CH HC CH
ER ` si P
C C
Ii H
und daher darf es nicht wunder nehmen, daß gerade diese Stoffe
sich besonders durch Färbung auszeichnen. ?)
Doppelbindungen zwischen Kohlenstoff-Atomen allein schon
können, wenn sie in größerer Anzahl und dichtester Anhäufung
vorliegen, Farbe erzeugen. Als Beispiel dienen die Fulvene.
= Ist die Anlagerung weniger dicht, so tritt die Farbe zurück
oder verschwindet ganz. Das zeigt sich bei den drei Stoffen: Di-
biphenylenáthen ist rot und hat die dichteste Anordnung; Diphenyl-
diphenylenáthen ist gelb und hat eine weniger dichte; Tetraphenyl-
äthylen ist farblos und die Anhäufung ist am wenigsten dicht.
BESSERE
O LO
rae N e O to PS
e A
MÍ wA l y A 7 = N
L L \ A | u Lo N
Dibiphenylenäthen Diphenyldiphenylenäthen Tetraphenyläthylen
Wie bereits dargelegt, entfalten die Chromophore dann am kräf-
tigsten ihre Wirkung, wenn sie an einem Benzolring hängen. Die
Erklärung dieser Tatsache gelingt unter dem gleichen Gesichts-
punkte. Alle Chromophore sind Gruppen, die mehrfache Bindungen
erhalten. Setzt man für den Benzolring die Kékulésche Formel
voraus, so haben wir in den gefärbten aromatischen Stoffen Ver-
bindungen, die eine große Anzahl sehr dicht gelagerter Doppel-
bindungen enthalten, z. B. im Azobenzol:
Ii
Noch eine Frage ist beziiglich der sich aus einem Chromophor
und einem Benzolring aufbauenden Chromogene zu beantworten:
1) R. Haller u. St.v. Kostanecki, Ber, d. deutsch, chem. Ges. 30. 2949. 1897.
Herstellung und entwickelnde Eigenschaften des Metochinons. 71
Wieso kommt es, daß die Auxochrome farbvertiefend wirken? —
Dies erklärt sich sehr leicht durch die Theorie der Zustände im
Ringsystem der Benzolderivate.!) Dieses System kann in mehreren
Zuständen, die kontinuierlich ineinander übergehen, auftreten. Von
den Zuständen sind drei als Grenzzustände herauszugreifen, und der
mittlere derselben läßt sich durch die Kekulesche Formel aus-
drücken. Die beiden anderen sind Extreme, deren eines erreicht
wird, wenn nur Chromophore vorhanden sind, deren anderes erreicht
wird, wenn nur Auxochrome da sind.? Der mittlere Zustand, der,
wie seine Formel lehrt, das Maximum an Doppelbindungen enthält,
wird also dann eintreten, wenn sowohl Chromophore wie Auxo-
chrome zugegen sind.
Zieht man zum Schluß die Untersuchungen der letzten 30 Jahre
zusammenfassend in Betracht, so ist das Ergebnis, daß der Ur-
sprung der Farbe in der dichten Anhäufung mehrerer Doppel-
bindungen zu suchen ist.
(Eingegangen am 15. April 1903.)
Über die Herstellung und die entwickelnden Eigenschaften des
Metochinons, eine Verbindung des Methylparamidophenols (Metol)
mit dem Hydrochinon.
Von A. und L. Lumière und A, Seyewetz,
Das unter dem Namen ‚„Metol“®) in den Handel eingeführte _
schwefelsaure Methylparamidophenol kann bekanntlich mit dem
Hydrochinon vereinigt werden und ergibt dann einen Entwickler,
der Eigenschaften besitzt, die die beiden Entwicklersubstanzen ein-
zeln verwendet nicht besitzen.
Wir versuchten nun, ob diese neuen Eigenschaften vielleicht
der Bildung einer wirklichen Verbindung der beiden Substanzen,
1) H. Kauffmann, Ber. d. deutsch. chem, Ges. 33. 1725. 1900; 34. 682,
1901; 39. 3668. 1902; 36. 561. 1903.
2) H. Kauffmann, Zeitschr. f. Farben- u. Textil-Chemie. II. 109. 1903.
3) Benennung, die von Hauff & Co. in Feuerbach erfunden wurde.
72 Lumière und Sevewetz.
von denen das Hydrochinon einen ausgesprochenen sauren, das
Metol jedoch einen basischen Charakter besitzt, zugeschrieben werden
könnten. Unsere Vermutung wurde durch die Praxis bestätigt, da
es uns gelang, eine genau definierte Verbindung der beiden Sub-
stanzen zu isolieren.
Herstellung der Verbindung. Man mischt gesättigte, wässerige
Lösungen von Metol und Hydrochinon in dem Verhältnis, daß auf
2 Metolmoleküle ı Hydrochinonmolekül kommt. Dann wird die
Mischung mit wasserfreiem Natriumsulfit gesättigt. Nach kurzer Zeit
bildet sich ein reichlicher, glänzender und schuppenförmigen Nieder-
schlag von weißer Farbe, der bei 135° ohne Zersetzung schmilzt.
Der Schmelzpunkt dieses Niederschlages ist ganz bedeutend ver-
schieden von dem des Hydrochinons (169°) und dem des Metols
(87%. Diese neue Verbindung ist löslich in kaltem Wasser. Wasser
von 15% löst 1%, der Substanz; warmes Wasser löst größere
Mengen (10°/, bei 100% Die Substanz krystallisiert leicht beim
Erkalten der heißen gesättigten Lösung aus. Sie ist sehr löslich in
kaltem Alkohol (20°/, bei 15%, wenig löslich dagegen in kaltem
Benzol, Äther und Chloroform.
Aceton ist das beste Lösungsmittel für das Metochinon: 100 ccm
Aceton lösen bei gewöhnlicher Temperatur 35°/, der Substanz?).
Erhitzt man das Metochinon mit verdünnten Säurelösungen, so
spaltet sich die Verbindung in Hydrochinon und in das Salz des
Methylparamidophenols, das der angewandten Säure entspricht. Diese
Eigenschaft ermöglicht eine Bestimmung der Zusammensetzung der
Substanz und liefert zu gleicher Zeit den Beweis, daß sie zwei Mole-
küle Metol auf ein Molekül Hydrochinon enthält. Diese Zusammen-
setzung wird noch bestätigt durch die Menge des Ertrages an reiner
Substanz, die man bei der Bereitung erhält.
Theorie der Reaktion. Man kann annehmen, daß das Natrium-
sulfat auf das schwefelsaure Methylparamidophenol (Metol) als Alkali
einwirkt und es, unter in Freiheitsetzung der Metallbase, nach fol-
gender Gleichung zersetzt:
De + SO,Na, = !1:,SO,Na, + SO,HNa + CHLO
Metol (Sulfat) Natriumsulfit Natriumbisulfit Metol (Base)
Die Metallbase vereinigt sich nach Maßgabe ihrer Bildung mit
1) Diese Eigenschaft wurde von uns dazu benutzt, sehr konzentrierte Entwickler-
lösungen herzustellen.
Herstellung und entwickelnde Eigenschaften des Metochinons. 73
dem Hydrochinon und ergibt leicht mit ihm ein wirkliches Salz,
dem man folgende Strukturformel geben kann:
OH)
SNC) 7 ogi N
.
CHLO., ada) (4
CH.
Diese Verbindung ist nur wenig löslich in gesättigter Natrium-
sulfhitlösung. Die Leichtigkeit, mit der durch Einwirkung von ver-
dünnten Säuren die ursprünglichen Substanzen sich aus der Ver-
bindung wieder zurückbilden, läßt darauf schließen, daß die Reaktion
ohne Wasseraustritt stattgefunden hat. Das Hydrochinon ersetzte
demnach einfach die Schwefelsäure des schwefelsauren Methylpar-
amidophenols. Wir haben dieser neuen Verbindung den Namen
»Metochinon* gegeben.
Photographische Eigenschaften des Metochinons.
a) Entwickeln von Platten.
I. Entwicklung mit Natriumsulfit ohne Zugabe von Al-
kalien.
Das Metochinon besitzt hochinteressante, entwickelnde Eigen-
schaften, die weder das Metol, noch das Hydrochinon, noch eine
Kombination der beiden Substanzen besitzt. Aletochinon mit Natrium-
sulfit allein entwickelt das latente Bild der photographischen Platte
geradeso wie das salzsaure Diamidophenol. Seine entwickelnde
Wirkung bei alleiniger Gegenwart von Natriumsulfit ist langsamer
als die des Diamidophenols (ungefähr zweimal langsamer); das Meto-
chinon ergibt jedoch dieselbe Deckung in dem Lichten und die-
selbe Transparens der Schatten wie das Diamidophenol.
Durch das Studium des Einflusses der Sulfitmenge einerseits,
der Menge der entwickelnden Substanz andererseits haben wir die
unter diesen Umständen beste Entwicklervorschrift feststellen können.
Die unserer Ansicht nach beste Normalvorschrift ist die folgende:
Wasser. . . . . . . 10008
Metochinon . . . +... 9 »
Wasserfreies Natriumsulfit 60 „N.
Die Lösung ist farblos und hält sich in gut verschlossenen
Flaschen ohne die geringste Zersetzung. In angebrochenen Flaschen
ı) Man löst zuerst das Metochinon im Wasser auf und fügt dann erst das
Natriumsulfat hinzu.
Zeitschr. f. wiss. Phot. 1. 6
74 Lumière und Seyewetz.
färbt sich die Lösung nur sehr langsam. Die Färbung wird erst
nach mehreren Monaten deutlich sichtbar, ohne jedoch der ent-
wickelnden Eigenschaft der Lösung Abbruch zu tun. Während
der Entwicklung färbt sich die Lösung nicht und kann der Ent-
wickler, ohne besondere Vorsichtsmaßregeln, für weiteren Gebrauch
aufbewahrt werden. Der Entwickler kann, ohne daß sich die Lösung
merklich färbt, bis zur Erschöpfung verwendet werden. Er färbt
außerdem die Finger nicht, wahrscheinlich infolge seiner Nichtoxydier-
.barkeit an der Luft.
2. Entwicklung mit kohlensauren Alkalien.
Das Metochinon ist bis jetzt die einzige Entwicklungssubstanz,
die nach Belieben mit oder ohne Alkalizusatz verwendet werden
kann, ohne daß dieser Zusatz ein Schleiern der Platten verursacht.
Der Zusatz von kohlensauren Alkalien verstärkt ganz bedeutend
die reduzierende Wirkung der Metochinonlösung. Bei Zugabe von
1%/, Natriumkarbonat wird die Wirkung schon sehr beschleunigt
und bei Zugabe von 2°/, erhält man das Maximum der Beschleu-
nigung. Bei Gegenwart von Natriumkarbonat ist die Schnelligkeit
der Entwicklung ungefähr 2*/,mal so groß als die der Lösung ohne
Alkali. Kaliumkarbonat wirkt wie Natriumkarbonat.
Das so erhaltene Negativ ist weniger klar als das durch alleinige
Zugabe von Natriumsulfit hergestellte; es ist jedoch kräftiger als
letzteres. Für unterexponierte Platten ist die Zugabe von kohlen-
sauren Alkalien zum Entwickler sehr zu empfehlen und kann ein
solcher Entwickler bis zur Erschöpfung verwendet werden. Nach
unseren Versuchen ist folgendes Rezept eines Normalentwicklers
mit Natriumkarbonatzugabe das beste:
Wasser. . . . . . . 10008
Metochinon . . . . . Oi
Natriumkarbonat . . . 10,
Wasserfreies Natriumsulfit Co ,,
3. Verwendung von Aceton.
Die große Löslichkeit des Metochinons in Aceton empfiehlt
letzteres ganz besonders als Ersatz der Alkalien bei Bereitung des
Metochinonentwicklers. Für die Präparation eines solchen Aceton
enthaltenden Entwicklers kann man zwei Wege einschlagen: 1. eine
gesättigte Lösung des Metochinons in Aceton (Löslichkeit 35 g
Herstellung und entwickelnde Eigenschaften des Metochinons. 75
in 100 ccm Aceton) herstellen, etwas von dieser Lösung in ein
entsprechendes Volumen Sulfitlösung zugeben, oder 2. das Aceton
mit dem gewöhnlichen sulfithaltigen Entwickler mischen. Die Menge
des Acetons hängt natürlich von der gewünschten Energie des Ent-
wicklers ab. :
Selbst eine geringe Acetonzugabe hat schon eine sehr merk-
bare Wirkung. Die reduzierende Wirkung nimmt der Acetonmenge
bis 5 ccm Aceton auf 100 ccm der Entwicklerlösung zu.
Wir geben in folgendem zwei Vorschriften für Normalentwickler:
die eine bei Anwendung des mit Metochinon gesättigten Acetons,
die andere bei Zugabe von Aceton zum gewöhnlichen Entwickler.
I. In Aceton gesättigte Metochinonlösung!) 308
Wasser . „ 8 2 a ru. 1000. y;
Wasserfreies Natriumsulfit . . . . . 60,
2. Wasser . . . 2 2 2 . . . . . +. 1000 ,,
Metochinon . . 2 2 2 +. +... +... O si
Natriumsulfit . . . . . . . . . . 60,,
ACEON: u E er ee et 3 ccm.
4. Entwicklung mit Ätzalkalien.
Dieser merkwürdige Entwickler kann ohne Schleierbildung nicht
bloß mit Alkalikarbonaten verwendet werden, sondern‘ man kann
ihm auch Ätzalkalien zugeben, wodurch seine Wirkung sehr viel
energischer wird. Bei Zugabe von 0,5 g Ätzlithium zu 100 ccm
Normalentwickler ist die Entwicklung ungefähr zweimal so rasch
beendigt als bei Anwendung von Natriumkarbonat und fünfmal so
rasch als bei der von Natriumsulfit allein. Erhöht man die Ätzlithium-
menge auf 1 g, so erhält man das Maximum der Wirkung. Der
so dargestellte Entwickler ist äufserst energisch und kann mit Vor-
teil für unterexponierte Platten angewendet werden.
5. Anwendung des Formosulfits.
Wie bekannt, ersetzt das Formosulfit?) zu gleicher Zeit das Alkali
und das Alkalisulft. Mit dem neuen Entwickler ergibt das Formo-
sulfit ausgezeichnete Resultate.
1) Die Lösung des Metochinons in Aceton muß in gut verschlossenen Flaschen
aufbewahrt werden, da sie an der Luft langsam Sauerstoff absorbiert und sich
braun färbt.
2) S. das Referat hierüber S. 77 dieses Heftes.
76 Lumière und Seyewetz.
Die nach unseren Versuchen beste Vorschrift ist die folgende:
Wasser . . . 1000 g
Metochinon . . 9 y
Formosulfit . . 20 ,„
In bezug auf die Entwicklungsenergie verhält sich das Formo-
sulit dem Metochinon gegenüber wie die Alkalikarbonate, während
es mit anderen Entwicklern, mit dem Hydrochinon z. B., gebraucht,
wie die Ätzalkalien wirkt.
6. Anwendung von Bromkalium.
Metochinonentwickler ist sehr empfindlich gegen Bromkalium.
Schon bei Zugabe von 3 ccm einer ı0°/,igen Bromkaliumlósung zu
100 ccm des Entwicklers wird eine verzögernde Wirkung sehr fühlbar.
Diese Empfindlichkeit des Metochinons Bromkalium gegenüber ge-
stattet die erfolgreiche Entwicklung überexponierter Platten.
b) Entwicklung der Papiere.
Die hervorragende Eigenschaft des Metochinons, sehr empfind-
ich für die Wirkung kleiner Alkalimengen zu sein, ohne dals seine
Lösung sich merklich färbt, empfiehlt es ganz besonders zur Ent-
wicklung von Bromsilbergelatinepapieren.
Bei alleiniger Gegenwart von Natriumsulfit und unter An-
wendung der von uns zur Plattenentwicklung adoptierten Normal-
vorschriften ergibt Metochinon intensive Schwärzen, beinahe wie die
mit Diamidophenol erhaltenen, und sehr reine Weilsen. Die Zugabe
einer kleinen Dose Alkali zum Entwickler schadet der Reinheit des
Lichtes in keiner Weise, verstärkt dagegen die Kraft der Schwärzen.
Letztere werden jetzt kräftiger als die mit Diamidophenol erzielten.
Wir schlagen folgende Zusammensetzung des Entwicklers zur
Hervorrufung von Bromsilberpapieren vor:
Wasser . 2 2 2 202020. ..1J000 g
Metochinon . . 2 2 2 2 +... O
Wasserfreies Natriumsulft . . . 60O,
Wasserfreies Natriumkarbonat . . IO,
Bromkaliumlósung (zehnprozentig) IO ccm.
Das Natriumsulfit und das Karbonat können vorteilhaft auch
durch Formosulfit ersetzt werden. Die Vorschrift ist dann die
folgende:
Referate. 77
Wasser . . . 1000 g
Metochinon . 9,
Formosulfit. . 60 ,,
Mit diesem Entwickler erhált man die gleichen Resultate wie
die mit dem oben angegebenen Natriumkarbonat enthaltenden.
Metochinon ist folglich auch für die Entwicklung von Bromsilber-
papieren hochwichtig.
Schlußfolgerungen.
Wie aus dem Gesagten hervorgeht, ist Metochinon ein neuer,
sehr interessanter Entwickler für Platten und Bromsilberpapiere.
Es vermehrt nicht nur die bis jetzt sehr beschränkte Zahl der ohne
Alkali wirkenden Entwickler, die den großen Vorzug besitzen, die
Gelatine nicht anzugreifen, sondern es hat außerdem auch noch
folgende, bis heute mit den übrigen Entwicklern noch nicht erreichte
Eigenschaften:
I. Die Lösungen, selbst unverschlossen, lassen sich ohne merk-
liche Veränderung aufbewahren.
2. Man kann in demselben Entwickler bis zur vollständigen
Erschöpfung eine große Zahl von Platten entwickeln.
3. Man kann die Energie des Entwicklers je nach Belieben durch
Zufügen von Alkalikarbonaten, Ätzalkalien oder noch besser durch
Zufügen von ' Formosulfit verstärken, ohne Schleierbildung be-
fürchten zu müssen. Diese Eigenschaft macht den Entwickler sehr
abstimmbar.
4. Der Entwickler ist empfindlich gegen Bromkalium, wodurch
er sich zur Entwicklung überexponierter Platten eignet.
(Eingegangen am 12, April 1903.)
Referate.
Theorie photographischer Prozesse.
A. und L. Lumière und Seyewetz. Über die Anwendung des
Trioxymethylens als Ersatz des Alkalis bei der Ent-
wicklung. (Phot. Corr. 1903. 128—130; 181—186.)
Aldehyde und Ketone lassen sich, wie die Verff. schon früher gezeigt
haben, bei Gegenwart von Natriumsulfit in vielen Entwicklern an Stelle des
Alkalis verwenden. Am zweckmäßigsten stellt man ein Pulver aus Tri-
oxymethylen und wasserfreiem Natriumsulfit im Verhältnis 3 : 100 her,
78 Referate.
Bi A en Zu we ee een zia deann A ee "=n "e 0 — — = + AS
welches von den Verff. als Formosulfit bezeichnet wird; auch kann man
eine konzentricrte Vorratslósung desselben bereiten. Der aldehydhaltige
Entwickler hat den Vorzug, die Gelatineschicht unlöslich und widerstands-
fähiger zu machen. Das Trioxymethylen kann ferner in Ton- und
Fixierbädern für Papiere mit Vorteil an Stelle von Alaun Verwendung
finden. Auf die theoretischen und experimentellen Versuche der Verft.,
die Wirkung des Trioxymethylens zu erklären, kann an dieser Stelle
nicht näher eingegangen werden. (Vgl. hierzu auch die Abhandlung der
genannten Autoren im vorliegenden Heft.) K. Schaum.
A. Reiss. Über die Wirkung von Metallsalzen auf das latente
Bild. (Arch. de Geneve. 15. 88/89. 1903.)
Verf. hat früher gefunden, daß Merkurichlorid das latente Bild zer-
stört (wie alle Oxydationsmittel, Ref.) und daß auf der mit Sublimat
behandelten Platte eine zweite Aufnahme möglich ist, wobei sehr kräftige
Bilder entstehen; die Empfindlichkeit der Platte ist allerdings bedeutend
herabgesetzt. Jetzt findet der Verf., daß Kupfersulfatlösung ebenso wirkt;
die Empfindlichkeit ist weniger vermindert, aber Schleier ist bei der
zweiten Belichtung unvermeidlich. 1%/,ige Urannitratlösung schwächt
das latente Bild in ro Minuten und zerstört es in 30—40 Minuten;
die Bilder werden bei der zweiten Exposition kräftig, doch nicht so
dicht, wie bei der Behandlung mit Sublimat. Eisensulfat zeigte keinen
Einfluß. Englisch.
Preislisten.
Otto Töpfer & Sohn, Potsdam. Liste Nr. 33.
Refraktoren, Teleskope, Spektographen, Heliostate, Photometer,
Sensitometer, photographische Reproduktions- und Registrierapparate,
Mikroskope u. s. w.
Carl Zeiss, Jena. Neues Stereoskop, Stereodiapositivbilder,
Stereomikrometer. 1903.
Enthält die Beschreibung der Pulfrichschen Probetafel für stereo-
skopisches Sehen, eines telestereoskopischen Landschaftsbildes, der Saturn-
aufnahme Wolfs, eines Dolomitenbildes des Frh. v. Hübl und einer
Mondaufnahme (Preis als Diapositiv je 7,50 Mk.) Ferner ein Helm-
holtzsches Stereoskop, bei dem die Linsen auf größte Sehschärfe des
Beobachters einstellbar sind (40 Mk.) und ein Stereomikrometer (40 Mk.)
für Demonstrationszwecke. So lange Vorrat, werden Papierkopien der
oben genannten Bilder gratis abgegeben.
Für die Redaktion verantwortlich: Dr. E. ENGLISCH in Stuttgart.
Zeitichrift für willeniciaitlidie Photographie,
Photophylik und Photodiemie
I. Band. 1903. Heft 3.
Die radioaktiven Stoffe nach dem gegenwärtigen Stande der Forschung.
Von K. A. Hofmann.
Als einfaches und bequemes Mittel zum Nachweis strahlender
Energie wurde die photographische Platte seit vielen Dezennien von
Gelehrten und Laien benützt, um streng wissenschaftliche Probleme
zu lösen, oder in mysteriöse Geheimnisse einzudringen. Zu Ver-
suchen der letztgenannten Art regte insbesondere die Odtheorie
Reichenbachs an und gar oft glaubte man, das vermutete, all-
durchdringende Etwas in seinen photographischen Wirkungen nach-
gewiesen zu haben. So wurde die Tatsache, daß Metalle, insbe-
sondere die stark elektropositiven, wie Zink, Kadmium etc. im Dunkeln
nach längerem Verweilen in nächster Nähe der empfindlichen Halo-
gensilberschicht beim Entwickeln auf dieser wie durch Strahlung
abgebildet erscheinen, als Bestätigung der Odlehre aufgefaßt. Aber
Russel!) führte diese und damit verwandte Erscheinungen auf die
Bildung von Wasserstoffsuperoxyd zurück, das als Nebel oder Dampf
von den Metallen auf die Platte gelangt und diese reduzierend
schwärzt oder für die nachfolgende Entwicklung disponiert; wobei
also chemische Vorgänge verbunden mit stofflicher Übertragung
hier und in ähnlichen Fällen den scheinbaren Belichtungseffekt ?)
hervorbringen. Die Fähigkeit, nach Ausschluß von fremdem Licht
bei gewöhnlicher Temperatur Strahlen 'auszusenden, ist, wie die
Summe der neueren Forschungen ergibt, keineswegs eine Eigen-
schaft der Metalle und ist überhaupt viel seltener, als Reichenbach
und die Okkultisten annahmen. Sieht man von den Systemen ab,
in denen die Zufuhr von äußerer Energie, wie Wärme, Elektrizität
oder mechanische Energie (Tribolumineszenz) die Lichtentwicklung
1) Proc. roy. soc. 64. 409. 1899.
2) Siehe aber die interessanten Versuche von L. Graetz, Ann. d. Physik 4. 9.
p. 1100. 1902.
Zeitschr. f. wiss. Phot. r. ,
80 K. A. Hofmann.
bewirkt, so beschränkt sich das Gebiet der bis vor kurzem bekann-
ten, im Dunkeln leuchtenden leblosen Materien auf die Phosphore.
Unter diesen vermögen einige, wie der gelbe krystallinische Phosphor,
die Energie der an oder in ihnen sich abspielenden chemischen
Prozesse teilweise in Licht umzusetzen, während andere die Energie
des Lichtes oder der Kathodenstrahlen aufnehmen und nachträglich
wieder aussenden können. Hierher gehören insbesondere die Sulfide
der alkalischen Erden, also Calcium-, Strontium- und Baryumsulfid,
die nach Zusatz von etwas Kalium- und Natriumchlorid sowie von
- Spuren der Schwermetalle Wismut, Mangan oder Kupfer bei hoher
Glühhitze dargestellt als Leuchtfarben genügend bekannt sind. Ihnen
. nahe steht das gleichfalls bei hoher Temperatur bereitete, anscheinend
reine hexagonale Schwefelzink, die Sidotsche Blende.
In allen diesen hier erwähnten Fällen kennt man die als primäre
Quelle der Strahlung wirkende Energie und man wei auch, daß
geringfügige Änderungen der stofflichen Zusammensetzung oder der
äußeren Bedingungen den Lichteffekt vernichten.
Ganz anders verhalten sich dagegen die in neuester Zeit ent-
deckten radioaktiven Substanzen. Diese senden fast unabhängig
von der jeweiligen Verbindungsform und unbeeinflußt von der Tem-
peratur dauernd strahlende Energie aus, deren Herkunft auch gegen-
wärtig noch unbekannt ist.
Die als Radioaktivität bezeichnete Eigenart dieser Stoffe charak-
terisiert sich durch höchst auffällige (den Phosphoren fremde) Wir-
kungen, die mit denen der Kathoden- und Röntgenstrahlen große
Ähnlichkeit haben. So wird die elektrische Leitfähigkeit der um-
gebenden Luft erhöht, die photographische Platte auch durch licht-
dichte Medien hindurch geschwärzt oder für den Entwickler dis-
poniert und eine Reihe von Stoffen, wie z. B. Baryumplatincyanür,
Sidotsche Blende, Diamant, Urankaliumsulfat, Fluorcalcium zu sicht-
barem Leuchten erregt.
Die Radioaktivität hat ferner die sehr bemerkenswerte Eigen-
schaft, von ihren primären Trägern (den radioaktiven Stoffen im
engern Sinne des Wortes) aus alle in der Nähe befindlichen Dinge
im gleichen Sinne wirksam zu machen: zu induzieren; aber diese
Induktion kann mit der durch ein elektrisches Potential hervor-
gebrachten nicht verglichen werden, sondern sie wird allem Anscheine
nach durch den Übergang materieller Teilchen feinster Art ver-
mittel. Überhaupt kommt man mehr und mehr zu der Ansicht,
daß die Fernwirkung radioaktiver Stoffe wenigstens zum großen Teil
Die radioaktiven Stofe nach dem gegenwärtigen Stande der Forschung. 81
auf der Aussendung von Partikelchen (elektrischer oder ponderabler
Masse?) beruht, deren Masse etwa !/ ooo des Wasserstoffatoms beträgt.
Dennoch sei hier die geläufige Bezeichnungsweise beibehalten und
demgemäß soll von Strahlen die Rede sein. Die Benennung
„Becquerelstrahlen“ mag zu Ehren des Entdeckers als Kollektions-
name passend erscheinen. Diese Strahlen nun sind nicht homogen,
sondern werden in einem starken Magnetfelde in zwei Hauptgruppen
zerlegt. Ein Teil nämlich wird vom Magneten kaum!) und jeden-
falls nicht im Sinne der Kathodenstrahlen abgelenkt. Dieser Teil
ist sehr leicht absorbierbar und dringt daher nicht durch eine
doppelte Lage schwarzen Papiers oder Metallblech von !/,, mm
Stärke, erhöht die elektrische Leitfähigkeit der Luft sehr beträchtlich
und wird deshalb an der entladenden Wirkung auf das Elektroskop
erkannt. Diese Strahlen seien der abkürzenden Ausdrucksweise zu-
liebe «-Strahlen genannt.
Der magnetisch stark ablenkbare Teil hat große Ähnlichkeit
mit Kathodenstrahlen und besitzt die Fähigkeit, durch lichtdichte
Stoffe wie schwarzes Papier, Holz und selbst Metalle hindurch auf
die photographische Platte zu wirken. Diesen Teil bezeichnen wir
als $-Strahlen.
Nach dieser allgemeinen Vorausschickung wenden wir uns zur
speziellen Beschreibung der radioaktiven Stoffe, um schließlich daran
die Folgerungen allgemeiner Art anzugliedern.
Die Entdeckung des ganzen Gebiets ging von Henri Becquerel?)
aus, der bei Nachprüfung der Versuche von G. Le Bon,?) Lumière
und D’Arsonval®) fand, daß die durch ihre Fluoreszenz in der
Physik wohlbekannten Uransalze unabhängig von vorhergehender
Belichtung durch schwarzes Papier oder Aluminiumblech photo-
graphischen Effekt liefern. Zunächst schien diese, den Röntgen-
strahlen ähnliche Wirkung ein spezielles Attribut der Fluoreszenz
und Phosphoreszenz zu sein; aber bald ergab sich, daß auch das
undurchsichtige grünschwarze Uranoxyduloxyd und das Uranmetall
selber die gleiche Fähigkeit sogar in verstärktem Maße besitzen und
daß selbst durch monatelanges Aufbewahren im Dunkeln keine Ab-
nahme erfolgt. Die Analogie der Uranstrahlen mit den Röntgen-
1) E. Rutherford, Phil. Mag. [6.] 5. ı77 ff. 1903.
2) Compt. rend. 122, 420. 501. 559. 689. 762. 1086. 1896.
3) Compt. rend. 122, 188. 1896.
4) Compt. rend. 122. 500. 1896.
qe
82 K. A. Hofmann.
strahlen zeigte sich in folgendem Versuch Becquerels.!) Zwischen
zwei Kupferkugeln, von denen die eine mit einer Elektrizitätsquelle,
die andere mit einem Elektroskop in Verbindung steht, findet ein
allmählicher Ausgleich von Elektrizität statt, wenn man eine Uran-
kugel nähert oder diese an Stelle einer der Kupferkugeln setzt. Die
Entladung findet durch die Luft oder das umgebende gasförmige
Medium statt, unterbleibt aber, wenn das System sich im Vakuum
befindet. Da die Lutt, wie die Gase überhaupt bei Drucken von
ca. 10 mm aufwärts die Elektrizität nur sehr schlecht leitet, so folgt
aus dem erwähnten Experiment, daß durch die Uranstrahlen die
Leitfähigkeit der Luft oder des betr. Gases bedeutend erhöht wird,
wie dies für Röntgenstrahlen schon früher bekannt war. Nach den
später?) zu erörternden Anschauungen führt man gegenwärtig den
Transport der Elektrizität durch gasförmige Stoffe auf das Vor-
handensein von elektrisch geladenen Teilchen: positiven und nega-
tiven Ionen zurück, die durch ihre Wanderung den Austausch der
elektrischen Ladungen vermitteln. Wenn also ein Gas unter dem
Einfluß von Uranstrahlen die Elektrizität besser leitet als sonst, so
beruht dies auf der Vermehrung der transportierenden lonen: auf
der „lonisierung“ des Gases durch diese Strahlen, speziell durch
den mit œ bezeichneten Anteil derselben.
Die Gesamtstrahlung des Urans ist gering und entspricht bei
1 g Uranoxyd in einem Jahre einer Energiemenge) = 0.032 Cal.
Von ihrem Gesamtbetrag äußert sich der größte Teil in den leicht
absorbierbaren, die Luft stark ionisierenden «-Strahlen, während die
magnetisch ablenkbaren, stark durchdringenden, photographisch
besonders wirksamen ß-Strahlen nur ca. !/, der ausgesandten Energie
führen.*) Um auf Schleußnerplatten durch doppeltes schwarzes Papier
hindurch einen bei Normalentwicklung deutlichen Effekt zu erhalten,
ist für 1 g Uranoxyduloxyd eine Expositionsdauer von ca. 3 Stunden
erforderlich. Glüht man Uranoxyd im Glasofen 16 Stunden lang
bei ca. 1400°, so wird dadurch keine Änderung der Radioaktivität
bewirkt, ebensowenig beim Herabgehen auf die tiefe Temperatur
der flüssigen Luft.
Da sich alle aus den verschiedenen Uranmineralien 5): Pech-
1) Compt. rend. 124, 800. 1897.
2) Seite 88f.
3) Rutherford, Wied. Ann. Beibl. 24, 1338. Ref.
4) E. Rutherford und S. G. Gries, Physik. Zeitschr. 3, 385. 1902.
5) K. Hofmann und E. Strauss, Ber. deutsch. chem. Ges. 33, 3126.
Die radioaktiven Stoffe nach dem gegenwärtigen Stande der Forschung. 83
blende, Bröggerit, Uranglimmer, Cleveit, Euxenit, Samarskit und
Autunit dargestellten Proben von Uranoxyd ziemlich gleich stark
aktiv erwiesen und durch Fraktionierung der Uransalze eine erheb-
liche, bleibende Steigerung der Wirksamkeit nicht erzielen ließ, so
gilt vorerst die Behauptung, !) daß das Uran als Element radioaktive
Eigenschaften besitzt.
Bald nach Becquerels grundlegenden Beobachtungen gelang
es den beiden Curies, aus dem wichtigsten Uranmineral, der Pech-
blende, noch viel stärker wirksame Stoffe abzuscheiden, von denen
der eine, Polonium genannt, sich analytisch wie Wismut?) verhält,
während der andere die Reaktionen des Baryums?) zeigt. Aus diesem
konnten die Entdecker durch oft wiederholte Krystallisation des
Chlorids oder Bromids in den schwerst löslichen Anteilen einen
vom Baryum verschiedenen Stoff, das Radium) abtrennen. Dieses
gibt ein charakteristisches Spektrum) und hat ein Atomgewicht von
ca. 225 (für zweiwertiges Metall berechnet). Die Aktivität der
reinsten Radiumpräparate nähert sich dem 100000fachen Wert des
Urans, so daß mit ihnen nicht nur enorme lonisierungs- und Licht-
effekte, sondern auch erhebliche chemische und physiologische
Wirkungen erzielt werden können. Der Baryumplatincyanürschirm
oder die Sidotsche Blende werden durch winzige Quantitáten kon-
zentrierter Radiumsalze zu hellem Leuchten erregt, ein geladenes
Elektroskop auf 4 cm Entfernung sogleich entladen, die umgebende
Luft wird deutlich ozonisiert; Gläser färben sich rötlich, violett und
schließlich schwarz, gelber Phosphor geht in roten über; die licht-
empfindliche Quecksilberchlorid-Oxalsäuremischung scheidet Kalomel
ab; auf der Haut entstehen schmerzhafte, schwer heilende Wunden.
Wasser erfährt durch Radiumbromid eine teilweise Zersetzung ô) in
Wasserstoff und Sauerstoff.
Das Verhältnis”) der Energie der durchdringenden -Strahlung
zu der Gesamtstrahlung beträgt für Radiumsalze ca. */,,, doch sind
1) Dagegen W. Crookes, Proc. roy. soc. 66. 406, dessen Resultate von
Rutherford und Soddy, Proc. chem. soc. 18, 121, modifiziert wurden.
2) Compt. rend. 127. 175. 1898.
3) Compt. rend. 127. 1225. 1898.
4) Compt. rend. 135. 161. 1902.
5) Demarcay, Compt. rend. 129. 717. 1899; Runge, Wied. Ann. 2, 742.
1900; Giesel, Ber. deutsch. chem. Ges. 35. 3608. 1902.
6) Giesel, Ber. deutsch. chem. Ges. 36. 347. 1903; ebendort Bodländers
Untersuchung.
7) E. Rutherford und S. G. Gries, Physik. Zeitschr. 8. 385. 1902.
84 K. A. Hofmann.
diese Messungen unsicher, da ein Teil der Wirkung innerhalb der
Salze selbst absorbiert wird und z. B. bei dem wasserfreien Bromid
in starkes sichtbares Phosphoreszenzlicht übergeht.
Der gleichfalls von den Curies in der Pechblende aufgefundene,
dem Wismut ähnliche Stoff, das Polonium?) läßt sich durch teil-
weise Fällung der salzsauren Lösung mit Wasser oder Extrahieren
des Nitrats mit verdünnter Salpetersäure in den leicht fällbaren
resp. ungelöst bleibenden Anteilen konzentrieren, besitzt aber nur
für kurze Zeit die durchdringende P-Strahlung. Die äußerst inten-
sive, die Luft ionisierende «&-Strahlung soll nach Angabe der
Curies?) und Giesels®; allmählich abnehmen, so daß man annahm,
das Polonium besitze nur vorübergehende, induzierte Aktivität. Doch
erhält man nach Marckwald*) beim Eintauchen eines Wismut-
stückchens in die salzsaure Poloniumlösung am Metall einen dunklen,
äußerst heftig &-wirksamen Anflug, dessen ionisierende Kraft nicht
abzunehmen scheint und der vermutlich ein dem Tellur nahe-
stehendes unbekanntes Metall enthält.
Die Bleipräparate aus uranhaltigen Mineralien sind zunächst
nicht wesentlich stärker aktiv als Uran, doch lassen sich, wie der
Verfasser) fand, durch Extrahieren mit verdünnter salzsaurer Chlor-
natriumlösung aus den leichtest löslichen Partien sehr stark wirksame
Präparate mit auffallenden chemischen Eigenschaften gewinnen. Der
die «-Aktivität dieser Bleisalze verursachende Stoff kann von dem
inaktiven Blei und einer unbekannten, gelb bis rot färbenden
Beimengung durch teilweise Zersetzung des Natriumthiosulfatdoppel-
salzes als zuerst ausfallendes Sulfid großenteils getrennt werden und
geht schließlich beim Behandeln des Chlorids mit einem alkoholischen
Gemisch von verdünnter Salzsäure und Schwefelsäure zum Unter-
schied von gewöhnlichem Blei in Lösung. Im übrigen sind die
analytischen Reaktionen dem Blei so ähnlich und so verschieden
vom Wismut, daß die Bezeichnung Radioblez gewählt wurde. Die
Aktivität dieser Präparate ist primär, d. h. nicht ‘durch Induktion
verursacht, da sie durch andere inaktive Stoffe, wie gewöhnliches
1) Compt. rend. 127. 175. 1898,
2) Compt, rend. 134. 85. 1902.
3) Ber. deutsch. chem. Ges. 36, 723. 1903.
4) Ber. deutsch. chem. Ges. 35. 2285. 1902.
5) Hofmann, Strauss u. Wölfl, Ber. deutsch. chem. Ges. 33. 3126. 1900;
34. 3035. 1901; 35. 1453. 1902 86. 1040. 1903.
Die radioaktiven Stoffe nach dem gegenwärtigen Stande der Forschung. 85
Wismut nur vorübergehend geschwächt wird!) und sich beim
trocknen Aufbewahren ohne weiteres wieder ersetzt. Die Strahlung
besteht aus den beiden Komponenten e und ß, doch überwiegt
bei den reineren Präparaten die «-Wirkung sehr beträchtlich. Die
viel gewöhnliches Blei enthaltenden, daher mäßig aktiven Sulfate
werden unter gewissen Bedingungen durch Kathodenstrahlen ?)
wesentlich verstärkt ($). Die Gesamtwirkung der reinsten Radioblei-
salze ist der des Urans um das mehrtausendfache überlegen.
Aus den zur Schwefelammongruppe gehörigen Substanzen der
Pechblende erhielt A. Debierne* durch mühsame Operationen
einen Stoff, der sich wie Thorerde verhält, aber 5000 mal stärker
aktiv ist als das Uran. Der Name „Aktinium“ mag hierfür bei-
behalten werden, wenn auch bezweifelt werden muß, ob dieses
Element vom Thorium prinzipiell verschieden ist. Daß die Thor-
verbindungen, aus verschiedenen Mineralien stammend, schwach
aktiv sind, hat zuerst C. G. Schmidt?) beobachtet und Ruther-
ford hat in einer langen Reihe von Arbeiten an Thorpräparaten
die wesentlichsten Eigenschaften der Radioaktivität aufgefunden.
Aber die ursprüngliche Stärke der Thorpräparate hängt nach
Hofmann) und Zerban von dem Urangehalte der verwendeten
Mineralien ab und vermindert sich allmählich, so daß nach Jahren
nur noch schwache &-Wirkung und fast gar keine $-Strahlung mehr
nachgewiesen werden kann. Aus uranfreiem norwegischen Gadolinit
erhielten Hofmann und Zerban durch die subtilsten für Thorerde
gültigen Trennungsverfahren inaktive Erde. Es ist demnach sehr
fraglich, ob die Radioaktivität als ein unveräußerliches Attribut des
Thoriumatoms angenommen werden darf.
Zu den Edelerden gehört außer dem Aktinium ein kürzlich
von F. Giesel% aus der Pechblende abgeschiedener Stoff, der
analytisch dem Lanthan gleicht und außer intensiver Strahlung die
nachher zu besprechende Emanation in sehr hohem Maße zeigt.
Im Vorhergehenden haben wir die einzelnen, aus ihrem natür-
lichen Vorkommen im aktiven Zustande erhältlichen Stoffe in tun-
1) Siehe p. 86 und Ber. deutsch. chem. Ges. 86. 1903.
2) Hofmann, Korn und Strauss, Ber. deutsch. chem, Ges. 34, 407. 1901
und 85. 1456. 1902, sowie Wied. Ann, 11. 397. 1903.
3) Compt. rend. 129. 593. 1899.
4) Wied. Ann. 65. 141. 1898.
5) Ber. deutsch. chem. Ges, 39. 531. 1457. 1902.
6) Ber. deutsch. chem. Ges. 36. 342. 1903.
86 K. A. Hofmann.
lichster Kürze kennen gelernt und wollen nun die Erscheinungen
der von ihren primären Trägern losgelósten ‚induzierten“ Radio-
aktivität betrachten.
Stellt man ein kleines Glas mit enger Öffnung, das etwas
Radiumsalz enthält, auf eine Glasplatte, legt in die Umgebung
Stückchen aus Blei, Kupfer, Aluminium, Glas, Ebonit, Karton,
Paraffın etc. und schließt dann das Ganze durch eine Glasglocke
nach außen hin ab, so werden nach einigen Tagen alle die genannten
Stoffe am Elektroskop stark wirksam,!) auch wenn sie vor der direkten
Strahlung des Radiumpräparats durch Bleischirme geschützt sind.
Diese induzierte Aktivität verschwindet an freier Luft in ca. 24 Stunden
und tritt nicht auf, wenn das erwähnte, Radium enthaltende Glas fest
verschlossen ist. Demnach geht von dem primär aktiven Radium-
salz ein flüchtiges Etwas aus, das sich an die verschiedenartigsten
Dinge anheftet und diese dadurch vorübergehend aktiviert. Zum
gleichen Schluß führt die Tatsache, daß das aus Radiumbromid ab-
destillierte Krystallwasser?) stark radioaktive Eigenschaften besitzt.
Noch stärkeren induzierten Effekt erzielt man nach Hofmann?)
und Wölfl durch Einhängen von Blei-, Silber-, Platin- und
namentlich Palladiumblech in die Lösungen aktiver Stoffe. So kann
man selbst mit mäßig aktiven (nicht konzentrierten) Bleisalzen (aus
Pechblende) Palladium derartig aktivieren, daß ein Elster-Geitel-
Elektroskop auf 3 cm Entfernung sofort entladen wird. Diese
Wirkung hält viele Wochen lang an und kann nicht durch die
elektrolytische Abscheidung eines aktiven Metalls bedingt sein, da
die erwähnten Edelmetalle vollkommen blank bleiben und durch
Abreiben mit feuchtem Papier nicht entaktiviert werden. Starkes
Glühen beseitigt aber die so induzierte «-Wirkung sofort, während
die -Strahlung erst allmählich erlischt. Dieses Verhalten der Radio-
aktivitat erinnert an die Erscheinungen der Okklusion von Gasen,
wie Wasserstoff, in den Edelmetallen, unter denen das Palladium
hierin besonders wirksam ist.
Sehr stark und ziemlich andauernd aktiviert werden viele Stoffe,
wenn man sie aus Lösungen primär wirksamer Salze von diesen
durch analytische Fällungsmethoden trennt. So fällt Baryum*) aus
1) P. Curie und A. Debierne, Compt. rend. 132, 548. 1901.
2) P. Curie und A. Debierne, Compt. rend. 133. 276. 1901.
3) Ber. deutsch. chem. Ges. 36. 1040. 1903.
4) A. Debierne, Compt. rend. 131. 333. 1900; F. Giesel, Ber. deutsch.
chem. Ges. 33. 1665. 1900.
Die radioaktiven Stoffe nach dem gegenwärtigen Stande der Forschung. 87
einem wässerigen Gemisch mit Uran- oder Aktiniumnitrat durch ver-
dünnte Schwefelsäure als vorübergehend aktives Sulfat aus, ohne
daß hierbei Uran mit gerissen wird. Die Platinmetalle!) werden
aus ihren mit Radiobleisalz gemischten Chloriden durch Formalin
in äußerst wirksamem Zustande abgeschieden. Hierbei, wie in vielen
ähnlichen Fällen, ist die Aktivität der induzierten Fällung oftmals
erheblich größer als die des (allerdings im Überschuß) angewendeten
primär aktiven Stoffs.
Wenn nach diesen Erfahrungen die Radioaktivität von ihren
primären Trägern auf andere Substanzen übergeht, so erhebt sich
die Frage, ob sie fern von fester oder flüssiger Materie im Gasraum
verweilen kann. In der Tat führt ein über Thorverbindungen
streichender Luft-, Wasserstoff- oder Kohlensäurestrom radioaktive
Teilchen fort, die ohne Verlust durch Watte und Lösungen hindurch- .
gehen und mehrere Minuten lang aktiv bleiben. Von der Strahlung
der Thorpräparate ist diese von Rutherford?) entdeckte Emanation
verschieden, denn sie pflanzt sich nicht geradlinig fort, sondern folgt
der jeweiligen Strömung des Gases, in dem sie sich befindet. Auch
wechselt die Quantität der ausgesendeten Emanation zum Unterschiede
von der Strahlungsintensität nach dem Zustande des erregenden
Thoriums. Fast wirkungsloses Nitrat steigert seine Emanation bei
der Lösung auf das 200fache des schwach geglühten Oxyds; dieses
verliert die bewußte Fähigkeit bei langem heftigen Glühen großen-
teils, erlangt sie aber wieder durch Lösen, Fällen und schwaches
Erhitzen. Die Filtrate von dem mit Ammoniak gefällten Thorhydr-
oxyd zeigten nach dem Eindampfen ein 1800—2500 mal vergrößertes
Emanationsvermögen und enthielten nur wenig Thorerde, deren
Wirksamkeit allmählich abnahm, während das durch Ammoniak gefällte
Oxyd fast inaktiv war, sich aber allmählich wieder verstärkte. Demnach
wird die Emanation von der aktiven Thorerde produziert, kann aber
von dieser durch analytische Operationen teilweise getrennt werden.
Ganz besonders kräftig emaniert der von Giesel aufgefundene, ’)
dem Lanthan ähnliche Stoff und auch das Radium?) zeigt diese
Erscheinung sehr stark.
1) Hofmann und Wölfl, Ber. deutsch. chem, Ges. 36. 1043. 1903.
2) Journ. Chem. Soc. 81. 321. 1902; Phil. Mag. 49. 1 u. 161; Zeitschr. phys.
Chem. 42, 81.
3) Ber. deutsch. chem, Ges. 36. 342. 1903.
4) Journ. Chem. Soc. London 81. 342; Proc. Chem. Soc. 18. 219. 1902
E. Dorn, Abh. naturf, Ges. Halle 1900.
88 | K. A. Hofmann.
Im allgemeinen ist das ausgesendete fragliche Etwas chemisch
indifferent, wird also von Absorptionsmitteln nicht aufgenommen,
verträgt auch hohe Temperaturen und kann durch sehr starke Ab-
kühlung (— 130°) kondensiert werden.
Überall nun, wo die Emanation hin gelangt, erregt sie induzierte
Aktivität und ganz besonders an negativ elektrisch geladenen Stoffen,
von deren Oberfläche sie durch Salzsäure, Schwefelsäure, Flußsäure,
Ammoniak weggenommen werden kann, so daß diese Reagentien
dadurch radioaktiv werden.
Aus der durch ein negatives Potential bewirkten Anziehung und
der nach Giesel!) im elektrischen Felde von der positiven zur
negativen Elektrode gerichteten Beschleunigung muß gefolgert werden,
daß die Emanation selbst positive Ladung besitzt. Vielleicht ist sie
mit den positiven Ionen der von der Anode einer Entladungsröhre
ausgehenden Kanalstrahlen verwandt.
“ Vorhandensein der Radioaktivität in der Atmosphäre und
dem Erdboden.
Die Quelle der Radioaktivität und ihrer Emanation scheint
nach dem vorhergehenden auf die Uran- oder Thormineralien und
deren Komponenten beschränkt zu sein und in der Tat wird
man zur Herstellung kräftig wirkender radioaktiver Stoffe zunächst
auf diese Ausgangsmaterialien zurückgreifen müssen. Aber doch
sollte man bei der Fähigkeit der Aktivität, als Emanation in den
umgebenden Gasraume überzutreten, erwarten, daß in dem weiten
Luftmeer wenigstens Spuren des fraglichen Etwas anzutreffen seien.
Und wirklich haben Elster und Geitel in dieser Hinsicht außer-
ordentlich wichtige Beobachtungen gemacht. Ihre Versuche 3) lieferten
zunächst den Nachweis, daß die Fähigkeit der atmosphärischen Luft,
die Ladungen des Elektroskops zu zerstreuen, nach Tages- und
Jahreszeit erheblich varriiert. Während man früher glaubte, daß die
Elektrizität durch Staub- und Nebelteilchen von dem Leiter fort-
genommen würde, wiesen Elster und Geitel nach, daß im Gegen-
teil die Atmosphäre um so schlechter entladend wirkt, je mehr sie
mit Staub, Rauch oder Nebel erfüllt ist und daß die höchsten Zer-
streuungswerte bei großer Reinheit der Luft zu beobachten sind,
besonders im März und April, wenn in den Intervallen von Graupel-
und Regenboén aus N. und N.W. bei tiefblauem Himmel die Fern-
ı) Ber. deutsch, chem. Ges. 36. 346. 1903.
2) Wied. Ann. 4. Folge 2. p. 425. 1900.
Die radioaktiven Stofe nach dem gegenwärtigen Stande der Forschung. 89
sicht abnorm klar ist. Somit kommt der Hauptanteil des am
Elektroskop!) zu beobachtenden Elektrizitätsverlustes auf eine wahre
Leitung durch die Luft zurück. Daß diese Leitung nicht in einem
Übergange der Ladung auf die Gasmoleküle selbst bestehen kann,
folgt sowohl aus dem elektrischen Verhalten der Gase im allgemeinen,
wie aus der Tatsache, daß die Zerstreuung im geschlossenen Elektro-
metergehäuse gegen die im freien Raume gemessene außerordentlich
klein ist. Es müssen vielmehr in der Luft Vehikel nicht staubartiger
Natur in beschränkter Anzahl vorhanden sein, die, indem sie den
Elektrizitätstransport in ihr übernehmen, eben hierdurch an die Elek-
troden getragen und dort haftend außer Wirksamkeit gesetzt werden.
Dies führt zu der Annahme, daß die natürliche Luft von vornherein
positiv und negativ geladene Teilchen enthält, also zonzsiert ist.
Die Berechtigung dieser Hypothese wurde von Elster und
Geitel durch interessante Versuche erwiesen und die Veränderlich-
keit des lonisierungsgrads nach zeitlichen und örtlichen Bedingungen
festgestellt. Als Ursache der Ionenbildung könnten zunächst die
ultravioletten Strahlen des Sonnenlichtes angesehen werden, da, wie
besonders H. Ebert?) beobachtete, die Leitfähigkeit der Luft mit
der Erhebung in der freien Atmosphäre zunimmt und das ultra-
violette Licht des elektrischen Funkens in dem erwähnten Sinne
auf die Luft wirkt. Aber sonderbarerweise ergaben große Massen
abgeschlossener Luft, z. B. in Kellern oder Höhlen abnorm hohe
Zerstreuungswerte und diese erreichen den größten Betrag bei der
Luft, die mittels eines Glasrohrs aus geringer Tiefe (1*/, m) dem
Erdboden?) entnommen wurde. Treibt man Zimmerluft durch
Wasser,*) so gewinnt sie eine Leitfähigkeit, die den normalen Wert
anfangs um etwa das 20fache und nach 40 Stunden noch um das
sfache übertrifft. Die Leitfähigkeit bleibt bestehen, wenn die Luft
aus einem Gefäß in ein anderes übergesaugt wird oder wenn sie
eine zur Dunkelrotglut erhitzte Röhre mit Drahtgaze passiert. Wurde
statt der Luft Leuchtgas benutzt, so war der Effekt viel kleiner;
dieser kann deshalb nicht allein auf der Sättigung mit Wasserdampf
beruhen. Welcher Art die Luftionen sind, weiß man zur Zeit noch
nicht, wohl aber kann man annehmen, daß ihre Bildung auf ähn-
1) Solche Elster-Geitel-Elektroskope sind von der Firma Günther & Teget-
meyer in Braunschweig zu beziehen.
2) Wied. Ann. 5. 718. 1901.
3) Elster und Geitel, Phys. Zeitschr. 3. 574. 1902.
4) J. J. Thomson, Phil. Mag. [6.] 4. 352. 1902.
90 K. A. Hofmann.
lichen Vorgängen beruht, wie sich solche auch an den festen radio-
aktiven Stoffen abspielen!) und daß die stark ionisierte Luft die
Eigenschaften der Radioaktivität besitzt. Um diese zu konzentrieren,
braucht man nur einen auf mehrere 1000 Volt negativ geladenen
Gegenstand, am besten einen Kupfer- oder Aluminiumdraht während
einiger Stunden gutleitender Luft auszusetzen, alsdann ist der Draht
oberflächlich radioaktiv.) Durch Abreiben mit einem ammoniak-
getränkten Leder oder Flanellläppchen geht die Aktivität auf dieses
über und bleibt auch nach dem Veraschen einige Zeit lang erhalten.
Diese Aktivität ist um so stärker, je besser die Luft, in der der
Draht exponiert war, leitete, und kann immerhin deutliche Effekte
am Elektroskop und auf der photographischen Platte liefern. (Eine
etwas andere, auf elektrischer Spitzenentladung beruhende Anordnung
lieferte A. Sella?) ähnliche Resultate) Die Strahlung der von Luft
erregten Aktivität wird weniger absorbiert*) als jede andere Art von
Strahlung; doch bedeutet dies keinen prinzipiellen Unterschied, da
ja auch die aktiven Bestandteile der Uranmineralien nicht nur hin-
sichtlich des Verhältnisses der leicht absorbierbaren &-Wirkung zur
durchdringenden A-Strahlung wesentlich von einander abweichen,
sondern auch die $-Strahlung selber nach ihrem Durchdringungs-
vermögen erhebliche Abstufungen5) erkennen läßt (Rutherfords
y-Strahlen).
Betrachtungen über das Wesen der Radioaktivität.
Nach dem Vorhergehenden äußert sich die Radioaktivität in
Strahlungserscheinungen und in der Aussendung der flüchtigen
Emanation. Da diese von negativ elektrischem Potential angezogen
wird, dürfte sie aus positiv geladenen Teilchen (unbekannter Natur)
bestehen. Die Strahlen sind im Magnetfelde teilweise ablenkbar
und zerfallen danach wie auch hinsichtlich ihrer Durchdringungs-
fahigkeit in zwei Gruppen. Die «-Strahlen®) werden jedenfalls kaum
merkbar (nach Rutherford schwach und entgegengesetzt den
1) Siehe Seite 8of.
2) Elster und Geitel, Wied. Ann. 4, Folge 2. p. 425ff. 1900.
3) Rend. R. Acc. dei Linc. (5.) 11. 1. Sem. p. 57. 242. 1902.
4) E. Rutherford und S. J. Allen, Phys. Zeitschr. 8. 225. 1902.
5) E. Rutherford und S. G. Grier, Phys. Zeitschr. 3, 385. 1902; Phil.
Mag. D. 177. 1903.
6) E. Rutherford, Phil. Mag. [6.] 5. 177. 1903.
Die radioaktiven Stoffe nach dem gegenwärtigen Stande der Forschung. QI
Kathodenstrahlen) vom Magneten beeinflußt, werden leicht, selbst in
der Luft absorbiert und erhöhen damit deren elektrische Leitfähig-
keit. Sie bilden stets den Hauptteil der Strahlung (bei Polonium
sogar deren schließlichen Gesamtbetrag), und scheinen aus positiv
elektrischen Teilchen zu bestehen. Die -Strahlen werden vom
Magneten stark abgelenkt, haben kräftiges Durchdringungsvermögen,
liefern den photographischen Effekt und können nach ihrer Ähnlich-
keit mit den Kathodenstrahlen als frei fliegende negative Elektronen
(die Elementarquanten der negativen Elektrizität) aufgefaßt werden.
Daß in der Tat mit der radioaktiven Strahlung elektrische Vorgänge
verbunden sind, folgt aus einem Versuch der Curies!), wonach
eine von Radiumstrahlen getroffene Metallplatte negativ elektrisch
wird, während das Radiumpräparat selbst positive Ladung annimmt.
Die Produktion stofflicher Teilchen durch das aktive Präparat
scheint aus der von den Curies gemachten Beobachtung hervor-
zugehen, daß das Vakuum in einem Raume, der eine Radiumver-
bindung enthält, allmählich schlechter wird, indem sich ein Gas
entwickelt, welches Glas zur Phosphoreszenz erregt und auf die
photographische Platte wirkt. Auch hat A. Heydweiller?) eine
zeitliche Gewichtsänderung radioaktiver Substanz nachweisen können,
indem er 5 g eines radioaktiven Präparats von de Haén (wohl radium-
haltiges Baryumbromid) in ein Röhrchen aus alkalifreiem Jenenser
Glas einschloß und dieses längere Zeit mit einem gleichen, Glas-
stückchen enthaltenden Röhrchen an einer empfindlichen Wage ver-
glich. Die Gewichtsabnahme betrug in 24 Stunden ungefähr 0,02 mg.
Da diesem Gewichtsverluste eine Abnahme der potentiellen Gravi-
tationsenergie von 1.2 X 10’ Erg entspricht und Becquerel für
die Energie der Radiumstrahlung einen ähnlichen Wert berechnet
hat, so könnte man schließen, daß bei der Strahlung die produzierte
Radioenergie aus der Abnahme von potentieller Gravitationsenergie
gedeckt wird. Wenn auch die erwähnten Versuche noch der Be-
stätigung bedürfen, so wäre selbst dadurch, daß die Gewichtsverluste
von andern Beobachtern nicht konstatiert würden, doch die Annahme,
daß radioaktive Strahlung und Emanation aus fortbewegten Teilchen |
bestehe, noch nicht widerlegt; denn selbst mit minimalem stofflichen
Transport können sehr augenfällige Energievorgänge verbunden sein.
Für die Kathodenstrahlteilchen (Elektronen) ergibt sich das Ver-
m
1) Compt, rend. 130. p. 647. 1900.
2) Phys. Zeitschr. 4. p. 81. 1902.
92 H. A. Hofmann.
haltnis der elektrischen Ladung zur Masse = 1.8 x 10” und es
fragt sich überhaupt, ob die Masse der Elektronen auch nur teilweise
materiell wágbar ist. Von verschiedenen Seiten wurde behauptet!):
Die Masse des Elektrons ist rein elektromagnetischer Natur und die
Elektronen sind die Atome der negativen Elektrizität, also nicht
materieller Art.
Da nun die Strahlung radioaktiver Stoffe von der Verbindungs-
form fast unabhängig ist (das sekundäre Phosphoreszenzlicht aus-
genommen), so muß die Quelle nicht im Molekül, sondern in dem
betreffenden Metallatom (z. B. dem Radium) gesucht werden. Ob
dieses durch einen von selbst verlaufenden Zerfallsprozeß die treibende
Energie liefert oder ob ihm nur die Rolle eines Transformators
gegenüber einer von außen wirkenden Energie zukommt, kann zwar
nicht mit Sicherheit entschieden werden, doch sprechen sehr ge-
wichtige Gründe für die letztere Ansicht.
So wurde schon von den Curies und auch von Giesel
beobachtet, daß Radiumbromid gleich nach dem Auskrystallisieren
aus seinen Lösungen nur geringe Aktivität besitzt und diese erst
nach einigen Tagen im vollen Umfang erhält; an Radiobleisalzen
fand der Verfasser,?) daß sie ihre Aktivität bei Gegenwart von viel
gewöhnlichem Wismut so vollständig an dieses abgeben, daß nach
bewirkter chemischer Trennung zunächst keine Wirksamkeit (weder
am Elektroskop noch auf der Platte) der verwendeten Bleisalze
nachweisbar ist. Nach mehreren Tagen aber stellt sich diese von
selbt wieder ein (viel schneller unter dem Einfluß starker Kathoden-
strahlen).
Die Aktivität ist demnach nicht unveräußerlich mit den Atomen
der radioaktiven Stoffe verbunden, sondern sie entwickelt sich in
oder an ihnen. Im Sinne der letzteren Annahme vermuteten die
Curies, daß überall im Raume Strahlen vorhanden seien, die fast
alle Stoffe ohne nachweisbare Absorption durchdringen und deshalb
nicht allgemein nachweisbar sind, die aber von den Atomen der
radioaktiven Stoffe absorbiert werden und dabei in die Energie der
Becquerelstrahlen übergehen.
Wenn diese ursächlichen Strahlen in elektromagnetischen
Schwingungen von anderer Frequenz als die Lichtstrahlen und
1) P. Drude, Ann. d. Phys. 1. 566. 609. 1900; W. Kaufmann, Phys.
Zeitschr. $. 54. 1902; M. Abraham, Ann, d. Phys. 10. 105. 1903.
2) Ber. deutsch. chem. Ges. 36. 1903.
Die radioaktiven Stofe nach dem gegenwärtigen Stande der Forschung. 93
Hertzschen Wellen bestehen, dann läßt sich denken, daß durch
sie gewisse, darauf abgestimmte Atome so stark erschüttert werden,
daß aus ihnen selbst oder aus dem angrenzenden Äther Elektronen
fortgeschleudert werden. Diese Elektronen bilden nach neueren An-
schauungen!!) in gewissem Sinne Teile der Metallatome: sie repräsen-
tieren deren Valenzen. Bei ihrer Betätigung, z. B. bei der Ver-
einigung von Natrium mit Chlor tritt das negative Elektron des
Natriums auf das Chlor über, so daß dieses in verdünnter wässeriger
Lösung als negativ elektrisch geladenes Chlorion erscheint, während
das Natrium nach Verlust seines Elektrons zum positiven Ion wird.
Das metallische Natrium selbst ist die Verbindung seines im freien
Zustande positiv elektrischen Ions mit eznem Elektron. Die Anzahl
dieser negativen Elektronen an einem Metallatom ist gleich der
Anzahl Valenzen, die dieses den Halogenen oder dem Sauerstoff
gegenüber betätigen kann.
Faßt man das Radiumatom als solch eine Elektronenverbindung
auf, dann ist der Zerfall unter dem erschütternden Einfluß der von
außen kommenden Schwingungen nicht befremdlich; denn die
Spaltung in positives Metallion und in negative Elektronen ist ver-
gleichbar mit der Zersetzung eines Chlorids in seine Komponenten;
man kann sie für einen spezielleren Fall von Dissoziation ansehen.
So läßt sich das Auftreten von negativen Elektronen in der radio-
aktiven Strahlung wohl erklären, nicht aber die Anwesenheit von
positiven Teilchen in den «-Strahlen und in der Emanation. Diese
können nach allen bisher ermittelten Tatsachen nicht so grob-
materieller Natur sein wie das Radiumion, das nach dem Entweichen
der Elektronen als positiver Rest zurückbleiben muß. Nun vermuten
allerdings mehrere Physiker,? daß die Atome der radioaktiven
Metalle weiterhin zerfallen können und daß dadurch positive Elek-
tronen entstehen; aber dann müßte man für die radioaktiven Stoffe
den Elementbegriff aufgeben, oder den folgenschweren, bisher nicht
bestätigten Schluß ziehen, daß Elemente zerlegbar seien. Wegen
dieser vom chemischen Standpunkte aus vorerst kaum zu vertreten-
den Konsequenzen möchte der Verfasser eine andere Anschauung
bevorzugen, wonach die radioaktiven Atome nur die Rolle von
Kontaktsubstanzen spielen, in deren Gegenwart durch die von den
Curies vorausgesetzte, überallvorhandeneSchwingung der umgebende
1) J. J. Thomson, Phil. Mag. 48. 547. 1899; Wied Ann. Beibl. 24, 301.
1900; G. C. Schmidt, Das Problem der Urmaterie, Chem. Zeitschr. 1. 177. 1902.
2) z. B. Geoffroy Martin, Chem. News 85. p. 205.
94 B. Donath.
¡_I[IAc—_— e 5 5 5 5 a a a a Ey =
Äther verändert wird. Sollte dieser das Vereinigungsprodukt von
positiver und negativer Elektrizität, also die neutrale Verbindung
von positiven und negativen Elektronen sein, dann kann durch
gewisse Erschütterungen eine Dissoziation in diese Komponenten
erfolgen, deren alsbaldige Wiedervereinigung durch die erteilte Be-
wegungsenergie sowie dadurch verhindert wird, daß die positiven
Ionen sich mit neutralen Teilchen, z. B. den Gasmolekülen, zu
umfangreicheren, daher trägen Komplexen verbinden. Da Kontakt-
substanzen, als welche hier die radioaktiven Stoffe angesehen werden,
nur an sich mögliche Vorgänge beschleunigen, so folgt, daß auch
fern von den besonders wirksamen Komponenten der Pechblende,
also in der Luft, Radioaktivität in geringem Maße auftreten kann,
wie dies ja die neuesten Forschungen!) ergeben haben.
Wie immer man über diese Anschauungen urteilen mag, sie
wurden hier gebracht, um zu zeigen, welch große Erwartungen auf
die zukünftigen Resultate in dem Gebiete der Radioaktivität gerichtet
sind. Man darf hoffen, an der Hand dieser Erscheinungen einen
Einblick in den Bau der Atome oder in die Natur des Weltäthers
zu gewinnen.
(Eingegangen am 16. April 1903.)
Der Projektionsapparat der Urania für Dreifarbenphotographie.
Von B. Donath.
Das Interesse an der Farbenphotographie ist durch den viel-
besprochenen Versuch der Urania in Berlin, die Dreifarbenprojektion
bei sich als dauerndes Demonstrationsmittel für die Zwecke natur-
wissenschaftlicher Belehrung einzuführen, wesentlich belebt worden.
Das etwas gewagt erscheinende Unternehmen ist wohl gelungen,
nicht zum wenigsten durch den wertvollen Rat und die tätige Bei-
hilfe von Professor Miethe, dessen Untersuchungen über den Gegen-
stand bekannt sind. Die Miethesche panchromatische Platte hat
die praktische Durchführbarkeit des Verfahrens in der Tat erst
1) cf. Seite 88.
Der Projektionsapparat der Urania für Dreifarbenphotographie. 95
ermöglicht. Die Aufnahmen glückten vortrefflich. Große Schwierig-
keiten bot dagegen die Reproduktion aus naheliegenden Gründen.
Sollten die Bilder einem großen Auditorium vorgeführt werden, so
mußten sie eine stattliche Größe und dabei doch eine ansehnliche
Lichtstärke besitzen, sollten sie ferner in den Dienst wissenschaft-
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licher Belehrung aller Art treten und nicht nur ein interessantes,
optisches Experiment darstellen, so durfte man billig verlangen, daß
die Justierung der drei Teilaufnahmen in wenigen Sekunden erfolgte,
und zwar dem Blick des Beschauers verborgen. Aus wissenschaft-
lichen Gründen hätte es am nächsten gelegen, nach dem Ivesschen
Muster das Licht einer einzigen Projektionslampe in drei Kompo-
Zeitschr. f. wiss, Phot. 1. 8
96 | B. Donath.
nenten zu zerlegen. Praktisch zeigte sich jedoch diese Anordnung,
wie es auch Miethe bei seinen Versuchen erkannt hatte, undurch-
führbar. Es ist in der Tat bei weitem leichter, das Licht dreier
Lampen von je 65 Amp. Stromstärke auf gleicher Intensität zu
erhalten, als eine einzige Monstrelampe von 200 Amp. Stromstärke
technisch zu beherrschen und ohne Gefahr für die gesamte optische
Einrichtung unterzubringen. Schon mit Lampen von 65 Amp. dürfte
man an der oberen Grenze der Möglichkeit angelangt sein. Da in
jeder Bogenlampe von der zugeführten elektrischen Energie etwa
go°/, in Wärme übergehen, steigt die Temperatur bei einer Gesamt-
umsetzung von 45 HP, wie im vorliegenden Fall, begreiflicherweise
in ganz kurzer Zeit zu einer bedenklichen Höhe. Man hat diesen
Übelstand beim Bau des Dreifarbenapparats für die Urania voraus-
gesehen und von vornherein für eine möglichst luftige Konstruktion
gesorgt. Die drei Lampen sind (vergl. die Abbildung) sowohl von
dem optischen System, als auch untereinander durch langsam auf-
steigende Luftschichten getrennt. Präzisions-Voltmeter dienen einer
steten Kontrolle der Spannung und gestatten, ohne einen Einblick
in die Lampen zu erfordern, eine vorzügliche Regulierung der mit
exzentrischen Dochten versehenen Kohlen. Dreifache Kondensatoren
vercinigen das Licht auf die Teilbilder. Um die Verluste durch
Absorption und Reflexion, welche gerade bei den farbigen Bildern
sehr schmerzhaft empfunden werden, nach Möglichkeit einzu-
schränken, sind die Kühlgefäße in den Abschnitt des parallelen
Strahlengangs eingefügt und zugleich als Farbenfilter ausgebildet.
Filter vor den Objektiven bringen stets große Reflexionsverluste mit
sich, stören bei jeder Erschütterung die Koinzidenz der Bilder und
sind daher praktisch zu verwerfen. Für die Justierung der Teilbilder
hat sich die einfachste Methode am besten bewährt, nämlich die
Befestigung auf einem Spiegelglasstreifen mit einem heiß aufgetragenen
Kitt aus Kolophonium und Wachs. Nachdem die Objektive so weit
seitlich verschoben sind, daß drei auf den optischen Achsen und in
der Bildebene liegenden leuchtenden Punkte auf dem Schirm zur
Deckung kommen, wird zunächst das Rotbild befestigt, darauf —
unter Betrachtung der Wirkung auf dem Schirm — das Grünbild
und darauf das Violettbild. Handarbeit ergibt bei einiger Übung
die allerbesten Resultate. Da der an den Rändern rund geschliffene
Spiegelglasstreifen rechts und links nur zwei Unterstiitzungspunkte
hat, und durch Federn gegen die Bildbahn gedrückt wird, kommt
er mit Sicherheit stets wieder in dieselbe Lage. Seitliche Ver-
Der Projektionsapparat der Urania für Dreifarbenpholographie. 97
schiebung ist durch Anschläge verhindert, würde aber natürlich nicht
viel schaden. Bei jeder Neuaufstellung des Apparats genügt es
daher, mit Hilfe der Objektiv-Mikrometer ein einziges Bild auf dem
Schirm zu justieren, um sofort die Koinzidenz aller übrigen erreicht
zu haben. Das Auswechseln der Bilder dauert etwa 5 Sekunden
und genügt daher allen Ansprüchen, welche man an eine praktische
Projektion stellen kann. Die größte Sorgfalt ist auf den Bau des
gesamten Apparats verwendet worden. Jede noch so kleine Ab-
weichung bringt bei der starken Vergrößerung (die Projektions-
leinwand hat eine Fläche von 35 qm) unleidliche Störungen auf
dem Schirm hervor. Lampen sowohl wie alle Linsensysteme laufen
daher auf optischen Bänken und sind nach drei rechtwinkligen
Koordmaten zueinander verschiebbar. Eine Feinkorrektur während
des Betriebs ist nur für das Rotbild vorgesehen, wird jedoch selten
in Anspruch genommen. Da sich auch bei sehr genauen Schab-
lonen bunte Außenränder des Bildes nicht ganz vermeiden lassen,
ist der Projektionsschirm mit einem breiten Rand aus schwarzem
Samt versehen, der den Schönheitsfehler ganz verschwinden läßt.
Die erst versuchsweise eingeführte Einrichtung hat sich so gut
bewährt, daß sie dauernd bestehen bleiben soll. Von allen konkur-
rierenden Projektions-Objektiven konnten allein in Bezug auf Schärfe
der Zeichnung und Lichtdurchlässigkeit die Voigtländerschen
Triple-Anastigmate den hohen Ansprüchen genügen.
Der von Ernecke erbaute Dreifarbenapparat dient gleichzeitig
auch der gewöhnlichen, wie der opaken und mikroskopischen Projektion.
Nachdem er nunmehr über zwei Monate täglich im Betriebe ist, kann
man seine Leistung beurteilen und als durchaus zufriedenstellend be-
zeichnen. Die Bedienungsmannschaft hat sich auf die Meßinstrumente
und die richtige Beurteilung des Kohlenabbrandes so gut eingearbeitet,
daß eine stundenlange Synthese der Farbenkomponenten zu reinem
Weiß ohne Schwierigkeiten gelingt. Jede dem Auge bemerkbare
feinste Farbennüanca kommt daher in größter Vollkommenheit bei
der Reproduktion wieder zum Ausdruck und verleiht den Bildern den
Stempel größter Naturwahrheit. Naturwahrheit in Form und Farbe
wünscht aber die belehrende Wissenschaft zuallererst; sie wird daher
der Urania Dank wissen, daß sie auf die Anregung Professor
Miethes hin den kostspieligen Versuch mit der praktischen Durch-
führung der Dreifarben-Projektion gewagt hat.
(Eingegangen am 29. April 1903.)
g*
98 Referate.
Referate,
Lumineszenz.
Alex. de Hemptinne. Sur la Luminescence des Gas. (Académie
Royale de Belgique. Bulletin de la classe des Sciences. No. 11.
P- 775—795. 1902.)
Gase, die unter stark vermindertem Drucke stehen, geraten durch
die Einwirkung elektrischer Schwingungen ins Leuchten. Verf. suchte
für 8 Gase und Dämpfe den höchsten Druck zu ermitteln, bei welchen
Lichterscheinungen noch bemerkbar sind. Wasserstoff beginnt am leich-
testen, also bei den höchsten Drucken, zu leuchten. Die anderen Stoffe
verhalten sich unregelmässig, und je nach den Versuchsbedingungen
ändert sich ihre Reihenfolge in der Leuchtfähigkeit. Von großem Einflusse
erweist sich die Länge der Funkenstrecke im primären Stromkreis; auch
die in diesem Kreis eigeschalteten Kapazitäten sind wichtige Faktoren.
Irgendwelche gesetzmäßige Beziehungen lassen sich nicht beobachten;
das Molekulargewicht scheint keine Rolle zu spielen. Verfasser spricht
die Ansicht aus, daß im leuchtenden Gase sich Korpuskel vom Molekül
loslösen könnten und sucht dies durch Versuche mit Gasgemengen zu
erhärten. Das Gemenge von Schwefelkohlenstoff mit Wasserstoff würde
sich deswegen rascher zersetzen als ein solches mit Stickstoff, weil das
Molekül des Wasserstoffs leuchtfähiger und daher geneigter ist zur Aus-
sendung von Korpuskeln als das des Stickstofls. Durch den Anprall
der Korpuskel an die Moleküle des Schwefelkohlenstoffs soll dessen
Zersetzung beschleunigt werden. H. Kauffmann.
Radioaktivität. Elektronen.
G. C. Schmidt. Über die Emanation des Phosphors. (Physik.
Zeitschr., 4. No. 10. S. 293—295. 1902.
In einer früheren Abhandlung hat der Verfasser (Physik. ZS. 3.
475. 1902) dargelegt, daß die Leitfähigkeit der Luft in Gegenwart von
sich oxydierendem Phosphor auf der Konvektion der Elektrizität durch
die festen, nebelförmigen Oxydationsprodukte beruhe und nicht auf dem
Vorhandensein von Ionen. Im Gegensatz hiezu führt F. Harms
(Physik. Zeitschr. 4. 111. 1902) die Leitfähigkeit auf Anlagerung von Elek-
tronen an diese Oxydationsprodukte zurück und hält sie für ähnlich
der von Flammengasen. Verfasser hat weitere Versuche angestellt,
welche seine Ansicht nur noch verstärkten. Die nebelförmigen Oxydations-
produkte sind gute Leiter der Elektrizität. Sie laden sich in der Nähe
einer elektrischen Platte durch Influenz und bewegen sich dann in be-
kannter Weise den elektrischen Gesetzen folgend. Damit die Versuche
gelingen, ist die Anwendung feuchter Luft und höherer Spannung (bis
zu 100 Volt) erforderlich, Bedingungen, welche bei den Versuchen von
F. Harms nicht zutreffen. Festes, ganz trockenes Phosphorsäureanhydrid
leitet nicht, nur feuchtes. Bei der chemischen Untersuchung des Nebels
wurden gefunden Phosphor, phosphorige Säure, unterphosphorige Säure,
Referate. 99
dagegen keine Ammoniaksalze (Elster und Geitel, Wied. Ann. 39. 326.
1890). Verfassers frühere Resultate beim Salmiakdampf haben sich
aufs neue bestätigt, dagegen lassen sich die Ergebnisse beim Tabakrauch
nicht aufrecht erhalten, da Salze mitgerissen werden, die das Elektro-
meter laden. Zum Schlusse hebt der Verfasser nochmals hervor, daß
seine Versuche ohne Heranziehung der Elektronentheorie sich leicht in
der angegebenen Weise erklären. H. Kauffmann.
W. M. J. Hammer. Radium, Polonium and Actinium. (The
Chemical News, Vol. LXXXVII, No. 2251. S. 25—27. 1903).
Ein auf der 1509. Versammlung des „American Institute of Electrical
Engineers“ gehaltener Vortrag, der die bis jetzt bekannten radio-aktiven
Erscheinungen zum Thema hatte. Neben chemischen und physikalischen
Eigenschaften der radio-aktiven Stoffe wurden auch deren physiologische
in Betracht gezogen. Der Vortragende, der Curie besucht hatte, teilte
einige interessante Bemerkungen dieses französischen Forschers mit.
Nach dessen Dafürhalten würde der Aufenthalt in einem Raum, der
I kg reines Radium enthielte — eine Menge, die bis jetzt noch nicht
gewonnen wurde — Verlust des Gesichtssinnes und Verbrennen der
Haut, sogar den Tod bewirken. Das Radium wird in Paris zu 100
Dollars pro Gramm verkauft. Das in Frankreich auf den Markt ge-
brachte Radium ist 7000 mal wirksamer als Uran, und seine Herstellung
untersteht der Oberaufsicht von Curie. H. Kauffmann.
K. A. Hofmann und F, Zerban. Über radioaktives Thor.
(Ber. der deutsch. chem. Ges. 35. S. 531—533. 1902.)
Aus Bröggerit, Cleveit und Samarskit hergestellte Präparate von
Thoroxyd sind radioaktiv, verlieren aber mit der Zeit ihre Aktivität
beinahe vollständig. Präparate, die im Juni 1901 sogar durch Glas hin-
durch die photographische Platte stark schwärzten, ließen im Januar
1902 innerhalb 10 Stunden durch Glas, die meisten auch durch Alu-
miniumblech hindurch keine Wirkung mehr erkennen. Demnach ist an-
zunehmen, daB die Aktivität der Thorerde aus Bröggerit, Cleveit und
Samarskit keine primäre, sondern nur eine induzierte sei, und die Ver-
mutung, daß die Induktion von in genannten Mineralien stets vorhandenen
Uran herrühre, läßt sich leicht bestätigen. Thorerde aus brasilianischem
uranfreiem Monazitsande ist vollständig inaktiv, erlangt aber Aktivität
durch längere Berührung mit schwach aktivem Uran. Die Thormineralien
liefern umso weniger aktive Thorerde, je geringer ihr Urangehalt ist.
Während Bröggerit und Cleveit reich an Uran sind und stark aktives
Thor enthalten, findet sich im Samarskit nur wenig Uran und dement-
sprechend auch weniger aktives Thor. Dasselbe gilt für die uranarmen
Mineralien Thorit und Orangit. H. Kauffmann.
K. A. Hofmann und V. Wólfl. Über das radioaktive Blei.
(Ber. d. deutsch. chem. Ges. 35. S. 692—694. 1902.)
In Bleipräparaten aus uranhaltigen Mineralien befinden sich Bei-
mengungen, die mit Hilfe der gebräuchlichen analytischen Methoden
100 Referate. .
nicht entfernt werden kónnen. Nach Giesel (Chem. Ber. 35. S. 102.
1902) sind in diesen Práparaten von Radioblei neben Blei nur sehr
geringe Mengen eines stark radioaktiven Stoffes verhanden. Verf. haben
nun aufs neue Sulfate des Radiobleies auf einem rascher zum Ziele
führenden Wege hergestellt und finden auch durch die photographischen
Wirkungen die Existenz eines früher nicht beachteten, dem Blei nahe-
stehenden, stark radioaktiven Stoffes bestätigt. Von Giesel ist bean-
standet worden, daB die durch Glas hindurch hervorgerufenen photo-
graphischen Effekte ein Kriterium für die Radioaktivität seien, da diese
nur durch das Phosphoreszenzlicht des Sulfats zu stande käme. Verf.
weisen diesen Einwand zurück, da die Phosphoreszenz eine Wirkung der
Becquerelstrahlen und damit ein Kriterium für das Vorhandensein letzterer,
also auch ein solches für die Aktivität ist. H. Kauffmann.
Photochemie.
Gibson Dyson und Arthur Harden. Die Verbindung von
Kohlenmonoxyd mit Chlor unter dem Einfluß des Lichts.
(Journ. Chem. Soc. 83/84. 201—205. 1902.)
Die Bildung von COCI, durch das Licht läßt sich ohne Anwendung
eines absorbierenden Mediums leicht durch die Volumverminderung des
CO-Cl,-Gemisches verfolgen, und die Bildung von Zwischenprodukten,
wie sie Pringsheim für Chlorknallgas angenommen hat, scheint aus-
geschlossen. Zwei Glasröhren von 108 ccm Inhalt, die zur Aufnahme
der Gase bestimmt waren, waren untereinander durch Hahnrohre ver-
bunden und an ein Manometer mit Schwefelsäure angeschlossen. Die
Röhren befanden sich in fließendem Wasser zur Konstanterhaltung der
Temperatur. — Das Kohlenoxyd wurde aus ameisensaurem Natron und
verdünnter Schwefelsäure durch leichtes Erwärmen entwickelt; das Chlor
wurde nach Harker (Zeitschr. f. phys. Chem. 9. 673. 1892) hergestellt,
indem zuerst. Chlorgas in Wasser geleitet und dann durch Erwärmen
wieder frei gemacht wurde. Die Füllung der Glaszylinder beanspruchte
drei Stunden; nach 16 Stunden war die Mischung der Gase durch
Diflusion gleichmäßig geworden. — Das Vorhandensein der Induktion
zeigt sich sehr deutlich; die im Dunkeln sich selbst überlassenen Gase
gehen wieder in den nicht induzierten Zustand zurück; bei verschiedenen
Versuchen war die Induktionsdauer und die endgültige Empfindlichkeit
gegen Licht verschieden. Einer zweiten Belichtung entsprach eine zweite
Induktionsperiode. Bei diesen Versuchen diente ein Argandbrenner als
Lichtquelle; die Volumverminderung hält nach dem Aufhören der Be-
strahlung noch etwas an, und bei einer zweiten Exposition tritt zuerst
eine Volumvergróberung ein; diese beiden Erscheinungen scheinen jedoch
ihre Ursache in der zu langsamen Abfuhr der Reaktionswärme zu haben.
Wichtig ist, daß über Phosphorsäure getrocknete Gase reagieren; Zusatz
von Wasserdampf, COCI,, CO, HCl, CCl,, verändern die Reaktions-
geschwindigkeit nicht, Luftzusatz verkürzt aber die Induktionsperiode.
Referate. IOĻ
Die Tatsache, daß sich Chlorknallgas und das Kohlenoxyd-Chlorgemisch
ganz analog verhalten, weist wohl auf eine spezifische Lichtwirkung auf
das Chlormolekül hin. Die Untersuchung stimmt teilweise mit einer
ähnlichen von Wildermann (Zeitschr. f. phys. Chem. 42. 257—335.
1902) über denselben Gegenstand überein. Englisch.
Charles Soret. Über die radiophone Empfindlichkeit des
Chlorsilbers. (Archives de Généve. XIV. S. 360—363. 1902.)
Das von Edmond Becquerel zuerst beobachtete Auftreten einer
elektromotorischen Kraft zwischen chlorierten Silberplatten in verdünnter
Schwefelsäure bei Belichtung der einen Platte erfolgt so langsam, daß
intermittierende Belichtungen keine Wirkung auf das Telephon ausüben.
Soret erhält schnellere, telephonisch wahrnehmbare Wirkungen, wenn
er das Licht auf die positive von zwei in Salzsäure stehenden Silber-
platten fallen läßt, welche im Stromkreis eines Elements mit Telephon
und Galvanometer geschaltet sind. Die Chlorsilberoberfläche ist auf
diese Weise stets frisch. Der Galvanometerstrom vermindert sich, sobald
sich Chlorsilber auf der Anode bildet, erst schnell, dann langsamer,
entweder infolge von Polarisation oder infolge des vergrößerten Wider-
stands des AgCl und des benachbarten Elektrolyten; bei plötzlichen
Änderungen des äußeren Widerstands werden die Stromschwankungen
mit der Zeit sehr klein. Der scheinbare oder wirkliche Widerstand der
lichtempfindlichen Zelle nimmt augenblicklich ab, wenn man den Elcktro-
lyten bewegt, die Zelle kurz schließt oder den Strom kurze Zeit unter- `
bricht. Der Polarisationsstrom ist stets sehr schwach; er kann sogar
umkehren, wenn der polarisierende Strom sehr schwach war; er wächst
ein wenig an bei Belichtung der Elektrode, aber er wirkt nicht auf das
Telephon; er nimmt anfangs langsam, dann schnell ab.
Bei geschlossenem Stromkreis hört man im Telephon einen langsam
sich kräftigenden Ton, wenn die Anode intermittierend belichtet wird;
650 Unterbrechungen in der Sekunde waren am günstigsten. Man
belichtet nur ı oder 2 cm? der Anode durch konzentriertes Sonnenlicht;
wird dieselbe Lichtmenge auf eine größere Fläche verteilt, so ist die
Wirkung viel kleiner. Zwischgeschaltete Quarz- oder farblose Glasplatten
geben nur kleine Wirkung; rotes Glas unterdrückt, blaues schwächt den
Ton. Frische Elektroden brauchen etwas längere Zeit, um zu reagieren;
verdünnte Salzsäure wirkt weniger als konzentrierte, Chlornatrium- und
Chlorzinklösungen sind brauchbar. Der Ton hält unter günstigen Be-
dingungen bei stundenlangen Versuchen an, aber er wird, wohl infolge
vergrößerten Widerstands, schwächer. Verstärkung der Stromquelle macht
ihn stärker. Nach Unterbrechung und Wiederschließen des Stroms tritt
er erst nach einigen Minuten auf; Belichten der Kathode gibt nichts,
aber man muß, wenn die Kathode wieder zur Anode gemacht wird, oft
lange warten, bis die Wirkung eintritt. Bewegen der Zelle ist ohne
Einfluß auf den Ton. :
(Die Versuche zeigen also genau die bisher bei allen photochemischen
Vorgängen beobachteten Erscheinungen der Induktion und des Ah-
klingens derselben bei Aufhóren der Belichtung. Ref.) Englisch.
102 Referate.
J. C. Bose. Über den Zusammenhang der Wirkung von Licht
und elektrischer Strahlung auf die Materie. (Proc. Roy.
Soc. 70. 154—174. 1902.)
Die Widerstandsänderung, welche ein Kohärer unter dem Einfluß
elektrischer Wellen erleidet, wird in der Weise graphisch aufgezeichnet,
daß der vom Spiegel des Galvanometers reflektierte Lichtstrahl auf einen
schmalen Spalt geworfen wird, hinter dem senkrecht zur Spiegelachse
lichtempfindliches Papier mit konstanter Geschwindigkeit vorbeigezogen
wird. Unsere gewöhnlichen Kohärer, die bei Bestrahlung den Wider-
stand verkleinern, werden als positive, die sog. Antikohärer mit sich
vergrößerndem Widerstand sind als negative bezeichnet. Frisch gepulverte
Stoffe zeigen unregelmäßige und wechselnde Erscheinungen als Kohärer.
Durch Wärme wird die Empfindlichkeit des Kohärers und sein Bestreben,
den alten Widerstand freiwillig wieder anzunehmen, erhöht. Ein Eisen-
oxydoxydulkohärer brauchte bei Zimmertemperatur 21 Minuten, um seinen
ursprünglichen großen Widerstand wieder anzunehmen; bei schwacher
Erwärmung „erholte“ er sich jedoch in 30 Sekunden; Kohärer aus
bronziertem Blei und Zinn vergrößerten ihren Widerstand, und die Er-
holung, d. h. die Abnahme des Widerstandes, verläuft in der Weise,
daß sie sofort beim Aufhören der Bestrahlung schnell, darauf langsamer
erfolg. Mit jeder Entladung wächst das Erholungsbestreben und die
Erholung erfolgt schneller. Daher kommt es, daß bei Entladungen, die
einander in passender Zeit folgen, die Widerstandszunahme bei der
ersten Entladung am größten ist und mit jeder folgenden kleiner wird,
bis der Gleichgewichtszustand zwischen beiden Wirkungen erreicht ist
und bei kräftigen, schnell folgenden Entladungen der Widerstand über-
haupt konstant bleibt. Eine Silbermodifikation, die der Verf. hergestellt
hat, liefert den empfindlichsten negativen Kohärer, dessen Erholung os-
cillatorisch verläuft. Stundenlange Einwirkung ermüdet die Kohärer und
die Erholung wird träge und unvollständig. Die von den Wellen her-
vorgebrachte Widerstandsänderung folgt bei konstanter Funkenstrecke
annähernd dem Entfernungsgesetz. Sehr schwache Entladungen bringen
bei allen Kohärern den normalen entgegengesetzte Widerstandsänderungen
hervor und ebenso verhalten sich sehr intensive oder sehr lange wirkende
Bestrahlungen; diese letzten häufig so, daß der Widerstand zu- oder
abnimmt, ohne jedoch seinen normalen Wert zu erreichen. Licht soll
auf den Kohärer wirken. Die elektromotorische Kraft eines Elements
aus Silber- oder Magnesiumpulver mit Amylalkohol änderte sich an-
nähernd proportional der Widerstandsänderung des Kohärers und die
Änderung der E.M.K. einer photoelektrischen AgBr-Zelle verläuft bei
intermittierender Belichtung fast ganz wie die Widerstandskurve der
Kohárer. Englisch.
J. C. Bose. Über die Ähnlichkeit zwischen Strahlung und
mechanischem Zwang (strain). (Proc. Roy. Soc. 70. 174 bis
185. 1902.)
Zu den vorstehend referierten Beobachtungen an Kohärern und den
im folgenden Referat zu behandelnden photochemischen und physio-
Referate. 103
logischen Erscheinungen sollen hier mechanische Analoga herbeigeschaflt
werden. Ganz ohne Zwang geht das freilich nicht und man wird nicht
vergessen dürfen, daß, wenn alles genau übereinstimmte, die Zugtheorie
eben nur ein Bild bleibt, das für die Anschauung nützlich sein mag,
daß aber damit über die wahre Mechanik des photochemischen Vorgangs
nichts gesagt ist. Zwei gleichartige Metalldrähte werden in Wasser ge-
spannt, die E.M.K. des Elements ist selbstverständlich Null. Wird aber
der eine Draht tordiert oder gedehnt, so wird er positiver; nur Silber-
drähte werden dabei negativer. Die Torsionsrichtung ist ohne Einfluß.
Die E.M.K. des Elements kehrt in ähnlichem Verlauf nach Aufhören
der Torsion zu Null zurück, wie sich der Kohärer freiwillig erholt. Sehr
schwache Torsion macht die Metalldrähte negativer, Silber positiver.
Starke oder langdauernde Torsion vermindert die E.M.K., ermüdet den
Draht und kann sogar zur Umkehrung der Polarität führen. Nun ver-
mindern positive Kohärer ihren Widerstand bei Bestrahlung, entsprechend
der von der Welle bewirkten Erschütterung; daß mechanische Erschütte-
rung den Widerstand vergrößert, liegt an der Trennung der Kohärer-
teilchen (übrigens wäre hier an Auerbachs Versuche zu erinnern, die
Verf. offenbar nicht kennt, sonst hätte er sich dieses Argument für seine
Theorie gewiß nicht entgehen lassen). In einem Element aus Zinnblei-
drähten in Wasser wird der tordierte Draht positiver, der belichtete aber
negativer; die Torsionswirkung wird hier als normal angesprochen, die
Lichtwirkung ohne Beweisversuch jedoch als subnormal, schwächster
Torsion entsprechend, bezeichnet. Englisch.
J. C. Bose. Über die Zugtheorie (strain theory) der photo-
graphischen Wirkung. (Proc. Roy. Soc. 70. 185—193. 1902.)
Da der Inhalt dieser Abhandlung sich in der folgenden in er-
weiterter Form wiederfindet, sei auf nachstehendes Referat verwiesen.
Jagadis Chunder Bose. Molekulare Zugtheorie des Sehens
und der photographischen Wirkung. (Journ. Roy. Phot.
Soc.; Brit. Journ. of Phot. 49. 590—593; 608—612; 627 bis
629. 1902.)
Eine Anzahl photographischer Vorgänge, zu denen Verf. auch die
Entstehung des latenten Bildes rechnet, können durch chemische Re-
aktionen nicht genügend erklärt werden. Latente Bilder entstehen auch
auf reinen Metallplatten oder Glastafeln durch Licht und durch elektri-
sche Entladungen. Zur Entdeckung derselben dienen vier Methoden:
I. benützt man die Änderung der Adhäsion (soll wohl richtiger heißen
der Kapillarkonstanten. Ref.) wie bei der Daguerreotypie, den Hauch-
bildern; 2. die Änderung der chemischen Reaktionsfähigkeit, wie bei der
Entwickelung, doch ist diese Methode für Untersuchungen die untauglichste;
3. kann man die Änderung der E.M.K. eines in den vorstehenden
Referaten beschriebenen Elements aus gleichen Materialien in Wasser
oder photoelektrischer Elemente, und 4. endlich die Widerstandsände-
rung beobachten, welche ein Stoff unter verschiedenen Bedingungen
erleidet. Nun werden die vorstehend referierten Versuche, welche die
104 Referate.
Wirkung des Lichts als Zugwirkung erklären sollen, eingehend be-
schrieben und ein neuer über die durch Reibung verursachte mechani-
sche Änderung eines Drahtes, gemessen am Widerstand, beigefügt. Alle
Körper, meint Bose, seien gegen Licht im weitesten Sinne empfindlich,
wie alle auf mechanischem Zwang durch Änderung ihrer elektrischen
Konstanten reagieren; nur auf die zur Selbsterholung nötige Zeit kommt
es an, ob die Lichtwirkung zur Erscheinung kommt oder wie lange sie
beobachtbar bleibt. Die Lichtwirkung bleibt lange beobachtbar, wenn
die Elastizitätsgrenze eines lichtempfindlichen Stofls durch den von der
Lichtwirkung geübten Zug überschritten wird, oder wenn ein „Verzögerer“
die Selbsterholung verhindert. Ref. hat bereits 1898 eine ähnliche Vor-
stellung benützt, um die Erscheinungen bei intermittierenden Belichtungen
verständlich zu machen, ohne damit diese Mechanik für mehr als ein
Bild zu halten. (Naturforschervers. Düsseldorf 1898. Archiv wiss. Phot. I,
117. 1899.) Bei den Bildern von Moser und Waterhouse (auf reinem
Ag und Au) soll eine solche Überschreitung der Elastizitätsgrenze eben-
falls die Ursache der Bildentstehung sein.
Es folgt die Theorie des Sehens. Verf. hat ein künstliches Auge
gebaut, das für Lichtwellen von !/,oooo ZON bis zu mehreren Meilen
Länge empfindlich war. Über die Art dieses Kohärers ist leider nichts
näheres bemerkt; die künstliche Retina erholt sich natürlich freiwillig.
Ein Froschauge, das eine unpolarisierte Elektrode in der Hornhaut, die
andere im Nerv trägt, zeigt bei Lichtwirkung eine Änderung der E.M.K,,
die nach Aufhören der Belichtung zurückgeht; ebenso verhält sich etwa
bromiertes Silber gegen Ag in Wasser. Die Maximalwirkung tritt erst
nach einiger Zeit ein, die Erholung braucht länger bei starken Licht-
eindrücken als bei schwachen. Dasselbe kann beim Auge beobachtet
werden, das Nachbild des Rauches von brennendem Magnesium ver-
schwindet schneller als das des Mg; überhaupt sind alle Erscheinungen
des natürlichen und künstlichen Auges identisch. Bei nur kurzer Be-
lichtung ist das Nachbild positiv, ohne Umkehrung und Oscillation, und
nur die Fortsetzung des eigentlichen Bildes. Wird die Silberzelle sehr
intensivem Licht ausgesetzt, erfolgt nach Aufhören desselben nicht ein-
fache Erholung, sondern Weiterschwingen über die Ruhelage in der
Richtung der Lichtwirkung hinaus; die Erholung wird oscillatorisch. Ähn-
liches soll bei Nachbildern beobachtet werden, für die die allgemeine
Annahme der Ermüdung also falsch wäre. Normale Augen sehen nicht
gleichzeitig gleich gut die oscillierenden Nachbilder; wird im Stereoskop
dem linken Auge ein nach links geneigter Ausschnitt einer Platte, dem
rechten ein nach rechts geneigter gezeigt, so addieren sich beide zu
einem Kreuz; werden die Augen geschlossen, so erscheinen die Nach-
bilder abwechselnd den Augen und man gewahrt die Ausschnitte ge-
trennt. (Der Versuch ist sicher recht schwierig; ich habe ziemliche
Übung in solchen Dingen, aber es ging eben nicht. Ref.) In anderer
Weise blickt man mit beiden Augen auf zwei verschiedene Schriften,
der Gesamteindruck ist ein Gewirr; schließt man aber die Augen, werden
die Schriften nacheinander deutlich. Die Oscillationen sollen 4—7 Se-
kunden andauern. Die Nachbilder selbst sollen oft sehr lange Zeit an-
Referate. 105
halten. Blitze und Entladungen erscheinen häufig im Hauptast hell, in
den Seitenästen und den Rändern des Hauptastes dunkel; hier liegt die
Intensität der dunkeln Stellen unter der die normale Veränderung ver-
ursachenden Intensität und veranlaßt so einen dem normalen entgegen-
gesetzten Eindruck. Nun werden organische Körper durch Gifte ganz
oder teilweise unempfindlich; dasselbe läßt sich durch geeignete Reagentien
bei den mechanischen Analoga erreichen. Erwärmung oder Ausglúhen
erhöht die Empfindlichkeit eines Drahtes; Na,CO, steigert die der Silber-
zelle, KBr vermindert sie.
Stärkere Reizung verursacht stärkere molekulare Veränderung, aber
beide sind einander nicht proportional; man findet im Verlauf aus-
gesprochene Parallelitát mit der photographischen Schwärzungskurve.
Schwache Reize, von denen ein einzelner keine Veränderung hervor-
bringen könnte, addieren sich photographisch, photoelektrisch und in der
Wellenwirkung auf den Kohärer, sie haben ihr Analogon in der mecha-
nischen Erschütterung, die auch erst die Trägheit der Materie über-
winden muß, ehe die Änderungen der elektrischen Konstanten eintreten.
Hiermit hat man eine Erklärung der photochemischen Induktion.
Das Produkt aus Lichtintensität in Belichtungszeit kann während der
Induktionsperiode kein Maß für die Wirkung des Lichts abgeben; man
mag es dafür ansehen, wenn die Wirkung gleichförmig fortschreitet. Die
Selbsterholung gibt eine Erklärung für die kleinere Wirkung intermittieren-
der Belichtungen (vom Ref. als „Abklingen des Lichteindrucks“ be-
zeichnet; l. c.). Aber der Lichteindruck kann nicht durch die gesamte
Bestrahlung bedingt sein, er muß abhängen von der Zeit. Die kurze
Einwirkung vermag wohl wie bei den Torsionsversuchen (s. o.) eine
Umkehrung herbeiführen, wie die verlängerte Exposition die Polarisation
bewirkt. Englisch.
Physiologische Optik.
Em. Rädl. Untersuchungen über die Lichtreaktionen der
Arthropoden. Pflügers Archiv f. d. g. Physiologie, 87. Band 8/0,
Bonn 1901.
Verf. geht aus von der bei einer Reihe von Arthropoden charak-
teristisch auftretenden Erscheinung des „Schwebens“, d. h, von der Tat-
sache, daß die Tiere oder Gruppen von Tieren während einer unter
Umständen sehr langen Zeit ein enges Raumgebiet nicht verlassen,
sondern in ihm entweder (je nach der Spezies) so gut wie unbeweglich
in einem Punkte hängen bleiben, oder in regelmäßigen Bahnen, z. B.
in Achterkurven, Pendelbewegungen, Sinusoiden, oscillieren. Weitaus in
den meisten Fällen läßt sich dabei irgend ein auflallender Gegenstand,
ein Pfahl, ein Feldweg, ein Baumast u. s. w., angeben, zu dem die
schwebenden Tiere und Schwärme „orientiert“ sind. Verf. glaubt, daß
von den für die Erscheinung maßgebenden Bedingungen die Lichtver-
hältnisse den größten Einfluß haben und definiert zur weiteren Unter-
suchung des Problems die zwei Begriffe „Zechtfeld“ und ‚„ZLichtkraft‘‘
106 Referate.
Das Gebiet derjenigen Punkte um einen Gegenstand herum, in denen
ein Organismus „Lichtreaktionen“ auf diesen Gegenstand. zeigt, ist das
Lichtfeld dieses Gegenstandes in Beziehung auf den betreflenden Orga-
nismus (‚Zichtreaktion“‘ setzt der Verf., um das Wort „sehen“ zu
vermeiden; unter „Lichtreaktion“ versteht er „die Mannigfaltigkeit der
Erscheinungen, welche aus den Beziehungen des Organismus zum Lichte
folgen“; „Sehen“ ist nur ein Spezialfall dieser Reaktion). Die Licht-
verhältnisse eines Punktes des Lichtfeldes, sofern durch dieselben eine
ganz bestimmte Reaktion des Tieres bedingt wird, nennt Verf. die ‚‚ZLicht-
kraft“ dieses Punktes. Aus einer Reihe von Beobachtungen im Freien
schließt nun der Verf., daß die Insekten an Stellen bestimmter Licht-
kraft schweben. Bleibt das Lichtfeld dasselbe, so sind die Insekten
auf irgend eine Art an den gewählten Ort gebunden, so zwar, daß sie,
oftmals fortgescheucht oder ihn willkürlich für momentane Exkurse ver-
lassend, wieder und wieder und in kürzester Zeit zu ihm zurückkehren,
um das Schweben fortzusetzen. An diesem Ort sind die Tiere durch eine
Kraft gehalten, welche im stande ist, entgegengesetzt wirkenden ander-
artigen Kräften Widerstand zu leisten, während durch Änderung des
Lichtfeldes der Ort leicht verschuben werden kann. Der Wind z. B.
vermag, solange er nicht so stark ist, daß die Tiere überhaupt nicht
schweben, nur eigentümliche Modifikationen der Schwebebahnen zu be-
wirken, etwa aus Achterkurven schmale einfache Bögen zu machen,
welche dazu dienen, den Schwarm trotz dem Winde am selben Orte,
zum selben Gegenstand orientiert zu halten. Ein ähnliches Bestreben,
den Ort festzuhalten, zeigen auch Insekten, welche auf der Wasserober-
fläche „schweben“ (Gyrinus), gegenüber der Strömung.
Eine andere Art der Lichtreaktionen der Arthopoden ist der PAo-
totropismus, d. h. das Vermögen, sich in einem Lichtfelde, welches
eine Mannigfaltigkeit der Lichtkraft aufweist, in einer bestimmten Rich-
tung orientieren zu können. Verf. konnte durch Beleuchtung von unten
bei verschiedenen Arten, besonders bei Wassertieren, in der Regel Störung
der regulären Körperhaltung erzielen (Riickenlage). Dabei kann häufig
ein „Wettstreit der Reize“ beobachtet werden (Reiz des Geotropismus,
der Unterlage). Niemals konnte Verf. bei Kaulquappen, Tritonenlarven
und ausgewachsenen Tritonen derartig phototrope Erscheinungen bemerken,
so daß es scheint, als ob der Einfluß ausgebildeter Gleichgewichtsorgane
(diese Tiere besitzen Statocysten) durch Lichtverhältnisse nicht überwogen
werden kann. Das legt den umgekehrten Schluß nahe, daB die wie
angegeben phototropisch reagierenden Arthropoden kein diflerenziertes
Gleichgewichtsorgan besitzen. — Versuche des Verf., die Reaktion der
Arthropoden auf Farben betreffend, fielen völlig negativ aus. Breyer.
Otto Weiss. Das Verhalten der Akkommodation beim stereo-
skopischen Schen (aus d. physiol. Institut der Universität Königs-
berg i. Pr). Pflügers Archiv f. d. g. Physiologie, 88. Band, 1/2.
Bonn 1901.
Verf. beobachtete an sich das Gefühl einer Akkommodations-
anstrengung, wenn beim stereoskopischen Sehen der Blick von im Bilde
Referate. | 107
ferner gelegenen Punkten zu näheren überging. Die genauere Unter-
suchung konnte feststellen, daB in der Tat dabei stattfand: I. eine deut-
liche Verengerung der Pupille (zu meiden sind bei der Anstellung des
Versuches natürlich beträchtlichere Helligkeitsunterschiede der fixierten
Punkte); 2. eine deutliche Vorwölbung des Pupillarrandes und des
vorderen Linsenkonturs, die bei seitlicher Betrachtung ohne weiteres
sichtbar war (bekanntlich wird die Akkommodation so gut wie ausschlieB-
lich durch Änderung der vorderen Linsenfläche geleistet); 3. die typische
Änderung desjenigen der sog. Purkinje-Sansonschen Spiegelbildchen,
welches von der vorderen Linsenfläche herrührt: beim Überspringen
des Blickes vom ferneren zum näheren Bildpunkte wurden zwei solche
Bildchen sowohl selbst, als auch ihr Abstand kleiner. Verf. weist rech-
nerisch nach, daß die Größe der auftretenden Akkommodationserschei-
nungen nicht erlaubt, sie auf einfach synergisches Wirken der geringen
nötigen Konvergenzzunahme zurückzuführen, welche in dem untersuchten
Falle 18”, 11”, 52 betrug, eine Konvergenzzunahme bei welcher niemals
Pupillenverengerung eintritt. Auch die mit diesem Winkel synergisch
verbundene Zunahme der Linsendicke und vorderen Linsenkrúmmung
erreicht entfernt nicht sichtbare Beträge. Der Widerspruch, daß trotz
des Akkommodationswechsels die stereoskopischen Bilder scharf erscheinen,
löste sich bei dem Versuche, die Akkommodationszunahme zu messen:
es zeigte sich, daß dieselbe nicht bestehen bleibt, sondern wieder nach-
läßt, jedoch langsamer, als sie eingetreten ist. Verf. führt die Erschei-
nung vielleicht auf einen durch die Vortäuschung des Körperlichen aus-
gelösten Impuls zurück, denkt aber auch daran, daß möglicherweise der
durch die Vortäuschung des Körperlichen ausgelöste Impuls sich sowohl
auf Konvergenz als auf Akkommodation bezieht, daß jedoch die Kon-
vergenzbewegung schneller gehemmt werden kann. Die überschüssige
Akkommodation wäre also dann doch eine synergische, jedoch ohne
daß die dazu gehörige überschüssige Konvergenz wirklich zustande ge-
kommen zu sein brauchte,
Der Arbeit ist eine „Zabelle dir zur Akkommodation auf verschiedene
Entfernungen nötigen Linsenwölbungen‘‘ beigegeben. Breyer.
A. Brückner und E. Th. v. Brücke. Zur Frage der Unter-
scheidbarkeit rechts- und linksäugiger Gesichtseindrücke
(aus dem physiol. Institut der Universität Leipzig). Pflügers Archiv
f. d. g. Physiologie, 90. Band 5/0, Bonn 1902.
Es war behauptet worden (Heine in den klinischen Monats-
blättern für Augenheilkunde, Jahrgang 39, Band 2), „daß dem sinnlichen
(zentripetalen) Eindruck als solchem die Eigenschaft der Unterscheidbar-
keit anhaftet“, daß ihm also etwa ein Lokalzeichen zukomme. Dies
würde mit dem erprobten Erfolg einer Reihe von Prüfungsmethoden
auf Simulation einseitiger Blindheit im Widerspruch stehen, da diese
Methoden eben darauf beruhen, daß eine Unterscheidbarkeit im an-
gegebenen Sinne nicht möglich ist. Die Verf. kamen denn auch zu
negativen Ergebnissen, wenn unter genügenden Kautelen bei Versuchen
108 Referate.
mit haploskopischen Vorrichtungen!) beide Augen am Sehakt beteiligt
waren. War jedoch ein Auge vom Sehakt ganz ausgeschlossen, so konnte
in der Regel angegeben werden, welches das ausgeschlossene und welches
das sehende war. (Am besten werden diese Untersuchungen im Dunkel-
zimmer ausgeführt mit einen entfernten, kleinen, leuchtenden Punkt (Dia-
phragmaöffnung) als Objekt, wobei besondere Sorgfalt darauf zu verwenden
ist, daß die Netzhautperipherie vom Sehakt ausgeschlossen wird. Da das
rechte und das linke Gesichtsfeld nicht kongruent sind, wäre bei einer
diffusen Erleuchtung desselben die Unterscheidung möglich. Da nun
die Netzhautperipherie für Farben wenig empfindlich und die weiße
Valenz bei Rot sehr gering ist, setzten die Verfasser dem sehenden
Auge noch ein rotes Glas vor). Die Versuchspersonen gaben dabei an,
daß mit dem rechten Auge gesehen der Punkt rechts, mit dem linken
links erscheine. Die Verf. führen diese Erscheinung darauf zurück, daß
die meisten Augen konvergieren, wenn ihnen im Dunkelzimmer ein
äußerer Blickpunkt entzogen wird. Ist nun ein Auge freigegeben und
taucht der leuchtende Punkt auf, so liegt im ersten Moment dessen Bild
exzentrisch auf der Netzhaut, und zwar nasalwärts; der Punkt erscheint
also dem rechten Auge rechts. Wird durch genügend starke Prismen
das Netzhautbild temporalwärts gerückt, so werden die Urteile, ob rechts,
oder links gesehen wird, mit größter Präzision verkehrt gegeben. Im
Verlauf der Untersuchungen zeigte es sich aber, daß nach einiger Zeit
in dem vom Sehakt ausgeschlossenen Auge eine Art Organgefühl auf-
.trat und die Unterscheidung wiederum ermöglichte, ein unangenehmes
„Abblendungsgefühl‘‘, welches sich z. B. auch bemerkbar macht, wenn
von zwei stereoskopischen Bildern das eine mit einem ganz durch-
sichtigen Pauspapier bedeckt wird. — Die Unterscheidung, welches der
beiden Augen den Eindruck empfängt, ist also stets nur sndirek! durch
Nebenumstände ermöglicht. Breyer.
W. Nikolaew. Das Photographieren des Augenhintergrundes
der Tiere. (Aus dem Laboratorium des Prof. J. M. Dogiel in
Kazan). Pflügers Archiv f. d. g. Physiologie, 93. Band 11/12,
Bonn 1903. l
Obwohl die ersten Versuche, den Augenhintergrund des lebenden
Tieres zu photographieren, weit zurückliegen, sind die bisherigen Erfolge
keine befriedigenden gewesen. Die Schwierigkeit liegt in der Beweglich-
keit des Auges, den Lichtreflexen, und der Eigenschaft des Augen-
hintergrundes, nur spärlich aktive Strahlen zurückzuwerfen. Da eine
Anordnung analog dem ,Ophthalmoskopieren im direkten, aufrechten
Bilde“ schwer zu handhaben ist, entschloß sich der Verf. nach erfolg-
loser Nachprüfung derartiger Anordnungen (Guinkoff) dazu, analog dem
„Ophthalmoskopieren im indirekten, umgekehrten Bild“ erst das durch
eine dem Auge vorgesetzte starke Konvexlinse erzeugte reelle umgekchrte
1) Anm. des Ref. Eine haploskopische Vorrichtung ist nach Hering eine solche,
„mittels welcher jedem Auge ein besonderes Gesichtsfeld dargeboten, der Inhalt beider
Gesichtsfelder aber vereint im Sehfelde zur Erscheinung gebracht wird.“
EEE rn a ÁS ini ed iin EEE wu as nn HE u
Referale. 109
Bild als photographisches Objekt zu betrachten. Dazu benútzte er das
bequem zu handhabende große Liebreichsche Ophthalmoskop, als
Lichtquelle das Auerlicht, als Objektiv meist einen Zeissschen Anastig-
mat 1:6,3 mit einer Brennweite F = 140mm. Die Lichtreflexe, welche
beim Ophthalmoskopieren durch geringe Neigung und Verschiebung der
- Konvexlinse überwunden werden, brachte Verf. in ähnlicher Weise durch
entsprechende Einstellung des Ophithalmoskops zur Seite; nur der sog.
„zentralhelle Fleck“ konnte nicht aus dem Gesichtsfeld gebracht und
mußte daher auf eine möglichst unschädliche Stelle desselben geleitet
werden. Als Versuchstier nahm der Verf. die Katze, eins von den
Tieren, deren Auge sich von dem des Menschen durch das Tapetum
auszeichnet, eine eigentümlich modifizierte Schicht der Aderhaut, welche
das Licht reichlich und mit hellem, gelblichgrünem Glanze zurückwirft.
Dabei wurden die besten Bilder erhalten, wenn zwischen Lichtquelle
und Reflektor des Ophthalmoskops ein Zettnowsches Lichtfilter (Cupr.
.nitric. 160,0, acid. chrom. 14,0, aq. dest. 250,0) eingeschaltet wurde,
allerdings um den Preis längerer Expositionsdauer, welche bei Lumiere-
schen isochromatischen oder bei Schleußnerplatten 12—15 Sekunden
betrug. Durch Lähmung der Tiere mit Curare (intravenös) wurde ab-
solute Unbeweglichkeit sämtlicher willkürlicher Muskeln erzielt; die Pu-
pille wurde duıch schwefelsaures Atropin (ebenfalls intravenös) gelähmt
und ad maximum erweitert gehalten. Mit Hilfe dieser Methode konnte
man an der Füllung der Retinalgefäße die Wirkung der Suflokation und
verschiedener Medikamente (Strychnin, Ergotin, Amylnitrit, Chloroform)
auf den Kontraktionszustand der Gefäße beobachten und photographisch
festhalten. Die beigegebene Tafel (Reproduktion der Photogramme in
Lichtdruck) zeigt, daß die Methode unter solchen bei der Katze mög-
lichen Bedingungen Annehmbares leistet; die Versuche des Forschers
am Menschen, der sich nicht curarisieren läßt und der kein Tapetum,
sondern einen meist ganz dunkelroten Augenhintergrund besitzt, sind
indessen gescheitert, wie mir scheint nicht zum wenigsten deshalb, weil
dem Verf. offenbar nicht gerade die neuesten Hilfsmittel der Photo-
graphie zur Verfügung gestanden haben. Breyer.
Spektroskopie, Entfernungsmessung u. 8. W.
C. Pulfrich. Über die bis jetzt mit dem Stereokomparator
auf astronomischem Gebiete erhaltenen Versuchsergeb-
nisse. (Vierteljahrschr. d. astr. Ges. 37. S. 2II. 1902.)
In diesem auf der Göttinger Astronomenversammlung 1902 gehaltenen
Vortrag faßt Pulfrich zusammen, was in seinen seitherigen Publikationen
vereinzelt ausgesprochen ist und was auch auf den Naturforscherver-
sammlungen gezeigt wurde. Mit einem Buch vergleicht der Vor-
tragende seinen Stereokomparator, das alles Wissenswerte sofort heraus-
lesen lasse, weil der Beobachter nicht mehr auf die Stellung der Stern-
IIO Referate.
bilder gegeneinander zu achten habe, „sondern auf den geistigen Inhalt,
d. i. hier auf die Art und Vollkommenheit der Raumvorstellung“. Eine
der ältesten Platten, die mit dem Komparator verglichen wurden, sind
die berühmt gewordenen Saturnaufnahmen Wolfs, aus denen nun mit
Hilfe der wandernden Marke für den Abstand des Planeten von der
Erde ein Wert gefunden wurde, der mit dem sonst ermittelten mittleren
Abstand nahezu übereinstimmt. Aufnahmen im Meridian zeigen alle
Sterne in einer Ebene; bringt man aber vom Meridian abweichende
Aufnahmen so in den Komparator, daß die mehr nach Osten erfolgte
Aufnahme links liegt, Norden oben und die Ost-Westrichtung der Ver-
bindungslinie der Augen parallel ist, so treten meistens die helleren
Sterne hinter die schwächeren zurück. Der Größenunterschied der
Sternbildchen bewirkt eine scheinbare Schiefstellung der Scheibchen.
Zur Erklärung dieser rätselhaften Erscheinung wird angenommen, daß
jedes Sternchen als Spektrum anzusehen sei, dessen Ausdehnung von
der Dispersion und Absorption der Luft, der Farbe des Sterns und der
Empfindlichkeit der Platte abhängt. Die meridionale Komponente der
spektralen Verschiebung ist für ene Sternwarte konstant und nur die
Komponente in Richtung der Rektascension kommt zur Geltung. Aus
der Verschiebung der Sternbilder, welche ja die körperliche Wahrnehmung
bedingt, muß daher geschlossen werden, daß der Schwerpunkt der Spektra
heller Sterne weiter ab vom Meridian, d. h. dem roten Ende näher
liegt als bei den schwächern Sternen. Der Komparator gestattet zum
Zweck der Bestimmung von Niveaufliichen das Abtasten z. B. bei Mond-
aufnahmen, von denen ein Paar dem Vortrag in Reproduktion beigegeben
ist, das von Zeiss als Diapositiv bezogen werden kann. Jedem an
stereoskopisches Sehen Gewöhnten wird sofort die der Natur natürlich
nicht entsprechende Eiform des Mondes im Bild auffallen, auf die auch
Pulfrich selbst hinweist. Wir haben nie ein so frappantes Beispiel
telestereoskopischer Wirkung geschen, als in diesem Bildpaar, dessen
Einzelbilder in einem Abstand aufgenommen sind, der durch die Libration
des Mondes um 147 hervorgebracht wurde, oder linear ausgedrückt mit
cinem Objektivabstand von 95000 km oder !/, des Mondabstandes. Da
ein Beobachter mittlerer Sehschärfe Unterschiede des Konvergenzwinkels
von ?}/; wahrnimmt, beträgt seine Tiefenwahrnehmung das 7000fache
seines Augabstandes; nun wächst die Tiefenwahrnehmung proportional
der angewandten Vergrößerung und dem Augabstand, d. i. im gegebenen
Falle dem Aufnahmeabstand der beiden Bildhälften. (Diese Ausdrucks-
weise möchte leicht zu einer irrtümlichen Auffassung führen; der körper-
lich wahrnehmbare Raumteil wird nicht absolut größer, er wird nur aus
der Nähe in die Ferne gerückt. Ref) Nimmt man den Erdbahnradius
als Objektivabstand, so erweitert sich der Radius der körperlich wahr-
nehmbaren Raumkugel auf 1,5 Millionen Sonnenweiten, was einer Parall-
axe von 0,1” entspricht. Wird die von der Sonne durchlaufene Bahn
als Basis des Objektivabstandes genommen, so wird das stereoskopisch
wahrnchmbare Feld ein Kreisring, dessen Radius nach einem Jahre
fünfmal größer ist als der genannte Wert, und dessen Inhalt proportional
dem Kubus der Zeit wächst. Englisch.
Referate. III
E. Hering. Über die Herstellung stereoskopischer Wand-
bilder mittels Projektionsapparates. Pflügers Archiv f. d. g.
Physiologie, 87. Band 5/6/7, Bonn 1901.
Verf. beschreibt seine zu diesem Zwecke im Hörsaal des Leipziger
physiologischen Instituts getroffene Vorrichtung. Dieselbe beruht auf
dem Prinzip des „Rollmannschen Farbenstereoskops“. Dabei werden
bekanntlich die beiden Bilder in zwei verschiedenen Farben auf hellen
oder dunklen Grund übereinander gezeichnet bezw. gedruckt (Rollmann,
in Poggendorffs Annalen der Physik, Band 30 bezw. 90, 1853, zeich-
nete die Bilder auf Aelen Grund; die entgegengesetzte Angabe des
Verf. beruht auf einem Irrtum, herübergenommen aus dem „Handbuch
der physiologischen Optik“ von Helmholtz. Ref.) und hernach durch
Brillen betrachtet, deren Gläser entsprechend rechts und links verschieden
gefärbt sind. Verf. benutzt eine auch andern Zwecken dienliche Vor-
richtung, welche aus zwei mit einander verkoppelten Projektionsapparaten
besteht. Es werden die gewöhnlichen Doppeldiapositive zerschnitten,
die Einzelbilder je in einen der Projektionsapparate gebracht und vor
das Objektiv des einen Apparates ein rotes, vor das des andern ein
grünes Glas gesetzt, deren Farben so gewählt sind, daß die Gläser gegen-
seitig die vom andern durchgelassenen Strahlen absorbieren. Das so
an die Wand geworfene Bildwerk ist analog einem Farbenstereogramm
auf dunklem Grund und erscheint durch entsprechende Brillen, die an
die Zuhörer verteilt werden, ohne weiteres körperlich. Ein Übelstand
dieser sonst sehr einfachen Methode ist der große Lichtverlust, der mit
dem wiederholten Durchgang der Strahlen durch die farbigen Gläser
verbunden ist, weshalb sehr starke Bogenlampen erforderlich sind. Be-
seitigt ist dieser Nachteil in einer Vorrichtung analog den Farbenstereo-
grammen auf hellem Grunde, also analog den seit Jahren verbreiteten
sog. „Anaglvphen“. Die stereoskopischen Doppeldiapositive werden da-
bei nach dem Vorgange von M. Petzold in Chemnitz mit Hilfe von
Chromgelatine und Anilinfarben farbig, das eine Bild rot, das andre grün,
hergestellt; die beiden Platten können dann hintereinander in ein und
denselben Projektionsapparat gebracht werden und geben durch die far-
bigen Brillen gesehen ein viel lichteres Bild. Breyer.
Siehe auch die Referate: Weiss, S. 106, Brückner u. v. Brücke,
S. 107 dieses Heftes.
Farbenphotographie.
Die Farbenphotographie nach dem Ausbleichverfahren.
Die Farbenphotographie nach dem Ausbleichverfahren geht zuriick
auf O. Wieners’) grundlegende Arbeit über Seebecks Photochromien
und die mechanische Farbenanpassung, und wenn das Verfahren mit
einem Namen belegt werden kann, ist es nur mit dem Otto Wieners.
Was seine Nachfolger an noch so verdienstvoller Arbeit beigebracht
1) Wiener, Wied. Ann. 55. 215. 1895.
Zeitschr. f. wiss. Phot. 1. . 9
112 Referate.
haben, ist eben doch nur Anwendung von Wieners Prinzip. Der erste,
der Papier mit lichtunechten Farbstoffen überzog, welche zusammen
schwarz gaben, scheint E. Vallot gewesen zu sein. Er benutzte alkoho-
lische Lösungen von Anilinpurpur, Viktoriablau und Curcuma auf
gelatiniertem Papier; aber seine Farbstoffmischung war so unempfindlich,
daß tagelange Exposition unter einem farbigen Glasbild nötig war, um
die Farben in der zu ihrer Eigenfarbe komplementären Beleuchtungsfarbe
zum Verschwinden zu bringen. Im September 1901 zeigte mir Neu-
hauss ein von Karl Worel in Graz nach einem damals noch geheim-
gehaltenen Verfahren hergestelltes, etwas mattes Farbenbild und zugleich
die Ergebnisse seiner eigenen Versuche. Diese mit bewunderungs-
würdiger Geduld — es handelt sich um die Kombination von mehr als
30 Farbstoffen zu dreien und vieren — wurden bald darauf veröffent-
licht.!) Als Bildunterlage benutzt Neuhauss Porzellanplatten, als Bild-
träger Gelatine. Eiweiß, Collodium u. a. boten als Bildträger keinen
Vorteil. An Beimischungen zu den Farbstoffen erwies sich Bromsilber
als wirkungslos, Ammoniak und die von Ellis?) vorgeschlagenen Zusätze
von ÖOxalsäure, Weinsteinsäure für Methylenblau oder Natronlauge bei
‚Methylviolett teils als wenig wirksam, teils vertrugen die Farbstoffe diese
Zusätze nicht. Nach Groß beruht das Ausbleichen mancher Farbstoffe
auf ihrer Oxydation; und durch Zusatz von Wasserstofísuperoxyd erzielte
Neuhauss in der Tat unter bestimmten Bedingungen erhebliche Re-
aktionsbeschleunigungen, obwohl manche Farbstoffe (Rubin S, Athylgrün,
Malachitgrün) auch H,O, nicht vertrugen. Die Gelatine muß nach der
Behandlung mit Superoxyd schnell trocknen und soll nicht verhornen;
Anhauchen vor der Belichtung erhöht die Empfindlichkeit. Die höchste
Empfindlichkeit wird aber nur erreicht, wenn die Schicht mit Glas bedeckt
ist, so daß kein Sauerstoff entweichen kann; die durch freiwillige Zer-
setzung des H,O, von diesem befreite Schicht ist halbwegs lichtbeständig.
Um die bisweilen entstehenden Bläschen in der Gelatine zu vermeiden,
setzt Neuhauss mit dem Vorteil weiterer Empfindlichkeitserhöhung der
Schicht Natriumsulfit oder Pyrosulfit zu, die den Sauerstoff absorbieren;
solche Platten sind in wenigen Minuten unter dem farbigen Glasbild aus-
exponiert. Auffällig und für die Theorie der Ausbleichverfahren wichtig ist .
der beschleunigende Einfluß von Chlorophyll auf die mit ihm gemischten
Farben. Die Bilder lassen sich endlich ganz lichtecht herstellen, wenn
man sie nach der Belichtung in Kupfersulfat badet; das ohnehin schlechte
Blau wird noch grünstichiger; Blau soll nach Neuhauss’ Angaben
übrigens besser kommen, wenn es Collodium zugesetzt und dieses als
dünner Untergul unter der Gelatineschicht verwendet wird. Diese Fixierung
mit Kupfersalzen hat Otto N. Witt?) bereits 1894 angegeben.
Es lag nun natürlich nahe, Natriumsuperoxyd statt H,O, zu ver-
wenden und die Zersetzungsgeschwindigkeit des H,O, im Licht durch
Ferricyankalium, Persulfate u. s. w. nach Kistiakowsky*) zu steigern.
1) Neuhauss, Phot. Rundschau 16, 1. 1902.
2) Eders Jahrbuch 13. 469. 1899. |
3) Witt, Prometheus 1894. p. 625. 641.
4) Kistiakowsky, Zeitschr. phys. Chem. 35. 431. 1900,
Referate. 113
Diese Versuche sind vom Referenten und zweifellos von vielen anderen
sofort mit Erfolg angestellt worden und in seiner zweiten Mitteilung
erwähnt auch Neuhauss!) den hierdurch erzielten Erfolg. Er gibt
zwar an, Na,O, eigne sich nicht für Gelatine, was Referent nicht be-
stätigen kann; als Beschleuniger sind Persulfate am besten. Hier sind
weitere 35 Stoffe auf Lichtempfindlichkeit untersucht und als besonders
günstige Mischung nennt Neuhauss: Erythrosin + Thiazolgelb + Uranin
+ Auramin + Methylenblau + Chlorophyll (frische Lösung aus Gras);
Auramin ist nur tropfenweise zu verwenden, weil es die Empfindlichkeit
herabdrückt; die anderen Farbstoffe werden konzentriert tropfenweise
unter Umrühren, mit rot anfangend, der H,O,-Gelatine zugesetzt, wobei
man sich vor einem Übermaß von Blau hütet, und erst am Schluß
wird Ammoniumpersulfat hinzugefügt. Die Farbstoffe werden jetzt fixiert,
indem sie Neuhauss mittels Tannin und essigsaurem Natron fällt.
Inzwischen hatte auch Worel?) sein Verfahren veröffentlicht. Er
benutzt gelatiniertes Papier, das er bei 20% mit alkoholischen Lösungen
von Primrose, Viktoriablau, Cyanin, Curcuma, Auramin unter Zusatz von
Anethol tränkt. Schwache Farbstoffkonzentration, hoher Anetholgehalt,
kräftiges Licht verkürzt die Exposition, aber die blasseren Bilder sind :
weniger lichtbeständig. Anethol ist ein kräftiger Ozonbildner, und auch
Neuhauss hatte auf Miethes Vorschlag Terpentinöl u. a. als Sensi-
bilisationsmittel versucht; gewiß wären ätherische Öle, wie auch v. Húb13)
andeutet, dem Wasserstoflsuperoxyd vorzuziehen, aber die Empfindlich-
keit bleibt viel kleiner. Wie bei Neuhauss nach der Selbstzersetzung
des H,O, die Bilder halbwegs beständig waren, werden sie es bei
Worel, indem er das Anethol durch ein einstündiges Bad in Benzin
entfernt; später hat Worel ebenfalls mit Kupfersalzen fixiert.
Vorerst ist noch viele technische Arbeit zu leisten, ehe das Ver-
fahren einigermaßen brauchbar wird, und ich glaube kaum, daß Neu-
hauss’ Wunsch, es möchten sich möglichst viele Forscher an der Lösung
des Problems beteiligen, in Erfüllung gehen wird. Dazu ist das Aus-
probieren der Farbstoffmischungen eine zu große Geduldsache, die sich
vielleicht für Fabriklaboratorien eignete, wenn die stark zu bezweifelnde
Patentfähigkeit eines Erfolgs dazu verlockte. Aber auf der theoretischen
Seite des Problems liegen noch interessante Fragen in Menge, die mit
irgend einer Farbmischung studiert werden können. Zunächst die von
Neuhauss selbst gefundene Ausbleichungsbeschleunigung eines Farb-
stoffs bei Anwesenheit von Chlorophyll und das von demselben an-
gegebene Nachbleichen im Dunkeln, wenn dem Superoxyd ein Kistia-
kowskyscher Beschleuniger zugesetzt war. Die Zersetzung des H,O,
setzt sich ja dabei im Dunkeln in gegen die Selbstzersetzung gesteigertem
Maße fort; merkwürdig bleibt aber, daß nicht vorher belichtete Farb-
stoffe nur unmerklich bleichen, wenn sie mit reaktionsbeschleunigtem
H,O, in Berührung kommen. Die Annahme von Neuhauss, es bilde
1) Neuhauss, Phot. Rundschau 16, 229. 1902.
2) Worcl, Anzeiger Wien. Akad. 13. 3. 1902; Phot. Corr, 1902. S. 376.
3) Eders Jahrbuch 16. 545. 1902.
g*
114 Referate.
sich bei der Belichtung des Farbstoffs ein das Ausbleichen befördernder
Körper, weil das Ausbleichen zuerst langsam und dann schneller erfolgt,
dürfte wenig Wahrscheinlichkeit haben; vielmehr läßt sich diese Er-
scheinung viel einfacher als Induktion auffassen, und man könnte damit
auch das Fortschreiten des Ausbleichens nach der Belichtung im Dunkeln
umfassen. Eine andere Frage wird die sein, wie sich die Farbstoffe
etwa in alkalischen und sauren Lösungen oder Gelatine oder wie sich
saure und basische Farbstoffe verhalten. Die vom Referenten angestellten
Versuche geben noch kein deutliches Bild des Verhaltens; die durch
Sulfitzusatz bewirkte schwache Alkalität der Gelatine scheint ja allerdings
beschleunigend zu wirken, aber es besteht ein gewisser Widerspruch
darin, daß das sauerstoffhungrige Sulfit das Ausbleichen befördert, während
es doch eher die Oxydation der Farbstoffe zu verhindern geeignet wäre;
andererseits wird es allerdings durch Verminderung des Sauerstoffdrucks
in der Schicht die stärkere Zersetzung des Superoxyds begünstigen;
höchstwahrscheinlich erklärt sich auf diese Weise die Überlegenheit der
weichen Gelatine über harte und andere Materialien als sensibilisierende
Bildträger. Englisch.
Sanger Shepherd. Farbenphotographie auf Papier. (Broschüre,
Verlag von Sanger Shepherd Co., 5, 6, 7 Grays Inn Passage, Red
Lion Street, Holborn WC. 1903.)
Das Neue dieses Verfahrens ist die Anwendung der gewöhnlichen
Briefkopiermethode auf Dreifarbenphotogramme. Hat man in üblicher
Weise seine Negative durch die Filter hergestellt und davon die Gelatine-
positive auf Celluloidfilms nach dem Pigmentverfahren gefertigt, so bleibt
das passende Einfärben der Positive und das Übereinanderlegen der-
selben oder auch nach Lumière das Abziehen der Gelatinereliefs. Auf-
einanderlegen oder Abziehen wird hier unnötig; der Farbstoff marschiert
aus der gehärteten Gelatine des Positivs in wenigen Minuten in schwach
feuchte, weiche Gelatine auf Papierunterlage hinüber, wenn man beide
Schichten aufeinander preßt. Da die Menge der Farbe der Dicke des
Reliefs und diese der Tiefe der Schatten des Negativs wenigstens an-
genähert proportional ist, so entsteht also im Übertrag ein farbiges Bild
mit annähernd richtiger Modulation. Das Aufeinanderpassen der drei
farbigen Bilder dürfte auch hier nicht allzu leicht sein. Das Verfahren
ist patentiert und der Inhaber verlangt für die Aufnahme die Anwendung
~ seiner Filter — anders aufgenommene Negativs dürfen nicht nach dieser
Methode kopiert werden — und die Verwendung seiner Farben und
anderen Materialien. Was schwer zu kontrollieren sein dürfte.
Englisch.
Anwendungen der Photographie.
E, Ruhmer. „Die photographische Darstellung von Mikro-
phon-Stromcurven“ (Photogr. Rundschau 1903. S. 53—57.)
Der das Mikrophon passierende Strom wird durch eine Spule ge-
schickt, deren magnetisches Feld die Kathodenstrahlen und damit den Lu-
Reyerate. IIS
minescenzfleck einer Braunschen Röhre in der gewöhnlichen Anordnung
ablenkt. Um die Stromkurve photographisch zu erhalten, wird in der-
selben Weise wie es früher von A. Wehnelt und B. Donath (Wied.
Ann. 69. S. 861. 1899) geschehen ist, das Bild des hin- und herschwin-
genden Luminescenzfleckes auf eine photographische Platte durch ein
Objektiv entworfen und die Platte senkrecht zur Schwingungsrichtung
des Luminescenzfleckes bewegt. Erfolgt die Bewegung der Platte mit
gleichförmiger Geschwindigkeit, so liefert diese Anordnung ein richtiges
Bild der Stromkurve.
Die Methode stellt, wenn sie einigermaßen deutliche Bilder geben
soll, sehr hohe Anforderungen nicht nur an die Leistung der Influenz-
maschine und die Lichtstärke des Objektives, sondern auch an die Em-
pfindlichkeit der Platten. Es ist deshalb die Angabe des Verf. wertvoll,
das von den untersuchten Momentplatten — von Gebr. Lumiere,
Schleussner, Westendorp und Wehner — die letzteren sich als
bei weitem empfindlichsten erwiesen.
Abgebildet sind in der Abhandlung die Stromkurven des Mikrophon-
stroms, wenn in das Mikrophon die Vokale a e i o u, die Umlaute
ä 05 ü sowie das r hineingesprochen wurde. Die Kurven sind zum
Teil von durchaus genügender Deutlichkeit; wo es nicht der Fall ist,
muß die mangelhafte Schärfe wohl auf Kosten der Reproduktion gesetzt
werden. Zenneck.
Photographische Technik.
Die Entwicklung von Albertscher Collodemulsion.
Albert’sche Collodemulsion wurde bisher fast ausschließlich mit
Hydrochinon entwickelt, wobei es vorteilhaft war, die Platte frei zu
halten und den Entwickler nur aufzugießen. Die Entwicklung war für
große Anstalten kostspielig und nach der Meinung von Meisenbach,
Riffarth & Co. habe der Preis des Entwicklers die Anwendung der
Albertemulsion beschränkt. Für wenig Geübte war die Art der Ent-
wicklung nicht ganz leicht, die Schalenentwicklung gab nicht das gleiche
Resultat, und das mag mitgewirkt haben, daß die für wissenschaftliche
Zwecke wichtige, besonders aber für alle Demonstrationen über die Natur
der Entwicklung und des latenten Bildes unentbehrliche Collodemulsion
nur wenig angewandt wird. Es sei darauf hingewiesen, daß die sich
schnell entwickelnde und fixierende, unter dem Wasserhahn in weniger
als 1 Minute ausgewaschene Collodplatte die Umwandlung des Negativs
in ein Positiv durch Salpetersäure oder ein Persulfat oder Permanganat,
Verstärkung und Abschwächung, Färbung u. s. w. in so kurzer Zeit zu-
läßt, daß das Wort dem Versuch kaum folgen kann.. Deshalb wird es
angenehm sein, einen Schalenentwickler zu haben, der die möglichen
Schlieren der alten Entwicklung ausschließt. Meisenbach, Riffarth
haben in Verbindung mit Dr. Roelig folgende Vorschrift ausgearbeitet:
116 Referate.
A. 2000 ccm Wasser, 200 g Acetonsulfit (Bayer), 800 g Pottasche.
B. 15 g Hydrochinon, 100 ccm Methylalkohol, 10 g Edinol, 100 ccm
Wasser. (Das Edinol wird in Wasser gelöst und dem in Alkohol ge-
lösten Hydrochinon zugesetzt.)
C. 100 g Bromkalium, 200 ccm Wasser.
Zum Gebrauch nimmt man 100 ccm Lösung A, 10 ccm B, 10 ccm C
und 1,51 Wasser.
Der Entwickler arbeitet a und soll seli billig sein, was
freilich für unsere Zwecke sich nicht. geltend machen wird. („Photo-
graphische Kunst“.) Englisch.
Prinzip des Sigriste-Verschlusses. (3 Abbildungen.)
Man sagt gewöhnlich, der Rouleauverschluß vor der Platte lasse die
volle Ausnützung der Lichtstärke des Objektivs zu und die sog. wirksame
Wirkungszeit falle mit der tatsächlichen Öffnungszeit zusammen. Das
gilt, da bisher aus konstruktiven Gründen das Rouleau immer wenigstens
6, oft sogar 12 mm von der Platte entfernt ist, annähernd für große
Schlitzbreiten, gegen die die Austrittspupille (A. P.) des Objektivs klein
ist, es gilt nicht mehr für schmale Schlitze. Eine einfache geometrische
Konstruktion zeigt, daß im ersten Fall die Wirkung der von den Rändern
der A. P. auf die Schlitzränder gesandten Strahlen klein ist, gegen die
Gesamtlichtmenge, die durch das Objektiv geht; bei schmalen Schlitzen
fallen aber diese „Halblichter“, wenn der Ausdruck als Analogon zu
Halbschatten gestattet ist, sehr gegen das „Kernlicht“ ins Gewicht. Der
Effekt ist der, daß, wie bei Blendenverschlüssen, bei Verschlüssen vor
oder hinter dem Objektiv, Teile der Platte Licht bekommen, ehe die
ganze Intensität des durch das Objektiv gehenden Lichts wirkt, oder noch
Licht bekommen, wenn die ganze Lichtintensität schon nicht mehr wirkt.
Das bedeutet für die Praxis, daB die Bewegung eines Objekts sich
während der ganzen Zeit, während der ein Plattenteil Licht erhält, ab-
bildet, aber während dieser ganzen Zeit hat nicht die volle Intensität
gewirkt. Der Nutzeffekt ist kleiner geworden, als dem Idealfall ent-
spricht. So lange man wesentlich auf lichtschwächere Objekte angewiesen
war, mag der gerügte Fehler nicht immer von Bedeutung gewesen sein,
es kam eben darauf hinaus, als habe die Platte eine schwache Vor-
belichtung erfahren, die nicht zur Bilderzeugung ausgereicht hatte; das
änderte sich bei gutem Licht allerdings, und vollends durch die heute
zu Gebot stehenden lichtstarken Objektive. Hätte man wohl den kleinern
Nutzeffekt, der ja nicht anders als eine Abblendung wirkt, eher in Kauf
nehmen können, die Lichtstärke lieB den Wunsch nach noch schnelleren
Verschlüssen, nach noch größerer Schärfe des Bildes entstehen. Beides
laßt sich mit den alten Verschlüssen nicht erreichen; eine übermäßige
Rouleaugeschwindigkeit ist durch technische Bedingungen, eine zu kleine
Schlitzbreite durch optische ausgeschlossen, und gerade die letzten mehrten
sich mit 'vergrößerter Objektivófínung. Dr. Krügener veisuchte an
das gewöhnliche Rouleau, dessen Leistungsfähigkeit für die meisten
Zwecke natürlich ausreicht, bis herab zu Expositiven von }/ ooo Sekunde,
einen konischen Ansatz zu befestigen (D.R.G.M.); die Lösung des Pro-
Referate. 117
Möwe. Möwe nach Brot schnappend.
Aufnahme aus 4 m Abstand Aufnahme aus 4 m Abstand
von G. Krauss, Stuttgart. von G. Krauss, Stuttgart.
Sigriste-Verschlufs, Unar F/s, Sigriste-Verschlufs, Unar f/s,
1/2000 Sek. Exposition. 1/2000 Sek. Exposition.
Zürich, Febr. 1903. Zürich, Febr. 1903.
-4 r x e
A EE
U PI "TA
Rennen zu Weil, Aufnahme von G. Krauss, Stuttgart,
Juni 1902. Planar f/4, 1/2800 Sek. Exposition. Sigriste-Verschlufs.
118 Referate.
blems bringt aber erst die Sigriste-Camera. Hier bewegen sich in 0,1 mm
Abstand von der Platte zwei Messingschneiden, ähnlich den Kollimator-
spalten unserer Apparate, die mit einem gegen das Objektiv oflenen
Balge verbunden sind. Schneiden und Balg bewegen sich miteinander,
alles ist in einen konischen Kasten eingeschlossen, so daß die Platte
nur durch den Spalt Licht bekommen kann. Der Apparat hat die
französische Wechsclvorrichtung mit Stahlband; seine Dimensionen sind
an der Basis 148: 148, beim Objektiv 112:112, die Länge 185 mm;
sein Gewicht ohne Objektiv mit ı2 Platten 9:ı2 an 2 kg. Die Schlitz-
breite und Geschwindigkeit sind regulierbar; und zwar übersetzt ein
Mechanismus Federspannung und Breite des Schlitzes in Expositions-
zeiten, die an einer Skala abgelesen werden können; dabei sind durch
Anbringen einer zweiten Skala auch die richtigen Expositionen ablesbar,
welche entstehen, wenn der Schlitz sich nicht normal von oben nach
unten, sondern von links nach rechts bewegt, richtige Expositionen
natürlich, soweit bei so veränderlichen Dingen wie die Federspannung
eines Verschlusses von einiger Konstanz gesprochen werden kann; doch
gibt die ganze Ausführung des Verschlusses in Metall ein höheres Maß
der Sicherheit als bei anderen Apparaten, und für das Studium sehr
rascher Bewegungen wird sich der Sigriste-VerschluB gewiß bewähren.
Unsere Reproduktionen, deren Originale wir Herrn Krauss-Stuttgart
verdanken, zeigen deutlich die mit dem Apparat erreichbare Schärfe.
Das sich senkrecht zur Objektivachse bewegende Rennpferd ist Y/,g00 Sek.,
die Möven sind aus 4 m Abstand ?/,,,) Sek. belichtet. Englisch.
Neue Preislisten.
Voigtländer & Sohn, A.-G., Braunschweig. Hand- und
Stativ-Cameras.
Die vornehm ausgestattete Liste enthält eine Reihe prächtiger Auf-
nahmen, welche die Leistungen der Voigtländerschen Objektive und
der neuen Kammern dieser Firma treffend veranschaulichen. Die Auf-
nahmen mit der Mano-Camera mit Schlitzverschluß vor der Platte zeigen
insbesondere, welch’ ausgezeichneten Resultate auch mit diesem zu er-
zielen sind, und der Erfolg dieser Kamera hat überhaupt die Firma zur
Fabrikation von Apparaten veranlaßt.
Der Edinolstreit. Ein Urteil des Berliner Tahdgenchis I er-
klärt die Kollision des Edinolpatents (m-Amido-o-oxybenzylalkohol) der
Farbenfabriken vorm. Bayer & Co. mit dem Rodinalpatent (p-Amido-
phenol) der A.-G. f. Anilinfabrikation. Die unterlegenen Farbenfabriken
haben Berufung eingelegt.
Für die Redaktion verantwortlich: Dr, E, ENGLISCH in Stuttgart.
Zeitichrift für wilienichaftlidie Photographie,
Photophylik und Photodiemie
I. Band. 1903. | Heft 4.
Sensitometrische Prüfung gewöhnlicher und orthochromatischer
Platten.
(Vortrag, gebalten am 4. Juni 1903 in der Abteilung für Photochemie des
V. Internationalen Kongresses für angewandte Chemie in Berlin.)
Von J. M. Eder in Wien.
Die technisch leicht durchführbare Empfindlichkeitsmessung
photographischer Platten und die Charakterisierung ihrer Farben-
empfindlichkeit ist für die angewandte Photographie wichtig und
gehört zu den häufig vorkommenden Arbeiten der Versuchs-
anstalten, Derartige Messungen lassen sich, selbst wenn man von
der eigentlichen Spektrophotometrie absieht?), mit einer befriedigen-
den Genauigkeit und mit einfachen Hilfsmitteln durchführen. Der
folgende Arbeitsvorgang ist das vorläufige Ergebnis einer Reihe von
Versuchen, welche ich an der k. k. Graphischen Lehr- und Ver-
suchsanstalt in Wien anstellte.
I. Die Bestimmung des Schwellenwertes mittels Scheiners
Sensitometer
geschieht mit dem großen Modell dieses Sensitometers, angefertigt
bei Mechaniker Töpfer in Potsdam ?).
ı) Vergleiche meine Abhandlung: System der Sensitometrie photographischer
Platten. I. Abhdl. 1899, Sitz.-Ber. der Kais, Akadem. d. Wiss. Wien, Mathem.
naturw. Kl. Bd. CVIII. Abt, Illa, ferner Phot. Corr, 1900. p. 241.
2) Dieser mein Vorschlag wurde vom III. Kongreß f. angew. Chemie 1898 (Wien)
Phot. Corr. 1898. p. 469, akzeptiert. Die Einrichtung des Scheinerschen Sensito-
meters s. Eder, System der Sensitometrie. 1899. p. 5; Phot. Corr. 1898. p. 471;
Ausf. Handbuch d. Phot. Bd, III. 5. Aufl. 1903.
Zeitschr. f. wiss. Phot. 1. 10
120 J. M. Eder.
Man belichtet für technische Proben mit einer Scheinerschen
Benzinlampe im Abstande von ı m während einer Minute — für
genaue Arbeiten zur absoluten Sensitometrie ermittelt man normale
Scheinergrade dadurch, daß man eine frei brennende Hefnersche
Amylacetatlampe im Abstande von 3.637 m (d. i. die Distanz der
Dochtachse von der sensiblen Plattenschichte) aufstellt und eine
Minute belichtet. Man kann dann auch die chemische Leuchtkraft
der jeweilig verwendeten Benzinsorte !) auf Amyllicht reduzieren?).
Die Entwicklung geschieht mit einem „langsam“ sowie mit
einem „rapid“ arbeitenden Entwickler, z. B.: |
a) mit Pyrogallol-Soda (ohne Bromzusatz) während 5 resp.
10 Minuten;
b) mit Metol-Soda, ebensolange.
Auf diese Weise findet man den Schwellenwert unter den für
Platten günstigsten Umständen für einen langsamen und einen
rapiden Entwickler.
Fixierung: Saures Fixierbad.
Als der Schwellenwert (die „Empfindlichkeit‘) der Platte gilt
die letzte, eben noch sichtbare Bildspur.
Vergleicht man die Sensitometerskalen zweier Plattensorten durch
Übereinanderlegen der Streifen, so ist bei gleichem Schwellenwert
jene Plattensorte praktisch die empfindlichere, welche die schwachen
Nummern besser gedeckt und besser voneinander getrennt zeigt;
diejenige ist die weichere, welche die zutensivsten Sensitometer-
nummern noch besser getrennt (einigermaßen transparent) aufweist.
Standards für weniger empfindliche und kräftig arbeitende, sowie für
rapide und zart arbeitende Platten lassen sich unschwer im Handel
finden. (Dies wurde durch einige Proben des Vortragenden demonstriert.)
a) Gewuhnliche Trockenplatten des Handels sollen die mittlere
Empfindlichkeit von 10% Scheiner besitzen, Rapidplatten von 13 bis
14° Sch.; Extrarapidplatten von 16—17° Sch. und darüber finden
sich heute bei guter Gradation und befriedigender Klarheit?) nicht
selten im Handel.
1) Über den Einfluß derselben s. System der Sensitometrie - photographischer
Platten. II. Abh. 1900. p. 4.
2) S. Eder, System der Sensitometrie photographischer Platten. II. Abhdl.
1900. p. 10 und Eders Ausf. Handbuch d. Phot, Bd. III. 5. Aufl. p. 211.
3) Über Bestimmung des sog. „Schleiers“ bei Trockenplatten s. Eder, Phot.
Corr. 1899. p. 529 u. 713 und Eders Ausf. Handb. d. Phot. Bd. IH. s. Aufl,
p. 234.
Sensitometrische Prüfung gewöhnlicher und orthochromatischer Platten. 121
b) Orthochromatische (oder panchromatische) Trockenplatten
zeigen bei der Sensitometerprobe mit Benzinlicht (Abstand ı m) eine
hohe Empfindlichkeit gegen das geldliche Kersenlicht, viel höher
als ihrer relativen Empfindlichkeit bei Tageslicht entspricht‘). Trotz-
dem gibt die Probe im Scheinerschen Sensitometer gewisse
Anhaltspunkte: Eine orthochromatische Platte von 10—112% Sch.
(Benzinlicht oder Amyllicht)?) weist nach meinen Versuchen eine
“praktisch schlechte Tageslicht-Empfindlichkeit auf (kann nicht gut
. für Momentaufnahmen im Freien benutzt werden); orthochroma-
tische Platten von mittlerer Gesamtempfindlichkeit zeigen 14° Sch,;
rapide orthochromatische Platten des Handelssollen 17—19° Sch.
haben.
I. Messung der Gesamtempfindlichkeit orthochro-
matischer Platten bei Tageslicht.
Man zieht zur Vergleichung eine gewöhnliche schleierlose
Bromsilbergelatinetrockenplatte heran, deren Empfindlichkeit im
Scheinersensitometer genau bekannt ist, z.B. eine Schleußner-
trockenplatte, welche durchschnittlich 11—12% Sch. zeigt. Mit
dieser vergleicht man dei Tageslicht die Empfindlichkeit der ortho-
chromatischen Platte und gibt dann an: „Die orthochromatische
Platte braucht bei Tageslicht dieselbe Expositionszeit wie eine ge-
wöhnliche Bromsilbergelatineplatte von x° Sch.“
Für derartige Versuche benutze ich ein Röhrenphotometer
eigener Konstruktion®), dessen Bohrlöcher nicht in arithmetrischer
Progression zunehmen, wie bei H. W. Vogels Röhrenphotometer,
sondern in Helligkeitsabstufungen nach einer geometrischen Pro-
gression, welche genau den Scheinergraden entspricht. Bei meinem
Röhrenphotometer wird die geringste Helligkeit durch ein Bohrloch
von 0.5 mm Durchmesser am Ende einer 10 cm langen Röhre er-
zeugt (Nr. 20 meines Photometers), während die hellste Stelle (Nr. ı)
25 Löcher a r mm aufweist.
Die Helligkeitsgrenzen liegen also zwischen 1 und 100. Das
einfallende Licht muß diffus gemacht werden, damit es die am
1) Vergl. Eders Ausf. Handb. d. Phot. Bd. III. 5. Aufl. p. 633.
2) Beide sind in ihrer Farbentönung nicht ganz identisch,
3) Auf Scheiners Sensitometer bezog ich mein System der Sensitometrie und
führte dies auch konsequent bei diesen Untersuchungen weiter.
10*
122 J. M. Eder,
anderen Ende der Röhren angebrachten photographischen Platten
gleichmäßig schwárzt. Man kann das Licht durch Reflexion von
weißem Papier zerstreuen, und benötigt dann mit meinem Röhren-
photometer, bei einem Abstande desselben vom weißen Zeichen-
papier von ca. I m, in der Nähe eines Zimmerfensters, einige Se-
kunden Belichtungszeit; eventuell kann man auch 6 übereinander-
gelegte mattierte, farblose Gläser vor die Öffnung des Photometers
bringen und das Licht auf diese Weise diffus machen.
Fig. ı zeigt die Vorderansicht meines Röhrenphotometers,
welches dreiteilig ist und in welches Glaswannen (Flüssigkeitsfilter
594
STO
KITTY.
$980
von 1 cm Schichtendicke u. s. w.) eingeschoben werden können;
diese letztere Anordnung ist für Zwecke des Dreifarbendruckes,
sowie zur Prüfung des Effektes von Lichtfiltern von Wert. Durch
eine einfache Vorrichtung kann man jeden Photometerteil einzeln
oder alle drei gleichzeitig belichten.
Vergleicht man nicht nur die Schwellenwerte der geprüften
Platten, sondern auch die Deckkraft der Mitteltöne, so kann man
die praktische Empfindlichkeit (Belichtungszeit) der zu prüfenden
orthochromatischen Platten bei Tageslichtaufnahmen mit großer
Sicherheit bestimmen. Ähnliches gilt für Proben, welche auf Drei-
farbenphotographie Bezug haben.
Sensttometrische Prüfung gewöhnlicher und orthochromatischer Platten. 123
MM. Untersuchung der orthochromatischen Platte einer-
seits auf Blauviolett-Empfindlichkeit!), andererseits auf
Farbensensibilisierung für die optisch hellen Strahlen:
Rot-Gelb-Grün.
Für die Charakteristik der Platte ist es nun vor allem von
Wert, zu wissen:
a) welchen Anteil an der gesamten Lichtempfindlichkeit die
Eigenempfindlichkeit des Bromsilbers gegen Blauviolett hat,
b) wieviel insgesamt der Effekt der Sensibilisierung für Rot-
Gelb-Grün ist.
| Zu diesem Zwecke schneide ich das Spektrum durch blaue
helle Lichtfilter ungefähr bei 4 = zirka 490 (also nächst der Fraun-
hoferschen Linie F) in zwei Teile?). Das Blaufilter besteht aus
einer Lösung von 25 g kristall. Kupfervitriol, Ammoniak und
Wasser zum Gesamtvolumen von 1000 ccm gelöst; es läßt wesentlich
nur Strahlen durch, welche der Eigenempfindlichkeit der Brom-
silbergelatine. bei normalen Belichtungen entsprechen. Das Gelb-
filter besteht aus einer Lösung von 40 g Kaliummonochromat zum
Volumen von 1000 ccm gelöst; es schneidet die blauvioletten
Strahlen ab und läßt nur solche Strahlen durch, welche die Farben-
sensibilisierung umschließen.
A) Prüfung hinter Blau- und Gelbfiltern bei Benzin- oder Amyllicht.
Die im Vorhergehenden erwähnten blauen und gelben Licht-
filter werden in ı cm dicker Schicht vor die Benzinlampe eines
Scheinersensitometers bei */, m Abstand (oder Amyllampe bei ent-
sprechender Distanz) gestellt und die Platte wird ı Minute lang im
Scheinersensitometer belichtet, und zwar:
1) Wir wollen zunächst hierin auch die Ultraviolett-Emptindlichkeit mit ein-
schließen.
2) Diese Teilung des Spektrums in 2 Teile ist nur eine annähernde und keine
ganz genaue, weil die Absorptionsbänder des Blau- und Gelbfilters nicht scharf an-
einandergrenzen, sondern allmählich ineinandergrcifen. Es bleibt bei kurzen Belich-
tungen eine kleine Lücke zwischen beiden; bei mittleren stoßen sie knapp neben-
einander, bei Überbelichtung aber greifen sie übereinander; dies bringt gewisse
Unregelmäßigkeiten mit sich (s. später).
124 J. M. Eder.
a) bei einer Probe hinter der blauen ammoniakalischen Kupfer-
lósung, dann
b) eine zweite Probe hinter gelber Lósung von Kaliummono-
chromat und
c) eine dritte Probe hinter einer mit reinem Wasser gefüllten
Wanne.
Alle drei Streifen werden gleichzeitig (z. B. mit Pyrogallol-Soda
ohne Bromzusatz 7 Minuten lang) entwickelt und fixiert.
Man vergleicht die drei Streifen dann durch Übereinanderlegen
mit besonderer Berücksichtigung der Mitteltöne und ermittelt hier-
mit die relative Empfindlichkeit.
Nummer Relative
der Dichte Empfindlichkeit
a) hinter Blaufilter z. B. . . . 2° Scheiner 14
b) hinter Gelbfilter zB. . . . 9° Scheiner 78
c) hinter Wasserfilter z. B.. . . 10° Scheiner 100
d.h. vom Benzinlicht wirken der optisch helle Anteil bis Blau mit
dem Effekte 78°/, von der Gesamtwirkung und die blauvioletten
Strahlen mit 14 °/,; der Rest ist Verlust bei der Analyse, welcher
auf Rechnung der unvollkommenen Teilung des Spektrums zu setzen
ist. — Spielt die zwischen beiden Lichtfiltern bestehende lücken-
artige Stelle des Spektrums bei der Farbenempfindlichkeit der Platten,
resp. das Zustandekommen des photographischen Bildes eine große
Rolle, so kann der Verlust bei der Analyse noch mehr (vielleicht
30°/, von der Gesamtwirkung) betragen. Die Größe dieses Fehl-
betrages ist für die Charakteristik orthochromatischer Platten von
Wert und liegt in der Methode.
Alle diese Empfindlichkeitsrelationen a (für Benzinlicht)
schwanken mit der Gradation der Platten; z. B. gibt bei Lumiéres
orthochromatischen Platten die Ablesung und Vergleichung an den
letzten schwachen Nummern die Empfindlichkeitsrelation Zr = 1:0.88;
liest man aber die Mitteltóne ab (Mitte zwischen Schwellenwert und
e . Bl . .
dichten Nummern), so resultiert So = 1:1.1. Die Ursache ist un-
1
gleiche Gradation der Platten, wobei die Schwärzungskurven sich
schneiden und dann wieder stark auseinandergehen.
Solche Platten sind für manche photographische Zwecke (z. B.
Dreifarbendruck) weniger geeignet, als ganz regelmäßig mit paralleler
Sensitometrische Prüfung gewöhnlicher. und orthochromatischer Platten. 125
Gradation sich schwärzende. Es gibt aber heute viele orthochro-
matische Platten, deren Gradation praktisch genügend gleichartig
verläuft. Starke Divergenz der Schwärzungskurven im Gelb und
Blau ist als Charakteristikon der orthochromatischen Platten anzu-
geben. Die Relation der Blaugelb-Empfindlichkeit gegen Benzinlicht
ist nicht ohne weiteres für die Bestimmung der Belichtungszeiten
resp. relativen Farbenempfindlichkeit bei Tageslicht zu gebrauchen.
Wohl aber bestehen Beziehungen, welche einen Rückschluß gestatten
(s. später).
B) Die Untersuchung mittels Blau- und Gelbfilter bei Tageslicht‘)
geschieht in analoger Weise, wie die vorige, jedoch mit Anwen-
dung des Röhrenphotometers; die Resultate sind für die Arbeiten in
Ateliers von besonderer Bedeutung.
Man liest (ähnlich wie bei 4) die relative Empfindlichkeit 2%"
Gelb
ab. Sehr gute Trockenplatten vom Erythrosin-Typus zeigen bei
Blaufilter 2— ;
Gelbfiter = r 3 bei den
meisten Handelssorten dieser Art ist die Blauempfindlichkeit durch '
Zusatz von Pikrinsäure, Tartrazingelb etc. künstlich gedämpft; aber
auch die stärkst im Gelb gedämpften Perxantoplatten geben die
Relation 2% = 2
Gelb I
keit über die Gelbgrünempfindlichkeit; keine Gelatineplatte erreicht
Bromsilberkollodion mit Eosinsilber, welches bei dieser Probe über-
Blau I
wiegende Gelbempfindlichkeit aufweist, nämlich 5 = e
Tageslicht eine relative Empfindlichkeit
; es überwiegt also bei Tageslicht die Blauempfind-
C) Magnesiumlicht.
Wiederholt wurde das Licht von brennendem Magnesium als
Normal - Lichtquelle zur Sensitometrie orthochromatischer Platten
empfohlen? Nach meinen Versuchen ist die Verwendung von
Magnesiumlicht als Normallichtquelle zur Sensitometrie farbenempfind-
licher Platten mit Nachteilen verbunden. Das brennende Magnesium-
band liefert: l |
I. je nach der Art des Anzündens und der Länge der Stücke,
starke, nicht leicht kontrollierbare Helligkeitsdifferenzen;
ı) Analog ist die Prüfung bei elektrischem Lichte.
2) z.B. von H. W. Vogel, II. Kongr. f. angew. Chemie 1898 (Phot. Corr. 1898.
S. 479.)
126 J. M. Eder.
2. ist die Farbe des Magnesiumlichtes wohl weiß (bläulichweiß),
aber der Anteil an Ultraviolett ist ein bedeutend größerer als bei
weißem diffusen Tageslichte.
3. treten im Spektrum des Magnesiumlichtes neben dem konti-
nuierlichen Spektrum auch das Bandenspektrum des Magnesium-
(Tabelle zu S. 127.)
Relative Empfindlichkeit Der
Schwell rt
wellenwe Gelb
Bei Tages-
licht (gleich
Benzinlicht | von weißem Papier
Bezeichnung Benzinlicht reflektiert
einer ge-
Im wöhnlichen
Distanz Br a
in Graden RR:
Scheiner siumlicht
Orthochromatische Platte |
des Handels (Erythrosin-
platte „ohne Gelbscheibe
verwendbar‘‘) A
Sorte a (Kolor). . . . 19° 10—11? 5 Le = oo
Sorte b (Schattera). . .| 19° ea 2 send
47 5-5 I I
Sorte c (Kodoid) . . .| 13° 11—12° 5 1 >
Sorte d (Perorto) . . . 16° 9— 10° A - 33
Sorte e (sehr stark mit
gelben Farbstoffen
gedämpfte Erythrosin- 3 1-2 — 1-3
platte, Perzanto) . . 14° 7—8° A oe —
I I IIe .
Sorte f (Lumière gelbgrün) 12° g° a i 3 E
Schlechte Sorte orange- BE ES a
empfindlicher Platten . 10° 72 ei T =
Schlechte Sorte einer pan- A E
chromatischen Platte . 11^ 8° = ra —
Mittelmäßige Sorte einer s
panchromatischenPlatte
in der Emulsion ge-
färbt: s.a Si jean a 170 10— 11? a 7° =
Gute Sorte einer panchro- er
matischen Platte (Ortho-
chrom-Badeplatte) oder
Äthylrotplatte . . .| 18—ı9° ro | ee ine er
45 1-3
Sensitometrische Prüfung gewöhnlicher und orthochromatischer Platten. 127
oxyds, sowie die grünen Magnesiumtriplets auf, welche in den be-
treffenden Bezirken die Kontinuität des Spektrums zerreißen; dadurch
werden bei photographisch-photometrischen Versuchen Störungen
herbeigeführt. ')
Aus diesen Gründen kann ich mich dem Vorschlage, Magnesium-
licht zur Sensitometrie orthochromatischer Platten zu benützen, nicht
anschließen. Die Reduktion der Sensitometer-Anzeigen bei Benzin-
oder Amyllicht auf die für Tageslicht geltenden Belichtungszahlen
kann sicherer als bei Verwendung von Magnesium geschehen.
Trotzdem führte ich Versuchsreihen mit Magnesiumlicht aus,
wovon ich einige Ergebnisse in die nebenstehende Tabelle (S. 126)
mit einbezogen habe.
D) Zusammenstellung der Prüfungsresultate einiger Plattensorten
des Handels.
Die hier angegebenen Methoden gestatten eine gute Orien-
tierung, wenn man die Versuchsresultate kennt, welche gute und
minderwertige Handelssorten farbenempfindlicher Platten geben.
Deshalb teile ich einige solche Prüfungsresultate in nebenstehender
Tabelle (S. 126) mit.
IV. Die Rolle des Ultraviolett bei photographischen
Aufnahmen am Tageslichte.
Die große Rolle, welche Ultraviolett bei photographischen Pro-
zessen spielt, ist bekannt und wurde neuerdings von Ives?) wieder
hervorgehoben, nachdem bereits E. Albert vor ı5 Jahren auf die
Wichtigkeit des Fernhaltens von ultraviolettem Licht bei ortho-
chromatischen Aufnahmen?) hingewiesen hatte.
ı) Dies führte ich in meinen Abhandlungen über „Das Flammen- und Funken-
spektrum des Magnesiums“, Denkschr. d. Kais. Akad. d. Wiss. Wien 1903 und
„Photometrische Untersuchungen d. chem. Helligkeit von brennendem Magnesium,
Aluminium und Phosphor“, Sitz.-Ber. d. Kais. Akad. d. Wiss. Wien, mathem.-naturw.
Klasse, Bd. CXII, Abt. Ila, 1903, näher aus.
2) F. E. Ives schätzt die Mitwirkung des ultravioletten Lichtes sogar bei ge-
wöhnlichen Aufnahmen im Atelier auf die Hälfte der Gesamtwirkung des Tageslichtes
(The Amateur Photographer 1903. p. 349; Ältere Publikation von Ives über diesen
Gegenstand s. Phot. Corr. 1895. p. 495; vergl. ferner Phot. Corr. 1895. p. 545).
.3) Dr. Eugen Albert „Über eine isochromatische Collodion-Emulsion (Phot.
Corr. 1888. p. 251).
128 J. M. Eder.
Mittels der hier beschriebenen Methode der Sensitometrie läßt sich
die Rolle, welche ultraviolettes Licht bei photographischen Prozessen
spielt, leicht verfolgen, wenn man irgend eines der bekannten, ultra-
violett absorbierenden Mittel, z. B. Chininsulfat, Äsculin etc. einschaltet
oder das Woodsche für Ultraviolett durchlässige Filter (Eders
Jahrb. f. Photographie 1903, S. 443) benützt, welches jedoch für
Ultraviolett nicht genügend transparent ist.
Gut entsprach bei meinen Versuchen eine 10/,ige wässerige
Lösung von Chininbisulfat (Schichtendicke 1 cm) in Glaswannen
(farblose Glasscheiben a ı mm Dicke). Diese Filter schneiden Ultra-
violett ungefähr bei der Fraunhoferschen Linie A (4 = 396) ab;
bei kürzeren Belichtungen rückt die Absorption etwas weiter ins
Violett bis A = 398, bei sehr langer Belichtung bis A = 394 etwas
gegen Ķ, welches letzteres aber noch gedämpft wird (auch Äsculin
kann verwendet werden).
Die Differenz der photographischen Wirkung einer Lichtquelle
hinter Chininsulfat — sowie hinter Wasserfilter — gibt den Anteil
des Ultraviolett am Zustandekommen des Lichtbildes.
Auf diese Weise ermittelte ich den Anteil des Ultraviolett bei
der photographischen Bilderzeugung am Tageslichte unter An-
wendung von Bromsilbertrockenplatten (Glaswannen mit 2 Gläsern
a ı mm); die Versuchsergebnisse sind in folgender Tabelle zusammen-
gestellt:
Effekt von
sichbarem
Lichte
Effekt von
Ultraviolett
I. Bromstlbergelatine mit Entwicklung.
a) Der photographische Effekt von Tageslicht (reflek-
tiert von weißem Papier) auf Bromsilbergelatine
setzt sich zusammen aus . . 2 2 2 20. 62°), 38°),
b) Photographischer Effekt von Magnesiumlicht (weißes
Papier) s a a e 0 u. ae re ee 30%, 70°),
c) Gaslicht(Argandbrenner), von weißem Papier reflektiert 80%, | 20%,
II. Chlorsilbergelatine mit chemischer Entwicklung.
Der photographische Effekt von Tageslicht (reflektiert
von weißem Papier) auf Chlorsilber setzt sich
zusammen us . s. s so 2 ern. 1—2°/, 98-990
ERS
Sensitometrische Prüfung gewöhnlicher und orthochromatischer Platten. 129
Bei Aufnahmen mit Bromsilbergelatineplatten am Tageslichte
überwiegt also die Wirkung des sichtbaren Spektrums über die
immerhin beträchtliche Wirkung des Ultraviolett!); dagegen wird
beim Photographieren mit Chlorsilbergelatineplatten fast der ganze
Effekt vom Lichte im äußersten Violett nächst 7X und besonders
von Ultraviolett bewirkt. Auch bei Magnesiumlicht kommt der
Hauptanteil der Wirkung dem Ultraviolett zu.
V. Spektrographische Prüfung.
Die beschriebenen Proben mittels Lichtfiltern zeigen nur an,
wie groß die Empfindlichkeit einer photographischen Platte im Sensi-
bilisierungsbezirke Rot—Gelb—Grün im Vergleiche zu der Eigen-
empfindlichkeit des Bromsilbers (im Blau-Violett-Ultraviolett) ist.
In Ergänzung dieser Proben ist stets eine Spektrumphotographie
vorzunehmen, welche die wirksamen Farbenbezirke im Detail er-
kennen läßt.
Zu orientierenden Versuchen eignen sich sowohl Glas-, Quarz-,
wie Gitterspektrographen; ja sogar einfache Spektrographen à vision
directe und zwar:
I. Aufnahme des Sonnenspektrums;
2. Aufnahme bei Gaslicht oder Amyllicht mit einphotographierter
Natriumlinie. Diese Aufnahmen mit steigender Belichtungszeit er-
geben eine Art Spektro - Photometrie.
Die Wirkung der verschiedenen Farbensensibilisatoren ist von
mir, sowie Professor E. Valenta vielfach untersucht und publiziert
worden. Es mag aber vielleicht die Übersicht über die derzeitige
Fabrikation farbenempfindlicher Platten erleichtern, wenn ich die
vier Haupttypen der gegenwärtig besonders in Betracht kommenden
orthochromatischen und panchromatischen Platten an der Hand von
Spektrumphotographien (Glasspektrograph) in Fig. 2 auf Seite 130
wiedergebe. '
Fig. 2I. Orthochromatische Platte mit Erythrosin. (Zu dieser
Type gehören: Viridinplatten von Dr. Schleußner in Frankfurta. M., :
ı) Falls bei andern Versuchsanordnungen das Licht durch dicke, eventuell
grünliche Glasmassen dringt, wird das Ultraviolett mehr geschwächt; ebenso treten
Schwankungen bei der Reflexion von verschieden gefärbten Flächen ein,
—
“AOISITIGISUIS ZIEAYISIIO A 19po uauımpuy ‘uawsordin yu “ye gd aysıpuydwsjoy "AI — "Malsııgısuss UIYISIUIIA y O)5Q1E Y
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J. M. Eder..
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uoyjeld Hydsjyde13ojoud SuSpejqosiea Jne SUN FOASUSUUOS sep SUNHJIM
130
Sensttometrische Prüfung gewöhnlicher und orthochromatischer Platten. 131
Eosinsilberplatten von Perutz in München, Silbereosinplatten von
Schattera in Wien, Kolorplatten von Westendorp & Wehner
in Köln, orthochromatische Platten von Smith in Zürich, von der
Berliner Aktiengesellschaft für Anilinfabrikation, von Schering in
Berlin, Schippang in Berlin, Eastmans Kodoidplatten, Edwards
isochromatische Platten; ähnlich sind Lumiéres orthochromatische
Platten.) iz
Fig. 211. Panchromatische Platte mit Chinaldincyaninen. (Miethes
Äthylrot; Königs Orthochrom 7.)
Fig. 2111. Panchromatische Platte mit Farbstoff-Gemischen sensi-
bilisiert. (Beispiel: Erythrosin und Äthylviolett; einigermaßen ähn-
lich ist Azalin, d. i. Chinolinrot und Cyanin.) |
Fig. 2IV. Rotempfindliche Platte mit Nigrosinen, Indulinen oder
Wollschwars sensibilisiert (ähnliche Spektralwirkung zeigt die rot-
empfindliche Platte von Schattera in Wien. Gruppe IV zeigt eine
Serienaufnahme zur Demonstration der Spektralwirkung mit variabler
Belichtungszeit.
VI. Prüfung für Dreifarbendruck.
Für photographischen Dreifarbendruck ist die Kenntnis der
relativen Empfindlichkeit der verschiedenen Plattensorten hinter den
betreffenden Lichtfiltern (Rotorange, Grün, Blauviolett) von Wert,
um die korrekte Belichtungszeit bei der Herstellung der drei Teil-
bilder bemessen zu können. - |
Am einfachsten ist die Belichtung der Plattenproben hinter
den drei Lichtfiltern, welche man akzeptiert hat, wobei mein Röhren-
photometer gute Dienste leistet.
Über die genaue Beschaffenheit der drei Filter für Orange,
Grün und Blauviolett ist derzeit kaum eine Einigung zu erzielen,
weil die Arbeitsmethoden für Dreifarbendruck oder -Projektion zu
weit auseinandergehen.
Immerhin ist es derzeit am schwierigsten, Trockenplatten von
guter Orangerotempfindlichkeit zu bekommen; deshalb glaube ich
die Verwendung eines strengen Orängefilters zur Plattenprüfung für
Dreifarbendruck vorschlagen zu sollen und zwar zunächst im Ver-
gleiche mit dem blauen Kupfer- und gelben Kaliummonochromat-
filter. — Mein Orangefilter besteht aus einer Lösung von ı Teil
Naphtolorange .(Marke Orange II der Badischen Anilin- und Soda-
132 ` eoa J. M. Eder.
fabrik in Ludwigshafen a. Rh.; Natronsalz des Sulfanilsäure-Azo-ß-
Naphtols) in 500 Teilen Wasser.!)
Die sensitometrische Prüfung. von panchromatischen Platten
gegenüber solchen Normallichtfiltern (blauviolette, gelbe und orange-
farbige Lichtfilter) gab mir folgende Resultate:
Relative Lichtempfindlichkeit bei Tages-
licht (von weißem Papier reflektiert)
Kupferfilter
Kaliummono- | Naphtol- `
chromat Orange
Gute panchromatische Badeplatte (Typus
der Isocyanine)
Sorte a . ... 2 0 0 0000. I 0.78 0.05
Sote bs s a 0, 0 a a oo I I 0.11
Sone Ga ao a a e a ae a a i I 1,27 0.29
Schlechte Sorte von panchromatischen
Platten %- 3... s e ote see I 0.14 0.01
Diese Art der Prüfung gestattet eine Orientierung über die Größe
der relativen Orangerotempfindlichkeit farbenempfindlicher Platten.
Will man aber die relativen Belichtungszahlen für die in der
photographischen Praxis verwendeten Dreifarbenfilter: Violett, Grün
und Orange mit Hilfe der Sensitometrie ermitteln, so muß man
Normalfilter für Dreifarbenphotographie zu Grunde legen.
Ohne endgültige Regeln aufstellen zu wollen, teile ich im fol-
genden die Herstellungsart derartiger Lichtfilter mit, welcher ich
mich selbst mit Erfolg bediente und welche vor anderen insofern
einen Vorzug haben, als sie quantitativ spektralanalytisch (a. a. O.)
von mir genau festgelegt sind.
Meine Normallichtfilter für Dreifarbendruck bestehen aus:
I. 1 Teil Methylviolett?2) in 10000 Teilen Wasser.
2. a) Grünfilter für Platten von der Type Erythrosinplatten
80 ccm Wasser
30 ccm Ammoniumpikrat (1 : 200)
15 ccm Neu-Patentblau 4B*) (1 : 1000).
Dieses Filter dämpft stark das Gelb und Gelbgrün.
ı) Die Charakterisierung des Naphtolorangefilters mittels quantitativer Spektral-
analyse, s. Eder „Spektralanalytische Studien über photographischen Dreifarbendruck“,
Denkschriften der kais. Akademie d. Wiss., Wien 1902. Bd. LXXII.
2) Reines Methylviolett aus der Badischen Anilin- und Sodafabrik in Ludwigs-
hafen a. Rh.
3) Aus den Farbenfabriken vorm. Fr, Bayer & Comp. in Elberfeld.
Sensitometrische Prüfung gewöhnlicher und orthochromalischer Platten. 133
m [1 A ¡A A —>————_—_—_—— > _ 63 lA '__—__————— a EEE
b) Griinfilter für Platten vom Typus Äthylrot oder Dune:
chrom.
85 ccm Wasser
30 ccm Ammoniumpikrat (I : 200)
5 ccm Neu-Patentblau (1 : 1000).
3. Orangefilter: 1 Teil Naphtolorange in.500 Teilen Wasser.
© Schaltet man diese Farblösungen in Glaswannen (1 cm Schichten-
dicke) in ein Röhrenphotometer ein und belichtet sie auf weißes
Papier (Tageslicht, elektrisches Licht), so erhält man bei gleich
langer Belichtung entsprechende Sensitometerplatten, von welchen
sich die relative Empfindlichkeit in Scheinergraden ablesen läßt,
woraus man die relative Lichtempfindlichkeit berechnen kann.
Beispiele einer solchen Untersuchung liefert folgende Tabelle:
Proben mit Dreifarbendruck-Lichtfiltern:
Relative Lichtempfindlichkeit bei Tages-
licht (von weibem Papier reflektiert)
Violettfilter Grinfilter Neue
filter
Gute panchromatische Platte
(Typus Isocyanin)
SOME. ar a Sa. a ai en a. a I 1 0.09
Sorte b e . . . . . . . . . . I ] 1.6 0.09
Sorte C . . . ; I 1.6 0.24
Minderempfindliche Sahtlrromalisch-
Platte rs; ce seo A me I 0.11 0.01
Bei den farbigen Lichtfiltern kann Ultraviolett zur Wirkung
gelangen und zwar hauptsächlich beim Blaufilter (Violettfilter), wenig
bei Grünfilter mit Pikraten u. s. w., weil Pikrinsäure in dicken
Schichten das Ultraviolett praktisch ganz absorbiert; noch weniger
bei Naphtolorangefilter. Es liegt die Idee nahe, im Bedarfsfalle Ultra-
violett-Absorptionsmittel einzuschalten, was auch von mehreren Seiten
versucht wurde. Meine im Atelier sowohl für Farbenlichtdruck als
Autotypie (Gelatine-, sowie Kollodiumverfahren) angestellten Ver-
suche zeigen, daß der Effekt von Ultraviolett als störende Lichtart
wohl nachweislich ist, allein im Vergleich zu den übrigen Fehler-
quellen nicht so bedeutend ist, daß man praktisch stark fühlbare
Störungen beobachten könnte. Immerhin wird die Sensitometrie von
Lichtquellen und Prüfung von Lichtfiltern diese Fakten einzubeziehen
haben.
134
Wirkung des Sonnenspektrums auf Bromsilbergelatineplatten (Glasspektrograph).
A hinter Methylviolett + Äsculin; B hinter Methylviolett allein.
J. M. Eder.
Dies beweist die von mir vorge-
nommene Prüfung des Violettfilters
(Methylviolettfilter ı: 10000) für Drei-
farbendruck, welches an und für sich
das farbige Licht befriedigend gegen den
sichtbaren Spektralbezirk auslöscht, aber
keinen Schutz gegen Ultraviolett gewährt.
Bei Gemäldereproduktionen stört dies
wenig, es wird von den bunten Farben
durchschnittlich nicht allzuviel Ultra-
violett reflektiert. Bei Naturaufnahmen
im Freien, z. B. Landschaften in Drei-
farbenphotographie aber ist eine vielleicht
praktisch nicht bedeutende Störung durch
Ultraviolett bemerklich'!), weil die Ober-
fläche der Blätter (Gras und Laub) im
Vordergrunde viel diffuses Himmelslicht
(nicht wirkliches Grün) reflektieren. Die
Gelbdruckplatten drucken an solchen
Partien zu hell. Jeder Autotypist kann
dies durch Metallretouche sehr gut korri-
gieren; besser erscheint die photochemi-
sche Korrektur bei der Negativerzeugung.
Es genügt nämlich -Beimengung von
0.05 °/, Äsculin zum Methylviolettfilter,
um das Ultraviolett in der Gegend von
H gut zu eliminieren; die Expositions-
zeit ist dann von 1 auf ı!/, zu verlängern,
welche Verlängerung dem Quantum des
ausgeschalteten Ultraviolett entspricht
Fig. 3 B zeigt die Wirkung des Sonnen-
spektrums auf Bromsilbergelatineplatten
mit normaler Belichtung hinter einem
Methylviolettfilter _(Glasspektrograph);
Spektrum A ist hinter Methylviolettfilter,
ı) Bei der Herstellung Lippmannscher
Photochromien bereits von Professor Miethe
beobachtet; er schloß das Ultraviolett durch
Ásculin aus.
Ultrarote Flammenspektra.
q
dem 0.05 °/, Äsculin zugesetzt war, aufgenommen und zeigt die
Absorption des ultravioletten Lichtes.
Die Berücksichtigung der von der Violettempfindlichkeit zu
trennenden Ultraviolettempfindlichkeit wird jedoch in zweiter Linie
in Betracht kommen.
Wichtiger wäre eine Einigung über die bei sensitometrischen
Untersuchungen panchromatischer Platten in Verwendung zu ziehen-
den drei Hauptfilter für Blauviolett, Grün’ und Orangerot. Sie
sollen so beschaffen sein, daß man damit Dreifarbenphotographien
— ohne namhafte Retouche — herstellen kann; ferner sollen diese
Filter mittels quantitativer Spektralanalyse charakterisiert sein; daß
die von mir verwendeten und vorgeschlagenen Lichtfilter in diesen
Beziehungen entsprechen, zeigen die damit an der K. K. Graphischen
Lehr- und Versuchsanstalt in Wien hergestellten Dreifarben-Licht-
und Buchdrucke (Autotypien). Der Vortragende legte mehrere nach
diesen Prinzipien an der Wiener K. K. Graphischen Lehr- und
Versuchsanstalt hergestellte Dreifarbendrucke vor.
(Eingegangen am 6. Juni 1903.)
Ultrarote Flammenspektra.
Von Hans Lehmann.
(Mitteilung aus der optisch-astronnmischen Werkstätte von C. A. Steinheil Sóhhe
in München.)
Im Anschluß an meine früheren Untersuchungen der ultraroten
Bogenspektra der Alkalien etc.!) unternahm ich es, auch die Flammen-
spektra einiger von diesen Elementen einer Prüfung zu unterziehen
und die Resultate mit den bestehenden theoretischen Ergebnissen
zu vergleichen.
Bekanntlich lassen sich die Linien der Bogenspektra vieler
Elemente nach den klassischen Untersuchungen der Herren Kayser
und Runge in Hauptserien und ı—2 Nebenserien ordnen, deren
mathematischer Ausdruck durch die Formel
1078} = A — Bn? — Cu
t1) H. Lehmann, Ann. d. Phys. 5. p. 633. 1901; 8, p. 643. 1902; 9, p. 240.
1902; 9. p. 1330. 1902.
Zeitschr. f. wiss, Phot. 1. 11
136 Hans Lehmann.
gegeben ist, worin A, B und C für das betreffende Element charak-
teristische Konstanten sind und # = 3,4, 5... die Ordnungszahl
der zu einer Serie gehörigen Linie ist. Besonders klar und über-
sichtlich gestaltet sich diese Theorie für die erste Mendelejeffsche
Gruppe, die Alkalien. Von dieser Gruppe hatte ich damals folgende
ultrarote Linien im Beugungsspektrum des Bogens photographiert
und gemessen.
À | Serien | n
Lithium. . . 8127,34 II. Nebenserie 3
Natrium . 21902 l I. Nebenserie + 3
8184,33 |
EN 7791,92 S |
Kalium . | + | Hauptserie
7668,54 à
| 8513,26 — q
7950,46 l .
Hauptserie
7805,98 i -
Rubidium . .% 7753,58 Ä
| 7626,66 I. Nebenserie 4
740019 | II. Nebenscrie 4
| 7277,01 |
9211,86 I. Nebenserie 4
| 9171,38 > =
8949,92 Hauptseric 3
8766,10 I. Nebenscrie 4
Cäsium 8527,72 Hauptserie 3
8082,02 — —
8019,62 — —
7616,58 — —
7227,86 — us
Nun ist im allgemeinen die Linienzahl in einem -Spektrum ab-
hängig von der Temperatur der Lichtquelle, und zwar erscheinen
bei tiefer Temperatur der Flamme nur die intensivsten Linien. Nach
der oben erwähnten Theorie repräsentiert die erste Linie der Haupt-
serie (z = 3) eines jeden Elementes die stärkste Linie des Spektrums,
die Grundschwingung des Atomes, während die Intensität der folgen-
den Linien der Hauptserie (für die Ordnungszahlen z = 4, 5... etc.)
allmählich abklingt; das Gleiche gilt für die Nebenserien, nur daß
hier die erste Linie mit einer geringeren Intensität einsetzt als die
ersten Linien der Hauptserie. Tatsächlich kann man experimentell
erreichen, daß bei tiefer Temperatur der Flamme nur die Grund-
Ultrarote Flammenspektra. 137
schwingung des Atoms sichtbar ist; so erscheint z. B. in der Wein-
geistflamme nur die rote Lithiumlinie, welche die erste Linie der
Hauptserie ist, während die der I. Nebenserie angehörige orange
Linie erst bei starkem Luftzutritt in der Bunsenflamme hervortritt;
bei Anwendung des Knallgasgebláses aber erhält man Spektra,
welche den Bogenspcktren schon sehr ähnlich sind. Das heißt mit
anderen Worten: Das Hinzutreten neuer Linien bei Temperatur-
erhöhung der Flamme kann als Kriterium der Intensität der Linien
bezw. der zu ihrer Sichtbarmachung nötigen Energiezufuhr und so-
mit als Prüfstein der Seriengleichungen gelten.')
Als Lichtquelle wählte ich zunächst die gebräuchliche Bunsen-
flamme von Leuchtgas, welche möglichst nahe an den Spalt des
Spektralapparats gestellt wurde, damit der Lichtkegel die Objektive
ganz ausfiillte. Die Einführung der Salze (Chloride) in die Flamme
geschah in der gebräuchlichen Weise durch die Perle am Platin-
draht; bei den kostbareren Metallen Rubidium und Cäsium verfuhr
ich so, daß ich am Platindraht ein kleines Stück ausgeglühten Asbestes
befestigte, das mit der Lösung des betreffenden Chlorides getränkt
war; auf diese Weise vermeidet man das Verspritzen des erhitzten
1) Bei Spektren, die ihre Entstehung der sogenannten Zlektrolumineszenz ver-
danken, gilt diese Beziehung nicht mehr. Ja es kann sogar das Spektrum des Bogens
durch Temperaturerniedrigung in das des Funkens übergeführt werden, wie in neuester
Zeit die Herren Hartmann und Eberhard zeigten. Berl. Sitzungsber. Nr. 4—5.
Pp. 40—43. 1903.
11?
138 Hans Lehmann.
Salzes und erzielt durch geeignete Wahl der Konzentration der
Losung ein sparsames und doch intensives Leuchten der Flamme.
. Der Spektralapparat war ein sogenannter lichtstarker Universal-
spektralapparat aus der optisch-astronomischen Werkstätte von
C. A. Steinheil Sóhne in Miinchen, wie ihn beistehende Abbil-
dung zeigt.
Die Objektive des Kollimator- und Beobachtungsfernrohres sind
3teilig, von einer Öffnung von etwa 50 mm und 200 mm Brenn-
weite, während als photographisches Objektiv der neue ,, Unofocal**
der Firma Steinheil von gleichem Öffnungsverhältnis dient. Die
beträchtliche Helligkeit des Apparats ist also ı/4. Die dispergieren-
den Mittel sind ein einfaches 60° Prisma aus Steinheilsilicatflint
Nr. 154 der Brechung 1,6136 und v = 37,0, sowie ein 3faches
Rutherfordprisma gleicher Ablenkung.
Ich benutzte bei vorliegender Untersuchung aus naheliegenden
Gründen jedoch nur das einfache Prisma, welches von A, bis Kg ein
nur 15 mm langes Spektrum gab. Die ultrarotempfindlichen Platten
habe ich bereits früher beschrieben; ich benutzte hier sowohl die
Alizarinblaubisulfit- als auch die Cyaninbadeplatten nach Burbank.
Die Ergebnisse der Untersuchung sind nun folgende:
Da, wie oben erwähnt, beim Lithium die orange Linie (die
stärkere Linie der I. Nebenserie) erst unter günstiger Bedingung (bei
gutem Luftzutritt) in der Bunsenflamme erscheint, so war es von
vornherein zu erwarten, daß die ultrarote Linie bei 81 27,34 Å, die
erste Linie der Il. Nebenserie, nicht vorhanden ist. Dies konnte
auch durch sehr lange Expositionen bestätigt werden.
Beim Natrium ist die Temperatur der Bunsenflamme nicht ein-
mal imstande, das stärkste Linienpaar der I. Nebenserie erscheinen
zu lassen, die ultraroten Linien bei 8194,76 und 8184,33 Ä, wo-
von ich mich durch stundenlange Expositionen überzeugte.
Kalium und Rubidium haben schon im Bogen keine ultraroten
Linien, die ich hätte photographisch nachweisen können; in der
Bunsenflamme war dies natürlich erst recht der Fall.
Beim Cäsium dagegen gelang es mir, schon nach ı5 Minuten
Belichtung eine starke Linie im Ultrarot zu photographieren. Die
Ausmessung der Platten geschah mit einem Messmikroskop von
Toepfer in Potsdam, welches 0,0005 mm abzulesen gestattet und
dessen Schraubenfehler diesen Betrag an keiner Stelle erreicht. Als
Standartlinien dienten die als unvermeidliche Verunreinigung auf-
tretenden Rubidium- und Kaliumlinien.
Ultrarote Flammenspektra. 139
Da ich nach der Gesctzmäßigkeit vermutete, daß diese Linie
die der Hauptserie für die Ordnungszahl z = 3 angehörige Linie ist,
so setzte ich die von mir früher gefundene Wellenlänge 8527,72 Ä
und berechnete so mit Hilfe anderer bekannter Linien ebenfalls be-
kannte Wellenlängen. Zur Berechnung wandte ich die bequeme
Formel von Herrn Hartmann!) an:
=h +y. j
worin A,, c und D, Konstanten sind und für D einfach die Ablesung
am Meßmikroskop gesetzt wird. Der mittlere Fehler der Messungen
betrug noch nicht ı Å; dieses Resultat ist für die Definition des
Apparats gewiß beachtenswert.
Wurde für die Wellenlänge der ultraroten Caesiumlinie irgend
ein anderer der auf S. 136 angeführten Werte gesetzt, z. B. 8949,92 A,
so ergaben sich Abweichungen von etwa 20 Ängström-Einheiten.
Nach meinen Beobachtungen ist es nicht auffallend, daß nur
die eine Komponente des stärksten Cäsiumpaares auf der Platte
erscheint, und nicht auch die Linie bei 8949,92. Es ist nämlich
die Linie größerer Wellenlänge eines jeden Paares nach den Photo-
graphien der Bogenspektra der Herren Kayser und Runge um
einen Grad weniger intensiv als die Komponente kürzerer Wellen-
lange (10 Grade werden angenommen). Ich habe nun die Bc-
obachtung gemacht, daß dieser Unterschied bei den Flammen-
spektren ganz bedeutend größer ist; so schätze ich z. B. das
Intensitätsverhältnis des blauen Cäsiumpaares auf meinen Photo-
graphien wie 1:10. Ich muß aber bemerken, daß dieses Verhältnis
bei langer Exposition sich mehr dem Werte von Kayser und Runge
nähert; hier spielen wohl die periodische Solarisation und andere
photochemischen Effekte eine Rolle.
Ich glaube aber, hierdurch das Fehlen der Komponente größerer
Wellenlänge des ultraroten Cäsiumduplets in genügender Weise erklärt
zu haben; denn für so schwache Intensitäten der ohnehin schon
schwachen Bunsenflamme sind die Platten nicht mehr empfindlich
genug.
1) J. Hartmann, Über eine einfache Interpolationsformel für das prismatische
Spektrum. Publ. d. Potsd. Obs. 12. Anhang p. 1—26. 1898.
(Eingegangen am 23. April 1093.)
140 A. Dflüger.
Das Absorptionsvermögen einiger Gläser
im photographisch wirksamsten Teile des Spektrums.
Von A. Pflüger.
Für die Anfertigung photographischer Fernrohrobjektive ist die
Kenntnis des Absorptionsvermögens der verwendeten Gläser im Violett
und Ultraviolett von Bedeutung. Denn bei dem großen Absorptions-
vermögen, insbesondere der Flintgläser, kann man sich den Fall
denken, daß der Gewinn an Lichtstärke, den man durch Vergrößerung
des Durchmessers der Linsen erzielt, durch die größere Dicke des
Glases kompensiert oder gar in einen Verlust umgekehrt wird.
Quantitative Messungen sind nur von den Herren Müller und
Wilsing!) an den Gläsern des großen Refraktors des Potsdamer
Observatoriums ausgeführt worden. Sie bedienten sich einer ziem-
lich umständlichen Methode, deren Prinzip in der Ermittelung der
Schwärzung photographischer Platten bestand.
Ich habe es darum für nützlich erachtet, das Absorptionsver-
mögen einiger wichtiger Jenenser Gläser zu bestimmen, und mich
dabei als Strahlungsmesser einer Rubensschen Thermosäule bedient.
Die große Empfindlichkeit derselben sowie des verwendeten Panzer-
galvanometers erlaubt, in den ultravioletten Banden des Kohlebogens
die Strahlungsenergie mit ausreichender Genauigkeit zu messen.
Die Versuchsanordnung ist die folgende: Eine Lichtquelle be-
findet sich im Brennpunkte einer achromatischen Linse. Eine zweite,
ebensolche Linse vereinigt das aus der ersten Linse austretende,
parallele Strahlenbündel zu einem scharfen Bilde der Lichtquelle auf
dem Spalte cines Spektrometers. Im Fernrohrokular desselben ist
die Thermosäule angebracht, die durch Drehen des Fernrohrs mit
den verschiedenen Spektralpartien zur Deckung gebracht werden
kann. Als Lichtquelle diente bis zur Wellenlänge 400 uu ein
großer Nernstbrenner, für das Ultraviolett eine Siemenssche
Kontaktbogenlampe. Die Strahlung der letzteren ist bei Anwendung
geeigneter Vorsichtsmaßregeln, bezüglich deren auf die demnächst
in Drudes Annalen erscheinende Abhandlung, sowie auf die Ar-
1) H. C. Vogel, Berl. Berichte 33. p. 1219. 1896.
Das Absorplionsverfahren einiger Gläser etc. 141
beiten der Herren Hagen und Rubens!) verwiesen sei, genügend
konstant.
Das zu untersuchende Glas wird in Form einer mehrere Zenti-
meter dicken Platte in den parallelen Strahlengang zwischen die
oben beschriebenen Linsen gebracht. Die Platte muß genügend
planparallel geschliffen sein, um den Strahlengang nicht zu stören.
Für verschiedene Wellenlängen wird nun die Intensität der Strah-
lung einmal mit, ein zweitesmal ohne die eingeschaltete Platte ge-
messen. Aus diesen Größen, sowie unter Berücksichtigung der
Reflexion an den beiden Flächen der Glasplatte, die sich aus dem
bekannten Brechungsindex des Glases bestimmt, findet man in be-
kannter Weise das Absorptionsvermögen des Glases.
Das Ergebnis der Untersuchung zeigt folgende Tabelle. Die
Zahlen bedeuten die pro ı cm Glasdicke absorbierte Strahlung in
Prozenten der auffallenden Strahlung.
Wellenlänge in pu | 640 500 | 442 | 415 | 388 | 357
Borosilikat-Kron. 0.2831 (144). . . — 0,7 — 1,2 2,5 4,7
Kalksilikat-Kron. 0.3309 (60) . . . || 0,3 0,5 1,4 1,8 2,5 3,4
Schwerstes Baryt-Kron. 0.3192 (1209) || 1,6 2,5 | 3,4 5,2 9,8 | 35
Fernrohrflint 0.3083 (2001). . . .| 0,7 0,7 3,6 12 30 49
Baryt-Lichtflint 0.2717 (602) . . . — 1,6 = 2,7 6 9
Baryt-Lichtflint 0.3131 (578) . . .|\ 05 0,9 2,1 2,5 8,6 | 18
Gew. Silikatflint 0.3234 (103) . . . | — — — 4,1 9,6 | 28
Schw. Silikatflint 0.3096 (102). . . || 05 | 09 | — ¡ 69 | 28 41
Die Messungen reichen nur bis zur Wellenlänge 357, da die
Glaslinsen des Apparates unterhalb dieser Wellenlänge zu stark ab-
sorbierend wirken und Linsen aus durchlässigem Material mir nicht
zur Verfügung standen. Für praktische Zwecke ist indessen die
Bestimmung völlig ausreichend, da, wie man aus der Tabelle sicht,
die Absorption der Flintgläser bei 357 zu stark wird, als daß man
unterhalb dieser Wellenlänge überhaupt auf eine Ausnutzung der
Energie des einfallenden Lichtes rechnen könnte.
1) Hagen und Rubens, Ann. d. Physik 8, p. 1. 1902.
(Eingegangen am 18. Mai 1903.)
142 Referate.
Referate.
Emission und Absorption des Lichts.
W. N. Hartley. Die Absorptionsspektra der Metallnitrate.
(Transact. of the chem. Soc. 1902. 81. p. 556—574 und 1003.
83. p. 221— 240.)
Die beiden Abhandlungen enthalten verschiedene Serien von Be-
obachtungen von Absorptionsspektren von Metallnitraten in wässerigen
Lösungen. Zuerst wird Salpetersäure, Silbernitrat und Thalliumnitrat
und Kaliumnitrat in gleichen molekularen Lösungen bei verschieden
dicker Schicht untersucht. Kaliumnitrat und Salpetersäure verhielten sich
ganz identisch, während die beiden anderen eine andere Absorption
aufwiesen. Bei der zweiten Serie von Beobachtungen wurde die Schicht-
dicke konstant gelassen und die Konzentration von */,—?/,,)p) normal
verringert. Da es sich zeigt, daß die Absorptionsbanden von !/,,—!/
normal am besten sichtbar werden auf den Photographien, so wird eine
dritte Serie von Beobachtungen in diesem Gebiet mit verschiedenen
Nitraten (Salpetersäure, Lithium, Silber) angestellt, ebenfalls bei konstanter
Schichtdicke. Ferner werden zugleich Schichtdicke und Konzentration
geändert. Die Absorptionsbande ist für Magnesium, Calcium und Zink-
nitrat etwas verschieden. Der Unterschied liegt in der Ausdehnung der
Absorption und in der Gestalt der Absorptionskurve. Molekulare Lösungen
in Schichten von 200 mm zeigen volle Absorption bis zur folgenden
Wellenlänge:
H . . . 340 Zn . . . 340
Lio. . . 340 TL. . . 340
Naco s.m 340°. Bal. . . 340
K a > . 340 Pbl. . . 346
Ag . . . 355 Eri y E 343
Mg . . . 357 Th} » = . 340
Ca . . . 340
Verf. macht vor allem darauf aufmerksam, daß gewisse Unterschiede
sicherlich in der Wirkung des Lichtes liegen. Am stärksten tritt dies
auf bei Kobalt, Nickel und Mangan und wahrscheinlich auch Lithium.
Der zweite Teil der Arbeit enthält weitere Untersuchungen über
die Bande, welche der NO,-Gruppe angehört, in noch andern Metallen.
Große Unterschiede in dieser Absorptionsbande finden sich bei Thor-,
Erbium- und Uranylnitrat. Besonders bei letzterem liegt die NO,-Bande
an einer ganz anderen Stelle, sodaß Verf. daraus schließt, es sei keine
Dissoziation, sondern eine Assoziation in der Lösung, wodurch infolge
der großen Masse des Komplexes die Eigenschwingung vergrößert sei. Nickel-
und Kobaltnitrat enthalten zwei Banden; dic eine gehört dem Anion, die
andere dem Kation an.
Athylnitrat und Äthylnitrat in alkoholischer Lösung zeigen das NO,-
Band nicht.
100
m 2 en A Xq. TÍ REZA
pr
——
Referate. 143
Der Schluß enthält eine Zusammenfassung aller Beobachtungsreihen
und zugleich eine Übersicht über frühere Arbeiten anderer Forscher
aus demselben Gebiet. Der Verf. schließt aus der verschiedenen Lage
des NO,-Bandes, daß eine Beeinflussung durch das Metall vorhanden
ist. Seine SchluBfolgerung ist kurz folgende: Beim Lösen eines Salzes
oder beim Verdünnen einer Lösung wird der Molekülkomplex nicht in
die Ionen ganz getrennt, sondern die Dissoziation ist nur derart, daß
das Molekül aus zwei Teilen zu bestehen scheint; die Bewegung des
einen Teils ist aber beeinflußt durch die Bewegung. des andern. Die
Ionen wären also nicht vollkommen getrennt, sondern nur die molekulare
Spannung wäre geändert.
In dem untersuchten Falle der Nitrate würde das positive Ion die
Schwingung des negativen vergrößern, wenn die Masse kleiner ist wie
NO,, also bei Kalium, Natrium, Lithium, und umgekehrt.
A. Hagenbach.
W. N. Hartley. Eine Untersuchung über die Zusammmen-
setzung von brüchigem Platin. (Phil. mag. 1902. p. 85—89.)
Platin, welches brüchig und, wie die mikroskopische Untersuchung
zeigte, krystallinisch geworden war, wurde vom Verf. spektroskopisch
untersucht... Die Menge war winzig klein (20 mg) und die einzige
Möglichkeit war, den Funken zwischen Flektroden aus diesem Platin zu
untersuchen. Es fehlten die Metalle Zink, Kadmium, Kupfer, Silber,
Quecksilber, Zinn, Blei, Arsen, Antimon, Wismut, Tellur, Nickel, Kobalt,
Aluminium, Gold und Chrom. Vorhanden waren Indium und Thallium.
Selbst die stärksten Iridiumlinien fehlten.
Bei Eisen war der Entscheid schwierig und fraglich, weil selbst im
Funkenspektrum des reinsten Platins wahrscheinlich einige Linien mit Eisen-
linien identisch sind; die Messungen der Wellenlänge dieser Linien sind kaum
genau genug, um entscheiden zu können, ob die Linien wirklich identisch
sind oder nicht. Sehr wahrscheinlich ist noch Phosphor und Kohle
darin enthalten; doch ist dies nicht spektroskopisch nachgewiesen; beim
Schmelzen in der Knallgasflamme werden die beiden genannten Elemente
eliminiert. Verf. weist darauf hin, daß Funkenspektren ein brauchbares
Mittel sind, um qualitative chemische Analysen auszuführen.
A. Hagenbach.
Elektronenlehre.
H. Freiherr Rausch von Traubenberg. Uber die elektrische
Zerstreuung am Vesuv. (Phys. Zeitschr. 4. 460. 1903.)
Mit Hilfe des von Elster und Geitel konstruierten Zerstreuungs-
apparats wurden Messungen des Ionengehalts der Luft am Vesuvobser-
vatorium ausgeführt. Die Luft wies eine enorm vergrößerte Leitfähigkeit
auf (mehr als das ıofache der normalen), wenn der Wind vom Vesuv
auf das Observatorium zu wehte; die umgekehrte Windrichtung lieB nur
eine geringfügige Erhöhung der Leitfähigkeit gegenüber dem Normalwert
erkennen. Irgend welche radioaktiven Bestandteile führte die Vesuvluft
144 | Referate.
nicht mit sich, wenigstens gelang es dem Verf. nicht, nach dem Ver-
fahren von Elster und Geitel einen auf hohem negativen Potential
gehaltenen Draht meßbar zu aktivieren. Man muß deshalb wohl die
. abnorme Leitfähigkeit den aus dem Innern des Vesuvs stammenden
Flammengasen zuschreiben. Harms.
Stereoskopfie.
P. Grützner. Einige Versuche über stereoskopisches Sehen.
Pflügers Archiv f. d. g. Physiologie, 90. Band 11/12. Bonn 1902.
Zum Ausgangspunkt seiner Betrachtungen nimmt der Verf. das
Rollmannsche Farbenstereoskop; als Bilder wählt er zwei farbige Kreise
auf hellem Grunde (mit Rot- und Blaustift auf weißem Karton leicht
herzustellen. Mit dieser einfachen Vorrichtung lassen sich höchst
instruktive Versuche anstellen und namentlich pseudoskopische Wirkungen
aufs leichteste erzielen, dadurch, daß entweder die farbigen Gläser ver-
tauscht oder die Bilder auf den Kopf gestellt werden. Die Kreise treten
so deutlich aus der Papierfläche, daß der Beobachter ihren scheinbaren
Ort in der Luft genau zeigen und ihre scheinbare Größe an einem quer
darangehaltenen Maßstab ablesen kann. Je weiter dabei ein Kreis vor-
tritt, um so geringer ist seine scheinbare Größe (die bekannte Beziehung
zwischen Größe des Netzhautbildes, scheinbarer Größe und scheinbarer
Entfernung des Gegenstandes). Tritt der Kreis hinter die Papierfläche,
was zu sehen freilich nicht allen gelinge, so scheint er bedeutend größer
als die Zeichnung. Daher ergibt die Umdrehung des Stereogramms (so
wenig wie die von gewöhnlichen stereoskopischen Bildern) durchaus keine
kongruente Umkehrung des früheren Bildes. Mit der Entfernung der
Bilder vom Auge vergrößern sich die Tiefendimensionen, mit der An-
näherung werden sie geringer.
Sodann bespricht Verf. einige Einzelheiten über die schon länger
bekannten pseudoskopischen Wirkungen von Prismen (bekanntlich darin be-
stehend, daß ebene Tischflächen u. dergl. konkav und näher oder konvex
und ferner erscheinen, je nachdem die brechenden Kanten der brillen-
artig gefaßten Prismen nach innen, nasenwärts, oder nach außen, schläfen-
wärts, gerichtet sind): setzt man auf die Tischplatte eine flache Kalotte,
so erscheint sie im ersten Falle kleiner und flacher, im zweiten größer
und tiefer.
Hieran schließt Verf. Versuche über stereoskopisches Sehen bei Ver-
änderung des Augenabstandes. An Stelle der Spiegel verwendet er die
totalreflektierenden Hypotenusenflächen von gleichschenklig rechtwinklig
geschliffenen Prismen. Während Helmholtz und andere bei telcstereo-
skopischer Anordnung (bei „antitelestereoskopischer“ drehen sich die
Verhältnisse natürlich um) und Parallelstellung der Spiegel „ein sehr
zierliches und genaues Modell der Landschaft“ sah, welches „im Ver-
hältnis der künstlichen zur natürlichen Augendistanz verkleinert‘‘ gewesen
sei, findet Verf. die Gegenstände näher, tiefer und zwar etwas kleiner
als in Wirklichkeit, jedoch nie in dem von Helmholtz angegebenen
>
Referate. 145
Maße verkleinert; die letztere Differenz erklärt sich Verf. aus einer Ver-
schiedenheit der ja ziemlich unsicheren Entfernungsschätzung. Die Plastik
wird noch sehr erhöht, wenn die spiegelnden Flächen nach vorne kon-
vergieren, indem dadurch die Augendistanz noch mehr vergrößert, die
Konvergenz der Sehlinien verringert wird; ersteres macht die Unter-
schiede der beiden Netzhautbilder noch bedeutender, letzteres bewirkt,
daß der Gegenstand in größere Entfernung verlegt wird, als bei Parallel-
stellung der Spiegel; beides zusammen sind bekanntlich die für die
stereoskopische Plastik maßgebenden Momente. Im Anschluß hieran
bespricht Verf. die Regeln, welche sich für Anfertigung „richtiger“ stereo-
skopischer Bilder und deren Betrachtung ergeben, läßt aber für die
Praxis Anordnungen zu (etwas größeren Abstand und geringere Brenn-
weite der Objektive, als der durchschnittlichen Augendistanz 65 mm und
der mittleren Sehweite 25 cm entspricht), welche die Plastik bis zu einem
gewissen Maße erhöhen. Einen Unterschied macht es auch, ob die
Stereogramme mit parallelen Schachsen betrachtet werden, oder durch
Prismen, welche die Sehachsen konvergent machen (Brewstersches
Stereoskop); im ersteren Falle erscheinen sie überplastisch, weil sie in
größere Entfernung verlegt werden. (Übrigens weist Verf. die Projektions-
theorie, wonach die Gegenstände dort erscheinen sollen, wo sich die
Sehlinien zu den beiden Bildpunkten schneiden, zurück; gelingt es doch
auch, mit etwas divergenten Sehachsen stereoskopisch zu sehen. Die
Konvergenz gibt nur eine gewisse Handhabe zur Entfernungsschätzung).
— Verflacht wird die Plastik, wenn man die Stereogramme vergrößert
und hernach bei gleichbleibendem gegenseitigem Abstand ihrer homo-
logen Fernpunkte zweiäugig ungekreuzt vereinigt, Verhältnisse, denen
genau auch die Bilder der gewöhnlichen Feldstecher und Operngucker
entsprechen. Die Plastik erscheint bei ihnen umsoviel geringer, als die
lineare Vergrößerung, bezw. scheinbare Annäherung beträgt, da ja trotz
der Nähe der Unterschied der Netzhautbilder nicht größer geworden ist.
Ebendasselbe gilt auch für die neuen Zeißschen Relieffernrohre, sofern
deren lineare Vergrößerung die künstliche Verlängerung der Augendistanz
übertrifft. H. Breyer.
W. A. Nagel. Stereoskopie und Tiefenwahrnehmung im
Dämmerlicht. Zeitschrift für Psychol. und Physiol. der Sinnes-
organe, 27. Bd., Leipzig 1902.
Auf Grund von Versuchen namentlich am Helmholtzschen
Dreistäbchenapparat ergab sich, dal die Tiefenwahrnehmung unbeein-
trächtigt bleibt, auch wenn die Beleuchtung auf ein Maß herabgesetzt
wird, welches die Zapfen der Netzhaut, also auch die fovea centralis
(welche nur Stäbchen hat) nicht mehr erregt. H. Breyer.
Siche auch die Referate des folgenden Kapitels.
Physiologische Optik.
E. Storch. Über das räumliche Sehen. Zeitschrift für Psychol.
und Physiol. der Sinnesorgane, 29. Bd., Leipzig 1902.
146 Referate.
¡EA A A u A e ee e a o r e aa
Der kurze Aufsatz ist etwas elementar und in einer gewissen non-
chalanten Selbstverständlichkeit gehalten, die bei einem so verwickelten
Gegenstand nicht recht am Platze sein dürfte. Verf. betont den Unter-
schied zwischen ,,Sehform“ (in welcher ein Gegenstand einäugig betrachtet
erscheint, also seine für einen gewissen Standpunkt perspektivisch richtige
Zeichnung) und der wirklichen ‚Raumform‘“‘. Jede einzelne Sehform
läßt unendlich viele räumliche Interpretationen zu, die Summe dieser
Möglichkeiten einer Sehform nennt Verf. den ‚Sehbegriff‘“ derselben.
Die eindeutige Bestimmtheit der Raumform wird dann beim zweiäugigen
Sehen hervorgerufen durch die Verschiedenheit der beiden Sehformen,
ähnlich wie die Kombination zweier logischer Begriffe, z. B. regelmäßiges
Vieleck und Dreieck, eine Beschränkung der in jedem für sich gegebenen
Möglichkeiten und eindeutige Bestimmtheit, gleichseitiges Dreieck, .
bedinge. Beim einäugigen Sehen wird im allgemeinen diejenige Raum-
form angenommen, welche mit der gesehenen Sehform erfahrungs-
gemäß am häufigsten, also am wahrscheinlichsten verknüpft ist. Ebenso
verhält es sich mit der ‚‚Sehrgröße‘“. Wird an der Hand dieser Er-
fahrungen einmal eine Sehform so gedeutet, wie es der Wirklichkeit
nicht entspricht, so haben wir eine optische Täuschung vor uns. Daraus,
daß der ebenen Sehform irgend eine dreidimensionale Raumform dunkel
subsumiert werde, erklärt Verf. eine Reihe geometrischer optischer
Täuschungen, darunter auch die Zöllnersche und Poggendorffsche.
So erscheine ein gleichschenkliges Trapez, dessen Höhe gleich der Grund-
linie ist, höher, weil man in ihm eine langgestreckte Tafel erblicke; beim
berühmten Pfeilmuster sehe man das eine Mal in die Öffnung, das andere
Mal auf den scharfen Bug eines halbgeöffneten Briefbogens u. s. w. —
Täuschungen, die schlechterdings nicht so zu erklären sind, z. B. die
Loebsche, werden nicht erwähnt, auch wird nicht einmal darauf hin-
gewiesen, dab bestimmte anderartige geometrische Täuschungen ein
anderes Erklärungsprinzip erforden. Alle Ausführungen sind etwas
kurz vorgetragen. H. Breyer.
V. Benussi. Uber den Einfluß der Farbe auf die Größe der
Zöllnerschen Täuschung. (Aus dem Psychol. Laborat. der
Universität Graz.) Zeitschrift für Psychol. und Physiol. der Sinnes-
organe, 29. Bd., Leipzig 1902.
Eine in Versuchsanordnung wie Schlußfolgerung gleich vorsichtige
Arbeit. — Quantitative Versuche über die Zöllnersche Täuschung bei
Variation der räumlichen Verhältnisse hatte schon Heymans angestellt.
Verf. verspricht sich von seinen eigenen Versuchen bestimmte Aufschlüsse
über die Hergänge bei der Täuschung. Als Figur benützt er eine ein-
fache Hauptlinie mit Transversalenkolumne; am oberen Ende der Haupt-
linie setzt ein Faden an, den der Beobachter in die scheinbare Ver-
längerungsrichtung der Hauptlinie einstellen muB; die Abweichung des
eingestellten Fadens von der objektiven Verlängerung der Hauptlinie
gibt einen Maßstab für die Täuschungsgröße der Figur. Zum Teil
verwendet Verf. auch eine haploskopische Vorrichtung, so beschaffen,
daß dem einen Auge die Transversalenkolumne, dem anderen die Haupt-
Referate. 147
linie mit dem Richtungsfaden dargeboten wird. Geprüft wurden die
sieben Farbtöne Rot, Gelb, Grün, Blau, Violett, Grau und Schwarz,
zunächst an monochromatischen Figuren, hernach an 42 bichromatischen
Kombinationen, wobei je mit einer bestimmten Hauptlinienfärbung die
verschiedenen Transversalentöne der Reihe nach vereinigt wurden.
Durch Variation der räumlichen Bedingungen allein hatte Heymans,
solange die Anordnung überhaupt noch wirksam war, die Täuschungs-
größe zwischen 0°52’ und 2°19’ (scheinbare Neigung der Hauptlinie)
verändern können. Bei vorliegenden Untersuchungen stellte sich das
überraschende Resultat ein, daß bei einer konstanten räumlichen An-
ordnung, welche an sich ein Täuschungsmaximum erzeugt, durch Varia-
tion der Färbung die Täuschung auf ein noch niedrigeres Minimum
herabgedrückt werden konnte (auf 0°40’48”). Verf. findet, daß bei
nicht gesiittigten Farbtönen die Helligkeitsverhältnisse das Maßgebende
sind. Legt man den Transversalen eine „Ablenkungsvalenz“, der Haupt-
linie eine „Widerstandsvalenz“ bei, so ergibt sich, daß beide mit dem
Helligkeitsunterschied zwischen Grund und Figur zunehmen, jedoch nicht
in gleichem Maße, sondern so, daß (bei monochromatischen Figuren)
die Täuschungsgröße im allgemeinen zunimmt mit dem Helligkeits-
unterschied (von einer gewissen sehr geringen Helligkeitsverschiedenheit
an abwärts steigt die Täuschungsgröße). Bei bichromatischen Figuren
ist die Täuschung umso größer, je größer die Helligkeitsverschiedenheit
zwischen Transversalen und Grund, und je kleiner die zwischen Haupt-
linie und Grund. : Dabei, also solange nur Helligkeitsdifferenzen zur
Wirkung kamen, fand, abgesehen von einer in die Täuschungsgröße ein-
gehenden individuellen Konstanten, kein Unterschied in der Reaktion
der Versuchspersonen statt.
Sind die Farbentöne aber gesättigt und dabei möglichst gleich im
Helligkeitswert (Verf. erzielt das u. a. durch weiße Figuren auf schwarzem
Grunde, die in der Dunkelkammer durch farbige Gläser und variable
Lichtmengen beleuchtet werden), so „macht sich der Einfluß eines in
der Farbe gelegenen Momentes unzweideutig geltend“. Es zeigte sich,
daB den Farben bei gleicher Helligkeit eine „spezifisch chromatische
Ablenkungs- bezw. Widerstandsvalenz“ (in vollbildlichen Versuchen) und
eine verschiedene „Aufdringlichkeitsvalenz“ (bei haploskopischen Versuchen)
zukommt. Während nun, wie oben angeführt, in den von dem Helligkeits-
unterschied abhängigen Valenzen keine Inkongruenzen zwischen den
einzelnen Personen zu Tage treten, gibt die chromatische Valenz zu
individuellen Unterschieden Anlaß, so zwar, daß bei den einen Versuchs-
personen konstant Rot, bei den andern Grün die höheren Valenzen zeigt.
Bei haploskopischen Anordnungen zeigte sich regelmäßig eine ge-
ringere Täuschungsgröße, als wenn die Figur vollbildlich gesehen wurde;
ferner wird die Täuschung kleiner, je kleiner das Beobachtungsgebiet
ist; der Einfluß des längs der Hauptlinie bewegten Blickes (im Gegen-
satz zu der Fixation des Übergangspunktes zwischen Hauptlinie und
Verlängerungsfaden) war verschieden.
Die theoretischen Folgerungen aus diesen Ergebnissen will Verf.
später ziehen. Vorerst schließt er nur, daß die Täuschung nicht in das
148 Referate.
Gebiet der Urteilstäuschungen gerechnet werden darf, sondern eine Vor-
stellungstäuschung ist, da ja „das Irregehen durch Variation eines Tat-
bestandes beeinflußt wurde, welcher außerhalb der Urteilssphäre liegt“.
An welcher Stelle des Vorstellungsablaufs sie zu stande kommt, ist
vorläufig noch nicht zu entscheiden; sicherlich jedoch nicht an ganz
peripherer Stelle. H. Breyer.
W. A. Nagel. Zwei optische Täuschungen. (Nach Beobach-
tungen von Danilewsky mitgeteilt.) Zeitschrift für Psychol. und
Physiol. der Sinnesorgane, 27. Bd., Leipzig 1902.
I. Legt man zwei Thompsonsche Figuren (Scheiben mit breiten
konzentrischen Kreisen) nebeneinander, fixiert die eine und nimmt mit
ihr die bekannte Thompsonsche kreisrunde Verschiebung vor, so er-
scheint die Thompsonsche Zeigerbewegung auf beiden Scheiben; wird
die nicht fixierte bewegt, so erscheint der Zeiger nur auf ihr.
2. Wenn vor einer stark schwingenden Stimmgabel cine mit radiären
Schlitzen versehene Scheibe mit passender Geschwindigkeit rotiert, so
sieht man die Zinken wellenförmig gekrümmt oder sich in Form fort-
laufender Wellen krümmen.
Über die Erklärung beider Erscheinungen ist die Mitteilung selber
nachzusehen. H. Breyer.
Magnus Blix. Die sog. Poggendorffsche optische Täuschung.
(Aus dem physiol. Laboratorium der Universität Lund.) Skandinav.
Archiv für Physiol, 13. Bd., Leipzig 1902.
Als Poggendorffsche Täuschung wird eine Erscheinung bce-
zeichnet, welche an dem berühmten Zöllnerschen Muster zu bemerken
ist. Letzteres besteht bekanntlich aus einer Anzahl paralleler „Haupt-
linien“ oder Streifen, welche alternierend von zwei Svstemen kurzer, ent-
gegengesetzt schriiger „Nebenlinien“, die erste Hauptlinie von dem einen,
die nächste von dem andern System u. s. w., gekreuzt werden; alsdann
erscheinen die Hauptlinien abwechslungsweise stark divergent und kon-
vergent („Zöllnersche Täuschung‘), zugleich erscheint, bei einer ge-
wissen Breite der Hauptlinien, „eine noniusartige Verschiebung der zu
beiden Seiten der Längsstreifen befindlichen Hälften der Querstreifen“,
eben die Poggendorffsche Täuschung. — Kurz darauf brachte
Hering eine vereinfachte Modifikation des Musters (eine breite, hori-
zontale oder vertikale Linie wird von einer schrägen feinen Linie ge-
kreuzt), an welches sich die meisten Erörterungen der Folgezeit an-
geschlossen haben. Verf. bespricht «deren keineswegs völlig befriedigende
Erklärungsversuche der Täuschung, welche in der Hauptsache darauf
hinauslaufen, daß spitze Winkel an sich schon überschätzt, stumpfe
unterschätzt werden sollen, und unternimmt es dann, die Entstehungs-
bedingungen der Täuschung systematisch, Schritt für Schritt, zu ver-
einfachen und die einzelnen wirksamen Motive heraus zu analysieren.
Aus den Tiiuschungen, die ihm seine Figuren bieten, leitet er die Sätze
ab: 1. „Eine gerade Linie, die in der Richtung gegen eine andere Ge-
rade läuft, scheint gegen die letztere oder deren Verlängerung abgelenkt
Y 27
Referate. l 149
und sich der Normalen derselben zu nähern“; 2. „Wenn man an den
Endpunkt einer geraden Linie eine andere Gerade ansetzt, so scheint
die Richtung der ersten Linie verändert, als ob die Ansatzlinie dieselbe
abstolle. Die Ablenkung ist größer, wenn der Winkel zwischen den
Linien ein stumpfer, als wenn er ein spitzer ist“.
Um sich den Grund dieser Sätze verständlich zu machen, weist
Verf. darauf hin, daß jeder einzelne markierte Punkt in einem übrigens
gleichförmigen Gesichtsfelde die Aufmerksamkeit auf sich lenke und
infolgedessen durch irgend einen „Reflexmechanismus“ das Auge so
drehe, daß sich der Punkt im Zentrum der Netzhaut abbildet. In ähn-
licher Weise attrahiere eine Linie unsern Blick so, daß wir ihn un-
freiwillig der Linie entlang führen müssen und nicht ohne wahrnehmbare
Anstrengung von dieser Wanderung abhalten können. Wird indessen
diese Linie an ihrem Endpunkte von einer andern schräg. gekreuzt, so
braucht es andrerseits wiederum eine gewisse Hemmung, um den Blick
in der Richtung der Verlängerung der ersten Linie zu erhalten und
nicht in die der zweiten Linie fortreißen zu lassen. Die bloße Em-
pfindung, daB es dieser Hemmung bedarf, genüge, um eine Richtungs-
änderung der ersten Linie bezw. deren Verlängerung und die Poggen-
dorffsche Verschiebung (wie auch die Zöllnersche Erscheinung) vor-
zutäuschen. H. Breyer.
Über die stereoskopische Abbildung mikrophotographischer Objekte.
In meiner gleichnamigen Abhandlung im ı. Heft dieser Zeitschrift
habe ich auf S. 26 eine Methode zitiert und als Quelle das Lehrbuch
der Mikrophotographie von Neuhauss angegeben. Der Autor dieser
Methode ist Herr Dr. W. Gebhardt in Halle a./S. W. Scheffer.
5. internationaler Kongreß für angewandte Chemie in Berlin.
Wir werden über die Mehrzahl der Vorträge Selbstreferate der
Vortragenden bringen, die tunlichst in der Reihenfolge des Eingangs
gedruckt werden sollen. Wir beginnen in diesem Heft mit dem Vor-
trag des Herrn Hofrat Professor Dr. J. M. Eder, der uns zum voll-
ständigen Abaruck überlassen wurde. Den Diskussionsbericht werden
wir den Vorträgen folgen lassen.
' Preislisten u. s. w.
Die Herren Miethe und Traube haben der Firma Otto Perutz,
Trockenplattenfabrik in München, den Vertrieb ihres Sensibili-
sators „Äthylrot“ (s. diese Zeitschr. S. 37) übertragen. Perutz verkauft
sensibilisierte Platten („Perchromo“) und Äthylrot in Substanz zur Her-
stellung von Badeplatten. (o,r g Farbstoff 3 Mk.)
C. A. Steinheil Söhne, München. Alto-Stereo-Quart.
Ein Stereoskopapparat 9: 12 cm, der also endlich mit dem falschen
Format und dem schlechten Objektivabstand bricht. Der Vorteil, ein
Format zu verwenden, das überall käuflich ist, überwiegt den Nachteil
des etwas schmalen Bildfeldes bei der 9: ı2 Platte. Außer mit dem
150 Referate.
Stereoorthostigmatpaar ist der Apparat mit einem Orthostigmaten von
13 cm Brennweite ausgestattet, so daß bei Gebrauch aller Kombinationen
für Stereoskopie 8,5 und 15 cm, für Einzelbilder 8,5, 11, 13, 15, 21 cm
als Brennweiten zur Verfügung stehen. Die Konstruktion entspricht
einer Idee, die Ref. vor mehreren Jahren zeichnerisch ausführte; die
praktische Ausführung blieb auf der Strecke, weil man damals an drei
Objektive für einen Apparat noch nicht denken durfte.
Englisch.
Patentbericht
von Dr. B. Oettinger, Berlin NW. 52.
Kl. 42h. G. 17164. Sphärisch, chromatisch und astigmatisch korri-
gierbares, nicht streng aplanatisches Objektiv. — Fa. C. P. Goerz,
Berlin.
Kl. 42h. $. 16565. Einstellvorrichtung für Operngläser, Feldstecher
oder dergl. — W. Salt & A. E. Salt, London.
Kl. 57b. N. 21729. Pigmentfolien. — Neue Photographische
Gesellschaft, A.-G., Steglitz.
Kl. 57b. F. 16271. Verfahren zum Entwickeln des latenten photo-
graphischen Bildes. — Farbwerke vorm. Meister Lucius & Brüning,
Höchst a. M.
KL 57a. E. 8774. Objektivverschluß mit zwei gegeneinander schwingen-
den Drehschiebern. — Fa. Heinrich Ernemann, A.-G. für Camera-
fabrikation, Dresden.
Kl. 74b. P. 14096. Vorrichtung zur Fernübertragung der Kompaß-
stellungen; Zus. z. Pat. 124587. — Adolph Pieper, Berlin.
K1.74d. H.28434. Zur Abgabe von Morsezeichen dienende Signal-
laterne. — Hanseatische Elektrizitätsgesellschaft Siemens &
Halske, Hamburg.
Kl. 57e. F. 18012. Photographische Entwicklungsvorrichtung, bei
welcher das Licht vermittelst Spiegel oder dergl. durch den durchsichtigen
Boden des die Platte und den Entwickler enthaltenden Behälters ge-
worfen wird. — Paul Friesel, Berlin.
Kl. 42h. 140932. Beobachtungsróhren für Polarisationsapparate.
— Max Jeschek, Aschersleben.
‘ Kl. 42h. 141094. Terrestrisches Fernrohr mit Fokussierung durch
Verschiebung der Umkehrlinse. — A. A. Common; Ealing.
Kl. 57b. 140907. Verfahren zur Herstellung farbiger photographi-
scher Bilder. — R. W. Wood, Madison, V. St.
Kl. 57b. 140908. Verfahren zum Vorpräparieren von Papieren,
welche mit photographischen Bildern überzogen werden sollen, mit
Kollodium. — York Schwarz, Hannover.
Kl. 57a. 141053. Schnellseher mit unbiegsamen Bildplatten an
einem Bande ohne Ende. — A. E. Guttin, Parıs.
Kl. 42h. 141322. Halbdurchlässiger Reflektor mit nur einer ein-
'zigen wirksamen Reflexion. — A. Sauve, Rom.
Für die Redaktion verantwortlich: Dr. E. ENGLISCH in Stuttgart,
Zeitichrift für willenichaftlihe Photographie,
Photophylik und Photofiemie
I. Band. 1903. Heft 5.
Über Welienlängen und Gesetzmäßigkeiten
in den Hauptbanden des sogenannten Kohlenoxydbandenspektrums.
Von Josef Loos.
(Auszug aus der Bonner Dissertation.)!)
Für die Struktur der Bandenspektren sind zwei Theorien auf-
gestellt worden, von Deslandres und von Thiele?) Erstere ist
umfassender, insofern sie nicht nur den Verlauf einer Linienserie
darstellen soll, sondern auch Beziehungen zwischen sämtlichen
Serien, welche das Bandenspektrum zusammensetzen, geben soll.
Sie ist gleichzeitig sehr einfach; die Rechnung kommt mit wenigen
Konstanten aus, während die vielen Konstanten der Thieleschen
Formel dieselben mehr als Interpolationsformel erscheinen lassen.
Die Untersuchung der Bandenspektren ist aber auch abgesehen von
ihrer Struktur wichtig, weil man hoffen kann, daß sich aus der
Kenntnis vieler Linienspektren die Bedingungen für die spezielle
Struktur ergeben werden, daß man z. B. dem Bandenspektrum wird
ansehen können, ob es zu einer Verbindung oder zu einem Element
gehört und anderes.
Um einen Beitrag zur Lösung dieser Fragen zu geben, habe
ich das Spektrum untersucht, welches bisher ziemlich allgemein als
Spektrum des CO bezeichnet worden ist. Neuerdings nehmen
Smithels®?) und Baly*) an, dem CO entspräche das Swansche
Spektrum, die von mir untersuchten Banden gehörten zu CO,.
Auf diese Frage des Ursprungs bin ich nicht eingegangen; die
Versuche der genannten Forscher lassen sich auch anders deuten,
als von ihnen geschehen ist.
1) Bonn bei Georgi 1903. 44 pp.
2) Siche Kayser, Handbuch der Spektroskopie, Bd. II. S. 475 u. 483.
3) Smithels, Phil. Mag. 6, Serie I. S. 476—503. 1901.
4) Baly und Syers, Phil, Mag. 6, Serie II. S. 386—391. 1901.
Zeitschr. f. wiss. Phot. 1. 12
152 Josef Loos.
Das Spektrum erscheint in Geißlerröhren, sowohl wenn sie
mit CO, als auch wenn sie mit CO, gefüllt sind. In ersterem Falle
sind freilich zunächst die Swanschen Banden zu sehen, desto stärker
und anhaltender, je weniger sorgfältig das Rohr gereinigt war; all-
mählich aber verblassen sie gegen meine Banden, die ich mit dem
bisherigen Sprachgebrauch CO-Banden nenne. In CO, treten sofort
die Kohlenoxydbanden auf, erst später erscheint auch das Swan-
sche Spektrum. | |
Ich habe zur Erzeugung des Spektrums nur CO, benützt, das
aus Mangankarbonat durch Erhitzung entwickelt wurde. An dem
Geißlerrohr selbst war ein Behälter mit dieser Substanz angeblasen,
da sich zeigte, daß beim Durchgang der Entladungen das Gas ver-
schwand, der Druck und damit die Lichtstärke nachließ. Durch
vorsichtiges Erwärmen konnte so auch während der photographischen
Aufnahmen neues Gas zugeführt werden.
Die Aufnahmen des Spektrums geschahen mit einem großen
Rowlandschen Konkavgitter von 6.5 m Krümmungsradius. Die
Expositionsdauer wurde bis zu 5 Stunden ausgedehnt; trotzdem er-
schienen nur die stärkeren Banden zur Messung genügend aus-
exponiert. Auf die Platten wurde ferner das Bogenspektrum des
Eisens photographiert, dessen Wellenlängen als Normalen dienten.
Von den kürzesten Wellenlängen bis 4500 A dienten die Messungen
von Kayser,!) von da ab die Rowlands im Sonnenspektrum als
Normalen. Jege Linie wurde wiederholt gemessen; die Differenzen
zeigen, daß der Fehler nur selten 0,01 A überschreitet.
Eine«sschöne Zeichnung des ganzen Spektrums geben Ängströ m
und Thalén.’ Man sieht daraus, daß eine größere Anzahl von
stärkeren und schwächeren Banden vorhanden sind; alle Banden
verlaufen nach kürzeren Wellenlinien. Ich lasse die Wellenlinien
der von mir gemessenen Linien folgen:
N | 1 Ä à 1
A. Die Bande im | 5609,285 | 5606,847 | 5604,243
Gelben: 5608,943 435 ' 098
5610,265 418 | 5605,933 | 5603,547
09,901 038 403 5602, z
09,630 5607,290 | 100
1) Kayser, Drudes Ann. 3. S. 195. 1900.
2) Angstróm und Thalén, Nov, Act. Reg. Soc, Ups. Serie 111, Bd. 9.
Über Wellenlängen und Gesetzmäßigkeiten etc.
5601,968
541
272
042
5600,714
217
5599,264
5598,636
5597,810
304
5596,750
296
5595,145
5594,030
5593,700
070
5592,189
5591,879
645
5590,947
879
356
5589,454
oIO
5588,203
5587,743
5586,183
451
5584,406
131
5583,572
5582,911
480
5580,796
349
5579,802
5576,928
413
5572,799
org
5568,461
5567,537
5563,820
5562,638
5558,974
5557,635
5553,802
5552,304
5548,446
5546,779
B. Die Bande im
Gelb-Grünen:
5198,330
264
057
5197,925
666
391
5196,904
254
5195,925
795
5194,924
5193,801
5192,992
177
5191,071
5190,69 1
211
5189,552
5188,708
5187,746
5 186,695
5185,960
373
5184,616
5183,120
5182,323
5181,920
783
026
5180,89 1
426
5179,779
141
5178,986
311
5177,784
041
5175441
|
|
|}
1
5174,870
130
5171,020
5170,390
5169,031
5167,692
083
5166,198
5165,405
5164,102
5162,177
5161,620
526
266
5160,333
5159,070
5158,460
5157,585
5156,650
553
5155,633
383
232
5154,434
5152,187
5151,086
5149,859
443
5148,824
5147,907
5146,664
5145,394
OSI
5144,219
5143,351
5141,866
472
5 140,800
5138,549
5137,707
5133,811
5132,264
5130,615
5129,865
5128,446
C. Die Bande im
Blauen:
4835,436
342
244
200
091
4834,795
605
298
4833,592
158
4832,954
846
700
576
354
148
4831,804
697
4830,850
490
115
4829,753
543
130
4828,774
457
080
4827,637
238
031
4826,452
4825,976
433
4824,070
4823,706
645
4822,903
392
4821,730
244
4820,726
260
4819,856
12*
153
154
4819,648
4818,870
170
4817,399
4816,921
414
4815,502
4814,991
270
4813,698
160
4812,715
408
4811,773
432
4810,545
457
129
4809,653
500
4808,820
4807,935
139
4806,732
372
4803,625
4803,654
013
4802,575
4800,424
4799,617
4798,896
080
4797,029
4796,254
4794709
4793,493
4792,807
4790,615
4789,814
057
4788,195
4787,355
4786,900
4785,848
Josef Loos.
4785,196
4784,389
4783,363
4781,680
4780,878
4779,012
4778,403
4768,330
D. Einige
zwischen der
blauen und ersten
violetten Bande
gemessene Linien:
4527,597
4526,573
4515,184
4513,410
4511,684
646
457
E. Die erste
Bande
im Violetten:
45 11,046
4510,959
4510,806
657
450
307
120
4509,945
217
132
4508,860
721
420
171
4507,859
552
360
133
4507,014
4506,478
254
110
4505,927
709
479
236
4504,775
175
043
4503,882
319
016
4502,688
360
267
4501,900
600
120
4500,668
543
311
021
4499932
829
601
281
4498,804
274
253
4497,981
761
010
4496,686
179
4495.604
4494,654
501
137
4493,726
294
4492,309
007
4491,644
A n o
ee a a
4491,085
4490,939
649
374
4489,852
4488,479
4487,908
567
4486,830
4485,929
766
4484,85 3
4483,246
4482,914
261
4481,019
4480,893
440
4479,261
845
254
4478,689
261
4477,516
034
4476,405
156
4475,710
4474,956
439
4473,391
4472,377
4471,391
305
4469,983
354
4467,825
586
4405,681
4464,727
217
4463,987
nn m
F.
schwachen Linien
zwischen der
ersten und der
zweiten violetten
aber ebenfalls
sehr schwach:
Die stärksten
der vielen
Bande,
4463,618
4462,754
4461,646
206
4460,465
4459,564
4458,376
040
4457,076
4456,685
139
4453,113
4452,697
4449,918
4447,459
4445,025
4440,273
4431,200
4430,163
4428,849
4427,638
4423, 161
4418,528
4416,812
36 1
44 14,024
4412,436
4409,961
155
4407,973
301
4406,603
4405,481
4404,967
4403,901
547
4402,190
4395,571
4394,300
4393:363
G. Die zweite
Bande
im Violetten:
4393,161
025
4392,829
709
450
262
4391,950
693
543
332
191
4390,997
800
573
201
4389,706
476
4388,997
720
654
612
4387,850
622
4386,514
340
104
4385,622
284
4384,940
4383,929
440
4382,452
4381,761
4380,855
495
296
4379,891
4379419
120
4378,143
43775907
784
499
259
4376,700
356
134
4375,822
269
4374,992
718
4373,952
616
458
183
4372,581
283
053
4371,435
283
4370,946
490
4369,948
478
009
4368,785
H. Einige
zwischen der
zweiten violetten
und der ultra-
violetten Bande
gemessene Linien:
434 1,070
4339,768
4327,461
4311,498
4286,579
4268,189
4242,102
4231,455
4228,242
4221,489
4198,323
4126,049
4125,396
4124,560
967
825
576
197
J. Die ultra-
violette Bande:
4123,415
235
165
4122,843
325
084
4121,789
539
233
4120,771
678
216
4119,704
536
418,742
4117,833
497
4116,772
267
4115,748
547
299
4114,959
169
117
4113,438
251
4112,312
4111,754
387
4109,708
583
156 Josef Loos.
À 2 À
ee.
AA LT S A A paa N ei = pa ¡a Zur =
4109,459 4105,857 4099,4 10 4095,728
4107,938 278 4097,812 4089,021
741 4103,122 | 4096,487
359 4100,896 | 207 |
Recht kompliziert ist nun der Bau der einzelnen Banden, der
für die Beobachtung im Spektroskop und auch noch für die Be-
trachtung der Banden auf der Platte mit dem bloßen Auge oder
mit der Lupe so einfach erscheint. Unter der Lupe erscheinen die
Verhältnisse folgendermaßen:
Im Anfang der Bande, auch wenn dieselbe bis zur Kante hin
aufgelöst ist, laßt sich mit Sicherheit keinerlei Serie herausfinden.
Dann tritt eine deutlich erkennbare Serie auf, stark, und eine analog
verlaufende, schwächere. Diese lassen sich ungefähr 7—8 Linien
weit verfolgen, dann treten zwei andere Serien besonders stark hervor,
deren Vorläufer man auch schon vorher etwas erkennen konnte.
Diese beiden letztgenannten Serien beherrschen das Bild der Bande,
die Abstände der Linien in beiden Serien sind verschieden groß,
daher verengern sich allmählich die Paare; dann kommt eine Stelle,
wo die zwei Serien zusammenfalien und von da aus entfernen sie
sich wieder, bis das Bild einer Dupletserie verschwindet. Zwischen
diesen Hauptserien finden sich aber noch schwächere.
Die wirkliche Struktur der Banden weicht jedoch von dieser
äußeren Beschreibung wesentlich ab. Ganz genau läßt sich aus
der Rechnung der Bau der Banden noch nicht bestimmen. Wahr-
scheinlich besteht die Bande aus einer variabelen Anzahl (4—6 etwa)
von Serien, die jedoch keinen gemeinsamen Anfang haben. Ihre
Anfänge liegen nur nahe beieinander. Es zeigt sich, daß in der
Hauptsache die dem Auge als eine Scrie erscheinende in zwei zer-
fallt, so daß in den scheinbaren Serien immer eine Linie um die
andere zu nehmen ist.
Ich wende mich nun zur Prüfung der Deslandresschen Ge-
setze; nach dem ersten soll jede Serie gegeben sein durch die
Gleichung » = >, = (4, + Am?, wo m die Reihe der ganzen Zahlen
durchläuft, «, also die Schwingungszahl der Kante der Serie gibt.
Aus der Gleichung folgt, daß die zweiten Differenzen der z konstant
scin müssen, = 2 A. Diese Größe laßt sich also leicht ermitteln,
indem man aus den angegebenen Differenzen das Mittel zieht. Da-
yy
Über Wellenlängen und Gesetzmäßigkeiten etc. 157
bei muß man aber die Anfangswerte in der Reihe der zweiten
Differenzen gewöhnlich ausschließen, weil die Serien im Anfang nicht
genug aufgelöst sind. Aus zwei möglichst weit abliegenden Linien
kann man dann +, ihre Ordnungszahl, erhalten und endlich «,.
Ich behandele im folgenden nur die Serien der ersten von mir
gemessenen Bande mit der Kante bei 5610,265.
Eine der Serien ist:
Ordnungszahl | À n | 1. Diff. 2. Diff.
5608,418
o 1783,034 ;
I 08,038 83,155 Bess 0,388
2 06,435 83,664 He ai 0,325
3 04,098 84,408 Ha 8 0,334
4 00,714 85,486 ito 0,332
5 5596,296 86,896 N 0,321
6 90,879 88,627 en 0,342
7 84,406 90,700 24a 0,328
8 76,928 93,101 oa 0,326
9 68,461 95,828 ps 0,338
10 58,974 98,893 ae: 0,348
11 48,446 1802,306 31413
Es ist also A im Mittel = 0,1668; œ, aus 4 berechnet zu # =
1784,191, also nicht die Kante, für A = 5610,265, n = 1782,446 ist.
Die zweite Differenz ist nun, wie man sieht, ziemlich konstant;
eine genauere Prüfung zeigt aber leicht, daB dies nur sehr ange-
nähert der Fall ist. Berechnet man nämlich etwa aus den Linien
mit der Ordnungszahl ı und 8 die Konstanten und mit diesen die
ganze Serie, so findet man, mit A = 0,1625, folgende Tabelle:
Man erkennt sofort,
Ordnungszahl; » berechnet | n gefunden | Diff. daß die Abweichungen
Bun ha A. gesetzmäßige sind;
o = 1783,034 o durch keine Wahl
ia os = der Konstanten kann
á 3 3:994 +93 man daher besseren
3 84,372 84,408 + 36 Anschluß hal
4 85,468 85,486 + 18 nscniu erhalten.
5 86,889 86,896 ¡ + 7 Ich gebe im folgen-
6 88,635 88,627 - 8 den (S. 158 u. 159)
7 90,79 PE O - 6 die übrigen Serien
i A ae = "dieser Bande, soweit
9 95,823 95,828 +5 daba ci
5 98,869 98,893 | +24 ich sie habe erkennen
11 1802,240 | 18021306 ¡ + 66 kónnen:
158 Josef Loos.
Ordnunps- n berechnet i
zahl à n gemessen mit A = 0,1775 Diff.
O 5607,290 1783,392 — O
I 06,847 83,534 1783,534 O
2 05,100 84,089 84,031 + 58
3 02,392 84,952 84,883 + 69
4 5598,636 86,149 86,090 + 59
5 93,700 87,702 87,652 + 50
6 87.743 89,631 89,569 + 62
7 80,796 91,859 91,841 + 18
8 72,796 94,430 94,468 — 38
9 63,820 97,326 97,450 — 124
10 1800,568 1800,787 — 219
a: À n gemessen E Bet Diff.
O - 5610,265 1782,446 — O
I 09,630 82,649 82,649 O
2 08,038 83,155 83,182 = 27
3 05,403 83,993 84,045 = 53
4 01,541 85,223 85,238 — 15
5 5596,750 86,751 86,761 — 10
6 90,947 88,605 88,614 - 9
7 84,131 90,788 90,797 - 9
8 76,413 93,267 93,310 — 43
9 67,537 96,126 96,153 — 27
10 57,635 99,326 99,326 O
11 | 46,779 1802,848 1802,829 + 19
Die Linien 8 und 9 sind auch bei den Messungen als unscharf
gefunden worden.
Ordnungs- n berechnet i
Diff.
zahl À n gemessen miese i
O 5610,265 1782,446
I 09,901 82,562 1782,562 O
2 08,943 82,876 82,978 — 102
3 06,847 83,534 | 83,694 — 160
4 03,547 84583 84,710 — 127
5 5599264 | 85,949 | 86,026 = 7
6 94,030 | 87,620 | 87,642 — 22
7 87,743 | 89,631 89,558 + 73
8 80,349 92,002 | 91,774 + 228
9 72,018 | 94,081 94,290 + 391
10 62,638 | 97,708 | 97,106 + 602
11 52,304 | 1801,054 | 1800,222 + 832
a
Über Wellenlängen und Gesetzmäßigkeiten etc. | 159
Ordnungs- 1 ae n berechnet ;
zahl RR mit A = 0,164 `
O 5610,265 —
I 09,285 1782,758
2 07,290 83,392
3 04,243 84,362
4 00,217 85,645
5 5595,145 87,263
6 89,010 89,225
Aus den noch übrig bleibenden, sehr schwachen Linien kann man
noch eine, für unsere Zwecke aber zu kleine, Serie herausfinden.
Aus den Tabellen ergibt sich nun folgendes:
I. Die Deslandressche Formel genügt den Beobachtungen nicht.
2. Die verschiedenen Serien derselben Bande gehen von ver-
schiedenen Kanten aus; es ergaben sich nämlich aus der Rechnung
die Größen «, für obige Serien zu 1784,191; 1783,431; 1782,226;
1781,800; 1783,065. Den drei ersten entsprechen die gemessenen
Werte: 1783,034; 1783,392; 1782,446. Oder in A: 5608,418;
5607,290; 5610,265.
3. Die verschiedenen Serien einer Bande sind nicht kongruent,
wie das zweite Deslandressche Gesetz aussagt. Nach ihm sollen
die A für alle Serien identisch, nur die «œ, verschieden sein, während
sich die A ergeben zu: 0,1668; 0,173; 0,171; 0,161; 0,165; 0,1722.
In ähnlicher Weise habe ich in meiner Dissertation andere
5 Banden untersucht; es findet sich z. B. für die von 4835,436
ausgehende Bande, daß man fünf Serien erkennt, für welche die
Größen A und «, sich ergeben zu:
A: 0,146; 0,142; 0,137; 0,146; 0,124.
a’: 2068,678; 2071,667; 2068,152; 2067,922; 2067,682.
Die dann noch iibrig bleibenden Linien lassen sich zu einer
kurzen sechsten Serie zusammenfassen, für welche A = 0,19 wäre.
Nach dem dritten Gesetz von Deslandres sollen sich die
Kanten eines Bandenspektrums zu Serien gleicher Bauart zusammen-
fassen lassen, wie die einzelnen Linienserien. Ich habe dieses Ge-
setz nicht eingehend prüfend können, da ich nicht alle Banden photo-
graphieren konnte. Ich hätte dazu noch erheblich längere Expositions-
zeiten nötig gehabt; diese sind aber bei den ungünstigen Verhält-
nissen des Bonner Instituts aussichtslos; bei den fortwährenden
Erschütterungen bleibt die Justierung des Gitters nicht erhalten und
man bekommt bei sehr langen Expositionen nur unscharfe Spektra.
160 J. Lauwartz.
Das Thema zu der vorliegenden Arbeit ist mir von Herrn
Professor Dr. Kayser gegeben worden. Ich spreche demselben auch
an dieser Stelle dafür, sowie für die stetige, freundliche Unterstützung
bei derselben meinen herzlichsten Dank aus.
(Eingegangen am 21. Juni 1903.)
Über Messungen und Gesetzmäßigkeiten im Bandenspektrum der
Tonerde.
Von J. Lauwartz.
(Auszug aus der Bonner Dissertation.)
Die genauere Kenntnis der Struktur der Bandenspektren ist
durch die theoretischen Vorstellungen, die das Zeemanphänomen
in neuester Zeit über ihren Ursprung hervorgerufen hat, sehr wünschens-
wert geworden !). Namentlich wird es sich darum handeln, die aus-
führlichste Theorie dieser Struktur, die von Deslandres aufgestellt
worden ist, zu prüfen. Einen Beitrag dazu liefert die folgende Unter-
suchung der Banden, die auftreten, wenn man Tonerde im Kohle-
bogen verdampfen läßt. Das Spektrum der Tonerde ist schon des
öfteren Gegenstand der Untersuchung gewesen. Zuerst wohl hat
es Thalén? beobachtet; ihm folgten Wiillner*, Lecoq de Bois-
baudran®) und Lockyer’).
Namentlich aber hat sich Hasselberg*) sehr eingehend mit
dem Spektrum der Tonerde beschäftigt, indem er es mit
Hülfe eines großen Plangitters photographierte und genaue Be-
stimmungen von Wellenlängen veröffentlichte. Zu erwähnen sind
dann noch drei Arbeiten der neuesten Zeit, die darüber entscheiden
sollten, ob die Banden dem Al selbst oder einem seiner Oxydver-
bindungen zuzusprechen seien. Arons’) und Hemsalech?) ent-
schieden sich für das erstere, Berndt?) für das letztere.
1) Siehe H. Kayser, Handbuch der Spektroskopie 11, S. 668.
2) Upsala Universitäts Årsskrift. 1866.
3) Festschrift. Bonn 1868,
4) Spectres lumineux. Paris 1874.
s) Phil. Trans. Vol. 163. S. 658.
6) Zur Spektroskopie der Verbindungen: Spektrun der Tonerde. Stockholm 1892.
7) L. Arons, Ann. d. Phys. '1900, 1. S. 331.
8) G. A. Hemsalech, Ann, d. Phys, 1900. 2, S. 331.
9) G. Berndt, Ann, d, Phys. 1901, $. S. 790.
Über Messungen und Gesetzmäßigkeiten im Bandenspektrum der Tonerde. 161
Auch die älteren Arbeiten warfen schon die Frage auf, ob das
Bandenspektrum dem Metalle oder der Tonerde angehört. Wüllner
behauptete das erstere, Lockyer und Hasselberg das letztere. Es
lag nicht in dem Plane dieser Arbeit, der hier besprochenen Frage
näher zu treten; und da bis jetzt keine endgiltige Entscheidung
vorliegt, so wird hier das Spektrum unterschiedlos bald „Banden-
spektrum des Aluminiums“, bald „Spektrum der Tonerde“ genannt
werden.
Meine Messungen sind mit Hilfe eines größten Rowlandschen
Konkavgitters von 6,5 m Krümmungsradius, 20000 Linien pro inch,
6 Zoll Öffnung ausgeführt; bei den Wellenlängen werden Fehler von
0,01 A.E. selten überschritten werden.
Die Banden kehren sämtlich ihre Kante nach der Seite der
kurzen Wellenlängen zu und gruppieren sich zu vier Bandengruppen,
die nach der Bezeichnung von Hasselberg liegen:
Gruppe A: von A 4471—A 4648
eN B: „ 4 4648—4 4842
E C: , 4 4842—4 5041
» D: „ X 504I—4 5211.
In Gruppe A erkennt man 7 Kanten, in B 5, in C 3 und in
D 5. Daher ist Gruppe C am übersichtlichsten und sie habe ich
daher am eingehendsten untersuchen können.
Es scheint, daß von jeder Kante 4 Serien ausgehen; 2 von ihnen
sind indessen wesentlich stärker, sie bilden Paare, die sich über die
folgenden Kanten hin fortsetzen und die Linienserien sehr weit zu
verfolgen gestatten; an ihnen lassen sich deshalb die Deslandres-
schen Gesetze besonders gut studieren; über die Art und Weise,
wie ich hierbei vorgegangen bin, will ich etwas ausführlicher be-
richten, während ıch glaubte, über „Geschichtliches zum Tonerde-
spektrum, seiner Darstellung“ u. s. w. hier nur ganz kurz einiges
sagen zu brauchen; wer Detail darüber erfahren will, sehe in meiner
Dissertation nach.
Um bei der Aufsuchung der Serien sicher zu gehen, daß die
in ihnen enthaltenen Linien auch wirklich zur Serie gehören, bin
ich auf zweierlei Art vorgegangen. Einmal nämlich habe ich auf
den Aufnahmen die Serien mit dem Auge verfolgen und sie so bei
den Messungen bezeichnen können. Dann aber habe ich die An-
sicht Deslandres’, daß den Serien wirklich eine Reihenentwicklung
zu Grunde liegt, als richtig vorausgesetzt und mir so aus der Dif-
162 J. Lauwarte.
ferenz der Schwingungszahlen zweier Linien die Serien berechnet.
Ich erhielt durch dieses Verfahren Zahlen, die mit den von mir ge-
messenen gut übereinstimmten.
Es wurde schon an einer andern Stelle bemerkt, daß jedesmal
der Anfang einer Bandengruppe wenig aufgelöst erscheint. Es lassen
sich deshalb bei sämtlichen Serien, wenn man mit einer beliebigen
Ordnungszahl innerhalb einer Serie beginnt, die Linien nach der
Kante zu nur bis zu einer bestimmten Stelle verfolgen. In den
Serien, die ich untersucht habe, bin ich meist bis zur 14. oder 15.
vorgedrungen, manchmal aber auch nur bis zur 20. Die Schwingungs-
zahlen der folgenden Linien kann man sich dann leicht berechnen,
sobald man das erste Gesetz Deslandres als gültig voraussetzt;
auf diese Art erhält man dann vollständig die Schwingungszahlen
einer Serie.
Der Übersichtlichkeit halber habe ich die Serien, die ich ver-
öffentlichen will, mit Überschriften versehen und zwar sollen die 4
von der ersten Kante der Gruppe C ausgehenden Serien der Reihe
nach mit C., C}, C}, C, bezeichnet werden. In analoger Weise sind
die Serien einer andren Bandengruppe genannt worden.
Gehen wir jetzt näher auf die Prüfung der Deslandresschen
Gesetze ein.
Nach dem ersten sollen wir irgend eine Linie einer Serie be-
rechnen können, wenn wir die Schwingungszahl der Kante, die Dif-
ferenz der Schwingungszahlen der Kante und der ersten Linie und
die Ordnungszahl der zu suchenden Linie kennen. Dies Gesetz
drückt sich mathematisch in der Formel aus:
a + ón,
An
Wir haben also 3 Unbekannte in der Formel, die wir ermitteln
können, wenn wir die Schwingungszahlen dreier Linien einer Serie
kennen. Es genügt also zum Gebrauch der Formel, drei Linien zu
haben, die sicher einer Serie angehören. Es wird sich bald zeigen,
in wie weit diese Ausführung Berechtigung hat.
Der Klarheit halber wollen wir eine bestimmte Serie heraus-
greifen und an ihr zeigen, wie man bei der Prüfung des ersten
Deslandresschen Gesetzes verfährt. Ich wähle dazu die Serie C..
In der folgenden Tabelle enthält die erste Kolonne die Schwingungs-
zahlen dieser Serie, die zweite die entsprechenden ersten Differenzen,
die dritte die ihnen wieder entsprechenden zweiten Unterschiede,
Über Messungen und Gesetzmäßigkeiten im Bandenspektrum der Tonerde. 163
C.
I Erste Zweite I Erste Zweite
py Differenz | Differenz 2 Dirferenz | Differenz
2064,359 — — 60,761 258 | 16
251 0,108 — 499 262 4
133 118 0,010 229 270 8
013 120 2 . 59,950 279 9
3,881 132 12 668 282 3
745 136 4 376 292 10
606 139 3 074 302 10
448 158 19 58,770 304
280 168 10 462 308 4
110 170 2 138 324 16
2,938 172 2 57,811 327 3
756 182 10 480 331 4
563 193 11 139 341 10
362 201 8 56,795 344 3
151 211 10 441 354 IO
1,938 213 2 073 368 14
718 220 7 55,700 373 . 5
494 224 4 324 376 3
261 233 9 936 388 12
019 242 9
Die zweite Kolonne zeigt lauter wachsende Zahlengrößen; wir
haben es also in der Tat mit einer Reihenentwicklung zu tun. Nun
verlangt das Gesetz, daß die zweiten Differenzen einander gleich
sein sollen. Ein Blick in die Tabelle zeigt, daß das durchaus nicht
der Fall ist. Es wurde aber schon darauf aufmerksam gemacht,
daß Messungsfehlern von Y... —?/,0p einer A.E. Änderungen in den
vierstelligen Schwingungszahlen von 0,004—0,008 entsprechen. Hier-
durch fallen nun die Unterschiede in den zweiten Differenzen heraus
und man ist berechtigt, aus den gegebenen Zahlen der dritten
Kolonne einen mittleren Wert für die Serie zu nehmen; man erhält
so für 2b:0,00766. Bildet man nun umgekehrt mit diesem Werte
die Serie, so zeigen sich bei dem letzten Drittel der hier angegebenen
Schwingungszahlen größere Abweichungen und man muß den Wert
von 2b so lange abändern, bis die Abweichungen auf ein Minimum
gesunken sind. Damit ist nun eine Unbekannte der Formel bestimmt
und es kommt darauf an, den Wert für die Schwingungszahl der
Kante zu ermitteln. Man erreicht dies auf zwei Arten. Die
erste Differenz zwischen den Zahlen 2064,359 und 2064,251
164 J. Lauwartz.
beträgt 108; 2b ist abgerundet = 0,0075, der Quotient dieser beiden
Zahlen ist 14, d. h. die Zahl 2064,359 ist die 14. Linie der Setie C};
damit sind 5 und z bestimmt und man erhält daraus leicht die Kante.
Man kann aber auch so verfahren, daß man aus der Schwingungs-
zahl der 14. Linie, der ihr entsprechenden ersten und zweiten Dif-
ferenz schrittweise die 13., 12. u. s. w. bildet. Auf diesem Wege
kommt man zu einem Werte für die Kante, der wenig von dem
anders gefundenen DEREN: Es hat sich nun ergeben, daß für die
Serie C, die Werte y = 2065,110 und 5 = 0,00377 die günstig-
sten sind. " |
Die folgende Tabelle soll die Größe der Genauigkeit zeigen.
Die Spalte „n“ enthält die Ordnungszahl, in der zweiten stehen die
gegebenen Werte der Schwingungszahlen, die dritte bringt die be-
rechneten, die vierte endlich die Abweichungen (4.).
=
| I | I |
n | À , À A
| gegeben | berechnet gegeben | berechnet |
14 | 2064, 359 2064,369 — 0,01
I5 251 202 = 9
16 133 145 — 12
17 013 020 - 7
18 3,881 3,888 Ed
19 745 749 = 4
20 606 602 + 4
21 448 448 O
22 280 285 = 5
23 110 116 = 6
24 2,938 2,938 O
25 756 754 + 2
26 563 561 + 2
27 362 359 + 3
28 151 154 = 3
29 1,938 1,939 = 1
30 718 717 + I
31 494 487 + 7
32 261 249 + 12
33 019 014 + 5
34 60,761 60,752 + 9
35 499 492 + 7
36 229 224 + 5
37 59,950 59,949 + |
Über Messungen und Gesetzmäßigkeiten im Bandenspektrum der Tonerde. 165
C, (Fortsetzung).
I I
Be u
| gegeben | berechnet y
38 | 2059,608 | 2059,666 ` + 2
39 376 376 o
40 o4 | 078 - 4
q1 58,770 58,773 — 3
42 462 460 + 2
43 138 139 Fi
44 57,811 | 57,813 | =- 2
45 480 | 476 | +4
46 139 i 133 | + 6
47 56,795 | 56,782 | +13
48 | 24 | +17
49 073 058, +15
50 55,700 55,685 | +15
51 324 303 | + 21
52 54,936 54,916 + 20
Die Tabelle zeigt, daß das erste Gesetz Deslandres’ für diese
Serie recht gut stimmt. In den folgenden Tabellen wird gezeigt
werden, daß es auch für die Serien C,, C, und auch für die wenigen
Zahlen der vierten Serie stimmt. Die Anordnung der Tabellen ist
dieselbe; ich habe aber nur jedesmal die 5. und 10. Linie genommen.
Es wurden für diese Serien die Größen æ und 5 in gleicher
Weise berechnet wie für C,. Dabei ergab sich, daß die Überein-
stimmung zwischen den gegebenen und berechneten Werten die
beste ist, wenn für C,:
El = 2065,051, 6 = 0,00378,
0
für Ca:
vd
— = 2065,213, 5 = 0,00356,
für C}:
2005,146, & = 0,00376 ist.
em d
I 5 | 2064,2 10 | 2064,200 | + 10
20 63,553 63,539 +14
62,699 | 62,688 |
166 J. Lauwart:.
C, (Fortsetzung).
26 | 2062,811 2062,806
+ 0,005
30 62,017 62,009 + 8
35 60,868 60,852 + 16
40 | 59,524 59,517. + 7
45 | 58,013 58,004 e g
50 56,305 56,313 + 8
53 | 55,210 | 55,213 + 3
Es
|o a 1
n | A A A
gegeben berechnet
43 2058,187 | 2058,194 | = 7
44 57,867 | 57,867 o
45 57,540 57,532 + 8
46 57,200 | 57,190 | + 10
47 56,85 2 | 56,840 | + 12
Wie man aus diesen Tabellen ersieht, ist die Übereinstimmung
eine gute.
Es erstreckt sich aber die Prüfung des Gesetzes bis jetzt nur
auf die 50 ersten Linien. Diese liegen in dem Bereich der ersten
und zweiten Kante. Nun sieht man aber schon aus den Aufnahmen,
daß die Serien aller Wahrscheinlichkeit nach ihre Fortsetzung in
dem übrigen Teile der Bandengruppe haben. Die Rechnung be-
stätigt dies. — In den folgenden Tabellen gebe ich für jede Serie
ihre Fortsetzung an. Diese Tafeln werden zeigen, inwieweit das
erste Gesetz Delandres’ für so große Serien, wie sie hier existieren,
Gültigkeit hat.
Über Messungen und Gesetzmäßigkeiten im Bandenspektrum der Tonerde. 167
N
n Ad
gegeben A
205 3,728 205 3,706
51,558 51,538 20
49,217 49,182 35
46,685 46,637 48
43,954 43,904 50
41,162 40,982 180
38,101 37,872 229
34,871 34,573 298
31,435 31,086 349
27,834 27,410 424
24,047 23,546 481
20,080 19,493 587
15,901 15,252 649
11,524 10,822 702
07,000 06,204 796
02,604 01,739 0,865
1997,380 1996,402 0,978
92,115 91,022 1,093
87,064 85,846 1,218
ce
I I
n py à A
gegeben berechnet
55 2053,643 2053,616 27
60 51,475 . 51,443 32
65 49,150 49,080 70
70 46,581 46,529 52
75 43,920 43,788 132
80 41,079 40,859 220
85 38,010 37,740 270
90 34,774 34,433 341
95 31,339 30,936 403
100 27747 27,251 496
105 23,932 23,376 556
110 19,970 19,313 657
120 11,379 10,619 760
130 02,134 01,170 964
140 1992,162 1990,963 1,199
145 80,866 85,576 1,290
Zeitschr. f. wiss. Phot. 3, 13
168 J. Lauwarte.
berechnet
2054,463 2054,444 19
60 52,422 52,397 25
65 50,251 50,172 79
70 47,893 47,769 124
75 45,362. 45,188 174
80 42,629 42,429 200
90 36,688 36,377 311
100 30,035 29,613 412
110 22,729 22,137 590
120 14,755 13,949 806
130 05,961 05,049 912
140 1996,657 1995437 1,220
Diese Tafeln zeigen, daß das erste Deslandres’sche Gesetz bis
zur 50.—60. Linie jeder Serie Gültigkeit hat. Dann aber wachsen
die Unterschiede sehr rasch und betragen bei der 140. Linie sämt-
licher drei Serien gegenüber den gegebenen Werten 3—4 A.E.
Diese Tatsache ist aber schon bekannt. Die Herren Kayser und
Runge haben nämlich an der Cyanbande gezeigt, daß die von ihnen
gefundene große Serie mit über 170 Linien bis zur 60. Linie dem
Gesetz folgt, dann aber zusehends immer größere Abweichungen
liefert. Es stimmt dies wieder mit einer Bemerkung des Herrn
Deslandres überein, der sagt, daß er sein Gesetz nur an Serien
bis zu 70 Linien geprüft und es da annäherungsweise bestätigt ge-
funden habe. Die hier aufgestellten drei großen Serien können
deshalb sehr wohl zur Unterstützung des von Kayser und Runge
gefundenen Resultates dienen, daß das erste Gesetz bis zur 60.—70.
Linie gilt. Dann aber zeigen die Serien ein anderes Verhalten, als
es die Formel verlangt.
Ich will zum Beweise des ersten Teils der eben ausgesprochenen
Behauptung noch 3 Serien anführen, die in der Bandengruppe D
liegen; ich bezeichne sie mit D,, D, und D,. Die Werte für die
Kanten und die zweiten Differenzen sind auf dieselbe Weise gefunden,
wie bei den früheren Serien und zwar betragen sie für D,:
y = 1968,720, 6 = 0,00305,
0
für D,:
A 1968,490, 6 = 0,00354,
Über Messungen und Gesetzmäßigkeiten im Bandenspektrum der Tonerde.
für D,:
hy
1967,510 >
66,828
65,975
64,992
63,832
62,512
61,105
1967,062
= 1968,571, 6 = 0,00302.
66,258
65,290
64,155
62,847
61,310
1967,074
66,277
65,304
64,153
62,830
61,321
f
169
Von der Gruppe D, habe ich nur wenige Linien auf der Platte
verfolgen können; ich werde deshalb hier den Vergleich auf alle
Zahlen ausdehnen.
1964,224
63,990
63,748
63,495
63,250
62,990
62,729
62,454
62,169
61,878
berechnet
1964,210
63,978
63,749
63,500
63,244
62,987
62,724
62,456
62,181
61,900
170 J. Lauwartz.
Es zeigt sich auch hier, daß die Übereinstimmung eine recht
gute ist; die Abweichungen werden wohl nur auf Fehlern in den
Messungen beruhen. |
Ich möchte hier noch auf einen wichtigen Umstand aufmerksam
machen. Wie die Rechnung ergibt, hat jede der hier angeführten
Serien — und so ist es auch bei allen andern, die ich nicht hin-
schreibe — eine eigene Kante; eine Serie geht jedesmal bis an die
gemessene Kante heran. und die andern Kanten liegen etwas weiter
im Innern der Gruppe. Es ist dies von vorneherein nicht selbst-
verständlich und es ist die Meinung noch geteilt, ob die Serien von
einer einzigen Kante ausgehen oder ob sie mit eigner Kante für
sich bestehen. Die Aufnahmen geben darüber leider keine Auskunft,
da der Anfang nie aufgelöst erscheint. |
Das zweite Deslandres’sche Gesetz sagt aus, daß sämtliche
Serien, die von ein und demselben Bandenanfange ausgehen, iden-
tisch sein sollen. Gehen also etwa von einer Kante zwei Serien aus,
so laufen diese nebeneinander her und bleiben stets um dasselbe
Stück gegen einander verschoben, oder, noch anders ausgedrückt:
Denken wir uns die Linien einer Serie als starres Gebilde unter
einander verbunden und transportabel, so behauptet das Identitäts-
gesetz, daß man zwei oder auch mehrere solcher Gebilde vollständig
zur Deckung bringen kann. In der mathematischen Formel drückt
sich der Inhalt dieser Ansicht so aus, daß nur die Zahl a für ver-
schiedene Serien verschieden ist, daß also vor allem das b sämtlicher
von einer Kante ausgehenden Serien dasselbe sein muß. Nun zeigt
aber der Vergleich dieser Zahlen für die vier Serien C oder für die
drei Serien D, daß das nicht der Fall ist.
Damit ist aber erwiesen, daß das Identitätsgesetz keine Gültig-
keit hat.
Das dritte Gesetz Deslandres’ verlangt, daß sich die Kanten
eines Bandenspektrums ebenso zu identischen Serien zusammenstellen
lassen, wie es nach den beiden ersten Gesetzen für die Linienserien
sein soll; und zwar erhält man hier jedesmal eine Serie dadurch,
daß man aus jeder Gruppe eine Kante herausnimmt. In den folgen-
den Tabellen (S. 171) gebe ich nun die Wellenlängen und Schwingungs-
zahlen der Kanten der vier Gruppen des Tonerdespektrums wieder.
Ich habe nun die folgende (S. 171) Art der Zusammenstellung
der Kanten als die beste gefunden, indem nämlich die Differenzen
der Schwingungszahlen dieser Kanten noch am ehesten als Glieder
einer Reihe aufgefaßt werden können.
a m e
Über Messungen und Gesetzmäßigkeiten im Bandenspektrum der Tonerde. 171
Gruppe A. Gruppe B.
I I
2 2
r i À
4470,670 2236,801 4648,162 2151,388
4494,039 2225,170 467 1,600 2140,594
45 16,360 2214,172 4694,445 2130,177
4537,019 2204,090 4715,468 2120,680
4557,515 2194,178 4735,965 2111,502
4576,491 | 2185,080
4593,93 2 | 2176,784
Gruppe C. Gruppe D.
I I
1 2 Ean
À A À
4842,367 2065,105 5079,549 1968,679
4866,541 2054,847 5 102,303 1959,899
4888,421 | 2045,650 5123,444 1951,812
5143,059 1944,368
| 5160,999 1937,609
Diff. Diff. Diff.
2214,174 2204,090 2194,178
2151,388 62,786 2140,594 63,496 2130,177 64,001
2065,105 66,072
Diff. Diff.
2185,080 2176,784
2120,680
2054,847
Es gelingt nun auch bei einer andern Anordnung nicht, die
Kanten der IV. Gruppe mit einzureihen. Diese Gruppe ist nämlich
weiter nach dem roten Ende zu gerückt, als es nach dem Gesetz
zulässig ist. Dies Verhalten der Gruppe D ist jedenfalls ganz auf-
fallend; anzunehmen, sie gehöre nicht zum Bandenspektrum der
Tonerde, geht schon deshalb nicht an, weil sie mit der gleichen
Intensität wie die übrigen Gruppen auf den Aufnahmen erscheint.
Dann aber ist diese Annahme vor allem deshalb unzulässig, weil
diese Gruppe dieselbe Struktur, dieselbe Anzahl der Serien hat wie
die übrigen. Ich nehme daher an, daß die drei ersten Gruppen
für sich zusammen ein Gruppengefüge bilden und daß mit der vierten
Gruppe ein neues Gruppenganze beginnt, von dem aber nur der
erste Teil kräftiger in die Erscheinung tritt.
2111,502 65,282
172 J. Lauwartz.
Wellenlängen der Gruppe C.
1 A | 2 | à 1 | 2 2
4842,367 | 4849,806 | 4858,984 | 4869,305 | 4878,800 | 4891,156 | 4903,720
2,975 9,917 9,055 9,395 8,880 1,277 4,515
3,146 50,124 9,400 9,460 9,164 1,503 4,844
3,290 0,323 9,528 9,672 9,912 1,615 5,017
3,495 0,455 9,700 9,805 80,073 1,775 5,230
3,742 0,644 9,820 70,042 0,332 2,303 6,088
3,925 0,850 60,172 0,258 0,570 2,478 6,322
4,418 ` 0,970 0,314 0,455 0,730 2,559 6,528
4,196 1,189 0,488 0,750 0,934 2,887 6,747
4,372 1,399 0,600 0,920 1,120 3,150 7,162
4,468 1,546 0,975 1,242 1,259 3,330 7,568
4,649 1,751 1,120 1,485 1,513 3,648 8,055
4,722 1,980 1,326 1,582 2,236 3,829 8,269
4,929 2,130 1,412 | 1,743 2,438 4,122 9,587
5,020 2,324 1,792 2,040 2,715 4,310 9,803
5,240 2,574 1,933 2,292 3,067 4,570 9,932
5,329 2,746 2,153 2,500 3,452 5,009 10,566
5,558 2,910 2,240 2,623 3,590 5,198 0,732
5,650 3,193 2,765 2,785 3,720 5,652 1,127
5,882 3,373 2,990 2,944 4,000 5,933 1,350
6,010 3,537 3,092 3,130 4,500 6,102 1,844
6,257 3,829 3,640 3,352 4,666 6,254 2,430
6,365 3,987 3,862 3,511 4,867 6,382 2,706
6,650 4.165 3,950 3,915 5,270 6,569 2,940
6,740 4,486 4,523 4,056 5,949 7,990 3,254
6,931 4,658 4,740 4,344 6,100 7,288 3,476
7,051 4,819 4,810 4,541 6,198 7,385 4,110
7,149 5,186 5,412 4,630 6,517 7.763 4,316
7,336 5,335 5,629 4,944 6,984 7,952 4,550
7,455 5,490 5,682 5,122 7,120 8,192 5,935
7,567 5,839 6,331 5,466 7,311 8,815 6,174
7,752 6,018 6,541 5,590 7,530 9,170 6,632
7,881 6,174 6,792 5,700 7,800 9,369 6,954
8,017 6,552 6,943 6,030 8,421 9,950 7,552
8,191 6,726 7,032 6,234 8,584 | 4900,250 7,811
8,337 6,865 7,254 6,564 8,860 0,345 8,299
8,451 7,280 7,452 6,638 9,110 0,571 8,462
8,644 7,450 7,810 6,854 9,325 0,790 9,226
8,809 7,573 8,066 6,990 9,492 1,465 9,470
8,920 7,995 8,443 7,451 9,071 2,023 9,842
9,114 8,182 8,654 7,630 9,839 2,251 20,599
9,305 8,300 8,775 7,755 90,162 2,547 0,920
9,406 8,644 8,892 7,985 0,473 3,044 1,150
9,620 8,760 9,194 8,550 0,980 3,515 1,633
Über Messungen und Gesetzmäßigkeiten im Bandenspektrum der Tonerde. 173
Wellenlängen der Gruppe C (Fortsetzung).
à | à | 2 à | à | A | 2
4922,003 | 4933,401 | 4945,166 | 4960,561 | 4975,807 | 4992,905 | 5012,398
2,627 4,055 5,498 0,861 6,191 3,496 2,804
2,856 5,012 6,344 1,267 8,046 4,231 4,134
3,765 5,251 6,630 1,577 8,443 4,670 4,511
4,007 5,602 7,112 1,867 80,102 6,659 4,677
4,349 5,792 7,566 2,302 0,300 7,067 6.696
4,580 6,244 8,317 2,687 0,704 9,109 7,080
4,865 6,502 8,595 2,996 2,192 9,500 7,102
5,412 6,857 8,815 3,382 2,561 | 5001,192 7,466
5,688 7,115 9,622 4,820 2,973 1,570 9,294
6,023 7,344 50,298 5,129 4,196 1,936 9,672
6,312 7,732 0,568 6,972 4,588 3,354 9,790
6,854 8,710 | 1,264 7,297 4856! 3,788 | 21,895
7,492 8,992 1,932 8,305 5.141 4,056 2,291
7,827 9,300 | 2,311 8,752 6,232 4,411 4,512
8,040 9,592 2,566 9,491 6,578 | 5,600 4,963
8,282 40,322 | 3,722 70,335 7,180 6,034 7,187
9,580 0,594 4,332 0,605 7,553 | 6,557 7,644
9,807 0,875 4,601 1,214 8,323 6,893 9,872
30,222 1,622 5,402 1,355 8,702 | 7,892 30,332
1,044 1,954 6,407 1,713 9,517 8,371 2,550
1,370 2,499 6,661 2,264 9,906 : 9,066 3.052
1,581 2,775 | 7,254 2,588 90,366 | 9,500
2,046 3,536 | 8,467 3,575 0,770 10,085
2,577 3,816 8,750 3,948 1,883 | 0,502
2,814 4,414 | 9,054 4,244 2,276 1,595
3,177 4,718 9,734 4,598 2,523 | 1,936
Wellenlangen des Anfanges des Gruppe D.
2 ala af 2 a | 2 | à Ä 2 | 2
-5079,549 5082,713 5084,969 | 5087,815 | 5090,413 | 5092,952 | 5095,660
9,970 2,871 Be 5,101 7,998 0,637 3,195 6,029
80,093 3,049 5,383 8,307 0,846 3,420 | , 6,278
0,212 3,219 5,543 8,530 | 1,035 3,594 6,400
0,456 3,398 5,820 8,882 | 1,247 3,885 6,782
0,683 3,571 6,019 9,078 1,478 4,121 7,060
0,877 3,730 6,314 9,270 | 1,673 4,268 7,156
1,022 3,933 6,543 9,447 1,883 4,640 7,567
2,127 4,160 6,798 9,641 2,085 4,835 7,845
2,240 4,328 6,982 9,812 2,303 4,945 8,359
2,393 4,563 7,290 90,034 2,526 5,302 8,633
2,566 4,700 7,478 0,242 2,759 5,510 9,165
174 E. König.
Die vorliegende Arbeit würde im physikalischen Institut der
Universität Bonn ausgeführt. Es ist für mich eine ehrende Pflicht,
dem Direktor dieses Institutes, Herrn Professor Dr. H. Kayser für
die Überweisung der Arbeit und die stets bereite Hilfe auch an
dieser Stelle meinen herzlichsten Dank auszusprechen.
Dank schulde ich auch Herrn Privatdozenten Dr. A. Hagen-
bach, der mich mit seinem bewährten Rat oft unterstützt hat.
(Eingegangen am 24. Juni 1903.)
Über einige neue Sensibilisatoren.
Von E. König (Höchst a./M.)
(Vortrag, gehalten auf dem Kongreß für angewandte Chemie in Berlin, 3. Juni 1903.)
H. W. Vogel machte im Jahre 1873 die für die Entwicklung
der Photographie sehr bedeutsame Entdeckung, daß Bromsilber-
Kollodium, welches bekanntlich nur für Blau empfindlich ist, durch
Beimengung von Farbstoffen auch für grüne, gelbe und rote Licht-
strahlen sensibilisiert werden kann. Bald wurden auch Farbstoffe
aufgefunden, welche auf Bromsilbergelatine sensibilisierend wirken
und im Laufe der Zeit ist durch die Arbeiten zahlreicher Forscher
eine große Menge solcher Farbstoffe bekannt geworden. Man findet
unter diesen Sensibilisatoren unterschiedslos saure und basische, echte
und unechte, Woll- und Baumwollfarbstoffe, so daß es vorläufig ganz
unmöglich erscheint, eine Gesetzmäßigkeit in der eigentümlichen
Wirkung der Sensibilisatoren aufzufinden. Unter den für Grün und
Gelb sensibilisierenden Farbstoffen nehmen zwei Phtaleine die wich-
tigste Stellung ein, das Eosin und vor allem das von Eder zuerst
angewandte Erythrosin, ersteres Tetrabrom- letzteres Tetrajod-
fluorescein, welches von allen bisher bekannten Farbstoffen das
stärkste Sensibilisierungsvermögen für Grüngelb besitzt. Das Ery-
throsin vereinigt alle Eigenschaften eines guten Sensibilisators, vor
allem drückt es die Gesamtempfindlichkeit des Bromsilbers nicht
herab und liefert reine photographische Schichten. Während wir
aiso für Gelbgrün in dem Erythrosin einen vorzüglichen Sensibilisator
besitzen, liegt die Sache bei den Orange- und Rot-Sensibilisatoren
ganz anders. Anfangs war das Cyanin der einzig bekannte Rot-
Über einige neue Sensibilisatoren. 175
Sensibilisator. Dieser Körper entsteht bei der Einwirkung von
Ätzkali auf ein Gemenge von Lepidin- und Chinolinalkyljodid, er
gehört zu den ältesten Teerfarbstoffen, hat aber trotz seiner pracht-
voll blauen Nuance niemals praktische Verwendung in der Färberei
gefunden, weil er total lichtunecht ist. Das Cyanin sensibilisiert
zwar ziemlich kräftig für Gelb und Orangerot, weniger jedoch für
Grün, es drückt die Gesamtempfindlichkeit der Platten auf etwa ?/,,
herab und liefert sehr unreine, leicht schleiernde photographische
Schichten. Wie schwer es ist, mit Cyanin zu arbeiten, geht schon
aus der großen Anzahl von Vorschriften für die Sensibilierung mit
Cyanin hervor. Der eine setzt dem Farbbade Dextrin, ein anderer
Essigsäure, ein dritter Borax zu, um den leidigen Schleier und die
Fleckenbildung zu bekämpfen. Selbst wenn das zuweilen gelingen
mag, das Arbeiten mit Cyanin ist stets sehr unsicher und die ge-
ringe Empfindlichkeit und mangelhafte Haltbarkeit der Platten bleibt
immer bestehen. Zwar ist man nicht auf das Cyanin allein ange-
wiesen; Eder, Valenta, Eberhard und andere haben zahlreiche
Farbstoffe aus den verschiedensten Klassen als mehr oder minder
brauchbare Orange- und Rotsensibilisatoren erkannt, doch hat von
allen diesen Farbstoffen, soweit mir bekannt ist, kein einziger sich
als wertvoll für die Herstellung rotempfindlicher oder panchroma-.
tischer Trockenplatten erwiesen. Entweder ist das Sensibilisierungs-
band zu schmal, die Platten neigen zu Flecken- und Schleierbildung
oder die Gesamtempfindlichkeit wird stark herabgedrückt.
Durch die in den letzten Jahren mehr und mehr in den
Vordergrund tretende Dreifarbenphotographie machte sich das Be-
dürfnis nach einer Platte, die für alle Lichtarten genügend empfind-
lich ist, immer mehr geltend. Wenn wir auch von diesem Ziel
meiner Ansicht nach immer noch recht weit entfernt sind, so sind
wir demselben doch zunächst durch die Einführung eines neuen
Sensibilisators durch Prof. Miethe ein gut Stück näher gekommen.
Dieser Sensibilisator ist das Chinaldin-Chinolinaethylcyanin, ein mit
dem alten Lepidin-Cyanin isomerer rotvioletter Farbstoff, der im
Jahre 1883 von Spalteholz durch Einwirkung von Ätzkali auf ein
Gemenge von Chinaldin- und Chinolinäthyljodid erhalten wurde.
Dieser von Prof. Miethe Äthylrot genannte Farbstoff besitzt vor
dem Lepidin-Cyanin ganz bedeutende Vorteile; er liefert ein gleich-
mäßiges ununterbrochenes Sensibilisierungsband von Orange bis
Violett, setzt die Gesamtempfindlichkeit der Platte nicht herab und
liefert reine haltbare photographische Schichten, allerdings ist das
176 E. Könıg.
Sensibilisierungsvermögen für das eigentliche Rot des Spektrums
nicht sehr bedeutend.
Es war wünschenswert, Farbstoffe aufzufinden, die der photo-
graphischen Platte eine höhere Rotempfindlichkeit erteilen sollten,
als es das Äthylrot vermag. Die Vermutung, daß Chinaldincyanine
von möglichst blauer Nüance die gewünschte Eigenschaft besitzen
würden, lag zunächst nahe, wenn sich auch nachher herausstellte,
daß gerade einigen weniger bläulichen Farbstoffen das stärkste
Sensibilisierungsvermögen für Rot zukommt.
| Miethe und Traube hatten bereits die Homologen des Äthyl-
rots untersucht, d. h. diejenigen Farbstoffe, bei denen an das Stick-
stoffatom verschiedene Alkylreste wie Methyl, Propyl, Butyl u. s. w.
gebunden sind. Diese Farbstoffe unterscheiden sich mehr durch
ihre Löslichkeitsverhältnisse als durch ihr Sensibilisierungsvermögen;
nur das Methylrot wäre in mancher Beziehung dem Äthylrot vor-
zuziehen, wenn es nicht leichter als dieses zu Schleierbildung Ver-
anlassung gäbe.
Ich versuchte nun durch Ersatz eines oder mehrerer Wasser-
stoffatome im aromatischen Kern der Cyanine zu blaueren Farb-
stoffen zu gelangen. Die o-substituierten Chinaldine und Chinoline
zeigten sich bald als unbrauchbar. Schon die Addition des Alkyl-
jodids vollzieht sich bei diesen Basen sehr schwer. o-Toluchinolin-
alkyljodid gibt mit Lepidin oder Chinaldinen überhaupt keinen Farb-
stoff und das o-Toluchinaldin gibt mit Chinolin nur ganz minimale
Ausbeuten an Cyanin. Viel günstiger verhalten sich die m- und
p-substituierten Basen. Aus solchen habe ich eine große Menge
neuer Cyaninfarbstoffe hergestellt, bei denen ein oder mehrere
Wasserstoffatome der aromatischen Kerne durch CH}, OCH,, OC,H,,
Cl oder Br ersetzt sind. Auffällig ist, daß das Lepidin-p-toluchinolin-
cyanin die Gesamtempfindlichkeit der Platte nicht annähernd so stark
drückt wie das Lepidinchinolincyanin, leider ist aber die Schleier-
erzeugung beiden gemeinsam. Ganz schleierfrei arbeiten die durch
Cl oder Br substitutierten Chinaldincyanine, drücken aber die Gesamt-
empfindlichkeit ziemlich stark.
Fast alle neu hergestellten Farbstoffe zeichnen sich durch große
Kristallisationsfahigkeit aus und alle besitzen ein beträchtliches Sensi-
bilisierungsvermögen. Durch besonders gute Eigenschaften fielen
bei der Untersuchung die Derivate des p-Toluchinaldins auf. Unter
der großen Anzahl der neuen Farbstoffe erwies sich das p-Toluchinal-
din-p-Toluchinolin-äthyleyaninjodid für die Praxis als das beste, wie
Über einige neue Sensibilisatoren. 177
auch die Untersuchung der Herren Eder und Valenta ergab. Jene
Verbindung wird unter dem Namen „Orthochrom-T“ in den Handel
gebracht. Das Orthochrom-T kristallisiert ähnlich wie das Äthylrot
in schönen grünen Kristallen, es unterscheidet sich von diesem durch
seine größere Löslichkeit sowohl in Wasser wie in Alkohol und durch
bedeutend blauere Nuance. Seiner Herstellungsweise entsprechend
ist es isomer mit einem Chinaldinchinolinbutylcyaninjodid.
In seinem Sensibilisierungsvermögen gleicht das Orthochrom-T
dem Äthylrot, es liefert ein gut geschlossenes Sensibilisierungsband,
welches jedoch weiter ins Rot hinein geht als dasjenige des Athylrots.
Ein anderer Farbstoff, der erst in allerletzter Zeit hergestellt
wurde, das p-Toluchinaldinchinolinmethylcyaninjodid übertrifft das
Orthochrom-T noch beträchtlich durch stärkeres Sensibilisierungs-
vermögen für Rot. Nach Eders Bestimmung ist die Empfindlichkeit
der mittels dieses Farbstoffs hergestellten Platten im Rot des Spektrum
2!/, mal so groß wie die der Äthylrotplatten. Die von Prof. Valenta
hergestellten Aufnahmen des Sonnenspektrums zeigen, daß mit
steigender Belichtung bei Äthylrot die photographische Wirkung
von D nach C nur langsam fortschreitet und unter den gewählten
Belichtungszeiten C überhaupt nicht mehr erreicht, während die
mit dem neuen Farbstoff präparierten Platten die Frauenhofersche
Linie C mit aller Deutlichkeit wieder geben. In der Praxis zeigt
sich die höhere Rotempfindlichkeit der mit den neuen Farbstoffen
präparierten Platten dadurch, daß das Rot (gleiche Belichtungs-
zeiten u. s. w. vorausgesetzt) bedeutend heller wiedergegeben wird.
als bei Äthylrotplatten, was für die Reproduktionstechnik und die
Dreifarbenphotographie. selbstverständlich von großer Wichtigkeit ist.
Während das Orthochrom-T fast alle bisher untersuchten
Plattensorten und alle Arten von Bromsilberemulsionen sauber und
schleierfrei sensibilisiert, ist das bei dem zuletzt erwähnten Farbstoff
nicht der Fall. Einige Plattensorten, die sich mit Orthochrom-T
vorzüglich sensibilisieren lassen, geben regelmäßig bei Anwendung
des p-Toluchinaldinchinolinmethylcyanins mehr oder weniger starken
Schleier, wenigstens bei etwas längerem Aufbewahren. Folgende
Beobachtung kann vielleicht zur Erklärung dieser merkwürdigen
Erscheinung beitragen. Alle Methylcyanine, das Methylrot sowohl
wie der eben eben erwähnte neue Farbstoff und sämtliche anderen
aus Jodmethylaten hergestellten Cyanine werden auf Zusatz von
etwas Pyrogallol, Brenzkatechin oder Resorcin zu ihrer. sodaalka-
lischen Lösung bräunlich-gelb gefärbt; die Lösung scheidet flockige
178 E. König.
‚Niederschläge ab, deren Natur ich noch nicht mit Sicherheit erkannt
habe. Die Äthylcyanine bleiben bei gleicher Behandlung völlig un-
verändert. Diese Reaktion deutet entschieden darauf hin, daß die
Methylcyanine labilere Verbindungen darstellen als die höheren
Homologen; offenbar hängt mit diesem leichteren Zufall auch die
schleiernde Wirkung der Methylcyanine zusammen.
Es ist nicht nötig, daß bei der Darstellung der Cyanine die
Chinaldin- und Chinolin-Jodalkylate dasselbe Alkyl enthalten. Man
kann auch das Jodmethylat eines Chinaldins mit dem Jodäthylat
eines Chinolins oder umgekehrt kondensieren. Diese schön kristalli-
sierenden Farbstoffe scheinen sich in Bezug auf Schleierbildung
günstiger als die Methylcyanine zu verhalten.
Eine wirklich orthochromatische Platte ist nun trotz ihrer Rot-
empfindlichkeit die Orthochromplatte noch nicht. Eine solche
müßte nach Eders Handbuch orange oder hellblau gleich hell
wiedergeben, das ist aber bei einer Aufnahme ohne Filter durchaus
nicht der Fall. Es überwiegt vielmehr noch bei weitem die hohe
Empfindlichkeit des nicht sensibilisierten Bromsilbers für die blauen
Strahlen. Photographiert man eine Farbentafel mittels einer Äthylrot-
oder Orthochromplatte ohne Filter, so wird nur violett, blau, grün
und gelb wiedergegeben; ein helles Orange wirkt noch schwach,
dunkles Orange und Rot wirken gar nicht mehr. Will man Rot
hell wiedergeben, so muß man ein so starkes Orangefilter ein-
schalten, daß Blau überhaupt nicht kommt, es sei denn, daß man
das Blau durch eine nachträgliche Belichtung ohne Filter zur Wir-
kung bringt.
Bei der Aufnahme einer Farbentafel ohne Filter gibt eine
Orthochromplatte fast genau dasselbe Bild wie eine Erythrosinbade-
platte — nur das Blau erscheint bei der Orthochrom-T-Platte mehr
gedämpft.
Die Rotempfindlichkeit der mit den neuen Farbstoffen prä-
parierten Platten ist also nur eine relativ hohe; das kann nicht
genug betont werden, um Mißverständnissen vorzubeugen.
Immerhin erscheint es durchaus nicht ausgeschlossen, daß ein-
mal ein Farbstoff gefunden wird, der noch viel stärker für Rot
sensibilisiert, und meine Ausführungen sollen nur dazu dienen, über
den gegenwärtigen Stand der Dinge auf diesem Gebiete zu berichten.
(Eingegangen am 25. Juni 1903.)
Referate. 179
Referate.
Entladungen, elektrische Wellen.
E. Hagen und H. Rubens. Über Beziehungen zwischen dem
Reflexionsvermögen der Metalle und ihrem elektrischen
Leitvermögen. (Verh. d. deutsch. phys. Ges. 5. 113— 117. 1903.
Sitzungsber. d. königl. Akad. d. Wiss. Berlin. 269—277. 1903.)
M. Planck. Über die optischen Eigenschaften der Metalle
für lange Wellen. (Sitzungsber. d. königl. Akad. d. Wiss. 278
bis 280. 1903.)
E. Cohn. Metalloptik und Maxwellsche Theorie. (Sitzungsber.
d. königl. Akad. d. Wiss. Berlin. 538—542. 1903.)
Die Mitteilungen von E. Hagen und H. Rubens enthalten die
Resultate von Versuchen über die Reflexion hauptsächlich ultraroter
Strahlen an Metallspiegeln.!) In der Arbeit von M. Planck werden
diese Resultate in nicht ganz einwandfreier Weise mit der Maxwell-
schen Theorie verglichen, während diejenige von E. Cohn eine voll-
ständige Diskussion der Resultate und ihre Bedeutung für den Gültig-
keitsbereich der Maxwellschen Theorie enthält.
Es handelt sich um folgende Frage. Die Maxwellsche Theorie
gibt für die Intensität einer an einer Metallfläche reflektierten Welle
im Verhältnis zur Intensität der einfallenden Welle eine Beziehung, die
außer dem Leitvermögen und der Permeabilität auch noch die unbekannte
Dielektrizitätskonstante e des Metalls, und zwar letztere in der Kom-
bination wre (n Wechselzahl der Schwingung) enthält. Auf dem Gebiet
der sichtbaren Schwingungen versagt bekanntlich die Maxwellsche Theorie,
auf dem Gebiet der elektromagnetisch herstellbaren Wellen aber gibt sie
die Verhältnisse richtig wieder, und zwar hat sich hier die Vernachlässigung
von anne gegen das Leitvermógen der Metalle durch den Erfolg stets
gerechtfertigt. Auf diesem Gebiet ist also das Verhältnis der Intensität
einer einfallenden Welle zur Intensität der reflektierten durch das Leit-
vermögen und die Permeabilität des Metalls, oder bei nicht ferromagneti-
schen Metallen durch das Leitvermögen allein bestimmt.
Die Versuche von Hagen und Rubens ergaben:
a) Noch für Wellenlängen von 12 u, bei einzelnen Metallen noch
bei viel kürzeren Wellen, stimmen die beobachteten und die aus
dem Leitvermögen der Metalle allein berechneten Werte gut überein.
Daraus folgt:
1. Noch bei so schnellen‘ Schwingungen darf die Dielektrizitiits-
konstante der Metalle (d. h. wre) gegen das Leitvermögen vernach-
lässigt werden.
2. Noch bei so schnellen Schwingungen ist das Leitvermögen der
Metalle nicht merklich von demjenigen für stationären Strom verschieden.
1) Die experimentelle Anordnung der Versuche ist in Ann. Phys. 8, 1. 1902
beschrieben.
180 Referate.
3. Da ein Unterschied zwischen Eisen und Stahl einerseits, den
nicht ferromagnetischen Metallen andererseits sich nicht ergab, so kann
die Permeabilität des Eisens und Stahls bei so schnellen Schwingungen
von derjenigen der Luft nicht merklich verschieden sein.
b) Bei kleineren Wellenlängen stimmen die beobachteten Werte
nicht überein mit denjenigen, die aus der Maxwellschen Theorie unter
Vernachlässigung von né gegen das Leitvermögen folgen. Der Grund
dafür kann ein zweifacher sein.
I. Entweder ist die Vernachlässigung nicht mehr gerechtfertigt, die
vollständigen Formeln der Maxwellschen Theorie bleiben aber richtig.
Dann muß sich aus den Versuchen von Hagen und Rubens der Wert
der Dielektrizitätskonstanten der Metalle ergeben,
2. oder es gelten auch die vollständigen Formeln und damit überhaupt
die Maxwellsche Theorie bei so schnellen Schwingungen nicht mehr.
In dieser Beziehung zeigt die Diskussion:
I. Es scheint, daß ein 7el der Beobachtungen von Hagen und
Rubens sich durch die vollständigen Maxwellschen Formeln noch in
einem Gebiet darstellen läßt, wo die Formeln, bei denen mna gegen
das Leitvermögen vernachlässigt ist, versagen. Beobachtungen in diesem
Gebiet können also den unbekannten Wert der Dielektrizitätskonstanten
der Metalle liefern. Die Aussicht, aus Versuchen der Art, wie sie von
Hagen und Rubens angestellt wurden, einen einigermaßen genauen
Wert dieser Größe zu bekommen, ist aber sehr gering.
2. Alle Beobachtungen von Hagen und Rubens, auch im ultra-
roten Gebiet, durch Beziehungen, wie sie die Maxwellsche Theorie
ergibt, darzustellen, ist ausgeschlossen. J. Zenneck.
J. Härden. Über die Analyse der Entladungen eines Kon-
densators in Verbindung mit einer Hochfrequenzspule.
(Phys. Zeitschr. 4. 461—465. 1903.)
Im ersten Teil seiner Arbeit leitet der Verf. die bekannte Differential-
gleichung für die Entladung eines Kondensators ab und integriert die-
selbe in ausführlichster Weise. Im zweiten Teil stellt er die ebenfalls
bekannte Tatsache fest, daß ein durch Wechselstrom betriebenes In-
duktorium, das den Kondensator lädt, während einer Halbperiode des
Wechselstroms nicht nur eine einzige, sondern mehrere Entladungen des
Kondensatorkreises liefert. Die zur Ermittlung dieser Tatsache benutzte
Anordnung ist für diesen Zweck recht kompliziert. J. Zenneck.
K. von Wesendonk. Über Spitzenausströmungen infolge von
Teslaentladungen. (Phys. Zeitschr. 4. 465—469. 1903.)
Die Sekundärspule eines Teslatransformators endigt in eine Spitze.
Die von der Spitze ausgeströmte elektrische Ladung wird auf ihr Vor-
zeichen untersucht. Das Resultat ist, daB stets vorwiegend pos:tive Ladung
von der Spitze ausströmt, gleichgültig, welche Belegung der Kondensa-
toren im Primärkreis des Teslatransformators an Erde gelegt ist.
Das Ergebnis ist insofern von Interesse, als bei statischer oder
langsam veränderlicher Ladung gewöhnlich die Ausströmung negativer
Referate. 181
Ladung aus einer Spitze rascher erfolgt als diejenige positiver. All-
gemein gilt das allerdings auch hier nicht. Der Verf. zeigt durch Ver-
suche, bei denen er den Teslatransformator durch einen gewöhnlichen
Induktor ersetzt, daß man auch in diesem Fall mehr positive Aus-
strömung erhalten kann, wenn die Spitze Anode des Öffnungsstromes
ist, als negative Ausströmung, wenn die Spitze die Kathode des Öffnungs-
stromes bildet. Um das zu erreichen, braucht nur die Spannung ge-
nügend hoch gesteigert zu werden. J. Zenneck.
Neue Bticher.
Felix Auerbach. Das Zeisswerk und die Carl-Zeiss-Stiftung
in Jena. 8° und 124 Seiten. 78 Textabbildungen. Jena,
Gustav Fischer, 1903.
Der Untertitel des hübschen Heftchens sagt uns, was es bringt:
die wissenschaftliche, technische und soziale Entwicklung und Bedeutung
des Zeisswerkes wird dargestellt. Aus den kleinsten Anfängen der im
Jahr 1846 errichteten Werkstätte von Carl Zeiss, die sich in nichts von
anderen mikroskopischen Werkstätten anderer Universitätsstädte unter-
schied, ist jene imponierende Anlage geworden, die heute 24 wissen-
schaftliche Mitarbeiter zählt, fast 1400 Arbeiter beschäftigt und über
2 Millionen Mark jährlich an Löhnen zahlt. Der Name, den Zeiss’
Mikroskope sich erworben, er hat denselben Klang bei den anderen
Erzeugnissen der Werkstätte, bei den photographischen Objektiven und
Fernrohrkonstruktionen und bei den MeSapparaten. Mit einigen anderen
bekannten Firmen beherrscht heute unsere Industrie den Weltmarkt auf
diesen Gebieten; da die Fabrikation der meisten Dinge bei Zeiss. noch
jung ist, mußte erst neben den älteren bewährten Werkstätten der Platz
erkämpft werden. Es ist das größte Verdienst von Carl Zeiss, Abbe
gefunden zu haben, der als junger Dozent in Jena Mathematik, Physik
und Astronomie lehrte, aber sich kaum mit geometrischer Optik befaßt
hatte. Wie dann Abbe die versuchende Richtung im Mikroskopbau
verließ, sie durch Berechnung ersetzend, welche Erfolge er davon
getragen und wie seine Theorie heute die Theorie der Abbildung
geworden, das ist bekannt. Der Name Schott und Genossen erinnert
an die wichtige Erschmelzung neuer Gläser, an der Abbe beteiligt war.
Aber Abbe hat ein ebenso großes Verdienst auf geschäftlichem Gebiet;
er erkannte, daß die Beschränkung einer großen Werkstätte auf ein
einziges Fabrikat, und sei es das beste, fallen müsse; er hat also die
Ausdehnung des Betriebes veranlaßt und er hatte wieder das Geschick,
für diese Ausdehnung die Mitarbeiter zu finden. Die Namen sind
bekannt, wir dürfen schon des Raumes wegen hier nicht zu weit in die
Geschichte des Zeisswerkes hineingehen. Das Einzelne möge man bei
Auerbach nachlesen, wo auch die wichtigsten Fortschritte und Erfin-
dungen durch gute Abbildungen dargestellt werden. Manches andere
lernt man dabei im Vorbeigehen, so z. B., daß die Prüfung des Linsen-
schlifis durch das Probierglas, wie es jetzt in allen besseren Werkstätten
182 Referate.
gebraucht wird, von Zeiss’ Werkführer August Löber stammt. Aber
- des Verdienstes Abbes, seiner Werkstätte durch Errichtung der Zeiss-
stiftung Dauer gegeben und zugleich in humaner Weise, frei von jeder
politischen Spießbürgerei, für die Wohlfahrt seiner Arbeiter gesorgt zu
haben, sei trotz der zu großen Ausdehnung dieses Referates ausdrücklich
gedacht; als Abbe sich vor Jahresfrist leidend von Jena nach Lugano
zurückzog, wurden darüber so viele falsche Gerüchte kolportiert, daß
eine autentische Aufklärung, wie die Auerbachs, wohl am Platze ist.
Erwähnt seien noch die zahlreichen graphischen Darstellungen der Ent-
wicklung des Werkes in Auerbachs Buch. Englisch.
Eingegangen sind (Besprechung folgt):
Holm, Photographie bei künstlichem Licht. Kaiserling, Mikro-
photographie. Lüppo-Cramer, Trockenplatte. (Sämtlich Verlag von
G. Schmidt, Berlin) — Winkelmann, Handbuch der Physik. 2. Aufl.,
IV. Bd., ı. Hälfte. (Leipzig, Johann Ambrosius Barth.)
Patentbericht
von Dr. B. Oettinger, Patentanwalt, Berlin NW. 52.
Kl. 42h. 142294. Sphärisch, chromatisch und astigmatisch korri-
giertes Objektiv aus vier, durch die Blende in zwei Gruppen geteilte
Linsen. — Fa. Carl Zeiss, Jena.
Kl. 57b. 142489. Ersatzmittel für die ätzenden und kohlensauren
Alkalien in photographischen Entwicklern. — Farbwerke vorm. Meister,
Lucius & Brüning, Höchst a. M.
K1. 57d. 142406. Verfahren zur Erzeugung photographischer
Chromatbilder auf Stahlplatten, -walzen und dergl. — Julius Maemecke,
Berlin, Alt-Moabit 130.
Kl. 57b. 143062. Ersatzmittel für die Alkalien in photographischen
Entwicklen; Zus. z. Pat. 142489. — Farbwerke vorm. Meister
Lucius & Brüning, Höchst a. M.
K1. 57b. K. 21965. Verfahren zur Herstellung farbiger Photo-
graphien. — Gustav Koppmann, Hamburg.
K1. 57b. V. 4531. Verfahren, um Photographien mehrfarbig zu
tonen. — Solon Vathis, Paris.
Kl. 57b. L. 17274. Lichtempfindliche Schichten tragende Films
aus Nitrozellulose. — Dr. Hans Lüttke, Wandsbeck.
Kl. 57b. 8. 17506. Verfahren zur Herstellung farbiger Chromat-
gelatinebilder nach dem Imbitionsverfahren. — Max Skladanowsky,
Berlin, Schwedterstr. 35a.
Kl. 57b. B. 30336. Photographisches Verfahren zur Herstellung
plastisch richtiger Bildwerke. — Carlo Baese, Berlin, Halleschestr. 15.
Kl. 57b. 8. 16432. Gewebe und Verfahren zur Herstellung von
Imitationen gewebter Bilder auf photographischem Wege. — Jan
Szczepanik, Wien.
zum A A PEE A A A Me É oe
Fúr die Redaktion verantwortlich: Dr. E, ENGLISCH in Stuttgart,
Zeitichrift für willenichaftlidie Photographie,
Photophylik und Photodiemie i
I. Band. 1903. Heft 6.
Über Intensitätsverhältnisse in photographischen Lichthöfen.
Von J. Drecker.
Schon vor beinahe 40 Jahren sollen nach einer Angabe Gioppis))
Carey-Lea und Russel die Ursache der Lichthöfe erkannt und
in „Photographic News“ beschrieben haben. Diese Zeitschrift habe
ich leider nicht nachsehen können. Es scheint mir aber, daß diese
Arbeiten wenig bekannt geworden sind, denn im Jahre 1890 legte
A. Cornu?) der Akademie der Wissenschaften seine Versuche über
photographische Lichthöfe vor, und im gleichen Jahre veröffentllichte
E. v. Gothard’, einen Aufsatz über Lichthöfe in Eders Jahrbuch.
Beide erwähnen keine früheren Arbeiten.
Durch die Arbeiten der beiden letztgenannten Forscher ist die
Ursache der photographischen Lichthöfe unzweideutig festgestellt,
und außerdem geben beide ein wirksames Mittel zur Vermeidung dieser
in der Photographie manchmal recht unangenehmen Erscheinung an.
Wenn ich nun trotzdem heute nochmals auf den Gegenstand
zurückkomme, so geschieht es aus zwei Gründen. v. Gothard und
Cornu geben beide als Ursache der Lichthöfe die Totalreflexion
der von der grellbeleuchteten Stelle der Emulsionsschicht diffus
ausgehenden Strahlen an der Rückseite der Glasunterlage an. Selbst-
redend wirken aber auch die gewöhnlich (nicht total) reflektierten
Strahlen; es schien mir nun interessant, die Erscheinung nach dieser
Richtung hin, also mehr nach der quantitativen Richtung, zu unter-
suchen, während man sich bisher mit dem qualitativen Nachweis
begnügt hatte.
Sodann sind bis in die neueste Zeit hinein so viele irrige An-
gaben über photographische Lichthöfe unwidersprochen auch in
1) Gioppi, Wie vermeidet man Lichthöfe? Liesegangs Almanach 1902. S. 32.
2) A. Cornu, Compt. rend. 110. 551 —557; auch in Journ. de phys. (2.) 9.
270—277. 1890.
3) E. v. Gothard, Eders Jahrbuch $. 241—244. 1890.
Zeitschr. f. wiss. Phot. 1. 14
184 J. Drecker.
unseren angesehenen photographischen Zeitschriften veröffentlicht
worden, daß es angezeigt erscheint, einmal wieder auf die wahre
Natur der Lichthöfe hinzuweisen und vor gänzlich unbrauchbaren
Gegenmitteln zu warnen, welche aus Unkenntnis der Entstehungsart
der Lichthöfe empfohlen werden.
Entwirft man das Bild eines leuchtenden Punktes auf der photo-
graphischen Platte, — die Art der Bilderzeugung durch Loch, ein-
fache Linse, zusammengesetztes Objektiv, Hohlspiegel ist hierbei
ohne Bedeutung — so wirkt die Bildstelle wie ein selbstleuchtender
Körper und sendet einen Teil des empfangenen Lichtes diffus nach
allen Seiten hin aus. Der größere Teil dieses Lichtes von der dem
Inneren der Kamera zugekehrten Seite der Emulsionsschicht wird
H B
AM 5 H
te u,
DINSA
RX
AN
SK) IR
PODA
e
39 19 19 W
Fig. 1.
von den mattschwarzen Wánden der Kamera absorbiert. Der andere
Teil geht in den Träger der Emulsion, die Glasplatte (oder den
Film). An der Rückseite der Platte, d.h. an der Grenze Glas-Luft,
werden diese Strahlen zum Teil durchgelassen, zum Teil reflektiert.
Der reflektierte Teil trifft die Emulsionsschicht und dieses Licht
einzig und allein ist die Ursache der Lichthöfe.
In Fig. 1 bedeutet Æ die Emulsionsschicht, 7 den Träger der-
selben, die Glasplatte, 3 den Bildpunkt, ggg.. die an der Rückseite
des Glases durchgegangenen und rrr.. die dort reflektierten Strahlen.
Das Verhältnis der Intensität der Strahlen g und v hängt vom Ein-
fallswinkel 2 ab. Ist ¿= o, d.h. fällt der Strahl senkrecht auf die
Grenzfläche, so ist der reflektierte Strahl sehr schwach, mit größer
werdendem Einfallswinkel nimmt der Anteil des reflektierten Strahls
immer mehr zu, und hat der Winkel eine bestimmte Größe erreicht,
so geht nichts mehr durch die Glasplatte, der Strahl wird in seiner
Über Intensitätsverhältnisse in photographischen Lichthöfen. 185
ganzen Stärke reflektiert (Totalreflektion). Der Winkel der Total-
reflektion z ist bestimmt durch die Gleichung:
. I
sin T = — ,
n
worin 2 den Brechungsexponenten des Glases gegen Luft bedeutet.
Wird der Einfallswinkel noch größer, so ändert sich an der Ver-
teilung nichts mehr: das ganze ankommende Licht wird total re-
flektiert. Ä
Fig. 2 zeigt uns die photographische Wirkung. Um den kleinen
Bildpunkt herum bemerkt man zunächst eine kreisförmige Ver-
breiterung, die uns hier vorläufig
nicht interessiert, dann kommt in
großer Entfernung der Lichthof,
der nach innen hin ziemlich scharf
begrenzt ist, nach außen hin aber
allmählich verläuft. Die Entfernung
des Innenrandes von der Mitte
stimmt nun genau überein mit der
Strecke 3 H der Fig. 1, wo H der
Punkt der Emulsion ist, welcher von
dem ersten total reflektierten Strahle
getroffen wird. Diese Entfernung BY = 2B M = 2MG tang r.
Setzen wir B H = q, die Dicke der Glasplatte MG = d, so folgt
o = 2d tang T.
I
sin T no
Es ist aber tang t = == = 77 =, oder endlich:
I — sin” T V '- -=
I
Der Brechungsexponent des Glases für die photographisch wirk-
samen Strahlen kann etwa = 1,54 gesetzt werden; mit diesem Werte
erhält man:
e=1,7.d.
Das Negativ der Fig. 2 wurde erhalten auf einer 6,88 mm
dicken Glasplatte, die durch Aufkitten einer 1,57 mm dicken Trocken-
platte auf eine 5,31 mm dicke Spiegelglasplatte mittelst Canadabalsam
hergestellt war. Alle Punkte Æ also, welche von den total reflek-
tierten Strahlen getroffen werden, liegen 1,7-6,88 d. i. 11,7 mm von
der Mitte entfernt. Diese Entfernung ist aber genau der innere
14*
186 J. Drecker.
Radius des Lichthofes. Der Lichthof entsteht dort, wo die von den
hell beleuchteten Stellen der Schicht diffus ausgehenden und an
der Rückseite des Glases total reflektierten Strahlen die Emulsions-
schicht zum zweiten Male treffen. Im Gegensatz zu dem normalen
Bild liegt also der Lichthof in der untersten Schicht der Emul-
sion, dies bestätigt sich bei der Entwickelung; es ist auf der noch
nicht fixierten Platte deutlich zu erkennen. Die Richtigkeit dieser
Erklärung ist durch zahlreiche interessante Versuche, namentlich
Cornus,!) mit verschieden dicken Gläsern, mit keilförmigen Gläsern,
mit doppelbrechendem Material u.s.w. bestätigt worden.
Auf eins sei hier nur besonders aufmerksam gemacht. Nach
der obigen Erklärung muß es für die Entstehung des Lichthofes
ganz gleichgiltig sein, ob der Bildpunkt durch einen senkrecht oder
schräg auffallenden Lichtkegel auf der Platte gebildet wird. Er ent-
steht eben nicht durch die gradlinige Fortdauer der bilderzeugenden
Strahlen in das Glas hinein, sondern, wie oben gezeigt, durch
diffuses, vom Bildpunkt ausgehendes Licht. So ist der Lichthof um
einen Punkt herum stets kreisfórmig, mag der Bildpunkt in der
Mitte oder am Rande der Platte gelegen sein.
Es soll nun in Folgendem untersucht werden, wie ist die Licht-
verteilung innerhalb und außerhalb dieses Kreises, wie erklärt sich der
scharfe Rand nach innen und der allmähliche Verlauf nach außen?
Nach dem Neumannschen Reflektionsgesetz wird die Intensität des
reflektierten Lichtes bestimmt durch die Formel:
ed a
2 sin? (i + 4) tang?(@ +2) J?
hierin bedeutet z den Einfalls- und z, den Brechungswinkel, so daß
7, aus 2 gefunden wird durch die Gleichung:
sin 7 I
SIN z, n
für die Grenzfläche Glas-Luft, wenn z den Brechungsexponenten des
Glases bedeutet. Das Resultat der Rechnung habe ich in der Tabelle
(S. 187) niedergelegt. In der ersten Vertikalzeile stehen die Einfalls-
winkel, anfangs von 5° zu 5°, in der Nähe der Totalreflexion mit
kleinerem Intervall; in der zweiten die zugehörigen Brechungswinkel,
in der dritten der Wert /g, berechnet nach der Neumannschen
Formel. Diese ganze Intensität kommt aber nicht zur Lichthofbildung
in Betracht, sie bedarf nach zwei Richtungen noch einer Korrektion.
1) A. Cornu, I. c.
Über Intensitätsverhältnisse in photographischen Lichthöfen. 187
Tabelle.
2 Ja Ja in “Lo a Ya in %,
o? o° 0,045 0,045 10,2 o 13,5
5 77 0,045 0,045 10,1 0,17 13,3
Io 15,5 0,045 0,043 9,8 0,35 12,6
15 23,5 0,045 0,041 9,2 0,54 11,7
20 31,8 0,047 0,039 8,9 0,73 11,0
25 40,6 0,051 0,038 8,6 0,93 10,3
30 50,4 0,064 0,042 9,4 LIS 10,8
35 62,0 0,107 0,059 13,3 1,40 14,3
37 67,9 0,154 0,078 17,8 1,51 18,7
38 | 714 0,198 0,097 22,0 1,56 22,8
39 75,7 0,276 0,129 29,4 1,62 30,1
40 81,9 0,465 0,208 47,4 1,68 47,7
401), 90 1,000 0,439 100,0 1,71 100,0
41 | — 1,000 0,430 98,0 1,74 97,3
42 — 1,000 0,4 10 93,3 1,80 91,2
43 — 1,000 0,391 91,0 1,86 85,5
44 — 1,000 0,372 84,7 1,93 80, 2
45 | E 1,000 0,354 80,2 2,00 74,5
50 — 1,000 0,266 60,4 2,38 51,0
55 - — 1,000 0,189 43,0 2,86 32,5
60 — 1,000 0,125 27,8 3,46 18,7
65 — 1,000 0,076 17,2 4,29 9,6
70 — 1,000 0,040 9,1 5,50 4,1
80 — 1,000 0,005 1,2 11,34 0,3
Zunächst ist die in A (s. Fig. ı) wirksame Intensität dem Qua-
drate der Entfernung BR + RA umgekehrt und ferner dem Cosinus
des Einfallswinkels in A proportional. Die Entfernung BR + RA
BR a e
sität proportional dem Cubus des Cosinus des Einfallswinkels. Es
ist also, um die in A wirksame Intensität zu erhalten, die Größe Zg
noch mit cos ¿2 zu multiplizieren. Das Ergebnis steht in Zeile 4
der Tabelle, die folgende Zeile 5 gibt dieselben Werte in Prozenten
des Maximums, welches bei dem zuerst total reflektierten Strahl in
A auftritt. In der 6. Zeile ist die zugehörige Entfernung a von der
Mitte angegeben unter Annahme der Glasdicke d = 1.
Diese Zahlen æ sind also für eine bestimmte Platte mit der
Plattendicke zu multiplizieren. Soweit wäre alles richtig, wenn das
leuchtende Bild B wirklich ein Punkt wäre. In Wirklichkeit aber
wird es immer eine kleine oder größere Fläche sein, deshalb ist die
Es wird also bei gleicher Plattendicke die Inten-
188 J- Drecker.
Intensität auch noch mit dem Cosinus des Ausstrahlungswinkels zu
multiplizieren, der in dem Falle ebenfalls z ist. Somit wird die wirk-
liche Intensität in einem Punkte A, der von der Mitte B die Ent-
fernung a hat, proportional dem Ausdrucke
TR cost ťi
d?
für d = 1 ist dieser Wert J4 in der letzten Kolonne angegeben. Für
senkrechte Incidenz (2 = o) erhält man die Intensität als den Grenz-
wert des Ausdrucks |
tang? (£ — 7,)]
I sin? (1 — 4) +
2 sin? (7 + 4) tang? (1 + 2,)]
A
o ' 2 3 x 5 é
Fig. 3.
für 2= 2, =0. Dieser Grenzwert wird:
I I-n\? I-n\? 1 — my?
+=) + (E) "
Für z = 1,54 wird demnach die Intensität der senkrecht re-
flektierten Strahlen 0,045, d. i. 4'/,°/, der Intensität des auffallenden
Lichtes.
In Fig. 3 sind nun diese durch Rechnung gefundenen Intensi-
täten, wie sie in der letzten Kolonne verzeichnet stehen, gra-
phisch dargestellt. Die Ordinaten geben die Intensitäten, die Ab-
szissen die zugehörigen Abstände von dem leuchtenden Bildpunkt,
die Dicke des Glases ist gleich 1 angenommen. Man erkennt sofort
die Übereinstimmung mit der Intensitätsverteilung des photographi-
schen Lichthofes. Der sehr steile Abfall der Kurve nach innen be-
dingt die scharfe innere Begrenzung des Lichthofes. Schon in einer
Entfernung von etwa 0,5 der Glasdicke ist die Intensität auf etwa
'/,, derjenigen des Maximums gesunken, wahrend nach außen hin
Über Intensitätsverhältnisse in photographischen Lichthöfen. 189
zu der gleichen Intensitätsabnahme eine Entfernung von 4,3 der
Glasdicke nötig ist.
Durch die bisherigen Betrachtungen ist die Intensitätsverteilung
innerhalb des Lichthofes selbst klar gelegt. Wie verhält sich aber
die Intensität des Lichthofes zur Intensität des erzeugenden Bild-
punktes? Diese Frage läßt sich nicht so einfach und jedenfalls nicht
allgemein beantworten. Das Intensitätsverhältnis wird wesentlich be-
dingt durch die Natur und Dicke der Emulsionsschicht, dann aber
auch durch die Plattendicke und deren Brechungsexponenten. Je
klarer die empfindliche Schicht ist, desto weniger selbstleuchtend
wird sie, es wird also bei dünnen klaren Schichten (das sind meist
die weniger empfindlichen) der Lichthof schwächer ausfallen. Bei
sehr dichter Schicht ist die diffuse Ausstrahlung groß, wird aber
auf der Rückseite (Schicht-Glas), und nur diese kommt bei der Licht-
hotbildung in Betracht, durch die Absorption im Innern der Schicht
auch mehr geschwächt sein. Allgemeingültige Beziehungen lassen
sich also nicht aufstellen.
Die Dicke des Glases bestimmt einerseits den Radius des Licht-
hofes, andererseits aber wird die Intensität im quadratischen Ver-
haltnis mit der Glasdicke abnehmen. Der Lichthof auf der 6,88 mm
dicken Platte (Fig. 2) entstand nach einer Belichtung von 18000 S.M.K.,
der kleine (Fig. 5) auf einer 1.26 mm dicken Platte nach einer
Belichtung von 600 S.M.K. Das Verhältnis der Belichtung ist 30: 1;
ebenso verhalten sich die Quadrate der Glasdicken 6,88*: 1,26?
= 47,3:1,59. Beide Platten zeigen annähernd gleiche Intensität des
Lichthofes. Bei sehr dicken Platten würde für gewöhnliche Auf-
nahmen die Lichthofbildung nicht zu fürchten sein! Am intensivsten
ist der Lichthof unter sonst gleichen Umständen auf Film; und es
ist ein Irrtum, daß Films an und für sich lichthoffreie Bilder lieferten.
Ein Film von 0,12 mm Dicke (Eastmans Rollfilm) lieferte einen
Lichthof, dessen Durchmesser 0,12.1,7I = 0,2 mm ist, dessen In-
tensität unter sonst gleichen Umständen 100mal so groß ist, als die
Intensität des Lichthofes auf einer Glasplatte von 1,2 mm Dicke.
Wegen des geringen Radius wird sich der Lichthof bei manchen
Aufnahmen zwar weniger bemerkbar machen. Für Aufnahmen aber,
an die man in Bezug auf Bildschärfe einigermaßen Ansprüche macht,
wird ein solcher Lichthof sehr störend wirken. Bei den von mir
zu diesen Versuchen benutzten Trockenplatten (Agfa-Platten und
Gebhardt-Platten) genügt eine normale Belichtung des Bildpunktes
nicht zur Hervorbringung eines Lichthofes. Eine brennende Kerze
wurde ı5mal kurz hintereinander auf derselben Platte photogra-
phiert. Die Exposition betrug bei der ersten Aufnahme !/,, Sekunde,
bei jeder folgenden !/,, Sekunde mehr bis zur 15. Aufnahme, die
ı Sekunde dauerte. Die Platte wurde dann als Ganzes entwickelt
und fixiert, so daß alle Aufnahmen genau gleiche Behandlung erfuhren.
Schon die erste Aufnahme lieferte ein gutes Bild der Flamme. Bei
der 10. Aufnahme, also nach ?/, Sekunden, waren deutliche Zeichen
der Überexposition wahrzunehmen. Erst bei der 11. Aufnahme
zeigte sich im Negativ die erste Spur eines Lichthofes, und selbst
der Lichthof der ı5. Aufnahme war so schwach, daß er erst nach
der Verstärkung mit Sublimat ein sichtbares Positiv lieferte. (Fig. 4.)
Die Platte (Gebhardt) war 1,94 mm dick. Fast genau dasselbe
Fig. 4.
Resultat erbielt ich aut einer Agfa-Platte von 1,6 mm Dicke. Wir
dürfen hieraus wohl schließen, daß bei unseren empfindlichen
Trockenplatten eine mehrfache Überexposition des eigentlichen Bildes
eintreten muß, ehe der Lichthof praktisch bemerkbar wird.
In der photographischen Praxis wird ein Lichthof stets dann
auftreten, wenn einzelne Teile der Platte ziemlich stark überexponiert
sind, was nicht zu vermeiden ist, wenn andere wenig helle Stellen
richtig exponiert sein sollen, also stets bei Aufnahmen mit großen
Helligkeitskontrasten. Mit selteneren Ausnahmen (Sternaufnahmen)
werden die überexponierten Bilder nicht gerade Punkte sein, wie
in der Fig. 2. Die Wirkung einer größeren Fläche (helles Fenster
bei einer Innenaufnahme, Himmel in einer Landschaft u. s. w.) ergibt
sich durch Übereinanderlagerung der um die einzelnen Elemente der
Fläche gebildeten Lichthöfe. Fig. 8 stellt den Lichthof dar, den
eine helle Linie erzeugt.
Man vermeidet die Lichthofbildung, wenn man die Reflexion
Über Intensitätsverhältnisse in photographischen Lichthöfen. IQI
e _ - A m auaa M M ‘M
des diffusen Lichtes an der Rückseite der Glaswand verhindert oder
dafür Sorge trägt, daß das von der hell beleuchteten Bildstelle der
Schicht ausgehende diffuse Licht gar nicht in das Glas ein-
dringen kann.
Das erstere geschieht dadurch, daß man das Glas auf der Rück-
seite mit einer Substanz von gleichem Brechungsexponenten bekleidet.
Dadurch verhindert man die Reflexion an der Glasgrenze. Das ge-
nügt aber nicht allein, denn jetzt würde die Reflexion an der
Außenseite der aufgetragenen Substanz auftreten; es ist also noch
dafür zu sorgen, daß das Licht auf seinem Wege durch diese Sub-
stanz absorbiert wird, es genügt die Absorption der photographisch
wirksamen Strahlen, also die Färbung der Schicht mit einem roten
Farbstoff. Für rotempfindliche Platten nimmt man am einfach-
sten Ruß. |
Fig. 5. Fig. 6.
Geeignete Substanzen zur Hinterkleidung der Platten sind be-
reits von Cornu angegeben. In den letzten Jahren sind solche auch
gebrauchsfertig in den Handel gebracht (,,Antisol“, ,,Solarin“).
Die zweite Methode erfordert zwischen der empfindlichen Schicht
und dem Glase eine Zwischenschicht, welche das Durchdringen des
Lichtes bis zum Glase verhindert (,„Sandelplatten“, ,,Isolarplatten“).
Die Namen ‚„Antisol“, „Solarin“, ‚„Isolarplatten‘“ veranlassen mich,
auf einen weitverbreiteten Irrtum hinzuweisen, der darin besteht,
daß man Solarisation mit Lichthofbildung verwechselt. Zur Vermei-
dung der Solarisation, d. i. Umkehr des negativen Bildes in ein
positives, bei sehr großer Überexposition gibt es kein Mittel.
Es erscheint selbstverständlich, daß bei der Hinterkleidung der
Platten die Substanz dem Glase unmittelbar ohne zwischenbleibende
Luftschicht aufliegen muß. Einen dunkelbraunen Tuchlappen hinter
die Platte in die Kassette zu legen, wie es W. Flemming im „Brit.
. Journ. Phot. Alm. 1901“ empfiehlt, kann die Lichthofbildung nicht
192 | J. Drecker.
verhindern. Wenn aber in der neuesten Auflage des bekannten
Ratgebers von L. David gesagt wird, daß das Hinterlegen der
Platten mit in Glycerin getränktem roten Seidenpapier nicht em-
pfehlenswert sei, da es ‚fast nichts helfe“, so muß, falls die Beob-
achtung richtig ist und nicht etwa Luftblasen zwischen Platte und
Papier zurückgeblieben sind, der Grund in der ungenügenden Ab-
sorption des aktinischen Lichtes im Seidenpapier gesucht werden.
Die nicht völlige Übereinstimmung der Brechungsexponenten ist in
der Praxis nicht von so wesentlicher Bedeutung, eine Abweichung
von 0,I darf, extreme Fälle natürlich ausgeschlossen, ruhig zuge-
lassen werden.
Ist nämlich die an die Rückseite des Glases grenzende Sub-
stanz nicht Luft, sondern ein Körper, dessen Brechungsexponent z,
ist, während der Brechungsexponent des Glases » ist, so bestimmt
sich der Grenzwinkel r, aus der Gleichung:
: UN
sin Ti = P e
Der Radius des Lichthofes wird in diesem Falle:
0, rasen aa - q
Die Intensität dieses Lichthofes wird sich zu der des Lichthofes
an der nicht hinterlegten Platte bei gleicher Plattendicke verhalten
wie cos T,*: cos r*, d. i. wie:
(n? — 13) : (n? _ 1)”.
Für Glas-Wasser wird hiernach der Radius ọ = 3,5d, d. i. fast
genau doppelt so groß als bei Glas-Luft. Die Intensität aber wird
0,19, also kleiner als ?*/,. Fig. 6 zeigt einen solchen Lichthof.
Die Platte hatte eine Dicke von 1,38 mm; auf die mit Wasser be-
netzte Glasseite war unter Vermeidung von Luftblasen ein Rubin-
glas gelegt, wodurch eine zweite Totalreflexion an der Grenze Wasser-
Luft vermieden wurde. Der Radius stimmt mit dem berechneten
3,5 * 1,38 = 4,8 mm überein. Die Exposition auf die brennende
Kerze dauerte, unter gleichen Verhältnissen wie bei Fig. 4, eine Mi-
nute; trotzdem ist die Lichthofbildung sehr schwach. Für Glas-
Glycerin würde der Radius des Lichthofes 6,4 d, die Intensität
0,023 = !/,, der normalen.
Das umgekehrte Einlegen der Platte in die Kassette, wie es
noch in jüngster Zeit mehrfach empfohlen wurde, wirkt nur schäd-
lich; der Lichthof wird intensiver, weil jetzt die hellste Seite der
Über Intensitätsverhältnisse in photographischen Lichthöfen. 193.
Emulsionsschicht in die Glasplatte hineinstrahlt, und das Bild liegt
mit dem Lichthof in der Glasseite der Schicht, beide werden also
gleichmäßig entwickelt.
Es ist mehrfach die Behauptung aufgestellt worden, die licht-
hoffreie Platte sei weniger empfindlich als die gewöhnliche Platte. !)
Man ist dabei von der Ansicht ausgegangen, daß ein großer Teil
der auffallenden Strahlen die Emulsionsschicht strahlenförmig durch-
dringt und nach der Reflexion an der Rückseite der Glasschicht
zum zweiten Male die Schicht an derselben Stelle trifft. So viel
Behauptungen, so viel Irrtümer!
Zunächst sei bemerkt, daß Herr Gaedicke im ,,Phot. Wochenbl.“,
Jahrg. 1900, über Versuche berichtet, die er znr Bestimmung der
von Emulsionsschichten durchgelassenen Lichtmengen angestellt hat.
Er kommt zu dem Resultat, daß durch die von ihm untersuchten
®
Fig. 7. Fig. 8.
Films ®/,, der auffallenden Lichtmenge hindurchgehen. Für die hier
in Betracht kommenden Verhältnisse schien mir folgender Versuch
maßgebend. Zwei Trockenplatten wurden mit den Glasseiten durch
Immersionsöl oder Canadabalsam aufeinander gekittet und nun in
der Camera auf eine durch Glühlampen konstant beleuchtete schach-
brettartige Zeichnung so eingestellt, daß auf der dem Objektiv zu-
gekehrten empfindlichen Schicht ein scharfes Bild der Zeichnung
entstand. Sämtliches durchgegangenes Licht trifft dann die Schicht
auf der Rückseite der zweiten Platte, nachdem es einen Weg gleich
der doppelten Glasdicke einer Platte im Glase zurückgelegt hat.
Hier kommt also das durchgelassene Licht gerade, wie bei der Rück-
1) Photogr. Wochenblatt 1900. S. 219; auch übergegangen in Eders Jahrbuch
1901. S. 607. — Photogr. Mitteilungen 1901. H. 10, wo Herr Parzer Mühlbacher
die ,,Rúckstrahlung* von der Glasseite sogar als „wesentlichen“ Faktor zur Verminde-
rung der Expositionsdauer in Anspruch nimmt. — Atelier der Photogr. 1902, Auf-
satz des Herrn Hauberisser,
194 J. Drecker. Über Intensitätsverhältnisse in photographischen Lichthöfen.
strahlung, auf der dem Glase anliegenden Seite der Schicht der
zweiten Platte zur Wirkung. Die Exposition der Doppelplatte ge-
schah streifenweise, die Entwickelung der wieder getrennten Platten
wurde gleichzeitig vorgenommen und bis zur gehörigen Durchent-
wickelung der Vorderplatte fortgesetzt.
Das Resultat war im Mittel aus vielen Versuchen folgendes:
bei 320” Expositionszeit war die Schwärzung der Hinterplatte noch
etwas geringer als die der Vorderplatte bei 10” Expositionsdauer.
Es kommt also auf der zweiten Schicht nur !/,, des auffallenden
Lichtes zur Geltung. Das Bild ist unscharf wegen der unrich-
tigen Einstellung und außerdem verschleiert wegen des von der
ersten Schicht diffus ausgehenden Lichtes. Dieselbe Unschärfe und
derselbe Schleier würden dem durch „Rückstrahlung“ entstandenen
Bilde auf einer Platte anhaften. Die Größe der Unschärfe berechnet
sich leicht aus dem Öffnungsverhältnis. Der Durchmesser des Zer-
streuungskreises würde für die Mitte der Platte beim Öffnungs-
verhältnis F:6 und einer Plattendicke von 1,5 mm 0,33 mm be-
tragen. Nach dem Rande der Platte steigt diese Unschärfe ganz
bedeutend, so daß hier von einer Verstärkung des primären Bildes
gar nicht mehr gesprochen werden kann. Nun aber kommen von
der bei gewöhnlicher Anordnung oben angegebenen Lichtmenge
für die Mittelstrahlen nur 4?/,%/, zur Reflexion, 95 '/,°/, gehen durch
die Glasplatte hindurch, d.h. für die Plattenmitte (und nur hier
konnte man von der „Rückstrahlung‘“ eine günstige Wirkung er-
warten, wenn man ein kleines Öffnungsverhältnis anwendet) ist die
Wirkung der Lichtstrahlung 4!/,%/, von a oder ?*/,,, der Wirkung
des auffallenden Lichtes. Eine lichthoffreie Platte ist also gerade so
empfindlich als die gewöhnliche Platte gleicher Emulsion.
Noch eine kurze Bemerkung über die verschwommene Ver-
breitung des Bildpunktes wie sie in geringem Maße in Fig. 2, viel
stärker in Fig. 6 und 7 auftritt. Diese Ausbreitung des Bildes hat
verschiedene Ursachen, ist aber ganz unabhängig von dem Träger
der Schicht, Glasplatte oder Film, sie kommt auf hinterkleideten,
lichthoffreien Platten gerade so vor, wie auf auf gewöhnlichen Platten,
selbst Negativpapiere sind nicht ganz frei davon. Daß zunächst die
Rückstrahlung nichts mit dieser Erscheinung zu tun hat, sieht man
deutlich bei der Entwickelung. Es liegt nämlich diese Ausbreitung
wesentlich in der oberen Schicht der Emulsion, während Lichthofe
dem Glase anliegen. Sie rührt zum größten Teil her von diffuser
Ausstrahlung des hellen Bildpunktes in die benachbarten Teile der
Lumière u. Seyewetz. Entstehung u. Zusammenselz. d. dichrostisch. Schleiers. 195
Emulsion, zum Teil ist ihre Ursache am Objektiv zu suchen, im
letzten Fall namentlich, wenn die Gläser nicht rein geputzt sind,
treten manchmal strahlenförmige Erscheinungen auf, wie in Fig. 6.
Diese Strahlen sind gleicher Art mit den strahlenförmigen Bildern,
welche wir im Auge wahrnehmen, wenn wir in sonst dunkelm
Raume ein helles Licht betrachten.
Aachen, 20. Juni 1903.
(Eingegangen am 30, Juni 1903.)
Über die verschiedenen Entstehungsursachen und über
die Zusammensetzung des sogenannten „dichroitischen Schleiers‘
in der Photographie.
Von A. und L. Lumiére und A. Seyewetz.
(Vorgetragen von Herm A, Seyewetz in der Abteilung für Photochemie des
V, internationalen Kongresses für angewandte Chemie in Berlin am 3. Juni 1903.)
Die Verf. haben die Bedingungen, unter denen sich der ,,dichro-
itische Schleier“ bildet, genau studiert und die Theorie seiner Bildung,
wie seine Zusammensetzung untersucht. Der dichroitische Schleier
ist nicht nur durch die Unterschiede der Farbe, je nachdem man
das Negativ im auffallenden oder durchgehenden Licht betrachtet,
charakterisiert, sondern auch durch die auffallende Dichtigkeit,
welche unter Umständen glauben machen kann, das Negativ sei
nicht vollständig fixiert.
L Bestimmung der Bildungsbedingungen des dichroitischen Schleiers.
Die Verf. haben systematisch die Bedingungen geändert, denen
die empfindliche Schicht während der drei Operationen der Be-
lichtung, der Entwicklung und der Fixierung unterworfen werden
kann.
A) Änderung der Belichtungsbedingungen.
Extra empfindliche Lumicreplatten, die verschiedene Zeiten be-
lichtet worden waren, aber unter denselben Bedingungen entwickelt
und fixiert wurden, zeigten den Verf., daß Unterbelichtung nicht
die direkte Ursache der Schleierbildung ist. Immerhin, wenn der
dichroitische Schleier unter einer der unten bestimmten Be-
196 Lumière und Seyewetz.
dingungen entsteht, begünstigt die Unterbelichtung seine Bildung,
da der Schleier um so leichter auftritt, je weniger reduziertes Silber
die Schicht enthält. Es ist nicht nötig, daß die Platte dem Licht
ausgesetzt gewesen sei, aber sie muß eine gewisse Zeit der Ein-
wirkung eines Entwicklers unterworfen gewesen sein.
B) Änderung der Entwicklungsbedingungen.
a) Änderungen bei demselben Entwickler.
Die Verf. haben normalen Diamidoentwickler benützt und erkannt:
1. daß die Menge Natriumsulfit oder Diamidophenol keinen
‚direkt bemerkbaren Einfluß auf die Bildung des dichroitischen
Schleiers zu haben scheint, daß aber ein Überschuß von Natrium-
sulfit die Dichtigkeit des Schleiers vermehrt, wenn dieser sich durch
eine der von den Verf. untersuchten Bedingungen bildet.
2. daß die Zufügung von Soda oder kaustischer Alkalien zum
Entwickler wie ein Sulfitüberschuß wirkt;
3. daß Ammoniak ganz anders wirkt als die übrigen Alkalien
und daß der dichroitische Schleier sofort entsteht, wenn man selbst
kleine Mengen dem Entwickler zusetzt;
4. daß dem Entwickler zugesetzte Bromalkalien ohne Einfluß auf
die Schleierbildung zu sein scheinen,
5. daß die Beifügung kleiner Mengen Natriumthiosulfat die
Schleierbildung direkt hervorruft. (0,04—0,05°/, Hyposulfit im Ent-
wickler genügen, um einen sehr deutlichen Schleier zu erzeugen.)
Wenn der Entwickler mehr als 0,2—0,3°/, Hyposulfit enthält,
wird der Schleier in dem Maße weniger dicht, als die Hyposulfit-
menge wächst. Die Lösung von Bromsilber in Natriumthiosulfat
(Silber- und Natriumhyposulfitdoppelsalz) scheint sich wie Natrium-
hyposulfit zu verhalten;
6. andere Lösungsmittel für Bromsilber, wie Cyankalium und
die Rhodanalkalien verhalten sich wie Ammoniak, wenn man sie
dem Entwickler zusetzt;
7. erhöhte Entwicklertemperatur begünstigt die Bildung des
dichroitischen Schleiers;
8. je mehr Silber durch den Entwickler in einem dichten
Negativ reduziert worden ist, desto weniger intensiv wird der
Schleier;
9. die Emulsionschicht zeigt einen um so intensiveren Schleier,
je dicker sie ist;
Entstehungsursachen und Zusammenselzung des dichroitischen Schleiers. 197
10. je länger endlich die Entwicklung dauert, desto stärker ist
der dichroitische Schleier.
b) Änderungen, hervorgebracht mit verschiedenen Entwicklern.
Die Verf. haben alle die vorher beschriebenen Versuche mit
- Diamidophenol mit anderen Entwicklern wiederholt, nämlich mit
Paramidophenol, Hydrochinon, Pyrogallol und Metolhydrochinon
und sie sind zu denselben Ergebnissen gelangt.
C) Änderung der Fixierungsbedingungen.
Die Verf. haben untersucht, ob der dichroitische Schleier beim
Fixieren entstehen könne, indem sie die Entstehungsbedingungen
im Entwickler ausschalteten. Zu diesem Zweck haben sie einerseits
dem Fixierbad die verschiedenen Stoffe zugefügt, die zufällig in
ihm anwesend sein können und die durch das nach dem Entwickeln
ungenügend gewaschene Negativ in dasselbe hineingebracht werden
können. Andererseits haben sie den Einfluß der kürzeren oder
längeren Dauer der der Fixierung vorangehenden Operationen (Be-
lichtung und Entwicklung) untersucht. Endlich haben sie den
Einfluß der Konzentration des Fixierbades, seiner alkalischen oder
saueren Reaktion und der Temperatur festgestellt.
a) Änderungen, hervorgebracht mit demselben Entwickler.
Es wurde festgestellt, daß die Beifügung von Natriumsulfit oder
von Diamidophenol allein die Bildung des dichroitischen Schleiers
nicht bedingt, wenn aber beide Stoffe gleichzeitig zugefügt werden,
entsteht der Schleier. Die Verf. konnten auch beweisen, daß das
ungenügende Auswaschen des die Platte tränkenden Fntwicklers
eine häufige Ursache des dichroitischen Schleiers ist. Dem unvoll-
ständigen und ungleichmäßigen Auswaschen der Platten zur Ent-
fernung der letzten Entwicklerreste in der Schicht muß man die
ungleiche Stärke der Schleiers zuschreiben, die bei gleicher Schicht-
dicke und in Teilen von vergleichbarer Dichtigkeit auftritt. Wenn alle
anderen Bedingungen gleich sind, ist der dichroitische Schleier um so
intensiver, je kürzer die Belichtung ist. Belichtete oder unbelichtete
Platten, die direkt in das Fixierbad, dem Diamidophenol und Alkali-
sulfit zugesetzt ist, gelegt werden, haben keinen dichroitischen Schleier.
Dieser entsteht aber, wenn man dieselben Platten vor dem Fixieren
zuerst in einen Entwickler taucht. Seine Intensität wächst zuerst
mit der Dauer der Einwirkung des Entwicklerbades; wenn man
198 Lumière und Sevewetz.
aber die Behandlung mit dem Entwickler genügend lange fortsetzt,
kann der Schleier vollständig unterdrückt werden. Das ist das
Umgekehrte von dem, was die Verf. bei der Bildung des dichroi-
tischen Schleiers im Entwickler beobachtet haben.
Der Schleier ist um so weniger intensiv, je größer die Kon-
zentration und der Säuregehalt des Fixierbades und je niedriger
seine Temperatur ist. Die Alkalität, der Säuregehalt, die Kon-
zentration und die Temperatur des Fixierbades haben keinen Ein-
fluß auf die Stärke des dichroitischen Schleiers, wenn dieser im
Entwickler entstanden ist.
Wenn man das Diamidophenol im Fixierbad durch andere
Entwickler, Hydrochinon, Pyrogallol, Paramidophenol, Metol, Metol-
Hydrochinon, Eikonogen bei Gegenwart von Alkalisulfit ersetzt, so
entsteht der dichroitische Schleier nur in Gegenwart eines Alkalis;
nur die ohne Alkalizusatz wirkenden Entwickler liefern bei einfachem
Zusatz von Sulfit den Schleier.
Alle mittels einer Serie anderer Entwickler erhaltenen Resultate
waren dieselben, wie die mit Diamidophenol erhaltenen, mit Aus-
nahme der Schleierbildung im Fixierbad, wo die Zufügung eines
Alkalis außer dem Sulfit nötig war.
D) Einfluß der Art der Gelatine und der Zusammen-
setzung der Emulsion.
Die Verf. haben gefunden, daß die Natur der zur Emulsions-
bereitung verwendeten Gelatine einen wichtigen Einfluß auf die
Entstehung des dichroitischen Schleiers ausübt. Sie schreiben dieses
Resultat der verschiedenen Durchdringbarkeit verschiedener Gelatine-
sorten zu und bei derselben Sorte der verschiedenen Behandlung,
welcher die Gelatine bei der Emulsionsbereitung unterworfen wurde.
Indem sie Platten, die schr wenig Schleier gaben, mit verschiedenen
Reagenzien, Säuren, Alkalien, Oxydations- und Reduktionsmitteln
behandelten, konnten sie auf die bereits beschriebene Weise sehr
dichte Schleier erhalten.
Emulsionen verschiedener Empfindlichkeit verhalten sich hin-
sichtlich der Schleierbildung verschieden, da aber diese Versuche
mit Emulsionen aus verschiedenen Gelatinesorten angestellt wurden,
sind die Ergebnisse nicht vergleichbar.
Die Platten mit den dicksten Schichten geben die stärksten
Schleier.
Entstehungsursachen und Zusammensetzung des dichroitischen Schleiers. 199
U. Diskussion der Ursachen der Bildung des dichroitischen Schleiers
und Untersuchung der Phänomene, die sie begleiten.
Die vorhergehenden Resultate haben den Verf. gezeigt, daß
zur Entstehung des dichroitischen Schleiers die Platte gleichzeitig
der Wirkung eines Entwicklers und eines Lösungsmittels für Brom-
silber ausgesetzt werden muß. Sie haben daher vermutet, daß der
dichroitische Schleier das Resultat der Reduktion gelösten Brom-
silbers im Innern der Gelatine sei. Sie vermuten, daß die Gelatine
dabei mitwirkt und daß sich eine Art organischer Metallverbindung
von sehr kräftiger Farbe bildet. Was dieser Vermutung einen ge-
wissen Wert gibt, ist die Herstellung verschiedener Dichroismen
des Schleiers, welche sie erhalten konnten, indem sie ein Reduktions-
mittel auf ein lösliches Silbersalz in Gegenwart von Gelatine oder
anderer Kolloide wirken ließen, wobei sie die Temperatur des Vor-
gangs wie die Konzentration der Lösung änderten.
Um zu erklären, daß Unterbelichtung die Entstehung des
Schleiers begünstigt, nehmen die Verf. an, daß, wenn der Schleier
im Entwickler entsteht, die Reduktion des Bromsilbers durch den
Entwickler den Reaktionen vorangeht, die zur Entstehung des
- dichroitischen Schleiers führen. Sie bringen mehrere Beweise zu
Gunsten dieser Annahme. |
Wie der Entwickler das Bromsilber von der Oberfläche der
Schicht aus reduziert, so muß die kleine sich lösende Bromsilber-
menge, die der Entwickler enthält, die ganze reduzierte Silberschicht
des Bildes durchdringen, um das nicht reduzierte Bromsilber zu
erreichen. Die Lösung kommt also viel leichter in Berührung mit
dem Bromsilber, wo die Silberschicht weniger dicht ist. Die Durch-
dringung ist also viel leichter an den wenig belichteten Stellen als
an denen, die viel reduziertes Silber enthalten.
Da der dichroitische Schleier ebenso im Fixierbad entsteht,
kann man dieselbe Hypothese annehmen, aber in diesem Fall geht
die Reduktion des Bromsilbers durch den Entwickler der Entstehung
des Schleiers weit voran, da dieser nur auf dem bereits entwickelten
Bilde entsteht.
Die Verf. erklären auf dieselbe Weise, warum der Schleier sich
nicht bildet, wenn man eine zu große Menge Natriumhyposulfit dem
Entwickler zusetzt, während er im Fixierbad entsteht, wo doch im
Verhältnis zum Entwickler ein beträchtlicher Überschuß von Natrium-
hyposulfit vorhanden ist.
Zeitschr. f, wiss, Phot. 1, I5
200 Lumière u. Seyewetz. Entstehung u. Zusammensetz. d. dichrotisch. Schleiers.
Die Verf. zeigen weiter, warum der dichroitische Schleier bis-
weilen an der Oberfläche, bisweilen im Innern der Schicht oder in
der Tiefe entsteht. Sie bezeichnen den ersten mit dem Namen
„Oberflächenschleier“, der im Entwicklet entsteht und als ‚Tiefen-
schleier** den letzteren, der sich im Fixierbad bildet. Sie machen
aufmerksam auf den Unterschied im Aussehen beider Schleierarten.
Sie erklären endlich, warum die Verlängerung der Entwicklungsdauer
die Entstehung des Oberflächenschleiers begünstigt.
OL Bestimmung der Konstitution des dichroitischen Schleiers.
Die Verf. haben durch Analyse gezeigt, daß der dichroitische
Schleier fast ganz aus sehr fein verteiltem, im Innern der Gelatine-
schicht gefälltem Silber besteht, und glauben, daß man seine
Zusammensetzung als ähnlich der unter dem Namen Kollargol be-
kannten organischen Silberverbindung ansehen kann, die von
Hanriot!) untersucht worden ist. Seine Zusammensetzung wird
durch seine Eigenschaften bestätigt, die denen des metallischen
Silbers sehr ähnlich sind.
Die Verf. schließen also:
- 1. Der dichroitische Schleier kann beim Entwickeln stets ent-
stehen, wenn der Entwickler ein Lösungsmittel für Bromsilber
enthält.
2. Der dichroitische Schleier entsteht im Fixierbad, wenn dieses
direkt oder infolge unvollständigen Waschens der Negative vor dem
Fixieren eine kleine Menge Entwickler und Alkalisulfit enthält bei
den ohne Alkalien wirkenden Entwicklern und außerdem ein Alkali-
karbonat bei den alkalischen Entwicklern.
3. Unter sonst gleichen Umständen begünstigen die folgenden
Bedingungen die Entstehung des Schleiers: Unterbelichtung, Stoffe,
die das Reduktionsvermögen des Entwicklers erhöhen (Natriumsulfit,
Alkalien), verlängerte Entwicklung, wenn der Schleier sich bei der-
selben bildet, Erhöhung der Entwicklertemperatur und der des
Fixierbades.
4. Nicht nur die Art der Gelatine ist von großem Einfluß auf
die Dichtigkeit des Schleiers, sondern auch die Empfindlichkeit der
verwendeten Emulsion ist ein wichtiger Faktor.
Als praktische Schlußfolgerung geben die Verf. die Bedingungen
an, unter denen die Bildung des dichroitischen Schleiers vermieden
1) Hanriot, C. R. 1903, 680.
Die Tätigkeit der Physikalisch-Technischen Reichsanstalt im Jahre 1902. 201
werden kann. Es wird genügen, die nötigen Vorsichtsmaßregeln
zu treffen, um die Gegenwart jeder Spur eines Lösungsmittels für
Bromsilber im Entwickler zu vermeiden und die Überführung der
kleinsten Menge Entwickler in das Fixierbad zu verhindern.
Man wird daher nicht nur nie Ammoniak, Natriumthiosulfat u. s. w.
dem Entwickler zufügen, sondern jede unfreiwillige Einführung dieser
Stoffe in denselben vermeiden. Ebenso sind schlecht gereinigte
Schalen oder unreine Hände, die z. B. mit Hyposulfit in Berührung
waren, zu vermeiden.
Auf der andern Seite müssen die Negative nach dem Ent-
wickeln so gewaschen werden, daß jede Spur Entwickler entfernt
wird, hauptsächlich wenn dieser ohne Alkalien wirkt. Das unge-
nügende Waschen der Negative ist nach den Verf. einer der
häufigsten Ursachen für die Entstehung des dichroitischen Schleiers.
(Eingegangen am 3. Juni 1903.)
Die Tätigkeit der Physikalisch-Technischen Reichsanstalt
im Jahre 1902.)
Optische Arbeiten.
Die optischen Arbeiten betreffen die Festlegung und Verwirklichung
der strahlungstheoretischen Temperaturskale mit Hilfe der Gesetze der
schwarzen Strahlung und das theoretisch wie praktisch immer wichtiger
werdende Leuchten von Gasen und Dämpfen.
Verwirklichung der strahlungstheoretischen Temperaturskale
bis 2300° abs.?)
a) Methode. Die Gesetze der schwarzen Strahlung, soweit sie sich
auf die Gesamtstrahlung und die maximale Energie beziehen, lauten
bekanntlich:
FEdi=0T* I
0
APA II
Es T = B, III
worin 7, A und B bekannte Konstanten sind. Die Temperatur des
schwarzen Körpers wurde mittels des an das Gasthermometer ange-
1) Auszug aus dem dem Kuratorium der Reichsanstalt im März 1903 erstatteten
Tätigkeitsbericht. Mit Genehmigung des Herrn Präsidenten der Reichsanstalt aus der
Zeitschr. f. Instumentenk. entnommen. — Im folgenden sind die Namen der Beamten,
welche die Arbeiten ausgeführt haben, in Anmerkungen zu den einzelnen Nummern
des Textes aufgeführt.
2) Lummer, Pringsheim.
15*
202 Die Tätigkeit der Physikalisch-Technischen Reichsanstalt im Jahre 1902.
schlossenen Le Chatelierschen Thermoelementes (vgl. den Tätigkeits-
bericht für 1900, Zeitschr. f. Instrumentenk. 21. S. 107. 1901) gemessen,
diese Gesetze sind also experimentell nur soweit streng nachgewiesen,
als der Anschluß an das Gasthermometer reicht, also bis etwa 1150% C.
= 1420% abs. Darüber hinaus beruht ihre Prüfung auf der Extrapolation
der Beziehung zwischen der thermoelektrischen Kraft und der Temperatur.
Um die Grenze der Gültigkeit zu erweitern, wurde folgender Weg
eingeschlagen. Es wurde zunächst die Hypothese gemacht, daß jedes
der gefundenen Strahlungsgesetze ein allgemeingültiges Naturgesetz sei
und bis zu den höchsten Temperaturen Gültigkeit besitze. Dann folgt,
daß man mit Hilfe jedes einzelnen dieser Gesetze auch umgekehrt die
Al
o Asbest
D CHER Chamotte
MN Kobe 2
SE TER ELLE AL EEE EEE TE EEE
ARA AS
A
ZE TT
Fig. 1.
unbekannte Temperatur des schwarzen Körpers bezw. der von ihm aus-
gesandten „schwarzen“ Strahlung messen kann, und man erhält so viele
Methoden der Temperaturbestimmung, als man voneinander unabhängige
Strahlungsgesetze kennt. Ergeben diese verschiedenen Gesetze eine und
dieselbe Temperatur des schwarzen Körpers, wie hoch man diesen auch
erhitzt, so darf man mit größter Wahrscheinlichkeit schließen, daß die den
Messungen zugrunde gelegten Gesetze bis zu der höchsten erreichten
Temperatur als richtig angenommen werden dürfen.
Außer den Strahlungsgesetzen I, II und III wurde auch die Be-
ziehung zwischen der spektralphotometrisch gemessenen Helligkeit der
schwarzen Strahlung und der Temperatur zur Bestimmung herangezogen.
b) Der elektrisch gegliihte Kohlekörper. Es kam also vorerst darauf
an, die schwarze Strahlung bei möglichst hoher Temperatur zu verwirk-
lichen. Der zu diesem Zwecke konstruierte schwarze Kohlekörper nahm
Die Tätigkeit der Physikalisch-Technischen Reichsanstalt im Jahre 1902. 203
im Verlaufe der Untersuchungen schließlich die aus Fig. ı ersichtliche
Form an. Die Enden des 1,2 mm dicken Kohlerohrs X sind schwach
konisch ausgebildet und galvanoplastisch verkupfert. Über diese konischen
Enden sind dickere Kohlezylinder A übergestülpt, welche innen und
außen verkupfert sind und in den starken metallischen Klemmbacken B
ruhen, bei denen der Heizstrom eintritt. Die Hinterwand des strahlen-
den Hohlraumes wird durch den gut passenden Kohlepfropf F, gebildet.
Die beiden anderen Pfropfen A, und 7, sollen einerseits die Durchsicht,
andererseits den Zutritt der äußeren Luft verhindern. Durch die vor
der Strahlungsöffnung angebrachte Kappe Æ streicht in Richtung des
Pfeils langsam ein Stickstoffstrom. Um die Kohle außen vor der Ver-
brennung zu schützen, ist das Heizrohr mit einem System von Hüllen
umgeben, deren Montierung aus der Figur ersichtlich ist. Das innerste
Schutzrohr U aus Kohle soll den Sauerstoff der etwa eindringenden Luft
verzehren, das Nickelrohr Q soll die Ausstrahlung möglichst verringern.
Bei den hohen Temperaturen gerieten selbst die dicken metallenen
Klemmbacken in Rotglut. Um dies zu verhindern, wurden große Kupfer-
scheiben D angebracht, die fest auf den Kupferringen C aufsitzen und
die Wärme nach außen ableiten.
c) Versuchsanordnung. Um die Temperatur des Kohlekörpers nach
den verschiedenen Methoden schnell hintereinander bestimmen zu können,
ist folgende Versuchsanordnung getroffen worden. Der Kohlekörper ist
auf einem Wagen montiert, der auf eisernen Schienen rollt. Längs der
Fahrbahn sind die verschiedenen Meßapparate: Flächenbolometer, Spektral-
bolometer und Spektralphotometer so aufgestellt und justiert, daB durch
bloße Verschiebung des Wagens der schwarze Körper vor jedem Apparat
in die richtige Position gebracht werden kann.
d) Zichung der Meßapparate. Die verschiedenen MeBapparate wurden
mit Hilfe eines absolut schwarzen Körpers von bekannter Temperatur
geeicht. Als solcher wurde der elektrisch geglühte Porzellankörper be-
nutzt und seine Temperatur durch ein Le Chateliersches Thermo-
element gemessen. Auf diese Weise erhielt man den Wert der Kon-
stanten für die benutzten Mebapparate, welche unter ganz den gleichen
Verhältnissen zur Temperaturbestimmung des Kohlekörpers dienten.
e) Resultate. Es wurde der Kohlekörper bei verschieden hohem
Glühzustande der Messung unterworfen, wobei sich stets zeigte, daß alle
genannten Methoden der Temperaturbestimmung miteinander innerhalb
der Versuchsfehler gleiche Resultate ergeben.
In der folgenden Tabelle (auf S. 204) sind die Resultate bei der
höchsten gemessenen Temperatur mitgeteilt.
Die Werte der maximalen Energie sind direkt aus den auf das
Normalspektrum reduzierten Energiekurven abgelesen worden; die dabei
möglichen Fehler gehen nur mit der fünften Wurzel in das Resultat ein.
Die Bestimmung der Lage (4) des Energiemaximums ist relativ ungenau.
Da hierbei der Fehler von 4,, mit seiner ganzen Größe in die Tempe-
raturbestimmung Åm T = 2940 eingeht, so ist der aus /„ gefundene
Wert der Temperatur in der Tabelle fortgelassen.
In dieser sind die Resultate in zeitlicher Aufeinanderfolge mitgeteilt.
204 Die Tätigkeit der Physikalisch-Technischen Retchsanstalt im Jahre 1902.
Unter „Helligkeit“ sind die spektralphotometrisch gewonnenen Temperaturen
enthalten, wobei der unter „Abs. Temp.“ angegebene Wert der Mittel-
wert aus den für die verschiedenen Wellenlängen gefundenen Zahlen ist.
Die mit dem Flächenbolometer gewonnenen Temperaturen stehen
unter „Gesamtstrahlung“ und sind das Mittel aus den bei go cm und
60 cm Abstand gefundenen Werten. Ä
| Abstand
|
Abs. | vom Bolometer:
Temp. -—-— —— —————— ı
u ¡90 cm | 60 cm ,0,62 u ¡0,594 | 0,55 | 0,51 u | 0,49 u
I | Helligkeit Si da ‚| 2310 | — | — | 2294
Wellenlänge
Reihenfolge
2315 2312 | 2320
Gesamtstrahlung .|| 2345 ¡| 2348
Energiemaximum. || 2320 —
2 | Gesamtstrahlung .|| 2325 | 2317 | 2335 | — —
3 || Helligkeit . . .|| 2320 — — 2307 | 2307 2331 | 2339
4 | Gesamtstrahlung .|| 2330 || 2330 | 2330 Ko — — —
5 || Energiemaximum.|| 2330 — — — — —
6 | Helligkeit . . .l 2330 | — | — | 2325 | 2327 2339 | 2333
7
8
2339 | z |
Die aus den Energiekurven erhaltenen Temperaturen sind unter
„Energiemaximum“ aufgeführt.
Die Übereinstimmung der nach den verschiedenen Methoden ge-
fundenen Temperaturen ist eine so gute, daß damit die Gültigkeit der
zugrunde gelegten Strahlungsgesetze bis zu 2300° abs. als erwiesen
gelten darf. Durch die Strahlungsmethoden ist die Grenze der exakten
Temperaturmessung um fast 1000° erweitert worden.
f) Strahlungstheoretische Temperaturskale. Geht man aber weiter und
definiert die absolute Temperatur als Funktion der Strahlungsenergie des
. schwarzen Körpers, so gewinnt man eine neue Temperaturskale. Da
die neue Skale auf der Strahlung des schwarzen Körpers beruht, so ist
sie von den individuellen Eigenschaften irgend welcher Substanzen un-
abhängig, also eine ebenso „absolute“ Skale wie die Thomsonsche.
Vor dieser hat die strahlungstheoretische Temperaturskale aber den großen
Vorzug, daß sie nicht eine bloß theoretische Bedeutung hat, sondern
daß man gemäß der Definition die Messung auch praktisch ausführen kann.
2. Interferenzspektroskop.!)
Es zeigte sich, daß für die Leistungsfähigkeit des Interferenz-
spektroskops zwei Beziehungen maßgebend sind. Bezeichnet p die An-
zahl der vielfachen, zur Interferenz mitwirkenden Strahlenbüschel, g den
Gangunterschied zweier benachbarter Strahlen, so ist die „Dispersion“
=- — I
Ferner ist die ‚‚Sichtbarkeit“, d. h. die maximale Anzahl von zu-
gleich im Interferenzbild wahrnehmbaren, homogenen Spektrallinien
s=p=I (2)
1) Lummer, Gehrcke.
Die Tätigkeit der Physikalisch-Technischen Reichsanstalt im Jahre 1902. 205
Hieraus ergeben sich die Prinzipien, nach denen möglichst voll-
kommene Interferenzspektroskope zu konstruieren sind.
Die auf Grund dieser Erwägungen hergestellten planparallelen Platten
großer Länge zeigten gegen die früheren Apparate eine erhöhte Leistungs-
fähigkeit. Man beobachtete, daß die grüne Hg-Linie 546 uu sogar aus
21 Linien besteht, während mittels der anderen Auflösungsapparate, wie
Stufengitter u. s. w., die gleiche Linie nur als sechsfach erkannt wurde.
Auch andere Spektrallinien, besonders diejenigen des Kadmiums,
wurden untersucht. Es zeigte sich auch hier, daß jede Linie von Tra-
banten begleitet ist. Man darf mit Sicherheit behaupten, daß die kom-
plizierte Struktur der Spektrallinien nicht an einzelne Elemente wie
Quecksilber u. s. w. gebunden ist, sondern eine allgemeine Eigenschaft
der leuchtenden Substanzen ist.
3. Interferenzfähigkeit des Lichts bei mehr als 2 Millionen
Wellenlängen Gangunterschied.')
Im Zusammenhang mit diesen Beobachtungen wurde eine Methode
gefunden, mittels welcher man die Frage untersuchen kann, wie lange
die von einem lichtgebenden Teilchen vollführten Schwingungen gleich-
mäßig und ungestört verlaufen, so daß die von ihm ausgesandten Wellen-
züge kohärent und interferenzfähig bleiben.
Bisher hatte die eingehendere Behandlung dieser Frage eine Grenze
an der Inhomogenität der Spektrallinien gefunden. Denn da einmal
keine der bisher untersuchten Spektrallinien von einfacher Struktur ist,
vielmehr überall Trabanten beobachtet werden, die der Linie sehr nahe
benachbart sind, so überlagern sich bei hohem Gangunterschied die von
den verschiedenen Trabanten erzeugten Interferenzringe und müssen ein
Verschwinden des Phänomens hervorrufen. Ferner aber muß nach dem
Dopplerschen Prinzip jeder einzelne Trabant einen wenn auch sehr
kleinen, immerhin endlichen Spektralbereich einnehmen, und dies ist eine
zweite Ursache, an welcher die Beobachtung von Interferenzen beliebig
hohen Gangunterschieds bisher scheiter'e.
Bei der neuen Methode schließt man, ohne die Dicke der plan-
parallelen Platte entsprechend weiter zu steigern, aus der Mitwirkung
der im Innern vielfach reflektierten Strahlen auf die Interferenzfähigkeit.
Die vielfachen Strahlen bewirken bekanntlich nur, daß die Interferenz-
ringe eine bedeutende Schärfe und Intensität erlangen. In Fig. 2 ist,
um dies zu zeigen, die Intensitätsverteilung zwischen einem Interferenz-
Maximum und -Minimum für den Einfallswinkel 88° dargestellt, wie sie
von 5, 15 und allen unendlich vielen reflektierten Strahlen erzeugt wird.
Der erste Weg zur Feststellung der Anzahl p der mitwirkenden
Strahlen besteht in der Anwendung des früher genannten Gesetzes der
„Sichtbarkeit“ s =p-— ı. Dieser Weg ist eine Minimalmethode und
erlaubt nur, auf die Mindestanzahl der mitwirkenden Strahlen p zu
schließen, gibt diese aber mit großer Sicherheit.
- 3) Lummer, Gehrcke,
206 Die Tätigkeit der Physikalisch-Technischen Reichsanstalt im Jahre 1902.
Ein zweiter, direkterer Weg beruht auf der nach und nach erfolgenden
Abblendung der vielfachen Strahlen.
Es wurde folgende Versuchsanordnung gewählt (Fig. 3). Eine 6 cm
dicke, planparallele Glasplatte ist auf der einen Seite A B undurchsichtig
07 Intensitätsverteilung Y, pis p für a? = 0,883
(entsprechend i = 88°)
versilbert und trägt einen schmalen Spalt s in der Silberschicht, durch
welchen grünes Quecksilberlicht eintritt. Die andere Seite CD der
Platte hat eine durchsichtige Silberschicht. Hierdurch wird bewirkt, daß
Fig. 3.
der eintretende Strahl in die vielfachen Bündel 1, 2, 3 u. s. w. geteilt
wird, welche dann von dem Fernrohr Æ in der Brennebene vereinigt
werden.
Hält man vor das Okular des Fernrohrs eine Lupe, so erblickt
man die einzelnen Spiegelbilder des in die Silberschicht A B eingeritzten
Spalts getrennt nebeneinander liegend; ein in das Okular dicht hinter
Die Tätigkeit der Physikalisch-Technischen Reichsanstalt im Jahre 1902. 207
den Okularkreis eingesetzter Schieber % erlaubt, beliebig viele derselben
abzublenden. So wurde gefunden, daß noch die Abblendung des
9. Spiegelbilds und aller folgenden, den Strahlen 10, 11 u.s.w. zu-
gehörigen Spiegelbilder das Interferenzphänomen deutlich unschärfer
macht. Hieraus ist also zu folgern, daß das Licht bis zu dem Gang-
unterschied von 2:+6-1,5:8 = 144 cm Luft oder 2600000 Wellenlängen
seine Interferenzfähigkeit beibeihält.
I. Photometrische Prüfungen!).
Die im Berichtsjahre ausgeführten photometrischen Prüfungen sind
in der folgenden Tabelle zusammengestellt:
135 beglaubigte Hefnerlampen, davon
57 mit Visier, |
47 mit optischem Flammenmesser,
15 mit Visier und optischem Flammenmesser,
Io mit optischem Flammenmesser und Ersatzdochtrohr,
6 mit Visier, optischem Flammenmesser und Ersatzdochtrohr;
228 elektrische Glühlampen mit Kohlenfäden, davon
62 in Dauerprüfung mit im ganzen 19270 Brennstunden;
74 Nermstlampen, davon
64 in Dauerprüfung mit im ganzen 10952 Brennstunden;
4 Bogenlampen;
2 Bogenlampenkohlen;
118 Gasglühlichtapparate, davon
87 in Dauerprüfung mit im ganzen 50500 Brennstunden;
Intensivlampen für Gasglühlicht;
Gasglühlichtbrenner besonderer Konstruktion;
Zylinder für Gasglühlicht;
Regulierdüsen für Gasglühlicht;
Petroleumglúhlichtlampen;
Petroleumproben;
Zusatzstoffe fúr Petroleum;
Spiritusglühlichtlampen;
Öllampe;
Kerzen;
Karburationsapparate;
Gasdruckregulatoren;
Glasversilberungen auf Lichtabsorption.
Unter den geprüften elektrischen Glühlampen mit Kohlenfäden war
am günstigsten eine Sorte zu 120 Volt und etwa 0,4 Amp. Bei ihr
stieg der Verbrauch, berechnet auf ı HK mittlere räumliche Lichtstärke,
von 3,1 Watt am Anfang der Brennzeit nur bis zu 3,9 Watt nach
500 Stunden.
- en)
NYU NU "OP MUUN HB
dul
1) Brodhun, Liebenthal.
208 Die Lannes! der Physikalisch-Technischen Retchsanstalt im Jahre 1902.
Die von der Allgemeinen Elektrizitáts-Gesellschaft eingesandten
Nernstlampen brannten sämtlich mit 220 Volt. Die Lampen zu 1 Amp.
und !/, Amp. verbrauchten im Durchschnitt zu Anfang der Prüfung
2,2 Watt, nach 350 Brennstunden 2,6 Watt auf 1 HK mittlere ráumliche
Lichtstärke. Bei den Lampen zu 0,25 Amp. waren die entsprechenden
Zahlen 2,6 Watt und 3,1 Watt. Ungünstigere Ergebnisse hatte die
Prüfung der von anderer Seite eingesandten Nernstlampen.
Diese für die Nernstlampen angeführten Zahlen beziehen sich auf
nackte Lampen. Für Lampen mit den dazu gelieferten Milch- oder
Opalglasglocken würden die Werte um etwa 10%/, ungünstiger sein.
Unter den geprüften Bogenlampen waren einige mit farbigem Licht-
bogen. Diese ergaben zwar eine sehr günstige Ökonomie, brannten aber
unruhig. Die geprüften Lampen mit eingeschlossenem Lichtbogen erwiesen
sich als unökonomischer und brannten unruhiger als die üblichen Bogen-
lampen mit offenem Lichtbogen.
Unter den Gasglühkörperprüfungen war in diesem Jahre eine Anzahl
mit besonders hoher Brenndauer (2000 — 3000 Brennstunden). Die
Prüfungen zeigten, daß die Glühkörperfabrikation weitere Fortschritte
gemacht hat. Von verschiedenen Seiten wurden Glühkörper eingesandt,
deren Lichtstärke sich während der ganzen Brenndauer sehr wenig
änderte. Bei einer Sorte nalım die Lichtstärke bis zu 200 Brennstunden
um 7°/, zu und hielt sich sodann bis zu 2000 Brennstunden konstant.
Dabei betrug der stündliche Gasverbrauch berechnet auf ı HK mittlere
horizontale Lichtstärke 1,3— 1,4 Liter.
2. Prüfung von Saccharimetern.')
Bei den früheren Bestimmungen des Temperaturkoeffizienten der
spezifischen Drehung des Zuckers für Natriumlicht und die hellsten
Linien der Quecksilberlampe wurden zwei 50 und 58 cm lange Wasser-
badróhren benutzt. Bei beiden besteht die eigentliche Beobachtungsröhre
aus Glas, der Mantel für die Wasserumspülung aus Messing. Haupt-
sächlich um gewisse Nachteile zu beseitigen, welche sich aus der Ver-
wendung dieser verschiedenartigen Materialien ergaben, wurden zwei
Wasserbadröhren aus einheitlichem Material beschafft, und zwar ein 51 cm
langes Glasrohr und ein 56 cm langes, innen vergoldetes und außen
vernickeltes Kupferrohr. Die Versuche mit diesen neuen Rohren sind
im Gange. |
3. Prüfung von Quarzplatten.?)
Die für die Untersuchung von Quarzplatten auf ihre Güte, d. h. auf
optische Reinheit, Planparallelismus und Achsenfehler getroflenen Ein-
richtungen sind veröffentlicht worden.
Während des Jahres 1902 wurden 37 Saccharimeter-Quarzplatten
zur Prüfung eingesandt, von denen 2 wegen nicht genügender optischer
Reinheit für saccharimetrische Zwecke nicht gecignet waren. Auch eine
—.
1) Schönrock.
2) Brodhun, Schónrock,
Die Tätigkeit der Physikalisch-Technischen Reichsanstalt im Jahre 1902. 209
verhältnismäßig sehr große, zur Prüfung eingelieferte Quarzplatte von
ı3 mm Dicke und 42 mm Durchmesser erwies sich als optisch unrein.
4. Dioptrische Prüfungen‘).
Es wurde ein zur Prüfung eingesandtes Theodolit-Fernrohr auf
seine Leistungsfähigkeit untersucht.
5. Metalloptische Untersuchungen?.
Über die in die Berichtszeit fallenden Untersuchungen über das
Reflexionsvermögen von Metallen, sowie über das Absorptionsvermögen
ultravioletter, sichtbarer und ultraroter Strahlen in dünnen Metallschichten
liegen Veröffentlichungen vor.
Veröffentlichungen der Physikalisch-Technischen Reichsanstalt.
Abteilung I.
Amtliche Veröffentlichungen.
Holborn und Kurlbaum, Über ein optisches Pyrometer. Ann. d.
Physik 10. S. 225. 1903.
Lummer und Pringsheim, Zur Temperaturbestimmung von Flammen.
Physik. Zeitschr. 3. S. 233. 1902.
Lummer und Pringsheim, Die strahlungstheoretische Temperaturskale
und ihre Verwirklichung bis 2300° abs. Verhandl. d. Deutsch.
physikal. Gesellsch. 5. S. 3. 1903.
Lummer und Gehrcke, Über die Interferenz des Lichtes bei mehr als
2 Millionen Wellenlängen Gangunterschied. Ebenda 4. S. 337. 1902.
Private Veróffentlichungen.
Lummer, Die Ziele der Leuchttechnik. Elektrotechn. Zeitschr. 23.
S. 787. 1902.
Henning, Über radioaktive Substanzen. Ann. d. Physik 7. S. 562. 1902.
Henning, Vergleichende Messungen des elektrischen Potentiales mittels
der Flamme und eines aus radioaktiver Substanz bestehenden Kol-
lektors. Ebenda 7. S. 893. 1902.
Gehrcke, Über den Geschwindigkeitsverlust, welchen die Kathoden-
strahlen bei der Reflexion erleiden. Ebenda 8. S. 81. 1902. —
Bemerkungen dazu, ebenda 8. S. 480. 1902.
Abteilung II.
Amtliche Veröfentlichungen.
Hagen und Rubens, Das Reflexionsvermögen einiger Metalle für ultra-
violette und ultrarote Strahlen. Ann. d. Physik 8, S. 1. 1902,
ı) Brodhun.
2) Hagen, Rubens.
210 Referate.
Hagen und Rubens, Die Absorption ultravioletter, sichtbarer und
ultraroter Strahlen in dünnen Metallschichten. Verhandl. d. Deutsch.
physikal. Gesellsch. 4. S. 55. 1902; Ann. d. Physik 8. S. 432. 1902.
Brodhun und Schönrock, Apparate zur Untersuchung von senkrecht
zur Achse geschliffenen Quarzplatten auf ihre Güte. Zeitschr. f.
Instrumentenk. 22. S. 353. 1902.
Private Veröffentlichungen.
Gumlich, Präzisionsmessungen mit Hilfe der Wellenlänge des Lichts.
Das Weltall. 16 S. 1902.
Kurlbaum, Über eine einfache Methode, die Temperatur leuchtender
Flammen zu bestimmen. Physik. Zeitschr. 3. S. 187. 1902.
Kurlbaum, Über das Reflexionsvermógen von Flammen. Ebenda 3.
S. 332. 1902.
Referate.
Emission und Absorption des Lichts. Spektroskopie.
J. Hartmann und G. Eberhard. Über das Auftreten von
Funkenlinien in Bogenspektren. (Sitzungsber. d. Akad. d.
Wiss. 1903. IV. p. 40—42.)
Die Versuche beziehen sich hauptsächlich auf die für die Astro-
physik wichtigen Spektren von Magnesium und Silicium. Brennt man
den Bogen unter Wasser, so treten von diesen Metallen Linien auf,
welche man als geradezu charakteristisch für das Funkenspektrum an-
gesehen hat; beim Silicium erscheinen A 4128 und 4131 mit derselben
Intensität wie 3905, beim Magnesium handelt es sich um 4481. Diese
Erscheinung wird an anderen Metallen ebenfalls gefunden, so bei Zink
mit den Linien 4911 und 4924, bei Cadmium mit 5339, 5379 und
4410, bei Aluminium treten die Linien 4513 und 4530 weniger kräftig
auf. Diese „Funkenlinien“ im Bogen unter Wasser sind auch meist
scharf. Eine starke Abkühlung der Elektroden ergab in Luft keine
wesentliche Änderung der Funkenspektren, aber bei einer Erhitzung einer
Zinkelektrode nahm die Intensität der Linien 4680, 4722 und 4809 zu
gegen 49II und 4924.
Veranlaßt durch Arbeiten von Crew und Bacquin wurden Bogen-
spektra im Wasserstoflstrome aufgenommen und dabei gefunden, daß
die Spektren identisch mit den unter Wasser erhaltenen sind, wodurch
die Verf. zur Ansicht gelangen, daß der im Wasser durch Elektrolyse
freiwerdende Wasserstoff die Umwandlung des Bogenspektrums ver-
ursacht. Demnach ist es unzulässig, eine einzelne Linie als charakte-
ristisch für das Funken- oder Bogenspektrum hinzustellen. A.Hagenbach.
J. Hartmann. Über einen neuen Zusammenhang zwischen
Bogen- und Funkenspektren. (Sitzungsber. d. Akad. d. Wiss.
1903. XIL p. 234— 244.)
Referate. 211
Anschließend an die Arbeit von Hartmann und Eberhard „Über
das Auftreten von Funkenlinien im Bogenspektrum“ hat der Verf. mit
Erfolg versucht, in Luft das Bogenspektrum in das Funkenspektrum über-
zuführen.
Im Magnesiumspektrum tritt die Linie 4481 nur sehr schwach auf
im Bogen gegenüber dem Funken. Wurde der Bogen zwischen Magnesium-
elektroden gebrannt und die Stromstärke vermindert, so wurde die relative
Intensität dieser Linie immer stärker, bei etwa 2 Ampere war sie
ebenso stark wie im Funken, bei noch kleinerer Stromstärke sogar größer
Demnach ist das Auftreten dieser Linie sicher kein Zeichen hoher
Temperatur.
Verf. glaubt im Gegenteil die Linie der niedrigeren Temperatur
zuschreiben zu müssen, gestützt durch die Beobachtung von Schenk,
daß die Intensität der Linie im Funkenspektrum abnimmt, wenn die
Elektroden zum Schmelzen erhitzt werden. Ebenso sprechen auch die
Resultate mit dem rotierenden Bogen von Crew dafür. Weitere Ver-
suche mit Zink, Wismuth und Blei bestätigen die Ansicht des Verf.
Es macht dies die schon früher von Liveing und Dewar ausgesprochene
Ansicht, daB das Spektrum eines leuchtenden Gases nicht nur eine
Funktion der Temperatur sei, wahrscheinlich. Man darf demnach keines-
wegs aus dem Verhältnis der Intensität der Magnesiumlinie 4481 und
4352 auf die Temperatur schließen, wie das in der Astrophysik versucht
worden ist. Man bedenke nur, daß das Dielektrikum (Wasserstoff) von
großem Einfluß ist. Es ist ja vom Verf. gezeigt worden, daß gerade
Wasserstoff im Bogen das Erscheinen der Linie 4481 begünstigt, und
da in den Sternen des Vogelschen ersten Typus in der Atmosphäre
der Wasserstoff überwiegt, so ist es nicht wunderbar, daß 4481 auch
sehr intensiv in diesen Sternspektren vorhanden ist. A. Hagenbach.
Th. Lymann. Über die Verlängerung von Spektrallinien.
(Astrophys. Journ. 1902. 16. 328—331.)
Bei Spektralaufnahmen mit Konkavgittern wird allgemein beobachtet,
daß die starken Linien auf den Photographien verlängert sind. Die
Ursache liegt, wie der Verf. nachweist, in einer Beugungserscheinung.
Bringt er vor den Spalt eine kleine runde Öffnung, so erhält er bei
normaler Gitterstellung ein Beugungsbild mit einem horizontalen und
einem vertikalen Streifen. Bringt er vor das Gitter verschiedene Blenden,
so ändert sich der vertikale Streifen. Ändert er die Öffnungen vor dem
Spalte, so ändert sich der horizontale Streifen. Daraus kommt er zu
dem Schluß, daß die Verlängerung der Spektrallinien bedingt ist (ab-
gesehen vom Astigmatismus) durch die rechteckig geteilte Fläche des
Gitters, die selbst als Beugungsöffnung wirkt. A. Hagenbach.
Absorptionsspektren und chemische Konstitution von
organischen Stoffen. Vierter interimistischer Bericht des
Ausschusses, bestehend aus Prof. W. Noël Hartley (Vorsitzender
u. Sekretär), Prof. F. R. Japp, Prof. J. J. Dobbie und Alexander
Lander und bestimmt, die Beziehung zwischen Absorptionsspektren
212 Referate.
und chemischer Konstitution organischer Stofle zu erforschen. (Chem.
Soc. Trans. August 1902.)
I. Teil: Die Absorptionsspektren von Phloroglucin und einigen
seiner Derivate. — Von Hartley, Dobbie und Lander. — Phloro-
glucin verhält sich gegen Reagenzien bald als Phenol, bald als Keton,
so daB es unmöglich ist, auf chemischem Wege zu entscheiden, welche
von den beiden Strukturformeln:
C(OH) | co
NS NCH Er
(OH) Br O e
CH CH,
I II
es besitzt. Phloroglucin zeigt eine Absorptionsbande im Ultraviolett
genau an der gleichen Stelle wie sein Trimethyläther, für welchen ganz
zweifellos die Formel I zutrifft. Damit ist die der Formel I ent-
sprechende Phenolnatur des Phloroglucins bewiesen. Die Absorptions-
bande zieht sich für beide Stoffe von 3638—3886, gemessen in <>
Pyrogullol weist an derselben Stelle eine Bande auf. Die Spektren der
ein- und zweifach hydroxylierten Stoffe wie die des Phenols oder Brenz-
katechins weichen unter sich nur wenig voneinander ab, sind aber etwas
verschieden von denen der dreifach hydroxylierten.
II. Teil: Über die Kurven der Molekularschwingungen von Chinon,
p-Nitrosophenol und ähnlicher Substanzen. — Chinoide Stoffe wie Chinon,
p-Nitrosophenol, Chinonchlorimid, Chinondichlorimid und Chinondioxim
absorbieren im Ultraviolett; die beiden ersten weisen abweichend von
den anderen zwet Banden auf, auch sonst sind noch Unterschiede vor-
handen. Verff. versuchen, aus dem Spektrum des Chinons eine Ent-
scheidung zwischen den beiden Formeln
O ; O
CH, O C¿H,¿< Ò
I II
dieses Stoffes abzuleiten. Nach der Formel I enthielt Chinon einen
teilweis reduzierten Benzolring, mußte demnach sich wie eine Verbindung
mit offener Kette verhalten und dürfte keine Absorptionsbande zeigen.
Da dennoch eine solche vorhanden ist, so ist dem Chinon die Formel II,
die Superoxydformel zuzuweisen. (Ref. hat gegen diese Schlußfolgerung
einzuwenden, daß Chinon nicht mit jeder Verbindung mit oflener Kette
vergleichbar ist, sondern nur mit solchen, für welche wie bei ihm eine
Formel mit möglichst dichter Anhäufung von doppelten Bindungen in
Frage kommt.) H. Kauffmann.
Theorie photographischer Vorgänge.
E. König. Über die Entwicklung von Chlorsilbergelatine-
platten. (Phot: Corr. S. 14—19. 1903.)
Referate. 213
Chlorsilbergelatineplatten lassen sich mit Lösungen von salzsaurem
Diamidophenol resp: Diamidoresorcin entwickeln. Die Farbe der Bilder
ist einmal von der Entwicklersubstanz,. andererseits auch vom Gehalt an
Sulfit und anderen Salzen abhängig. Halogensubstituierte Derivate wirken
energischer als die Muttersubstanzen. Die vom Verf. auch analytisch
nachgewiesene Verminderung der Löslichkeit des Chlorsilbers in Sulfit
durch Chlornatrium läßt sich durch parallele Fixierversuche in NaCl-freiem
und NaCl-haltigem Sulfit zeigen. Setzt man dem Entwickler Chlor-
natrium (als Verzógerer) zu, so lassen sich auf Chlorsilberplatten auch
von sehr flauen Negativen brauchbare Diapositive erhalten. Schaum.
Radioaktivität. Elektronen.
F. Giesel. Über Polonium. (Chem. Ber. 36. S. 728—729. 1903.)
Aus den Bleiabscheidungen der Uranmineralien lassen sich geringe
Mengen Wismut gewinnen, die zu Anfang auch durchdringende (ß-)Strahlen
aussenden, in der Intensität von einem ungefähr 5"/, radiumhaltigen
Baryumsalz. Diese Strahlen werden mit der Zeit immer schwächer, bis
auf eine Restwirkung. Aus einem solchen Wismut hat Verf. früher
schon den Marckwaldschen Körper a welcher nur die ab-
sorbierbaren («-)Strahlen aufweist.
Verf. versuchte das von Frau Curie für ihr Polonium angegebene
Reinigungsverfahren auch auf dieses frische Polonium anzuwenden, und
es gelang ihm in der Tat, z. B. durch fraktionierte Fällung mit Wasser,
aus dem Nitrat Stoffe mit verschiedener Strahlung abzuscheiden; die am
schwersten löslichen Fraktionen zeigen immer die «-, die Fällungen aus
den Mutterlaugen schließlich nur die $-Strahlen. Auch durch metallisches
Magnesium läßt sich eine Trennung herbeiführen, die aber nicht so
vollkommen ist, wie die nach der Marckwaldschen Methode mit
metallischem Wismut. Legt man ein Stück dieses letzteren Metalls in
eine Lösung des Poloniumchlorids, so ist eine äußerliche Veränderung
nicht bemerkbar. Überraschenderweise ist trotzdem das Wismutstück
sehr aktiv geworden; es phosphoresziert, ozonisiert die Luft und erregt
den Zinksulfidschirm. Ältere Poloniumpräparate wirken ähnlich auf
Wismut, nur schwächer, so daß es nahe liegt, eine Inkonstanz auch der
. @-Strahlen anzunehmen. Die auf verschiedenen Wegen hergestellten
Sorten von Polonium sind wahrscheinlich identisch und die wechselnde
Intensität der «-Strahlen rührt nur von größeren oder kleineren Bei-
mengungen inaktiver oder induziert aktiver Stoffe her. — «- und f-
Strahlen lassen sich leicht unterscheiden; erstere wirken nur auf einen
Zinksulfid-, letztere nur auf einen gewöhnlichen Baryumplatincyanür-
schirm. H. Kauffmann.
Neue Bücher.
Winkelmann. Handbuch der Physik. Zweite Auflage. Vierter
Band, erste Hälfte. Elektrizität und Magnetismus. I. gr. 8°.
384 Seiten, 142 Abbildungen. Leipzig, Johann Ambrosius Barth.
1903. 12 Mk.
214 Referate.
Wenn dieser Band auch mit dem engeren Arbeitsgebiet unserer
Zeitschrift direkt nichts zu tun hat, sei doch auf diese zweite Auflage
des Handbuches beim Erscheinen des ersten Halbbandes desselben nach-
drücklich hingewiesen; das ganze Werk soll 1906 fertiggestellt sein.
Durch den Verlagswechsel hat die Ausstattung ganz bedeutend gewonnen;
zu den Mitarbeitern der ersten Auflage sind mehrere hinzugekommen
und neue Kapitel sind eingefügt worden. Beim Erscheinen der optischen
Teile wird ausführlicher auf das Werk zurückzukommen sein.
Englisch.
Berichtigung.
In der Abhandlung: „Das Absorptionsvermógen einiger Gläser im photo-
graphisch wirksamsten Teile des Spektrums‘ muß es auf S. 141 heißen:
„eindringenden“ Strahlung statt „auffallenden“. Die Zahlen geben nur
an, wie viel zm Glase absorbiert wird, und der Reflexionsverlust ist be-
sonders in Rechnung zu bringen. Dr. A. Pflüger.
Preislisten u. s. w.
Unger € Hoffmann, Dresden, gaben aus Anlaß ihres 25 jährigen
Jubiläums eine Anleitung zum Gebrauch ihrer Fabrikate heraus.
Farbenfabriken vorm. Bayer & Co., Elberfeld, erhielten in
Petersburg für ihre photographischen Produkte Edinol, Aceton-
sulfit etc. die goldene Medaille.
Patentbericht
von Dr. B. Oettinger, Patentanwalt, Berlin NW. 52.
Kl. 42h. F. 16967. Doppelfernrohr für Entfernungsmesser u. dgl.
— George Forbes, Westminster, Engl.
Kl. 42h. W. 19114. Vorrichtung zur Erzeugung optischer Bilder
eines Musters in Wiederholungen nach zwei Richtungen hin durch zwei
Spiegelsysteme. — Karl Weber, Mülhausen i. E., Lutterbacherstr. 6.
Kl. 42h. G. 16340. Sphärisch, chromatisch und astigmatisch korri-
giertes Zweilinsensystem; Zus. z. Pat. 109283. — Fa. C. P. Goerz,
Friedenau-Berlin.
K1. 57b. G. 16474. Verfahren zur Herstellung von mehrfarbigen
Photographien durch Vereinigung eines blauen und eines orangegelben
Monochrombildes. — A. Gurtner, Bern.
Kl. 57b. F. 16636. Verfahren zum Entwickeln des latenten photo-
graphischen Bildes. — Farbenfabriken vorm. Friedr. Bayer & Co.,
Elberfeld.
K1. 57c. I. 7149. Photographischer Kopierapparat, bei welchem
sowohl die Belichtung als auch die Anpressung des Papiers an das zu
kopierende Negativ selbsttätig bewirkt wird. — Hervey H. McIntire,
South Bend, V.St. A.
K1.57d.G.18187. Verfahren zur Herstellung von photomechanischen
Mehrfarbendrucken; Zus. z. Anm. G. 16474. — A. Gurtner, Bern.
Für die Redaktion verantwortlich: Dr. E, ENGLISCH in Stuttgart.
Zeitichrift für wifienichaftlidie Photographie,
Photophyfik und Photochemie
l. Band. 1903. Heft 7.
Eine Revision des Rowlandschen Wellenlängensystems.
Von J. Hartmann.
(1) Das Rowlandsche System der Wellenlängen ist zur Grund-
lage aller in den letzten Jahren ausgeführten Spektralmessungen
geworden, und mit der fortschreitenden Vergrößerung der Genauig-
keit dieser Messungen tritt jetzt die Notwendigkeit ein, auch die
Zuverlässigkeit jener wichtigen Grundlage zu prüfen und, falls sie
sich als nicht ausreichend erweisen sollte, sie durch neue Beob-
achtungsreihen zu verbessern, um so ein allen Ansprüchen ge-
nügendes Fundament zu schaffen.
Sieht man von den früheren, vorläufigen Publikationen Row-
lands ab, so liegt sein gegenwärtig gültiges Wellenlängensystem in
drei verschiedenen Formen vor:
I. Die Normallinien aus dem Sonnenspektrum und
2. die Normallinien aus dem Bogenspektrum verschiedener
Metalle, welche er im Jahre 1893 unter dem Titel ,A New Table
of Standard Wave-Lenghts“ in Astronomy and Astrophys. XIL
S. 321 zuerst publizierte; ich werde die Wellenlängen dieser beiden
Reihen kurz mit „OS“ und „ASt bezeichnen. Eine ausführlichere
Mitteilung über die Entstehung dieser Standards ließ Rowland im
Jahre 1896 in den Memoirs of the American Academy Vol. XII.
Nr. Il. S. 101 folgen.
3. Die Durchmessung des ganzen Sonnenspektrums, welche
unter dem Titel „Preliminary Table of Solar Spectrum Wave-Lenghts“
im Astrophys. Journal Bd. I—V in den Jahren 1895—97 erschien;
ich werde die Wellenlängen dieser Publikation mit „P 7“ bezeichnen.
Die zunächst auftretende Frage, inwieweit die genannten drei
Reihen von Wellenlängen als koinzidierend zu betrachten sind, so
daß man von einem Rowlandschen System sprechen kann, laßt
Zeitschr. f. wiss. Phot, 1. 16
216 J. Hartmann.
sich auf zwei verschiedenen Wegen beantworten, nämlich erstens
auf Grund der Entstehungsgeschichte dieser Zahlenreihen und zweitens
durch eine numerische Vergleichung derselben.
(2) Die Entstehungsgeschichte der Rowlandschen Wellen-
längen ist kurz folgende. Durch Mittelbildung aus den absoluten
Messungen von Ängström, Müller und Kempf, Kurlbaum,
Peirce und Bell leitete Rowland für die Fraunhofersche Linie
D, die Wellenlänge.
= 5896,156
ab und schloß hieran durch optische Koinzidenzmessungen mit
mehreren Konkavgittern von 21*/, Fuß Brennweite 13 weitere
„Primary Standards“ (P SZ) im sichtbaren Spektrum an. Diese P St
sind nur zum Teil einzelne Linien; zum größeren Teil sind es
Mittelwerte aus den Wellenlängen von Gruppen von 2, 3 und
4 Linien, die bis zu 76 A E auseinanderliegen. Als Resultat zahl-
reicher Messungen ergaben sich 26 Bedingungsgleichungen von
der Form
nA—mB=D,
worin # und m die Ordnungsnummern der betreffenden koinzi-
dierenden Spektra, A und Æ die Wellenlängen der beobachteten
Linien sind, während D der mit dem Okularmikrometer gemessene
Abstand der Linien ist. Diese gemessenen Abstände der als „koinzi-
dierend‘“ betrachteten Linien sind zum Teil sehr groß; nur in
8 Fällen betragen sie weniger als 10* einer Schraube, für welche
in der ersten Ordnung des betreffenden Gitters R=1I AZ sein
würde; in 11 Fällen betragen sie mehr als 20* und überschreiten
in 2 Fällen sogar den Betrag von 100R. Zwar ist die von Rowland
benutzte Mikrometerschraube, welche er selbst auf das sorgfältigste
hergestellt und untersucht hatte, zweifellos ganz vorzüglich gewesen,
allein in der Messung so großer Distanzen dürfte trotzdem eine
gewisse Gefahr liegen, zumal da diese Distanzen häufig nur einseitig
gemessen werden konnten, so daß also eine Interpolation der Linien
der einen Ordnung zwischen die der anderen Ordnung nicht statt-
fand. Auf welchem Wege Rowland den Schraubenwert für so
große Distanzen mit hinreichender Sicherheit ermittelt hat, ist aus
seinen Publikationer nicht ersichtlich; letztere enthalten über die
Messungen selbst überhaupt so wenige Angaben, daß eine Nach-
prüfung derselben unmöglich ist.
(3) Die 26 Bedingungsgleichungen für die Wellenlängen der
Eine Revision des Rowlandschen Wellenlängensvstems. _ 217
14 PSt löste Rowland nicht nach der Methode der kleinsten
Quadrate auf, obwohl dies, da jede Gleichung nur zwei Unbekannte
mit ganzzahligen Koeffizienten zwischen den Zahlen 2 und 7 ent-
hielt, ziemlich einfach gewesen wäre. Er wandte vielmehr das Ver-
fahren der successiven Näherungen an, welches den Vorzug der
größeren Übersichtlichkeit hat und ohne Zweifel ebenfalls zu einem
Wertsystem führte, welches die Bedingungsgleichungen recht gut erfüllt.
Aus seinem Ausgleichungsverfahren fand Rowland für die
Linie D, die Wellenlänge 5396,160, und um diesen Wert in bessere
Übereinstimmung mit dem oben’ angegebenen Mittel aus den ab-
soluten Bestimmungen zu bringen, verkleinerte er alle aus der Aus-
gleichung gefundenen Wellenlängen um !/,,0000 ihres Betrages?); so
ergab sich nun für D,
= 5896,157.
Die auf diesem Wege bestimmten PStf liegen zwischen den
Grenzen A = 4215,7 und A = 7040,1. Nachträglich wurde noch die
Fraunhofersche Linie A einmal im Spektrum erster Ordnung an
die zunächst liegende Normale in der zweiten Ordnung angeschlossen,
zu welchem Zwecke mit der Schraube über eine Strecke von 84 A E
gemessen werden mußte; sodann wurde noch ein Anschluß durch
Koinzidenz der zweiten und dritten Ordnung erreicht.
(4) An diese 15 /S2 wurden nun die 798 „Standards“ aus
dem Sonnenspektrum und 404 aus Bogenspektren von Metallen in
folgender Weise angeschlossen.
Der optische Teil des Sonnenspektrums zwischen A 4048 und
à 7714 wurde unter Benutzung verschiedener Gitter mit einer 5 Zoll
langen Mikrometerschraube wiederholt durchmessen. Die einzelnen
mit der Schraube gemessenen Stücke wurden dann mittels über-
greifender Teile zu 13 langen Streifen vereinigt, welche nicht nur
eine Interpolation der Standards, sondern auch eine Ausgleichung
der P St ermöglichten.
Zur Fortsetzung in den ultravioletten Teil wurden 18 photo-
graphische Aufnahmen gemacht, in welchen das Sonnenspektrum
einer Ordnung zwischen zwei Streifen des Sonnenspektrums einer
anderen Ordnung gelagert war, und ferner eine große Anzahl von
ı) Die von Rowland tatsächlich angebrachten Korrektionen (l. c. S. 139)
stimmen bei mehreren der Standards nicht mit dieser Angabe; es läßt sich nicht ermitteln,
ob nur Druckfehler, von denen die Publikation leider eine sehr große Menge aufweist,
oder ob Rechenfehler vorliegen, oder ob aus einem nicht angegebenen Grunde ab-
sichtlich einige der Standards noch geändert wurden.
16*
218 J. Hartmann.
Aufnahmen, welche ein Sonnenspektrum und daneben Metallspektra
aus verschiedenen Ordnungen enthielten. Durch die Ausmessung
aller dieser Aufnahmen, welche von Herrn Jewell durchgeführt
wurde, entstanden zahlreiche Verbindungen zwischen den verschie-
denen Teilen des Spektrums, und immer wurde hierbei wieder
neben der Interpolation der „Standards“ auch eine Ausgleichung
der PSt erhalten. Es ergaben sich so für jede Wellenlänge der
Standards eine Anzahl einzelner Bestimmungen, aus denen schließlich
das Mittel genommen wurde; dies sind die als „JS“ und „MS“
publizierten Zahlen.
(5.) Aus dieser Entstehungsweise folgt, daß das ganze System
der SZ völlig mit dem der P St koinzidieren wird, daß aber die
Wellenlängen der einzelnen Linien in beiden Systemen um kleine
Beträge von einander abweichen können; so erscheint die Linie D,
unter den © SZ nunmehr mit der Wellenlänge
À = 5896,154.
Auf alle Fälle hat man die © SZ gegenüber den PSf als das
besser ausgeglichene System anzusehen.
(6) Mit den M Sz liegen die Verhältnisse weniger einfach;
Rowland bemerkt!) hierüber: „In every plate having a solar and
metallic spectrum upon it, there is often—indeed always — a slight
displacement. This is due either to some slight displacement of
the apparatus in changing from one spectrum to the other, or to
the fact that the solar and the electric light pass through the slit and
fall on the grating differently. In all cases an attempt was made
to eliminate it by cxposing on the solar spectrum both before and
after the arc, but there still remained a displacement of 0,01 to
0,02 division of Angström, which was determined and corrected
for by measuring the difference between the metallic and coinciding
solar lines, selecting a great number of them, if possible.“
Aus dieser Bemerkung geht hervor, daß die direkt gemessenen
und somit, falls die Apparate in Ordnung waren, genau auf das
System der © Sz bezogenen Wellenlängen der 4/57 nachträglich
durch empirische bald größere, bald kleinere Korrektionen so um-
geändert wurden, daß eine möglichst genaue Koinzidenz zwischen
den Linien des Bogen- und des Sonnenspektrums erreicht wurde.
Auf das Fehlerhafte dieses Verfahrens machte zuerst Jewell
in seinem sehr wertvollen Aufsatze „Ihe Coincidence of Solar and
1) Mem. of the American Academy. Vol. XII. S. 116,
Eine Revision des Rowlandschen Wellenlängensystems. 219
Metallic Lines“!) aufmerksam. Um welche Beträge die einzelnen
MSt durch die Anbringung dieser Korrektionen verfälscht worden
sind, läßt sich jetzt nicht mehr ermitteln; auf eine briefliche Anfrage,
die ich vor mehreren Jahren an Herrn Jewell richtete, konnte mir
dieser auch keine nähere Auskunft geben. Man hat also zunächst
festzuhalten, daß alle 7S? um kleine, unkontrollierbare Beträge, die
in der Gegend von etwa 0,01 bis 0,02 AZ liegen, fehlerhaft und
zwar gegenüber dem System der ()S/ im allgemeinen zu groß
sind. In geringem Betrage können durch die Anbringung dieser
empirischen Korrektionen auch die ()S/ an einzelnen Stellen des
Spektrums beeinflußt worden sein, da Rowland wiederholt auch
die M St benutzt hat, um daraus durch die Koinzidenzmethode die
OS? in einem Spektrum anderer Ordnung abzuleiten.
(7.) Während der Verlauf der Fehler, die durch die Anbringung
dieser Korrektionen entstanden sind, ein ganz allmählicher ist, so
daß der Fehler für benachbarte Linien immer nahe denselben Betrag
hat, muß. ich hier gleich noch auf eine andere Fehlerquelle auf-
merksam machen, welche stärkere Abweichungen einzelner Linien
veranlaßt haben kann. Wie schon erwähnt, sind die )S7 und
M St Mittelwerte aus einer Anzahl verschiedenartiger Bestimmungen;
allein die Zahl der für jede Linie benutzten Aufnahmen ist sehr
verschieden. Als Beispiel möge die folgende Reihe von MMS? des
Eisenspektrums dienen:
Tabelle I.
M St Do A O St M St — O St
essungen
4308,072 8 ‚071 + I
4325,932 8 940 — 8
4352,908 I 903 +5
4369,948 I 943 +5
4376,108 I 103 + 5
4383,721 9 721 o
4404,928 9 927 + 1
4415,298 8 299 + 3
4447,912 2 899 + 13
4494,756 I 735 +21
Schon diese kleine Liste zeigt, daß hier die auf acht oder neun
Platten gemessenen A7/.S? entweder nahe mit den ©) SZ zusammen-
1) Astrophys. Journ. 3. S. 89. 1896; vergl. auch 11. S. 234. 1900,
220 J. Hartmann.
fallen, oder nach der negativen Seite von ihnen abweichen, während
alle nur ein- oder zweimal gemessenen Linien teilweise um recht
erhebliche Beträge nach der positiven Seite hin abweichen; ins-
besondere möchte ich auf die Unsicherheit der beiden Linien A 4448
und A 4495 aufmerksam machen.
Die Messungen, welche Rowland und Jewell auf jeder ein-
zelnen Platte ausgeführt haben, besitzen jedenfalls einen sehr hohen
Grad von Genauigkeit, so daß dadurch die relative Lage der Linien
bis auf wenige Tausendstel A Æ genau bestimmt wurde; da aber
jede Platte, namentlich auch infolge der Anbringung jener empi-
rischen Korrektionen, einen systematischen Fehler hatte, so ent-
standen durch die erwähnte Ungleichförmigkeit in der Anzahl der
benutzten Platten auch in der relativen Lage einzelner Linien Ver-
schiebungen, die bis auf einige Hundertstel AZ steigen.
(8) Auch die relativen Wellenlängen der ©) SZ sind durch die
stark schwankende Anzahl der für die einzelnen Linien benutzten
Messungsreihen nachteilig beeinflußt worden; allein die hierdurch
in einzelnen Wellenlängen des Sonnenspektrums entstandenen Fehler
wurden zum größten Teil wieder unschädlich gemacht durch die
umfangreiche, einheitlich ausgeführte Durchmessung des ganzen
Sonnenspektrums, deren Resultat in den P 7 niedergelegt ist. Die
Wellenlängen der P 7 beruhen auf der von Jewell durchgeführten
Ausmessung photographischer Aufnahmen des ganzen Sonnen-
spektrums. Hierbei wurden nun nicht einfach die neu gemessenen
Linien durch Interpolation an die ©.SZ angeschlossen, sondern es
fand auf jeder Platte eine Ausgleichung statt, bei welcher auch die
(St von ihren zufälligen Fehlern befreit wurden, so daß sie mit
den neu angeschlossenen Linien ein homogenes System bilden.
Zwischen den Wellenlängen der P T und der © SZ besteht demnach
- eine ähnliche Beziehung, wie zwischen den © SZ und den P Stz
[vergl. (5.)]; auch hier ist das ganze System der P T als koinzi-
dierend mit dem System der © Sz anzusehen, dagegen können die
Wellenlängen der einzelnen Linien in beiden Systemen um kleine
Beträge von einander abweichen. So tritt beispielsweise die Linie
D, in den P7 mit der Wellenlänge auf:
-À = 5806,155.
(9) Aus dieser Darstellung der Entstehungsgeschichte der
Rowlandschen Wellenlängen geht hervor, daß die /’ 7 die definitive
und zuverlassigste Form des Rowlandschen Systems bilden; erhebt
Eine Revision des Rowlandschen Wellenlängensystems. 221
sich z. B. die Frage, welcher von den vier Werten für die Wellen-
länge der Linie D, im Sonnenspektrum:
= 5896,156 (Ausgangswert)
157 (P St)
154 (OS)
155 (P 7)
als der beste, dem Rowlandschen System am genauesten ent-
sprechende anzusehen ist, so ist dies der Wert A = 5896,155.
(10.) Die Schlüsse, die über das Zusammenfallen der drei
Systeme PS4 © St und P T auf Grund der Entstehungsgeschichte
gezogen wurden, finden ihre Bestätigung durch eine direkte Ver-
gleichung der Zahlenreihen. Die Beziehung der © Sz zu den P St
ist aus Tabelle II ersichtlich.
Tabelle II.
P St | OSt | OSt — P St P St | OSt | OSt—- PSt
4215,665 +2 5397,350 ‚346 -4
4222,381 o 5405,984 987 +3
4376,103 o 5624,254 253 =l
| 624,76
4494,729 +6 er EA
4497,048 -7 5862,582 580 = 2
4501,444 O 5890,184 182 _ 2
4508,460 4 5896,157 154 -3
4691,575 +6 6246,530 530 o
6318,
4903,484 +4 oo BR a
4924,1 10 — ií 322,912 912 O
4924,956 =y 6563,049 054 +5
£060,250 $us 6569,461 461 O
5064,834 ei 6750,409 412 + 3
68,946
ee j 7023,747 | 747 o
5269,717 +5 7027,724 726 +2
5270,497 — 2 7040,056 058 +2
Der Unterschied Q) SZ — P St beträgt im Maximum bei einer
Linie 0,007 AZ; die Summe aller dieser Differenzen sollte eigentlich
genau Null sein, sie beträgt jedoch für die 34 Linien zusammen
+0,016 AE, woraus als mittlerer Wert dieses Unterschieds
+0,00047 AE folgt. Die beiden Systeme 2PSf und © SZ sind
somit in hinreichender Koinzidenz.
3000— 3100
3100 — 3200
3200— 3300
3300 — 3400
3400—3500
3500—3600
3600—3700
3700—3800
3800— 3900
3900—4000
4000— 4100
4100—4200
4200—4300
4300—4400
4400—4500
4500—4600
4600—4700
4700—4800
4800—4900
4900— 5000
5000 — 5100
5100— 5200
5200— 5300
5300—5400
5400—5500
5500--5600
5600 - 5700
5700— 5800
5800—5900
5900— 6000
6000—6100
6100—6200
6200— 6300
6300 — 6400
6400—6500
6500 - 6600
6600—6700
6700— 6800
6800—6900
6900 — 7000
7000—7100
7 100— 7200
7200—7300
7300—7400
J. Hartmann.
Tabelle III.
U
|
9
oO
>
++ Il +1 ++
I +++ 1
I „Zu De O POD E Be E ae l
PEFF IL +1
+ ++ 1
+ 1
=~ m N m
un UN O U
N U
O ©
++
I+++I
+
a a E
+
+ |
¡ls O E i l
I+ + +1
+
Maximum
III Ft HE HH rt Hr IH lH
oO
u a.
a a
zul: LE De E si or Di. au Be EU 0 ¿E
+
O
00
)
N m
m Q
I2
Eine Revision des Rowlandschen Wellenlängensystems. 223
(11.) Die Vergleichung der Systeme ()S? und P T will ich
wegen ihres großen Umfangs hier nicht zum Abdruck bringen; ich
beschränke mich darauf, in Tabelle III für Intervalle von 100 A E
zunächst unter S die Summe der Differenzen P T — ©) St zu geben.
Bei völlig strengem Anschluß müßte S, wenigstens für größere
Strecken des Spektrums, Null sein. z ist die Anzahl der benutzten
(O) St; einige der Rowlandschen (>) St mußten bei dieser Vergleichung
ausgeschlossen werden, weil sich die Messung auf den Gesamt-
eindruck einer Doppellinie bezog, deren Komponenten in den P 7
gesondert gemessen sind. Unter M ist der mittlere Anschlußfehler,
also der Quotient 2 gegeben, und die letzte Kolumne enthält den
größten Betrag der Differenz P T — ©) St, welcher auf der Strecke
vorkommt.
Tabelle IV enthält dieselbe Vergleichung für Strecken von
1000 A ÈE Länge.
Tabelle IV.
A os de | M MEN Maximum
f 3000—4000 | Fans 193 93 | PERE + 0,030
4000— 5000 109 + 31
5000— 6000 _ F 178 _ 4 — 3I
6000—7000 + 164 163 + 10 + 49
7000— 7400 _ 7000—7400 | + 183 | 35 | + 52 | + 5S
3000—7000 | + 0,254 = 3000—7000 | +0254 | 643 | +0,00040 | +0,99 643 | + 0,00040 | + 0,049
Wie aus den Zahlen der Tabellen III und IV hervorgeht, ist
der Anschluß der P T an das System der ©) Sz, wenn man von
der kurzen Strecke von A 7000 bis A 7400, deren Messung besondere
Schwierigkeit gemacht hat, absieht, gut gelungen; für das ganze
Spektrum von A 3000 bis A 7000 beträgt die Differenz P T — © St
im Mittel +0,00040 AZ. Die Fehler einzelner Linien aus den
(>) St überschreiten nur in vereinzelten Fällen 0,03 A Æ; in der Regel
betragen sie 0,01 bis 0,02 AZ.
(12.) Eine Vergleichung der Systeme (JS? und MS? gebe ich
in Tabelle V; auch hier mußten einige Linien ausgeschlossen werden,
bei welchen aus den von Rowland gemachten Bemerkungen her-
vorging, daß im Sonnen- und im Bogenspektrum nicht genau dieselbe
Linie gemessen worden war.
Auch zwischen den Systemen M St und OS? ist, wie der für
das ganze Spektrum geltende Mittelwert M = +0,0015 AE in
224 J. Hartmann.
Tabelle V zeigt, eine fast völlige Koinzidenz hergestellt. Daß diese
in Wirklichkeit nicht stattfindet, wurde bereits oben (6.) erwähnt,
und es muß hier besonders auffallen, daß auf der Strecke von
A 3000 bis 4 4500 die Differenz MS? — (JS? überwiegend positiv
ist, während doch die Linien des Sonnenspektrums infolge des
höheren Drucks, unter welchem die absorbierenden Dampfschichten
in der Sonnenatmosphäre stehen, im allgemeinen gegen die Bogen-
linien bei Atmosphärendruck etwas nach Rot hin verschoben sind,
so daB also die Differenz ASt — © St überwiegend negativ sein
müßte; letzteres ist jedoch, wie man aus Tabelle V ersieht, nur
zwischen 4 4500 und A 6000 der Fall.
Tabelle V.
À | S | n | AT Maximum
3000 — 3 soo |. +0,109 29 | + 0,00: 38 u 0,027 i
3 500 — 4000 + 284 80 + 35 + 36
4000—4500 + 90 47 + 19 + 21
4500— 5000 - 64 15 — 43 - 25
5o00 — 5500 — 62 21 _ 30 + 72
5500— 6000 — 5500-6000 | — a + 8 | - 8o | — Bo _ 80 — 80
3000— 6000 3000-6000 | + 0,29 + 0,293 = + 0,0015 3 | 200 | +00015 | - 0080 — 0,080
Durch diese direkte Vergleichung der Rowlandschen Wellen-
längentabellen werden demnach die oben gezogenen Schlüsse be-
stätigt: Die P T bilden die zuverlässigste Form der Rowlandschen
Wellenlängen; die © SZ und P St koinzidieren im ganzen mit den
PT, haben jedoch größere zufällige Fehler einzelner Linien; die
M St enthalten ebenfalls größere zufällige Fehler und sind außerdem
systematisch um wechselnde Beträge gegen das System der PT
verschoben.
(13) An dieser Stelle will ich noch ein Wellenlängensystem
erwähnen, welches zu den 4/S2 in derselben Beziehung steht, wie
die P T zu den © S4; es sind dies die „Normalen aus dem Bogen-
spektrum des Eisens“, welche Kayser im Jahre 1900 in den Annalen
der Physik IV, Bd. 3, S. 195 veröffentlichte. Kaysers Normalen,
die ich kurz mit „A“ bezeichnen will, sind — abgesehen von einer
Stelle bei 4 3400 — genau an das System der A7,S? angeschlossen
und enthalten daher auch den erwähnten systematischen Fehler der
M St. Dagegen sind durch sorgfältige Ausmessung zahlreicher Auf-
nahmen die zufälligen Fehler einzelner Linien in den X so weit
Eine Revision des Rowlandschen Wellenlängensystems. 225
herabgedrückt, daß der mittlere Fehler einer Linie höchstens
0,003 A E beträgt.
(14) Man wird sich sicher nicht viel von der Wahrheit ent-
fernen, wenn man annimmt, daß auch in den P T der zufällige
Fehler der einzelnen Linien etwa +0,003 A E beträgt.!) Zwar ist
eine direkte Nachprüfung der P T niemals erfolgt; allein jeder, der
Veranlassung hatte, die Rowlandschen Wellenlängen zu benutzen,
wird sich von der großen Zuverlässigkeit derselben, soweit die relative
Lage der Linien innerhalb kleiner Strecken des Spektrums in Frage
kommt, überzeugt haben. Anders verhält es sich jedoch mit der
Genauigkeit der relativen Wellenlängen, sobald weiter von einander
entfernte Teile des Spektrums mit einander verglichen werden.
Schon von verschiedenen Seiten wurde darauf aufmerksam gemacht,
daß in den Rowlandschen Zahlen langsam verlaufende Ungleich-
förmigkeiten vorhanden sind, welche bewirken, daß über längere
Strecken des Spektrums hin alle Wellenlängen um 0,01 bis 0,02 AE
zu groß, an anderen Stellen zu klein sind. Zuerst wies auf die
Möglichkeit derartiger Fehler Müller?) bei Gelegenheit einer Ver-
gleichung des Potsdamer Wellenlängensystems mit den ©) Sz hin.
Er fand, daß die Differenz „Potsdam — (5 St“ auf der Strecke von
à 4900 bis A 5400 vorwiegend positives Vorzeichen hatte, von A 5400
bis A 6100 war sie negativ, worauf dann wieder bis A 6350 positive
Werte folgten. Bestimmter sprach sich Kayser?) aus, welcher
fand, daß die Werte mehrerer 47.57 bei A 3400 um 0,02 bis 0,03 A E
zu groß sind. Völlig sichere Aufklärung über die Größe und den
Verlauf dieser Fehler in einem Teile des optischen Spektrums
erbrachte jedoch erst die Arbeit von Fabry und Perot’), welche
mit ihrem Interferenzapparat die absoluten Wellenlängen von 33 Linien
des Sonnenspektrums und 14 Linien des Eisenspektrums bestimmten.
Um ihre Resultate mit Rowlands Wellenlängen zu vergleichen, be-
rechneten sie für die 33 Linien des Sonnenspektrums den Quotienten
PT
a Fund LO ?
welcher konstant sein mufte, wenn Rowlands Zahlen frei von syste-
1) Ein Beweis für die Richtigkeit dieser Schätzung folgt weiter unten (16).
2) G. Müller, Beobachtungen auf dem Gipfel des Säntis. Publ. d. Astrophys.
Obs. zu Potsdam. Bd. VIII. S. 49. 1891.
3) l. c. S. 198.
4) Ch. Fabry et A. Perot, Mesures de longueurs d’onde en valeur absolue.
Ann. de Chimie et de Physique. VII. 25, S. 98. (Astrophys. Journ, 15. S. 270. 1902.)
226 J. Hartmann.
matischen Fehlern waren. Die Werte von F zeigten jedoch einen
deutlich ausgesprochenen Gang, welcher dem Sinne nach mit dem
. Resultate Müllers genau übereinstimmt. Eberhard!) führte sodann
noch eine schärfere Vergleichung des Potsdamer und des Row-
landschen Systems aus, indem er 104 Linien der P T benutzte,
und konnte das Resultat von Fabry und Perot nochmals völlig
bestätigen.
(15.) Es kann hiernach keinem Zweifel mehr unterliegen, daß
die Wellenlängen der P T auf der Strecke von å 4900 bis A 5370
bis zu 0,02 AE zu klein sind; zwischen A 5370 und A 6050 sind
sie bis zu 0,02 AE zu groß, dann wieder bis A 6500 zu klein. Man
darf annehmen, daß auch die übrigen, bisher noch nicht kontrol-
lierten Teile des Spektrums ähnliche Fehler enthalten werden, und
es entsteht daher die Frage, auf welchem Wege eine Korrektur
des Rowlandschen Systems am besten auszuführen. ist. Man wird
hierbei gleichzeitig auch die oben besprochene systematische Differenz
zwischen den Systemen P T und M St zu ermitteln haben.
Fabry und Perot schreiben, nachdem sie die Werte des
Reduktionsfaktors Z berechnet haben: „Alle neueren spektroskopischen
Messungen, die im Anschluß an Rowlands Zahlen ausgeführt
wurden, enthalten dieselben Fehler. Um sie zu verbessern und
gleichzeitig auf den von Michelson und Benoit gefundenen Wert
der Wellenlänge der Kadmiumlinie zu reduzieren, hat man die Zahlen
durch F zu dividieren.“ Dieses Verfahren möchte ich jedoch durch-
aus nicht empfehlen. Denn erstens ist in den F der erwähnte
systematische Unterschied zwischen den (JS? und MS? nicht mit
enthalten, und da die meisten Beobachter nicht das Sonnenspektrum,
sondern das Eisenspektrum als Vergleichsspektrum benutzt haben,
so würde man auch durch die Division durch Æ noch nicht die
wahren Werte der Wellenlängen erhalten. Zweitens dürfte es sich
überhaupt nicht empfehlen, alle bisher bestimmten Wellenlängen so
stark zu verändern, wie es beim Übergange vom Rowlandschen
System auf dasjenige von Michelson notwendig wäre. Der Reduk-
tionsfaktor Y" hat in diesem Falle sehr nahe den Wert 1,000034,
woraus folgt, daß alle Wellenlängen im optischen Spektrum um
etwa 0,2 AL verkleinert werden müßten, wenn man sie auf das
Michelsonsche System übertragen wollte; das würde eine große
Verwirrung geben.
1) G. Eberhard, Systematic Errors in the Wave-Lengths of the Lines of
Rowlands Solar Spectrum, Astrophys. Journ. 17. S, 141. 1903.
Eine Revision des Rowlandschen Wellenlängensysiems.
(16.)
227
Ich möchte vielmehr empfehlen, jede Korrektur der
Rowlandschen Wellenlängen so vorzunehmen, daß dadurch seine
Zahlenwerte nur um möglichst kleine Beträge verändert werden.
Dies kann in der folgenden Weise geschehen.
Wie schon erwähnt
wurde, geben Fabry und Perot für jede der von ihnen gemessenen
33 Sonnenlinien den Quotienten
F.
PT
und 2,
F liegen zwischen den Grenzen 1,0000286 und 1,0000381.
= F an. Die Werte von
Nimmt
man von diesen 33 Werten das arithmetische Mittel
Fo = 1,0000340
und multipliziert mit dieser Zahl alle von Fabry und Perot ge-
fundenen Wellenlängen,
ie se upo ape de laa lo aldo afe aE ao el ao e lee e TT
ARES BE
- 10 Pi] BERE :
HHHH EA HA AAA -HHAH
255 IT"!
BaESESaBE as CELA EE
: H HH EHE
ee o A
so erhält man offenbar ein System von
EL.
ARTEDAR En
re
1 IN 1
Fig. 1.
EH-EFFFSFEERFFFEE BAR
Wellenlängen, welches sich dem Rowlandschen möglichst eng an-
schließt, aber von dessen systematischen Fehlern frei ist; bezeichnet
man diese fehlerfreien Wellenlängen im Rowlandschen System
kurz mit A, so ist also
à = F X (F.
und 2.)
In Tabelle VI habe ich die Berechnung der Werte A ausgeführt;
die erste Kolumne enthält die von Fabry und Perot direkt ge-
messenen Wellenlängen, die zweite den Wert von A und die dritte
die entsprechende Zahl der P T. Die in der vierten Kolumne
gegebene Differenz ¿— P T= C stellt daher die Korrektion dar,
welche an Rowlands Zahlen anzubringen ist, um sie von ihrem
systematischen Fehler zu befreien. Die Summe aller positiven Werte
von C’ ist +0,178 AZ, die aller negativen —0,183 AZ, ein Zeichen,
daß das System der A genau mit dem der P T zusammenfällt.
In den C” sind noch die zufälligen Messungsfehler der einzelnen
228 J. Hartmann.
Linien enthalten; um sie hiervon zu befreien, habe ich ihren mittleren
Verlauf durch die in Figur ı wiedergegebene Kurve dargestellt.
Aus der Kurve ergeben sich nun die wahren Werte C der Kor-
rektionen, die ich in der Tabelle VII zusammengestellt habe.
Die in der letzten Kolumne der Tabelle VI aufgeführten Zahlen
C’ — C entsprechen den zufälligen Messungsfehlern in der Differenz .
F. und P.— PT. Betrachtet man die absoluten Messungen von
Fabry und Perot und die relativen Wellenlängen der P T als
Tabelle VI.
F. und P. À | PT | C’
464 3,483 464 3,641 1645 = 4
4704,960 4705,120 131 — II
47 30,800 4736,961 963 — 2
4783449 4783,612 613 =
4859,758 4859,923 928 - 5
4923,94 3 4924,110 107 7-3
5001,88 1 5002,05 1 044 +7
5090,787 5090,960 954 + 6
5123,739 5123,913 899 +14
5171,622 5171,798 778 + 20
5247,063 5247,241 229 + 12
5247,587 5247,765 737 + 28
5339,956 5340,138 121 + 17
5345820 5346,002 991 + 11
5367,485 5367,667 669 12
5409,800 5409,984 000 — 16
5434,544 5434,729 740 — II
5497,536 5497723 735 — 12
5506,794 5506,981 000 — 19
5586,778 5586,968 991 — 23
5715,095 5715,289 308 — 19
5763,004 5763,200 218 — 18 — 18 O
5862,368 862,567 582 — IS — IS O
5934,666 5934,868 881 — 13 — II — 2
5987,081 5987,284 290 — 6 = 7 + 1
6016,650 6016,855 861 — 6 — 4 - 2
606 5,506 6065,7 12 709 + 3 + 2 + 1
6151,639 6151,848 834 + 14 + 13 + 1
6230,746 6230,958 y 943 + 15 +15 o
6322,700 6322,915 907 + 8 + 11 -3
6335346 6335.501 554 +7 + 10 -3
6408,027 6408,245 233 + 12 + 5 +7
6471,666 6471,886 885 + 1 + I O
Eine Revision des Rowlandschen Wellenlängensystems. 229
gleich genau, so ergibt sich hieraus der mittlere (zufällige) Fehler
einer Wellenlänge in beiden Messungsreihen zu
+0,0025 AE.
Die Summe aller C’— C -in Tabelle VI ist Null, woraus folgt,
daß die Kurve in Figur I genau richtig gezogen worden ist.
(17.) Wie man sieht, beziehen sich die in Tabelle VII gegebenen
Korrektionen nur auf die von Fabry und Perot bearbeitete Strecke
des Sonnenspektrums von A 4600 bis A 6490, und es tritt nunmehr
das Bedürfnis ein, einerseits auch für die übrigen Teile der P T
die Werte der C zu bestimmen und andererseits für die MS? eine
ähnliche Korrektionstabelle zu schaffen.
Tabelle VII.
Korrektionen C der P T von à 4600 bis 4 6490.
(Einheit 0,001 A E.)
ARALAR ADA AAA
ss |- s - sl- s!- 7|- 7|- 3-71 7[-7|-06
47 61-6|-6,-5-5 =- s|- s|= 4|~ 4|- 4
48 =S 3 30 20-2 ea ee red O
49 A Ba Bi a
50 + 5 pos + 71¡+ 8¡+ 8,+ 9 +10; +10 | +11
sı | +12; +13: +13: +14 | +15 +16, +16| +17 | +18 +18
52 |+19| +20| +20 +2ı|l +21, +21 +21] +21 tar | +20
53 [+20|+19| +18 |+16| +13 + 9ı+4|- ıl- sl- 7
54 — 9| -ıı|-ı2| —13 glass — 16 | -ı6 — 17
55 — 18 | — 18 19 ee N
56 E — 20 | — 20 | — 20 A ales — 20 | — 20 | — 20 | — 20
57 — 19| — 19| — 19| — 19| — 19 — 19) — 18 — ı8'—ı8 =
588 |-ı7!-ı7) -ı17!-16| - 16 ee
59 —13| — 13| — 12| — 12| —= 11 | — 10 Ne — 8|- 7
60 - 6|= sI- 4|= 2|— 1 ol + 1¡+ 31+ .41+ 5
61 + 7|+ 8| + 9/+10 +11¡+12¡+13| +14 | +14 | +15
62 +15] +15] +158| +15| +ı5 +19 | +14 +19 | +13 | +13
63 +12 |+11|4+11|+10 ir tolts + 7|+7
ee ee ole laa o
Was zunächst die Bestimmung der C für andere Teile des
Sonnenspektrums anbelangt, so habe ich den Versuch gemacht, die
von Rowland selbst benutzten Aufnahmen durch eine neue Reduktion
hierfür zu verwerten. In allen Fällen, wo ein Teil des Sonnen-
spektrums, der in den Bereich der Tabelle VII fallt, in Koinzidenz
230 J. Hartmann.
mit irgend einer anderen Strecke des Sonnenspektrums photo-
graphiert wurde, kann man durch Anbringung der Korrektionen
aus Tabelle VII auch die Werte der C für die betreffende andere
Stelle des Spektrums ermitteln. Leider zeigte es sich, daß das zu
diesem Zwecke verfügbare Material durchaus unzureichend war, da
aus dem oben besprochenen Grunde alle Messungen ausgeschieden
werden mußten, bei welchen die Wellenlängen des Sonnenspektrums
aus der Koinzidenz mit einem Metallspektrum anderer Ordnung
abgeleitet waren. Aus den wenigen brauchbaren Koinzidenzen
zwischen zwei Teilen des Sonnenspektrums konnte ich mit nur sehr
geringer Sicherheit die in Tabelle VIII zusammengestellten Werte
der Korrektion C ableiten.
Tabelle VIIL
3500 — 0,004 AE
3600 _
3700 +
3800 +
3900 +
4000 —
4100 _
Auf dieser Strecke scheinen die Korrektionen also unter 0,01 AZ
zu bleiben. Verhältnismäßig sicher ist nur die Strecke von A 3890
bis 4 3990 bestimmt, da hier für jede Linie bis zu 7 Aufnahmen
in zwei verschiedenen Ordnungen vorliegen. Beträchtlichere Werte
scheint C in der Gegend von 44300 zu erreichen, allein es liegen
für diese Stelle, ebenso wie für die anderen Teile des Spektrums
nur so wenige Messungen vor, daß es unmöglich ist, auf Grund
der Rowlandschen Beobachtungen einen auch nur einigermaßen
sicheren Wert von C abzuleiten.
(18.) Es ergibt sich somit die Notwendigkeit, zur Ermittelung
der Korrektionen der Rowlandschen Wellenlangen neue Beob-
achtungen anzustellen, und da mir selbst vorläufig die zur Ausführung
solcher fundamentalen Messungen nötigen Hilfsmittel nicht zur Ver-
fügung stehen, so möchte ich hierdurch anderen Stellen die An-
regung zur Ausführung dieser Untersuchungen geben. Wegen der
großen Bedeutung, welche die Schaffung eines möglichst sicheren
und fehlerfreien Fundamentalsystems für alle Spektraluntersuchungen
Eine Revision des Rowlandschen Wellenlängensystems. 231
hat, ist es erwünscht, daß diese Arbeiten nicht nur von einer Seite,
sondern unabhängig voneinander von möglichst vielen Seiten aus-
geführt werden.
Es sind drei verschiedene Aufgaben zu lösen, die sich gegen-
seitig ergänzen und kontrollieren: Erstens sind die Korrektionen C
für alle Teile der P T, also für das ganze Sonnenspektrum zu be-
stimmen; zweitens ist durch Aufnahmen, die das Sonnenspektrum
und daneben das Bogenspektrum des Eisens enthalten, der Betrag
der Verschiebung der Eisenlinien im Sonnenspektrum genau zu
ermitteln, und drittens ist eine das ganze Spektrum umfassende
Tabelle von Normallinien aus dem Bogenspektrum des Eisens, streng
auf das korrigierte Rowlandsche System bezogen, aufzustellen.
(19.) Führt man zur Ermittlung der Korrektionen C absolute
Messungen nach der Interferenzmethode von Fabry und Perot
oder auf eine andere Art aus, so erhält man außer den C stets
noch cine Neubestimmung des Reduktionsfaktors 7, Es genügt
aber, zur Bestimmung der C nur relative Messungen im Sonnen-
spektrum, etwa durch Koinzidenzbeobachtungen mit einem großen
Konkavgitter, anzustellen.
(20.) Zur Ermittlung der Verschiebung der Linien des Sonnen-
spektrums gegenüber den Bogenlinien hat Jewell?) schon eine sehr
wertvolle Messungsreihe geliefert, die das Eisenspektrum von A 3424
bis 4 4495 umfaßt und sich auch auf die Linien zahlreicher anderer
Elemente erstreckt. Derartige Messungen sind zu wiederholen und
auf alle Gebiete des Spektrums auszudehnen. Gerade die Bestimmung
dieser Differenzen, die ich im Sinne „Sonnenspektrum minus Bogen-
spektrum“ mit D bezeichnen will, ist augenblicklich für die Astro-
physik ein dringendes Bedürfnis. Nicht allein, daß durch ein ein-
gchendes Studium dieser Verschiebungen wichtige Schlüsse über
die Verteilung des Drucks und das Vorkommen der Metalldämpfe
in verschiedenen Höhen der Sonnenatmosphäre ermöglicht werden,
sondern auch für die Bestimmung der radialen Fixsternbewegungen
ist die genaue Ermittelung von D von grundlegender Bedeutung.
Denn für alle Sterne vom zweiten Typus, die sich ja gerade wegen
der großen Schärfe ihrer Spektrallinien vorzugsweise zu genauen
Geschwindigkeitsmessungen eignen, wird man wohl noch für lange
Zeit die zuverlässigsten Wellenlängen dem Sonnenspektrum entnehmen
müssen, da man annehmen darf, daß in den Atmosphären jener
Sterne ähnliche Verhältnisse herrschen, wie auf der Sonne. Verwendet
ı) l. c. S. 109.
Zeitschr. f. wiss. Phot. ır. 17
232 J. Hartmann.
man dann bei der Berechnung der Geschwindigkeit eines solchen
Sterns für das Vergleichsspektrum die im Laboratorium” bestimmten
und an Rowlands M.St angeschlossenen Wellenlängen, also etwa
die Eisennormalen von Kayser, so geht der volle Betrag von D,
den ja Rowland durch die empirischen Korrektionen fortgeschafft
hatte, verfälschend in die Geschwindigkeit ein. Nimmt man an,
daß D in der bei Sternen vom zweiten Typus hauptsächlich in
Frage kommenden Gegend des Spektrums bei A 4400 den Betrag
von +0,015 A ÈE habe, so wird jede Geschwindigkeit etwa um 1 km
zu groß gefunden. Völlig denselben Fehler würde man aber auch
begehen, wenn man für Stern- und Vergleichsspektrum dieselben
Wellenlängen verwenden würde, wie es ja z. B. immer: bei der An-
wendung der Methode der Koinzidenzmessungen der Fall ist.
(21.) Die erwähnte Messungsreihe von Jewell ist die einzige,
welche streng auf das System der P 7 bezogene Wellenlängen des
Tabelle IX.
Jewell | K | k Jewell
|
3424 444 ‚430 +14 381 5,988 ‚987 + 1
3440,761 762 =. 3820,568 573 =,5
3441,145 138 + 7 3824,584 591 Er;
3445.308 301 + 7 3826,025 028 = 3
3490,722 721 + 1 3827,969 967 + 2
3497,990 989 + 1 3856,515 515 o
3536,704 694 + 10 3860,05 2 054 = 2
3581,338 348 — IO 3886,415 426 — II
3617,934 944 — 10 3928,059 073 — 14
3618,912 918 — 6 4022,022 029 = 7
3622,155 158 =.3 4045,904 978 — 14
3647,983 997 — 14 4062,597 605 - 8
3687,597 609 — 12 4063.751 755 — 4
3705,704 714 — 10 407 1,898 gor = 3
37 20,075 083 - 8 4199,263 256 #7
3724,519 527 - 8 4202,194 195 u
3731,084 102 — 18 4222,396 387 + 9
3735,005 016 — 1 4271,917 933 — 16
3737,270 278 = $ 4325,921 941 — 20
3745,691 710 — 19 4352,900 | 910 — 10
3748,406 409 = 3 4369,937 954 -17
3749,628 634 = 0 4376,097 | 104 => 7
3758,376 381 = 5 4383,705 | 724 - 17
3763,932 940 - 8 4404,911 929 — 18
3767,336 339 R 4415,286 301 15
3788,023 031 — 8 4447,886 907 — 21
3795,144 149 se 15 4494749 755 - 6
Eine Revision des Rowlandschen Wellenlángensystems. 233
Eisenspektrums gibt, und ich habe sie daher benutzt, um daraus
wenigstens vorläufige Werte der Korrektionen abzuleiten, welche an
Kaysers Normalen anzubringen sind, um sie ebenfalls mit den P T
vergleichbar zu machen. Die Vergleichung der beiden Beobachtern
gemeinsamen Linien ist in Tabelle IX enthalten.
Die in der dritten Kolumne gegebenen Differenzen $ = Jewell— X
zeigen zwischen den einzelnen Linien noch ziemlich große Sprünge,
welche hauptsächlich von zufälligen Messungsfehlern Jewells her-
rühren. Ich habe diese Zahlen graphisch ausgeglichen und so die
in Tabelle X aufgeführten Werte der Korrektion £ erhalten.
Tabelle X.
Zur Reduktion von Kaysers Eisennormalen auf das System der P 7.
(Einheit 0,001 4 È.)
N | 4 N | ,
3400 | +9 3950 -u
3450 + 6 4000 — IO
3500 | + 2 4050 - 7
3550 | — 3 4100 _ 4
3600 = 7 4150 — I
3650 | — 10 4200 O
3700 | — II 4250 — 2
3750 8 4300 = 7
3800 a: 4350 — 13
3850 — 6 4400 — 16
3900 > 9 4450 — 14
3950 — II 4500 — IO
(22.) Was endlich die Aufstellung einer Tafel von streng auf
das korrigierte Rowlandsche System bezogenen Normallinien aus
dem Bogenspektrum des Eisens, die als Grundlage für alle Messungen
im Laboratorium dienen soll, anbelangt, so kann dieselbe auf zwei
verschiedenen Wegen hergestellt werden. Man kann erstens aus-
gehen von der oben (16.) gegebenen Relation
= F, x (F. und P),
d. h. man reduziert die von Fabry und Perot gemessenen Wellen-
längen des Eisenspektrums durch Multiplikation mit dem aus ihren
Messungen im Sonnenspektrum gefundenen Werte 7, = 1,0000340
auf das Rowlandsche System und schließt an diese dann Linien
in allen anderen Teilen des Eisenspektrums nach der Koinzidenz-
methode an. Statt der Eisenlinien von Fabry und Perot kann
| er
234 J. Hartmann.
man auch die anderen von diesen Beobachtern, sowie von Michelson
und von Hamy nach der Interferenzmethode bestimmten Metall-
linien benutzen, deren auf Rowlands System reduzierte Wellen-
längen ich in Tabelle XI zusammengestellt habe.
Tabelle XI.
A Element | Beobachter à A | Pee] Element | Beobachter
4358491 — Hg F. u. P. 5460,028 He e Fu. P.
4662,5117 ° Cd H. 5465,675 Ag | 5
4680,297 ` Zn F. u. P. 5506,970 Fe a
4722,325 Zn i 5586,965 Fe >
4736,96 Fe nt 5615,848 Fe „
4800,0739 ' Cd A 5763,219 Fe =
4810,699 Zn F.u.P. 5769,7946 Hp „
4859,928 Fe er 5782,287 Cu en
5002,057 Fe Br 5782,356 | Cu A
5083,518 Fe MR 5790,8562 Hg E
5085,9969 — Cd M. . 5890,165 Na 5;
5086,0754 Cd H. 5896,132 Na is
5105,717 Cu | Fw P: 6065,695 Fe 5
5153,426 Cu er 6230,945 Fe e
5154,8363 | Cd | 4 - 6325,3853 Cd :
5209,258 Ag F. u. P. 6362,561 Zn F. u. P.
5218,379 Cu j 6438,6911 Cd M.
5233,132 Fe Mn 6495,213 Fe F. u. P.
5302,50r Fe 5 6708,074 Li ss
5434710 i Fe »
Zu diesem Verzeichnis von Normallinien işt noch folgendes zu
bemerken. Rowlands System gibt die Wellenlängen in Luft von
760 mm Druck und +20°C., während sich Michelsons Kadmium-
normalen auf Luft von 760 mm Druck und + 15° C. beziehen. Vor
der Vergleichung mit den P T hätten daher Fabry und Perot
eigentlich erst ihre Wellenlängen auf +20% reduzieren müssen.
Nun ist aber diese Reduktion für die Strecke von A 4000 bis A 7000
genau der Wellenlänge proportional; es ist nämlich innerhalb
dieser Strecke
Ayo? = 1,0000047 A go.
Dieser Übertragungsfaktor ist in den von Fabry und Perot
berechneten Werten von F, also auch in F) mit enthalten, und
durch Multiplikation mit 7, sind die Wellenlängen daher gleich-
zeitig auf +20° reduziert worden. Die Werte 2 in Tabelle XI sind
Eine Revision des Rowlandschen Wellenlängensystems. 235
mithin streng auf das korrigierte Rowlandsche System (P T+ C)
bezogen. Der wahre, nur von der absoluten Messung, resp. Maß-
stabvergleichung abhängige Übertragungsfaktor ist daher
1,0000340
= 1,00002093.
1,0000047 I; 93
Die große Differenz zwischen den von Michelson und von
Hamy bestimmten Wellenlängen der Kadmiumlinie A 5086 erklärt
sich möglicherweise durch die etwas verschiedene Natur der von
beiden Beobachtern benutzten Lichtquellen; man vergleiche hierüber
die Aufsätze von Fabry und Perot'!), Hamy?) und Bell?) Bei
der großen Bedeutung, welche diese Zahlen für den Aufbau eines
neuen fundamentalen Wellenlängensystems haben, ist es jedoch not-
wendig, daß die Werte der Tabelle XI durch unabhängige Messungs-
reihen von verschiedenen Seiten völlig sicher gestellt werden.
(23.) Ein zweiter Weg zur Aufstellung eines genau auf Row-
lands korrigiertes System bezogenen Verzeichnisses von Eisen-
normalen ist folgender. Man stellt zunächst gänzlich unbekümmert
um die absoluten Wellenlängen ein vollkommen korrektes System
relativer Wellenlängen (4) des Eisens entweder durch Interferenz-
messungen oder mittels eines großen Konkavgitters durch Koinzi-
denzen her. Die Wellenlängen derselben Linien im / 7-System
erhält man durch die oben (20.) besprochenen Verschiebungsmessun-
gen im Sonnenspektrum. Durch Division der beiden so für jede
Linie gefundenen Wellenlängen erhält man F und daraus durch
Mittelbildung wieder den Reduktionsfaktor /,, durch den die ge-
messenen Wellenlängen der Eisenlinien auf Rowland übertragen
werden. Die Reduktion erfolgt also hierbei nach den Formeln
F,=2 eS
)
wo n die Anzahl der gemessenen Linien ist,
L= Ax.
(24.) Zur besseren Übersicht will ich die hier gebrauchten
Bezeichnungen und die zwischen ihnen bestehenden Beziehungen
nochmals kurz zusammenstellen:
Das jetzt vorliegende wahre Rowlandsche System ist repräsen-
1) Compt. rend. 130. S. 653. 1900; Astrophys. Journ. 16. S. 36. 1902.
2) Compt. rend. 130. S. 700. 1900.
3) Astrophys. Journ. 15. S. 157. 1902.
236 J Hartmann. Eine Revision des Rowlandschen Wellenlängensvstems.
tiert durch die Wellenlängen P 7 der Preliminary Table of Solar
Spektrum Wave-Lengths.
Die P T enthalten langsam fortschreitende Ungleichformigkeiten,
zu deren Beseitigung die Korrektionen C anzubringen sind; die
Wellenlänge einer Linie des Sonnenspektrums im korrigierten Row-
landschen System ist also
io =PT+C. (a)
Rowlands Standards aus dem Bogenspektrum MSt sind durch
Anbringung empirischer Korrektionen in unkontrollierbarer Weise
systematisch verfälscht und daher als Grundlage für genaue Messun-
gen nicht zu brauchen. Das an die M.St genau angeschlossene
System der Eisennormalen X von Kayser muß daher, um es mit
den P T vergleichbar zu machen, die Korrektion 2 erhalten, und
die Wellenlänge einer Eisenlinie im korrigierten Rowlandschen
System ist somit
Zwischen A und Ay besteht die Beziehung |
lo — du =D, (c)
wobei zu beachten ist, daß D von Linie zu Linie sprungweise seinen
Betrag ändern kann, also nicht wie C und Å interpolierbar ist.
Aus Gleichung (a) und (c) folgt:
PT—D= dy -—C. (d)
Die von Jewell publizierten Wellenlängen von Metallinien
geben die Werte P T — D, sind also, um die richtigen Wellenlängen
zu liefern, nach (d) noch um + C zu korrigieren:
ly = (Jewell) + C. (e)
Aus (b) und (e) folgte zur Bestimmung von 4:
k = (Jewell) — K. (f)
Sind 4A vollkommen korrekte relative Wellenlängen, so hat man
entweder, wenn sich diese A auf das Sonnenspektrum beziehen:
o o A
n dio! (
= g)
lo = Faha,
woraus dann nach (a) die Werte der C folgen, oder, wenn sich die
4 auf Metallinien beziehen:
pa
eo (h)
Ly — a Aa,
woraus man die C nach (d) erhält.
H. Konen. Neuere Arbeiten über Funkenspektren. 237
AA A
— nn LU
Waren unter (g) und (h) die 4' nur durch relative Messungen
gewonnen, so haben die Zahlen A, weiter keine allgemeine Be-
deutung; waren dagegen die X, wie z. B. in dem System von
Michelson, resp. Fabry und Perot, durch absolute Messungen
bestimmt, so ist + der Faktor zur Ubertragung des korrigierten
0
Rowlandschen Systems auf das absolute Metersystem; es ist also dann
À a
Labs = F, . (1)
Nach Michelsons Bestimmung hat F, wenn dic Wellenlängen
zuvor auf gleiche Lufttemperatur reduziert werden, den Wert
F, = 1,0000293.
Von dieser Übertragung wird man jedoch nur in den ganz
vereinzelten Fällen Gebrauch machen, wo die absoluten Werte der
Wellenlängen gebraucht werden. Für die meisten Untersuchungen,
speziell auch für die Astrophysik, genügt die Benutzung der kor-
rekten Wellenlängen 4, die sich aus sämtlichen bis jetzt an das
Rowlandsche System angeschlossenen Beobachtungsreihen durch
Anbringung der kleinen Korrektionen C, D und # mit Leichtigkeit
ableiten lassen.
Potsdam, Astrophys. Observatorium, Juni 1903.
(Eingegangen am 18, Juli 1903.)
Neuere Arbeiten über Funkenspektren.') I.
Von H. Konen.
I. Wellenlängenbestimmungen.
Trotz der zahlreichen und zum Teil vortrefflichen Arbeiten über
Funkenspektra fehlte es bisher an einem einheitlichen und vollständigen
Katalog der Funkenlinien. Seit 7 Jahren sind Exner und Haschek
bemüht, diese Lücke auszufüllen. Nunmehr liegt das Ergebnis ihrer
Arbeit vor unter dem Titel: Wellenlängentabellen für spektralanalytische
Untersuchungen auf Grund der ultravioletten Funkenspektren der Elemente,
2 Teile, Leipzig und Wien, Franz Deuticke, 1912, 83 + 269 S.
1) Der Bericht,setzt ein mit der nach Bd. II des Handbuches der Spektroskopie
von H. Kayser erschienenen Literatur.
238 H. Konen.
Das Werk bringt die Wellenlängen der Funkenspektra fast aller
Elemente in dem Bereiche 2000 bis 4700, ein ungeheures Material,
das teils durch Verwendung früherer Messungen der Verfasser, zum
größten Teile aber durch Neumessungen gewonnen ist. Im ersten Teile
ist eine Einleitung und eine Tabelle gegeben, in der einerseits die
Wellenlängen der Hauptlinien der Elemente in alphabetischer Reihenfolge,
andererseits die Wellenlängen aller Linien in steigender Größe angeordnet
sind. Im zweiten Teile folgen die vollständigen Spektra aller Elemente.
Zur Erzeugung ihrer Spektren bedienten sich die Verfasser eines
Hochspannungstransformators, der ihnen wegen der großen Zahl der
Stromwechsel und der Verwendbarkeit bedeutender Stromstärken günstiger
erschien. Es wurden 80 Wechsel, 100 Volt Betriebsspannung, 12 bis
15 Amp. benutzt, auf 10000 Volt transformiert und eine Kapazität von
etwa 750 m parallel geschaltet.
Außer einer bedeutenden Verschiebung durch „Funkendruck“ und
geringfügigen Verschiedenheiten der Intensität glauben die Verf. kcinen
Unterschied gegen die Entladungen eines Induktoriums konstatieren zu
können und auch dies nur bei linienarmen Elementen, während die
Differenzen gegen die Bogenspektra groß seien. Auf die Frage nach
der Größe der Druckverschiebungen werden wir noch weiterhin zurück-
zukommen haben. Was die übrigen Punkte betrifft, so muß man jeden-
falls, wie eine Reihe unten referierte Arbeiten zeigen, bei der Ver-
gleichung von Funkenspektren die größte Vorsicht anwenden, wenn sie
unter verschiedenen Bedingungen erhalten sind. Es ist nicht aus-
geschlossen, daß ein Induktorium durchaus anders wirkt, wie ein Trans-
formator, und auch die Tabelle der Verf. zeigt vielleicht Spuren solcher
Differenzen. So ist es auffällig, daß bei Atmosphärendruck in Wasser-
stoff keine Linien erhalten wurden, während bekanntlich der Versuch
mit einem Induktorium leicht gelingt. Ebenso traten zwar in einer
Cl-Atmosphäre einige Linien auf, in J dagegen keine u. s. w.
Die Substanzen wurden entweder in fester Form direkt als Elek-
troden verwendet, oder auf Kohlespitzen in den Funken eingeführt.
Zur Aufnahme diente ein Rowlandsches Konkavgitter von 15 englischen
Fuß Krümmungsradius und 20000 Linien pro Inch; das Spektrum wurde
in der ersten Ordnung stückweise auf 5 nicht gebogenen Platten auf-
genommen. Als Vergleichsspektrum diente der Eisenbogen. Die Ex-
positionszeit betrug im Maximum 2 Minuten. Endlich geschah die Aus-
messung in der bekannten Weise, daß das auszumessende Spektrum
zusammen mit dem Vergleichsspektrum auf einen Schirm mit fester Skala
projiziert wurde. Die Dimensionen waren so gewählt, daß einer A.E.
auf dem Schirm 1 cm entsprach, während auf der Platte 1 A.E. 0,372 mm
umfabte. Nun wurden die Wellenlängen direkt abgelesen und an Hand
des Vergleichsspektrums korrigiert. Das Gesichtsfeld umfaßte 250 A.E.
Davon wurden jedoch nur die mittleren 100 A.E. benutzt. Mit Hilfe
dieser Methode gelang es den Verf., die gesamte Arbeit in 18 Monaten
zu erledigen.
In der Tat liegen die Vorteile des Verfahrens auf der Hand: Zeit-
ersparnis, Bequemlichkeit, Übersicht über das Spektrum, Erkennung von
Neuere Arbeiten über Funkenspektren. 239
Verunreinigung, Erleichterung des Mappierens, Vermeidung der sonst
naheliegenden Versehen in den Standardlinien u. s.w., alles dies sind
unbestreitbare Vorzüge. Dagegen gehen die Ansichten über die auf
diesem Wege zu erreichende Genauigkeit auseinander. Eder und
Valenta,!) sowie Kayser haben zuerst Bedenken geäußert. Letzterer
(Handbuch der Spektroskopie, Bd. I, S. 729) bezweifelt, daB man nach
dem von Exner und Haschek angewendeten Verfahren die Leistungs-
fähigkeit der Gitter ausnutze, daß man die Vergleichslinien genügend
ausgleichen könne und daß man gegen Bildverzerrungen und gegen Ver-
schiebungen der Skala geschützt sei. Die Verf. dagegen sind der An-
sicht, daß ihre Methode der Ausmessung mit dem Komparator überlegen
sei, und daß es ihnen gelinge, durchweg mit einer einzigen Ablesung eine
Genauigkeit bis auf 0,015 A.E. zu erreichen. Zum Beweise vergleichen
sie die Ergebnisse mehrmaliger Ablesungen sowohl unter sich, wie auch
mit Zahlen, die von Kayser und von Rowland angegeben wurden,
endlich auch die von verschiedenen Beobachtern erreichte mittlere Ge-
nauigkeit und finden durchweg die obige Grenze eingehalten. Am
wichtigsten dürfte wohl der direkte Vergleich der Zahlen der Tabelle
mit denjenigen anderer Beobachter sein. Er ist für das Platinspektrum
vorgenommen. Als Mittelwert der Differenzen gegen Rowland ergibt
sich 0,015 A.E., gegen Kayser 0,014 A.E., während die Abweichungen
der beiden letzteren unter sich 0,010 A.E. betragen. Auch wurde ein
Spektrum nach beiden Methoden, mit Komparator sowohl, wie mit Pro-
jektion, aufgenommen und gute Übereinstimmung konstatiert. Es läßt
sich nicht leugnen, daß alle diese Zahlen sehr überzeugend aussehen.
Dennoch gestattet ein solcher Durchschnittswert der Differenzen nur
einen teilweisen Einblick und man wird vorsichtigerweise die Resultate
zahlreicherer Vergleichungen abwarten, ehe man der einen oder anderen
Methode den Vorzug gibt. Einiges Material liegt bereits vor. Ins-
besondere hat Hasselberg?) bei Gelegenheit seiner, Untersuchung des
Molybdänspektrums eine Vergleichung zwischen seinen Werten und den-
jenigen Exners und Hascheks vorgenommen und abgesehen von
einigen gänzlich ausfallenden Werten sowie nach Anbringung einer per-
sönlichen Korrektur eine mittlere Genauigkeit von 0,027 A.E. bei Exner
und Haschek gefunden. Dies Urteil eines so erfahrenen Beobachters
fällt gewiß sehr zu gunsten der auch von Kostersitz?) beschriebenen
Methode in die Wagschale.
Indes gelangt Kayser*) zu einem durchaus abweichenden Ergebnis.
1) J. M. Eder und E. Valenta, Die Spektren von Kupfer, Gold und Silber.
Denkschrift. Wien. Akad. math.-nat. Kl. 1896, S. 197. Anm.
2) B. Hasselberg, Untersuchungen über die Spektra der Metalle im elcktri-
schen Flammenbogen, VI. Spektrum des Molybdäns. Sv. Vetensk. Akad. Handl. 36.
Nr. 2. 1902; Astrophys. J. 16. S. 300—319. 1902; 16. S. 20—48. 1903.
3) K. Kostersitz, On a new objective method for the measurement of spektro-
£rams. Astrophys. J. 16. S. 262—264. 1903.
4) H. Kayser, Die Bogenspektren von Yttrium und Ytterbium, Abh. Berl,
Akad. 1903. II. 18 S.
240 H. Konen.
A TE
Er vergleicht die Bogenspektra von Y und Yb mit den von Exner
und Haschek gemessenen Funkenlinien und findet, neben einer großen
Verschiedenheit der Spektren im ganzen, eine Übereinstimmung rücksicht-
lich der Anwesenheit der stärksten Linien. Dabei schwanken jedoch
die Differenzen Ger gemessenen Wellenlängen zwischen +0,1 und
—0,1 A.E. bei Y; zwischen +0,04 und — 0,04 bei Yb, sind also wesent-
lich größer, als Exner und Haschek annehmen. Allein gegen alle
Schlüsse aus diesen Vergleichen wird man einwenden müssen, daß sie,
wofern man Exner und Haschek folgt, überhaupt unzulässig seien.
Die Verf. finden nämlich bei wiederholter Messung erhebliche, bis
zu 0,02 A.E. steigende Differenzen, die sie auf Rechnung des Funken-
druckes und der variablen Dampfdichte setzen und nach Art der zuerst
von Humphreys und Mohler entdeckten Druckverschiebung erklären
wollen. Es wird dabei an die früheren Arbeiten von Haschek an-
geknüpft.) Man könnte somit alle etwa zwischen Funkenspektren und
Bogenspektren beobachteten Differenzen auf Rechnung solcher Druck-
verschiebungen setzen.
Ob diesen Verschiebungen aber Realität zukommt,’ ist eine andere
Sache. Die Frage ist eine strittige und wird uns noch weiterhin be-
gegnen. |
Endlich machen die Verf. eine etwas wunderliche Anwendung ihrer
Messungen, indem sie die gemessenen Linien der Zahl nach zusammen-
stellen und in einer dem natürlichen System entsprechenden Weise
anordnen. Sie finden dabei, daß die Linienzahl eine periodische
Funktion des Atomgewichtes sei. Man sieht nicht recht ein, wie es
möglich sei, aus der in einem so beschränkten Bereich gemessenen Zahl
von zum Teil nicht einmal sicher konstatierten Linien derartige Schlüsse
zu ziehen. So figurieren H, S, Fl mit der Linienzahl o, U mit der
Zahl 5370 in der Tabelle, was doch offenbar durchaus willkürlich ist.
Über die Einrichtung der Tabelle mögen noch einige Angaben ge-
macht sein. Zu den einzelnen Elementen werden die Herkunft des
Materials, einige neuere Literatur und die aufgefundenen Verunreinigungen
angegeben, zu den einzelnen Linien kurze Charakter- und Intensitäts-
bezeichnungen. Die letzteren steigen bis 1000. Die Angabe solcher
Zahlen hat sich ja in der letzten Zeit eingebürgert, allein der Ref. ver-
mag sich nicht sehr dafür zu begeistern. Das was Kayser?) über
Schätzungen bis zur Intensität 100 sagt, gilt hier, wenn mit 10 mul-
tipliziert. Jedenfalls wird der Schein einer genauen Intensitätsmessung
erweckt, während es mit der Messung photographisch fixierter Intensi-
täten bekanntlich sehr traurig steht. Auch die Literaturangaben sind
selbst in Bezug auf die neueste Literatur keineswegs vollständig. SchlieB-
lich sind einzelne Angaben nicht recht verständlich. So werden z. B. vom
Cy die Wellenlängen 3883,50; 3871,54; 3861,84 in der Tabelle der
Linienspektra aufgeführt. Anscheinend sind die Kanten der Banden bei
ı) Man vergl. dazu Kayser, Spektroskopie. Bd. II. S. 308—309 und S. 367,
sowie weiter unten.
2) Kayser, Spektroskopie. Bd. I. S. XXII.
Neuere Arbeiten über Funkenspektren. 241
3883 gemeint, während doch sonst Banden ausgeschlossen sind!) und
die vierte Kante bei 3855 fehlt. Außerdem fehlt Cy in der Haupt-
tabelle. (Man vergleiche ferner H, Na u. a.)
Doch das sind schließlich Kleinigkeiten, wie denn der Wert der
Wellenlängentabellen keineswegs mit den gemachten Ausstellungen be-
stritten werden soll. Die Hauptsache dürfte sein, daß zunächst einmal
die Arbeit gemacht ist, und als solche erste Zusammenfassung wird das
Werk der Verf. jedem praktischen Spektroskopiker unentbehrlich sein.
Neben der Tabelle von Exner und Haschek haben wir noch
eine zweite umfangreiche Publikation über Wellenlängen von Funken-
spektren zu verzeichnen. Es ist .
O. Lohse, Funkenspektra einiger Metalle. Publ. Astrophys. Observ.
Potsdam 12, 3, Nr. 41, S. 111—291 (1902).
Dieselbe umfaßt die Funkenspektra der folgenden Metalle:
Ti 3370 bis 4000 Ir 3360 bis 3970
Va 3380 „ 4010 Bi 3400 , 3860
Cr 3370 „ 4010 | Pb 3440 „ 4020
Mn 3440 , 4020 U 3380 „ 4310
Fe 3370 „ 4460 Zr 3440 „ 4710
Ni 3370 „ 3860 La 3380 , 5670
Co 3370 „ 3970 Ce 3520 „ 4670
Mo 3370 „ 3990 Cerit 3420 „ 4010
Pd 3370 „ 3970 Th 3410 „ 4020
Wo 3380 ,, 40IO Di 3420 „ 5690
Der Verf., der zuerst mit einem Flüssigkeitsprisma arbeitete, dabei
aber, wie schon andere vor ihm, die Nachteile der Abhängigkeit solcher
Prismen von kleinen Temperaturdifferenzen erfuhr, benutzte diesmal ein
Rowlandsches Konkavgitter. Er war in der angenehmen Lage, drei
Gitter von 6 resp. 5 Fuß Krümmungsradius zur Verfügung zu haben,
deren Aufstellung und Verwendung ausführlich beschrieben wird, ebenso
wie die Gitter selbst, ohne daß über wesentliche Neuerungen zu be-
richten wäre. Bemerkenswert ist, daß der Verf. das eine dieser Gitter,
ähnlich wie es früher von Runge und Paschen?) geschehen ist, in
Verbindung mit einem Kollimatorrohre verwendete, um vorhandene
Montierungsstücke benutzen zu können. Das Verfahren hat bekanntlich
den Vorteil, größere Intensität zu liefen, auf der anderen Seite aber
den sehr großen Nachteil, wieder Linsen in das System einzuführen,
und ist daher auf Ausnahmefälle, wie den vorliegenden, beschränkt.
Weiterhin wurde die Funkenstrecke mit einem Induktorium betrieben,
das 5 Amp. bei 20 Volt erhielt. Über die verwandte Kapazität und
über die gelegentlich (z. B. bei U) eingeschaltete Selbstinduktion fehlen
genauere Zahlenangaben. Eine Elektrode bestand aus Eisen, dessen
Linien somit in einwandfreier Weise in alle Spektra als Vergleichslinien
eingingen. Es wäre von Interesse, zu erfahren, wie sich unter diesen
1) Mit zwei Ausnahmen: Bd. II. S. 66 und S. 256.
2) Literatur: Kayser, Spektroskopie. Bd. I. S. 482.
242 - H. Konen.
Umständen die Intensität der Linien der beiden Metalle, sowie ihre Ver-
teilung innerhalb der Funkenbahn gestaltet. Doch scheinen genauere
Beobachtungen hierüber noch nicht vorzuliegen.!) Der Verf. beschränkt
sich auf gelegentliche Bemerkungen (z. B. bei Co, Ti.)
Endlich ist die benutzte Teilmaschine, deren Schraube sorgfältig
untersucht wurde, sowie das Verfahren bei der Ausmessung genau be-
schrieben. Namentlich ist auch auf die Intensitätsbezeichnung und auf
die Ausmerzung von Geistern großer Wert gelegt.
Zur Beurteilung der Genauigkeit der Zahlenangaben hat der Verf.
selbst das von anderen Beobachtern gegebene Material zusammengestellt,
soweit es bei der Abfassung der Tabelle vorlag. Insbesondere ist der
Vergleich der Messungen für 164 Va-Linien nach Zahlen von Exner
(ältere Angabe), Rowland und Hasselberg durchgeführt. Da die
Wellenlängen Rowlands im Durchschnitt um 0,02 A.E. größer sind,
als das Mittel aus den Angaben der übrigen Beobachter, verfährt der
Verf. in der Weise, daß er das Mittel aus allen vier Angaben nimmt
und nun die Differenzen der einzelnen Reihen gegen das Mittel be-
rechnet. Dabei zeigt sich für Lohse ein mittlerer Fehler von 0,02 A.E.,
für Hasselberg (Bogen) 0,024 A.E., für Exner (Funke) 0,024 A.E.
Es erscheint dem Ref. nicht ausgeschlossen, daß diese Zahlen durch
Anbringung einer persönlichen Korrektur in der von Hasselberg?) an-
gegebenen Weise noch um einen kleinen Betrag heruntergedrückt werden
können.
Sodann kommt das Eisenspektrum als Vergleichsspektrum in Frage.
Bei ihm betragen die Differenzen gegen die neuen Kayserschen?) Nor-
malen durchschnittlich etwa 0,02—0,03 A.E., sind in einzelnen Fällen
jedoch auch größer. Ähnliche Abweichungen kehren in allen anderen
Spektren wieder, so daß in der Tat die erreichte Genauigkeit etwa auf
0,02—0,03 A.E. durchschnittlich zu veranschlagen sein würde. Ob es
möglich ist, augenblicklich mit einem kleinen Gitter mehr zu erreichen,
dürfte zweifelhaft sein, selbst wenn, wie im vorliegenden Falle, in der
dritten Ordnung gearbeitet wurde. Berücksichtigt man dies, so wird
man es auch nicht bedenklich finden, daß die Zahlen aus dem Row-
landschen Katalog der Sonnenlinien als Normalen benutzt wurden.
Prinzipiell ist ein solches Verfahren bei den systematischen Abweichungen
zwischen Sonnenlinien und Bogenlinien ja nicht zulässig, allein es geht
an, so lange die erstrebte Genauigkeit in den Hunderteln A.E. bleibt.
Auch darf man nicht vergessen, daß die Rowlandschen Normalen, soweit
vorhanden, selbst mit erheblichen Fehlern behaftet sind, wie die Be-
1) cfr. Kayser, Spektroskopie. Bd. II. S. 246—256, 318.
2) B. Hasselberg, Researches on the arc spectra of the metals VI. Astrophys.
J. 17. S. 20—48. 1903; Kgl. Svensk. Akad. Handl. 36. Nr. 2. S. 36—41. 1902;
Sur une &quation personnelle dans la mesure des clichés spectroscopiques. Mem.
Spectr, Ital. 31. 5 S. 1902.
3) H. Kayser, Normalen aus dem Bogenspektrum des Eisens. Ann. Phys. 3
S. 195—203. 1900; Handbuch I, S. 726—728.
Neuere Arbeiten über Finkenspektren. 243
m nn u u
stimmungen von Fabry und Perot!) zeigen. Diese Fehler lassen sich
zwar bis zu einer gewissen Grenze ausgleichen, und dies ist in den
Kayserschen Eisennormalen geschehen, aber heben lassen sie sich nur
durch die Bestimmung neuer und zahlreicherer Normalen, als sie jetzt
zur Verfügung stehen, sowie durch Anschluß an die Michelson-Fabry-
Perotschen Werte. Es dürfte kein Zweifel sein, daß, wenn diese Ar-
beit gemacht ist, an gut definierten Spektren in höheren Ordnungen
sich weit größere Genauigkeit erreichen läßt, als jetzt üblich, und daß
man dann die Tausendstel sicher bekommen kann. Soviel dem Ref. be-
kannt, sind Arbeiten in dieser Richtung im Werke. Vorläufig indes,
und für die meisten Untersuchungen auch in Zukunft genügt das vor-
liegende Material und die referierten Tabellen werden durch ihr gleich-
zeitiges Erscheinen nur wertvoller, indem sie sich gegenseitig kontrollieren
und ergänzen.
Führt man den Vergleich zwischen Exner und Haschek, sowie
Lohse durch, so zeigt sich durchweg eine befriedigende Übereinstim-
mung. Einige Linien, die wir willkürlich herausgreifen, mögen dies
illustrieren. Sie sind von Lohse als gut definiert bezeichnet oder be-
sonders stark, und wir fügen unter H. die von Hasselberg?) im Bogen
gemessenen Zahlen bei. L. bedeutet Lohse, E. + H. = Exner und
Haschek.
L E. + H. ` H.
Mo 3651,29 Mo 51,30 Mo 51,48
3092,81 92,82 92,79 Fe?
3781,73 81,75 81,75
3847,39 47,39 47,41
3986,34 86,36 86,45
u. S. W. f
Außer den bereits genannten Autoren haben Hartmann und
Frost in der jüngsten Zeit noch einige Wellenlingenmessungen in Ent-
ladungsspektren publiziert. Ersterer (J. Hartmann, Die Wellenlänge
der Magnesiumlinie A 4481, Phys. Zeitschr. 4. S. 427—429. 1903) hat
im Verlaufe von Untersuchungen, über die noch zu berichten sein wird,
Bedingungen aufgefunden, unter denen die sonst meist unscharfe Linie
ganz scharf wird. Die günstigste Anordnung ist die, den Funken im
Vakuum zwischen Magnesiumelektroden überschlagen zu lassen, wenn
der Druck zwischen I mm und 60 mm beträgt und eine zweite mög-
lichst große Funkenstrecke vorgeschaltet ist. Die Aufnahmen wurden
1) Ch. Fabry und H, Perot, Measures of absolute wave-lengths in the
solar spectrum and in the spectrum of iron. Astrophys. J. 15. S. 73—96. 261—273.
1902; Ann. chim. phys. (7) 25. S. 98—ı39. 1902. — Hierzu auch G. Eberhard,
Systematic errors in the wave-lengths of the lines of Rowlands solar spectrum.
Astrophys. 17. S. 141—145. 1903; Kayser, Handbuch I. S. XXIII, 718; H. Kayser,
Die Bogenspektra von Y und Yb. Abh. Berl. Akad. 1903. II. S. 8,
2) B. Hasselberg, Researches on the arc spectra of the’ metals, VI. Molyb-
denum, Astrophys. J. 16. S. 300—319; 17. S. 20—48. 1903.
244 H. Konen. Neuere Arbeiten über Funkenspektren.
Be ee nen a l EN = m m
mit dem Sternspektrographen III des Observatoriums in Potsdam aus-
geführt, dessen wirksamer dispergierender Teil aus drei Flintglasprismen
besteht. Als Vergleichsspektrum wurde der Eisenbogen mitphotographiert
und die Messungen auf die Kayserschen Zahlen bezogen. Die Be-
rechnung geschah in der vom Verf. ausführlich beschriebenen Weise. ?)
Da die Linie 4481 sich unsymmetrisch verbreitert, muB die Bedingung
absoluter Schärfe erfüllt sein, damit die Messungen einen Sinn haben.
Aus diesem Grunde eliminiert der Verf. alle Zahlenwerte, die an nicht
ganz scharfen Aufnahmen erhalten wurden, ein Verfahren, das durchaus
zu billigen ıst. Es bleiben dann acht Aufnahmen, die den Wert
A= 4481,384 mit einem mittleren Fehler von 0,002 A.E. ergeben, wo-
bie die größte Abweichung 0,02 A.E. beträgt. Allerdings geben die
Messungen bei Atmosphärendruck wesentlich andere Zahlen. Doch
wird die Differenz, die sich auf etwa 0,03 A.E. beläuft, gewiß zum
größten Teil auf Rechnung der einseitigen Verbreiterung zu setzen sein.
Nach Exner und Haschek hätte man auch an Druck- und Dichte-
verschiebungen zu denken. Indes ist der Betrag, der der sicher kon-
statierten Druckverschiebung im Sinne Humphreys und Mohlers zu-
zuschreiben ist, zu klein, um hier in Frage zu kommen, und die Hypo-
these Exners und Hascheks erscheint dem Ref. aus noch auszu-
führenden Gründen höchst zweifelhaft. Somit darf man den Wert
4481,354 für durchaus sicher halten. Er weicht zwar von den älteren
Messungen erheblich ab, allein in allen Fällen war die Linie eben
unscharf.
Ein Punkt, der besonders interessant erscheint, mag noch hervor-
gehoben sein, und er mag auch dies ausführliche Eingehen auf Detail
entschuldigen. Es ist die überraschende Genauigkeit, die bei der Aus-
messung erreicht wurde. Auf ı mm der Platte kamen 10,9 A.E. Ein
Messungsfehler von 0,001 mm entsprach schon einer Differenz von
0,01 A.E. Trotzdem ist es dem Verf. gelungen, in dem kleinen aus-
gemessenen Bezirke und unter Anschluß an dieselben Eisennormalen den
Wert der Wellenlänge in Bezug auf diese letzteren bis auf wenige
Tausendstel A.E. zu bestimmen. Dies zeigt wieder einmal, welcher
Genauigkeit derartige spektrographische Messungen unter günstigen Um-
ständen und relativ zu bestimmten Normalen fähig sind und bestätigt
unsere obige Behauptung, daß man in den höheren Ordnungen der
großen Gitter zweifellos die Tausendstel sicher wird messen können, so-
bald erst ein System von Normalen vorliegt, das besser ist als das
Rowlandsche. So ungeheuer der Fortschritt war, den dieses System
gegenüber den älteren Messungen bedeutete, reicht es eben doch für
die Genauigkeit der jetzigen Messungen nicht mehr aus.
Weiterhin hat Hartmann‘) die Wellenlängen der Siliciumlinien
4128 und 4131, sowie der Kohlelinie 4267 bestimmt, indem er mit
ı) J. Hartmann, Über die Ausmessung und Reduktion der photographischen
Aufnahmen von Sternspektren. Astron. Nachr. 155. S. 81—118. 1901.
2) J. Hartmann, The wave-lengths of the silicon lines A 4128 and A 4131
and of the carbon line A 4267. Astrophys. J. 18. S. 65—66. 1903.
Referate. 245
Eberhard das Spektrum von Geißlerröhren photographierte, welche
SiFl, resp. Kohlenstoftverbindungen von niedrigem Druck enthielten.
Während die betrefienden Linien schr unscharf sind und daher un-
genau bekannt waren, erhält man nach dieser Methode scharfe Bilder.
Die Wellenlängen sind Si 4128,204 und 4131,040, und C 4267,301,
angeschlossen an die Kayserschen Normalen 4118, 4132, 4144.
In ähnlicher Weise wie Hartmann hat Frost!) einige Linien des
schon von Hasselberg untersuchten zweiten Wasserstofispektrums im
Bezirk 4350—4720 mit einem Prismenspektrographen gemessen. Das
Spektrum wurde erhalten mit Hilfe einer Röhre, die ursprünglich Helium
enthielt, diesen Inhalt aber nach längerer Benutzung verloren hatte. Die
Messungen sind jedoch nicht so genau ausgefallen, wie bei Hartmann.
Gegen 5 von Ames bereits gemessene Linien sind Differenzen von
rund 0,1 A.E. vorhanden. Die Abweichungen vom Mittel der Mes-
sungen des Verf. selbst betragen etwa 0,04 A.E. Leider ist ein genauer
Vergleich mit Hasselberg nicht möglich, da dessen Werte an die alten
Angströmschen Normalen angeschlossen sind. Es wäre daher sehr zu
wünschen, daß einmal eine vollständige Wiederholung der Hasselberg-
schen Messungen vorgenommen würde.
Endlich haben Frost und Adams?) 22 Luftlinien im Bezirk 4310
bis 4660 an Platten gemessen, die Ellerman und Kent mit einem
großen Konkavgitter von 6,5 m Radius hergestellt hatten. Der mittlere
Fehler der Messungen beträgt 0,02 A.E. Dabei ist allerdings zu be-
, rücksichtigen, daß die Luftlinien durchweg unscharf sind. Aus diesem
Umstand mag sich auch die sonst verwunderliche Tatsache erklären,
daß in neuerer Zeit und mit modernen Hilfsmitteln das Luftspektrum
noch nicht ausgemessen worden ist. Das Resultat der Verf. dürfte
aber zeigen, daß eine derartige Arbeit keineswegs unausführbar ist.
(Wird fortgesetzt.)
Referate.
Emission und Absorption des Lichts. Photometrie.
J. M. Eder. -Photometrische Untersuchungen der chemischen
Helligkeit von brennendem Magnesium, Aluminium und
Phosphor. (Ber. Wien. Akad. math. naturw. Kl. CXII. Abt. IIa.
S. 249—260. 1903.)
In einer Lampe mit Uhrwerk brennendes Magnesiumband gab bei
einem Verbrauch von 7,4 mg pro Sekunde die optische Helligkeit von
ı) E. B. Frost, Wave-lengths of certain lines of the second spectrum of
hydrogen. Astrophys. J. 16. S. 100—105. 1902.
2) E. B. Frost und W. Adams, Wave-lengths of certain oxygen lines. Astro-
phys. J. 16. S. 119—120. 1902.
246 Referate.
135 Hefnerkerzen. In engen Grenzen nahm die optische Helligkeit
proportional der verbrannten Menge pro Zeiteinheit zu. Zur Bestimmung
der photochemischen Wirkung wurden 2,6 mg Magnesiumband (1 cm
davon wog 0,0065 g) in 44,5 cm Abstand von Bromsilberplatten abgebrannt
und mit der Wirkung einer Hefnerlampe in 12 m Abstand bei Be-
lichtungszeiten von !/, bis 3 Minuten verglichen. Die chemische
Helligkeit war für ein mg Magnesium gleich 435 Hefnermetersekunden.
Für Chlorsilbergelatine wurde dagegen mehr als doppelt soviel, 872 H.M.S.
gefunden. Das Verhältnis der photographischen Helligkeit zur optischen
oder „die relative Aktinität“ ist daher für AgBr 23,8; für AgCl 47,8.
Unter Anwendung von E ders Róhrenphotometer (s. diese Zeitschr. 1, 122)
und durch Vorschaltung von farblosen Gläsern wurden Bedingungen
hergestellt, die den bei photographischen Aufnahmen üblichen einiger-
maßen ähnlich sind; 1 cm lange Stückchen Magnesium zeigten Hellig-
keitsschwankungen bis 20°/,; größere Stücke waren konstanter und durch
möglichst gleichmäßiges Anbrennen waren die Helligkeitsunterschiede
unter 7°/, herabzubringen. 1 cm Magnesium (Gewicht 0,005—0,007 g)
gab auf AgBr die chemische Helligkeit von 270 H.M.S.; 5 cm (0,030 g)
gaben 285 H.M.S. und 10 cm Magnesium (0,065 g) 325 H.M.S. je
berechnet auf 1 mg Magnesium. Bei der Einwirkung auf orthochro-
matische Platten wird die relative Aktinität kleiner, I mg war nur
äquivalent 192 H.M.S. Magnesiumpulver entwickelt als Pustlicht nahezu
dieselbe Lichtmenge, wie Band; alle Blitzpulver gaben schlechteren
Effekt; die Konstanz ist aber dieselbe. Magnesium eignet sich nicht als
Normallichtquelle für Sensitometrie (s.'S. 125), weil neben dem Spektrum
des leuchtenden Dampfes von Magnesiumoxyd die Linien des Magnesium
auftreten und das Spektrum zerreiben. 1 mg Magnesium in Sauerstoff
verbrennend war gleich 769 H.M.S.
Blattaluminium in Luft verbrannt, gab auf AgBr den Effekt von
14 H.M.S.; in Sauerstoff von 715—824 auf gewöhnliche und von 308
H.M.S. auf orthochromatische Platten pro mg. Al.-Pulver plus Perchlorat
gab 232 H.M.S.
Für ı mg Phosphor war die chemische Leuchtkraft in Luft 2,8, in
Sauerstoff 84,5 H.M.S.; diese Zahl ist ein Minimum, weil beim Ver-
brennen im Becherglas Rauch zurickblieb, Englisch.
P. G. Nutting. Das Reflexionsvermögen von Selen, Cyanin
und Glas im Ultraviolett. (Physical Review. Vol. 16. p. 130.
1903.) |
Für die Untersuchung dient ein dem Wildschen ähnliches Polari-
sationsphotometer. Das Interferenzstreifensystem zweier Lichtbündel,
deren eines von der zu untersuchenden, das andere von einer Vergleichs-
substanz unter nahezu 90% reflektiert worden ist, wird für verschiedene
Winkeldrehungen des analysierenden Nicols photographiert. Aus der-
jenigen Stellung des Nicols, fúr welche die Interferenzstreifen verschwinden,
läßt sich in bekannter Weise das Reflexionsvermógen der zu unter-
suchenden Substanz, bezogen auf die Vergleichssubstanz, bestimmen.
Referate. 247
Als letztere dient eine parallel der optischen Achse geschnittene Quarz-
platte, deren Reflexionsvermögen AR aus ihren Brechungsindices für die
zugehörigen Wellenlängen berechnet wird. Als Lichtquelle dient im
sichtbaren Spektrum die Nernstlampe, im Ultraviolett der Funke zwischen
Aluminium-, Zink- und Kadmiumelektroden.
Selen zeigt, entsprechend seiner Durchlässigkeit im Ultrarot, ein
schnelles Ansteigen des R von 14,34%/, für = 620 uu bis 18,39%,
für 4 = 589 uu, dann ein sanftes Abfallen bis 9,98”/, für A= 274 pp.
Die Kurve stimmt nicht mit der aus den Woodschen Messungen der
Brechungs- und Extinctionsindices » und 4 berechneten.
Cvanın. Die Kurve stimmt der Form nach mit der, aus den
Pflüger-, Wood- und Magnussonschen Messungen der n und # be-
rechneten, überein. Verf. beschreibt weiter die Änderungen der Ober-
flächenfarbe, des Reflexionsvermögens und der Absorption, wenn man
Cyanin dem Lichte aussetzt — eine Folge der bekannten Lichtempfind-
lichkeit dieses Farbstofles.
Glas. Die Reflexionskurve mehrerer Jenenser Gläser steigt im
Ultraviolett an, zeigt aber kein auf anomale Dispersion hinweisendes
plötzliches Anwachsen. A. Pflüger.
J. Formänek. Über die Beziehungen zwischen Konstitution
und Absorptionsspektrum gefärbter organischer Ver-
bindungen. (Zeitschr. f. Farben- u. Textilchemie 2. 137—38.
149— 57. 171—76. 1./4. 15./4. 1./5. Prag.) |
Nach einer vollständigen Literaturübersicht über alle Arbeiten auf
diesem Gebiet wird eine große Menge von Regelmäßigkeiten dargelegt,
die sich bei der Untersuchung von wässerigen und alkoholischen
Lösungen von Farbstoflen ergaben. Die geprüften Stoffe entstammen
zur Hauptsache der Reihe des Triphenylmethans, Chinonimids, Akridins
und Alizarins.
Die Vereinigung der aromatischen Reste C,H,NR, oder C,H,OH
mit den mehrwertigen Gruppen =CH oder —N—N— ruft Farbe her-
vor dadurch, daB im sichtbaren Teil des Spektrum Absorptionsstreifen
entstehen und zwar in gleicher Anzahl, als solche aromatische Reste
vorhanden sind. Sehr häufig liegen zwei dieser Streifen sehr dicht
nebeneinander; sie bilden zusammen einen Doppelstreifen, der bei
starker Verdünnung in einen einzigen einfachen verfließt. Werden die
genannten aromatischen Reste noch anderweitig miteinander verkettet,
etwa mit Hilfe von Sauerstoff oder Schwefel, so tritt zu den schon vor-
handenen noch ein neuer Streifen hinzu. Zur Hervorbringung von
Farbe ist aber die Gegenwart von mindestens zweier Reste C,H,NR,
oder C¿H,OH nötig; bei einem einzigen ist die Verbindung noch farb-
los oder höchstens gelb, indem sie nur einseitig ohne Streifenbildung im
Violett absorbiert. Häufig ist der Rest C,H,OH erst in alkalischer
Lösung wirksam.
Die Form und die Lage der Absorptionsstreifen steht in innigem
Zusammenhang mit der Konstitution. Die Form ist bei Farbstoften der-
Zeitschr. f. wiss. Phot 1. 18
248 Referate.
selben Klasse, also bei solchen von gleicher Struktur dieselbe, hingegen
ist die Lage eine verschiedene. Zunächst kommt es wesentlich auf die
Stellung der NR,- oder OH-Gruppen im aromatischen Rest an; vor-
zugsweise in para-Stellung gelangen sie zu ihrer vollen Entfaltung.
Ferner ist die Gegenwart gewisser Gruppen von besonderem Einfluß;
Einführung von Alkylen und Phenylen, von Nitrogruppen und Halogenen,
auch von salzbildenden Gruppen, wie SO,H, bedingt eine Verschiebung
der Absorptionsstreifen und zwar meistens nach Rot.
Viele Farbstoffe liefern fluoreszierende Lösungen, wenn sie die
Struktur
NA R x
R,
aufweisen, in ‘welcher R = S, O oder N und R, =C oder N sein
kann und wenn sie NH,- oder OH-Gruppen in symmetrischer Stellung
enthalten. In manchem Lösungsmittel, etwa Athyl- oder Amylalkohol,
ist die Fluoreszenz kräftiger; in andern wieder, wie Wasser, ist sie
schwächer; in Anilin ist Sie verschwunden. Der Zusatz von Säuren
oder Basen ist nicht von regelmäßigem Einfluß; in manchen Fällen tritt
Verstärkung, in manchen Schwächung ein. H. Kauffmann.
Technisches Repertorium.
Herstellung von Silberspiegeln.
Die Herren Lumière haben vor Jahren das Aldchydverfahren an-
gegeben, aber dieses war ziemlich unsicher und hat niemals so recht
Eingang gefunden. Jetzt wird in einer französischen Zeitschrift aufs
Neue auf das Verfahren aufmerksam gemacht und es in einer Form
beschrieben, die uns sofort sichere Resultate gegeben hat. Die Vorschrift
selbst gebe ich in einer wenig abgeänderten Weise. Man nimmt a ccm
einer 2°/„igen ammoniakalischen Silbernitratlösung (der AgNO,-Lösung
wird soviel NH, zugesetzt, daß der zuerst entstehende Niederschlag sich
wieder löst), a ccm dest. Wasser und mischt damit schnell a Tropfen
40°/ iger (käufl.) Formaldehydlósung. Die Versilberungsflüssigkeit ist
richtig zusammengesetzt, wenn sie schnell durch alle Nuancen von Rot
hindurchgeht und dann auf der Oberfläche eine zusammenhängende
Silberhaut bildet. Das muß an kleinen Quanten ausprobiert werden,
ein Tropfen Formalin mehr genügt zur Erreichung des Ziels. Die Tempe-
ratur darf nicht über 15% sein, sonst wird der Niederschlag grob und
kómig. Die Gläser sind mit Salpetersäure zu reinigen, mit Pariser Rot
zu polieren und mit verdünntem Ammoniak abzuspúlen. Ein großer
Vorzug des Verfahrens liegt darin, daß mit Ausnahme der Versilberungs-
flüssigkeit gewöhnliches Wasser verwendet werden kann, wenn ihm nur
etwas Ammoniak zugesetzt wird. Der Spiegel kann poliert werden.
Englisch.
Referate. 249
Theorie photographischer Vorgänge.
B. Homolka. Über die Anwendung der Alkalisalze der
Amidoessigsäure zum Abschwächen photographischer
Silberbilder. (Phot. Corr. S. 19—21. 1903.)
Die Farmersche Lösung ist wegen der Einwirkung des Ferricyan-
kaliums auf das Thiosulfat nur von geringer Haltbarkeit; ersetzt man
das Thiosulfat durch ein Alkalisalz der Amidoessigsäure (Pinakolsalz N des
Handels) so erhält man einen rasch wirkenden und haltbaren Abschwächer.
Schaum.
E. Valenta. Zur Kenntnis der chemischen Vorgänge beim
Schwärzen des mit Sublimat gebleichten Silberbildes
mit Thiosulfaten. (Phot. Corr. S. 302—306. 1903.)
Verf. hat früher (Phot. Corr. 1902) gezeigt, daß beim Schwärzen
des mit Sublimat gebleichten Silberbildes ınittelst Natriumsulfit Ag, Hg
und AgCl gebildet werden. Bei der Ausführung analoger Versuche
über die Wirkung von Thiosulfaten stellte Verf. fest, daß bei Anwendung
sehr verdünnter Thiosulfatlösungen AgCl und Hg, bei konzentrierten
Lösungen nur Hg gebildet wird, also nur bei sehr kurzer Einwirkung
verdünnter Lösungen die Verstärkung nicht leidet. Bei der Anwenduug
von Lösungen einiger komplexer Salze wurden folgende Beobachtungen
gemacht: Auronatriumthiosufat gibt Au, Hg und AgCl; beim Schwärzen
mittels einer Lösung von Bromsilber in Thiosulfat wird Ag, Hg und
AgBr gebildet. Das Halogensilber läßt sich in diesen Fällen durch
Entwickler in metallisches Silber umwandeln; hierdurch wird die Ver-
stärkung natürlich erhöht. — Bleinatriumthiosulfat liefert Hg, Sulfide,
Bleithiosulfat und AgCI. Schaum.
E. Valenta. Das Sensibilisierungsvermögen einiger Farb-
stoffe der Cyaningruppe auf Bromsilbergelatine. (Phot.
Corr. S. 359—365. 1903.)
Verf. hat eine größere Anzahl von Farbstoffen der Cyaningruppe
hinsichtlich des Absorptionsvermögens und der sensibilisierenden Wirkung
auf Trockenplatten untersucht. Es ergab sich, daB die blauen alkoholischen
Lösungen zweier Lepidinderivate ein Absorptionsband von 4=025 bis
A=574 mit einem Maximum bei ca. 591 und ein zweites schwächeres
Band, mit dem Maximum bei 4= 558, resp. (bei dem anderen Derivat)
bei A=545 zeigen; die anderen ıo Cyaninfarbstoffe geben violette
Lösungen und weisen sämtlich zwei Absorptionsbänder auf, deren Maxima
bei A=ca. 560—573 und A=ca. 520—525 liegen. Alle 12 unter-
suchten Farbstoffe erweisen sich als gute Sensibilisatoren; bezüglich der
Einzelheiten, besonders der Lage der Sensibilisationsgebiete, muß auf die
Originalabhandlung verwiesen werden. Schaum.
L. Radke. Solarisation und Umkehrwirkung in der Photo-
graphie. (Phot. Mitt. S. 61—063. 1903.)
Zur Untersuchung der Vorgänge, welche den Clayden-Effekt
(„dunkle Blitze‘‘) bedingen, hat Verf. folgenden Versuch angestellt. Eine
18 *
250 Referate.
vor einem schwarzen Hintergrund brennende Kerze wurde bei Exposi-
tionszeiten von 1/. bis 5 Sek. fünfmal nebeneinander aufgenommen
und die Platte nachher einige Zeit diffus belichtet. Durch die Nach-
belichtung soll der Lichteindruck der drei kürzesten Expositionen um-
gekehrt worden sein. Dieses Ergebnis bedarf nach Ansicht des Ref.
einer weiteren Prüfung. Schaum.
C. Schmuck. Beobachtung über Negativumkehrung. (Phot.
Mitt. S. 152—154. 1903.) |
Übermässiger Zusatz von Thiosulfat zum Eisenentwickler bedingt
das direkte Entstehen eines gelben Positivs. Schaum.
Direkte Farbenphotographie.
R. Neuhauss. Neues über direkte Farbenphotographie (Aus-
bleichverfahren). (Phot. Rund. XVII. 149—151. 1903. Vor-
trag auf dem Berl. Kongreß f. angew. Chemie).
Vorschrift: 100 ccm weiche Gelatinelösung, Methylenblau (1 : 500)
6 ccm, Auramin (1:500 Alkohol) 1,5 ccm, Erythrosin (1:200) 3 ccm.
Sensibilisation durch ätherische Wasserstoffsuperoxydlösung (6 ccm. 30°/,-
iges H,O, in 200 ccm Äther); anzuwenden vor dem Gebrauch. Glas
muß noch immer die Unterlage scin. Bisweilen „entwickelten“ sich an-
kopierte Platten, besonders solche mit Äthylrot, in lauwarmem Wasser
weiter. Die Bedingungen konnten nicht festgestellt werden. Methylen-
blau und einige andere Farbstoffe verlieren die Farbe im Dunkeln, wenn
man sie mit Persulfat in Berührung bringt. Die Farbe tritt bei Be-
strahlung mit komplementärem Licht wieder auf, erscheint aber auf der
trocken belichteten Platte erst, wenn man sie in Wasser taucht. Neu-
hauss sieht hierin die Anfänge eines neuen ,,Farbenbildungsverfahrens“.
Englisch.
Radioaktivität. Elektronen,
E. Goldstein. Über die Einwirkung von Kathodenstrahlen
auf anorganische und organische Präparate. (Ber. der
deutschen chem. Ges. 30. 349. 1903.)
Um der Frage nach dem Ursprung der Farbe, welche eine Reihe
sonst nur als farblos bekannter anorganischer Salze unter der Ein-
wirkung von Kathodenstrahlen annehmen, der sogenannten Nachfarbe,
näherzutreten, sind eine große Anzahl anorganischer und organischer
Ammoniumsalze untersucht worden, weil bei diesen Salzen sich die
Nachfarbe nicht auf ein Freiwerden eines Metalls zurückführen läßt.
Bei der Temperatur der flüssigen Luft weisen diese Salze Nachfarbe
auf, die aber durch Temperaturerhöhung und durch Bestrahlung mit
Licht wieder verschwindet. Organische Säuren und Aldehyde nehmen
in der gleichen Weise dann Färbungen an, wenn sie Halogen enthalten.
Verf. zieht daher den Schluß, daß es in den Ammoniumsalzen und den
Referate. 251
andern organischen Stoffen immer nur das Halogen ist, das die Nach-
farbe veranlaßt, und daB in den Halogensalzen der Alkalien nicht nur
das Metall, sondern auch das Halogen die Nachfarbe bewirkt. Ferner
ist zu schließen, daß durch die Kathodenstrahlen die Lichtabsorption
zunächst der Haloide außerordentlich verstärkt wird, denn die bei der
Bestrahlung vielleicht entstehende Menge Halogene ist viel zu gering,
um für das Auge durch die Färbung ohne weiteres erkennbar zu sein.
Am Schwefel zeigt sich die Verstärkung direkt; durch flüssige Luft ge-
kühlter Schwefel ist weiß; bei der Bestrahlung wird er chamoisfarbig,
also noch dunkler als er gewöhnlich ist. So wie hier der Schwefel in
einen allotropen Zustand versetzt wird, verhalten sich wahrscheinlich
auch andere Elemente, auch wenn sie in einer Verbindung als Kompo-
nente zugegen sind. Gestützt wird diese Auffassung durch das Ver-
halten solcher farblosen Verbindungen, welche mindestens ez Element
enthalten, das Nachfarbe zeigt. Während Harnstoff keine Nachfarbe
gibt, tritt sie am Schwefelharnstoff auf. Schwefelsäure färbt sich gelb,
Salzsäure lauchgrün, Phosphorsäure hyacinthrot. Die Erzeugung der
Nachfarbe ist keine lediglich additive Eigenschaft der Atome, was schon
daraus hervorgeht, daß isomere Verbindungen sich verschieden stark
und mit verschiedener Nuance färben. H. Kauffmann.
K. A. Hofmann u. J. Wölfl. Das radioaktive Blei als pri-
mär wirksamer Stoff. (Ber. der deutschen chem. Ges. 36,
S. 1040—1047. 1903.)
Aus Uranmineralien läßt sich ein dem gewöhnlichen inaktiven Blei
nahestehender Stoff abscheiden, der sehr kräftig primär aktiv ist und «-
(leicht absorbierbare) und f- (durchdringende) Strahlen aussendet. Zur
Entfernung des gewöhnlichen Bleis wird das noch unreine Chlorid des
Radiobleis mit alkoholischer Schwefelsäure in Gegenwart von Salzsäure
behandelt; in den Filtraten vom ausgefällten Bleisulfat ist dann ein
stark aktives Salz gelöst. Das Oxyd des Radiobleis ist in trockenem
Zustande glänzend gelblich und sehr aktiv; es wirkt augenblicklich ent-
ladend auf ein Elektroskop, schwärzt die photographische Platte intensiv
und veranlaßt lebhaftes Leuchten der Sidot’schen Blende und des
Baryumplatincyanürs. Lösungen des Chlorids wirken induzierend auf
eingetauchte Metallstücke, die blank und selbst nach dem Abwaschen
mit Wasser und Papier aktiv bleiben. Erst Rotglut vernichtet die
Aktivität. Die &-Wirkung tritt leichter auf das Metall über, als die
B-Wirkung. Zur besseren Übertragung letzterer müssen die Metalle in
Form von Salzen der Radiobleichloridlösung zugeführt werden. Die
Metalle, von denen sich die edlen besonders auszeichnen, verhalten sich
nicht gleich; «-Wirkung wird besonders stark aufgenommen von Palla-
dium, -Wirkung von Iridium. H. Kauffmann.
F. Giesel. Über Polonium und die induzierende Eigenschaft
des Radiums. (Ber. der deutschen chem. Ges. 36. 2368—2370.
1903.)
Von Marckwald ist gefunden worden, daß metallisches Wismut
durch Eintauchen in eine Poloniumlösung stark aktiv wird und «-Strahlen
252 Referate.
A A A A A A a
aussendet. Ist Verfs. Vermutung richtig, daß Polonium nichts anderes
sei als durch Radıum induziertes Wismut, so muß das metallische Wis-
mut auch in einer Radiumlösung dieselbe Eigenschaft annehmen. Die
Versuche bestätigen die Auffassung. Wismut, auch Platin und Palladium
werden durch vorübergehende Berührung mit einer ı°/,igen Radium-
lösung in ı —2 Tagen radioaktiv; das erstere viel kräftiger als die beiden
anden. Die aktivierten Metalle senden nur «-Strahlen und keine
P-Strahlen aus. Von Wichtigkeit ist, daß diese durch Induktion er-
langte Aktivität nicht wie in andern Fällen mit der Zeit abnimmt. Vom
Wismut und Palladium lösen sich geringe Mengen auf, die, durch
Schwefelwasserstoff gefällt, stark -Strahlen aussenden. — Die von
Curie festgestellte Wärmeerzeugung der Radiumpräparate hat Verf.
leicht nachweisen können. 0,7 g Radiumbromid erzeugen in einer Glas-
flasche eine Temperatur, die um 5° höher liegt als die der Umgebung.
H. Kauffmann.
J. Strutt. Die Herstellung und die Eigenschaften eines in-
tensiv radioaktiven Gases aus metallischem Quecksilber.
(Phil. Mag. 6. 31. 113—1106.)
Geradeso wie Luft, die über erhitztes Kupfer streicht, radioaktiv
wird, so nimmt sie diese Eigenschaft auch an, wenn sie durch Queck-
silber, kaltes oder warmes, geblasen wird. Durch wiederholtes Durch-
treiben der Luft wird die Radioaktivität so sehr gesteigert, daß sie sehr
viel größer wird als bei der Verwendung anderer Metalle. Die so aktivierte
Luft verliert ihre Wirkung nach einiger Zeit wieder; in 3,18 Tagen ist
die Aktivität auf die Hälfte gesunken. Dieser Wert weicht nur sehr
wenig ab von dem für die Emanation des Radiums ermittelten, denn
Rutherford fand 3,7 Tage und Curie 4,0. Der Abfall vollzieht sich
in einer geometrischen Reihe. H. Kauffmann.
E. v. Schweidler. Über die angebliche Radioaktivität und
die Lumineszenz von Reten. (Physik. Zeitschr. 4. Nr. 19.
521—522.) .
Der Kohlenwasserstoff Reten, C,¿H,¿, sendet, wie W. Arnold
(Wied. Ann. 61. 324. 1897) bewies, Becquerelstrahlen aus, die auf eine
lichtdicht verhüllte photographische Platte wirksam sind. Über die ioni-
sierende Wirkung lagen bis jetzt keine Untersuchungen vor; Verf. suchte
sie festzustellen, erhielt aber sowohl mit Reten, das vorher mit Licht,
Kathoden- oder Röntgenstrahlen bestrahlt war, als auch mit nicht vor-
behandelter Substanz keine merkliche Wirkung. Demnach wäre Reten
mit Wasserstoflsuperoxyd, das nach Grätz ebenfalls photographierbare,
aber nicht ionisierende Strahlen aussendet, in eine Linie zu stellen. —
Beim Auftreflen von Kathodenstrahlen fluoresziert Reten zuerst intensiv
enzianblau, nach einiger Zeit blauviolett und endlich rotviolett. Bei
flüssigem (geschmolzenem) Reten ist die Fluoreszenz dunkelblau. (Vergl.
E. Wiedemann und G. C. Schmidt, Wied. Ann. 56. 18. 1895.)
H. Kauffmann.
Referate. 253
C. Barus. Die Beziehung der Ionisation zur Kernbildung
bei Phosphor. (Phys. Rev. LXXXV. p. 287. Mai 1903.)
Die Eigenschaften der durch Phosphordampf elektrisch leitend ge-
machten Luft waren in der letzten Zeit mehrfach Gegenstand ausge-
dehnter Untersuchungen. Es handelt sich dabei vor allem um zwei
Erscheinungen, nämlich die erhöhte elektrische Leitfähigkeit, welche ver-
mutlich auf Ionisation beruht, und die Fähigkeit, einen Dampfstrahl zu
kondensieren, wobei die Ionen oder auch sonstige durch den Phosphor
hervorgerufene Teilchen die Kerne für die Nebeltröpfchen bilden. Wie
sich aus der vorliegenden Arbeit ergibt, nimmt die erstere Eigenschaft
sehr schnell mit der Zeit ab, während sich die letztere Wirkung ziem-
lich lange erhält. Die Kondensation des Wasserdampfes ist mit teil-
weiser Vernichtung der Leitfähigkeit der Luft, d. i. der lonisation, ver-
bunden, ob aber mehr positive oder negative Ionen absorbiert werden,
konnte nicht mit Sicherheit festgestellt werden. W. Seitz.
F. Cook Gates. Wirkung der Hitze auf induzierte Radio-
aktivität. (Phys. Rev. LXXXV. p. 300. Mai 1903.)
Einem Drahte wurde induzierte Radioaktivität erteilt, indem der-
selbe, negativ geladen, mehrere Stunden in einem Gefäß zugleich mit
50 g Thorium sich befand. Als Maß für die erhaltene Radioaktivität
diente die durch den Draht in einem Zylinder hervorgebrachte Leit-
fähigkeit der Luft. Heftiges Glühen des. Drahtes mittels eines elek-
trischen Stromes entfernte die induzierte Radioaktivität, wodurch aber
die Leitfähigkeit der Luft sich nicht änderte, ein Beweis, daB die aktive
Substanz sich auf der Gefäßwand niedergeschlagen hatte und nicht ver-
nichtet war. Wurde während des Glühens ein starker Luftstrom hin-
durchgeblasen, so konnte durch dieselbe die aktive Masse größtenteils
beseitigt werden. Da es gleichgültig war, aus welchem Material der
Draht bestand, so dürfte die Wirkung des Glühens nicht in einem Ver-
stäuben der mit induzierter Radioaktivität bedeckten Metalloberfliche,
sondern in einem Verdampfen und Überdestillieren der radioaktiven
Substanz selbst bestehen. W. Seitz.
S. J. Allan. Radioaktivität von frisch gefallenem Schnee.
(Phys. Rev. LXXXV. p. 306. Mai 1903.)
Ebenso wie Regenwasser, so ist auch frisch gefallener Schnee radio-
aktiv, und zwar ist die Wirksamkeit 1 1 Schnees ebenso groß wie die
1/, g Uraniums. Die vom Schnee ausgehenden Becquerel-Strahlen
haben dasselbe Durchdringungsvermögen, wie die Strahlung eines Drahtes,
welcher in der atmosphärischen Luft dadurch induzierte Radioaktivität
angenommen hatte, daß er längere Zeit negativ geladen war. Über-
haupt scheinen auch in anderer Beziehung die beiden Strahlungen mit-
einander übereinzustimmen, nur wurde die Geschwindigkeit, mit welcher
die Aktivität mit der Zeit an Intensität abnimmt, etwas verschieden ge-
funden, was aber vielleicht nur in der Versuchsmethode gelegen ist.
Merkwürdigerweise ist die Aktivität einer bestimmten Schneemenge auch
bei langandauerndem Schneefall immer dieselbe. Es tritt also keine
Erschöpfung der Luft an radioaktiver Substanz ein. W. Seitz.
254 Referate.
Physiologische Optik.
J; v. Kries. Über die Abhängigkeit der Dämmerungswerte
vom Adaptionsgrade. Zeitschr. f. Psych. u. Phys. d. Sinnes-
organe 25. Bd. S. 225. 1901.
„Dämmerungswerte“ sind nach v. Kries die „Helligkeitswerte, die
den verschiedenen Lichtern zukommen, wenn sie bei dunkeladaptiertem
Auge und in so geringer Stärke angewandt werden, daß sie farblos er-
scheinen“, Schon Purkinje hatte die Wahrnelımung beschrieben, daß,
wenn bei starker Beleuchtung ein rotes und ein blaues Objekt gleich
hell erscheinen, das blaue als ungleich heller empfunden wird, sobald
die Beleuchtung herabgesetzt wird („Purkinjesches Phänomen“). Die
Versuche Verfs. zeigen nun, daß die Dimmerungsiverte bei fortschrertender
Adaption entgegengesetzt dem Purkinjeschen Phänomen zwar nicht stark, aber
doch deutlich zunehmen, d. h. in dem Sinne, daß das Blau (ca. 480 u)
verstärkt, resp. das Gelb (ca. 640 u) abgeschwächt werden muß, das
letztere also im Verlauf der Adaption allmählich stärker wirksam er-
schein. — Das war auch von vornherein zu erwarten. Die chemi-
schen Wirkungen der verschiedenen Lichter verhalten sich ja propor-
tional den absorbierten Energiemengen. Das blaue Licht wird vom
Sehpurpur sehr viel stärker absorbiert als Orange; sind daher zu Beginn
der Adaption — wo der Sehpurpur noch eine dünne Schicht ist — die
Lichtmengen so gewählt, daß gleiche Energiemengen davon zur Ab-
sorption kommen, daß sie also gleich hell erscheinen, so gestalten sich
die Verhältnisse bei fortschreitender Adaption, also zunehmender Dicke
der Sehpurpurschicht, so, daß die vorhandene (geringere) Menge Blau
schon in den ersten Schichten des Sehpurpurs erschöpft wird, während
von der vorhandenen (größeren) Menge Gelb in den tieferen Schichten
noch weiter absorbiert werden kann.
Theoretisch sind nach der vom Verf. vertretenen Anschauung diese
Werte die Reizungswerte des Dunkelapparates des Auges (der purpur-
haltigen Stäbchen). H. Breyer.
J. v. Kries. Theoretische Studien über die Umstimmung
des Schorgans. Festschr. d. Univ. Freiburg i. Br. 1902. S. 145.
Verf. gibt eine kurze Darstellung der bisherigen Resultate, welche
die mathematische Behandlung der Gesichtsempfindungen in Bezug
auf die Licht- und Farbenmischung ergeben haben. Er setzt sich vor,
die mathematische Behandlung auf ein verwandtes Gebiet auszudehnen,
nämlich auf die durch die Tätigkeit modifizierte Funktion des Organs,
d. h. auf die Erscheinungen der Ermüdung und Umstimmung. Dic
Aufgabe wäre, für eine bestimmte Umstimmung zu jedem reagierenden
Lichte das Vergleichlicht anzugeben. !)
1) Seit Helmholtz nennt man ‚‚reagierendes“ Licht das eine bestimmte er-
müdete oder umgestimmte Netzhautstelle treffende; ,,Vergleichlicht** ist dasjenige,
welches, auf eine benachbarte, nicht modifizierte Stelle fallend, jenem gleich cıscheint.
Referate. 255
Den Ausgangspunkt nimmt Verf. von zwei Sätzen, die er den
Persistenz- und den Proportionalitätssatz nennt.
Der Persistenzsatz besagt, „daß Lichtgemische, welche dem neutral
gestimmten Sehorgan gleich erscheinen, auch für das in beliebiger Weise
umgestimmte gleich erscheinen, daß also die optischen Gleichungen von
der Stimmung des Sehorgans, für das sie gelten, unabhängig sind“. Der
Satz hat sich unter gewissen Bedingungen zwar als absolut unzutreflend
erwiesen, was darauf zurückgeführt wird, daB die beiden Apparate des
Auges, die Stäbchen und die Zapfen der Retina (von v. Kries „Dunkel“-
bezw. „Hellapparat“ genannt), ineinander greifen; in der Dunkeladaption
gewinnen aber die Stäbchen sehr viel mehr an Erregbarkeit als die
Zapfen; wird also je nach dem Adaptionszustand des Auges mehr mit
dem einen oder mehr mit dem andern Apparat gesehen, so können sich
die Äquivalenzverhältnisse der Lichtgemische eventuell erheblich ändern.
Das Persistenzgesetz gilt aber mit großer Wahrscheinlichkeit, sobald nur
das eine der beiden Perzeptionsorgane ins Spiel kommt.
Der Proportionalitátssatz sagt, daß die scheinbare Gleichheit eines
reagierenden und eines Vergleichlichtes erhalten bleibt, wenn die Inten-
sitäten beider proportional geändert werden. Auch dieser Satz gilt um
so weniger, je mehr die Lichter abgeschwächt werden, da sich dann
vermutlich die von den äußeren Reizen unabhängigen inneren Vorgänge
(„innere Reize“) mehr und mehr Geltung verschaffen. Innerhalb einer
gewissen Breite nicht zu schwacher Reize erweist sich der Satz indessen
als gültig.
Verf. legt diese Sätze seinen Betrachtungen um so eher zugrunde,
als er dabei „nicht sowohl zu Sätzen geführt werden will, deren Gültig-
keit wir behaupten können, als zu solchen, deren experimentelle Prüfung
sich vorzugsweise empfiehlt“.
Diese Voraussetzungen zugegeben hängen nun die scheinbaren Um-
wandlungen aller Lichter oder Lichtgemische in einfacher Weise unter-
einander zusammen; und hat man die Umwandlung dreier verschiedener,
beliebiger Lichter bestimmt, so ist auch die eines jeden beliebigen andern
Lichtes fixiert, denn es läßt sich nach den Graßmannschen Sätzen
einer linearen Funktion der drei bekannten Lichter gleichsetzen. Be-
sonderes Interesse hätten nun diejenigen Lichter, welche im Sinne der
Young-Helmholtzschen Dreifarbentheorie nur auf eine Komponente
wirken (Rot, Grün oder Violett) und deshalb bei der Umstimmung zwar
eine Intensitätsänderung, sonst aber keine farbige Modifikation, also auch
keine Verschiebung auf der bekannten Farbentafel erleiden würden.
Verf. nennt solche hypothetische Punkte der Farbentafel „invariable
Punkte“. Ob es solche nur auf eine Komponente wirkende Lichter
gibt, sei nicht von vornherein zu entscheiden; die ausgeführte mathe-
matische Betrachtung gäbe aber eine Handhabe zur Berechnung ihres
Ortes auf der Farbentafel. Wären hernach drei solcher invariabler
Punkte bekannt (und mehr könne es der Natur des Problems nach nicht
geben), so wäre das ganze System der Verschiebungen bei einer be-
stimmten Umstimmung erschlossen. Insbesondere aber verspricht sich
Verf. aus der Berechnung der invariabeln Punkte aus einem größeren
256 Referate.
Versuchsmaterial ein wertvolles Kriterium für die Richtigkeit der Grund-
vorstellungen, die er zu seinem Ausgangspunkt genommen hat (die
Dreifarbentheorie). |
Die wenigen Bemerkungen über die zweite Seite des Problems,
nämlich wie die Stimmungen des Sehorgans vor sich gehen, sind durch
die unten besprochenen Arbeiten fraglich geworden und sollen daher
nicht weiter ausgeführt werden. H. Breyer.
C. Hess. Zur Kenntnis des Ablaufs der Erregung im Seh-
organ. Zeitschr. f. Psychol. u. Physiol. d. Sinnesorg. 27. Bd.
1902.
— — Untersuchungen über das Abklingen der Erregung im
Sehorgan nach kurzdauernder Reizung. Pflügers Archiv
f. d. g. Physiol. 95. Bd. 1/2. Bonn 1903.
Die erste Arbeit ist zum großen Teil ausgefüllt durch eine Polemik
gegen v. Kries, die hier wenig interessieren dürfte. Im übrigen be-
fassen sich beide Abhandlungen mit dem Studium ein und derselben
bisher unbekannten Nachbildererscheinung. Verf. erzeugt die Nach-
bilder einfach, indem er einen hellen, geeignet beleuchteten Karton-
streifen von 4—6 mm Breite mit mäßiger Geschwindigkeit (10—20 cm
in der Sekunde) vor einem gleichmäßig dunkeln Hintergrunde vorüber-
führt; das Auge ist dabei ruhig geradeaus gerichtet. Es zeigen sich
nach Hess 6 Phasen des Nachbildes: wird als ı. Phase die primäre
Erregung bezeichnet, so folgt als 2. Phase ein kurzes dunkles Intervall,
dunkler als die Umgebung; 3. Phase ein kurzdauerndes, helles, zur
Reizlinie im allgemeinen (außer bei roter Reizlinie) gegenfarbiges Nach-
bild; 4. Phase ein länger dauerndes dunkles Intervall, ebenfalls dunkler
als die Umgebung; diese alle im Verlauf der ersten Sekunde; gegen
Ende der ersten Sekunde entwickelt sich als 5. Phase ein 4—5 Sekunden
dauerndes, der Reizlinie gleichgefärbtes, wenig gesättigtes Nachbild als
heller Streifen in dunklerer Umgebung; in der 9.—ı2. Sekunde etwa
verläuft die 6. Phase als wiederum dunkler Streifen. Die 3. Phase tritt
im fovealen Gebiet etwas später auf als im extrafovealen, daher ist das
Nachbild an dieser Stelle konkav zum primären Streifen ausgebuchtet,
auch ist es hier etwas schmäler; sowie das foveale Gebiet passiert ist,
wird die 3. Phase wieder geradlinig. Zur Orientierung über den Ort
des fovealen Bezirks auf dem dunkeln Hintergrunde benutzt Verf. ein
kräftiges, lange bleibendes Nachbild von einem Ringe, dessen Größe so
gewählt wird, daß er bei Fixierung des Mittelpunktes den fovealen Be-
zirk gerade umgrenzt (bei I m Entfernung vom Auge etwa 35—45 mm
Lichtweite des Ringes). Es lasse sich dann beobachten, daß der ge-
schilderte Typus des Abklingens für den nur Zapfen tragenden fovealen
Bezirk ganz der gleiche sei wie für die peripheren Teile der Retina
(was v. Kries bestreitet).
Je schwächer die Helligkeit der Reizlinie ist, desto später tritt die
3. Phase ein. Verwendet Verf. einen Kartonstreifen, dessen Helligkeit
nach dem einen Ende hin allmählich abnimmt, so macht das Nachbild
Referate. 257
der 3. Phase mit dem Reizstreifen einen Winkel, dessen Spitze am
hellen Ende des Reizstreifens liegt.
Die dunkeln Phasen 2, 4 und 6 (dunkler als der übrige Hinter-
grund) werden infolge Simultankontrastes von Partien eingefaßt, die heller
sind als der übrige Grund. Wird daher eine in der Mitte unterbrochene
Lichtlinie als Reizstreifen verwendet, so zeigen sich an dem der Lücke
entsprechenden Orte, auch wenn er über die Fovea geführt wird, wäh-
rend der Phasen 2, 4 und 6 helle Nachbilder. H. Breyer.
E. Hering. Über die von der Farbenempfindlichkeit unab-
hängige Anderung der Weißempfindlichkeit. Pflügers
Archiv f. d. g. Phys. 94. Bd. S. 533. Bonn 1903.
Verf. ermüdet eine Netzhautstelle durch weißes Licht, läßt hernach :
auf diese und auf eine unmittelbar benachbarte frische Stelle dasselbe
farbige Licht einwirken und findet dann, daß die nicht ermüdete Stelle
die Farbe auffallend weißlicher, d. h. weniger gesättigt, sieht. (Der
Unterschied ist bei kurzwelligen Farben größer als bei langwelligen.)
Durch Verstärkung des einen (reagierenden) oder Schwächung des
andern (Vergleich-) Lichtes müßte es nach der Dreifarbentheorie mög-
lich sein, beide Lichter gleich, d. h. gleich hell, gleich gesättigt und in
etwa demselben Farbtone zu sehen. Das gelingt aber nicht: in Wirk-
lichkeit ist, gerade wenn die Helligkeit subjektiv gleichgemacht wird, der
Unterschied in der Schönheit und Sättigung der Töne besonders über-
raschend. Der stäbchenfreie, foveale Netzhautbezirk verhält sich darin
ebenso wie der übrige Teil, auch ihm kommt eine von der Farben-
empfindlichkeit unabhängige Änderung der Weißempfindlichkeit zu. In
Beziehung auf die Ausführung der Versuche muß auf die Arbeit selbst
verwiesen werden.
Verf. legt dar, daß sich diese Beobachtungen nicht erklären lassen
durch die Young-Helmholtzsche Dreifarbentheorie und ihre Modifi-
kationen; ohne weiteres verständlich sind sie aber nach des Verfs.
Gegenfarbentheorie, „wonach eine Sehfeldstelle, welche weiß bezw. schwarz
empfindet, dabei nur für weißes Licht und die weiß wirkende Kompo-
nente des Reizwertes farbiger Lichter ermüdet bezw. empfindlicher wird,
nicht aber zugleich auch für die farbig wirkende Komponente jenes
Reizwertes.“ Dabei sind indessen noch die Gesetze der sogenannten
Wechselwirkung der Netzhautstellen zu berücksichtigen: „Auf die Zu-
standsänderung, welche ein Element des somatischen Sehfeldes unter
der Einwirkung eines z. B. blauen Lichtes erfährt, und an welche sich
die blaue Empfindung knüpft, antwortet das ganze somatische Sehfeld
mit einer gegensinnigen Änderung, welche der gegenfarbigen, also gelben
Empfindung entspricht, und jedes andere jetzt die Netzhaut treffende Licht
wirkt infolge dieser chromatischen Umstimmung des somatischen Sehfeldes
so, als hätte es einen positiven Zuwachs an gelber Valenz, bezw. einen
negativen Zuwachs an blauer Valenz erfahren. Diese Umstimmung ist
am größten in unmittelbarer Nähe des von dem blauen Lichte alte-
rierten Sehfeldelementes und nimmt ab mit der Entfernung von dem-
selben. Sie hat außerhalb des Bezirks der vom blauen Lichte direkt
238 Referate.
alterierten Sehfeldelemente die als Simultankontrast bekannten Erschei-
nungen zur Folge, innerhalb jenes Bezirks aber eine, überdies mit der
Dauer der Einwirkung des blauen Lichtes schnell wachsende Schwächung
seiner Blauwirkung.“ (Die Dreifarbentheorie bietet für die Erschei-
nungen des Kontrastes nur eine psychische Interpretation.)
` H. Breyer.
Neue Bücher.
Dr. Lüppo-Cramer. Die Trockenplatte, ihre Eigenschaften
und ihre Behandlung in der photographischen Praxis.
(Photographische Bibliothek. Bd. 17. Berlin, Gustav Schmidt,
1903.)
„Das Werkchen wendet sich weniger an Anfänger, sondern will dem
mit den Grundzügen der Photographie bereits Vertrauten nützliche Winke
und in gedrängter Kürze auch einen Überblick über den gegenwärtigen
Stand der wissenschaftlichen Begründung des modernen Negativ-Prozesses
geben.“ Mit diesen Worten übergibt der Verfasser seine Arbeit der
Öffentlichkeit. Man kann sagen, daß das kleine Buch den ersten Teil
seines Programmes wohl erfüllt. Es gibt ın der Tat den mit den Grund-
zügen der Photographie bereits Vertrauten nützliche Winke, wenn da-
runter diejenigen Amateure verstanden werden, die von Chemie und
Physik nichts verstehen, aber doch schon ein wenig photographiert haben
und sich nun im allgemeinen orientieren möchten über die verschiedenen
Arten von Trockenplatten, die im Handel sind, auch über verschiedene
Entwickler ein kräftig Wörtlein hören und Dinge wie Empfindlichkeit,
Schleier, Gradation, Solarisation, Orthochromatik, Lichthofbildung u. s. w. :
ungefähr erklärt haben möchten.
Weniger aber wird man finden können, daß das Buch einen Über-
blick über den gegenwärtigen Stand der wissenschaftlichen Begründung
des modernen Negativ-Prozesses gibt. Denn in Bezug hierauf begnügt
sich der Verfasser, die sechs von Stas unterschiedenen Modifikationen
des Bromsilbers aufzuzählen, ohne übrigens anzugeben, wie dadurch der
moderne Negativ-Prozeß eine wissenschaftliche Begündung erführe. Die
Natur des latenten Bildes ist nach Ansicht des Verfassers „nichts weniger
als bekannt“ und die photochemische Wissenschaft überhaupt „noch ein
sehr dunkles Gebiet.“ Über die Vorgänge bei der Reifung der Emulsion
und über den Zusammenhang zwischen Korngröße und Empfindlich-
keit erfährt man nichts. Das Kapitel über die Entwicklung zeichnet
sich auch weniger durch wissenschaftliche Gründlichkeit aus, erfreut aber
durch einen gewissen Humor der Darstellung. Was weiterhin über
Fixierung, Verstärken und Abschwächen, über farbenempfindliche, licht-
hoffreie und Diapositiv-Platten gesagt wird, bekundet die breite Erfahrung
des Verfassers und wird wohl vielen bequeme Belehrung bieten können.
Baur.
Für die Redaktion verantwortlich: Dr. E. ENGLISCH in Stuttgart.
Zeitichrift für wilienichaftlidie Photographie,
Photophylik und Photodiemie
I. Band. 1903. Heft 8.
Eine Reihe von Filtern zur Erzeugung von homogenem Licht.
Von J. Hartmann.
Zur Herstellung nahe monochromatischen Lichts, wie es bei
verschiedenen optischen Arbeiten, namentlich bei Interferenzversuchen
und mikroskopischen Messungen gebraucht wird, bediente man sich,
wo die Anwendung der Natriumflamme nicht ausreichte, bisher
meistens prismatischer Zerlegungsapparate, wie dieselben z. B. von
Wülfing!) beschrieben worden sind. Diese Apparate ermöglichen
es, aus dem kontinuierlichen Spektrum irgend einer Lichtquelle
einen beliebig eng begrenzten Bereich auszuschneiden; sie haben aber
den Übelstand, daß dieses Licht, sobald es einigermaßen homogen
sein soll, nur sehr geringe Intensität besitzt. Hierzu kommt noch,
daß die Anwendung dieser wenig handlichen Apparate sehr un-
bequem ist. Besonders nützlich erweist sich die Verwendung
homogenen Lichts auch bei der Untersuchung von Objektiven, da
man hierdurch den Einfluß der chromatischen Aberration völlig von
den anderen Fehlern zu trennen vermag. Mit derartigen Unter-
suchungen beschäftigt, habe ich daher versucht, homogenes Licht
von größerer Intensität auf anderem Wege herzustellen, und es ist
mir dies durch die Verbindung der Quecksilberbogenlampe mit
verschiedenen Strahlenfiltern gelungen. Da das von mir angewandte
Verfahren außerordentlich einfach ist und, wo es an dem zum Be-
triebe der Bogenlampe nötigen Starkstrom fehlt, auch Geißlersche
Röhren mit Wasserstoff, Helium oder Quecksilber, sowie die Funken-
spektra von Metallen, ja selbst bengalische Flammen bei passender
Abänderung der Filter als Lichtquelle dienen können, so will ich
die von mir benutzten Absorptionsfilter hier kurz beschreiben:
1) N. Wülfing, Spektralapparat für monochromatisches Licht. N. Jahrb. f.
Mineral. Bd. 12, S. 343. 1898.
Zeitschr. f. wiss. Phot. 3. 19
260 J. Hartmann.
Die Spektra 1—8 der beigefügten Tafel wurden mit dem
Spektrographen Nr. I des Astrophys. Observatoriums (ein Flintprisma)
auf einer Perchromoplatte von Perutz aufgenommen.
Nr. ı und 8 zeigen das Spektrum der Quecksilberlampe bei
kurzer Belichtung; Nr. 1 15 Sek., Nr. 8 20 Sek.
In den Spektren 2—7 ist durch Zwischenschaltung der Filter
jedesmal nur eine der Hauptliniengruppen des Spektrums zur Wirkung
gelangt.
4
D t~ D NS) zx S
> N = O 9
S $ $ $ 358
A
| J | l |
1 | Bi i | |
2. 1
3. |
hr. |
5. |
6. |
7 |
el A I d
+
Nr. 2. Methylviolett + Nitrosodimethylanilin in getrennten
Küvetten. Das Methylviolett 4 R (Berliner Anilin-A.-G.) in sehr ver-
dünnter Lösung, das Nitrosodimethylanilin so viel sich in kaltem
Wasser schnell löst, beides in ca. 12 mm dicker Schicht; letztere
Substanz wurde von Wood eingehend untersucht. Dieses Filter
wirkt vorzüglich, es schneidet — abgesehen von roten Strahlen, die
photographisch unwirksam sind, und auch im Lichte der Lampe
nicht vorkommen — alle Strahlen größerer Wellenlänge völlig ab
und läßt nur die drei Linien 4 3650, 3655 und 3663 kräftig durch;
Belichtungszeit 3 Min.
Nr. 3. Methylviolett + Chininsulfat (getrennt). Das Methyl-
violett wird hier in so starker Konzentration genommen, daß die
Linien bei 4 4359 ausgelöscht werden, das Chininfilter löscht die
Eine Reihe von Filtern zur Erzeugung von homogenem Licht. 261
Linien bei A 3650 aus, und das kombinierte Filter laßt, wie die
Tafel zeigt, nur A 4047 und 4078, bei starker Belichtung auch
à 3984 durch. Belichtung 4 Min.
Nr. 4. Kobaltglas + Äskulinfilter. Diese Kombination wirkt
ganz hervorragend gut, sie läßt die intensive Linie A 4359 nebst
ihren beiden Begleitern fast ungeschwächt durch und schneidet alle
anderen Strahlen völlig ab. Belichtung 30 Sek.
Nr. 5. Guineagriin B extra (Berliner Anilin-A.-G.) + Chinin-
filter. Das Guineagriin lábt bei hinreichender Konzentration nur
die wenig intensive Quecksilberlinie 4 4916, allerdings auch etwas
geschwächt, durch, schneidet aber die benachbarten äußerst intensiven
Linien A 4359 und A 5461 gänzlich ab. Außer einem photographisch
unwirksamen Streifen im Rot läßt dieses Filter nur noch die ultra-
violette Gruppe bei A 3650 durch, und es könnte daher auch an
Stelle des Nitrosodimethylanilins als Ultraviolettfilter (in Verbindung
mit Methylviolett) verwendet werden; die Durchlässigkeit des Nitroso-
dimethylanilins für Ultraviolett ist jedoch erheblich größer. Schneidet
man durch das Chininfilter die ultravioletten Linien ab, so läßt die
Kombination nur die Linie A 4916 durch. Belichtung 5 Min.
Nr. 6. Neptungrün S (Bayer, Elberfeld) + Chrysoidin. Man
trägt in eine schwache Chrysoidinlösung, welche nur das gelbe
Linienpaar bei A 5790 und die grüne Linie 4 5461 durchläßt, so viel
von dem grünen Farbstoff ein, bis die gelben Linien verschwinden.
Dieses Filter schwächt auch die Linie A 5461 schon etwas, und es
wird bei der Durchprüfung einer größeren Anzahl von Farbstoffen
wohl möglich sein, das Neptungrün durch eine noch besser wirkende
Substanz zu ersetzen; in erster Linie würden etwa Echtgrün, Indulin
und Diphenblau in Frage kommen. Das Spektrum Nr. 6 ist ı Min.
belichtet.
Nr. 7. Chrysoidin + Eosin. In die schwache Chrysoidinlösung
trägt man so viel Eosin ein, bis die Linie A 5461 verschwindet.
Dieses Filter wirkt sehr gut. Belichtung 2 Min.
Einen Teil der bei dieser Untersuchung benutzten Farbstoffe
hat mir Herr Dr. Eberhard aus seiner großen Sammlung freund-
lichst zur Verfügung gestellt.
Potsdam, Astrophys. Observatorium, August 1903.
(Eingegangen am 15. August 1903.)
262 J. Precht. Notiz über die Absorption des Tartrazıns.
Notiz über die Absorption des Tartrazins.
Von J. Precht.
Bei Durchführung spektroskopischer Arbeiten in Gemeinschaft
mit C. Runge habe ich gelegentlich mit Tartrazin gefärbte Gelatine-
folien zur Absorption des Blau und Violett der zweiten Ordnung
eines Gitterspektrums probiert. Das Tartrazin ist bekanntlich jener
sehr rein gelbe Farbstoff, der neuerdings viel zur Herstellung von
Gelbscheiben für gewöhnliche photographische Zwecke verwendet
wird und der auch zum Färben der Schicht solcher orthochroma-
tischer Platten dienen kann, die ohne Gelbscheibe benutzt werden
sollen. Sein Vorzug besteht darin, daß er alle anderen Farben als
Blau und Violett mit sehr wenig geschwächter Helligkeit durchläßt.
Es hat sich nun ergeben, daß in spektroskopischer Beziehung das
Tartrazin sich ähnlich dem von Wood untersuchten Nitrosodimetyl-
anilin verhält, denn es ist für einen Teil des Ultraviolett gut durch-
lässig. Seine Absorption, die natürlich mit der Konzentration des
Farbstoffes etwas veränderlich ist, reicht im wesentlichen von 4950
bis 3625, abgeschwächt bis 3525. Zum Abschneiden der zweiten
Ordnung ist es also für sich allein nicht brauchbar, doch ist be-
merkenswert, daß das Maximum der Eigenempfindlichkeit von Brom-
silbergelatine vollständig in das Absorptionsband hineinfällt.
Da optische Gläser ungefähr bis zur Wellenlänge 3300 durch-
lässig sind, so liegt die Möglichkeit vor, daß auch bei gewöhnlichen
photographischen Arbeiten. ein Teil des Ultraviolett durch das
Tartrazinfilter hindurch auf die Platte einwirkt, wenn auch der ge-
ringeren Ultraviolettempfindlichkeit des Bromsilbers wegen in ab-
geschwächtem Maße. Bei manchen anderen gelben Farbstoffen
zeigen sich ähnliche Verhältnisse, |
(Eingegangen am I. September 1903.)
Die Methode der verzögerten Entwicklung.
Von J. Precht.
Durch eine von mir angegebene Methode der verzögerten Ent-
wicklung ist die Aufmerksamkeit auf die mannigfaltige Anwendbar-
J. Precht. Die Methode der verzögerten Entwicklung. 263
keit eines Verfahrens gelenkt worden, das in anderen Formen zwar
‘ seit langem bekannt ist, dessen ausgedehnte praktische Benutzung
indessen durch die unzureichende Kenntnis seiner Leistungstähigkeit
und seiner Grenzen bisher verhindert zu sein scheint. Diese Lücke
habe ich versucht auszufüllen, nachdem an anderer Stelle die Be-
deutung der verzögerten Entwicklung für die Solarisation von Brom-
silbergelatine dargelegt ist.” Was leistet die Methode im Gebiet
der normalen Belichtung und in dem der (nicht solarisierenden)
Überbelichtung?
Die Untersuchung hat, auch wenn man, wie es sich von selbst
empfiehlt, normale und verzögerte Entwicklung nebeneinander
durchführt, mit der Schwierigkeit zu kämpfen, daß die gleichen
Belichtungen (2-2) entsprechenden Schwärzungen durch die Zu-
sammensetzung der Entwicklerlösungen und die Dauer ihrer Ein-
wirkung in ihrem gegenseitigen Verhältnis beträchtlich verändert
werden können. Um Übersicht zu gewinnen, sind daher die Ver-
suche so eingerichtet, daß die normale Entwicklung möglichst
günstig, die verzögerte möglichst ungünstig abschneiden muß. Man
wird daher in den Anwendungen die Vorteile der verzögerten Ent-
wicklung im allgemeinen größer finden. Demgemäß ist für die
normale Entwicklung ein weich arbeitender Entwickler geringer
Konzentration während kurzer Zeit benutzt (Edinollösung 1: 25,
Dauer der Einwirkung 90 Sek.), während für die verzögerte Ent-
wicklung derselbe Entwickler mit verhältnismäßig geringer Menge
Verzögerungsmittel (0,8 g Acetonsulfit auf 100 verdünnte Lösung)
diente, der die achtfache Zeit, also 12 Minuten einwirkte. In der
Praxis wird man die Quantität Verzögerungsmittel, wie die Dauer
der Entwicklung natürlich von Fall zu Fall ändern.
Die 104 Aufnahmen, deren Ausmessung unsere Versuchs-
resultate ergibt, sind sämtlich auf einer einzigen Emulsionshaut
(Format 13 x 18) von vorher erprobter Zuverlässigkeit hergestellt
(Edwards Instantaneous Film). Die Belichtung erfolgte für je zwei
Streifen, entsprechend der normalen und verzögerten Entwicklung,
gleichzeitig, und zwar in einer Schiebekassette mit Centimeterteilung.
Vier Serien umfassen das ganze Belichtungsgebiet: die Schwellen-
serie von 0,8 bis 5,2 H.M.S; Serie der Normalbelichtung von 6,4
1) Precht, Phys. Zeitschr. 3. S. 426, 1902 und Verhandlungen des Kongresses
für angewandte Chemie, Photochem. Sektion, Berlin 1903 (im Druck). Referat in
Chemiker-Zeitung 1903. Nr. 48. S. 596.
264 J. Precht.
bis 485 H.M.S.; Serie der Überbelichtung und neutralen Zone von 300
bis 58300 H.M.S.; Solarisationsserie von 27000 bis 770000 H.M.S.
Als Lichtquellen dienten fúr kleine und mittlere Belichtungen
die Sensitometerlampe nach Englisch und die gewöhnliche Hefner-
lampe, für große Lichtmengen Magnesiumband, das in der von
Englisch für ähnliche Zwecke als hinreichend konstant auspro-
bierten Form zur Anwendung kam und mit dem von Eder be-
stimmten Helligkeitswert in Rechnung gesetzt wurde. Die Ab-
weichungen, die etwa durch die Anwendung des Magnesiumbandes
bedingt werden, können hier außer Betracht bleiben, da sie sich auf
sehr große absolute Werte der Lichtmengen beziehen; dagegen sind
durch die Versuchsanordnung bei großen Lichtmengen Fehler be-
dingt, die eine Besprechung erfordern. Ist nämlich der Abstand
der Lichtquelle klein gegen die größte Ausdehnung der empfind-
lichen Schicht (13 cm), so werden bei Benutzung der Schiebekassette
nur die mittleren Teile die volle Intensität erhalten. Wie die Rech-
nung ergibt, sind die Abweichungen der Intensität für die seitlichen
Teile der Schicht bei ı m Abstand der Lichtquelle noch so gering,
daß sie außer Betracht bleiben können. Selbst für 50 cm Abstand
ist der Unterschied im ungünstigsten Falle erst 1,4°/,; für den
kleinsten benutzten Abstand von 20 cm, der bei der Solarisations-
serie angewandt werden mußte, erreicht die größte Abweichung
9°/,. Natürlich sind überall bei 50 und 20 cm die korrigierten
Intensitätswerte eingesetzt. Aus dem Verlauf der Beobachtungen
ergibt sich, daß bei großen Lichtmengen die Schwärzung für die
Anfangswerte der Serie zu groß, für die Endwerte zu klein gefunden
wird. Daher sind die Belichtungen so gewählt, daß sie für auf-
einander folgende Serien übereinander greifen. Durch graphische
Interpolation resultieren dann die richtigen Mittelwerte.
Die Auswertung der fertigen Streifen geschah mit dem Martens-
schen Polarisationsphotometer unter Einschaltung passend gewählter
Hilfsplatten. Bestimmt wurde die relative Dichtigkeit nach der Be-
zeichnung von Martens und Miche&li,!) die sich aus zwei Winkel-
messungen ergibt nach der Formel
D, = 2 (lg tg &ag — lg tg (1,5).
Dabei bezeichnet «,, den Drehungswinkel des Nikols bei Ein-
stellung auf gleiche Helligkeit für das zu messende Stück, während
1) Martens und Michéli, Arch. de Genève (4) 11. 1901. S. 472—487.
Die Methode der verzögerten Entwicklung. 265
«u; den gleichen Winkel für ein unbelichtetes, aber entwickeltes
Stück derselben Schicht bedeutet. Jede Winkelmessung ist das
Mittel aus fünf Einstellungen. Der maximale mittlere Fehler von
D, berechnet sich aus den Beobachtungen zu 2,4°/,. Die Resultate
sind in den folgenden Tabellen zusammengestellt.
Zur Erleichterung der Übersicht sind die Beobachtungen in
der beigegebenen Kurventafel in der Weise dargestellt, daß die
Ordinaten die relative Dichtigkeit, die Abszissen die Logarithmen
Serie I.
3-8 log 2-£ Dr normal | Dy verzögert
H.M.S.
0,08 0,903 1—2 0,056 0,000
0,16 0,2041 — I 0,211 0,016
0,24 0,3802 — 1 0,280 0,051
0,32 0,5052—1 0,360 0,073
0,40 0,6021 —1 0,434 0,113
0,80 0,9031 —1 0,595 0,249
1,2 0,0792 0,807 0,388
1,6 0,2041 0,917 0,500
2,0 | 0,3010 1,000 0,555
2,8 0,4472 1,138 0,686
3,6 0,5563 1,190 0,718
44 0,6435 1,246 0,778
5,2 0,7160 ' 1,320 0;831
Serie IL
dol log t.t Dy normal | D, verzógert
6,4 0,8062 1,531 1,038
12,8 1,1072 1,751 1,304
19,2 1,2833 1,832 1,433
25,6 1,4082 1,894 1,524
32,0 1,5052 1,922 1,581
52,0 1,7160 1,984 1,692
72,0 1,8573 2,023 1,793
92,0 1,9638 2,050 1,851
171,7 2,2348 2,119 1,954
251,1 2.3999 2,153 1,986
329,9 2,5184 2,188 1,966
407,9 2,6106 2,198 1,986
485,2 2.6859 2,163 2,032
266 J. Precht.
Serie II.
dol | log 2-4 | Dpr normal | Dr, verzögert
300 2,4771 2,305 2,117
600 2,7782 2,288 2,172
900 2,9542 2,286 2,230
1 200 3,0792 2,277 2,245
I 500 3,1761 2,272 2,240
2 700 3,4314 2,255 2,329
3 900 3,5911 2,255 2,385
6 300 3,7993 2,334 2,450
8 700 3,9395 2,334 2,488
II 100 4,0453 2,334 2,501
20 568 4,3132 2,357 2,596
39 505 4,5967 2,318 2,603
58 284 4,7656 2,272 2,575
Serie IV.
tol log ¿-t Dry normal | D, verzögert
H.M.S.
27 540 4,4400 2,768
56 520 4,7522 2,743
86 490 4,9370 2,702
117 360 5,0695 2,610-
178 200 . 5,2509 2,527
239 520 5,3794 2,456
300 000 5,4771 2,431
359 280 5,5554 . 2,390
415 800 5,6189 2,401
469 440 5,6716 2,367
576 600 5,7609 1,930 2,338
678 240 5,8314 1,890 2,311
771 120 5,8871 1,890 2,333
der wirksamen Belichtungen (Intensität mal Zeit) bedeuten. Bei der -
Diskussion der Resultate an der Hand der Kurven ist zu beachten,
daß die absoluten Werte der Dichtigkeiten nicht sehr viel besagen
können, da man sie durch anders gewählte Entwicklungszeiten und
andere Zusammensetzung der Entwickler, wie schon anfangs her-
vorgehoben, beträchtlich beeinflussen kann. Sichere Schlußfolge-
rungen ergeben sich dagegen aus dem Verlauf der Beobachtungen
bei normaler und verzögerter Entwicklung, besonders wenn man
30
Die Methode der verzögerten Entwicklung. 267
bedenkt, daß hier die normale Entwicklung sich in ihrem Charakter
schon der verzögerten nähert, die beobachtbaren Unterschiede also
meist noch stärker hervortreten werden. Im allgemeinen verläuft
bei der gewöhnlichen Art der Entwicklung für große Lichtmengen
die Kurve noch mehr parallel der Abszissenaxe, die Ordinaten sind
28
. .
o
I Ne
26 3 e
A o
24 e Ss
+
R+ + > a. BS
22 LL)
+” oo
+ o +
+
» o iS
20 e +
A
18 )
a
16
a
14
£7
a, normale Entw
8. à
verzögerte Entwicelung
10
e
08
0.6 =
0% N,
Q a
æ> logit =l 0 1 2 3 4 5
größer und die Kurve steigt im Gebiet der normalen Belichtung
ö j ; D
steiler an. Den Differentialquotienten aA kann man als ,,46-
stufung* oder in Analogie mit physiologischen Benennungen als
„Unterschiedsempfindlichkeit“ bezeichnen. Dann lassen sich die
Ergebnisse folgendermaßen zusammenfassen:
I. Nach dem Schwellenwert beurteilt erscheint die Empfind-
268 R. Kothe.
lichkeit der Platte bei verzögerter Entwicklung vermindert. In der
Nähe der Schwelle verliert man an Abstufung.
2. Im Gebiet der normalen Belichtung ist die Unterschieds-
empfindlichkeit bei normaler und verzögerter Entwicklung im wesent-
lichen gleich. Hier hat indessen die verzögerte Entwicklung den
Nachteil, daß sie beträchtlich geringere Dichtigkeiten liefert.
3. Von etwa 450 H.M.S. ab, das heißt für das Ende der nor-
malen und das ganze Gebiet der Überbelichtung gewinnt man bei
verzögerter Entwicklung ganz außerordentlich an Abstufung bei be-
trächtlichen Werten der Dichtigkeit. Die ganze sogenannte neutrale
Zone der normalen Entwicklung (Differentialquotient nahe Null) löst
sich bei verzögerter Entwicklung in ein gleichmäßig gut abgestuftes
Gebiet auf. In dem untersuchten Fall reicht dieser Bezirk bis etwa
39000 H.M.S. In diesem großen Bereich tritt der Nutzen ver-
zögerter Entwicklung am meisten hervor.
4. Die Solarisationsgrenze kann, wie schon früher erwiesen,
durch verzögerte Entwicklung bedeutend zurückgedrängt werden;
doch hängt die Lage der Grenze nach den Untersuchungen von
Englisch!) so sehr von den absoluten Intensitätswerten ab, daß
hier unter Umständen, wie die Kurven zeigen, bei verzögerter Ent-
wicklung die Solarisation sogar früher beginnen kann.
(Eingegangen am 27. August 1903.)
Über Tiefenvorstellung und Tiefenwahrnehmung
und ihre Beziehung zur stereoskopischen Photographie.
Von R. Kothe (Bonn a./Rh.)
Mit 3 Abbildungen.
Die Photographie hat sich erst verhältnismäßig spät in der
Medizin einzubürgern vermocht. Die allgemeine Verbreitung, welche
sie Jetzt in allen medizinischen und anderen wissenschaftlichen Instituten
gefunden hat, hängt, wie mir scheint, hauptsächlich mit der Einfüh-
rung der modernen Objektive, der Anastigmate, zusammen, die von
Dr. Rudolph (Jena) im Jahre 1890 berechnet worden sind. Mit
Hilfe dieser in vollkommenster Weise korrigierten Linsen war es
1) Englisch, diesc Zeitschrift in einem späteren Heft.
Über Tiefenvorstellung und Tiefenwahrnehmung etc. 269
nun möglich geworden, haarscharf bis zum Rand ausgezeichnete
Platten zu erhalten; und es ließen sich nun von lebenden und leb-
losen Objekten Bilder herstellen, die in bezug auf absolute Natur-
treue fast nicht mehr übertroffen werden können.
So war es auch kein Wunder, daß zur graphischen Darstellung
wissenschaftlicher Werke die photographischen Reproduktionsverfahren
(Lichtdruck, Zinkographie, Autotypie, Heliogravüre), weil sie eine
viel größere Objektivität als die früher gebräuchlichen „subjektiven“
Verfahren (Holzschnitt, Kupferstich, Steindruck) garantieren, mehr
und mehr zu Ansehen gelangten. Als neueste Vervollkommnung
muß das sogenannte Rotationsverfahren bezeichnet werden, welches
ermöglicht, direkte photographische Kopien, die ja die Feinheiten
des Negativs am besten wiedergeben, in großer Auflage herzustellen.
Allein auch die besten ebenen Photogramme, resp. photo-
graphischen Reproduktionen müssen da versagen, wo es sich um
die Wiedergabe komplizierter räumlicher Verhältnisse handelt. Ge-
wiß wird derjenige, dessen Blick durch lange Erfahrung und große
Übung geschult ist, mittels bestimmter Hilfsmomente, auf die wir
gleich zu sprechen kommen, imstande sein, auch aus einfachen
Photogrammen sich bis zu einem gewissen Grade eine genügende
Vorstellung von dem körperlichen Bild des Objektes zu verschaffen.
Doch kann ein einzelnes ebenes Bild uns von der körperlichen
Form eines Gegenstandes niemals in so vollkommener Weise unter-
richten, als die Betrachtung des Gegenstandes selbst. Gerade bei
wissenschaftlichen Aufnahmen macht sich dieser Mangel der ein-
fachen Photographie oft recht unangenehm fühlbar. Wie allgemein
bekannt, sind wir aber mit Hilfe der szereoskopischen Photographie
in der Lage, jeden Gegenstand in vollkommen naturgetreuer Plastik
zur Darstellung zu bringen. Die Stereoskopie, früher mehr als eine
hübsche Spielerei betrachtet, ist verhältnismäßig noch viel später
als die gewöhnliche Photographie bei wissenschaftlichen, speziell
medizinischen Aufnahmen zu allgemeiner Anwendung gelangt. Bei
dem hohen Interesse aber, das sie jetzt beansprucht, werden einige
theoretische und praktische Erörterungen hier wohl angebracht sein.
Ich kann Stolze?) nicht Recht geben, wenn er meint, daß ‚die
Lehre von der Herstellung richtiger Stereoskopbilder und der an-
gemessenen Betrachtung derselben fast völlig unabhängig von der
Physiologie des Auges“ sei. Vielmehr wird es, wie ich glaube, sehr
1) Stolze, Die Stereoskopie etc. Halle. Knapp. 1894. S. 4.
270 R. Kothe.
vorteilhaft sein, daß man sich zuerst darüber klar werde, worauf
denn, wenn man einen körperlichen Gegenstand betrachtet, die Be-
urteilung der Tiefendimension beruht. Denn aus der Betrachtung
der Hilfsmittel, deren wir uns zu diesem Zweck bedienen, werden
wir manche Lehre und manchen Anhaltspunkt dafür gewinnen
können, wie wir verfahren müssen, um die beiden stereoskopischen
Halbbilder so herzustellen, daß sie uns in möglichst vollendeter
Weise Aufschluß über die Ausdehnung eines Objektes in der dritten
Dimension geben.
Von den Hilfsmitteln, die uns zur Kenntnis der Abstände der
gesehenen Objekte vor unseren Augen gelangen lassen, sind nach
Helmholtz!) zweierlei zu unterscheiden. Den einen liegen be-
stimmte sinnliche Empfindungen zu Grunde; sie geben uns daher
eine wirkliche Wahrnehmung des Abstandes. Die andern Momente
dagegen sind aus der Erfahrung genommen und geben uns also
nur Vorstellungen des Abstandes; ihnen gehört alles an, was wir
zu unterscheiden wissen in bezug auf die Tiefendimension des Ge-
sichtsfeldes mit einem Auge, bei unbewegtem Kopfe, an Gegen-
ständen, die weit genug entfernt sind, daß keine deutlich fühlbare
Akkommodationsanstrengung für ihre Betrachtung stattfindet.
Diese letzteren Hilfsmittel, welche wir zunächst besprechen
wollen, müssen offenbar die gleichen sein wie die, welche uns er-
möglichen, beim Betrachten des flächenhaften Bildes eines körper-
lichen Objektes zur Kenntnis der Tiefendimension desselben zu
gelangen.
Von diesen aus der Erfahrung genommenen Momenten kommt
erstens die mitgebrachte Kenntnis von der Größe der gesehenen
Objekte und die ihrer Form in Betracht.
Derselbe Gegenstand, aus verschiedener Entfernung gesehen,
erscheint unter verschiedenen Gesichtswinkeln und gibt daher ver-
schieden große Netzhautbilder. Daher kommt es, daß parallele Ge-
rade im Bild nach einem Punkt (Fluchtpunkt) zusammenlaufen.
Dieses Kleinerwerden der Bilder an sich gleicher Größen mit wach-
sender Entfernung wollen wir her als „perspektivische Verjüngung“
bezeichnen. Aus der Größe des Netzhautbildchens eines gesehenen
Gegenstandes von bekannter Größe können wir die Entfernung
schätzen, in der er sich von uns befindet. Wir bekommen aber,
wenn es sich um Gegenstände bekannter Größe handelt, gleichzeitig
ı) Helmholtz, Handbuch der physiologischen Optik. 2. Aufl. 1896.
Über Tiefenvorstellung und Tiefenwahmehmung etc. 271
einen einigermaßen genügenden Aufschluß über die Größe der
andern dargestellten Dinge. Aus derselben Rücksicht braucht der
Maler Staffage (Menschen, Haustiere) für seine Landschaften, um die
Größe der dargestellten Dinge kenntlich zu machen. In der wissen-
schaftlichen Photographie kann es vorkommen, daß z. B. ein ana-
tomisches Präparat abgebildet werden soll, das sich besonders durch
außergewöhnliche Kleinheit oder Größe auszeichnet. Um nun dieses
Größenverhältnis zur Darstellung zu bringen, muß man als Ver-
gleichsobjekt dasselbe Organ von normaler Größe gleichzeitig mit
aufnehmen. Schmorl?) hat in seinem stereoskopischen Atlas des
Herzens den richtigen Weg eingeschlagen, daß er stets das Präparat
in derselben Entfernung von der Camera aufstellte und dieselbe
Brennweite benutzte; alle Bilder können daher hier in bezug auf
ihre Größe unmittelbar miteinander verglichen werden. Handelt es
sich um kleinere Organe, z. B. das Auge, so stellt man nach dem
Vorschlag von Elschnig?) die Photogramme in natürlicher Größe her.
Die Lehre von der Kunst, Gegenstände so abzubilden, wie sie
dem Auge des Beobachters von einem bestimmten Punkt aus nach
Größe und Gestalt erscheinen, nennen wir Linearperspektive. Bei
photographischen Aufnahmen bemerken wir sehr oft eine unnatür-
lich scheinende Übertreibung der linearen Perspektive. Besonders
in Landschaften erscheinen häufig die Gegenstände im Vordergrund
in ihrer Größe außerordentlich übertrieben, die im Hintergrund da-
gegen sind verschwindend klein; die rapide perspektivische Ver-
kürzung erweckt den Eindruck, als ob sie viel weiter zurücklägen,
als dies in der Natur wirklich der Fall ist. Solche scheinbare Un-
wahrheiten sind meist auf die Verwendung von Objektiven mit zu
kurzer Brennweite (Weitwinkel) zurückzuführen. Man soll daher in
der wissenschaftlichen Photographie, um die Unarten der übertrie-
benen photographischen Perspektive zu vermeiden, derartige kurz-
brennweitige Linsen nicht anwenden. Man soll aber außerdem
darauf achten, daß der Abstand zwischen Aufnahmeobjekt und
Camera nicht zu klein sei; man gehe nicht näher an den Gegen-
stand mit dem Apparat heran, als dessen dreifache, mindestens aber
zweifache Größe beträgt. Anderseits dürfen wir aber auch in dem
1) Schmorl, Stereoskopisch-photographischer Atlas der pathologischen Anatomie
des Herzens und der größeren Blutgefäße.
2) Elschnig, Stereoskopische Photographie in natürlicher Größe. Eders
photograph. Jahrbuch 1900.
272 R. Kothe.
Streben nach natürlicher Perspektive nicht zu weit gehen, weil sonst
die Bilder flach werden.
Nicht nur die Kenntnis der Größe, sondern auch die der Form
der gesehenen Objekte gibt uns Aufschluß über ihre Entfernung.
Wenn einzelne Teile eines Gegenstandes durch einen andern ver-
deckt werden, so schließen wir, daß der deckende vor dem ge-
deckten liegt. Eine Vorstellung von der Körperform der auf Zeich-
nungen, Photogrammen etc. dargestellten Gegenstände gewinnen wir
natürlich am leichtesten dann, wenn es sich um von Menschen ge-
fertigte Gegenstände von gewisser Regelmäßigkeit handelt, deren
Winkel rechte und deren Flächen Ebenen, oder zylindrische oder
kugelige Flächen sind. Beim Betrachten von Zeichnungen stereo-
metrischer Figuren erhalten wir die Vorstellung eines nach drei
Dimensionen ausgedehnten Objektes; die perspektivische Zeichnung
eines Hauses oder eines physikalischen Apparates verstehen wir ohne
Schwierigkeit, selbst wenn sie recht verwickelte Verhältnisse dar-
stellt. Indessen lassen mitunter selbst geometrisch einfache Zeich-
nungen von Körpern eine doppelte Auslegung zu, indem vorn und
hinten in der Anschauung vertauscht werden kann. Beim Betrachten
zweier stereoskopischer Zeichnungen erhalten wir jedoch sofort den
richtigen körperlichen Eindruck: „Die schwarzen Linien erscheinen“,
wie sich Helmholtz anschaulich ausdrückt, „von der Fläche des
‘Papiers losgelöst und durch den Raum hingezogen.“ Insbesondere
werden wir aber natürlich bei Objekten von unregelmäßiger Form,
wie Felsen, Gletschereis, Bäumen, Tieren, sowie besonders auch
anatomischen Präparaten, auch durch die besten Zeichnungen oder
Photogramme keine vollkommene Vorstellung von ihrer körperlichen
Form erhalten, während diese in stereoskopischen Photogrammen
in überraschender Naturwahrheit zur Darstellung gelangt.
Eine perspektivische Zeichnung wird nun ferner eine viel deut-
lichere Vorstellung von einem Gegenstand geben, wenn nicht nur
die Umrisse desselben dargestellt, sondern auch Schlagschatten an-
gebracht sind. Wenn die Verteilung von Licht und Schatten den-
jenigen Lichtdifferenzen entspricht, welche wir an Körpern zu sehen
gewöhnt sind, so müssen wir den Eindruck des Körperlichen auch
beim Betrachten ebener Bilder erhalten. Daher spielt auch die
Beleuchtung in der Malerei und Photographie eine hervorragende
Rolle. Welch plastischen Eindruck ein Gemälde durch Licht- und
Schattenwirkung hervorzubringen vermag, das sehen wir z. B. an
Michelangelos Deckenbildern in der Sixtinischen Kapelle. Der
Über Tiefenvorstellung und Tiefenwahrnehmung etc. 273
Reiz eines Landschaftsphotogramms kann durch geschickt gewählte
Sonnenbeleuchtung ungemein erhöht werden. Bei tiefem Sonnen-
stand werfen alle Dinge lange, ausdrucksvolle Schatten; es entsteht
eine bessere Modellierung der Formen des Terrains und alles wird
deutlicher und verständlicher.
Auch zum Gelingen wissenschaftlicher, bezw. medizinischer
Photogramme trägt eine kräftige Schattengebung in hohem Maße
bei. Der Stand der Sonne hat hier allerdings keine Bedeutung, da
“wir unsere Aufnahmen meist in nach Norden gelegenen Räumen
machen; doch lassen sich auch hier große Lichteffekte erzielen.
Für größere Gegenstände, bei denen es nicht darauf ankommt,
feinere Höhenunterschiede deutlich hervortreten zu lassen, wählt
man am besten eine angemessene Kombination von Ober-, Vorder-
und Seitenlicht. Je nach der beabsichtigten Wirkung kann man
dabei die eine oder die andere Beleuchtungsart vorwiegen lassen.
Auf diese Weise wird es nicht schwer fallen, bei Körperteilen,
größeren Tumoren und Präparaten eine gute Modellierung zu er-
zielen. Viel schwieriger ist es, flache Erhebungen plastisch zur
Darstellung zu bringen. Dies gilt namentlich für alle diejenigen
Hautkrankheiten, bei denen es sich um nur wenig prominente Ver-
änderungen handelt (z. B. Lupus maculosus und exfoliativus, Lichen,
Pityriasis, überhaupt alle abschuppenden Dermatosen, ferner mul-
tiple kleine Neubildungen der Haut, Naevi, sodann Narben, Ge-
schwüre etc). Großes Geschick erfordert zweifellos die photo-
graphische Wiedergabe der Struktur der normalen Haut; es ist
daher auch nicht leicht, den Unterschied zwischen normaler und
erkrankter Haut, zwischen Außenhaut und angrenzender Schleim-
haut scharf herauszubringen.
Würde man in diesen Fällen von vorn beleuchten, so daß gar
keine oder nur ganz kurze Schatten entstehen, so würde auf dem
Photogramm von der charakteristischen Oberflächenbeschaffenheit
der Gegenstände nichts zu sehen sein. Das Bild wäre flach, ohne
Relief. Gerade bei solchen geringen Höhenunterschieden sind Schlag-
schatten ungemein wichtig. Man erreicht das nötige Relief durch
rein seitliche oder Oberlichtbeleuchtung, oder eine Kombination von
beiden. Am günstigsten wird es im allgemeinen sein, wenn das
aufzunehmende Objekt vom Licht in einem Winkel von 30—40°
getroffen wird. In einem Atelier mit Glaswand und Glasdach ist
es, selbst mit Hilfe von Gardinen, schwierig, eine derartige einseitige
Beleuchtung zu erzielen. Man wird daher besser solche Aufnahmen
274 R. Kothe.
in einem Zimmer vornehmen, das sein Licht durch ein einziges
Fenster empfängt. Unter Umständen kann man auch mit Vorteil
direkte, seitliche Sonnenbeleuchtung anwenden; doch darf man da-
bei die Helligkeitskontraste, welche auf der photographischen Platte
noch verstärkt werden, nicht zu groß werden lassen. Sonst be-
kommt man die Lichter in kreidigem Weiß, die Schatten in detail-
loser Schwärze, auch wenn richtig exponiert wurde. Daher muß
man gegebenenfalls die allzudunklen Schattenseiten durch Reflek-
toren aufhellen, damit die Schatten noch gut modelliert erscheinen.
Auch wird es sich hier empfehlen, farbenempfindliche Platten wegen
der korrekteren Wiedergabe der Tonwerte anzuwenden. Ich erhielt
oft schöne, plastische Bilder mit guter Modellierung bei seitlicher
Beleuchtung mit Sonnenlicht, das durch Seidenpapier gedämpft
war. — Die Beleuchtung muß also jedem einzelnen Fall angepaßt
werden, ein großer Teil des Erfolges hängt von ihr ab.
Das letzte von den der Erfahrung entnommenen Hilfsmitteln
zur Beurteilung der Tiefendimension, die Luftperspertive, kommt
fiir unsere Zwecke hier weniger in Betracht. Wir verstehen darunter
„die Trübung und Farbenveránderung des Bildes ferner Objekte‘;
sie kommt durch den in der Atmosphäre fein verteilt enthaltenen
Wasserdampf zustande. Je weiter entfernt die Objekte sind, oder je
wasserreicher die vor ihnen liegende Luft ist, desto verschwommener
wird ihre Form und desto stärker wird auch ihre Farbe verändert,
entweder ins Bläuliche, wenn das Objekt dunkler, oder ins Rötliche,
wenn es heller ist als die vor ihnen liegende Landschaft. Aus
diesen Veränderungen können wir uns nun ein Urteil über die Ent-
fernung der Gegenstände von uns bilden. Die Luftperspektive ver-
leiht also dem Naturbild Tiefe und Plastik. Diesen Effekt kann der
Maler ohne weiteres wiedergeben; für ihn sind Schatten und Luft-
perspektive die Hauptmittel, um dem Bild Körper zu geben. Will
der Landschaftsphotograph die Luftperspektive darstellen, so darf
er nicht die gewöhnlichen Trockenplatten benutzen; denn der blaue
Dunstschleier; der die Ferne einhüllt, wirkt so stark auf dieselben
ein, daß die Ferne beim Kopieren fast gänzlich wegbleibt. Man
muß daher die orthochromatischen Platten benutzen, bei welchen
die Empfindlichkeit für grün und gelb wesentlich erhöht ist; zur
Dämpfung der blauen Strahlen kann dabei noch eine leichte Gelb-
scheibe eingeschaltet werden.
Bei medizinischen Aufnahmen hat die Luftperspektive weniger
Bedeutung, da wir es ja hier mit so großen Entfernungsunterschieden
Über Tiefenvorstellung und Tiefenwahrnehmung etc. 275
nicht zu tun haben. Doch zeigt es sich, daß das Bild mehr Tiefe
bekommt, wenn man zwischen Objekt und Hintergrund einen
größeren Abstand (wenigstens ı m) läßt. Es kommt dann auch eine
Art Luftperspektive zur Geltung. Hierauf wird es wohl auch zu-
rückzuführen sein, daß der plastische Effekt erhöht wird, wenn man
auf das Hauptobjekt scharf einstellt, den Hintergrund dagegen und
überhaupt alle dahinterliegenden nebensächlichen Dinge durch An-
wendung einer weiten Blende unscharf erscheinen läßt. Es ist ferner
darauf zu achten, daß der Hintergrund entweder heller oder dunkler
als die Person wirkt, weil sich diese sonst nicht plastisch vom Hinter-
grund abhebt, sondern daran zu „kleben“ scheint. Ein hellgrauer
Hintergrund läßt sich, bei geeigneter Stellung, sowohl zu einer
hellen als auch dunklen Wirkung benutzen.
Unter Berücksichtigung dieser auf der Erfahrung beruhenden
Hilfsmittel sind wir also imstande, einer Zeichnung, einem Gemälde
oder Photogramm plastische Wirkung zu verleihen, so daß beim
Betrachten derselben innerhalb gewisser Grenzen die Vorstellung
von der körperlichen Ausdehnung des Objektes entsteht.
Die Vorstellung des Körperlichen wird, wie Aubert!) bemerkt,
noch lebhafter, „wenn wir alle diejenigen Momente, welche in uns
die Vorstellung einer Fläche erwecken, fortschaffen, z. B. wenn wir
den Glanz der Oberfläche einer Photographie durch passende Be-
leuchtung oder durch Untertauchen unter Wasser beseitigen, wenn
wir die Entfernung der Bildfläche unsicher machen, indem wir es
durch eine dunkle Röhre, ein großes Konvexglas (Panoramaglas)
ansehen. Daraus erklärt sich denn auch der überraschende Ein-
druck sogenannter Dioramen oder Kosmoramen usw.“ Bedingung
für das Betrachten mit Konvexgläsern ist, daß der Durchmesser der
Sammellinse dem Durchmesser des Bildes ungefähr gleichkommt.
Handelt es sich daher um die Betrachtung großer Formate (13 x 18
und darüber), so wird die Beschaffung so großer Linsen äußerst
schwierig. Hier kann man sich nach Neuhaus?) dadurch helfen,
daß man das Photogramm in einem Hohlspiegel betrachtet, wo-
durch dieselbe Wirkung erzielt wird. Große Hohlspiegel sind ohne
erhebliche Kosten herzustellen. Noch überraschender ist nach meiner
Erfahrung der körperliche Eindruck, wenn man ein Diapositiv durch
——— 11...
1) Aubert, Physiologische Optik. Im Handbuch der ges. Augenheilkunde von
Graefe und Saemisch. 2. Bd. 2. Teil. S. 619.
2) Photographische Rundschau 1900. S. 166.
Zeitschr. f wiss. Phot. 1. 20
276 R. Kothe. Tiefenvorstellung und Tiefenivahrnehmung ete.
eine Sammellinse betrachtet. Bekannt ist ferner, daß die durch
einen Projektionsapparat erzeugten Bilder meist sehr plastisch er-
scheinen. E. Berger?) hat ein Instrument (,Plastoskop““) beschrieben,
welches gestatten soll, einfache Bilder in körperlicher Wirkung zu
betrachten. Indessen scheint es sich auch hier um eine reine
Sinnestäuschung zu handeln, analog derjenigen, die beim Betrachten
eines Bildes durch ein Vergrößerungsglas entsteht.
Es handelte sich hier bisher immer nur um eine durch geistige
Tätigkeit entstehende Vorstellung, nicht um eine unmittelbare Sinnes-
wahrnehmung. Durch die Erfahrung haben wir die Gesetze der
linearen und Luftperspektive, der Beleuchtung, der Größe von
Menschen und Tieren usw. kennen gelernt. Ein Bild, das wir be-
trachten, ruft in uns die Zrinnerung an frühere Gesichtsbilder und
damit regelmäßig verbundene Zrfahrungen wach, und so entsteht
ein körperlicher Eindruck des Bildes. Die Assoziation der wach-
gewordenen Vorstellungen geschieht allerdings so unbewufit und
unwillkürlich, daß wir es fälschlich mit einer unmittelbaren Wahr-
nehmung zu tun zu haben glauben.
Zu einer direkten Tiefenwahrnehmung gelangen wir dagegen
nur vermittelst bestimmter sinnlicher Empfindungen, d. h. bei der
unmittelbaren Naturanschauung.
Auch hier sind wieder verschiedene Hilfsmittel zu erwähnen.
Wir sind in der Lage, die Entfernung und Größe von Gegenständen
zu schätzen erstens nach dem Grade der Konvergenz unserer auf
das Objekt gerichteten Blicklinien. Dieses Mittel ist indes nach
Helmholtz?) ziemlich unsicher und ungenau. Dasselbe gilt für
die Schätzung der Entfernung mittels des Gefühls der erforderlichen
Akkommodationsanstrengung, welche uns lehrt, ob wir für große
oder kleine Sehweiten akkommodieren. Auch hier sind wir unter
Umständen großen Täuschungen ausgesetzt. $)
1) La Photo-Revue 1900. S. 153.
2) l. c. S. 795, resp. 778.
3) Gleichwohl geht meines Erachtens Heine (Sehschärfe und Tiefenwahrnehmung,
v. Graefes Archiv f. Ophth. Bd. 51. S. 163) zu weit, wenn er den Einfluß der Akkom-
modations- und Konvergenzempfindung auf die Tiefenwahrnehmung gänzlich leugnet.
(Schluß folsst.)
(Eingegangen am ı. August 1903.)
Lumiere u. Seyewetz. Über die Zerstörung des photogr. Farbschleiers. 277
Über die Zerstörung des photographischen Farbschleiers.
Von A. und L. Lumiére und A. Seyewetz.
(Vorgetragen von Herrn A. Seyewetz in der Abteilung für Photochemie des
V, internationalen Kongresses für angewandte Chemie in Berlin am 3. Juni 1903.)
Aus den von uns angestelten, eingehenden Untersuchungen
über die Natur und die Bildungsursachen des Farbschleiers geht '
hervor, daß dieser Schleier sich bald während der Entwicklung, bald
beim Fixieren bildet. ?)
1. Der Farbschleier bildet sich im Entwickler immer dann, wenn
die Entwicklungsfähigkeit ein Lösungsmittel des Bromsilbers (Natrium-
hyposulfit, Ammoniak, Cyankalium u. s. w.) enthält. Ist in dem
Entwickler Natriumhyposulfit enthalten, so genügt eine sehr geringe
Menge dieser Substanz, um den Farbschleier zu verursachen.
2. Der Farbschleier entsteht, beim Gebrauch von Entwicklern
der Diamidophenolklasse und außerdem bei den alkalischen Ent-
wicklern mit Karbonatüberschuß, im Fixierbad, wenn letzteres kleine
Mengen von Entwickler und Natriumsulfit enthält. Endlich er-
leichtern folgende Ursachen, bei sonst gleichen Bedingungen die
Entstehung des Farbschleiers: Unterexposition, Substanzen, die die
reduzierende Wirkung des Entwicklers verstärken (Natriumsulfit,
Alkalien) und lange fortgesetzte Entwicklung, wenn der Schleier
sich schon im Entwickler bildet.
Der Farbschleier enthält kein Bromsilber. Er besteht wahr-
scheinlich aus einer sehr silberreichen Silberverbindung, die etwas
von der organischen Substanz des Substrates enthält. Unserer Ansicht
nach muß seine Zusammensetzung der unter dem Namen ,,Collargol“
bekannten Substanz ähnlich sein.
Letztere Silberverbindung, die beim Behandeln eines löslichen
Silbersalzes mit einem Reduktionsmittel bei Gegenwart einer kolloi-
dalen organischen Substanz erhalten wird, scheint mit der des Farb-
schleiers außerordentlich ähnliche Eigenschaften zu besitzen. Vor
kurzem hat nun Hanriot?) gezeigt, daß Collargol, das ungetähr 87 °/,
1) Siehe diese Zeitschrift I. S. 195. 1903.
2) Compt. rend. d. l’Accad. des sciences 1903. S. 580.
20*
278 Lumière und Seyewetz.
Silber enthält, durch Elektrolyse eine in Wasser unlösliche, saure
Verbindung, die die ganze Silbermenge und die organische Substanz
enthalt, ergibt. Dieser am positiven Pol sich abscheidende Körper
löst sich leicht in Alkalien und wandelt sich dabei wieder in Collar-
gol um.
Wenn auch der Farbschleier nicht nur aus reinem Silber be-
steht, so enthält er doch in der Tat eine sehr große Menge dieses
Metalls und die chemischen Reagentien scheinen auf ihm so einzu-
wirken, als wenn er aus reinem Silber bestände.
Im Laufe unserer Untersuchungen haben wir nur konstatiert,
daß die verschiedenen Behandlungsweisen durch die Silber in
Schwefel- oder Oxyverbindungen übergeführt werden kann, auch
auf den Farbschleier einwirken, indem sie seine intensive Färbung
zerstören und sie in die viel schwächere des Silbersulfids und des
Silberoxyds umwandeln. Wahrscheinlich wird durch ihre Ein-
wirkung die Verbindung des Silbers mit der organischen Substanz
zerstört.
Auf die vorerwähnten Beobachtungen uns stützend haben wir
versucht, den Farbschleier durch folgende Mittel zu beseitigen.
A. Durch Überführung des Silberbildes und des Silbers des
Farbschleiers in eine schwarze, haltbare Verbindung, wie z. B,
Silbersulfid.
B. Durch Behandeln des Negativs mit dem gewöhnlichen Silber-
lösungsmittel (Abschwächer).
C. Durch Überführung des Silberbildes und des Silbers des
Farbschleiers in eine unlösliche Verbindung, Jie durch einen Ent-
wickler reduziert werden kann.
D. Durch Behandlung mit Oxydationsmitteln.
Bevor wir zur Besprechung der verschiedenen Mittel, die wir
zur Zerstörung des Farbschleiers angewendet haben, übergehen,
müssen wir darauf aufmerksam machen, daß der im Entwickler
gebildete Farbschleier viel oberflächlicher als der im Fixierbad
sich bildende ist. Die Ursache dieser Erscheinung haben wir
früher erklärt. Wir haben nun dem ersteren Schleier die
Bezeichnung „Oberflächenschleier‘“ dem letzteren die Bezeichnung
„Liefenschleier‘“ gegeben. Wie wir sehen werden, verhalten sich
die beiden Schleier den von uns verwendeten Reagentien gegen-
über ganz verschieden. Während die einen namentlich auf die
Oberfläche einwirken, üben die anderen ihren Einfluß hauptsächlich
auf die unteren Schichten der Emulsion aus.
Über die Zerstörung des photographischen Farbschleiers. 279
A. Überführung der Silberverbindung des Farbschleiers
in Sulfid.
Beim Behandeln von mit Farbschleier behafteten Platten mit
Schwefelwasserstoff oder Alkalisulfiden (Natriumsulfid, Kaliumsulfid,
Ammoniumsulfid) schwärzt sich der Schleier nach und nach (ziem-
lich langsam). Diese Schwärzung wird wahrscheinlich durch Bildung
von Silbersulfid bewirkt. |
Bei Anwendung von Schwefelwasserstoff geht die Reaktion
außerordentlich langsam, rascher bei Anwendung von Alkalisulfiden
und namentlich Polysulfiden vor sich. Diese stark alkalischen Ver-
bindungen greifen jedoch die Gelatine an und bewirken ein Ab-
heben der letzteren von der Glasplatte jedesmal, wenn die Intensität
des Farbschleiers ein längeres Verweilen des Negativs in der Sulfid-
lösung erfordert. Bei Anwendung von Schwefelwasserstoff in statu
nascendi geht die Schwefelung rascher von statten als mit gewöhn-
lichem Wasserstoff. Die bei Anwendung der Alkalisulfide auftreten-
dcn Übelstände sind dabei nicht zu befürchten, Zu diesem Zweck
fügt man zu einer Lösung von Natriumhyposulfit kleine Mengen
von Wein- oder Zitronensáure. Beim Behandeln des Negatives mit
dieser Mischung bildet sich wohl auf der Oberfläche ein leichter
Schwefelniederschlag, man kann ihn jedoch leicht durch Abwaschen
der Schicht mit einem Wattebausch entfernen, Die Schwefelung
des Farbschleiers geht viel leichter beim Oberflächenschleier, als
beim Tiefenschleier vor sich.
Es gelang uns außerdem, die für die Zerstörung des Farb-
schleiers geeignete Konzentration der verschiedenen Schwefelungs-
lösungen (die zu gleicher Zeit die Gelatine am wenigsten angreift)
festzustellen.
Die besten Resultate mit Schwefelwasserstoff erzielt man, wenn
man eine gesättigte wässerige Lösung mit dem gleichen Volumen
Wasser verdünnt. Bei Anwendung von Ammoniumsulfid ist eine
Mischung von gleichen Volumen Wasser und neutralem Ammonium-
sulfid (gelbes Ammoniumsulfid mit Schwefelwasserstoff gesättigt und
mit gleichem Volumen gewöhnlichen Ammoniaks verdünnt) zur
Zerstörung des Farbschleiers am geeignetsten. Eine 5prozentige
Schwefelleberlösung ergibt die gleichen Resultate wie Ammonium-
sulfid. Natriumsulfid kann in mit Schwefelwasserstoff gesättigter
und mit dem gleichen Volumen Wassers verdünnter Lösung ver-
wendet werden. Als neutrales, kristallisiertes Sulfid kann diese
280 Lumière und Seyewetz.
Substanz infolge ihrer ätzenden, die Gelatine angreifenden Wirkung,
nicht verwendet werden.
B. Behandlung des Negativs mit den gewönlichen Silber-
lösungsmitteln (Abschwächer).
Wir untersuchten die Wirkung der verschiedenen Silberlösungs-
mittel, die in der Praxis als Abschwächer gebraucht werden. In
folgendem geben wir die von uns mit diesen Abschwächern er-
zielten Resultate wieder: i l
Cersulfat löst den Farbschleier auf, löst jedoch zu gleicher Zeit
auch das metallische Bild auf, sodaß, wenn man mit Cersulfat den
Farbschleier entfernen will, man gezwungen ist, das Negativ ab-
zuschwächen.
Rotes Blutlaugensalz und Natriumhyposulfit wirken wie Cersulfat.
Kaliumpermanganat und Schwefelsäure (Vorschrift Namias) er-
geben die gleichen Resultate wie die vorigen Abschwächer.
Kaliumbichromat und Schwefelsäure wirken ebenso: der Farb-
schleier wird aufgelöst und das Bild abgeschwächt.
Ammoniumpersulfatlösung (mit Schwefelsäure schwach ange-
säuert), die als Negativabschwächer in der Praxis gebraucht wird,
greift bekanntlich namentlich die stark gedeckten Lichter an, während
sie auf die Schattenpartien nur wenig einwirkt. Ammoniumpersulfat
wirkt sozusagen von der inneren Schicht nach der Außenseite. Diese
merkwürdige Eigenschaft des Ammoniumpersulfats macht es nament-
lich tauglich zum Auflósen des Silbers des Tiefenschleiers. In der
Tat zerstört Persulfat sehr leicht den im Fixierbade gebildeten
Tiefenschleier und zwar ohne das metallische Bild merklich anzu-
greifen unter der Bedingung, daß man seine Wirkung, nach Zer-
stören des Farbschleiers, rechtzeitig durch Eintauchen der Platte
in eine Natriumsulfit- oder Natriumbisulfitlösung unterbricht. Der
im Entwickler gebildete Oberflachenschleier wird ebenfalls durch
Ammoniumpersulfat zerstört, doch löst sich zu gleicher Zeit, da er
sich nicht in den tieferen Schichten der Emulsion befindet, auch
ein Teil des Silberbildes auf. Bei genügend intensiven Farbschleiern
kann man folglich durch Anwendung von Ammoniumpersulfat er-
kennen, ob der Schleier sich im Entwickler oder im Fixierbad
gebildet hat. Ein 3prozentiges Ammoniumpersulfat ergibt sehr gute
Resultate. Fine weitere Konzentration der Lösung beschleunigt die
Zerstörung des Farbschleiers nicht wesentlich.
Über die Zerstörung des photographischen Farbschleiers. 281
C. Überführung der Silberverbindung des Farbschleiers
in eine unlösliche, durch einen Entwickler reduzierbare
Verbindung.
Es wurde versucht, das metallische Silberbild und zu gleicher
Zeit auch das Silber des Farbschleiers in eine wasserlösliche Ver-
bindung, die jedoch leicht wieder mittels eines Entwicklers in
metallisches Silber reduziert werden kann, überzuführen. Solche
Verbindungen sind Chlorsilber, das durch Behandeln des Silberbildes
mit Eisenchlorid erhalten wird, Brom- und Jodsilber, durch Behandeln
der Platte mit Brom- oder Jodwasser hergestellt, und Ferricyansilber,
erhalten durch Einwirkung von rotem Blutlaugensalz auf das
metallische Silberbild. Alle diese Substanzen zerstören wohl den
Farbschleier, aber das durch das Behandeln der unlöslichen Silber-
salze mit Entwicklern erhaltene reduzierte Silber ist undurchsichtiger
als das Silber des ursprünglichen Bildes. Es entsteht so ein gelb-
licher, von reduziertem Silber herrührender, mehr oder minder
undurchsichtiger Schleier, der das Kopieren der Platten sehr er-
schwert. Wir können daher diese Methode nicht empfehlen.
D. Behandlung mit Oxydationsmitteln.
Schließlich wurde noch die Einwirkung von Oxydationsmitteln
auf den Farbschleier untersucht. Wir verfolgten dabei das Ziel,
das Silber der Zeichnung und zu gleicher Zeit auch das des Farb-
schleiers in Silberoxyd oder in irgend eine andere oxydierte Ver-
bindung, deren Lichtdurchlässigkeit beim Kopieren die Mifistánde
des Farbschleiers aufhebt, überzuführen.
Zu diesem Zwecke suchten wir die Einwirkung des mit einem
schwachen Alkali neutralisierten Ammoniumpersulfats. So neutrali-
siertes Ammoniumpersulfat löst das Silberbild nicht mehr, wie das
schwach saure Persulfat, auf. Neutrales Ammoniumpersulfat wird
daher, ohne daß ein Auflösen des Silberbildes zu befürchten ist,
zur Zerstörung des Natriumhyposulfits verwendet. Bei langer
Einwirkung des Persulfates wird sogar das Bild etwas verstärkt.
Diese Verstärkung ist vielleicht der Bildung eines Silberoxyds zu-
zuschreiben. Dieses Silberoxyd kann jedoch nicht das normale sein,
da es in Ammoniak unlöslich ist. Wir konstatierten nun, daß das
neutrale Ammoniumpersultat keine merkliche Einwirkung auf den
Farbschleier ausübt. Ebenso sind die Jodate, Jodsäure, neutrales oder
angesäuertes Wasserstoffsuperoxyds ohne Wirkung. Die einzige,
282 Lumière u. Seyewetz. Über die Zerstörung des photogr. Farbschlerers.
interessante oxydierende Wirkung, für die wir jedoch bis jetzt noch
keine genaue Erklärung haben aufstellen können, ist die des neu-
tralen Kaliumpermanganats.
Einwirkung des Kaliumpermanganats auf den Farbschleier.
Läßt man eine Lösung von Kaliumpermanganat (1:1000) auf
ein mit Farbschleier behaftes Negativ einwirken, so löst das Per-
manganat selbst den dichtesten Schleier in wenigen Minuten. In
der Schicht setzt sich Manganoxyd ab. Das Manganoxyd wird
durch Eintauchen der Platte in eine Natriumbisulfitlösung (I: 10) gelöst.
Hierdurch verschwindet jede Spur des Farbschleiers, ohne daß das
Silberbild abgeschwächt wird. Immerhin modifiziert sich die Farbe
des Silbers etwas; sie wird bräunlicher. Auch beobachtet man beim
Betrachten der trockenen Platte im auffallenden Lichte spiegelnde
Flächen, die den die größte Menge reduzierten Silbers enthaltenden
Plätzen des Bildes entsprechen. Diese spiegelnden Flächen haben je-
doch beim Betrachten der Platte in der Durchsicht keinen Einfluß
auf den relativen Wert der Halbtöne.
Permanganat wirkt sowohl auf den im Fixierbad gebildeten
Tiefenschleier als auch auf den im Entwickler entstehenden Ober-
flächenschleier. Die Methode mit Permanganat ist die wirksamste
aller der von uns bis jetzt zur Entfernung des Farbschleiers er-
probten Verfahren.
Schlußfolgerungen.
Von allen in dieser Arbeit angeführten Methoden zur Zerstörung
des Farbenschleiers wendet man am besten die drei folgenden an:
1. Für den Tiefenschleier: Behandlung der Platte mit Ammonium-
persulfat und nachherigem Fixieren in einer Natriumbisulfitlösung.
2. Für den Oberflächenschleier: Überführung des Silbers in
Silbersulfid durch Behandeln mit Schwefelwasserstoff in statu nascendi
(Natriumhyposulfit mit Zitronensäure). Ammoniumpersulfat zerstört
den Oberflachenschleier nur unter gleichzeitigem Abschwächen des
Silberbildes.
Mittels dieser beiden Methoden kann man bei kräftigem Farb-
schleier bestimmen, ob der Schleier in dem Entwickler oder im
Fixierbad entstanden ist.
3. Die besten Resultate für alle Fälle ergibt die Einwirkung
von neutralem Kaliumpermanganat mit nachherigem Behandeln der
Platten in Natriumbisulfitlösung.
(Eingegangen am 25. Juni 1903.)
Lumiére u. Seyewetz. Über den Gebrauch des Acetons etc. 283
Über den Gebrauch des Acetons in den Entwicklern als Ersatz
der Alkalien.
Zweite Antwort an Dr. A. Eichengrün
von A. und L. Lumière und A. Seyewetz.))
Wir dachten in unserer Erwiderung auf die Argumente, die
Dr. Eichengrün gegen unsere Theorie über die Entwicklung bei
Gegenwart von Aceton hervorbrachte, genügend bewiesen zu haben,
daß die Hypothese der Überführung des Acetons in eine bisulfitische
Verbindung nach Maßgabe der Entwicklung einige Wahrscheinlich-
keit für sich hätte.
` Herr Dr. Eichengrün ist nicht dieser Meinung, denn er sucht
von neuem die Ungenauigkeit unserer Hypothese zu beweisen. Es
liegt absolut nicht in unserer Absicht, eine Erörterung, die lang-
weilig zu werden droht, weiter fortzusetzen, namentlich, wenn unser
Gegner fortfährt, die Argumente, die für unsere Hypothese sprechen,
einfach nicht zu beachten und nur die, die ihren Wert beeinträchti-
gen können, zu berücksichtigen. Nichtsdestoweniger können wir
nicht umhin, nachdem wir mit Vergnügen in der letzten Mitteilung
Herrn Eichengrün konstatiert haben, daß er den Wert unserer
Studien über den Gebrauch des Acetons in den Entwicklern an-
erkennt und daß ebendiese Arbeiten, wie er sagt, zum studieren
der Acetonsulfite bewogen haben (Tatsachen, die er in seiner ersten
Mitteilung zu erwähnen vergessen hatte), die neuen Argumente, die
gegen uns angeführt wurden, kurz auseinanderzusetzen.
1) Als vor Jahren die Herren Lumière das Aceton als Alkaliersatz in den
Entwicklern empfahlen, stellten sie die folgende Reaktionsgleichung auf:
CH CH, OH
2¿p>C0 + 2Na,50, + C,H (OH) = 2¿4>C<S0 Na + CoHONa),.
Die Richtigkeit dieser Formel wurde von Eichengrún bestritten, der weder das
Phenolat noch das von ihm in die Technik eingeführte Aceton(bi)sulfit nachweisen
konnte. Die Herren Lumiére mußten zugeben, daß sie das Acetonbisulfit zwar
nicht isolieren konnten, aber seine Bildung sei doch wahrscheinlich. Dem wider-
sprach Eichengrün, mit dem Hinweis, daß freies Hydrochinon vorhanden sei und
daß ein Entwickler mit Aceton(bi)sulfit und Aceton ohne Natriumsulfit möglich sei.
Der bei uns in Deutschland auf der einen Seite mit großer Heftigkeit geführte Streit
um das Acetonsulfit scheint durch die alte Chemie schwer gelöst werden zu können; die
nicht genügend bekannten Verhältnisse des Gleichgewichts und der Reaktionsgeschwin-
digkeiten dürften dagegen die Lösung der Streitpunkte enthalten, Englisch.
284 Lumière und Sevewetz.
1. Das erste Mal warfen wir Herrn Dr. Eichengrün vor, seinen
Einwürfen einen zu absoluten Charakter, ohne auf unsere Vor-
behalte Rücksicht zu nehmen, gegeben zu haben. Wir begründeten
unsere Vorbehalte einerseits mit der Unmöglichkeit, selbst geringe
Mengen der bisulfitischen Verbindung zu isolieren, andererseits mit
der kleinen Menge des Hydrochinons, die an der Reaktion vor dem
Beginn der Entwicklung teilzunehmen scheint. Dieses Mal hat Herr
Dr.Eichengrün wohl von unseren Vorbehalten Kenntnis genommen,
er benützt sie jedoch als Argumente zu Gunsten seiner Behauptungen.
2. Wir haben gezeigt, daß von zwei Lösungen, die gleiche
Mengen Hydrochinon und Aceton enthalten, von denen man jedoch
nur zu der einen Alkalisulfit zugegeben hat, die letztere durch Aus-
ziehen mit Äther eine größere Menge Hydrochinon ergibt als die
andere. Wir schlossen hieraus, daß wahrscheinlich ein Teil des
Hydrochinons durch das durch die Einwirkung des Sulfits auf das
Aceton in Freiheit gesetzte Alkali in der Lösung zurückgehalten
wird. Hier schien uns ein für die Annahme der Bildung einer bisulfiti-
schen Acetonverbindung günstiges Argument zu sein. Herr Dr. '
Eichengrün bemerkt nun hierzu, daß dieses Resultat nicht erstaun-
lich sei, da ja Aceton mit Hydrochinon eine sehr gut krystalli-
sierende, in Äther lösliche Verbindung ergebe. Wir können nun
nicht einsehen, inwiefern die Bildung dieser Verbindung, die ebenso
bei Gegenwart als auch bei Abwesenheit von Sulfit eintreten muß,
die Übereinstimmung der ausziehbaren Hydrochinonmengen in den
beiden Fällen verändern kann. Im übrigen ergiebt Pyrogallolsäure
dieselben Resultate wie Hydrochinon. Der Unterschied der durch
Äther in mit Aceton versetzten Lösungen, von denen die einen
Sulfit enthalten, während die anderen keines enthalten, ausziehbaren
Pyrogallolmengen ist bei Anwendung von Pyrogallussäure noch
viel bedeutender.
3. Wir finden außerdem in den Eichengrünschen Versuchen
selbst widersprechende Resultate mit dem von ihm vorgebrachten
im letzten Absatz erwähnten Einwand gegen unsere Theorie. Der
unter normalen Verhältnissen ausgeführte ätherische Auszug der
Sulfit und Aceton enthaltenden Lösung ergab ihm eine bedeutend
kleinere Menge Hydrochinons als der der wässerigen Lösung allein
(1,65 g anstatt 1,9 g). Er fügte nun zu der restierenden Lösung
20 ccm Aceton hinzu und erhielt nach weiterem Ausschütteln mit
Äther einen neuen Rückstand von 0,19 g Hydrochinon, wodurch die
ganze Menge des so auszichbaren Hydrochinons auf 1,84 g gebracht
Über den Gebrauch des Acetons in den Entwicklern etc. 285
wurde. Wenn jedoch, wie Dr. Eichengrün behauptet, Hydro-
chinon und Aceton eine Verbindung bilden, so sind diese erhaltenen
Mengen, unter der Bedingung, daß sie dem Gewicht der neuen
Verbindung und nicht dem des Hydrochinons entsprechen, ohne
Zweifel zu groß nach dem großen Acetonüberschuß, den er das
zweite Mal zugab. Dr. Eichengrün hat in der Tat nicht kontrolliert,
ob das so erhaltene Produkt reines Hydrochinon oder seine Ver-
bindung mit dem Aceton war. Ebenso hat er bei seinem Kontroll-
versuch mit Hydrochinon allein kein Aceton zugegeben.
4. Unter den uns von Dr. Eichengrün gemachten Einwürfen
finden wir einen, bei dem er Wortklauberei zu treiben scheint, und
unter solchen Umständen ist, wie schon früher gesagt, keine Er-
örterung möglich. Wir gaben an, daß uns nur ungefähr ein Drittel
der Hydrochinonmenge in die Reaktion einzugreifen schien. Dr.
Eichengrün schließt daraus, daß wir nur für ein Drittel des
Hydrochinons eine Reaktion für möglich hielten. Wir haben jedoch
deutlich gesagt, daß, wenn wir auch vor der Entwicklung, wahr-
scheinlich infolge der Neigung zur entgegengesetzten Reaktion, nur
eine teilweise Reaktion konstatieren konnten, wir annahmen, daß
die Reaktion sich voraussichtlich, nach Maßgabe der Oxydation des
Hydrochinons als alkalisches Salz, während der Entwicklung weiter
fortsetzte.
5. Herr Eichengrün behauptet, auf photographischem Wege
einen stichhaltigen Beweis gegen unsere Theorie geben zu können.
Er stellt einen Hydrochinon-Acetonentwickler nach unseren Angaben
zusammen und konstatiert dann, daß der Entwickler, der eine
Normalplatte in 3 Minuten hervorruft, nur ein sehr schwaches Bild
nach 3 Minuten ergibt, wenn man die Lösung vorher mit Äther
ausschiittelt; um das mit dem Alkali nicht verbundene Hydrochinon
zu entfernen. Wenn man dagegen einen Entwickler zusammensetzt,
der Hydrochinon und Alkali in dem von uns vor der Entwicklung
als existierend vorausgesetzten Verhältnis enthält, also ungefähr
folgendermaßen:
0,43 g Hydrochinon,
100 ccm Wasser,
Io g wasserfreies Sulfit,
0,156 g Ätznatron (für die Hydrochinonsalzbildung theo-
retisch nötige Menge),
so erhalt man ein gut gedecktes Bild nach 3minutiger Entwicklungs-
dauer. Wir haben diesen Versuch nachgeprüft und gefunden, dab
236 Lumiére und Seyewetz.
vorstehende Lösung, die 0,43 g Hydrochinon und 0,156 Ätznatron
enthält, nach 3 Minuten ein etwas dichteres Bild als die mit Äther
ausgeschüttelte Sulfit und Aceton haltige Lösung ergibt, daß jedoch
das Bild lange nicht so kräftig ist, wie das mit der nicht mit Äther
ausgeschüttelten Lösung erzielte. Dies Resultat scheint daher nur
zu beweisen, daß 0,43 g Hydrochinon eine etwas größere Reaktions-
mittelmenge ist, als die, die sich wirklich vor der Entwicklung mit
dem Alkali verbindet.
6. Wir hatten die von Herrn Dr. Eichengrün angeführten
Versuche betreffs der Möglichkeit mit Aceton allein, selbst ohne
Sulfit zu entwickeln, bestritten. In seiner ersten Arbeit sprach
Dr. Eichengrün kein Wort über die Dauer der Entwicklung; heute
gibt er für die Hervorrufungsdauer bis zu 24 Stunden für Entwickler,
die nur Aceton und Hydrochinon, Pyrogallussäure oder Brenz-
katechin (beim Hydrochinon muß außerdem die Belichtung ıo Mal
länger als eine Normalbelichtung sein) enthalten, an. Wir haben
diese Eichengrünschen Versuche, seine Angaben genau befolgend,
nachgemacht und konstatiert, daß diese kein alkalisches Sulfit ent-
haltenden Entwickler ein Bild während der von Dr. Eichengrün
angegebenen Zeit hervorrufen und daß selbst nach dieser sehr ab-
normalen Entwicklungsdauer, die Negative nur sehr schwach und
außerdem mit einem starken Farbschleier belegt sind.
Aus vorstehenden Versuchen leitet nun Dr. Eichengrün einen
unleugbaren(!) Einfluß des Acetons allein auf das Reduktionsvermögen
des Hydrochinons, der Pyrogallussäure sowie des Brenzkatechins ab.
Er scheint außerdem darauf zu schließen, daß das Natriumsulfit in
die Reaktion nur ganz nebensächlicherweise eingreift.
Und doch erhält man bei Gegenwart von Natriumsulfit nach
3minutiger Entwicklungsdauer ein normales Bild, während Hydro-
chinon und Aceton allein erst nach 28 Stunden ein schwaches Bild
ergeben.
Übrigens kann man leicht beweisen, daß das schwache Re-
duktionsvermögen nicht auf die Gegenwart des Acetons zurück-
zuführen ist. Kontrollversuche mit einfachen, wässerigen Lösungen
von Hydrochinon, Pyrogallussaure und Brenzkatechin (Versuche, die
Dr. Eichengrün zu machen unterlassen hat) zeigten uns, daß man
mit diesen Lösungen genau dasselbe Reduktionsvermögen erhält,
wie wenn man ihnen Aceton zusetzt. Diese Substanz greift dem-
nach, trotz der Versicherung unserer Gegenpartei, keineswegs in die
l¿ntwicklung mit ein, solange kein Sulfit zugegen ist.
Über den Gebrauch des Acetons in den Entwicklern etc. 287
7. Wie es Dr. Eichengrün schon angibt, haben wir auch ge-
funden, daß ein Zusatz von Acetonbisulfit!) zu den mit Aceton ver-
setzten wässerigen Lösungen von Hydrochinon, Pyrogallussäure und
Brenzkatechin die Entwicklung sehr beschleunigt, und daß dann zur
Hervorrufung eines annähernd normalen Negativs keine 24 mehr, son-
dern nur noch 2 Stunden nötig sind.
Wenn man dagegen nur Acetonbisulfit enthaltende wässerige
Lösungen, ohne Acetonzusatz, verwendet, so wird die Entwicklung
sehr verzögert. Der günstige Einfluß des Acetons in diesem Falle
scheint demnach unleugbar. |
Diesen günstigen Einfluß des Acetons wird man leicht ver-
stehen, wenn man bedenkt, daß der Zusatz von Aceton zum Natrium-
bisulfit (Acetonbisulfit) den sauren Charakter dieser Lösung abzu-
schwächen trachtet. Dr. Eichengrün gibt selbst zu, daß man, um
gute Resultate zu erhalten, frisch bereitetes Acetonbisulfit anwenden
muß, da es sonst Aceton verliert und sauer wird.
Das Aceton schwächt demnach die Säure ab und ein Aceton-
überschuß in Gegenwart von Acetonsulfit + Aceton wirkt wie ein
schwaches Alkali. Wir fanden diese Hypothese bestätigt durch die
Ersetzung des Acetonsulfits + Acetons durch ı. Natriumsulfit (ohne
Aceton), 2. eine Mischung in verschiedenen Verhältnissen von Na-
triumsulfit und Natriumbisulfit. So lange die Lösung keine aus-
gesprochene saure Reaktion besitzt, erscheint das Bild, je nachdem
man sich dieser sauren Reaktion nähert, nach kürzerer oder längerer
Entwicklungsdauer. So ist bei Anwendung von Natriumbisulfit allein
nach 20 Stunden noch keine Spur des Bildes sichtbar.
Natriumsulfit allein (ohne Aceton) wirkt genau wie Aceton-
sulfit + Aceton.
Wir haben sogar konstatiert, daß bei Gegenwart von Natrium-
sulfat das Bild schon nach kürzerer Zeit erscheinen kann, als in
einer einfachen wässerigen Lösung.
Wir begreifen immer weniger, wieso die Versuche unseres
Gegners einen Beweis gegen die Hypothese der Bildung einer bi-
sulfitischen Verbindung bilden können; im Gegenteil, es scheint uns,
als ob einige von ihnen geradezu neue Beweise zu Gunsten unserer
Hypothese sind.
Was die Theorie, die die Acetonentwicklung durch die vereinte
Wirkung der Systeme: Hydrochinon + Wasser, Hydrochinon +
1) Diese Substanz nennt Dr, Eichengrün ,,Acetonsulht“,
í
288 Referate.
m e mm LT A AAA A ASK: aM n_e o A a a ae a a
Aceton, Hydrochinon + Sulfit erklärt, anbetrifft, so hat sie vielleicht
den Vorteil der Einfachheit, wir sehen jedoch nicht ein, was sie
beweisen soll. (Eingegangen am 15. Juli 1903.)
Referate.
Preislisten, geschäftliche Mittellungen.
C. P. Goerz, optische Anstalt in Berlin-Friedenau. Die
Firma ist in eine Aktiengesellschaft umgewandelt worden. Der
zum Kommerzienrat ernannte Herr P. Goerz ist Vorsitzender des
Aufsichtsrats. Seine seitherigen ersten Mitarbeiter bleiben als Di-
rektoren im Vorstand. Aktienkapital 3*/, Millionen Mark.
Romain Talbot, Berlin C. Preisliste über Reproduktionsverfahren.
Carl Zeiss, optische Werkstätte, Jena. Anleitung zur Aus-
wahl der Zeiss-Objektive von Dr. P. Rudolph, Jena. Die
4. Ausgabe dieser trefflichen Anleitung. Illustriert. — Der Mi-
nimum-Palmos, Modell 1904. Metallklappkamera für Unar
und Tessar. — Die Palmos-Rollfilm-Kassette, Modell 1903.
— Herr Professor Abbe ist definitiv von der Geschäftsleitung
zurückgetreten. An seiner Stelle wurde Herr Dr. S. Czapski in
die Geschäftsführung von Zeiss und Schott & Gen. gewählt.
Patentbericht
von Dr. B. Oettinger, Patentanwalt, Berlin NW. 52.
42c. G. 16952. Zu einem Dreieck zu vereinigende Lineale zum
Messen und Abtragen von Winkeln. — August Güttler, Kópprich b.
Neurode i. Schl.
42c. 8. 16097. Entfernungsmesser. — Kurt Spuhl, Friedrichshagen.
57b. A. 9606. Verfahren zur Übertragung von auf Zelluloidunter-
lagen hergestellten Pigmentbildern auf Papier. — Akt.-Ges. für Anilin-
Fabrikation, Berlin.
57b. 144554. Verfahren zur Herstellung farbiger Photographien.
— Dr. Riebensahm & Posseldt, G. m. b. H., Berlin.
57b. 144555. Verfahren, um Photographien mehrfarbig zu tonen.
— Solon Vathis, Paris.
57b. 144606. Verfahren zur Herstellung von Emailbildern. —
Fa. L. Chr. Lauer, Nürnberg.
57b. 144661. Zur Herstellung von Farbfiltern für photographische
Zwecke dienende Farbfiltermasse. — Dr. C. Wilhelm Georg Aarland,
Leipzig, Frankfurter Str. 29.
57b. H. 29339. Verfahren zur Erzeugung vignettierter Negative.
— Richard Hoh & Co., Leipzig.
74c. H. 29358. Elektrischer Fernzeiger. — Hartmann & Braun,
A.-G., Frankfurt a. M.
74c. L. 16563. Signaltelegraph. — Erwin Lavens und Edward
Joseph Lavens, Borough of Brooklyn, New York.
Für die Redaktion verantwortlich: Dr. E. ENGLISCH in , Stuttgart.
Zeitichrift für willenidaftlidie Photographie,
Photophylik und Photodiemie
I. Band. 1903. Heft o.
Neuere Arbeiten über Funkenspektren. II.
Von H. Konen.
(Teil I: Seite 237—245.)
Abhängigkeit der Funkenspektren von den Bedingungen
des Stromkreises.
Durch die zahlreichen Arbeiten über den Einfluß der Entladungs-
bedingungen auf den Charakter des erzeugten Spektrums wird immer
mehr erwiesen, was für ein variables Ding ein Funkenspektrum ist.
Glaubte man in älterer Zeit die Änderungen in der Zahl und dem
Charakter der Linien lediglich durch die Wirkung verschiedener Tempe-
raturen erklären zu können, so wird diese Hypothese nunmehr auf ganz
enge Gebiete eingeschränkt und an die Stelle der Temperaturwirkung
tritt der Einfluß der elektrischen Eigenschaften der Substanz der Elek-
troden, der Kapazität, der Selbstinduktion des Stromkreises, des Ent-
ladungspotentials, der Entladungsperiode, endlich des Druckes und der
Zusammensetzung der umgebenden Atmosphäre, ohne daß es möglich
wäre, alle diese Bedingungen genau zu fassen und unter einheitliche
Gesichtspunkte zu bringen. Die bisher aufgestellten Hypothesen müssen
vielmehr noch als sehr einseitig und unvollständig bezeichnet werden
und verzichten auch meist darauf, das Rätselhafte vieler Beobachtungen
dem Verständnis näher zu bringen. So erscheint es denn nicht mög-
lich, in unserem Berichte eine strenge Ordnung der Gegenstände durch-
zuführen und wir müssen uns mit einer lockeren Aneinanderreihung der
einzelnen Arbeiten begnügen. —
Bisher hatte man zwar die großen Variationen in der Zahl und
dem Charakter der Funkenlinien konstatiert, allein doch angenommen,
daß wenigstens eine Größe in diesem Wechsel konstant bleibe, nämlich
die Wellenlänge. Allerdings zeigten Humphreys und Mohler, daß
man auch diese Größe mit dem Druck variieren könne. Allein diese
Variationen liegen in den Tausendsteln einer A.E. und kommen daher
nur in den seltenen Fällen in Betracht, wo die Messung diese Genauig-
keitsgrenze erreicht und wo der Druck sehr erheblich variiert wird.
Außerhalb dieser Grenze wurde die Wellenlänge einer Linie von den
meisten Spektroskopikern als konstant betrachtet.!) Wie nun bereits
ı) Vergl. Kayser, Spektroskopie. Bd. U. S. 309.
Zeitschr. f. wiss. Phot. 1, 21
290 H. Konen.
m —— > — -— a E,
erwähnt, vertreten Exner und Haschek eine entgegengesetzte Ansicht.
Sie finden!) bei ihren Messungen erhebliche bis zu 0,1 A.E. steigende
Änderungen der Wellenlänge der Funkenlinie und sprechen es direkt
aus, daß für sie die Bestimmung der Wellenlängen auf weniger als
0,01 A.E. wenigstens im Funken keinen Sinn habe. Die Wellenlänge
sei eben eine variable Größe und ihre Schwankungen seien verursacht
durch die großen Druckdifferenzen, die infolge der explosionsartigen
Vorgänge im Funken auftreten. Haschek hat auch versucht, diesen
hypothetischen Druck zu messen. Wir verweisen bezüglich dieser Ar-
beiten und ihrer Kritik auf die unten angegebene Stelle.?) Begreiflicher-
weise ist die bisher noch nicht gemachte Beobachtung auf Zweifel ge-
stoßen, und Exner und Haschek haben von mehreren Seiten, z. B.
von Kayser,?) Widerspruch erfahren.
Derselbe hat jedoch die Verf. in ihrer Ansicht nicht erschüttert.
Sie haben vielmehr an zwei Stellen®) ihre Theorie aufs neue aufgestellt,
erweitert und auch Anwendungen gemacht. Während nämlich Humphreys
und Mohler gefunden hatten, daß es nur auf den Gesamtdruck des
Gases ankomme, daß dagegen die Menge des Dampfes die Wellenlänge
nicht beeinflusse, erweitern Exner und Haschek die Angabe dahin,
daß auch der Partialdruck eine Rolle spiele, daß also z. B. eine Linie
nach dem roten Ende des Spektrums hinrücke, wenn man die Menge
des leuchtenden Dampfes, also die Intensität vermehre. Die Verschiebung
selbst soll mit steigender Dampfdichte immer nach der Seite der steigen-
den Wellenlängen hingehen und auch die Umkehrungen betreffen. Ja noch
mehr, Haschek*) versucht sogar das Verschiebungsphänomen zur Be-
gründung der noch immer fehlenden quantitativen Spektralanalyse zu
verwenden. Er stellt sich Gemenge verschiedener Substanzen her, läßt
unter möglichst gleichen Umständen den Funken zwischen den in ver-
schiedener Proportion zusammengesetzten Elektroden überschlagen und
sieht nun zu, ob die beobachtete Verschiebung die richtige Analyse er-
gibt. Da nur linienarme Elemente große Verschiebungen ergeben,
mußten deren Spektra als Untersuchungsobjekte dienen. Es wurden also
verwendet Amalgame mit Zink und Zinn, sowie Legierungen von Zink
und Aluminium, wobei schon von vornherein der Nachteil unscharfer Linien
in den Kauf genommen werden mußte. Wirklich glaubt nun der Verf.
in seinen Photographieen, die er nach der Projektionsmethode ausmißt,
Verschiebungen bis zu 0,2 A.E. zu finden, die der Dampfmenge pro-
portional sein sollen und auch als lineare Funktionen der Dampfmenge
berechnet werden. Hieraus wird dann umgekehrt die Konzentration be-
1) Vergl. die oben referierte Wellenlängentabelle, sowie die bei Kayser, Spektro-
skopie. Bd. IL, S. 367f., 309 angegebene Literatur.
2) Kayser, Spektroskopie. Bd. II. S. 309f.
3) 1. c. S. 310.
4) Wellenlángentabellen. I. S. 13, cfr. oben S. 243; E. Haschek, Spektral-
analytische Studien. 4. Ein Beitrag zur quantitativen Spektralanalyse. II. Wien. Ber.
111. S. 232— 243. 1903.
Neuere Arbeiten über Funkenspektren. 291
rechnet und der Verf. ist ernstlich der Meinung, daß sein Verfahren
z. B. bei astrophysikalischen Untersuchungen Anwendung finden könne.
Wir wollen vorläufig einmal die Frage nach der Realität der Ver-
schiebungen ganz beiseite lassen. Dann muß man sagen, daß der Verf.
sich selbst widerlegt, wenn er ausrechnet, daß es notwendig sel, die
Wellenlänge der Linien bis auf 0,0001 A.E. zu messen, um I t Ge-
nauigkeit in der Analyse zu erreichen. Bei der früher konstatierten
Fehlergrenze von 0,01 A.E. für eine Ablesung nach der Projektions-
methode — gewiß eine günstige Annahme — würde der Fehler 100 °/,
betragen. Allcin auch davon kann keine Rede sein. Denn einmal sind
alle hier in Betracht kommenden Linien sehr unscharf, eine Messung
bis auf 0,01 A.E. hat also ihre Schwierigkeiten. Vor allem aber ist es
eine durchaus unbewiesene, wahrscheinlich sogar unrichtige Annahme,
vorauszusetzen, die im Funken vorhandenen Dampfmengen seien
der Zusammensetzung der Elektroden proportional. Schon die Ver-
dampfungstemperatur spielt eine nicht übersehbare Rolle; dann aber
hängt der Effekt ganz vom Charakter des Funkens ab, wie man sich
leicht überzeugen kann. Je nach der Beschaffenheit des Dampfes, nach
Kapazität, Selbstinduktion u. s. w. überwiegt das "Spektrum der einen
oder anderen Komponente. Dabei springt der Funke von Stelle zu
Stelle und ändert fortwährend seine Beschaffenheit. Kurz, es fehlt jeder
Anhalt, um auf die Menge und den Partialdruck des wirksamen Dampfes
zurúckzuschlieben, und alle Folgerungen, die man auf einer solchen
Grundlage aufbaut, fallen in sich zusammen.
Dann aber ist auch die Verschiebung der Funkenlinien selbst keines-
wegs als ausgemachte Sache zu betrachten. Wir verweisen für alles was
sich im allgemeinen und auf Grund der bisherigen Beobachtungen gegen
Exner und Haschek anführen läßt, auf den unten angegebenen Ort!)
und führen hier nur die Resultate einer direkten Prüfung an, die Kent?)
vorgenommen hat, indem er unter besonderen Vorsichtsmaßregeln das
Funkenspektrum und das Bogenspektrum des Titans auf dieselbe Platte
photographierte, an welchem Haschek Verschiebungen bis zu 0,13 A.E.
gefunden hatte. Es wurde ein Konkavgitter von 10 Fuß Krümmungs-
radius und 15000 Linien pro Inch benutzt. Auf den Platten entsprach
ımm 5,63 A.E. Die elektrische Einrichtung war nahezu dieselbe, wie
bei Haschek, d. h. der benutzte Transformator u. s. w. hatte nahezu
dieselben Dimensionen wie derjenige Hascheks. Nur die benutzten
Kapazitäten waren ein wenig kleiner: 0,0560 Mikrofarad gegen 0,0694
bei Haschek.
Wenn es sich um sehr kleine Verschiebungen handelt, kann man
bekanntlich mit der Aufnahme des Vergleichsspektrums nicht vorsichtig
genug sein. Ungleichmäßige Beleuchtung des Gitters, unvollkommene
Justierung desselben, der Astigmatismus der durch das Gitter entworfenen
Bilder können Quellen von Fehlern sein, die bis 0,1 A.E. reichen. So
ı) Kayser, Spektroskopie. Bd. H. S. 309, 367; I. $ 190.
2) N. A. Kent, On the effect of circuit conditions upon the wave-lengths of
spark lines. Astrophys. J. 17. S. 286—300. 1903.
2ı*
292 H. Konen.
sind zahlreiche Verfahren angegeben worden, die solche Irrtümer ver-
hüten sollen, wenn die Linien des Vergleichsspektrums nicht in der zu
prüfenden Lichtquelle auftreten; es also notwendig wird, Spektrum und
Vergleichsspektrum getrennt zu photographieren. Hartmann!) schaltet
zwischen Spalt und Lichtquelle eine Mattscheibe ein, um gleichmäßige
Beleuchtung zu bekommen. Allein dieser Weg kann nur bei sehr in-
tensiven Lichtquellen eingeschlagen werden. Kent benutzt ein sehr viel
komplizierteres Verfahren. Bei ihm sind die beiden Lichtquellen auf
der Peripherie eines Kreises angebracht, in dessen Zentrum sich ein um
eine vertikale Achse drehbarer Planspiegel befindet. Von dort fällt
das Licht auf einen metallischen Konkavspiegel, der ein Bild der Licht-
quelle auf dem Spalte entwirft. Durch Drehung des Planspiegels wird
zunächst eine Lichtquelle auf den Spalt projiziert, und zwar der Flammen-
bogen; nach einer halben Sekunde folgt die Exposition des Funkens und
zum Schluß wieder während !/, Sekunde der Bogen. Die Koinzidenz
der ersten und letzten Aufnahme soll zur Kontrolle dienen. Es wurde
darauf geachtet, den Bogen immer mit möglichst geringer Substanzmenge
und unter denselben Bedingungen aufzunehmen. Die Belichtung endlich
wurde noch durch einen Momentverschluß besonderer Konstruktion vor-
genommen.
Es wurden nun die vier Linien 3900,68, 04,95, 13,58, 98,77 unter
den verschiedensten Bedingungen aufgenommen. Es wurden variiert
1. die Länge der Funkenstrecke, 2. die Kapazität, 3. wurde eine Hilfs-
funkenstrecke vorgeschaltet, 4. wurde Selbstinduktion, 5. Impedanz und
6. Widerstand in den Stromkreis eingeführt. Die Ausmessung der Platten,
die einfach mit einem Zeißschen Komparator vorgenommen wurde, er-
gab nun im allgemeinen zunächst, daß die Abweichungen in den Wellen-
längen des Funkens gegen diejenigen des Bogens in keinem Falle den
von Haschek angegebenen Wert 0,13 A.E. erreichten. Alle Differenzen
liegen vielmehr in den Hundertsteln oder Tausendsteln einer A.E. Wohl
aber glaubt Kent im Bereich dieser Größen systematische Variationen
zu bemerken, die von den Versuchsbedingungen abhängen. Er findet
zunächst kleine Verschiebungen von 0,01 bis 0,02 A.E. wenn er die
Länge des Funkens variiert. Ihre Größe soll in dem Maße zunehmen,
wie der Funke einen disruptiven Charakter annimmt, je kürzer er ist,
und sie sollen z. B. auftreten, wenn man einen Luftstrom in den Funken
bläst. Ebenso soll die Einführung und Verlängerung einer sekundären
Funkenstrecke wirken. Die Differenzen steigen hier bis 0,04 A.E. Selbst-
induktion bringt die Linien beider Spektra zur Koinzidenz, Impedanz
desgleichen. Kapazität gibt eine kleine Vergrößerung der Wellenlänge,
wie überhaupt alle Verschiebungen im allgemeinen nach den längeren
Wellen hingehen. Widerstand im primären Stromkreis vermindert die
Verschiebung. Endlich sollen die Verschiebungen in verschiedenen Teilen
des Funkens verscliieden sein. Zum Schluß wendet sich Kent gegen
die Vorstellung Hascheks, als ob durch das Ausströmen der Dämpfe
1) J. Hartmann, Die Wellenlänge der Magnesiumlinie 4 4481. Phys. Zeitschr. 4.
S. 427 —429. 1903.
Neuere Arbeiten über Funkenspektren. 293
aus den Elektroden nach der Mitte dort ein besonders hoher Druck
hervorgerufen werde, zumal da die Verschiebung unmittelbar an den
Elektroden größer sei als in der Mitte.
Man wird dem Verf. gewiß in dieser Kritik der Hypothese
Hascheks beistimmen und vor allem es als sicheres Ergebnis bezeichnen
müssen, daß zunächst beim Titan Verschiebungen in der von Haschek
gefundenen Größe nicht existieren. Denn es ist durchaus unwahrschein-
lich, daß der einzige Unterschied in den Versuchsbedingungen, die Diffe-
renz von 0,013 Mikrofarad in der Kapazität, allein die ganze Ver-
schiebung verursachen sollte und ebenso schwer begreiflich, warum nur
Exner und Haschek Änderungen erhalten sollten. So erneuert sich
der schon früher von Kayser!) und von anderen ausgesprochene Ver-
dacht, ob man es bei den von Exner und Haschek beobachteten
Verschiebungen nicht doch mit einseitiger Verbreiterung, Umkehrungs-
erscheinungen, vielleicht sogar mit Versuchsfehlern zu tun hat, die durch
ungenaue Justierung, vielleicht auch durch die Meßmethode verursacht
sein könnten. Jedenfalls wäre es dringend erwünscht, daß die Angelegen-
heit, die für die praktische Spektroskopie und besonders die Astrophysik
die größte Bedeutung besitzt, in größerem Umfange aufs neue untersucht
würde, und vor allem, daß die Versuche Hascheks mit den Amalgamen
und Legierungen wiederholt würden.
Weniger überzeugend als das negative erscheint dem Ref. das posi-
tive Ergebnis der Versuche Kents. Es soll keineswegs die Möglichkeit
bestritten werden, daß die von Kent untersuchten Einflüsse Änderungen
in der Wellenlänge bedingen und auch die Wirksamkeit der Vorsichts-
maßregeln nicht bestritten werden, die der Verfasser getroffen hat, um
unbeabsichtigte Verschiebungen zu vermeiden. Allein es ist doch sehr
fraglich, ob das von Kent angewandte Verfahren so genau ist, daß man
über Hundertstel A.E. sichere Aussagen machen kann. Um aus zwei
Messungen etwa 5 Tausendstel zu bekommen, wie der Verf. angibt, muß
er den Abstand zweier Linien auf weniger als 0,001 mm messen. Zu-
gegeben einmal, dies gehe bei Linien, die einigen Abstand haben, so
daB man auf die Mitte einstellen kann, so geht es jedenfalls schlecht
bei Linien, die ungefähr koinzidieren. Der Verf. mißt mit 2 parallelen
Fäden. Das hat den Nachteil, daB unsymmetrische Verbreiterung, längere
Exposition und dergleichen leicht als Verschiebung gemessen wird. Auch
zeigen die Zahlen des Verf. selbst gewisse Merkwürdigkeiten, die sich
vielleicht so erklären. So findet er einmal bei Einschaltung von Selbst-
induktion eine Verschiebung nach dem roten Ende des Spektrums,
während sonst durch Selbstinduktion die Wellenlängen verkleinert werden.
Auch schwanken die einzelnen Messungen (je zwei) unter sich um Be-
träge von etwa 0,015 A.E. Merkwürdig bleibt allerdings, daß fast alle
Verschiebungen nach dem roten Ende hingehen, und das scheint in der
Tat auf eine Wellenlängenänderung in diesem Sinne hinzudeuten, wenn
man vom Bogen zum Funken übergeht. Mit der Größe der Ver-
schiebungen steht es aber anders und der Verf. gibt das schließlich
1) Kayser, Spektroskopie. Bd. II. S. 308.
294 H. Konen.
selbst zu, wenn er am Schluß bemerkt, die Resultate seien von derselben
Größenordnung wie die Fehler, und wenn er die Absicht ausspricht, die
Versuche mit einem größeren Gitter zu wiederholen.
Während somit Wellenlängenänderungen in Funken bei Atmosphären-
druck noch nicht hinreichend sicher konstatiert sind, sind schon seit
längerer Zeit solche Änderungen bekannt, wenn man Entladungen unter
Flüssigkeiten übergehen läßt. Wilsing!) war der erste, der dies ver-
suchte, zunächst in der Absicht, durch die mit explosionsartiger Heftig-
keit einsetzenden Funken bedeutende Drucke in dem leuchtenden Gase
zu erzeugen. Er fand merkwürdige Umkehrungserscheinungen und teil-
weise bedeutende Verschiebungen. An seine Arbeiten knüpfen nun
mehrere neuere an.
Zunächst untersuchte Lockyer?) in dem Bezirk 3800 bis 4800
die Funkenspektra von Fe, Ag, Cu, Pb, Zn, Mg, indem er zwischen
Elektroden aus diesen Metallen unter destilliertem Wasser den Funken
eines Induktoriums von 42 Zoll Funkenlänge überschlagen ließ. Der
kondensierte Funke war an der Luft 3 mm, unter Wasser 0,5 mm lang
und sein Licht wurde mit einem Konkavgitter größter Art untersucht.
Die erhaltenen Photographieen zeigen nun Umkehrungen und Ver-
breiterungen, von denen l. c. Proben reproduziert sind und die Lockyer
in drei Klassen einteilt, nämlich: 1. verbreiterte helle Linien, 2. ver-
breiterte helle Linien mit zentraler Absorption, 3. verbreiterte helle Linie
mit nicht symmetrischer Absorption (Maximum) der Emission nach Rot.
Außerdem finden sich auffällige Intensitätsänderungen des ,,Wasser-
funkens“ gegen den „Luftfunken“, auf die wir noch ausführlicher zurück-
zukommen haben.
Lockyer findet nun, daß nur die hellen Linien verschoben sind,
nicht die dunklen Absorptionsstreifen, und zwar in demselben Sinne, wie
die schon länger bekannte Druckverschiebung im Bogen. Er erklärt
diese Verschiebung genau in der Art,, wie Kayser den extremen Fall
unsymmetrischer Verbreiterung schildert,?) indem er unsymmetrische
Verbreiterung annimmt, die entweder die beiden Ränder der umgekehrten
Linie wie eine Doppellinie erscheinen läßt — dies soll bei Wilsing
der Fall gewesen sein — oder die eine Seite der umgekehrten Linie
-zum Verschwinden bringt und so eine einfache bedeutend verschobene
Linie vortäuscht.
Man kann nicht leugnen, daß diese Erklärung durch ihre Einfach-
heit etwas überzeugendes hat und sich auch gut mit den publizierten
Photographieen verträgt. Auch wird man die außerordentliche Erfahrung
Lockyers in der Beurteilung von Spektrallinien in die Wagschale legen
müssen, die um so schwerer wiegt, als heute bei den Erfolgen der Spektro-
graphie die okulare Beobachtung mehr als billig vernachlässigt wird.
Dennoch dürfte man mit der Erklärung Lockyers nicht ganz aus-
1) Kayser, Spektroskopie. Bd. I. S. 228.
2) Sir N. Lockyer, On the spark discharge from metallic poles in water.
Proc. Roy. Soc. 70. S. 31—37. 1902; Astrophys. J. 15. S. 190—198. 1902.
3) Kayser, Spektroskopie. Bd. II. S. 306.
Neuere Arbeiten über Funkenspektren. 295
kommen. Sie ist, wie die Besprechung der folgenden Arbeiten zeigen
wird, doch wohl zu einfach, um sich auch auf die komplizierten, von
Hale gefundenen Umkehrungen anwenden zu lassen. Ehe wir zu diesen
übergehen, möge noch auf das interessante Detail hingewiesen sein, das
Lockyer für einzelne Linien, z. B. Mg 4481, bringt, sowie auf die An-
wendung, die er von seinen Resultaten auf die Spektren der neuen
Sterne macht.
Es war nämlich die Ansicht ausgesprochen worden, in den bei den
letzteren beobachteten Umkehrungen und Verschiebungen habe man
möglicherweise ähnliche Vorgänge zu suchen, wie im ,,Wasserfunken*“,
so daß die Linienverschiebungen gar nicht nach Doppler, sondern
durch Druck oder ähnlich zu erklären seien. Der Vergleich zeigt nun
aber, daß dies nicht wohl zutreffen kann. Denn alle Vorgänge verlaufen
im Spektrum des Wasserfunkens entgegengesetzt, wie bei den neuen
Sternen. Hier sind die dunklen Linien verschoben, dort die hellen.
Im Sternspektrum geht die Verschiebung nach Violett, im Funken nach
Rot hin.
Der Vergleich mit den Spektren der neuen und der roten Sterne
war auch für Hale!) der Anlaß, die Spektra des Flüssigkeitsfunkens zu
untersuchen. In seiner ersten Arbeit benutzt er Stahlelektroden in
Wasser und in verschiedenen Salzlösungen, zwischen denen der Funke
eines Transformators überspringt (15000—30000 V.; primärer Strom
25 V. X 20 A.; 133 Wechsel; Kapazität 0,0015 Mikrofarad). Vor den
Funken war eine Hilfsfunkenstrecke geschaltet und alle Faktoren inkl.
des Wasserdruckes konnten variiert werden. Die Spektra wurden mit
einem Prismenspektrograph (ein Prisma) und mit einem Konkavgitter von
21 Fuß Radius aufgenommen. Zunächst zeigten sich die auch von
Lockyer beobachteten Intensitätsunterschiede einzelner Linien, wenn
der Funke unter Wasser überging. Dann aber traten Verbreiterungs-
und Umkehrungserscheinungen ein, die in Kochsalzlösungen stärker
waren, als in Wasser, und ihren Höhepunkt in einer 9,5%/,ig. BaCl,-
Lösung erreichten. Es erschienen schließlich die meisten Linien dunkel
auf hellem Grunde, und zwar verschoben, wie die Verf. im Gegensatz
zu Lockyer finden. Der Einfluß der Selbstinduktion, den Hale ur-
sprünglich als gering angesehen hatte, erwies sich weiterhin als der
wichtigste.
Auch hier zeigt sich ferner, welchen EinfluB die Entladungs-
bedingungen auf das Aussehen von Funkenspektren haben, denn die
Umkehrungserscheinungen blieben mit einem Induktorium, sowie in dem
Funken innerhalb eines Wehneltschen Unterbrechers aus.
In einer zweiten, neueren Arbeit”) finden Hale und Kent dann,
daß die Umkehrung ganz von der eingeschalteten Selbstinduktion ab-
1) G. E. Hale, Note on the spark spectrum of iron in liquids and in air at
high pressures. Astrophys. J. 15. S. 132—135. 1902.
2) G. E. Hale und N. A. Kent, Second note on the spark spectrum of iron
in liquids and compressed gases. Astrophys. J. 17. S. 154—161. 1903.
296 H. Konen.
hängt, und zwar in höherem Maße als von der chemischen Zusammen-
setzung der Fliissigkeitsfunkenlánge und anderem. Mit einer Selbst-
induktion von 0,0004 Henry etwa treten fast nur helle Linien auf. In
dem Maße, wie man die Selbstinduktion abnehmen läßt, kehren sich
die Linien mehr und mehr um, der Grund hellt sich auf, bis das Spek-
trum schließlich im Bereich 3500—4500 hauptsächlich aus dunklen
Linien besteht.
Gleichzeitig mit der Abnahme der Selbstinduktion wandern die
hellen Linien nach der Seite der längeren Wellen, während die dunklen
Linien mit dem Beginn ihres Auftretens eine kleine scheinbare Ver-
schiebung nach dem Violett besitzen, um dann 0,01—0,02 A.E. nach
dem Rot zu wandern.
Um nun ihre Resultate direkt mit denjenigen Wilsings vergleichen
und ebenso um prüfen zu können, ob der Druck die Ursache der Ver-
schiebung sei, untersuchten Hale und Kent weiter das Spektrum des
Funkens zwischen Stahlelektroden, wenn diese in eine Luft- oder Kohlen-
säureatmosphäre von I—53 Atm. Druck eingeschlossen sind. Dabei
finden sie nun überraschenderweise, daß mit steigendem Druck der-
selbe Effekt eintritt wie in Wasser. Im Ultraviolett beginnend, verbrei-
tern sich die Linien. Dann hellt sich der Grund auf und die Linien
beginnen sich umzukehren; und schließlich sieht man dunkle Linien
auf kontinuierlichem Grunde. Auch in diesem Falle hat die Selbst-
induktion denselben Einfluß, wie beim Flüssigkeitsfunken, wobei aller-
dings bemerkt werden muß, daß hier, wie auch sonst, im Detail kleine
Diflerenzen sich zeigen.
In den beobachteten Linien unterscheiden Hale und Kent 7 Arten:
1. schmale Emissionslinien, 2. breite, symmetrische E.-Linien, 3. breite
E.-Linien, diffus nach Rot, 4. symmetrische Absorptionslinie, 5. A.-Linie,
symmetrisch über breiter E.-Linie, 6. A.-Linie über breiter E.-Linie,
deren rote Komponente überwiegt, 7. ebenso, aber mit überwiegender
violetter Komponente.
Man findet im Original eine Tafel des Eisenspektrums zwischen
3700 und 3900 für Drucke von I— 53 Atm., welche diese Einteilung
illustriert. Ebenso ist für 8 Linien zwischen 3606 und 4325 ein Ver-
gleich der Verschiebungen ausgeführt, welche im Flüssigkeitsfunken mit
verschiedener Selbstinduktion und im Luftfunken bei verschiedenen
Drucken zu beobachten waren. Im letzteren Falle betragen dieselben
je nach dem Drucke rund 0,05—0,2 A.E.
Diese Verschiebungen sind nun wesentlich kleiner, als die von Wil-
sing angegebenen, und das gleiche gilt von den Drucken, die man aus
ihnen erschließen würde, falls man dasselbe Verschiebungsgesetz zu
Grunde legt, das nach Humphreys und Mohler für den Bogen gilt.
Allein, wie die Verf. selbst schon hervorheben, stimmen die Resul-
tate, die an verschiedenen Linien erhalten wurden, nicht sehr überein,
und auch die Messung selbst ist nur an denjenigen Linien einwandfrei
auszuführen, die bis zu hohen Drucken als nicht umgekehrte, helle
Linien bestehen bleiben. Wenn also überhaupt, so wird gewiß nur eine
eingehende Detailuntersuchung Aufklärung bringer, und man wird daher
Neuere Arbeiten über Funkenspektren. 207
die ausführliche Publikation abwarten müssen, die die Verf. in Aussicht
stellen.
Was endlich die Erklärung der Beobachtungen betrifft, so wird man
den Verfassern darin beistimmen können, daß sie sich jedes Versuches
einer Theorie enthalten. Man könnte ja leicht die Auffassung Lockyers
kombinieren mit den Folgerungen, die aus dem Auftreten eines starken
kontinuierlichen Spektrums zu ziehen sind und die Erscheinung be-
schreiben als die Superposition von Umkehrung, unsymmetrischer Ver-
breiterung und Selbstumkehrung und dabei die Selbstinduktion als tempe-
raturerhöhendes Mittel annehmen, das durch Steigerung der Menge des
Metalldampfes und durch Erhöhung der kontinuierlichen Emission der
Flüssigkeitsteilchen oder des komprimierten Gases die Umkehrungs-
erscheinungen begünstigt; allein wenn man die sonstigen Beobachtungen
über den Einfluß der Selbstinduktion und ähnliches ins Auge faßt, muß
man sagen, daB eine derartige Erklärung doch wertlos ist. Es gewinnt
vielmehr dann die Meinung, daß bei der Erzeugung der Funkenspektren
irgend welche, bisher nicht genügend bekannte elektrische Eigenschaften
der Materie eine entscheidende Rolle spielen, ohne deren Kenntnis alle
Erklärungsversuche der Funkenspektren scheitern müssen.
In anderem Zusammenhange wie Hale hat auch der Ref. sich mit
den Spektren von Flüssigkeitsentladungen beschäftigt.!) Es handelte sich
zunächst um das Spektrum des unter Flüssigkeiten brennenden Bogens
und um die Frage nach dem Ursprung des Swanspektrums. Zur Prüfung
des Einflusses des umgebenden Mediums wurde auch der Flüssigkeits-
funken untersucht. Es zeigte sich, daß derselbe sich durchaus ver-
schieden verhält je nachdem man Büschelentladung, nicht kondensierten
oder kondensierten Funken anwendet. Bei der ersten Form der Ent-
ladung überwiegt der Einfluß des Mediums, das Elektrodenmaterial ist
gleichgültig. Da die Büschelentladung nur in schlecht leitenden Flüssig-
keiten herbeizuführen ist, erhält man meist das Swanspektrum mit den
Linien des Wasserstoflis. Im zweiten Falle erhält man ein Gemisch der
Spektren des Mediums und der Elektroden und im dritten endlich treten
nur die Spektren der Elektroden auf, zusammen mit einem Starken kon-
tinuierlichen Emissionsspektrum. Es wurden zahlreiche Flüssigkeiten und
Metalle geprüft; von letzteren z. B. Cu, Al, Fe, dabei zeigten sich
ähnliche Umkehrungen wie bei Wilsing, Hale und Lockyer; auf
kontinuierlichem Grunde waren helle und dunkle Linien zu sehen, die
gegen den Luftfunken erhebliche Intensitätsunterschiede aufwiesen und
bedeutende, scheinbare Verschiebungen zeigten. Zu einer genauen
Messung der Verschiebungen reicht jedoch die Dispersion der mit einem
kleinen Rowlandschen Konkavgitter von I m Krümmungsradius her-
gestellten Photographieen nicht aus. Was das Detail anlangt, so mag
noch erwähnt werden, daß die mit einem großen Induktorium von I m
Schlagweite hergestellten Funken sich wesentlich anders verhielten wie
1) H. Konen, Spektra der Entladungen in Flüssigkeiten. Phys. Zeitschr. 3,
S. 537—539. 1902; Ein Beitrag zur Kenntnis spektroskopischer Methoden. Ann. d.
Phys. (4) 9. S. 742—780. 1902; Astrophys. J. 17. S. 81—86. 1903.
298 H. Konen.
diejenigen des Wechselstromtransformators, welche Hale benutzte, sowie
die Beobachtung des Spektrums des Wasserdampfes, das umgekehrt in
allen: Funken in wässerigen Lösungen auftrat.
An die Intensitätsunterschiede, die die Linien des Funkens und des
Bogens unter Wasser gegen Luft zeigen, knüpfen nun einige Arbeiten
Hartmanns und Eberhards an, in deren Verlauf weiterhin die Frage
nach dem Zusammenhang der Funkenspektren mit den Bogenspektren
berührt und auf die die Streitfrage nach der hypothetischen Temperatur
des elektrischen Funkens eingegangen wurde. Infolgedessen ergriffen
auch Scheiner, H. C. Vogel und Kayser in der Angelegenheit das
Wort. Wir wollen uns hier unter Ausschließung alles Polemischen ganz
auf die die Funkenspektra betreffende Seite der Publikationen beschränken.
In einer ersten Arbeit finden Hartmann und Eberhard,!) daß
in dem unter Wasser brennenden Bogen Linien auftraten, welche an der
Luft entweder sehr schwach sind oder gänzlich fehlen, und bisher als
charakteristische Funkenlinien angesehen wurden. Dies gilt z. B. von
Linien des Si, Mg, Zn, Cd und Al und insbesondere auch von der
Magnesiumlinie 4481. Die betreffenden Linien sind dabei wesentlich
schärfer als in Luft.
Es liegt nahe, den Grund für die auch beim Funken beobachteten
Unterschiede zunächst in einer Herabsetzung der Temperatur zu suchen,
die eintritt, wenn der Bogen in einer Flüssigkeit brennt. Die Verf.
stellten demnach Versuche an, indem sie den Bogen zwischen zwei
Elektroden brennen ließen, von denen die eine mit flüssiger Luft gekühlt
war. Es zeigte sich jedoch, daß die Abkühlung nichts ausmachte, wohl
aber eine starke Erwärmung, falls man den Funken überschlagen ließ.
Da im letzteren Falle jedoch die Dampfmenge erheblich vermehrt wird,
läßt sich aus einer Intensitätszunahme kein Schluß ziehen.
Drittens kann die Natur der umgebenden Atmosphäre von Einfluß
sein. In der Tat haben ja Crew, Basquin?) und Porter?) gefunden,
daß Atmosphären von Wasserstoff, Stickstoff oder anderen Gasen die
Intensität einzelner Linien beeinflussen. So prüfen Hartmann und
Eberhard den Ellekt von Wasserstoff auf die Linie 4481 des Mg und
finden, daß sie in der Tat verstärkt wird. Es schien also zunächst, als
ob der durch den Bogen selbst in der Flüssigkeit erzeugte Wasserstoff
die Ursache der Intensitätsänderungen sei, wie auch der Ref. schon ver-
mutet hatte.
Ferner ergab sich der Schluß, daß die Intensitätsänderungen der
Linie 4481 nicht als Maßstab der Temperatur des leuchtenden Gases
benutzt werden können, da die Intensität der Linie von Umständen
abhängt, die mit der Temperatur in keinem festgestellten Zusammen-
hange stehen.
1) J. Hartmann und G. Eberhard, Über das Auftreten von Funkenlinien
in Bogenspektren. Sitzb. Berl. Akad. 1903. S. 40—42; Astrophys. J. 17. S. 229 —
232. 1903.
2) Kayser, Handbuch. II. S. 255, 256.
3) R. A. Porter, Astrophys. J. 15. S. 274. 1902.
Neuere Arbeiten über Funkenspektren. 299
Das Studium der Linie 4481 ist dann der Ausgangspunkt für eine
zweite Arbeit Hartmanns.?). Die Linie 4481 des Magnesiums ist der
Gegenstand zahlreicher Untersuchungen gewesen. Sie fehlt, wenn man
ein Magnesiumsalz in den Kohlebogen bringt. Dagegen erhält man sie,
wie Liveing und Dewar fanden, wenn man den Bogen zwischen Mag-
nesiumstäben brennt, und sie wird besonders stark, wenn man einen
Bogen mit rotierenden Elektroden nach Crew anwendet. Endlich wird
sie in Wasserstoflatmosphäre oder unter Wasser verstärkt und gewinnt
an Schärfe, wie schon ausgeführt.
Im Funken tritt die Linie regelmäßig auf, kann aber zum Ver-
schwinden gebracht werden, wenn man Selbstinduktion einschaltet oder
die Elektroden zum Glühen erhitzt.
In den Sternspektren der ersten Klasse findet man sie regelmäßig,
während sie in der zweiten und dritten fehlt.
Mit der Frage nach den Bedingungen, unter denen die Linie scharf
wird, beschäftigten sich Crew,?) Huggins’) und Hartmann.t) Ersterer
warf die Frage auf, die Hartmann in der bereits besprochenen Arbeit
beantwortet, und Lord und Lady Huggins finden unter älteren Auf-
nahmen auch solche, in denen 4481 scharf erscheint. Sie glauben dies
mit der Plötzlichkeit der Entladung, also auch mit der Selbstinduktion
in Zusammenhang bringen zu müssen, geben aber keine genauen Be-
dingungen an, die den Eflekt sichern. Auch im Glimmlichte finden sie
die Linie scharf.
Hier setzt nun Hartmann ein, indem er die Bedingungen unter-
sucht, von denen das Auftreten der Linie 4481 im Bogen abhängt. Er
wiederholt zunächst die Versuche Crews mit rotierenden Elektroden,
findet dann, daß die Linie auch im ruhenden Bogen, aber nur an den
Elektroden auftritt, und geht schließlich dazu über, die Stromstärke
immer mehr zu verringern. Dabei zeigt sich nun, daß die Linie 4481
um so stärker wird, je schwächer der Strom ist. Geht man von 8 zu
0,4 Amp., so steigt die Intensität von 0,03 auf IO und wird bei 2 Amp.
ungefähr gleich derjenigen der Linie 4352. Um die Bildung einer
Funkenentladung zu verhindern, war jede Induktion im Stromkreise ver-
mieden.
Wohl mit Recht zieht Hartmann aus dem geschilderten Verhalten
der Linie 4481 nun den Schluß, daß dieselbe mindestens nicht einer
‚höheren Temperatur angehöre, sofern man überhaupt einen Zusammen-
hang zwischen der Stromstärke und der Temperatur des Bogens annimmt.
1) J. Hartmann, Über einen neuen Zusammenhang zwischen Bogen- und
Funkenspektren. Sitzb. Berl. Akad. 1903. S. 234—244; Astrophys. J. 17. S. 270 bis
281. 1903.
2) H. Crew, Note on the wave-length of the magnesium line at A 4481
Astrophys. J. 16. S. 246— 248. 1902.
3) Sir W. Huggins und Lady Huggins. Preliminary note on some modi-
fications of the magnesium line at A 4481 under different laboratory conditions of
the spark discharge. Astrophys. J. 17. S. 145—146. 1903.
4) J. Hartmann, Phys. Zeitschr. 4. S. 424—429. 1903; siehe oben,
300 H. Konen.
Zur Erklärung der Intensitätsänderungen zieht der Verf. dann im
wesentlichen zwei Momente in Betracht. Zunächst erörtert er, ob in
dem kleinen Bogen zeitliche Variationen stattfinden könnten, so daß
vielleicht nur im ersten Augenblick des Anzündens die Linie 4481 in
ihrer vollen Stärke auftrete, um dann nachzulassen.
Indem er die Beantwortung dieser Frage — mit Recht — weiteren
Experimenten vorbehält, trägt er dann eine Auffassung vor, die sich
eng an die Experimente von Schenck, Hemsalech und anderen an-
schließt. Er bezeichnet nämlich die Linie 4481 geradezu als eine Linie
niedriger Temperatur, d. h. er nimmt an, daß wir es hier mit Elektro-
lumineszenz zu tun haben. Die Leuchtfähigkeit der die Wellenlänge
4481 emittierenden Teilchen soll von ihrer Ladung abhängen und diese
wiederum von der Leitfähigkeit der umgebenden Gase. Befinden sich
z. B. die betreffenden geladenen Teile in einem Bogen, in dem viel
Metalldampf gegenwärtig ist — gewöhnlicher Bogen, starker Strom —
oder in einem Funken mit erhitzten Elektroden, so sollen die Ladungen
durch die gute Leitfähigkeit verloren gehen, ehe eine Emission ein-
treten kann.
Hartmann findet dann ferner, daß man bei relativ geringer Strom-
stärke auch noch denselben Effekt erreichen kann, wenn man die Be-
triebsspannung des Bogens verringert, er zeigt, daß man auch mit
anderen Substanzen, z. B. Blei und Wismut, die gleichen Erscheinungen
erhält und weist schließlich auf die Bedeutung hin, die die Methode
des kleinen Bogens dadurch gewinnen kann, daß sie zur Auffindung
zusammengehöriger Linien brauchbar ist.
Fassen wir das Resultat Hartmanns zusammen, so werden wir
ein positives und ein negatives Ergebnis unterscheiden müssen. Das
letztere bestätigt die schon von Liveing und Dewar 1888 ausge-
sprochene Vermutung, !) daß man keinen Anlaß habe, die Temperatur
des Funkens höher anzunehmen, als die des Bogens, eher umgekehrt.
Das erste ersetzt die Temperaturwirkung durch eine elektrische.
Nun ist diese Erklärung ja natürlich nur ein Anfang und bedarf
einer eingehenderen und umfassenderen Prüfung, als an dem speziellen
Material möglich ist, das hier in Frage kam. Auch dürften sich wohl
Schwierigkeiten ergeben, wenn man einen solchen Versuch unternehmen
wollte. Allein man muß andererseits zugeben, daß die Auffassung
Hartmanns nicht nur seine eigenen Beobachtungen plausibel macht,
sondern entschieden die Richtung angibt, auf welche alle neueren Unter-
suchungen über nicht kontinuierliche Emission hinweisen, wenigstens
wenn man sich auf Linienspektren beschränkt. Um nur ein Beispiel
zu nennen, so kommt Lenard?) in einer Untersuchung der Bogen-
spektra einiger Metalle und der räumlichen Verteilung der einzelnen
Emissionen derselben im Flammenbogen zu einer ganz nahe verwandten
Ansicht. Er findet, daß die Linien der einzelnen Serien, z. B. des
1) Vergl. Hartmann, l. c. S.8; Kayser, Spektroskopie. Bd. II. S. 181, 336.
2) P. Lenard, Über den elektrischen Bogen und die Spektren der Metalle.
Ann. d. Phys. (4) 11. S. 636—650. 1903.
Neuere Arbeiten über Funkenspektren. 301
Natriums, in räumlich völlig getrennten, konzentrischen Hohlmänteln des
Flammenbogens auftreten. Da nun der Linienabstand der Paare eine
Funktion des Atomgewichtes ist, dieses also in den verschiedenen Teilen
des Bogens nicht variiert haben kann, so wird auf eine Änderung der
elektrischen Eigenschaften, also der Ladung, geschlossen. Im Einklang
mit früheren Beobachtungen an brennenden Gasen und unter Berufung
auf andere Arbeiten bezeichnet es daher Lenard als wahrscheinlich,
daß die Metallatome fortwährend wechselnde Ladungen tragen und daß
in der Reihe der Zustände, die dabei durchlaufen werden, einer der
Nebenserie, einer der Hauptserie entspricht u. s. w.
Es ist kaum zweifelhaft, daß hier der Ansatzpunkt zu wichtigen
Umwälzungen vorhanden ist, wenn man auch zunächst die weitere Ent-
wicklung abwarten muß. Beweisen läßt sich einstweilen noch nicht viel
und das meiste bleibt der persönlichen Auffassung überlassen.
Durch das positive Resultat Hartmanns werden nun direkt die
Versuche getroffen, Spektrallinien als Index der Temperatur zu ver-
wenden. In neuerer Zeit ist Scheiner der Hauptvertreter dieser Rich-
tung, gegen die schon Liveing und Dewar, sowie Kayser!) gewich-
tige Bedenken erhoben haben. Die Arbeiten Hartmann und Eberhards
regten die Frage von neuem an und wir verzeichnen kurz die Publi-
kationen, die in der Diskussion erfolgten.
Zunächst formuliert Scheiner?) seine Ansicht aufs neue, bezweifelt
ob die Temperatur im Wasserbogen wirklich niedriger sei, als in der
Luft und sucht nachzuweisen, daß seine Ansicht aus dem Kirchhoff-
schen Gesetze folge.
Auf diese Kritik antworten Hartmann und Eberhard,*) indem
sie zeigen, daß Scheiner bei Aufstellung seiner Hypothese von falschen
experimentellen Voraussetzungen ausgegangen ‚sei. Insbesondere wird
betont, daß die Vogelsche Typentheorie durch die Einwände gegen
Scheiner nicht berührt werde.
An die astrophysikalische Seite der Sache knüpft dann H. C. Vogel?)
an, indem er zeigt, daß auch die astronomischen Voraussetzungen Schei-
ners gegenüber dem neueren Material nicht mehr standhalten. Nur in
der Klasse I ist die Linie 4481 vorhanden, konnte also, wenn über-
haupt, nur dort zur Temperaturbestimmung dienen.
Allein hier steht ihre Intensität anscheinend in Zusammenhang
mit der Mächtigkeit der Wasserstoflatmosphäre.
1) Kayser, Spektroskopie. Bd. II. S. 181.
2) J. Scheiner, Über die Verwendung von Linien des Magnesiumspektrums
zur Temperaturbestimmung von Fixsternatmosphären. Astron. Nachr. 161. 5. 263
— 267. 1903.
3) J. Hartmann und G. Eberhard, Über das Verhalten der Magnesiumlinien
à 4481 und A 4352. Astr. Nachr. 161. S. 369—316. 1903.
4) H. C. Vogel, Sind die Linien 4 4481 und 44352 des Magnesiumspektrums
geeignet, Aufschlüsse über die Temperatur der Sternatmosphären zu geben? Astron.
Nachr. 161. S. 365—370. 1903.
302 H. Konen.
Inzwischen antwortet Scheiner!) gegen die zweite Publikation
Hartmanns, indem er den Zusammenhang zwischen dem Kirchhoff-
schen Gesetz und der Emission der Linie 4481 herzustellen sucht und
der Meinung ist, der kleine Bogen lasse sich als Funke auffassen.
Eine Erklärung Vogels?) und eine Zusammenfassung der physi-
kalischen Seite der Angelegenheit durch Kayser?) machen den Be-
schluß. : ;
Im Einklang mit den Ausführungen des letzteren wird man als
positives Ergebnis der Diskussion die Feststellung bezeichnen können,
daß Funkenlinien im allgemeinen nicht zu Temperaturbestimmungen ver-
wendbar sind, und daß speziell die Linie 4481 Mg weder von der
physikalischen Seite, noch von der astronomischen Seite her als Maß-
stab zur Bestimmung von Sterntemperaturen dienen kann.
Der Versuch, aus Linienspektren die Temperatur des strahlenden
Körpers in ähnlicher Weise zu bestimmen, wie es bei festen Körpern
möglich ist, ist zu naheliegend, um die Hoffnung ganz aufzugeben, daß
man doch, wenn auch nicht so direkt wie Scheiner will, zum Ziele
kommen könne.
Vielleicht ist in geeigneten Fällen der von Kayser?) vorgeschlagene
und von Langenbach5) versuchte Weg gangbar.
Unter der Voraussetzung von Temperaturstrahlung müssen nämlich
nach dem Kirchhoffschen Gesetz die Linien einer Serie, welche von
einer unendlich dicken Schicht ausgesendet wird, dieselbe Intensitäts-
verteilung zeigen, wie das Spektrum eines absolut schwarzen Körpers.
Könnte man also die relativen Intensitäten der Linie einer solchen Serie
photometrisch oder bolometrisch bestimmen, so würde man ungefähr die
Lage des Maximums der Energiekurve und damit die Temperatur be-
stimmen können.
Man sieht, daß zahlreiche Voraussetzungen und Korrekturen not-
wendig sind zu diesem Verfahren. Aber er bietet doch wenigstens eine
Möglichkeit.
Langenbach hat in diesem Sinne die Intensitäten innerhalb der
Wasserstoflserie photometrisch verglichen, indem er durch verschiedene
Entladungspotentiale in einer Geißlerschen Röhre verschiedene Tempe-
raturen hervorzurufen suchte. Es zeigte sich, daß mit steigender Strom-
stärke und abnehmendem Druck das Maximum innerhalb der Serie nach
dem blauen Ende wandert, so daß z. B. von den drei Linien Ha, Hg,
H, die Intensität der letzten im Verhältnis am schnellsten wächst. Ferner
1) J. Scheiner, Über die Verwendung von Linien des Magnesiumspektrums
zur Temperaturbestimmung von Fixsternatmosphären. Astron. Nachr. 162. S. 35
bis 40. 1903.
2) H. C. Vogel, Astron. Nachr. 162. S. 159—160. 1903.
3) H. Kayser, Zur Bestimmung der Temperatur der Sterne. Astron. Nachr.
162. S. 276—282. 1903.
4) H. Kayser, l. c. S. 281.
5) K. Langenbach, Über Intensitätsverteilung in Linienspektren. Diss. Bonn
1902. 44 S.; Ann. d. Phys. (4) 10. S. 789—815. 1903.
Neuere Arbeiten über Funkenspektren. 303
wurde der Einfluß von Selbstinduktion, Kapazität und Funkenstrecken
geprüft und von verschiedener, ziemlich komplizierter Wirkung auf die
Intensität befunden. Die bei höheren Drucken verbreiterten Linien wurden
durch Einschaltung von Selbstinduktion in scharfe verwandelt.
Handelt es sich bei Langenbach auch nur um orientierende Vor-
versuche, so dürfte doch der Nachweis erbracht sein, daß es nicht ganz
aussichtslos ist, auf demselben Wege fortzugehen mit dem Ziel einer
Temperaturbestimmung. Freilich müßte erst einmal wenigstens für ein
Beispiel einer Linienemission der Beweis geliefert werden, daß wir es
mit Temperaturstrahlung zu tun haben. Allein eben für diesen Beweis
wäre viel gewonnen, wenn es gelänge, zu zeigen, daB innerhalb einer
Serie die Intensitätsverteilung dem Strahlungsgesetz der festen Körper folgt.
Einen direkteren Weg, um die Beeinflussung eines Funkenspektrums
durch die Temperatur zu verfolgen, schlagen Crew und Baker ein.))
Crew bemerkte gelegentlich, als er Funken zwischen den Kohlen eines
Bogens überschlagen ließ unmittelbar nachdem der Bogen erloschen war,
daB die Linien des Funkens sich erst allmählich entwickelten und nicht
sogleich mit dem Funken einsetzten. Um diese Erscheinung und ihren
Zusammenhang mit der allmählichen Abkühlung der Funkenstrecke und
der Elekroden näher zu verfolgen, konstruierten sich die Verf. eine sehr
sinnreiche Anordnung, die gestattete, das Funkenspektrum beliebige,
genau meßbare Zeiten nach dem Erlöschen des Bogens und mit variabler
Expositionszeit aufzunehmen. Ihre mechanische Einrichtung leistete
folgende Manipulationen: ı. sie entzündet den Bogen und unterbricht
ihn nach einigen Sekunden, nachdem die Elektroden heiß geworden
sind; 2. sie schließt ein kurzes Zeitintervall darauf den Sekundärkreis
eines Induktoriums durch die Kohlen und den Raum des erloschenen
Bogens; 3. sie öffnet nach einer variablen, aber meßbaren Zeit einen
Schirm vor dem Spalt des Spektrographen und exponiert so die Platte
für einen bestimmten, ebenfalls regulierbaren Zeitraum: 4. sie unterbricht
den Funken. Da sich nun diese Reihenfolge automatisch beliebig oft
in der gleichen Weise wiederholen läßt, wird es möglich, trotz der kurzen
Expositionszeit Photographieen zu erhalten, welche dem Aussehen des
Funkenspektrums zu einer ganz bestimmten Zeit nach dem Erlöschen
des Bogens entsprechen. Die Aufnahme selbst geschah mit einem
Konkavgitter.
Es ergab sich nun im Einklang mit anderen, früheren Beobach-
tungen, daß das Funkenspektrum schwach ist, so lange die Funkenstrecke
noch eine hohe Temperatur besitzt. */, Sekunde nach der Unterbrechung
des Bogens ist das Funkenspektrum noch sehr schwach. Es nimmt an
Intensität in dem Maße zu, wie die Abkühlung fortschreitet.
Im einzelnen verhalten sich nun die Teile des Funkenspektrums
durchaus verschieden.
Die Cyanbanden erscheinen unabhängig von der Zeit nach dem
Erlöschen des Bogens mit gleicher Intensität.
ı) H. Crew und S. C. Baker, On the thermal development of the spark
spectrum of carbon. Astrophys. J. 16. S. 61—72. 1902.
304 H. Konen. Neuere Arbeiten über Funkenspektren.
Die Linien der Kohle sind wenig zahlreich und schwach; 4556
fehlt im „heißen“, 4267 im „kalten“ Funken, sobald man Selbstinduktion
einschaltet u. a. mehr.
Die Luftlinien fehlen völlig, wenn das Zeitintervall kleiner ist als
0,75 Sekunde. Die Stickstoffbanden kommen stark in Intervallen bis
zu 0,75 Sekunde, darüber werden sie schwächer, über 3 Sekunden sind
nur noch Spuren da.
Auffällige Unterschiede zeigen auch die Metalllinien. Z. B. ist das
Kaliumpaar 4044/4047 schwach im Bogen, es fehlt in dem gewöhn-
lichen Funken; im heißen bildet es die stärksten Linien. Die dazwischen-
liegende Eisenlinie 4045 verhält sich entgegengesetzt.
Im allgemeinen finden die Verf. drei Klassen von Erscheinungen.
1. Neue Verunreinigungen, die im heißen Funken auftreten, im kalten
fehlen, z. B. Tl. 2. Intensitätsunterschiede innerhalb der Linien eines
Elementes; dabei werden die Linien teils verstärkt, wie Ca 4226, teils
geschwächt, wie Ca 3968 und 3934. Linien einer Serie verhalten sich
dagegen gleich. 3. Indifferenz der Linien einzelner Elemente, z. B. Cu
3279/3247, Al, Fl.
Betreffs der Erklärung der Beobachtungen drücken die Verf. sich
sehr vorsichtig aus, deuten aber doch an, daß sie in erster Linie geneigt
sind, einen Temperatureffekt anzunehmen, bei dem der Bogen deı
höchsten, der Funke der niedrigsten Temperatur entspricht und der „heiße“
Funke in seinen verschiedenen Formen den Zwischenstadien darstellt.
Allerdings muß dabei streng zwischen der Temperatur im gewöhn-
lichen Sinne und der Temperatur im Sinne der Verf. unterschieden
werden. Denn nicht die Temperatur der leuchtenden Substanzen selbst
wird unmittelbar variiert, sondern eigentlich nur die Temperatur des um-
gebenden Mediums.
Es liegt also nahe im Sinne Hartmanns, mit dessen Versuchen
sich diejenigen Crews überhaupt eng berühren, das entscheidende
Moment nicht in der Temperatur selbst, sondern in der durch sie be-
dingten Leitfähigkeit oder lonisierung des die leuchtende Materie um-
gebenden Mediums zu suchen.
Dagegen wendet Crew freilich ein, daß der Effekt noch fünf Se-
kunden nach Erlöschen des Bogens andauere und daß man außer der
Temperatur nicht leicht sich einen Effekt denken könne, der dasselbe leiste.
Allein dieser Einwand wird schwerlich als entscheidend angesehen
werden können und so dürfte man Crew beistimmen, wenn er schließ-
lich die Tatsachen allein als solche konstatiert, ohne sich für eine be-
stimmte Ansicht zu entscheiden.
Wie viele Umstände eine vollständige Theorie berücksichtigen müßte
und wie verwickelt die Dinge auch schon für die Frage nach der
Temperatur der leuchtenden Metallmolekel liegen, lehren die Unter-
suchungen über den Einfluß der Selbstinduktion, welche seit Schuster
und Hemsalech!) von zahlreichen Beobachtern fortgesetzt worden sind.
1) cfr. Kayser, Spektroskopie, Bd. II. S. 171, 160.
(Wird fortgesetzt.)
R. Kothe. Über Tiefenvorstellung und Tiefenwahrnehmung etc. 305
Über Tiefenvorstellung und Tiefenwahrnehmung
und ihre Beziehung zur stereoskopischen Photographie.
Von R. Kothe (Bonn a./Rh.)
Mit 3 Abbildungen.
(Schluß von S. 268—2706.)
Die wichtigsten Momente, welche uns zur Wahrnehmung des
Körperlichen bestimmen, wurden erst durch Wheatstone erkannt.
Dieser fand, daß die Bilder, die beim Betrachten eines Körpers in
beiden Netzhäuten entstehen, da die Augen eine verschiedene Stel-
lung im Raume einnehmen, perspektivisch verschieden sind, und
wies nach, daß, wenn jedem Auge dasjenige Bild des Körpers als
flächenhafte Zeichnung dargeboten wird, welches genau die Pro-
jektion des Gegenstandes für das Auge sein würde, und wenn man
durch passende Einstellung der Augen die Vereinigung der beiden
Zeichnungen ermöglicht, dann die Wahrnehmung des Körperlichen
mit gleicher Genauigkeit erfolgt, als wenn wir den Gegenstand
selbst betrachten. |
Eine Vergleichung perspektivisch verschiedener Bilder kann auch
monokular zustande kommen durch Bewegung desKopfes (Helmholtz).
Wenn jemand, der zwei gesunde Augen hat, eins derselben schließt
und nun unbekannte Gegenstände von unregelmäßiger Form be-
trachtet, so erhält er keine sichere Vorstellung von ihrer Form.
Sowie er aber den Kopf bewegt, bekommt er die richtige An-
schauung. Für einäugige Personen sind daher die Veränderungen
der Netzhautbilder das wertvollste Moment, um zu einer richtigen
Vorstellung von der Ausdehnung der Gegenstände in der dritten
Dimension zu gelangen!). Diese Vorstellung kommt bei Veránde-
rungen der Netzhautbilder durch Bewegung des Kopfes dadurch
zustande, daß das augenblickliche Bild mit dem in der Erinnerung
bewahrten, unmittelbar vorhergegangenen Bilde im Auge verglichen
wird. Die Beurteilung der Entfernungen mittels der gleichzeitigen
ı) Es kann nicht geleugnet werden, daß einäugige Maler Relief und Körperlich-
keit ebensowohl sicher wahrnehmen als richtig wiedergeben können; cf. Magnani,
La visione monoculare e la pittura. Arch. di Ottalmol. VII. S. 129.
Zeitschr. f. wiss. Phot. 1. 22
306 R. Kothe.
Bilder beider Augen ist aber viel sicherer und genauer als die
Vergleichung mittels der Erinnerung.
„Zwei Bilder, welche einen stereoskopischen Effekt machen
sollen, müssen also zwei verschiedenen perspektivischen Ansichten
desselben Gegenstandes entsprechen, welche von verschiedenen Ge-
sichtspunkten aus aufgenommen sind. Sie dürfen einander also
nicht gleich sein, vielmehr müssen, verglichen mit den Bildern un-
endlich entfernter Punkte, die Bilder näherer Punkte in der Zeich-
nung für das rechte Auge desto mehr nach links hin, in dem Bilde
für das linke Auge desto mehr nach rechts hin liegen, je näher die
Objekte dem Beobachter sind“ (Helmholtz*. Denken wir uns
nun (unter der Voraussetzung, daß jedem Zapfen des einen Auges
ein bestimmter Zapfen des andern Auges entspricht) beide Netz-
häute mit diesen inkongruenten Bildern so aufeinander gelegt, daß
sich die fixierten Punkte decken, so können die Bilder der vor und
hinter dem fixierten Punkte gelegenen Punkte nicht die gleiche
Lage zum Fixationspunkte haben, mithin nicht auf korrespondie-
rende Netzhautpunkte fallen können; sie müssen sich vielmehr auf
disparaten Punkten (Fechner) abbilden. Diese Differenzen, diese
y Querdisparationen**?) sind es nun, welche wir als Tiefenunterschiede
wahrnehmen.
Der Streit darüber, ob die Netzhautfunktionen als angeboren oder erworben zu
betrachten seien, ist auch heute noch nicht vollständig geschlichtet, Die Zinpiristen
nehmen an, daß, wie die Deutung aller Sinnesempfindungen überhaupt erlernt werden
müsse, so auch alle Raumvorstellungen, welche durch gewisse Empfindungen hervor-
gerufen werden, durch die Erfahrung gewonnen seien. Die disparaten Bilder, die
beim Betrachten eines körperlichen Objektes in beiden Netzhäuten entstehen, werden
nicht als Doppelbilder wahrgenommen, sondern verschmolzen, da „wir durch viele
Erfahrung gelernt haben, daß gewissen disparaten Punkten unserer Netzhaut ein ein-
facher Punkt im Raume entspricht, welcher vor oder hinter dem fixierten Punkte
liegt. Durch die Häufigkeit der Erfahrungen ist uns die Kombination dieser dispa-
raten Punkte so geläufig geworden, daß es uns schwer wird, sie zu unterlassen.‘ ’)
Als Stütze der empiristischen Auffassung der Netzhautfunktionen, bezw. der
Tiefenwahrnehmung werden mit Recht die Beobachtungen herangezogen, die an crfolg-
reich operierten Blindgeborenen gemacht sind. So haben in neuerer Zeit Uhthoff*)
und Ahlström”) über Kranke berichtet, die durch Operation einer kongenitalen
1) l. c. S. 782.
2) Siehe die Ableitung des Begriffs der Querdisparation bei Heine, l.c. 152fl.
3) Aubert, l. c. S. 618.
4) Uhthoff, Weitere Beiträge zum Schenlernen blind geborener und später mit
Erfolg opcrierter Menschen u. s. w. Zeitschr. f. Psychologie u. Physiologie d. Sinnes-
organe. Bd. XIV, S. 197.
5) Ahlström, Beobachtungen über das Sehenlernen eines mit gutem Resultat
opcrierten gJährigen Blindgeborenen. Skandinav. Arch. f. Physiologie. Bd. VII. S. 113.
Über Tiefenvorstelung und Tiefenivahrnehmuns etc.
D a
307
doppelseitigen Katarakt sehend gemacht wurden. In diesen Fällen mußte anfangs
die Gesichtsempfindung stets durch den Tastsinn kontrolliert werden; große Schwierig-
keit machte besonders das Schätzen der Entfernung, das Begreifen stereometrischer
Figuren.
Die Lehre von den angeborenen Raumwerten der Netzhaut vermag sich da-
gegen nur schwer allgemcine Anerkennung zu verschaffen. Zuletzt ist Schlodtmann!)
für sie eingetreten, ohne indes zwingende Beweise herbeibringen zu können. Übrigens
hat der Gegensatz zwischen Nativismus und Empirismus im Lichte der Darwinschen
Lehre an Schärfe verloren. Zwischen angeborenen und erworbenen Funktionen besteht,
wie Hering?) selbst sagt, kein prinzipieller, sondern nur ein gradweiser Unterschied;
der Nativist bezeichnet das, was der Empirist als einen Erwerb des individuellen
Lebens ansicht, als einen Erwerb des Lebens aller jener zahllosen Wesen, mit welchen
das jetzt lebende Individuum in aufsteigender Linie verwandt ist, und von welchen
es das ihm Angeborene geerbt hat. Auch Hering leugnet also nicht den gewaltigen
Einfluß, den Gebrauch und Übung auf die Funktionen unserer Organe und besonders
der Sinnesorgane hat.
Die Inkongruenz der beim stereoskopischen Sehen auf beiden
Netzhäuten entstehenden Bildchen ist, wenn es sich nicht etwa um sehr
nahe Gegenstände handelt, nicht so groß, als man anzunehmen geneigt
sein könnte. Die Verschiedenheit der Perspektive der in physiologischen
Lehrbüchern abgebildeten stereoskopischen Zeichnungen ist meist stark
übertrieben. Auch der Unterschied stereoskopischer' Photogramme
ist gering, und es gehört oft eine außerordentlich genaue Unter-
suchung dazu, um überhaupt Differenzen an den beiden Halbbildern
zu entdecken. Und doch machen die Bilder, im Stereoskop be-
trachtet, einen naturwahren, plastischen Eindruck. Man kann daraus
entnehmen, daß unsere Netshäute für die geringsten Querdispara-
tionen empfindlich sind. Dies wurde schon von Dove?) an über-
raschenden Beispielen gezeigt. |
Helmholtz stellte über die Genauigkeit der binokularen Tiefen-
wahrnehmung Versuche an, und fand‘), „daß die Vergleichung der
Netzhautbilder beider Augen zum Zweck des stereoskopischen Sehens
mit derselben Genauigkeit geschieht, mit welcher die kleinsten Ab-
stände mit einem und demselben Auge geschen werden“. Hering’)
wies nach, daß Helmholtz zu einem unrichtigen Ergebnis kam,
und erhielt bei seinen eigenen Versuchen Werte von ca. 10 Sekunden
ı) Schlodtmann, Beitrag zur Lehre von der optischen Lokalisation bei Blind-
geborenen. v. Graefes Arch. f. Ophth. Bd. 54. S. 256.
2) Hering, Zur Lehre vom Lichtsinn. Wien. 1878.
3) Dove, Optische Studien. Berlin. 1859.
4) l. c. S. 790.
5) Hering, Über die Grenzen der Sehschärfe. Bericht d. math.-phys. Klasse
d. k. sáchs. Gesellsch. d. Wissensch, Leipzig. 4. XII. 1899.
. 22°
308 R. Kothe.
(was einer Querdisparation von 0,8 u entsprechen würde). Pulfrich?)
kam bei seinen Untersuchungen, die er in der Zeißschen Anstalt
anstellte, bis 10 Sekunden und weniger herunter. Schließlich er-
mittelte Heine?), daß schon eine Querdisparation von weniger als
0,5 u genügt, um einen Tiefenunterschied wahrnehmbar zu machen. -
In vollkommenem Widerspruch zu dieser Auffassung, welche als physiologische
Grundlage aller feineren Tiefenwahrnehmungen die Querdisparation der Netzhautbilder,
also die Diflerenz gleichzeitiger Eindrücke annimmt, steht die Brückesche Erklärung,
die in modifizierter Form neuerdings wieder von Ramon y Cajal?) aufgenommen wurde.
Nach dem letztgenannten Autor gehört zum stereoskopischen Sehen eine durch ver-
schiedene Konvergenzzustände bedingte Serie optischer Eindrücke, die, in der Hirn-
rinde superponiert und nach außen projiziert, die körperliche Vorstellung ermöglichen,
während die Ungleichheit des rechten und linken Bildes an und für sich zur Empfindung
des Reliefs nichts beizutragen scheine. — Es sei dazu hier nur kurz bemerkt, daß
gegen diese Erklärung verschiedene Erfahrungen und Versuche sprechen; im übrigen
verweise ich auf die kritische Besprechung Heines.*)
Die Perzeption der Unterschiede der beiden Netzhautbilder ge-
währt uns, wie oben ersichtlich wurde, in erster Linie ein Urteil über
die Zntfernungsunterschiede verschiedener Objektpunkte (= relative
Entfernung). Die Inkongruenz der beiden retinalen Halbbilder eines
gesehenen körperlichen Gegenstandes ist nun um so geringer, je
größer der Abstand zwischen demselben und dem Beschauer ist;
mit zunehmender Entfernung nimmt das Relief rasch ab. Wir
werden daher aus der Größe der Querdisparationen auch einen
Schluß auf die adsolute Entfernung eines Objektes ziehen können;
doch nur, wenn uns die Körperform schon bekannt ist. In den
meisten Fällen sind wir indes zur Abschätzung der absoluten Ent-
fernung auf andere Hilfsmittel (Akkommodation, Konvergenz, sowie
Erfahrungsmomente) angewiesen. Man wird wohl in der Vermutung
nicht fehlgehen, daß das Abschätzen der relativen Entfernung mittels
des binokularen Sehens (also die eigentliche Tiefenwahrnehmung)
in einem bestimmten abhängigen Verhältnis zu der Vorstellung von
der absoluten Entfernung des betrachteten Objektes stehen muß.
Heine?) hat nun interessante Versuche darüber angestellt, „in
-wieweit wir imstande sind, lediglich auf Grund des binokularen
Tiefsehens und bei Ausschluß aller jener Anhaltspunkte für die
1) Vortrag auf der Naturforscherversammlung 1899 in München. S. 9.
2) l. c. S. 154.
3) Ramon y Cajal, Struktur des Chiasma opt. Barth. Leipzig 1900.
4) L c. S. 164f.
5) Heine, Über Orthoskopie oder über die Abhängigkeit relativer Entfernungs-
schätzungen von der Vorstellung absoluter Entfernung. v. Graefes Archiv. f. Ophth.
1900. Bd. dl. S. 563.
Über Tiefenvorstellung und Tiefenwahrnehmung etc. 309
richtige Tiefenwahrnehmung, welche auch beim Sehen mit nur
einem Auge wirksam sind, die Form eines nach der Tiefe ausge-
dehnten Gegenstandes, insbesondere das Verhältnis seiner Tiefen-
dimensionen zu seinen Breiten- bezw. Höhendimensionen richtig zu
sehen“ und gefunden, daß „wir die seitlichen Verschiedenheiten
binokularer resp. stereoskopischer Halbbilder, bezw. die diesen Ver-
schiedenheiten entsprechenden retinalen Querdisparationen im Sinne
Herings um so mehr als Tiefenvorstellungen auswerten, je weiter
entfernt wir uns das Objekt vorstellen.“ Die absolute Entfernung
wurde nun von den meisten Versuchspersonen unterschätzt, ein
vertikal gestelltes gleichseitiges Prisma erschien daher zu flach. „Je
präziser wir die Entfernung des Objektes schätzen, um so richtiger
werden die Bildverschiedenheiten ausgenutzt“; ist die Vorstellung
der Entfernung eine der Wirklichkeit entsprechende, so wird eine
richtige Einstellung des gleichseitigen Prismas auch als gleichseitig
erkannt. Die Entfernung, innerhalb deren man das Prisma in bezug
auf seine Tiefendimensionen so sieht, wie es wirklich ist, nennt
Heine „Breite des orthoskopischen Sehens“; der orthoskopische Be-
zirk lag für ihn und Hofmann im ,,Hellzimmer*“ in einer Ent-
fernung von !/,—ı m, im „Dunkelzimmer“ 1/,—!/, m. Diesseits
dieser Entfernung erschien ein wirklich gleichseitiges Prisma zu
hoch, jenseits zu flach.
Elschnig!) hat ebenfalls gefunden, daß wir „körperliche Ob-
jekte in geringer Distanz nicht orthoskopisch sehen“ Eine Kugel
in 25— 30 cm Entfernung betrachtet, erscheint in der Sagittallinie
eiförmig verlängert. Die Überplastizität wird geringer, wenn wir
die Kugel entfernen; in ca. 2 m Distanz erscheint sie normal und
in ca. 6 m Distanz überhaupt nicht mehr plastisch. Die Ursache
dafür, daß wir körperliche Objekte in geringer Distanz nicht ortho-
skopisch sehen, liegt, wie Elschnig ausführt, in dem Größenunter-
schiede der Netzhautbilder verschieden entfernter, gleich großer
Fláchenteile. Elschnig macht ferner darauf aufmerksam, daß er
das „Übertrieben-körperlich-Sehen“ schon früher, und zwar an
stereoskopischen Photogrammen in natürlicher Größe, konstatiert
habe. Die genaue Imitation der Stellung der Augen zueinander
und zum betrachteten Objekt durch die photographische Doppel-
aufnahme liefert, wie er damals schon bemerkte, Bilder, die, im
1) Elschnig, Zur Kenntnis der binokularen Tiefenwahrnehmung. v. Graefe’s
Arch. f. Ophth. 1901. Pd. 52. S. 294.
310 R. Kothe.
Stereoskop betrachtet, nicht in natürlicher Gestalt, sondern stark
überplastisch erscheinen. Auch diese Erscheinung führt er auf die
relativ geänderten Größenverhältnisse des abgebildeten Objektes zu-
rück, welche ,„zu der durch die Querdisparation (Heine) gegebenen
Plastizität des Photogramms urteilstäuschend hinzutreten“. Daß das
Überplastisch-Sehen der Objekte beim binokularen Sehakt viel
weniger deutlich hervortritt, als bei Betrachtung von theoretisch
richtigen Photogrammen, glaubt Elschnig folgendermaßen erklären
zu können: „Die im Verhältnis zur Distanz der Objekte außer-
ordentlich kleine hintere Brennweite unseres Auges bedingt es, daß
der Größenunterschied der Netzhautbilder verschiedener gleich großer
Teile körperlicher Objekte ein relativ geringer ist, weitaus geringer,
als bei der photosraphischen Abbildung desselben Objektes in
natürlicher Größe.“
Heine?) dagegen will die Erklärung Elschnigs nur für den
Spezialfall, daß das Objekt im Verhältnis zur Brennweite der Ob-
jektive relativ groß ist (wie im Falle Elschnigs) gelten lassen, im
allgemeinen aber erklärt er das Uberplastisch-Schen richtig aufge-
nommener Körper im Stereoskop, unter Berufung auf seine Unter-
suchungen über die Orthoskopie, damit, daß wir im Brewsterschen
Stereoskop, wegen der durch die Prismen bewirkten relativen Diver-
genz (zu geringen Konvergenz) der Blicklinien die Objekte in andere,
größere Entfernungen zu lokalisieren veranlafit sind, als sie bei der
Aufnahme tatsächlich vorhanden war, und daß wir daher die Quer-
disparationen der beiden im Stereoskop entstehenden retinalen
Halbbilder entsprechend der größeren Entfernung des Gegenstandes
besser ausnutzen und mehr im Sinne von Tietenvorstellungen be-
werten. Die Richtigkeit dieser Erklärung gehe daraus hervor, daß
im Spicgelstereoskop (bezw. Herings Haploskop) die vereinigten
Halbbilder in normaler Plastik erscheinen, wenn sie nur in derselben
Entfernung wie bei der Aufnahme und mit einer Konvergenz be-
trachtet werden, die der Konvergenz der aufnehmenden Objektive
gleich ist.
Diese Einwände sucht Elschnig?) in einer weiteren Arbeit zu
widerlegen, indem er zugleich die von Heine über die „Ortho-
skopie‘“ aufgestellte Theorie angreift. Elschnig ermittelte zunächst
1) Heine, Über Orthostereoskopie. v. Graefes Arch, f. Ophtb. 1902. Bd. 58.
S. 307f.
2) Elschnig, Weiterer Beitrag zur Kenntnis der binokularen Tiefenwahrnehmung.
v. Graefes Arch. f. Ophth. 1902. Bd. 54. 5.411.
Über Tiefenvorstellung und Tiefenwahmehmung etc. 311
an verschiedenen Personen, daß (entgegen Heines Beobachtungen)
eine richtig aufgenommene Kugel auch im Haploskop überplastisch
(eiförmig) erscheint. Die Untersuchten gaben Abnahme der Plasti-
zität an, sobald durch vorgesetzte adduzierende Prismen oder durch
entsprechende Verschiebung der Haploskoparme die Konvergenz zu-
nahm. Das wäre nach Heine leicht erklärlich, wenn mit der Zu-
nahme der Konvergenz immer auch die geschätzte Entfernung des
Objektes abnehmen würde. Es stellte sich jedoch bei den Ver-
suchen heraus, daß es gleichgiltig war, ob hierbei das Objekt ent-
fernter oder näher gesehen wurde. Damit glaubt Elschnig die
Theorie Heines zum mindesten arg erschüttert zu haben und an
seiner früheren Erklärung der Überplastizität richtig aufgenommener
Bilder festhalten zu müssen. Die großen Unterschiede in seinen
Beobachtungsresultaten und denen Heines glaubt er (l. c. S. 423)
aus dem Unterschied in. der Art des zum Studium unserer Fragen
verwendeten Objektes erklären zu können. Er wirft Heine vor,
daß durch die Verwendung von Prismen die Wirkung der Quer-
disparation ungebührlich in den Vordergrund geschoben, die zeich-
nerische Unregelmäßigkeit jedes Halbbildes dagegen geradezu aus-
geschaltet sei, und zwar deshalb, weil der dem Objektiv zusehende
Teil des Prismas, die Kante, nur eine einzige Dimension hat und
auch jede Beurteilung der Längsausdehnung der Kante in Heines
Photogrammen aufgehoben ist.
Es wird jedenfalls von Interesse sein, zu ergründen, welche der
beiden Erklärungen für das Überplastisch-Sehen, sowohl beim bino-
kularen Schakt, als auch beim Betrachten stereoskopischer Photo-
gramme, für richtig anerkannt werden muß. Die Theorie Heines
stützt sich auf so exakte Untersuchungen und so überzeugende
theoretische Erwägungen, daß man sie für sicher erwiesen halten
möchte, wenn nicht eben von so autoritativer Seite her gewichtige
Einwendungen dagegen erhoben worden wären. Wie verhält es
sich nun mit der Theorie, die Elschnig selbst aufgestellt hat? Er
führt, wie erwähnt, die Überschätzung der Tiefendimension in der
Hauptsache auf „die relativ stärkere Vergrößerung der gegen den
Beobachter prominenten, d. i. naher gelegenen Teile des körper-
lichen Objektes, also perspektivische Verzeichnung“ zurück. Dieser
Begriff ist identisch mit der „perspektivischen Verjungung”, wie wir
oben, bei Besprechung der Linearperspektive, die Erscheinung, daß
an sich gleiche Größen bei wachsender Entfernung kkiner zu werden
scheinen, genannt haben. Wie zeigt sich nun diese perspektivische
312 R. Kothe.
Verjüngung in zwei stereoskopischen Halbbildern? Figur ı wurde
nach dem stereoskopischen Photogramm eines langen Korridors
ausgeführt und stellt die horizontale Bodenfläche und die eine senk-
rechte. Wand desselben dar. Wir erkennen nun sofort, daß die
vorderen und hinteren Begrenzungslinien, sowohl die horizontalen,
als auch vertikalen, in beiden Halbbildern einander gleich sind. Es
ist also:
AB=A,B,; DE=DE;
BC=BC; EF =E,F,.
41
C
Fig. 1.
Das Maß der Verjüngung ist also beiderseits genau gleich.
Nun müssen aber, wie schon Helmholtz ausführte (s. oben), zwei
stereoskopische, bezw. retinale Halbbilder stets perspektivisch ver-
schieden sein. In unserem Falle bestehen diese Verschiedenheiten
darin, daß die vertikale Ebene AB ED im linken Halbbilde stärker
verkürzt ist, als die entsprechende Ebene A,B, £, D, des rechten
Halbbildes.
Wir müssen hier kurz auf den Begriff der „perspektivischen
Verkürzung“ eingehen. Von horizontalen, in Augenhöhe befind-
lichen Ebenen und ebenso von vertikalen, durch die Blicklinie ge-
legten Ebenen ist nur die vordere Kante sichtbar. Je mehr sich
aber erstere nach oben oder unten, und letztere nach links oder
rechts verschieben, desto mehr wird von der Ebene sichtbar, desto
geringer wird die Verkürzung, weil der Gesichtswinkel, unter dem
Über Tiefenvorstellung und Tiefenwahrnehmung_ete. 313
die Ebene gesehen wird, sich vergrößert‘. Es ist nun leicht er-
sichtlich, daß in den beiden Netzhautbildern ein Unterschied in der
Verkürzung nur in bezug auf vertikale Ebenen eintreten kann, daß
dagegen die Verkürzung horizontaler Flächen beiderseits gleich sein
muß, weil ja die beiden Augen in einer Horizontalen liegen. So
schen wir denn auch in Figur 1, daß der Abstand zwischen ZF
und BC gleich dem zwischen Æ, F, und B,C, ist, während AB
näher an D E liegt, als 4, B, an D,E,. So kommt es, daß nähere
Punkte im Vergleich zu entfernten für das linke Auge mehr nach
rechts, für das rechte mehr nach links liegen; das macht sich dann
auch an den Punkten der Linie BC und B,C, geltend. Es han-
delt sich also hier um eine Querdisparation im Sinne Heines, und
nur durch diese kommt der Unterschied in der Perspehtive zweier
Halbbilder zustande. Die perspektivische Verjüngung dagegen an
sich war in dem gewählten Beispiel g/eich; hier können nur in einem
ganz speziellen Falle Unterschiede eintreten, wenn es sich nämlich
um besonders nae Gegenstände handelt, die etwas seitlich von der
Medianlinie gelegen sind, so daß sie dem einen Auge wesentlich
näher sind als dem andern. Wir kommen darauf noch zurück.
Nun fordert aber Elschnig für die beiden Halbbilder gar
keine Unterschiede in der Perspektive; ja er betont sogar, daß die
Überschätzung der dritten Dimension auch beim monokularen Seh-
akt eintrete. Dann können wir allerdings Elschnig darin Recht
geben, wenn er behauptet, daß „die relativ geänderten Größen-
verhältnisse zrziezlstäuschend zu der durch die Querdisparation ge-
gebenen Plastizität hinzutreten“;, sie bewirken dann aber, wie alle
derartigen Hilfsmomente?), nur eine Tiefenvorstellung, haben jedoch
mit der binokularen Tiefenwahrnehmung nichts zu tun. Sie mögen
den gesamten Tiefeneindruck unterstützen, erleichtern; damit ist
aber noch nicht erwiesen, daß sie es sind, die die Überschätsung
der Tiefendimension beim binokularen Sehen bewirken, um so
weniger als, wie eben Heine nachgewiesen hat, das Uberplastisch-
Sehen, sowohl beim Betrachten wirklicher Objekte, als auch ihrer
1) Alle Erscheinungsformen der lincaren Perspektive beruhen also in letzter Linie
darauf, daß gleich große Gegenstände unter gewissen Bedingungen verschieden groß
geschen werden.
2) Bei der von Elschnig als Versuchsobjekt verwendeten Kugel kommt außer-
dem noch die Wirkung der Schattenperspektive hinzu. Die Versuchsbedingungen sind
hier also, wie Heine (v. Graefes Archiv f. Ophth, 1903. Bd. 59. S. 285) mit Recht
sagt, zu kompliziert.
314 R. Kothe.
stereoskopischen Photogramme, auch dann eintritt, wenn nur Quer-
disparationen gegeben, alle andern Hilfsmomente dagegen ausge-
schaltet sind.
Während nun Elschnig anfangs den Einfluß der perspektivi-
schen Verzeichnung auf die Form des binokular vereinigten Ganz-
bildes in einer Urteilstäuschung erblickte, hat er am Schluß seiner
letzten Arbeit (l. c. S. 424) eine ganz andere Auffassung geäußert,
indem er behauptet, daß „eine perspektivische Verzeichnung allein
mit Ausschluß jeglicher Querdisparation genügt, um eine Zzefen-
wahrnehmung an dem stereoskopisch vereinigten Ganzbilde zu er-
zeugen“. Elschnig beruft sich auf Helmholtz, der den Nachweis
dafür bereits erbracht habe. Allein so mißlich es für mich auch
sein muß, mit Helmholtz ın Widerspruch zu geraten, so glaube
ich doch nicht, daß die angezogenen Figuren, die in dessen Hand-
buch auf Tafel II, 3 und C abgebildet sind, als beweiskräftig zu
erachten sind. An diesen Figuren wollte Helmholtz dartun :l. c.
S. 803), daß „die scheinbare Krümmung nicht allein von der gegen-
seitigen Lage der vertikalen Linien abhängt“, sondern daß auch
„die Unterschiede in den vertikalen Dimensionen (also Längsdispa-
rationen) für beide Augen in Betracht kommen“), Das Figuren-
paar Æ soll die beiden Projektionen einer schachbrettartig ge-
musterten, weit entfernten und zylindrisch gekrümmten Fläche
zeigen, das Paar C die einer konkaven Fläche. Dabei bedenkt
Helmholtz nicht, daß bei weit entfernten Gegenständen vertikale
Verschiedenheiten gar nicht vorkommen können. Denn, worauf ich
oben bereits hinwies, „erscheinen uns vertikale Längen, welche dem
rechten Auge näher liegen, nur dann unter größerem Gesichts-
winkel als dem linken Auge, und umgekehrt“, wenn es sich um
sehr nahe Gegenstände handelt; davon habe ich mich auch durch
oft wiederholte photographische Versuche überzeugt. Der körper-
liche Eindruck der Figurenpaare B und C im Stereoskop ist nun
übrigens, wie mir mehrere Kollegen bestätigten, gar nicht bedeu-
tend, und jedenfalls nicht größer, als wenn man nur eins von den
Halbbildern betrachtet, und zwar monokular mit Anwendung einer
dem Stereoskop entsprechenden Vergrößerung. In beiden Fällen
handelt es sich also hier einzig und allein um den urzelstäuschenden
1) Um dies zu beweisen, sind, wie Helmholtz erwähnt, die horizontalen
Distanzen der Vertikallinien überall gleich groß gezeichnet, nur die Krümmung der
begrenzenden Querlinien ist verschieden. Daß aber bei den Halbbildern 2 deutliche
Querverschiedenheiten vorhanden sind, läßt sich leicht feststellen.
Über Tiefenvorstellung und Tiefenwahrnehmung etc. 315
Einfluß der Perspektive an sich, nicht des Unterschiedes in der Per-
spertive. Wenn wir uns nun ähnliche Figuren herstellen, jedoch
mit solchen Querdisparationen, wie sie in Wirklichkeit vorhanden
sein müssen, dann wächst die Tiefenanschauung im Stereoskop so-
fort ungemein; denn jetzt erhalten wir eine wirkliche Wahrnehmung
der Tiefendimension.
Da Elschnig die ZLängsdisparationen in die Diskussion ge-
zogen hat, so seien mir noch einige Worte darüber gestattet. Es
ist zunächst wichtig zu wissen, ob in zwei stereoskopischen Halb-
bildern reine Längsdisparationen möglich sind und welche Wirkung
dieselben hervorbringen. In Helmholtz’ Handbuch auf Tafel IV,
Fig. F ist ein Paar von je zwei parallelen, verschieden entfernten
geraden Linien abgebildet. Dieser Fall soll, wie Helmholtz sagt
(S. 881), bei der Betrachtung reeller Objekte seine Analogie haben,
wenn man zwei Horizontallinien, die seitlich von der Medianlinie
gelegen sind, vor Augen hat. Dazu möchte ich bemerken, daß
dieser Fall undenkbar ist ohne Unterschied in: der perspektivischen
Verkürzung; es müssen also Querdisparationen hinzutreten. Die
Verschmelzung der beiden Linienpaare gelingt aber auch äußerst
schwer, und wenn sie gelingt, so ist damit keine Tiefenwahrneh-
mung verbunden; jedoch bereits, nach kurzer Zeit treten Doppel-
bilder auf. Auch an vielen anderen, selbst gewählten Beispielen, die
ich hier wegen Raummangels nicht anführen kann, konnte ich mit
Sicherheit konstatieren, daß reine Längsdisparationen, wenn sie sich
nicht auf ein Minimum beschränken, als Doppelbilder empfunden
werden, und zwar deshalb wohl, weil dieselben ¿n Wirklichkeit nicht
vorkommen, und wir daher keine Übung in der Verschmelzung der-
sclben haben. Ich konnte ferner nachweisen, daß die Verschmelzung
sofort leicht gelingt, und zwar mit Aörperlichem Effekt, sowie Quer-
disparationen hinzutreten. l
Wenn wir uns die beiden Halbbilder der Figur ı als retinale
Halbbilder vorstellen und sie uns, mit den entfernten Linien DE
und ZZ, und 'D, £, und Æ, F, sich deckend, ins imaginäre Einauge
eingetragen denken (Figur 2), so erkennen wir, daß die vertikalen
Linien AB und A, S, verschiedenen Abstand von D /: haben, also
parallel zueinander verschoben sind, 3 C und B,C, haben dagegen
gleichen Abstand von £F, sie fallen aber nur zum Teil aufeinander,
sind also auch verschoben, und zwar ebenfalls in querer Richtung.
Ich glaube mit Bestimmtheit behaupten zu dürfen, was schon
llering als Grundgesetz des binokularen Schens ausgesprochen hat,
316 R. Kothe.
m 7 LUD nn A A 5 uu A
daß nämlich jede binokulare Tiefenwahrnehmung nur auf Quer-
disparationen beruht. Was nun die Tatsache anlangt, daß wir
körperliche Objekte bei binokularer Betrachtung in naher Ent-
fernung überplastisch sehen, so meine ich, wird eine einfache Er-
klärung dafür genügen. Wir bringen unbewußt einen Gegenstand,
den wir genau betrachten wollen, in eine bestimmte Entfernung vor
unsere Augen (ca. !/,—!/, m); die einfache Folge dieser Angewohn-
heit, die schon unsere Vorfahren mit uns teilten, ist nun, daß wir
eben in dieser Entfernung die
Form und Größe der Gegen-
stände am besten, richtigsten
beurteilen können (Breite des
orthoskopischen Sehens), Rückt
der Gegenstand näher, so er-
scheint er, wegen der Zunahme
der Querdisparationen, über-
plastisch. Je mehr er sich
anderseits entfernt, desto flacher
wird infolge der abnehmenden
Querdisparationen sein Relief.
— Mächtig unterstützt werden
kann der körperliche Eindruck
außerdem noch durch die oben
beschriebenen, aus der Erfah-
B C1 rung entnommenen Momente
Fig. 2. der Täuschung (lineare und
Schattenperspektive usw.). —
Die gegebene Erklärung gilt auch für die übertriebene Plasti-
zität stereoskopischer Photogramme. Daß aber die Überplastizität
hier stärker hervortritt, bedarf noch einer besonderen Erklärung.
Elschnig gibt, wie schon erwähnt, als Grund dafür an, daß infolge
der unverhältnismäßig größeren Brennweite des bildentwerfenden
optischen Systems die perspektivische Verzeichnung photographischer
Halbbilder relativ bedeutender sei, als diejenige retinaler Halbbilder.
Auch hier müssen wir zunächst einwenden, daß solche stereosko-
pische Photogramme, in welchen der Einfluß der „perspektivischen
A1 A
coca AIDA AAA BD raras
Bí
Verzeichnung“ vollkommen ausgeschaltet ist, ebenfalls überplastisch
erscheinen (Heine) Ferner muß folgendes dagegen geltend ge-
macht werden. Wenn man von ein und demselben Gegenstand,
unter Beibehaltung desselben Standpunktes und derselben Ent-
Über Tiefenvorstellung und Tiefenwahrnehmung etc. 317
fernung, mit Linsen verschiedener Brennweite verschiedene Bilder
herstellt, -dann stehen, wie Figur 3 lehrt, die einzelnen, einander
entsprechenden Teile dieser Bilder alle in demselben Verhältnis zu-
einander; der Größen-
unterschied der Bilder
gleich großer, verschie-
den entfernter Teile des
Gegenstandes ist also
absolut verschieden, re-
lativ aber gleich.
In der perspektivi-
schen Verzeichnung kann
daher der Grund nicht
zu suchen sein. Man
könnte nun auf den Ge-
danken kommen, daß
die Größenverhältnisse
in Netzhautbildern und
Photogrammen deshalb
einander nicht entspre-
chen, weil letztere mit
einem Objektiv von ganz
bestimmter unveränder-
licher Brennweite aufge-
nommen werden, wäh-
rend bei der unmittel-
baren Naturanschauung
nähere Gegenstände in-
folge der Akkommoda-
tion mit einer kleineren
Brennweite betrachtet
werden, als entferntere.
Allein, es läßt sich leicht
zeigen, daß die Ver-
änderung der Brennweite
keinen Einfluß auf die
Fig. 3.
absolute Bildgröße hat, weil ja die Netzhaut ihre Lage unverändert
beibehält. Daß aber zwischen Camerabild und Augenbild tatsäch-
lich Unterschiede bestehen, weiß jeder erfahrene Photograph. Unsere
photographischen Objektive liefern ein genau nach den Regeln der
318
R. Kothe.
Zentralperspektive entworfenes Bild; dieses entspricht aber nicht dem
von uns gesehenen Bilde, weil geometrische und subjektive Perspek-
tive durchaus verschieden sind’). „Das Objektiv umfaßt mit einem
Schlage ein mehr oder minder ausgedehntes Bildfeld, das es bei
vollkommener Ruhe und gleich gerichteter Linsenachse in allen
Teilen scharf zur Abbildung bringt.“ Der für das Auge ausnutz-
bare Gesichtswinkel beträgt dagegen höchstens 6°. Um nun von
einem größeren Gegenstande ein Gesamtbild zu erhalten, muß unser
Auge wandern, es bringt so die einzelnen Teile des Gegenstandes
nachcinander in den Mittelpunkt seines kleinen Bildfeldes und sieht
sie korrekt, so wie sie sind. Dazu kommt ferner, „daß das der
Subjektivperspektive unseres beweglichen Auges entsprechende Bild
auf einer Kugelfläche liegt, im Gegensatz zu dem in einer Ebene
liegenden zentralperspektivischen Bilde, das unsere Objektive liefern“.
Um nun die auffallendsten Unarten der zentralperspektivischen Kon-
struktion zu vermeiden und um das Photogramm dem vom Auge
geschenen möglichst ähnlich zu machen, darf man nur mit kleinen
Bildwinkeln arbeiten. „Würde unser ruhendes Auge einen ebenso
großen Gesichtskreis auf einmal scharf umfassen können, wie ihn
das Objektiv in diesem Falle einschließt“, so würden ihm die Dinge
am Rande des Bildfeldes infolge der Kugelverzerrung genau ebenso
unnatürlich in die Breite gedehnt erscheinen, die lineare Perspek-
tive würde ferner genau ebenso ungcheuerlich übertrieben sein, wie
in einem Photogramm, das mit einem einen größeren Winkel
fassenden Objektiv aufgenommen wurde. Es hat sich nun heraus-
gestellt, „daß innerhalb eines Bildwinkels von 30—36° die perspek-
tivischen Abweichungen zwischen dem ebenen und sphärischen Bilde
so gering sind, daß die geometrische Perspektive des Objektivs und
die subjektive Perspektive, die das Auge liefert, als völlig überein-
stimmend angenommen werden können“ (Löscher, l. c. S. 413?)
Die Frage, warum richtig aufgenommene Halbbilder im Stereo-
skop überplastisch erscheinen, und warum die Überplastizität hier
bedeutender ist, als beim Betrachten wirklicher Körper, kann meines
Erachtens erst dann bestimmt beantwortet werden, wenn darüber
genaue Untersuchungen vorliegen, ob die Größe des Bildwinkels
1) Vergl. die sehr instruktive Besprechung in Löschers Leitfaden der Land-
schaftsphotographie. Berlin. Gust. Schmidt. 1901. S. 30—40. Die folgenden Zitate
sind hieraus entnommen.
2) Diesem Bildwinkel entspricht für die üblichen Stereoskopformate 8,5 X 17
und 9 x 18 cm eine Brennweite des Objektivs von 15—18 cm.
Über Tiefenvorstellung und Trefenivahrnehmung etc. 319
des verwendeten Objektivs einen Einfluß auf die Überplastizität aus-
übt. Das aber glaube ich schon jetzt behaupten zu dürfen, daß
nämlich auch solche Photogramme überplastisch erscheinen, die bei
einem Bildwinkel von 30—36° aufgenommen wurden. In diesem
Falle müssen wir die übertriebene Plastik nach Heine mit der
durch das Prismenstereoskop bewirkten zu geringen Konvergenz
unserer Blicklinien erklären.
Welche Folgerungen ergeben sich nun aus vorstehenden theo-
retischen Erörterungen für die Praxis der stereoskopischen Photo-
graphie? Es wird ersichtlich geworden sein, daß das Problem der
„Orthostereoskopie“, im wahren Sinne des Wortes, noch nicht voll-
kommen gelöst ist. Auch die Vorschläge Heines haben uns, wie
ich glaube, diesem Ziele nicht wesentlich näher gebracht. Heine
fordert, daß die Objektivachsen stets konvergieren müssen und zwar
in dem Winkel von 11% und daß die Halbbilder unter demselben
Winkel im Spiegelstereoskop zu vereinigen sind. „Gegen die
Methodik, welche er beim Studium der Orthostereoskopie benutzte,
... lassen sich eine Reihe von Einwendungen erheben“ (Elschnig).
Heine schlug bei der Aufnahme folgenden Weg ein: „Eine optische
Bank machen wir an ihrem einen Ende um eine vertikale Achse
drehbar, über dieser Achse wird das zu photographierende Prisma
so aufgestellt, daß sich die dem Objektiv zugewendete Vorderkante
auf der Mattscheibe möglichst in der Mitte zwischen den beiden
ferneren Kanten abbildet, die drei Kanten werden nun möglichst
gleich scharf eingestellt, die optische Bank um 5!/,° nach rechts
und um ebensoviel nach links gedreht und in jeder Stellung bei
- engster Blende die Aufnahme gemacht.“ Da der Konvergenzwinkel
unter allen Umständen 11% betragen soll, ist Heine genötigt, je
nach der Entfernung des aufzunehmenden Gegenstandes, die Ob-
jektivdistanz zu verändern. Nur bei einer Entfernung von 34 cm
(doppelte Brennweite) war die Lateralverschiebung des Objektivs
gleich der mittleren Pupillendistanz, also ca. 6,5 cm; für 80 cm Ent-
fernung aber betrug sie 15 cm und für 150 cm 28,5 cm! Wenn
dieses Verfahren richtig wäre, dann müßten die beiden Halbbilder
— denn das ist das oberste Gesetz der stercoskopischen Photo-
graphie!) — gleich sein den Umkehrungen der Netzhautbilder, wie
sie beim binokularen Betrachten des Gegenstandes entstehen würden.
Bei so ungemein großen Ojektivabstanden aber entstehen ohne
t) cf. Aubert, l. c. S. 620 und Helmholtz, l. c. S. 782.
320 R. Kothe.
—- ee en EEE,
Zweifel so bedeutende Querverschiedenheiten, wie sie in Wirklich-
keit niemals vorkommen. Heine begeht den Fehler, daß er den
Drehpunkt der optischen Bank nicht in das Objektiv verlegt, son-
dern in das aufzunehmende Objekt, während derselbe beim bino-
kularen Sehakt (nahezu) im Mittelpunkt des Auges liegt. Heine
läßt den Konvergenzwinkel unveränderlich und variiert die Objektiv-
distanz, während wir tatsächlich doch, je nach der Entfernung, ganz
verschieden konvergieren, und der Abstand unserer Augen stets
derselbe bleibt. Fine solche willkürliche Umgestaltung der natür-
‚lichen Verhältnisse kann aber sicher nicht gleichgiltig sein hinsicht-
lich des stereoskopischen Effektes. Will man die Objektivachsen
konvergent machen, so kann das nur in der Weise geschehen, daß
man zwei Kameras benutzt, deren Objektive konstant in einer Ent-
fernung von 6,5 cm stehen, während die Längsachsen nach hinten
divergieren, und gwar um so mehr, je näher das Objekt heranrückt.
Eine derartige Einrichtung wäre aber höchst kompliziert, und, außer
bei nahen, eng begrenzten Objekten, vielleicht gar nicht empfehlens-
wert.!} Genaue wissenschaftliche Untersuchungen speziell hierüber
sind allerdings meines Wissens noch nicht angestellt worden. Es
wird sich, wie ich glaube, empfehlen, vorläufig im allgemeinen das
bisher übliche Verfahren (parallele Objektivachsen, fester Objektiv-
abstand von 6,5 cm) beizubehalten. Nur bei Objekten, die näher
als etwa ı m an die Camera heranrücken, wird man auf diese
Weise nicht zum Ziele gelangen. Ob man in solchen Fällen die
Objektivachsen konvergent machen oder ob man, wie auch
empfohlen wurde,? die Objektivdistanz verkleinern soll, das läßt
sich zur Zeit mit Sicherheit nicht entscheiden.
Ich möchte daher auch die Frage noch offen lassen, welches
Stereoskop sich am besten zur Betrachtung der Halbbilder eignet.
Der Meinung derer, welche das Prismenstereoskop aus theoretischen
Gründen ganz verwerfen, kann ich mich nicht anschließen; vielmehr
glaube ich, dali sich dasselbe für solche Photogramme, die mit
parallelen Objektivachsen aufgenommen wurden, sehr wohl eignet.
Halbbilder dagegen von sehr nahen Gegenständen, die mit konver-
genten Objektivachsen photographiert wurden, werden wohl besser
im Haploskop betrachtet, welches in solchen Fällen allein die rich-
I) cf. Stolze, L c. S. 11.
2) Kaiserling, Praktikum der wissenschaftlichen Photographie. Berlin. Gust.
Schmidt. 1898, S. 336.
Über Tiefenvorstellung und Tiefenwahmehmung etc. 321
tige Konvergenz der Gesichtslinien ermöglicht. Hinweisen möchte
ich noch auf das kürzlich von Manchot!) angegebene sogenannte
„Universalstereoskop“, welches nach dem Prinzip des Helmholtz-
schen Telestereoskops gebaut ist und gewisse Vorzüge zu besitzen
scheint.
Als Hauptvorzug rühmt Manchot an seinem Stereoskop, welches beiläufig
große Ähnlichkeit mit den von Cazes?) und Krüss?) angegebenen Apparaten hat,
„daß es hinsichtlich der Größe der stereoskopischen Bilder jede Schranke aufhebt“,
resp. „daß die Größe der Bilder nur solchen Einschränkungen unterliegt, wie sie die
praktische Herstellungs- und Gebrauchsfähigkeit sowie die Handlichkeit des Instruments
wie der Bilder mit sich bringen.“ — Es eignet sich, wie M. ausdrücklich betont,
nur für solche Bilder, die mit parallel gerichteten Objektivachsen aufgenommen sind.
Auf die Technik der Aufnahme stereoskopischer Bilder kann
hier nicht näher eingegangen werden. Erwähnt sei nur, daß der
körperliche Eindruck zweier Halbbilder sehr viel lebhafter wird,
wenn die erwähnten Hilfsmittel der Täuschung berücksichtigt wur-
den, wenn also die Körperform durch kräftige Schattierung heraus-
gehoben ist usw., wie das oben eingehender besprochen wurde. —
Man strebe ferner danach, möglichst scharfe Bilder zu erhalten;
gerade für die stereoskopische Photographie eignen sich nur die
modernen anastigmatischen Objektive. Über die Ursachen, welche
zu einer Unschärfe der Negative führen, haben Lumiére und
Perrigot Untersuchungen angestellt. Die Hauptursache der
mangelhaften Schärfe liegt in der Körnung der empfindlichen
Schicht. Die hochempfindlichen Platten haben das gröbste Korn
und sind daher hier nicht zu verwenden. Besser eignen sich solche
Platten, deren lichtempfindliche Schicht einer gewissen Färbung
unterzogen wurde, wie die orthochromatischen und Isolarplatten.
Zum Schluß noch einige Bemerkungen über das Kopierverfahren.
Wohl jeder, der einmal stereoskopische Diapositive hergestellt hat,
. wird stets mit besonderer Vorliebe dieses Verfahren wieder be-
nutzen, da solche Kopien in der Tat um vieles schöner sind, als
Papierbilder. Die größere Plastik, welche stereoskopische Transpa-
rente ohne Zweifel aufweisen, glaubt Heine (zum Teil wenigstens)
darauf zurückführen zu können, daß die Projektion eines Bildes in
größere Entfernung leichter ist, wenn dasselbe transparent ist, und
daß mit der Projektion in größere Ferne eine bessere Ausnutzung
ı) W. Manchot, Das Stereoskop etc. Leipzig. Veit & Co. 1903.
2) s. Eders Jahrbuch von 1901. S. 422.
3) Krüss, Stereoskvp. für große Bilder. Physikal. Zeitschr. 1902.
4) Photo-Revue. 1901. Nr. 52.
Zeitschr. f. wiss. Phot. 1, 23
322 R. Kothe. Über Tiefenvorstellung und Tiefenwahrnehmung etc.
der Bildverschiedenheiten Hand in Hand geht. Ich glaube, dab
auch die Täuschung dabei eine große Rolle spielt, indem wir uns
beim Betrachten durchsichtiger Bilder viel besser von der Vorstel-
lung der Fläche freimachen können. Außer der lebhafteren Plasti-
sität weisen die Diapositive aber noch weztere Vorzüge vor Kopien
auf Papier auf. Sie können im Stereoskop bequem in der Durch-
sicht betrachtet werden, ihr Korn ist so fein, daß es, auch bei der
Vergrößerung im Stereoskop, nie störend wird; ferner lassen sie
auch in den tiefsten Schatten noch Details erkennen, während die
Lichter, aber auch nur diese, völlig klar bleiben, und die Halbtöne
eine reiche Abstufung zeigen. Schließlich eignen sich Diapositive
vortrefflich zur XKolorierung. Für wissenschaftliche Aufnahmen kann
man davon mit großem Vorteil Gebrauch machen. Das nähere
darüber findet man in den photographischen Handbüchern. — Zur
Herstellung von Diapositiven gebraucht man im allgemeinen Chlor-
bromsilberplatten; noch schönere Resultate lassen sich aber un-
streitig mit dem Pigmentdruck?) erzielen, da dieser ‚die feinsten
Details mit einer wunderbaren Klarheit und harmonisch weichen
Tonabstufung zur Geltung bringt“. |
Da die stereoskopische Abbildungsweise im Unterricht und zur
Ilustration wissenschaftlicher Werke mehr und mehr in Anwendung
gelangt, so fragt es sich, ob die bisher üblichen Reproduktions-
verfahren (zur Herstellung von Bildern in größerer Auflage) brauch-
bare Bilder zu liefern imstande sind. Meiner Meinung nach sind
die mittels des Roztationsverfahrens erzeugten Bilder als die besten
zu bezeichnen; aber es sind eben auch nur Papierbilder, die keinen
Vergleich mit Diapositiven aushalten. Diapositive auf Glas eignen
sich jedoch, abgesehen von ihrer Zerbrechlichkeit, auch deshalb
nicht zu dem genannten Zweck, weil sie einzeln kopiert werden
müssen. Ich möchte nun vorschlagen, stereoskopische Transparente
auf Films (Zelluloid oder Gelatine) herzustellen. Solche stereosko-
pische Films stehen in ihrer plastischen Wirkung Glasdiapositiven
nicht nach. Ich benutzte zu meinen Versuchen Bromsilberfolien
der A.-G. für Anilin-Fabrikation; noch besser wären Chlorbromfilms,
wegen des feineren Korns und der vollkommneren Klarheit der
Lichter. Die Proben (meist dermatologische Aufnahmen), welche
ich dem Herausgeber des „Stereoskopischen Medizinischen Atlas“,
1) Es gibt im Handel eigens zu dem Zweck hergestelltes ,,Diapositiv- Pigment-
papier“,
Referate. 323
Herrn Geheimrat Neisser, vorlegte, fanden dessen ungeteilten Bei-
fall. Es wäre also zu wünschen, daß es recht bald gelingen würde,
stereoskopische Films zu nicht zu hohem Preise maschinell herzu-
stellen. Die Neue Photographische Gesellschaft Berlin-Steglitz ist,
wie mir geschrieben wird, schon seit längerer Zeit mit darauf be-
züglichen Versuchen beschäftigt, die hoffentlich zum Ziele führen
werden.
Nachtrag.
Nach Schluß vorstehender Arbeit werde ich zu meinem Be-
dauern gewahr, daß ich die Untersuchungen Weinholds über ,,das
Sehen mit längsdisparaten Netzhautmeridianen“ (v. Graefes Arch. f.
Ophth. 1902. Bd. 54. S. 201) übersehen habe. Auch ich habe zahl-
reiche ähnliche Versuche angestellt, und zwar, wie ich hervorheben
möchte, völlig unabhängig von Weinhold. Ich konnte hier nur
kurz das Ergebnis meiner Untersuchungen, das beiläufig mit den
von Weinhold gefundenen Tatsachen im allgemeinen überein-
stimmt, erwähnen (s. S. 315), da eine ausführlichere Beschreibung,
die ich an anderer Stelle beabsichtige, nicht im Rahmen dieser
Arbeit lag.
(Eingegangen am I. August 1903.)
Referate.
Physiologische Optik.
M. Straub. Die normale Refraktion des menschlichen Auges.
Zeitschr. f. Psych. u. Phys. d. Sinnesorg. 25. Bd. S. 78. 1901.
Bekanntlich wird als die normale Refraktion des erwachsenen
menschlichen Auges Emmetropie angenommen, d. h. bei völliger Akkom-
modationsruhe vereinigen sich parallele Strahlen genau auf der Netz-
haut. Die Refraktion des Neugeborenen ist hyperopisch (durchschnitt-
lich 3 D). Bei dem Bestreben, „dem Mechanismus nachzuspüren, wie
die Natur die Refraktionszunahme des wachsenden Auges beherrscht
und quantitativ bestimmt“, fand Verf. die Tatsache, daB die Emme-
tropie des Erwachsenen (Rekruten) in der Mehrzahl der Fälle nur eine
scheinbare ist, und daß gewöhnlich eine latente Hyperopie von I—1,5 D
vorliegt, welche „durch einen merkwürdig genau bemessenen Tonus des
Ciliarmuskels“ korrigiert wird und erst nach energischer Lähmung des
Akkommodationsmuskels durch Atropin zum Vorschein kommt. Verf,
23”
324 Referate.
—— m. o M DL m U A AAA AKX</
schlägt daher vor, die normale Refraktion zu definieren „als eine
Emmetropie, welche in schwach hyperopischen Augen entsteht durch einen sehr
sähen Ciliartonus“. Nur in einem weit geringeren Prozentsatz wird die
Emmetropie durch eine sehr genaue Regulierung der Achsenlänge erreicht.
„Diese (wahre) Emmetropisierung tritt in den höheren sozialen Klassen
mit größerer Konstanz ein, als in den unteren, wobei aber von den
pathologischen Fällen abgesehen ist, wo die Refraktionszunahme zu weit
geht und Myopie entsteht. A H. Breyer.
Preislisten, geschäftliche Mitteilungen.
Radium. In Buffalo wurde eine Gesellschaft gegründet, um die
ihr gehörigen Uranminen in Utah auszubeuten. Besonderer Zweck ist
die Gewinnung von Radium. Eine Versuchsfabrik soll täglich 100 Pfund
Uranoxyd aus zwei Tonnen Erz im Werte von 200 Dollar herstellen;
daneben 10 kg rohes Radium-Barium und 100 Pfund andrer metalli-
scher Verbindungen. Das rohe Radium-Barium wird weiter behandelt,
wobei sich seine Menge auf den zehnten Teil reduziert und seine Aktivität
auf das ıofache erhöhen soll. Dieses Produkt soll in den Handel
kommen. Der Carnotit von Utah sei leichter zu verarbeiten, als Pech-
blende. Radium könnte also billig werden. Die technische Verwendung
für Leuchtzwecke und zur lonisierung des Luftstickstofls zur Ge-
winnung von Stickstoffverbindungen nach Ostwald sind wohl vorerst
Träume. (The Iron Age.)
Carl Zeiss, Jena. Unsere Notiz im letzten Heft ist dahin richtig
zu stellen, daB Herr Czapski in die Verwaltung der Zeiss-Stffung,
Herr Prof. Straubel aber in die Geschäftsleitung des Zeiss- Werks
eingetreten ist.
A. Hch. Rietzschel, München. Preisliste über „Clack“, Universal-
kameras für Film "und Platten und über „Linear“-Anastigmat und
Baryt-Anastigmate.
Aktien-Gesellschaft für Anilinfabrikation, Berlin, erhielt auf
der Mainzer Ausstellung des Süddeutschen Photographenvereins
für ihre photographischen Produkte die goldene Vereinsmedaille,
und auf der Petersburger Frühjahrsausstellung die höchste Aus-
zeichnung in der Gruppe Industrie.
Farbenfabriken vorm. Bayer € Co., Elberfeld, senden Pro-
spekt über ein Fixiernatronzerstörer; die Platten und Bilder sind
vor dessen Anwendung sehr gut abzuspülen.
Physikalisch - Chemisches Centralblatt, herausgegeben von
Privatdozent Dr. Rudolphi-Darmstadt, wird ab Januar im Verlag
von Gebrüder Bornträger in Berlin SW. in deutscher, englischer
und französischer Sprache erscheinen. Jährlich 24 Hefte von je
2 Bogen für 30 Mk.
Für die Redaktion verantwortlich: Dr. E. ENGLISCH in Stuttgart.
Zeitichrift für willenichaftlidie Photographie,
Photophylik und Photochemie
I. Band. 1903. Heft 10.
Über die Kruppsche Gitteraufstellung
im physikalischen Institut der Universität Bonn.
Von H. Konen.
(Mit 6 Abbildungen im Text.)
I. Unter den verschiedenen Aufstellungsarten eines Rowland-
schen Gitters ist im allgemeinen diejenige die beste, bei der Kamera,
Gitter und Spalt auf dem Umfang eines Kreises mit dem Krümmungs-
radius des Gitters als Durchmesser sich befinden, und zwar so, daß
Kamera und Gitter an den Enden eines Durchmessers einander
gegenüber liegen. Denn einmal werden die so erhaltenen Spektren
normal, vor allem aber ist die Definition der Bilder bei dieser Auf-
stellung am besten, wie kürzlich Wadsworth gezeigt hat.) Die
Realisierung der geforderten Anordnung erfolgt nun meist in der
ebenfalls von Rowland angegebenen Art?) und läßt sich für kleinere
Gitter zweifellos in der vollkommensten Weise ausführen, wie z. B.
die Arbeiten von Eder und Valenta zeigen und wie ich selbst aus
längerer Erfahrung bestätigen kann.
Anders dagegen steht es mit den Gittern größter Art von über
6 m Krümmungsradius. Es soll keineswegs bezweifelt werden, daß
auch mit diesen sich eine vollkommene Justierung nach Rowlands
Art ausführen läßt, vollkommen in dem Sinne, daß man bei jeder
Stellung des Querbalkens das Spektrum ohne weitere Nachhilfen
absolut scharf an der richtigen Stelle der Kamera vorfindet, und bei
der auch stundenlange I“xpositionen auf sicheres Gelingen hoffen
dürfen. Wohl aber möchte ich behaupten, daß eine derartige Auf-
stellung nur möglich ist, wenn sich das betreffende Institut in
günstiger Lage befindet, wenn gesonderte Pfeiler für die Schienen
1) F. L. O. Wadsworth, Phil. Mag. (6) 6. S. 119—157. 1903.
2) Man vergl. für näheres Kap. IV, Bd. I des Handbuches der Spektroskopie von
H. Kayser. | l
Zeitschr. f. wiss. Phot. ı. 24
326 H. Konen.
der Unterlage vorhanden sind, und wenn der benutzte Raum nach
Temperatur- und Feuchtigkeitsverhältnissen besonders geeignet ist.
Sind diese Bedingungen nicht erfüllt, so zeigt die Rowland-
sche Anordnung sehr wesentliche Nachteile. Vor allem wird der
empfindlichste Teil des Apparates, das Gitter selbst, bewegt. Diese
Bewegung ist weiter bei den großen Dimensionen aller Teile schwer
völlig zwangfrei auszuführen. Ebenfalls läßt sich die Durchbiegung
des Querbalkens sowie der Schenkel kaum vermeiden. Endlich be-
wirkt der Zwang nicht nur eine Biegung, sondern auch eine Torsion
des Querbalkens. Alles dies hat zur Folge, daß bei der Bewegung
des Gitters oder infolge von Erschütterungen Änderungen in der
Richtung der Gitternormale relativ zur Kamera eintreten, und so
die Justierung verloren geht.
Diese Nachteile zeigt nun die bisher in Bonn benutzte große
Gitteraufstellung in vollstem Maße. Die unmittelbare Nähe zweier
belebter Straßen und der Mangel fundamentierter Pfeiler bewirken
im Verein mit den genannten Übelständen, daß eine dauernde
Justierung unmöglich ist, vielmehr diese lästige Arbeit in jeder
Stellung des Querbalkens aufs neue vorgenommen werden muß.
Sie bewirken auch, daß Aufnahmen, die länger als eine halbe Stunde
oder gar mehrere Stunden dauern, nur selten und mehr zufällig geraten.
Es hat nicht an Versuchen gefehlt, Rowlandsche Gitter anders
aufzustellen als ihr Erfinder,!) indem man andere mechanische An-
ordnungen wählte, oder auch indem man auf die Beweglichkeit des
Apparates oder gar auf ein normales Spektrum verzichtete. Unter
allen empfiehlt sich der von Abney?) eingeschlagene Weg als der
einfachste und mechanisch am besten durchführbare.) Bei ihm
werden Gitter und Kassette fest aufgestellt und der Spalt auf einem
Kreise bewegt. Neben den zahlreichen auf der Hand liegenden
Vorteilen hat diese Anordnung zwei Nachteile. Erstens muß näm-
lich mit dem Spalte auch die Lichtquelle bewegt werden. Allein
während dieser Umstand bei Aufnahme des Sonnenspektrums sehr
lästig sein würde, macht er im Laboratorium nicht viel aus. — So-
dann muß das Spaltrohr beständig so gerichtet werden, daß seine
Achse die Mitte des Gitters trifft. Allein auch dies macht, wie wir
sehen werden, in der Praxis keine Schwierigkeiten.
1) Vergl. H. Kayser, Handbuch der Spektroskopie I. p. 478 ft.
2) W. de W. Abney, Phil. Trans. 177. Il. p. 457—469. 1886; Kayser,
Handbuch I. p. 479.
3) Vergl. die Ausführung von Kayser in seinem Handbuch I. p. 479.
Über die Kruppsche Gitteraufstellung im physik. Inst. der Univ. Bonn. 327
Als mir nun durch die Güte von Prof. Kayser das zweite große
Gitter des Bonner Instituts neben anderen Zwecken speziell zur
Untersuchung der bisher mit so großer Auflösung und Dispersion
noch nicht bearbeiteten lichtschwachen Bandenspektra anvertraut
wurde, konnte zu seiner Aufstellung kaum eine andere als die
Abneysche in Frage kommen.
Dabei waren jedoch noch zwei Umstände zu berücksichtigen. Wie
ich bereits an anderer Stelle ausgeführt habe,!) dürfte gerade in der
Lichtschwäche und Vergänglichkeit der meisten Bandenspektren der
Grund zu suchen sein, weshalb sie bisher, von wenigen Ausnahmen
abgesehen, noch nicht untersucht worden sind. Es war also von
vornherein mit sehr langen Expositionszeiten zu rechnen. Dieselben
lassen sich jedoch nur dann anwenden, wenn die Temperatur des
Untersuchungsraumes fur längere Zeit innerhalb ziemlich enger
Grenzen konstant gehalten werden kann. Das von den Astronomen
angewendete Hilfsmittel, durch Heizapparate den dispergierenden
Teil der Spektrographen auf konstanter Temperatur zu halten, ist
bei den großen Rowlandgittern nur in beschränktem Maße anwend-
bar, da sich das Gitter nicht in einen abgeschlossenen Raum bringen
läßt, ohne absorbierende Substanzen in den Weg der Lichtstrahlen
einzuschalten, und da der gesamte Apparat seiner Größe wegen
nicht wohl gleichmäßig geheizt werden kann. |
Abgesehen von den Kellern stand nun im Institut nur ein ge-
eigneter Raum von der genügenden Dimension zur Verfügung, der,
selbst kellerartig und durch Ausschachten des früheren Erdkernes
des Institutsgebäudes entstanden, doch zu ebener Erde gelegen ist.
Er ist auf allen Seiten von sehr dicken Mauern umgeben, hat sehr
konstante Temperatur und ist nicht unterkellert, so daß der Fuß-
boden direkt auf Kiesgrund ruht. Allerdings ist die in ihm ent-
haltene Luft sehr feucht, meist vollkommen mit Wasserdampf ge-
sättigt, so daß alles Holz sich stark verzieht, wenn es einige Zeit
in den genannten Raum gebracht wird. Es waren somit bei einer
Montierung des Gitters sämtliche Holzteile zu vermeiden.
In dieser Art der Ausführung überstiegen jedoch die Kosten
des Aufbaues das den laufenden Mitteln des Instituts erschwing-
liche Maß.
Allein diese Schwierigkeit wurde gehoben durch die Liberalität
des verewigten Geheimen Rates Krupp, der sich auf meine Bitte
ı) H. Konen, Drudes Ann. 9. 1902. p. 742f.
24*
328 H. Konen.
bereit erklärte, die Aufstellung in seiner Fabrik nach meinen Wün-
schen anfertigen zu lassen und mir die Unterstützung seines tech-
nischen Bureaus zuwendete. Ich kann die Bereitwilligkeit und Geduld,
mit der das Direktorium und die beteiligten Herren auf alle meine
Wünsche eingingen, nicht genug hervorheben und freue mich, ihnen
auch an dieser Stelle meinen Dank aussprechen zu können.
Leider war es mir nicht mehr vergönnt, dem verewigten Herrn
Krupp selbst meinen Dank abstatten zu dürfen. Wenn ich hier
seinen Namen nenne, so geschieht es mit um so größerer Wärme,
je weniger Wert der Verstorbene darauf zu legen pflegte, und um
Fig. ı.
so mehr, als er bei der wahrhaft idealen Art seiner Schenkungen
für wissenschaftliche Zwecke meist ungenannt blieb.
II. Als Unterlage der Aufstellung dient ein Betonfundament.
Dasselbe hat im wesentlichen einen halbkreisförmigen Grundriß und
ist unmittelbar auf dem Baugrund aufgeführt. Es ist von den Mauern
des Gebäudes vollständig isoliert. Genaueres über seine Gestalt geht
aus den Fig. ı, 2, 3 hervor. Es besteht zunächst aus einer Beton-
platte, deren Grundriß Fig. ı und deren Querschnitt in der Rich-
tung a—ó Fig. 2 zeigt. Die Platte hat einen Radius von 347 cm,
ist 6o cm dick und aus Beton der Mischung 1 :7 ausgeführt. Auf
derselben erhebt sich eine halbkreisförmige Mauer aus Beton; die-
selbe hat eine Höhe von 82 cm über dem Flur und ist 40 cm breit.
Fig. ı zeigt bei 6 den Grundriß, Fig. 2 bei 5 einen Querschnitt.
Über die Kruppsche Gitteraufstellung im physik. Inst. der Univ. Bonn. 329
Die Mauer läuft bei e und d (Fig. 1) in zwei Pfeiler aus, die eben-
falls aus Beton hergestellt sind und von denen der eine bei einer
Höhe von 102 cm eine Grundfläche von 80:75 cm hat, während
der zweite bei derselben Höhe eine Basis von 60 : 50 besitzt. End-
lich erhebt sich im Mittelpunkte des Halbkreises (bei e in Fig. 1,
bei ¢ in Fig. 2 ist der Querschnitt zu sehen) ein Pfeiler von 82 cm
Höhe mit quadratischer Grundfläche von 50: 50 cm.
Alle genannten Teile sind gleichzeitig und zusammenhängend
ausgeführt und bilden nach dem Festwerden des Cementes eine
einzige Steinmasse, die sich, soweit bisher die Versuche gezeigt
haben, bei Erschütterungen des Grundes nur als Ganzes bewegt.
Der Pfeiler bei d ist nun der Träger des Gitters, der bei c der
=- Träger der Kassette; der Pfeiler bei e trägt das Lager des dreh-
baren Armes, während die kreisförmige Mauer die Bahn für das
freie Ende desselben Armes ist.
Fig. 2.
Beginnen wir mit den Pfeilern. Jeder derselben trägt eine
Messingplatte von 8 cm Dicke. Die das Gitter tragende Platte hat
das Format 80:50 cm, die die Kassette tragende die Seiten 30: 30.
Beide sind auf der Oberseite eben geschliffen und so montiert, daß
sie bei vollkommen horizontaler Lage in derselben Ebene über dem
Fußboden liegen. Die Höhe derselben beträgt 118 cm über Flur
und ist so bemessen, daß ein Beobachter von normaler Größe
bequem an den Pfeilern arbeiten kann. Endlich sind sie, wie alle
übrigen Teile der Aufstellung, durch Anker und Platten mit dem
Fundament verbunden.
Die Art dieser Befestigung war bei allen Teilen dieselbe. Es wur-
den nämlich mit Hilfe einer Holzschablone 28 schmiedeeiserne Platten
beim Aufbau des Fundamentes an den mit 2 (Fig. 1) und g (Fig. 2)
bezeichneten Stellen 15 cm über der Sohle des Fundamentes ein-
gelegt und Ankerstangen von 82 cm Länge durchgesteckt. Wäh-
rend des Auffüllens des Betons wurde dann für dieselben mittels
330 H. Konen.
Holzkästen ein einige Quadratzentimeter fassender Raum frei-
gelassen. So blieb für die Justierung der einzelnen Stücke ein
hinreichender Spielraum. Nachdem endlich die Montierung beendigt,
und alle Teile durch Keile und Anziehen der Schrauben befestigt
waren, wurden die leergelassenen Räume mit Cement gefüllt und
Schiene u. s. w. mit Cement untergossen.
Auf diese Weise sind alle Teile in sehr stabiler und zuverlässi-
ger Weise mit dem Fundament verbunden. Die Gitterplatte wird
dabei durch zwei Anker, die Kassettenplatte durch vier Anker fest-
gehalten.
Fig. 3.
In der gleichen Art wurde die Gleitbahn für den drehbaren
Arm befestigt. Sie besteht aus einer einzigen großen halbkreis-
förmigen Schiene von 3,30 m Radius. Dieselbe hat das aus Fig. 2 g
ersichtliche Profil, ist 12 cm hoch, oben 5,5, unten 11 cm breit
und durch Vernieten zweier Schienen des gleichen Radius und von
3,3. m Länge hergestellt. Endlich ist die Schiene als Ganzes auf
der Drehbank abgedreht. Die Montierung wurde, ebenso wie die
übrigen Teile, durch einen Monteur der Firma Fr. Krupp aus-
geführt, und ich kann nur konstatieren, daß sie vorzüglich aus-
gefallen ist. Die obere Fläche der Schiene liegt in 94 cm Höhe
über dem Boden durchaus eben, so daß der Gang des drehbaren
Armes ein vortrefflicher ist und die Schiene an jeder Stelle die
Prüfung mit empfindlichen Libellen verträgt. Ein Stück dieser
Schiene sieht man im unteren Teile der Fig. 4.
Über die Kruppsche Gitteraufstellung im physik. Inst. der Univ. Bonn. 331
Weiterhin ist der drehbare Arm zu nennen, der den Spalt trägt.
Derselbe besteht aus einer Doppel-T-Schiene, die aufrecht gestellt
ist. Aus ihrem Mittelstück sind sechs ovale Öffnungen von 35 cm
Länge herausgesägt, um ihr Gewicht zu verringern. Da sie außer
dem letzteren fast nichts zu tragen hat, so ist demgemäß ihre
Durchbiegung äußerst gering; übrigens würde auch ein größeres
Maß der Durchbiegung nicht schaden, da ja bei der vorliegenden
Art der Benutzung die Schiene in allen Lagen in der gleichen
Weise beansprucht wird.
Das eine, bewegliche Ende der Schiene ist in Fig. 4 zu sehen.
Es trägt unten zwei seitliche Ansätze, von denen einer bei a zu
332 | H. Konen.
sehen ist. Dieselben halten zwei Stahlrollen von 5 cm Breite und
4 cm Durchmesser, die in starken Stahllagern laufen und zum
Zwecke des Ölens in sinnreicher Weise durchbohrt und sorg-
fáltig gearbeitet sind. Ihr Achsenabstand beträgt 7 cm. Des weiteren
trägt die Schiene einen mit Messing beschlagenen Griff (6, Fig. 4),
sowie eine Vorrichtung zum Festklemmen. Dieselbe besteht aus
einer Backe (c, Fig. 4), die einen Stahlkeil trägt, der mit der Schraube
(d, Fig. 4) angezogen werden kann und so die drehbare Schiene
auf die feste preßt. Auf der Oberseite trägt die Schiene an ihrem
Ende eine mit Nieten befestigte Messingplatte, von 2 cm Dicke und
15 cm im Geviert. Sie ist, wie die andern Platten, eben geschliffen
und so justiert, daß sie mit diesen in einer Ebene liegt. Auch diese
Montierung ist so gut gelungen, daß man.den beweglichen Arm im
Kreise herumfahren kann, ohne die Einstellung einer auf die Platte
gesetzten Libelle zu ändern. Ebenso funktioniert die Vorrichtung
zum Festklemmen in sehr befriedigender Weise. Das andere Ende
der Schiene trägt die Achse. Das Lager derselben besteht aus
einem stählernen Fuße, der in Fig. 2 bei e zu sehen ist und durch
drei Anker an seinem Pfeiler festgehalten wird. Er ist konisch aus-
gehöhlt, und die Schiene trägt an ihrem Ende eine der ersten Höhl-
ung vollkommen entsprechende Hülse. In die beiden Hülsen, die
durch einen Ring von Lagermetall getrennt sind, wird die eigent-
liche Achse gesteckt. Dieselbe ist ein konisch zulaufendes Stück
Stahl von 5 cm Durchmesser und 30 cm Länge und in kunstreicher
Weise durchbohrt und mit einem Schneckengang an der Oberfläche.
versehen, so daß sie sich selbst ölt. Sie kann durch einen Keil
angezogen werden. |
Das beschriebene Lager ist sehr fest und sorgfältig im Mittel-
punkte der halbkreisförmigen Schiene justiert, so daß der drehbare
Arm sicher und doch leicht und ohne jeden Zwang läuft.
Wir gehen nun zur Kamera über. Dieselbe besteht aus zwei
getrennten Stücken, der eigentlichen Kamera und der Kassette, die
beide durch einen Balg aus photographischem Tuch verbunden sind
(Fig. 3 bei a). Eine Skizze der Kamera von oben und im Durch-
schnitt geben Fig. 3, I. und Il, aus denen zugieich die Anordnung
aller Teile hervorgeht.
Die eigentliche Kamera selbst ist aus Eisenblech und schmiede-
eisernem Rahmen genietet. Sie hat eine Gesamtlänge von 640 cm
und ruht mit dem einen Ende auf dem Gitterpfeiler, während das
andere Ende von drei gußeisernen Säulen von 63 cm Höhe und
Über die Kruppsche Gitteraufstellung im phvsik. Inst. der Uni. Bonn. 333
18 bezw. 23 cm Durchmesser getragen wird. Dieselben sind mit
dem Fundament durch je drei Anker verankert und mit je drei
Schrauben mit der Kamera verschraubt, so daß auch die Kassette
vollkommen fest steht und keine Gefahr ist, daß Erschütterungen
durch sie auf andere Teile übertragen werden könnten.
Die Kamera besteht weiterhin selbst wieder aus zwei Stücken.
Das erste, das mit einem Ende auf dem Gitterpfeiler ruht, besitzt
Fig. 5.
dort einen kastenartigen Aufbau, der das Einsetzen von Apparaten
auf den Gitterpfeiler sowie ein bequemes Hantieren ermöglicht und
zugleich zum Anbringen von Heizvorrichtungen dienen soll. Dieses
Ende ist in Fig. 5 zum Teil zu sehen. Es ist an der Rückseite
offen und kann dort durch einen mit Tuch bespannten Holzrahmen
verschlossen werden. An der dem Gitter zugekehrten Seite besitzt
der erste Teil der Kamera gleichfalls eine Öffnung von 21,5 cm
Höhe und 410 cm Länge. Dieselbe ist von einem Rahmen aus
LI-Eisen eingefaßt und so bemessen, daß das Licht von jeder
Stellung des Spaltes aus ungeschmälert zum Gitter gelangen kann.
334 H. Konen.
Die übrigen Dimensionen dieses Teiles, der vom Gitter: aus nach
der Kamera hin allmählich breiter wird, betragen: Höhe 22,1 cm,
Breite 50—70,5 cm, Länge 445 cm.
Zum Verschluß der Lichtöffnung, bezw. zum Verschluß der
nicht benutzten Teile dienen hölzerne, mit Tuch bespannte Schieber,
welche in den eisernen Rahmen der Öffnung passen und von diesem
getragen werden.
Der zweite Teil der Kamera ist ohne seitliche Öffnung. Er
ruht, wie schon ausgeführt, auf drei Säulen, hat rechteckigen Quer-
schnitt und ist mit dem ersten Teile verschraubt, dessen eines Ende
er trägt (man vergl. die Skizze Fig. 3). Seine Dimensionen sind:
Länge 195 cm, Höhe 22,1 cm, Breite 70,2—80 cm.
An dem der Kassette zugekehrten Ende trägt die Kamera
einen festschraubbaren eisernen Rahmen, der zur Befestigung des
Tuchbalges dient.
Die ganze Kamera ist mattschwarz gestrichen und im Innern
mit einer Anzahl Tuchblenden auf Holzrahmen versehen, die nach
Bedarf verschoben und herausgenommen werden können.
An die Kamera schließt sich die bei a (Fig. 3) angedeutete und
in Fig. 6 in der Ansicht abgebildete Kassette an. Dieselbe ist gleich-
falls in allen wesentlichen Teilen aus Eisen hergestellt. Der Guß
derselben wurde von der Firma van der Zypen & Charlier in
Köln-Deutz, der ich auch an dieser Stelle meinen besten Dank aus-
sprechen möchte, auf meine Bitte kostenfrei ausgeführt.
Die Kassette, die ebenfalls sehr massiv und stabil ist, setzt sich
aus zwei Teilen zusammen. Der erste derselben (a, Fig. 6) hat etwa
Über die Kruppsche Gilteraufstellung im phvsik. Inst. der Univ. Bonn 335
die Gestalt eines Kastens und ruht auf drei Füßen (e, /) die mit
Stellschrauben versehen sind, welche nach der Ermittlung der rich-
tigen Stellung der Kassette an der Messingplatte befestigt werden.
Die eine dieser Stellschrauben ist so angebracht, daß sie mit ihrer
Achse gerade in der Fläche der photographischen Platten liegt, so
daß die Kassette um eine in der Bildfläche liegende Achse gedreht
werden kann. Nach dem Gitter zu ist die Kassette völlig offen,
trägt jedoch dort einen festgeschraubten Holzrahmen, der den Tuch-
balg hält. Oben besitzt der Eisenkasten einen Schlitz. In dem-
selben sind zwei Messingschieber verschiebbar, die im Innern der
Kassette durch ein Holzfutter gehalten werden (g, A, Fig. 6). Von
denselben ist der eine mit zwei Spalten versehen, deren jeder ein
Drittel der photographischen Platte breit ist, und die unter sich
durch einen Messingstreifen von derselben Breite getrennt sind. Der
zweite Messingschieber trägt an derselben Stelle einen Spalt, wo
bei der ersten sich der trennende Messingstreifen befindet. Mit
Hilfe dieser beiden Platten läßt sich nun leicht ein beliebiger Teil
der photographischen Platte belichten oder abblenden. Je nach der
Stellung der Schieber kann man entweder ganz abblenden, oder
drei Spektra aufnehmen, oder zwei Spektra so aufnehmen, daß das
eine die beiden äußeren Drittel, das andre das mittlere Drittel ein-
nimmt. Endlich ist es auch möglich, eine größere Zahl von Spektren
nacheinander aufzunehmen, wofern man nur die Höhe des einzelnen
Spektrums passend reguliert.
Die der Platte zugekehrte Seite des Kastens ist glatt gehobelt
und mit einer rechteckigen Öffnung von der Dimension 54: 12 cm
versehen. Über diese Öffnung paßt der zweite Teil der Kassette.
Derselbe hat ungefähr die Gestalt eines flachen Kastens und ist auf
seiner offenen Seite gleichfalls gehobelt, so daß er in der Art, wie
es Fig. 6 bei a zeigt, lichtdicht schließend an den ersten Teil an-
gesetzt werden kann. Er wird dann durch vier Flügelschrauben
(bei p, q, r, s) festgehalten. Auf der Rückseite besitzt dieser Teil
einen nach einem Radius von 3,3 m gewölbten Boden. Derselbe
ist mit einer rechteckigen Öffnung von 47 cm Länge und 4 cm
Höhe versehen. Auf ihm ist durch mehrere starke Schrauben ein
dünnes Stück Eichenholz befestigt, dem durch Feilen und Schleifen
die richtige gekrümmte Oberfläche gegeben ist und das als un-
mittelbare Unterlage für die photographische Platte dient. Es ist
dies das einzige Stück Holz, das an einem wesentlichen Teile des
Apparates verwendet worden ist. Auf diesem Holze befindet sich
336 H. Konen.
noch ein Papperahmen, sowie rechts und links zwei federnde Klam-
mern, welche die photographische Platte halten und durch Aufdrücken
auf die Unterlage schon teilweise auf die erforderliche Krümmung
bringen. Vollständig wird dies durch den in Fig. 6 bei X sichtbaren
Kassettendeckel erreicht, der mit dickem Filz gefüttert ist und ver-
mittels der beiden Schrauben u und v auf die Platte gepreßt wird.
Endlich besitzt die Kassette noch bei s einen Schieber, der an
Stelle der Messingschieber benutzt werden kann und gestattet, den
vorderen Teil der Kassette samt der Platte abzunehmen. Für die
meisten Fälle ist dies jedoch nicht nötig; denn da, wie noch zu
erwähnen sein wird, der ganze Arbeitsraum als Dunkelkammer ein-
gerichtet ist, so ist es meist bequemer, die Platten an Ort und Stelle
einzulegen und herauszunehmen.
Es erübrigt nun noch, den Spalt und das Gitter selbst zu be-
schreiben. Eine Ansicht des ersteren gibt Fig. 4. Dieselbe ent-
spricht jedoch nur der ursprünglichen Ausführung. Die jetzige
unterscheidet sich dadurch von ihr, daß sich zwischen dem Fuß
des Spaltrohres und dem Tisch des drehbaren Armes noch eine
Scheibe befindet, die ungefähr um den Punkt drehbar ist, in welchem
die Verlängerung des Spaltes den Tisch trifft.
Wie bereits eingangs erwähnt, ist bei unserer Gitteraufstellung
dem Spaltrohre für jede Lage des drehbaren Armes eine andre
Richtung zu geben, und zwar hat dasselbe mit dem Radius einen
Winkel zu bilden, der halb so groß ist wie der Winkel des Radius
mit der Kassettenaxe und gleich dem Incidenzwinkel des Lichtes
zum Gitter. Diese Bedingung läßt sich freilich durch verschiedene
mechanische Vorrichtungen erfüllen, so daß der Spalt sich auto-
matisch einstellt. Allein es wurde dennoch davon abgesehen, eine
solche Anordnung zu treffen. Denn einmal ist der dadurch er-
reichte Vorteil nicht so groß, wie es auf den ersten Blick scheint,
weil kontinuierliche Verschiebungen bei den großen Gittern doch
nicht gebraucht werden. Dann aber muß ja die Lichtquelle mit
verschoben werden, und schließlich war zu erwarten, daß die Kurve
der richtigen Spaltlagen nicht genau mit dem theoretischen Kreis
zusammenfallen würde, so daß kleine Änderungen in der Spalt-
stellung notwendig werden.
Unter solchen Umständen schien es geboten, vor allem für
möglichst große Stabilität zu sorgen. Es wurde daher der Weg
eingeschlagen, für den gesamten Kreis die richtigen Spaltstellungen
zu ermitteln und in einer Tabelle zusammenzustellen.
Über die Kruppsche Gilteraujstellung im physik. Inst. der Univ. Bonn. 337
Der von M. Wolz in Bonn ausgeführte Spalt ist demnach in
folgender Weise eingerichtet. Auf der Platte der drehbaren Schiene
ruht eine Messingplatte von der Form eines Kreissektors. Dieselbe
ist um einen Punkt drehbar, der für eine mittlere Stellung mit der
praktisch richtigen Spaltkurve zusammenfállt. An einem Ende trägt
diese Platte cine Marke, die über einer Skala spielt, so daß man
die Stellung ablesen kann. Außerdem kann die Platte durch eine
starke Schraube festgepreßt werden.
Der Fub des Spaltes ist nun auf dieser Platte so befestigt, daß
der Spalt bei einem mittleren Auszug des Spaltrohres mit der
Drehungsachse der genannten Platte zusammenfällt.e Der Fuß be-
steht aus einem starken Messingrohr mit schwerer Messingplatte
(r, Fig. 4), die durch drei Schrauben nebst drei Gegenschrauben
auf der Unterlage befestigt und so justiert wird, daß ihre Achse
vertikal steht. Am oberen Ende trägt der Fuß einen Klemmring s,
der durch eine Schraube angezogen werden kann (in der Abbildung
teilweise verdeckt).
In den Fuß eingeschlossen ist ein zweites Messingrohr, das ein
senkrecht angesetztes horizontales Stück trägt, in welchem das Spalt-
rohr gleitet. Auf dem erstgenannten Rohr sitzt ebenfalls ein Klemm-
ring mit der Schraube Z (Fig. 4). Mit Hilfe dieses Ringes läßt sich
in leicht ersichtlicher Weise die Höhe des Spaltes regulieren, wäh-
rend der feste Ring dazu dient, den Spalt um die Fußachse dreh-
bar zu machen. Beide Ringe sind übrigens mit einer rohen Teilung
versehen, welche gestattet, die Stellung des Spaltrohres relativ zu
seinem Fuße abzulesen.
Der durch Zahn und Trieb (u, Fig. 4) verschiebbare Tubus des
Spaltes ist 19 cm lang und besitzt einen Durchmesser von 4 cm.
Er ist mit einer Millimeterteilung versehen. An seinem vorderen
Ende trägt er eine mit einer gebogenen Zahnstange versehene
Scheibe.
Endlich steckt in dem beschriebenen Tubus ein zweiter, welcher
drehbar ist und den eigentlichen Spalt trägt. Derselbe sitzt auf
einer Messingscheibe von 7 cm Durchmesser. An ihrem Rande
trägt diese eine Schraube v, welche in die erwähnte Zahnstange
eingreift, mit geteiltem Kopf versehen ist und so die Torsion des
Spaltes zu regeln gestattet.
Der Spalt selbst hat cine feste Backe. Die andre läuft an einer
schiefen Ebene x (Fig. 4) und wird durch eine schwache Feder gegen
die parallel der schiefen Ebene gestellte Schraube g gedrückt, durch
338 H. Konen.
welche der Spalt sich fein regulieren läßt. Die Konstruktion ist
prinzipiell dieselbe, wie die von Kayser!) empfohlene. Die Spalt-
schneiden endlich sind 3'/, cm lang und aus Quarz geschliffen nach
dem von Crookes?) angegebenen Prinzip.
Auf dem Tische vor dem Spalte läßt sich ein Gestell mit ab-
sorbierenden Substanzen anbringen, während hinter dem Spalte
ein Schirm alles nicht aus dem Spaltrohr selbst kommende Licht
auffängt. |
Wir wenden uns nun dem Gitter selbst zu. Dasselbe ist mit
Rowlands dritter Teilmaschine auf einen Spiegel von 6,6 m Krüm-
mungsradius und einer Fläche von 15:13 cm geritzt. Seine geteilte
Fläche beträgt 5!/,:2 inch und besitzt 16000 Striche pro inch, im
ganzen 88000. Man erhält demnach Spektrogramme, die in der
ersten Ordnung auf ı mm rund 2,56 A.E. umfassen und bei der
angegebenen Dimension der Kassette über 1200 A.E. reichen.
Das Gitter ist in Fig. 5 bei a zu schen, ebenso wie das Gestell,
von dem es getragen wird. Das letztere besteht aus einer schweren
Messingplatte, die auf drei Schrauben ruht, von denen zwei bei 2
und c zu sehen sind. Die Schraube 5 dient zugleich dazu, die
Gitternormale bei Bedarf zu neigen. Auf der Grundplatte erhebt
sich eine zweite Platte d, welche oben und unten die Lager für die
Achse einer dritten, e, trägt. Dieselbe kann durch eine Schraube /
mit Gegenschraube um eine vertikale Achse gedreht werden. Die
das Gitter selbst tragende Platte g wird durch eine starke zentrale
Schraube gegen e gepreßt und ist mittels eines kreisförmigen Lagers
auf e drehbar. Diese Drehung wird durch die Schraube 7 mit ent-
sprechender Gegenschraube reguliert, so daß das Gitter auch um
seine Normale drehbar ist.
Beim Gebrauche wird das Gitter bis auf den gefurchten Teil
abgeblendet. Einige Worte über die Einrichtung des Gitterraumes
mögen den Schluß dieser Beschreibung machen. Derselbe ist 13,5 m
lang, 7 m breit und 5 m hoch, ist mattschwarz gestrichen und
besitzt drei Türen und ein Fenster. Von den Türen sind zwei
ständig geschlossen und noch durch eine Tuchwand abgesperrt.
Das Fenster ist rot verblendet und kann auch verdunkelt werden,
so dali der ganze Raum zugleich als Dunkelkammer benutzt wird.
Die Lichtquelle und die Projektionsvorrichtungen befinden sich
1) Kayser, Handbuch der Spektroskopie 1. S. 535.
2) W. Crookes, The slit of a spectroscope. Chem. News 71. S. 175. 1895.
Über die Kruppsche Gitleraufstellung im physik. Inst. der Univ. Bonn. 339
auf einem mit Marmorplatte versehenen fahrbaren Tisch. Die Licht-
quelle kann außerdem durch ein Blechgehäuse abgeblendet werden.
Allein diese Vorsichtsmasregel ist im allgemeinen überflüssig, da
die Kamera fast alles fremde Licht abhält.
III. Der Justierung des Apparates wurde eine Prüfung des
Gitters vorausgeschickt. Dieselbe wurde in der Weise vorgenommen,
daß zunächst das Gitter provisorisch aufgestellt und dann die Seite
gewählt wurde, wo die Intensitätsverteilung in den Spektren am
günstigsten war. Die Wahl fiel auf die Seite, wo auch die Spektra
zweiter und dritter Ordnung größere Intensität zeigten, da es er-
wünscht war, für die beabsichtigten Arbeiten gerade die höheren
Ordnungen zu benutzen.
Die weitere Prüfung zeigte dann, daß das aufgestellte Gitter an
Güte dem Prof. Kayser gehörigen und bisher im Institut benutzten
erheblich nachstand. Zunächst ist die Intensität in allen Ordnungen
kleiner, weiterhin beträgt die Dispersion nur etwa */, derjenigen des
alten Gitters und endlich zeigen die Geister eine bedeutend größere
Intensität. Dieser Übelstand stellte sich freilich in seinem Umfange
erst heraus, als nach definitiver Aufstellung in den höheren Ord-
nungen lange Expositionszeiten angewendet wurden. Außerdem
sind stärkere Linien noch auf beiden Seiten von den beiden ersten
Seitenmaximis begleitet, in einem Abstand, der ungefähr dem
theoretischen linearen Auflösungsvermögen entspricht.) Trotzdem
wurde an der Montierung dieses Gitters festgehalten, weil es in
höhere Ordnungen zu kommen gestattet, was besonders im Hinblick
auf eine beabsichtigte Anwendung der Coincidenzmethode erwünscht
war, sodann weil die Definition der Linien, zumal in der zweiten
Ordnung, eine sehr gute ist, und endlich weil sich die Differenz an :
Intensität bei der Stabilität der Aufstellung leicht durch verlängerte
Expositionsdauer ausgleichen läßt.
Die Justierung erfolgte im ganzen in der bekannten Weise.?)
Doch wurde in einzelnen Punkten infolge der andern Konstruktion
abgewichen.
Zunächst wurde das Gitter aufgestellt. Dazu wurde seinem Fuß
die richtige Höhe gegeben, das Gitter horizontal und vertikal gestellt
und dann in die Achse des drehbaren Armes ein beleuchteter Spalt
gebracht. Auf dem Tisch der Kassette befand sich ein auf Un-
ı) Auf diesen Punkt soll an anderer Stelle ausführlich eingegangen werden.
2) Vergl. Kayser, Handbuch I. S. 466—478.
340 H. Konen.
endlich eingestelltes Fernrohr, und nun wurde der Abstand des
Gitters so reguliert, daß das Spaltbild scharf zu sehen war.
Nun wurde die Kassette angebracht. Ihre Justierung erfolgte
mit Hilfe einer eingelegten, schon entwickelten Platte. Dieselbe
wurde von rückwärts beleuchtet und die Kassette dann so einge-
stellt, daß die Linien gleichzeitig mit ihrem Bilde scharf zu sehen
waren. Endlich wurde in der von Kayser!) angegebenen Weise
die Gitternormale nach dem Mittelpunkte der Platte gerichtet.
Es folgte dann die feinere Justierung. In ihrem Verlaufe zeigte
sich sogleich, daß die Kurve der richtigen Spaltstellungen nicht
genau mit dem Kreis von 3,3 m Radius zusammenfällt, sondern in
derselben Weise, wie es schon von Rydberg u. a.) beobachtet
worden ist, eine seitliche Verschiebung aufweist. Sie stellt anschei-
nend einen Kreis dar, besitzt aber einen größeren Krümmungsradius
als 3,3 m. Während die beiden Kreise in der ersten Ordnung nahe
zusammen fallen, liegt die „Spaltkurve“ in höheren Ordnungen
weiter außerhalb. Da diese Differenz jedoch nur klein ist und im
Maximum etwa 1,5 cm beträgt, so beeinträchtigt sie die normale
Beschaffenheit der Spektren nicht in merkbarer Weise. Bei der
gewählten Einrichtung des Spaltes ist sie somit ohne praktische
Bedeutung.
Schließlich wurde an der Kreisbahn des Spaltes eine Teilung
nach Wellenlängen angebracht und für diese Teilung eine Tabelle
der richtigen Spaltstellungen bestimmt. Dazu wurde die Peripherie
mit einer Centimeterteilung versehen und nun für eine Reihe von
Stellungen des Armes die richtige Lage der Grundplatte ermittelt.
Wie unmittelbar einleuchtet, erhält man eine gerade Linie, wenn
- man die Ablesungen an der Peripherie als Abscissen, diejenigen an
der willkürlichen kreisförmigen Skala der Grundplatte als Ordinaten
wählt. Nachdem so für alle Stellungen des Armes durch Inter-
polation die Stellung der Grundplatte ermittelt war, wurde an
mehreren Stellen der Centimeterskala die Wellenlänge abgelesen.
So erhält man eine zweite Kurve, die die Wellenlängen als Funktion
der Peripherie ergibt. Diese Kurve ist, wie man leicht einsieht, eine
Sinuskurve und konnte daher nach Bestimmung einer Stellung durch
Rechnung geprüft werden. Dabei fielen berechnete und beobachtete
Kurve innerhalb der Ablesungsfehler zusammen. Endlich wurde in
1) Kayser, Handbuch I. S. 475.
2) J. R. Rydberg, Phil. Mag. (5) 35. S. 190— 199. 1893; Kayser, Hand-
buch 1. S. 440.
Über die Kruppsche Gilteraufstellung im physik. Inst. der Univ. Bonn. 341
Abständen von je 100 A.E. der zugehörige Wert der Peripherie
interpoliert und so die letztere mit einer Wellenlängenskala versehen.
Dieselbe reicht in der ersten Ordnung von 1500 bis 17000.
Sodann wurde für eine Reihe von Stellungen eine sorgfältige
Justierung vorgenommen und die erhaltenen Werte für den Spalt-
auszug und die Spaltdrehung in Kurven niedergelegt. Aus diesen
wurde dann zum Schlusse eine sämtliche Stellungen umfassende
Tabelle zusammengesetzt.
Man hat somit für jede Stellung des Spaltes drei Einstellungen,
aus der Tafel zu entnehmen und auszuführen.
IV. Dieses allerdings etwas umständlich klingende Verfahren hat
nur dann Sinn, wenn die Aufstellung ganz stabil ist, und wird so-
mit vor allem durch den Erfolg gerechtfertigt.
Die Erfahrung lehrt nun in der Tat, daß die Justierung des
Spektrums stets erreicht ist, wenn die Einstellung in der beschriebe-
nen Weise vorgenommen wird. Man kann mit dem Spalte hin und
her fahren, wenn man in die alte Lage zurückkommt, so genügt
es, den Spalt in der alten Weise einzustellen. Ja noch mehr. Ich
habe zusammen mit meinem Kollegen Hagenbach den Spalt gänz-
lich demontieren und auseinandernehmen können, ohne die Einstellung
zu verlieren, so daß nach dem Zusammensetzen der Teile das
Spektrum in der alten Weise erschien.
Endlich hat sich die Einrichtung ebenfalls hinsichtlich langer
Expositionen bewährt. Expositionen von vier Stunden, die bisher
mit der alten Aufstellung nur in Ausnahmefällen ein Resultat lieferten,
sind jetzt anwendbar. Ich verweise in dieser Hinsicht auf den Artikel
über das Bandenspektrum des Quecksilbers, der als eine Probe für
die Leistung des Apparates dienen mag.!) Ferner konnten wir ver-
schiedene Spektren, u. a. das des Eisens bis zur Stellung von
16500 (LI. O.) herauf photographieren u. a. m.
Über das Ergebnis tagelanger Expositionen und über den Ein-
flub der Temperatur hoffe ich in kurzer Frist berichten zu können.
Ich darf nicht schließen, ohne den Herren zu danken, durch
deren Entgegenkommen nächst dem Geschenkgeber selbst der
Aufbau der Kruppschen Gitteraufstellung ermöglicht wurde: dem
Herrn Kurator der Universitat Exzellenz Dr. v. Rottenbur g,
der die Mittel zum Aufbau und zur Instandsetzung des Raumes
bewilligte.
1) Siehe diese Zeitschrift I. 342. 1903.
Zeitschr. f. wiss. Phot. 1. 25
342 Hagenbach und Konen.
sowie dem königl. Kreisbauinspektor Baurat Schulze, der in liebens-
würdigster Weise auf alle Wünsche einging.
Bonn, physikalisches Institut, 16. September 1903.
(Eingegangen am 17. September 1903.)
Über das Emissionsspektrum des Quecksilbers in Geisslerróhren.
Von Aug. Hagenbach und H. Konen.
(Mit s Abbildungen.)
Da heutzutage das Interesse, die Bandenspektra genauer zu
kennen, im Hinblick auf die Frage nach Gesetzmäßigkeiten in der
Struktur der Banden zugenommen hat, so erscheint es zweckmäßig,
dieselben auch mit größerer Dispersion, vor allem mit Konkavgittern,
zu untersuchen.!) Die stabile Aufstellung des Gitters, welche von
einem von uns?) beschrieben ist, bietet uns die Möglichkeit, lange
Expositionszeiten bei den photographischen Aufnahmen zu benützen,
ohne beständig Mißerfolge durch Verwackeln befürchten zu müssen,
und dadurch hoffen wir in der Lage zu Seins. die lichtschwachen
Bandenspektra zu photographieren.
Die Quecksilberbanden sind seit 1894 von Eder und Valenta”)
nicht mehr untersucht worden. Die Aufnahmen wurden damals mit
einem Prismenspektrographen ausgeführt und die Ausmessung lieferte
nur 0,1 A.E. Wir haben nun die neue Gitteraufstellung dazu benützt,
die Quecksilberbanden einer genaueren Untersuchung zu unterziehen.
Zunächst wurden die beiden stärksten Banden, deren Köpfe
bei 4218,9 und 4017,5 liegen, in zweiter Ordnung photographiert.
Die Justierung des Apparates wurde in der gewohnten Art und
Weise photographisch mit dem Eisenbogen ausgeführt, und zwar
wurden dabei die Probeaufnahmen zum endgültigen Entscheid mit
einem Mikroskop bei etwa 8ofacher Vergrößerung betrachtet.
1) Kayser, Handbuch der Spektroskopie II. S. 495. 1902.
2) H. Konen, diese Zeitschrift I. 325. 1903.
3) J. M. Eder und E. Valenta, Denkschr. d. math.-naturw. Kl, d. Akad. d.
Wiss. 1894. 61. S. 401.
Über das Emissionsspektrum des Quecksilbers in Geisslerröhren. 343
Um das Bandenspektrum des Quecksilbers intensiv zu erhalten,
ist es erforderlich, das Quecksilber in einer evakuierten Röhre auf
ziemlich hohe Temperatur (3—400% C.) zu erhitzen, und zwar so,
daß es dabei rasch durch die Kapillare der Röhre destilliert. Als
Geißlerröhre verwandten wir eine Röhre aus geschmolzenem Quarz,
welche uns Heräus in Hanau
angefertigt hatte. Die Gestalt
der Röhre ist aus der Fig. ı
ersichtlich. Die Länge der Ka-
pillaren A beträgt 5 cm, die
innere Weite ı mm. Die seit-
lichen Ansatzröhren Æ haben
einen inneren Durchmesser von
I cm und eine Länge von 10 cm.
In dieselben können Glasröhren
festgekittet werden, welche die
Elektroden eingeschmolzen oder
eingekittet enthalten.
In unserem Falle wurden
zwei große Aluminiumblechelek-
Fig. 1. Fig. 2.
trodeneingeführt, welche bis zum unteren Rande reichten. Eine Holz-
verbindung D diente einerseits als Schutz gegen Zerbrechen und
andererseits als Träger beim Befestigen in einem Stativ Um die
Röhre in Gang zu setzen, wurde das Quecksilber in die dem Spalt
zugekehrte Kugel C gebracht und mittels eines Bunsenbrenners
stark erhitzt. Die Intensität war am größten vor beginnender Rot-
glut. Die Kittstellen der Elektroden konnten ohne Bedenken mit
25*
344 Hagenbach und Konen.
Wasser bezw. nassem Filtrierpapier kühl gehalten werden, da der
geschmolzene Quarz infolge des kleinen Ausdehnungskoeffizienten
selbst gegen große Temperaturunterschiede unempfindlich ist. Die
Kapillare war senkrecht zum Spalt gestellt; eine Linse projizierte
die Öffnung der Kapillare auf den Spalt. Die Expositionsdauer
betrug drei Stunden, während welcher Zeit die eingefüllte Queck-
silbermenge (ca. 5 g) dreimal durch die Kapillare in die zweite
Kugel destillierte.
Als Elektrizitätsquelle diente ein Induktor von 40 cm Schlag-
weite mit einem gewöhnlichen Hammerunterbrecher; er wurde mit
einer Akkumulatorenbatterie von 18 Elementen betrieben. Die
Stromstärke im primären Stromkreise überschritt bei vibrierendem
Fig. 3. Fig. 4.
Unterbrecher 4 Amp. nicht. In dem sekundären Stromkreis war weder
Funkenstrecke, noch Kapazität, noch Selbstinduktion eingeschaltet.
Die photographische Aufnahme, welche zum Teil in der Tafel
reproduziert ist, zeigt mit großer Schärfe und Feinheit die Banden
vollkommen in die einzelnen Linien aufgelöst. Die Resultate der
Vermessung werden demnächst an anderer Stelle folgen.
Die Photographie ist aber noch in anderer Hinsicht interessant.
Sie enthält nämlich vier Linien des Linienspektrums, 4347,65,
4339,47, 4078,05 und 4046,78. Sämtliche vier Linien sind in zahl-
reiche Komponenten zerlegt, welche man mit einem Mikroskop
leicht getrennt sieht. Die erste Linie, 4347,65, besteht aus
mindestens fünf Komponenten, einer starken Linie und auf jeder
Seite zwei Trabanten. Die zweite, 4339,47, ist ebenfalls fünffach;
die Konstitution ist ähnlich wie die vorige, aber nicht identisch in
bezug auf die Abstände und Intensität. Die dritte, 4078,05, ist deutlich
Über das E missionsspektrum des Quecksilbers in Geisslerröhren. 345
siebenfach; von der stärksten Komponente aus gerechnet liegen vier
Trabanten nach rot und zwei nach violett. Auch die vierte Linie,
À = 4046,78, ist ein Gebilde von sieben Linien, von denen zwei be-
sonders stark erscheinen und zwei schwächere einschließen; von
den drei anderen Trabanten sind zwei nach rot, eine nach violett
hin gelegen. Die stärkste Linie, 4046, zeigt auf jeder Seite vier
Geister, welche genau in derselben Weise in Komponenten zer-
legt sind; dies beweist, daß man es nicht mit Geistern in kleinem
Abstande, sondern wirklich mit einer Trennung in Komponenten zu
tun hat.
Fig. 2 zeigt einen Teil der photographischen Aufnahme, näm-
lich den Kopf der Bande 4017 in Originalgröße.
Fig. 5.
In Fig. 3 und 4 sind zwei Vergrößerungen der Linien 4046
und 4347 reproduziert. Die Aufnahmen sind mit einem Zeissschen
Mikroskop angefertigt; nachträglich wurde die Vergrößerung durch
Ausmessen mit einem Zeissschen Komparator zu 11,4fach bestimmt.
In Fig. 3 ist deutlich erkennbar, daß die Linie in mehrere Kom-
ponenten zerlegt ist. In Fig. 4 stellt die Mitte die Quecksilberlinie
dar, man sieht hier seitliche Trabanten neben einer Hauptlinie.
Die starke Linie rechts gehört dem Aluminium an, sie ist nicht
zerlegt. Leider ist in der Reproduktion von den Details manches
verloren gegangen. |
Ferner haben wir noch Fig. 5 beigegeben. Diese Reproduktion
stellt ebenfalls den Kopf der Bande 4017 dar. Die Aufnahme ist
aber in erster Ordnung mit einem kleinen Rowlandschen Konkav- |
gitter von I m Krümmungsradius gemacht und nachträglich ı 1,5 mal
vergrößert. Beiläufig bemerkt zeigt die Vergrößerung die enorme
346 G. Eberhard.
Leistungsfähigkeit der kleinen Gitter, und wenn man die große Licht-
stärke der Gitter berücksichtigt, sieht man, daß in Fällen, wo es
sich nicht um große Genauigkeit von Wellenlängenbestimmungen
oder um große auflösende Kraft handelt, die kleinen Gitter den
großen gleichkommen, ja unter Umständen sogar überlegen sind.
Wir sehen also, daß in höheren Ordnungen die großen Kon-
kavgitter ähnliches leisten wie die Interferenzapparate von Michel-
son, Perrot und Fabry, Lummer u.s.w. Es wird interessant
sein, auch in dieser Richtung die Leistungsfähigkeit der Gitter
weiter zu prüfen.
Sowohl die Aufnahme des Bandenspektrums wie auch der auf-
gelösten Linien zeigen, daß die neue Gitteraufstellung sich in vollstem
Maße bewährt in bezug auf die Zweckmäßigkeit der Justiereinrichtung
ebenso wie in Hinsicht auf die Stabilität.
(Eingegangen am 17. September 1903).
Untersuchungen über das Spektrum des Siliciums.
Von G. Eberhard.
Wenn man bedenkt, daß das Silicium in der chemischen Zu-
sammensetzung unserer Erde eine geradezu ausschlaggebende Rolle
spielt — nach Berechnungen von F. W. Clarke enthält die Materie
der Erde über 25°/, Si —, so muß man auf Grund der jetzigen
kosmogonischen Anschauungen auf ein starkes Vorkommen dieses
Elementes in den Sternen schließen. Es ist daher seltsam, daß man
gerade Si erst so spät in der Sonne und den Sternen sicher kon-
statiert hat, während man in diesen eine Reihe der auf der Erde
zu den seltensten Elementen zu rechnenden Substanzen, z. B. Sc,
längst erkannt und sicher identifiziert hatte.
Dies mag wohl einesteils daran liegen, daß Si ein nur wenig
charakteristisches Spektrum hat, sich also nur schwierig spektro-
skopisch nachweisen läßt, so hebt z. B. Rowland!) besonders hervor,
daß er als erster Si in der Sonne sicher gefunden habe; andrerseits
ı) Physical Papers, S. 522.
Untersuchungen über das Spektrum des Siliciums. 347
aber auch das Spektrum dieses Elementes von den Bedingungen,
unter welchen es erzeugt wird, sehr abhängt.
Merkwürdigerweise sind auch erst ziemlich spät exakte Unter-
suchungen über das Si-Spektrum angestellt worden; so lagen, als
ich im Jahre 1899, von obigen Erwägungen ausgehend, Sternspektren
auf das Vorkommen dieses Elementes prüfen wollte, nur die schöne
Arbeit von Eder und Valenta!) und die vereinzelten Angaben
Rowlands?) vor. Erstere hatten das Funkenspektrum, letzterer das
Bogenspektrum beschrieben, beide wichen aber so stark voneinander
ab, daß ich einsah, daß ohne ein neues Studium des spektralen
Verhaltens von Si unter den verschiedensten Bedingungen, eine
Anwendung auf die Astrophysik kaum möglich war. Meine Arbeiten
über dieses Element sind indessen mehrfach durch andere notwendige
Arbeiten unterbrochen worden, so daß ich sie erst jetzt zu einem
gewissen Abschluß bringen konnte, nachdem es inzwischen Herrn
Lunt) und auch Lockyer‘) gelungen war, das Si sicher in den
Sternen nachzuweisen, und auch Lockyer’) und die Herren Exner
und Haschek®) neue Experimentaluntersuchungen angestellt hatten.
Die Hauptbogenlinie des Si wurde von mir als Zmissiorslinie in den
Spektren von oCeti und 'yCygni aufgefunden.”)
Verhalten und Intensität der Spektrallinien des Siliciums.
Wenn ich jetzt noch die Resultate meiner Arbeiten publiziere,
so geschieht dies, weil ich glaube, doch noch manches Neue vor-
bringen zu können. Ich habe mich indessen nur auf das variable
ı) Eder und Valenta, Über das Emissionsspektrum des Kohlenstoffs und
Siliciums. Wien 1893, Denkschr. d. kaiserl. Akad. d. Wiss., math.-nat. Kl. Bd. 60.
S. 240ff. — Über das Linienspektrum des Siliciums. Wiener Akad., Sitzungsber.,
math.-nat. Kl. 1898. Bd. 107. S. 1—3.
2) Rowland, New Table of Standard Wave-Lenghts. Astronomy and Astro-
physics. Bd. 12. S. 321.
3) Lunt, Origin of certain unknown Lines in the Spectra of Stars of the
$ Crucis Type and on the Spectrum of Silicon. Astrophysical Journal. Bd. 11.
S. 262ff.
4) Lockyer, Note on the Spectrum of Silicium. Proceedings of the Royal
Society. Bd. 65. S. 449.
5) Lockyer, Further Note on the Spectrum of Silicium. Proceedings of the
Royal Society. Bd. 67. S. 403.
6) Exner und Haschek, Note on the Spectrum of Silicon. Astrophysical
Journal. Bd. 12. S. 48.
7) Eberhard, Über die Bewegung von yCygni im Visionsradius. Astr. Nachr.
Nr. 3765. 1902.
348 G. Eberhard.
Verhalten der Spektrallinien beschränkt und keine Wellenlängen-
messungen vorgenommen. Die Resultate aller Versuche sind unter
einheitlichem Gesichtspunkte in der folgenden Tabelle (S. 350— 352)
zusammengestellt; auf Einzelheiten werde ich nachher zurückkommen.
Zunächst ist zu bemerken, daß alle Aufnahmen mit dem Spektro-
graphen I (ein Prisma) des astrophysikalischen Observatoriums meist
unter freundlicher Beihilfe von Prof. Hartmann gemacht worden
sind. Ich mußte mich mit diesem Apparat begnügen, da das Obser-
vatorium zur Zeit einen Rowlandschen Gitterapparat nicht besass.
Infolge dieses Umstandes konnten meine Untersuchungen auch nur
auf die allerdings für die Astrophysik wichtigste Spektralgegend
4 3600 bis A 4600 ausgedehnt werden. In der ersten Kolonne sind
die näheren Umstände, unter welchen das Spektrum erzeugt wurde,
möglichst ausführlich und genau angegeben. Die zweite Kolonne
gibt die Zahl der aufgenommenen und bearbeiteten Platten an. Die
in den folgenden Kolonnen unter der Wellenlänge einer jeden Linie
stehenden Intensitätszahlen der betreffenden Linie sind so zu ver-
stehen, daß die Linie A 3905, welche am wenigsten von den Ver-
suchsbedingungen beeinflußt wird, stets die Intensität 10 erhielt,
alle Zahlen der Tabelle also re/ative Intensitäten der Linien gegen
à 3905 angeben. Größere Intensitäten sind durch größere Zahlen
ausgedrückt worden, während Linien, welche an der Grenze der
Sichtbarkeit waren, die Zahl O erhielten. Die Schätzungen sind mehr-
fach unabhängig zu verschiedenen Zeiten wiederholt worden, im großen
und ganzen dürften sie das Verhalten der Linien richtig darstellen,
wenn es auch nicht ausgeschlossen ist, daß die Intensitätsschätzun-
gen durch die geringe lineare Ausdehnung des Spektrums (von
4 3800 bis A 5000 beträgt die Länge etwa so mm) beeinflußt sind.
Jedenfalls müssen die Bemerkungen über das Aussehen der Linien
unter diesem Gesichtspunkte betrachtet werden. l
Die Linien A 3853,6, 3883, 402I, 4030, 4104, 4764, welche
Exner und Haschek in ihrer Liste führen, sind auf meinen Auf-
nahmen nicht vorhanden, obwohl sie sonst schwache Linien von
Exner und Haschek kräftig zeigen. Auch Lockyer hat obige
Linien zum Teil nicht auffinden können. Dagegen fehlen merk-
würdigerweise bei Exner und Haschek die von Lockyer ge-
fundenen sehr starken Linien A 4089 und A 4116. Eine Erklärung
dieser auffallenden Tatsache ist vielleicht in folgendem zu finden.
Projiziert man das Bild des Funkens mittels einer Linse scharf auf
den Spalt, so zeigt sich, daß die einzelnen Linien des Si-Spektrums
Untersuchungen über das Spektrum des Siliciums. 349
an sehr verschiedenen Stellen des Funkens auftreten. Die Bogen-
linien A 3905 und A 4103 sind im ganzen Funken, ja noch über die
Elektroden hinaus sichtbar, die Linien A 4089 und A 4116 dagegen
treten nur in nächster Nähe der Elektrodenspitze auf, die übrigen
Linien auch nur an den Elektroden, aber schon weiter in den
Funken hinein.
Das Auftreten der Si-Linien (mit Ausnahme von A 3905
und A 4103) wird durch die Gegenwart von H sehr begünstigt.
Dies ist dieselbe Erscheinung, welche Prof. Hartmann und
ich beim Mg und einer Reihe anderer Metalle konstatierten und
welche für die sogenannten Funkenlinien charakteristisch zu sein
scheint. Insbesondere reagieren die Si-Linien A 4128 und 44131
ungemein stark auf H, im Bogen in einer H-Atmosphäre erreichen
sie fast dieselbe Intensität wie im Funken.!) Dies stärkere Hervor-
treten dürfte kaum einer höheren Temperatur zuzuschreiben sein,
da der Bogen in H oder einem andern reduzierenden oder inaktiven
Gase von niedrigerer Temperatur ist, als der in Luft. Es fallen
nämlich die mächtigen chemisch-thermischen Prozesse (Oxydation),
welche im Bogen in Luft. statthaben, fort, und sie können nicht
durch die eventuell auftretende, sehr schwache Hydrürbildung ersetzt
werden. Hierauf wies Herr Ebert?) hin. Weiterhin aber zeigen
ebendieselben Si-Linien im Bogen eine Zunahme der Intensität mit
abnehmender Stromstärke, wie‘ dies Prof. Hartmann zum ersten
Male beim Mg fand, während nach Moissan die Temperatur des
Bogens mit der Stromstärke wächst. Es sind dies genau dieselben
Verhältnisse, welche erst kürzlich Kayser beim Mg besprochen
hat,?) so daß ich nur auf dessen Aufsatz hinzuweisen brauche. Ein
abweichendes Verhalten zeigt die Linie 4 4103, welche durch die
H-Atmosphäre zweifellos geschwächt wird, ja bei Funkenentladung
in H sogar fehlt.
Aussehen der Spektrallinien.
Die Linien des Si-Spektrums sind mit Ausnahme von A 3905
und A 4103 fast bei allen Versuchsanordnungen breit und unscharf,
insbesondere gilt dies von dem Linienpaar A 4128 und A 4131.
1) Es ist daher nicht zu verwundern, daß dies Linienpaar in den wasserstofl-
reichen ersten Sterntypen ungemein häufig auftritt.
2) Astr. Nachr. Nr. 3877. Bd. 162. S. 194.
3) Astr. Nachr. Nr. 3882. Bd. 162. S. 277.
G. Eberhard.
350
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Untersuchungen über das Spektrum des Stliciums.
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Untersuchungen über das Spektrum des Siliciums. 353
Gerade diese Linien sind aber in einigen Sternen als schmale,
ziemlich scharfe Linien vorhanden, so daß die Möglichkeit einer Ände-
rung des Liniencharakters nicht anzuzweifeln war. Nach zahlreichen
Versuchen ist mir eine solche auch tatsächlich gelungen.
Eine Verringerung des verdampfenden Materials durch An-
wendung von niedrigprozentigen Legierungen hatte keinerlei Einfluß
auf die Linienschärfe, selbst Aluminiumelektroden mit etwa 0,3°/, Si
ergaben dieselben unscharfen Linien, wie reines Si-Metall. Ebenso-
wenig hatte die Art der Verbindung oder der Aggregatzustand
derselben (SiCl, flüssig, SiFl, gasförmig) irgendwelchen Einfluß.
Auch die Art der Entladung ändert kaum das Linienaussehen:
im Bogen sowohl als im Funken, selbst bei Anwendung geeigneter
Selbstinduktion, bleiben die Linien breit und verwaschen. Einen
geringen aber merkbaren Einfluß hat eine H-Atmosphäre. Wesentlich
schärfer, wenn auch noch nicht völlig scharf, werden A 4128 und
A 4131 bei der Glimmentladung.
Erst als der Totaldruck der den Funken umgebenden Atmo-
sphäre genügend erniedrigt wurde, gelang es, allen Linien des Si
die Schärfe zu geben, welche sie, wie bereits erwähnt, in einigen
Sternen besitzen, und meine Versuche ermöglichten es auch Prof.
Hartmann, die genauen Wellenlängen!) dieser zwei Linien zu be-
stimmen, was bisher eben wegen ihrer großen Breite und Ver-
waschenheit nicht ausführbar war. Weiterhin hat dann derselbe
später durch seine Versuche über die Mg-Linie A 4481 meine bei
Si gemachten Erfahrungen bestätigt, indem diese ebenfalls breite
und verwaschene Linie bei Entladungen im Vakuum volle Schärfe
und Schmalheit annahm,?) so daß auch dies eine allgemeine Eigen-
schaft der Funkenlinien zu sein scheint. Ebenso wie die Linien
44128 und å 4131 verhielt sich im Vakuum auch die Gruppe
4 4553, 4568, 4575 und die Gruppe 4 3854, 3856, 3863.
| Weiter wäre zu erwähnen, daß es nicht gelang, eine Selbst-
umkehr der Si-Linien zu beobachten, mit einziger Ausnahme von
A 3905, welche sich, wie schon Rowland und Jewell bemerkt
haben, im Bogen bei Verwendung von viel Material umkehren laßt,
ich möchte indessen aus dem Nichtgelingen der Versuche nicht auf
die Unmöglichkeit einer Umkehr schlieBen, obwohl eine solche bei
sogenannten Funkenlinien ‘bisher nicht häufig konstatiert worden ist.
1) Astrophysical Journal. Bd. 18, S. 65.
2) Physikal. Zeitschr. Bd. 4, S. 427.
354 G. Eberhard. Untersuchungen über das Spektrum des Siliciums.
Bandenspektra.
Das sehr helle, herrliche Bandenspektrum, welches SiFl, schon
bei Atmosphärendruck, besonders aber bei Drucken von einigen
Millimetern, gibt, konnte ich nicht näher untersuchen, da der mir
zur Verfügung stehende Spektralapparat eine viel zu geringe Dis-
persion besaß, um auch nur Spuren einer Auflösung zu zeigen,
und demnach eine Einsicht in den Bau der Banden völlig unmög-
lich war. Zu bemerken ist nur, daß weder SiCl, noch SiBr, ein
ähnliches Bandenspektrum gaben.
Ein weiteres, sehr schwaches Bandenspektrum entsteht im Bogen
in H,!) dürfte somit wohl als Hydrürspektrum anzusehen sein, wie
solche bei Mg, Al u. s. w. bereits bekannt sind. Die sehr schmalen
Bandengruppen, welche bei etwa A 4300 beginnen, laufen bei den
Linien A 4128 und A 4131 eng zusammen, reichen aber noch bis
etwa A 4080. Die zwei vorhandenen Aufnahmen sind zu einer
Messung zu schwach, so daß keine Angabe über die Wellenlängen
der Mitten der unaufgelösten Gruppen gemacht werden konnte.
Spektraler Nachweis des Siliciums.
Das Spektrum des Si bietet in dem im obigen behandelten
Bezirk A 3600 bis A 4600 nur wenige charakteristische Merkmale,
es läßt sich dies Element daher nicht leicht sicher nachweisen.
Ganz besonders gilt dies vom Bogenspektrum, welches in diesem
Bezirke nur die starke Linie A 3905 hat. Auf diese Linie ist die
Astrophysik vielfach allein angewiesen, da die im weniger brech-
baren Teile des Spektrums gelegenen Si-Linien schwach sind und
bis jetzt nur in der Sonne einigermaßen sicher identifiziert werden
konnten.?) In den Sternen mit Elementen von niedrigem Atom-
gewicht, welche also dem Vogelschen I. Typus angehören,?) ist die
Sachlage dagegen günstiger, da sehr häufig das Linienpaar A 4128
und A 4131, oft auch noch die andern Gruppen des Si-Funken-
spektrums vorkommen. Ein näheres Eingehen auf das Verhalten
1) Bei der Aufnahme von Bogenspektren zwischen Metallelektroden in H waren
die H-Linien immer sehr gut sichtbar, während bei Aufnahme in Luft nie Linien des
N und O von mir gesehen wurden.
2) Diese Teile konnte ich nicht untersuchen, da mir, wie bereits erwähnt, ein
Gitterapparat nicht zur Verfügung stand.
3) Die Vogelsche Typentheorie ist auch vom chemischen Standpunkte interessant,
doch kann an dieser Stelle nicht darauf näher eingegangen werden.
J. Precht. Einige Anwendungen der Methode der verzögerten Entwicklung. 355
der Si-Linien in Sternen dürfte indessen zur Zeit noch nicht viel
Zweck haben, da die Kenntnis der Spektren in dem Bezirke A en
bis 4 4150 sich nur auf wenige helle Sterne beschränkt.
Ein sicherer Nachweis des Si durch Aufnahmen im Labora-
torium ist bei Anwendung des ultravioletten Teiles des Spektrums
leicht zu erbringen, welcher eine Reihe kräftiger und charakteristischer
Linien enthält, und hier ist die Spektralanalyse ein recht empfind-
liches Mittel zum Nachweise dieses Elementes, man braucht nur
sich daran zu erinnern, daß die Herren Exner und Haschek in
den für sie besonders rein hergestellten Metallen Ag und Fe noch
Si nachweisen konnten, wo der Art der Herstellung nach doch nur
minimale Spuren vorhanden sein konnten. Namentlich leicht ist
der Nachweis des Si als Verunreinigung des Fe, da Fe, wie es
scheint, das Auftreten der Si-Linien besonders begünstigt.
Si gehört zu den Verunreinigungen, welche nahezu in allen
Spektren aufzufinden sind.
Am Ende dieser Arbeit möchte ich noch Herrn Geheimrat
Vogel meinen wärmsten Dank dafür aussprechen, daß er mir alle
Mittel zur Ausführung dieser Untersuchung bereitwilligst zur Ver-
fügung gestellt und mir vielfach auch sein lebhaftes Interesse daran
gezeigt hat.
Potsdam, Astrophysik. Observatorium, 10. September 1903.
(Eingegangen am 28. September 1903.)
Einige Anwendungen der Methode der verzógerten Entwicklung.»
Von J. Precht.
Wie die Untersuchung ergeben hat, zeigt die Methode der
verzögerten Entwicklung ihre für die praktische Anwendung be-
deutungsvollen Vorzüge bei Lichtmengen, für welche bei normaler
Entwicklung die Bromsilbergelatine das mögliche Maximum der
Dichtigkeit erreicht hat, so daß wachsenden Lichtmengen dann
nicht mehr wachsende, sondern gleichförmige Dichtigkeiten ent-
sprechen. Dieses Gebiet der sogenannten neutralen Zone beginnt
bei Lichtmengen von etwa 500 H.M.S. an. Was darüber hinaus
ı) Vergl. diese Zeitschr. S. 262 (Heft 8).
356 /. Precht. Einige Anwendungen der Methode der verzögerten Entwicklung.
liegt, entspricht der Überbelichtung. Hier kann verzögerte Entwick-
lung bis zu vergleichsweise ganz ungeheuren Lichtmengen Ab-
stufungen und Unterschiede der Beleuchtungswerte enthüllen, für
welche die Bromsilbergelatine bei normaler Entwicklung vollständig
blind erscheint. Dieses Erblinden ist demnach keine Eigenschaft
der empfindlichen Schicht, sondern wird erst durch den chemischen
Prozeß des Entwickelns hineingetragen.
Verzögerte Entwicklung ist also überall da anzuwenden, wo
kleine Helligkeitsunterschiede bei großen absoluten Intensitätswerten
erkannt werden sollen. Daß diese Aufgabe von Wichtigkeit werden
kann, sei durch einige Beispiele belegt.
I. Landschaftsphotographie. Bei verzögerter Entwicklung kann
man die gewöhnlich angegebenen Beschränkungen über die Rich-
tung des Lichtes in bezug auf den Apparat außer Acht lassen.
Selbst wenn die von Wolken völlig freie Sonne direkt ins Objektiv
scheint, erhält man die geringsten Wölkchen in unmittelbarer Nach-
barschaft der Sonne mit voller Deutlichkeit. Dasselbe kann man
bekanntlich auch bei normaler Entwicklung mit hinreichend kurzen
Belichtungszeiten erreichen, aber man muß dann auf alle Einzel-
heiten der Landschaft verzichten. Diese bleibt Silhouette. Sollen
dagegen auch in den dunkelsten Schattenpartien gleichzeitig alle
Einzelheiten erkennbar werden, so ist man auf die verzögerte Ent-
wicklung angewiesen. Allerdings darf man nicht vergessen, daß bei
dieser dem Gewinn an Abstufung für hohe Belichtungen ein Ver-
lust, nicht an Abstufung, aber, was hier sehr wesentlich ist, an
Dichtigkeit bei kleinen Lichtmengen gegenübersteht. Daher zeigen
sich die Vorteile der verzögerten Entwicklung nur dann, wenn die
am wenigsten beleuchteten Teile der Landschaft so lange exponiert
werden, daß auch sie bei normaler Entwicklung üderbelichtet sein
würden.
2. Kopiermethoden. Beim Kopieren auf Entwicklungspapieren
und Diapositivplatten führt starke Überbelichtung und verzögerte
Entwicklung zu großen Vorteilen, wenn Einzelheiten der Abstufung
schr stark gedeckter Stellen des Negativs gleichzeitig mit der Skala
normaler Dichtigkeit kopiert werden sollen. Das Verfahren hat
Bedeutung für die Astrophotographie und fur das Kopieren mag-
netisch zerlegter Spektrallinien gewonnen.
3. Verteilung der chemischen Helligkeit in starken Lichtquellen,
wie Bogenlicht und Sonne, wird am besten mit verzögerter Ent-
wicklung ermittelt. Bei Aufnahmen der Sonne mit Objektiven
Referate. 357
großer Brennweite (ich benutzte ein Teleobjektiv) zeigt sich die
Sonnenscheibe von einem koronaähnlichen Lichtschein umgeben.
Natürlich will ich garnicht behaupten, daß dieser Schein zur Korona
Beziehungen habe und nachdem andere Fehlerquellen ausgeschlossen
sind, würde ich ihn für eine Folge der Diffusion des Lichtes inner-
halb der Bromsilberemulsion halten, wenn er nicht mehrfach Zeichen
von Struktur aufgewiesen hätte, die auf bekannte Ursachen, wie
Putzstreifen der Glasflächen, Reflexbilder, Beugungsstreifen und ähn-
liches, nicht zurückzuführen waren.
4. Aufnahme der Intensitätsschwankungen von Bogenlampen.
Bei der photographischen Wiedergabe der Helligkeitsschwankungen
tönender Lichtbogen in der Anordnung von Duddell oder Simon
leistet die verzögerte Entwicklung gute Dienste und wird von prak-
tischer Bedeutung besonders für die Hervorrufung des Aufnahme-
streifens am Photographon. |
5. Eine einfache Methode zur Messung von Öffnungszeiten bei
Momentverschlüssen ergibt sich aus der Aufnahme eines Wechsel-
stromlichtbogens von bekannter Periode mit bewegter Camera. Bei
verzögerter Entwicklung ist die Begrenzung der Maxima und Minima
so scharf, daß leicht eine Genauigkeit von 2%/, des Resultats er-
reicht werden kann.
(Eingegangen am 28, August 1903.)
Referate.
Neue Bücher.
A. Frhr. von Húbl. Die Ozotvpie. Ein Verfahren zur Her-
stellung von Pigmentkopien ohne Übertragung. (Encykl. d. Phot. 47.)
8”. 44 S. Halle a./S. W. Knapp. 1903. 2 Mk.
Die Versuche, die Ubertragung des Pigmentbildes zu vermeiden,
sind ziemlich alt. Erfolg hatte eigentlich erst Manly, der, von der
unrichtigen Meinung ausgehend, das Ozon spiele eine Rolle bei seinem
Verfahren, dieses Ozotypie nannte. Das auf einem mit Kaliumdichromat-
lösung behandelten Papierblatt hergestellte Chrombild enthält in diesem
Zustand nicht genug Chromsäure, um eine kräftige Gerbung des auf-
gequetschten Gelatinepapiers zu ermöglichen. Das ändert sich, wenn
man der Sensibilisationsflüssigkeit Metallsalze zusetzt, und hier wirkt das
Zeitschr. f. wiss. Phot. ı. 26
358 Referate.
Mangansulfat oder -Chlorür besonders günstig. Wenn man mit Eder
annimmt, das Kaliumdichromat zerfalle in Gegenwart organischer Sub-
stanz in Kaliumchromat und Chromdioxyd, unter Oxydation des Organi-
schen, so ergibt sich bei Gegenwart von Mangansulfat Manganchromat,
Chromdioxyd und Kaliumsulfat. Das Manganchromat ist nun in schwachen
Säuren leicht löslich und zerfällt leicht. Die Fähigkeit, auf das aufge-
quetschte Pigmentpapier gerbend zu wirken, hängt nun vom Gehalt des
Bildes an Manganchromat wesentlich ab; andererseits muß dem Auf-
quetschen des Pigmentpapiers eine Wässerung des Chrombildes vorher-
gehen, weil sonst durch die Salze auch Teile unlöslich würden, die ent-
fernt bleiben sollten, und in diesen einander entgegen gerichteten Re-
aktionen liegt die Schwierigkeit der Ozotvpie. Herr v. Hübl gibt nun
eingehende, von Manly, der soeben wieder ein Rezept veröffentlicht
hat, wesentlich abweichende Vorschriften, denen man sich gewiß ohne
Schwierigkeit wird anschließen dürfen, ist doch Herr v. Hübl durch die
peinliche Korrektheit aller seiner Arbeiten bekannt. Die Theorie dürfte
weiter ausbildungsfähig sein; ihre Grundlage, die Reaktion in der Chrom-
gelatine im Licht, ist ja keineswegs sicher genug, was übrigens Herr
v. Hübl ausdrücklich bespricht. Es mag wohl sein, daß die Ozotypie
für bildmäßige Wirkungen größere Bedeutung erlangen kann; für wissen-
schaftliche Zwecke dürfte die beim Wässern des Chromatbildes durch
Überfließen der Bildsubstanz über die Bildkonturen entstehende unver-
meidliche Unschärfe ein dauerndes Hindernis der Anwendung bleiben;
dagegen darf die theoretische Seite besonderen Anspruch auf unsere
Beachtung machen. Englisch.
Preislisten, geschäftliche Mittellungen.
Voigtländer & Sohn, optische Werkstätte, Braunschweig.
Dynar 1:6.
Herr Dr. Harting hat dieses aus drei Linsen bestehende Objektiv
berechnet, das bei billigem Preis gute Leistungen aufweisen soll. Fs
besteht aus 3 Linsen, von denen die mittlere bikonkav und einfach ist,
während die beiden äusseren aus 2 miteinander verkitteten Paaren be-
stehen. Es werden nur die Größen für 9:12 bis 13:18 mit 12, 15,
18 cm Brennweite gebaut, die die Objektive bei voller Öffnung reich-
lich decken sollen. Vollständige Beseitigung des Coma bedingt eine
groBe Brillanz des Bildes. Der Bau des Objektivs ist gedrungen, also
günstig für gleichmäßige Beleuchtung; die Einzegllieder sind nicht für
sich verwendbar.
Antworten.
Herrn C.K. E. Thorp hat stets nur gewöhnliche Gitter benützt;
die Hilgerschen Reproduktionen Rowlandscher Gitter sind brauchbar,
am besten die auf Spiegelglas montierten. Englisch.
Für die Redaktion verantwortlich: Dr. E. ENGLISCH in Stuttgart.
Zeiticrift für wilienichaftlidie Photographie,
Photophylik und Phofodiemie
I. Band. 1903. Heft 11.
Nochmalige Bemerkung zur Theorie des Kirchhoffschen Gesetzes.
Von F. Richarz.
Durch eine in Heft 1 dieser Zeitschrift vorgeschlagene Abände-
rung eines von Helmholtz angegebenen Beweises für das Kirch-
hoffsche Gesetz habe ich geglaubt, jene von Helmholtz her-
rührende vereinfachte Herleitung gegenüber einem wohlberechtigten
Einwand von H. Kayser retten zu können. Der Beweis ist aber,
worauf mich mein Freund E. Pringsheim aufmerksam gemacht hat,
auch so nicht einwandfrei zu gestalten; es sei denn, daß man sich auf
den Standpunkt stellt, immer nur
die gegenseitigen Zustrahlungen
von Teilen der Körperoberflächen zu
betrachten, wie das von Helmholtz
in seinen Vorlesungen in der Tat
geschieht. So betrachtet er ja in
seinem in Rede stehenden Beweise
nur die gegenseitige Zustrahlung
der Flächenstücke bei F und bei
Zis bezw. £}.
Es ist aber ein wesentlicher Fortschritt der neusten Strahlungs-
lehre, die ¿im Äther vorhandene Strahlung direkt ins Auge gefaßt
zu haben, losgelöst von den Körpern, von denen sie ursprünglich
ausgesendet worden ist. Nach dieser Auffassung ist es nicht mög-
lich — wie Helmholtz annimmt — „durch geeignet aufgestellte,
vollkommen spiegelnde Diaphragmen d zu erreichen, daß von der
Strahlung der einen Seite der Hülle nur die von einem bestimmten
Flächenelemente F ausgehende als ein geradliniges Bündel allein
auf das Prisma fällt.“ Vielmehr dringt durch die Öffnungen der
spiegelnden Wände in allen Richtungen Strahlung in den durch
d....d abgegrenzten Raum ein. Diese Strahlung bleibt in diesem
Zeitschr. f. wiss, Phot. 1. 27
360 E. Pringsheim.
Raume großenteils unverändert hestehen, da immer nur ein kleiner
Teil durch die Öffnungen wieder entweicht; es muß sich daher in
dem spiegelnden Hohlraum ein stationärer Strahlungssustand aus-
bilden. Nach dem Kirchhoffschen Gesetze — welches aber
hier, wenigstens für jede einzelne Strahlengattung, noch nicht vor-
ausgesetzt werden darf, da es ja erst bewiesen werden soll — wissen
wir, daß dieser stationäre Strahlungszustand derjenige ist, bei welchen
in dem Hohlraume „schwarze Strahlung“ herrscht, und zwar eine
solche, welche der überall als gleich angenommenen Temperatur
der äußeren Hülle entspricht. Jedenfalls sind in jenem Hohlraume
Strahlen von allen möglichen Richtungen und Wellenlängen vor-
handen. Daher treten aus dem Hohlraum d....d fortdauernd durch
das Prisma auch andere Wellen von anderer Farbe als f aus, welche
nach g, gelangen und in anderen Richtungen auf das Prisma auf-
gefallen sind, als die in der Figur gezeichneten Strahlen; das Analoge
gilt auch von g,. Diese Überlagerung von Strahlung anderer Wellen-
längen über die bloße direkte gegenseitige Zustrahlung der Flächen-
stücke F und g,, g, nimmt den von Helmholtz allein an letztere
geknüpften Schlußfolgerungen ihre Beweiskraft.
Als der einzige einwandfreie Beweis des Kirchhoffschen Ge-
setzes bleibt daher nur der Pringsheimsche.
(Eingegangen am 7. Oktober 1903.)
Herleitung des Kirchhoffschen Gesetzes.
Von E. Pringsheim.
Einer Aufforderung der Redaktion dieser Zeitschrift Folge leistend,
will ich meine in der obigen Mitteilung des Herrn Richarz er-
wahnte Herleitung des Kirchhoffschen Gesetzes in möglichst ein-
facher Form an dieser Stelle nochmals!) mitteilen. Ich möchte vor-
ausschicken, daß die Kirchhoffsche Herleitung in ihrer Schluß-
weise vollständig einwandsfrei ist, daß sie aber von Voraussetzungen
ausgeht, welche nicht ohne weiteres als zweifellos angesehen werden
können. Dies gilt insbesondere von der Annahme, daß sowohl
1) E. Pringsheim, Verhandl. d. deutsch. physik. Ges. 8. S. 81—84. 1901.
Herleitung des Kıirchhoffschen Gesetzes. 361
vollkommen schwarze, als vollkommen spiegelnde und vollkommen
diathermane Substanzen möglich sind.
Die im folgenden gegebene Herleitung macht keine derartigen
Annahmen, sondern geht von der Erfahrungstatsache aus, daß be-
liebig viele Körper vorhanden, bezw. herstellbar sind, deren Ab-
sorptionsvermögen in ganz verschiedener Weise von Wellenlänge zu
Wellenlänge variiert. Unter Körpern werden dabei nicht chemisch
einheitliche Substanzen verstanden, sondern aus verschiedenen Sub-
stanzen in ganz beliebig gestalteten Schichten und Konglomeraten
willkürlich zusammengesetzte Systeme. Verschiedene Stoffe besitzen
ein verschiedenes Reflexionsvermögen und auch für die gleiche
Substanz ist das Reflexionsvermögen vom Einfallswinkel, von der
Wellenlänge und von der Polarisationsebene des einfallenden Lichts
abhängig, ebenso ist das Extinktionsvermögen verschiedener Stoffe
sehr verschieden und für die gleiche Substanz von der Wellenlänge
abhängig. Daher lassen sich schon aus wenigen Stoffen durch
Variation der Anordnung und der Dicke der einzelnen Bestandteile
sehr viele Körper von ganz verschiedenen Absorptionseigenschaften
herstellen und die Möglichkeit der Konstruktion verschiedenartiger
Körper mit Hilfe aller bekannten Substanzen ist eine ganz unbe-
grenzte. Diese Tatsache in Verbindung mit dem Carnotschen
Prinzip genügt zur Herleitung des Kirchhoffschen Gesetzes.
In einem geschlossenen Raume von überall gleicher Temperatur,
dessen Wände gegen Strahlung undurchlässig sind, befinde sich ein
beliebiger Körper X. Die gesamte Strahlungsenergie, welche er in
der Zeit 1 aussendet, sei Æ, in der gleichen Zeit falle auf ihn die
Strahlung e, von welcher er die Menge Ae absorbiere. Falls es
sich um reine Temperaturstrahlung handelt, also alle Lumineszenz-
vorgänge ausgeschlossen sind, muß die Temperatur des Körpers X
unverändert bleiben, also muß
E= Ae (1)
sein.
Die Gleichung (1) wenden wir auf eine sehr kleine Kugel an,
welche in verschiedenen Richtungen für die verschiedenen Wellen-
längen ein ganz verschiedenes Reflexions- und Extinktionsvermögen,
daher auch ein ganz verschiedenes Absorptionsvermögen besitzen
möge. Denken wir uns die Kugel um ihren Mittelpunkt gedreht,
so kann die auf sie einfallende Strahlung e nur verschwindend
wenig verändert werden, da für diese Änderung nur derjenige Teil
der Strahlung in Betracht kommt, welcher von der kleinen Kugel
27”
362 E. Pringsheim.
ausgegangen ist und ihr durch Reflexion und Brechung an den
übrigen Körpern des Hohlraumes wieder zuriickgesandt wird. Wenn
in der Strahlung e bestimmte Richtungen der Strahlung oder der
Polarisation bevorzugt wáren, so wiirde sich bei der Drehung der
Kugel das Absorptionsvermógen A für diese Strahlung stark ändern
müssen, also würde auch Ae eine starke Änderung erleiden. Dies
ist aber nach Gleichung (1) unmöglich, weil Æ von der Lage der
Kugel vollkommen unabhängig ist, und es kann daher in e keine
Vorzugsrichtung vorhanden sein.
Die Strahlung e. besteht aus Wellen aller möglichen Wellen-
längen 4 zwischen O und co; bedeutet also e;.dA die zwischen den
Wellenlängen A und A + dA enthaltene Strahlungsenergie, so ist
e=feda. (2)
Ja
Ist ferner A, das Absorptionsvermögen des jetzt wieder beliebig
gedachten Körpers K für ungerichtete Strahlung der Wellenlänge 4,
so ist die gesamte absorbierte Strahlung
90
Ae = A; €, di,
!
oder mit Berücksichtigung der Gleichung (1):
00
E= | Aadı.
J
Bringt man nun der Reihe nach denselben Körper K in eine
beliebige Anzahl verschiedener Räume, welche alle die gleiche
Temperatur besitzen, aber an Gestalt und Beschaffenheit der in
ihnen enthaltenen Körper ganz verschieden sind, so bleibt die
Emission des Körpers X unverändert, ebenso sein Absorptionsver-
mögen A, für jede bestimmte Strahlenart. Wenn in diesen ver-
schiedenen Räumen die auf Æ auffallende Strahlung e, verschieden
ware, etwa der Reihe nach €, E23... Cna, so würden wir ein System
von beliebig vielen Gleichungen der Form:
00 00 00
Jaaa “tits = = ends
erhalten. Da der Körper X ganz willkürlich, A, daher eine ganz
willkürliche von e, unabhängige Funktion von 4 ist, so kann diesem
System von Gleichungen allgemein nur genügt werden, wenn
es ==... = lu)
Herleitung des Kirchhoffschen Gesetzes. 363
ist. Aus Gleichung (1) folgt, daß die Strahlung e derjenigen gleich
ist, welche der Körper X aussenden würde, wenn für ihn 4= 1
wäre, wenn er also der Kirchhoffsche vollkommen schwarze Körper
wäre, der alle Strahlung, welche auf ihn fällt, vollkommen absorbiert,
also Strahlung weder reflektiert noch hindurchläßt. |
Also: /n einem gleichtemperierten Raume, dessen Wände für
Strahlung undurchlässig sind, ist die Strahlung von der Form des
Raumes und der Natur der in ihm enthaltenen Körper unabhängig.
Diese Strahlung ist quantitativ und qualitativ gleich derjenigen,
welche ein vollkommen schwarzer Körper aussenden würde, falls ein
solcher existierte.
Wir betrachten jetzt diejenige Energie, welche das Flächen-
element ds, des Körpers X einem anderen, in dem gleichen Hohl-
raum befindlichen weit entfernten Flächenelement ds, zustrahlt. Das
Emissionsvermógen Z} des Körpers X definieren wir mit Kirch-
hoff durch diejenige /genstrahlung Z,.dA, welche in der Zeit 1
von ds, nach ds, gelangt, der Wellenlänge A angehört und eine
bestimmte Polarisationsrichtung besitzt. In dem gleichmäßig tempe-
rierten Hohlraum geht von ds, die Strahlung des schwarzen Körpers
aus, die gesamte Energie der betrachteten Art also, welche von ds,
nach ds, gelangt, ist e,.dA, wenn e, das Emissionsvermögen des
schwarzen Körpers unter den gleichen Bedingungen bedeutet. Es ist:
e,= Er+ G,, `
wenn wir mit G,.dA die geborgte Strahlung des Elementes ds, be-
zeichnen, d. h. diejenige Energie, welche an reflektierter, bezw. durch
K hindurchgegangener Strahlung der betrachteten Art von ds
ausgeht und nach ds, gelangt. Nach dem Reziprozitätsgesetze in
Verbindung mit dem von Kirchhoff abgeleiteten Satze für die
gegenseitige Zustrahlung schwarzer Flächen ist die Menge dieser
von den übrigen im Hohlraum enthaltenen Körpern ausgehenden
Strahlung, welche durch Vermittlung des Elementes ds, nach ds,
gelangt, genau gleich der Menge gleichartiger Strahlung, welche auf
demselben Wege in umgekehrter Richtung von ds, ausgegangen
ist und durch Vermittlung von ds, zu den anderen Körpern des
Hohlraumes gelangt. Denn diese Körper senden ebenso wie ds, alle
die schwarze Strahlung aus. Nun gelangt von den betrachteten
Strahlen, welche von ds, ausgehen, in der Zeit 1 die Menge e,.dA
nach ds,. Ist A, das Absorptionsvermögen des Körpers K für diese
Strahlen, so absorbiert er davon die Energie 4,€,.4 4, während der
364 E. Englisch.
Rest (1 — A,) eı.dA von ds, teils hindurchgelassen, teils reflektiert wird
und an die übrigen Körper des Raumes gelangt. Dieser Rest ist
also gleich G,.dA und es wird:
e= h4 (r — ÁN £,
oder:
E, = A, ei. (3)
Diese Gleichung stellt das Kirchhoffsche Gesetz dar.
Zum Schluß möchte ich noch auf eins hinweisen. Bei Kirch-
hoff erscheint der Satz, daß in einem gleichtemperierten Hohlraume
die Strahlung des schwarzen Körpers, oder, wie wir mit Thiesen
sagen wollen, die schwarze Strahlung herrscht als Folgerung aus
seinem Gesetze. In der obigen Herleitung wird umgekehrt das
Kirchhoffsche Gesetz aus jenem Satze gefolgert. In der Tat ist
der Satz vom Hohlraum, welcher die eigentliche Grundlage des
experimentellen und des theoretischen Fortschritts der neueren
Strahlungslehre geworden ist, mit dem Kirchhoffschen Gesetze
identisch. Er sagt das gleiche aus wie dieses Gesetz, aber in einer
physikalisch durchsichtigen Form, welche sich als sehr fruchtbar
erwiesen hat.
Über die Bedeutung des Kirchhoffschen Gesetzes finden sich
eingehende Betrachtungen in einem Vortrage, den ich in der Breslauer
chemischen Gesellschaft gehalten habe, und der demnächst in dieser
Zeitschrift zum Abdruck gelangen wird.
(Eingegangen am 13. Oktober 1903.)
Das Verhalten der Bromsilbergelatine im Grenzgebiet
der Solarisation.
Von Eugen Englisch.
Um Bromsilbergelatine nach ihrer Solarisation normal, d. h. so
zu entwickeln, daß steigenden Belichtungen zunehmende Undurch-
sichtigkeiten der Platte entsprechen, gibt es drei prinzipiell ver-
schiedene Methoden, die sich auch bezüglich der Größe des aus-
gleichfahigen Gebietes unterscheiden. Die älteste, aber am wenigsten
ergiebige Art der normalen Hervorrufung ist die „verzögerte“ Ent-
Das Verhalten der Bromsilbergelatine im Grenzgebiet der Solarisation. 365
wicklung, sei es, daß man dem Entwickler passende Mengen Brom-
kalium zusetzt oder ihn in der Absicht, langsame Wirkung zu
erzielen, stark verdünnt, wobei die Empfindlichkeit stark verdünnter
Lösungen gegen das bei der Entwicklung gebildete KBr diese
Absicht unterstützt, sei es, daß man den Entwickler von Anfang
an mit wenig Alkali ansetzt oder einen Teil des vorhandenen Al.
kalis durch (organische) Säuren oder besser durch saure Sulfite
abstumpft. Da bei der Entwicklung unter den übrigen Reaktions-
produkten humusähnliche Stoffe entstehen, welche sich gegen Al-
kalien wie Säuren verhalten,!) so würden hierdurch die verdünnten
Lösungen der Standentwickler erheblich beeinflußt werden und die
langsame Entwicklung durch Verdünnung würde sich der ver-
zögerten Entwicklung durch saure Sulfite nähern. Gegenüber allen
anderen Sulfiten weist die von Precht?) in einer vielbestrittenen
Abhandlung angegebene Verwendung des Acetonsulfits (Aceton-
bisulfit) aus einem unten zu erörternden Grunde ein erweitertes
Korrektionsgebiet auf.
Die zweite Entwicklungsart benützt die Umwandlung der
Substanz des latenten Bildes durch Oxydationsmittel; sie schiebt
die Solarisationsgrenze viel weiter hinaus, als die verzögerte Ent-
wicklung. Schaum und Braun? baden in Ammoniumpersulfat-
lösung, Lüppo-Cramer*) in Bromwasser oder Wasserstoffsuper-
oxyd und Eder°) in Kaliumdichromat und Salpetersäure. Bei der
Oxydationsmethode wird zuerst das latente normale Bild zerstört,
nicht, wie angegeben wird, das solarisierte. Das solarisierte, re-
aktionsunfahigere, wird auch von den Oxydationsmitteln schwerer
oder langsamer angegriffen, und so erhält man bei genügend großem
Oxydationspotential oder genügend langer Einwirkung der Lösungen
ein fast unbegrenztes Gebiet, in dem mit der Belichtung steigende
Mengen schwer reduzierbaren, solarisierten Salzes neben den durch
das Oxydationsmittel noch schwerer reduzierbar gemachten, im
Licht nicht oder weniger veränderten Silbersalz vorhanden sind, in
dem also steigenden Belichtungen steigende Schwärzungen ent-
sprechen können, ziemlich lange dauernde Entwicklung für solari-
1) v. Hübl, Entwicklung etc. S. 30. Halle a./S. 1902.
2) Precht, Photochemische Solarisation als Entwicklungsphänomen. Physik.
Zeitschr. 3. 426. 1902.
3) Schaum und Braun, Phot. Mitt. 1902. 233.
4) Lüppo-Cramer, Wiss. Arbeiten etc. 39. 106, Halle a./S. 1902.
5) Eder, Phot. Corr, 1902; s. diese Zeitschr. 35. 645.
366 E. Englisch.
siertes Bromsilber allerdings vorausgesetzt. Bei einer von der Licht-
wirkung abhängigen Einwirkung der Oxydationsmittel verschwindet
das ganze „latente“ Bild, das aber in diesem Falle von dem nor-
malen total verschieden ist. Man würde daher den Ausdruck besser
nicht gebrauchen. Das totale Verschwinden des Bildes kennt bereits
Abney. Die gewöhnlich als älteste Vorschrift dieser Korrektur-
methode angegebene von Kogelmann,!) bei der Natriumthiosulfat
und Schwefelsäure verwendet wird, muß wohl als verzögerte Ent-
wicklung aufgefaßt werden, da 40 Mole Säure auf 1 Mol Thiosulfat
vorgeschrieben werden. Die Methode von Einsle, die Eder?)
wieder hervorhebt und bei der dem Entwickler bis zu 10°/, krystalli-
siertes KBr zugefügt werden, verlangt vielstündige Entwicklung; es
läßt sich noch nicht übersehen, ob sie durch Entwicklungsverzöge-
rung allein gedeutet werden kann.
Die dritte Entwicklungsart endlich ist vor zwei Jahren von
mir) angegeben worden. Sie beruht auf der Eigenschaft normal
belichteter Teile, sich in Thiosulfat schneller zu lösen als die solari-
sierten Teile, und zwar geht die leichtere Löslichkeit über den
ganzen Ast der ersten Solarisationsperiode parallel der kleineren
Belichtung, so daß nach durchschnittlich 5 Minuten langer Ein-
wirkung einer Thiosulfatlösung 1:20 steigenden Belichtungen ent-
sprechend größere Mengen Bromsilber in der Schicht zurück-
bleiben, die in irgend einem Entwickler zu Silber reduziert werden
können‘)
1) Vergl. Eder, Handb. 5. Aufl. III. 114. Halle a./S. 1902.
2) Eder, Jahrbuch 1903. S. 20.
3) Englisch, Physik. Zeitschr. 3, 1. 1901.
4) Die Methode ist nur von theoretischem Interesse; wer sie etwa auf Strich-
reproduktionen anwenden wollte, dürfte meine Angaben „nicht wiederfinden“
(L.-Cramer), diesmal freilich aus leicht begreiflichen Gründen mit Recht. Um
die seitlichen Lösungswirkungen des Thiosulfats unmerklich zu machen, sind größere
Flächen gleicher Belichtung (Skalen) Voraussetzung.
Eders Handbuch, 5. Aufl., III. 828. 1903, weist auf frühere Arbeiten Vidals
hin, der stark überbelichtete Platten partiell fixierte und dann normal entwickeln
konnte. S. 534 desselben Werkes finden wir dann, daß es sich bei Vidal um eine
oberflächliche Fixierung handelt, nach der das Bild nur noch an der Glasseite ent-
stehen konnte. Es ist ja von vornherein unzweifelhaft, daß bei genügender Intensität
des wirkenden Lichts auch an der Glasseite der Schicht Entwicklungskeime vorhanden
sein werden, die allein wirksam werden, wenn die oberflächlich gelegenen wegfixiert
sind. Trotz des Hinweises auf diesen Versuch bei Eder muß ich aber jede Ver-
wandtschaft meiner Methode mit demselben ablehnen. Bei meinem Versuch wird,
wie ich deutlich ausgesprochen habe, an den schwächer belichteten Stellen_alles Brom-
Das Verhalten der Bromstlbergelatine im Grenzgebiet der Solarisation. 367
Allen Methoden gemeinsam ist die Erhöhung des Schwellen-
wertes der Schicht, oder, anders ausgedrückt, die Lichteindrücke,
die normalen Expositionen entsprechen, noch nicht zu entwickeln.
Was auf der einen, unteren Seite der Belichtungen verloren wird,
wird allerdings auf Seite der starken Belichtungen gewonnen, wenn
man aber zahlenmäßig die obere Grenze angeben will, bis zu der
die Korrektur der Belichtung im Sinne normaler Entwicklung
möglich ist, so muß man gleichzeitig die wirkende Lichtintensität
angeben. Es sei daran erinnert, daß das Bunsen-Roscoesche
Gesetz im Solarisationsgebiet auch nicht angenähert gilt, und als
Beispiel angeführt, daß sich nach Vorschrift von Precht (käufliche
Edinollösung 1:25 + 1%/, Acetonsulfit) Belichtungen bis zu 4000
Hefner-Meter-Sekunden normal entwickeln lassen, wenn mit Mag-
nesiumband aus 2 m Abstand belichtet wird, daß aber bei 2500
H-M-S. Solarisation eintritt, wenn man aus 20 cm Abstand belichtet
hat. Nun läßt sich allerdings durch Vermehrung des Säurezusatzes
die Solarisationsgrenze noch ein weniges weiter hinausschieben oder
die Bildumkehrung durch noch kürzere Entwicklung verzögern,
aber die Platte wird dann nach dem Fixieren fast glasklar, und
von einer Belichtung ab, die je nach der Plattensorte zwischen
6000 und 10000 H-M-S. bei der Intensität des in 20 cm Abstand
brennenden Magnesiumbandes schwankt, hört die brauchbare Wirkung
der verzögerten Entwicklung überhaupt auf. Die auf der Oxydation
oder der teilweisen Fixierung beruhenden Methoden sind in diesem
Belichtungsgebiet noch sehr wirksam, weil bei ihnen das solarisierte
Bromsilber die Bildunterlage bildet. ')
Aus photometrischen Messungen an intermittierend belichteten
Platten habe ich früher?) geschlossen, daß die solarisierende
und die normale Veränderung der Schicht verschiedenartig sein
müßten, und diese Meinung ist in Übereinstimmung mit älteren
und neueren Versuchen. Wir können nicht sagen, ob die solari-
sierende Veränderung sofort eintreten kann oder erst über den
silber herausgelöst, an den solarisierten bleibt es nach Maß der fortschreitenden
Solarisation stehen. Das Bild baut sich also bereits in den Bromsilbermengen genau
so auf, wie ein anderes entwickeltes in Silbermengen, und die nachfolgende Schwärzung
im Entwickler hat nur den Zweck, das Bild deutlicher zu machen. Dabei wird alles
vorhandene Bromsilber reduziert.
1) ı cm Mg-Band = 1200 H-M-S,
2) Englisch, Schwärzungsgesetz, Stuttgarter Habilitationsschrift. S. 39.
Halle a./S. 1901,
368 | E. Englisch.
Umweg der normalen Umwandlung, aber das folgt aus allen
Versuchen, daß beide Arten der Veränderung nebeneinander her-
gehen, wie es das Kontinuitätsprinzip ebenfalls fordert. Zweifellos
ist die vollständige normale Veränderung allen Bromsilbers ohne
das gleichzeitige Vorkommen bereits solarisierten Stoffes unmöglich,
nur das Mengenverhältnis beider Veränderungsarten wechselt mit
der Lichtintensität so, daß bei starkem Licht das solarisierte, bei
schwachem das normal veränderte Salz überwiegt. Der Periode
der größten Schwärzung oder dem sog. ersten neutralen Zustand
entspricht demnach ein scheinbares Maximum normal veränderten
Bromsilbers, und da sich dieser Zustand über ein größeres Be-
lichtungsgebiet zu erstrecken scheint, müßte ebensoviel Bromsilber
normaler Veränderung unterliegen, als solarisierend verändert wird.
Da aber der Umfang des neutralen Zustandes von der Entwicklung
sehr stark abhängt und bei verzögerter Entwicklung eine neutrale
Zone dort besteht, wo bei normaler Entwicklung deutliche Solari-
sation vorhanden ist, ist diese Anschauung im Sinne der folgenden
Darlegungen zu modifizieren.
Zur Erklärung der Wirkungsweise der verzögerten Entwicklung
wird man in erster Linie an das kleinere Reduktionsvermögen einer
angesäuerten Lösung zu denken haben; es wird eine größere Menge
normal veränderten Bromsilbers zur Einleitung der Reduktion nötig
sein, und der Entwickler wird Eindrücke, die der normal angesetzte
hervorruft, noch nicht entwickeln und der Schwellenwert wird erhöht
sein. Das Bild wird sich im übrigen nach dem Massenwirkungs-
gesetz entsprechend den normal veränderten Bromsilbermengen auf-
bauen, und daraus folgt, daß, solange durch verzögerte Entwicklung
noch steigende Schwärzungen erzielt werden, die sie bedingenden
normal veränderten Teilchen in steigender Menge vorhanden sein
müssen. Da solarisierend veränderte Teile ohnehin schwerer redu-
ziert werden, wird ihre Reduktion während der praktisch in Betracht
kommenden Zeit der Entwicklung als ausgeschlossen betrachtet
werden dürfen. Wir müssen also annehmen, daß, solange die
normale Hervorrufung durch Verzögerung möglich ist, noch mit
der Belichtung steigende normal veränderte Bromsilbermengen vor-
handen sind, und zwar über die normale Zone hinaus. Der
kleineren solarisierenden Wirkung schwachen Lichtes wegen muß
bei solchem der Spielraum normaler Entwicklung größer sein,
aber in jedem Fall wird die normale Entwicklung unmöglich, wenn
die Lichtwirkung soweit vorgeschritten ist, daß die Menge normal
Das Verhalten der Bromsilbergelatine im Grenzgebiet der Solarisation. 369
_ E o mm _ KA
veránderten Bromsilbers wieder abnimmt. Unter den oberfláchlich
gelegenen und zuerst entwickelten Teilen liegen Körner, die infolge
der Absorption in der Schicht weniger Licht erhalten haben, aber
gewiß im Verhältnis zu den oberflächlich gelegenen affıziert sind
und also auch wie diese mit steigenden Lichtmengen zunehmende
Schwärzungen geben müßten. Wie aber kommt die Bildumkehrung
bei längerer Entwicklung zu stande?
Man beobachtet, wie Precht (l. c.) beschrieben hat, bei jeder
Entwicklung, solange die Belichtungen im möglichen Korrektions-
gebiet liegen, folgendes: Im ersten Augenblick der Entwickler-
einwirkung erscheint stets ein normales Bild, das bei der gewöhn-
lichen Zusammensetzung des Entwicklers sofort, bei Ansäuerung
desselben nach einiger Zeit zu verschwinden scheint und dann um-
kehrt. Hat man die Platte unter einem Photometer belichtet oder
auf eine Landschaft exponiert, so scheint die anfänglich reduzierte
Silbermenge dabei wieder abzunehmen, worauf die weniger be-
lichteten Teile dunkler hervortreten; damit ist die Bildumkehrung
im Sinne der Solarisation vollendet. Ich habe nun Platten streifen-
weise mit brennendem Magnesium belichtet und diese Platten senk-
recht zur Richtung der Belichtungsstreifen in schmale Stücke ge-
schnitten, die steigende Zeiten entwickelt wurden, so daß sie teil-
-= weise normal, teilweise solarisiert entwickelt waren. Das scheinbare
Zurückgehen des Bildes war in diesem Fall kaum zu bemerken;
eine genaue photometrische Vergleichung zeigte aber deutlich, daß
von einer Reoxydation des entwickelten Silbers keine Rede sein
kann, da alle Plattenteile mit längerer Entwicklung an Dichtigkeit
zunehmen, nur so, daß die länger belichteten von den kürzer be-
lichteten ein- und überholt werden. Das bedingt die optische
Täuschung des Zurückgehens, die durch schwaches Licht in der
Dunkelkammer noch unterstützt wird.
Ich finde zur Deutung dieses Verhaltens keine andere Erklärung
als die einer Diffusionsbehinderung durch die stark belichtete Ge-
latine. Die Gerbungstheorie der Solarisation mag nicht vollständig
ausreichen, weil mit Recht!) behauptet wird, daß bindemittelfreie
Schichten ebenfalls solarisieren können; ich behaupte auch nicht,
daß die ganze Ursache der Solarisation in der Gerbung zu suchen
sei; wohl aber muß ich entgegen allen Einwänden eine Mitwirkung
der Gelatinegerbung aufs neue annehmen. Das veränderte Quellungs-
1) Trotz der gegenteiligen Behauptung Lüppo-Cramers, Eders Handb, III. 833.
370 E. Englisch.
vermögen solarisierter Schichten, die Entstehung eines Hauchbildes
auf derselben, ist von so vielen Forschern beobachtet worden, daß
ein Zweifel an der Richtigkeit der Versuche nicht möglich ist.
Durch bloße Lichtwirkung wird Gelatine unlöslich,!) und es ist
unzweifelhaft, daß, was bei großen Lichtmengen eintritt, spurenweise
bei kleinen eintreten muß. Ich teile die Ansicht, daß die Gerbung
ihre Ursache im freiwerdenden Brom habe, will aber diese Frage
hier nicht erörtern, obwohl zu gunsten meiner Auffassung vom Wesen
der verzögerten Entwicklung die Beobachtung von Baur und
Portius?) spräche, nach der das Brom mit dem Licht wandert,
ähnlich wie dies H. Scholl? an Daguerreotypen für Jod gezeigt
hat und wie es aus meinen Empfindlichkeitsmessungen an Platten,
die von der Vorder- oder Rückseite solarisierend belichtet wurden,
zu folgern ist. Die Oberfläche der von der Rückseite belichteten
Platten wird nämlich unempfindlicher, und wenn die Gerbung durch
mit dem Licht wandernden Brom bedingt wäre, müßte die oberste
Gelatinehaut über die oberflächlich gelegenen Teile weniger gegerbt,
dem Entwickler zugänglicher sein, als die untere Seite der Gelatine-
haut, die die obersten Körner umgibt.*)
1) S. Eder, Handbuch, 5. Aufl. III. S. 106. Halle a,/S. 1902.
2) Baur und Portius, Physik. Zeitschr. 3. 491. 1902.
3) Scholl, Wied. Ann. 68. 111. 1899.
4) Die Einwände gegen die Gerbungstheorie stammen ausschließlich von Lüppo-
Cramer (Wiss. Arb. 44), der zwischen alleiniger Ursache und Nebenwirkung nicht
zu unterscheiden vermochte. Er hat zunächst die Abneysche Angabe der ver-
änderten Quellbarkeit „nicht wiedergefunden“. Er hat solarisierte Schichten in Wasser
von 37° getaucht und sie ebenso löslich gefunden, wie nicht solarisierte. Er hat
endlich die Gerbung „widerlegt“, indem er alle Plattenteile mit dem Fingernagel
gleich verletzlich fand (dies und folgendes zitiert nach ‚Wiss. Arb.‘“, Halle, 1902).
Cramer hat ferner Solarisation an Collodplatten beobachtet, die er mittels Glycerin
länger feucht erhielt. Er gibt selbst an, die Platten hätten einen unangenehmen
Geruch gezeigt, und schiebt das auf Einwirkung von Brom auf das Glycerin. Glycerin
ist aber, wie Abney in den Anfangszeiten der Photographie bereits gezeigt hat, ein
„mechanischer“ Verzögerer, der, wie alle Colloide, bereits in kleinen Mengen stark
verzögert (Treatise, 9. Ed., 41, 1901); eine Oxydation dieses Glycerins mußte also die
Viskosität stark beeinflussen. Neben diesem einen Versuch hat noch Herr Cramer
die Silbermenge des solarisierten entwickelten Bildes gewichtsanalytisch bestimmt,
während seine Vorgänger sich mit der üblichen photometrischen Vergleichung begnügt
hatten. In allem andern hat Herr Cramer nicht einmal alles versucht, was Abney
beschrieben hat; das hindert ihn aber nicht, gegen Precht geltend zu machen, dieser
habe die ausführlichen Experimente Lüppo-Cramers nicht gekannt (Eders Jahrb.
1903, S. 460), was auch nicht nötig war. Man brauchte bei der Disziplinlosigkeit
in der Ausführung und Verwertung dieser Versuche nicht auf sie einzugehen, wenn
Das Verhalten der Bromsilbergelatine im Grenzgebiet der Solarisation. 371
Betrachten wir eine verschiedene Belichtungen zeigende Platte
nach etwa 90 Sekunden bei gewöhnlicher, und nach etwa 5 Minuten
bei verzögerter Entwicklung, so sehen wir die solarisierten Teile
stark geschwärzt, undurchsichtig, obwohl das Bild auf der Rückseite
noch nicht „durch“ ist; dagegen sind die normal belichteten Teile
sie nicht in Eders Handb., 5. Aufl., III. 827, 833, eine Schätzung gefunden hätten,
die durch ihre Sicherheit nicht begründet ist. Ich will das noch weiter belegen.
Auf die Belichtungsmethode habe ich schon auf dem Berliner Kongreß hingewiesen.
Die Platten wurden von der Vor- und Rückseite „mit einem brennenden Streichholz
soweit belichtet, wie eine Vorprobe als zweckentsprechend erwiesen hatte“ (Wiss.
Arb. 36). Dieser inkonstanten Lichtquelle wird also sogar die Möglichkeit der Ab-
messung der Lichtmenge zugeschrieben. Ich hatte angegeben, daß durchgefärbte
solarisierte Schichten beim Waschen den Farbstoff fester hielten als normale Teile,
Den Solarisationsschleier, der beim Photometrieren bei der von mir angewandten
Methode der Gegenschaltung der entsprechenden ungefärbten Plattenteile wegphoto-
metriert wird, entfernt Cramer durch Oxydationsmittel; bei dieser barbarischen Be-
handlung ist es denn kein Wunder, wenn die ohnehin kleinen Unterschiede ver-
schwinden. Man kann gegen meine Bestimmung, wie ich sehr gut weiß, gewisse
optische Einwände machen, aber ich habe vorerst bei meinen Hilfsmitteln keine
Möglichkeit, diese eventuellen Fehlerquellen auszuschalten. Herr Cramer hat diese
Einwände natürlich zicht erhoben. Über die „Photobromidreaktion“ werden wir uns
in einer besonderen Abhandlung unterhalten. Daß Collodplatten vor dem Solarisieren
ein sichtbares Bild zeigen können, hätte jeder Reproduktionsarbeiter Herrn Cramer
erzählen können, und daß zwischen sichtbarer Färbung und Solarisation überhaupt
keine feste Beziehung zu bestehen scheint, geht aus den vielen einander wider-
sprechenden Angaben zuverlässiger Autoren hervor; die Publikation war also unnötig.
Herr Cramer hat endlich Abneys Angabe über die Solarisation im Spektrum nicht
bestätigt gefunden. Daß Georg Meyer unter Benutzung von Burbanks Angaben
auf dieses verschiedene Verhalten eine Methode der Ultrarot-Photographie gegründet
hat (Arch. wiss. Phot. II. 228) und daß Hans Lehmann darnach ultrarote Spektren
der Alkalien aufgenommen hat, kümmert Herrn Cramer nicht. Trotzdem es nun nicht
üblich ist, ohne zwingende Gründe Dinge zu publizieren, die man ‚nicht wieder-
gefunden“ hat, ist Cramers Arbeit bei Eder, Handb. III. 834, zitiert mit der Be-
merkung „empfiehlt daher eingehende Untersuchungen“. Endlich müssen wir noch
auf die Widerlegung der Abneyschen Oxydationstheorie der Solarisation hinweisen.
Abneys Versuche sind keineswegs theoretisch einwandfrei; daß V. Schumann im
Vakuum bei halb bindemittelfreien Schichten (es war ein Gelatineunterguß auf dem
Glas unter der sonst bindemittelfreien Schicht) Solarisation fand, macht gegen die
Oxydationstheorie bedenklich, wenn sie auch dadurch allein keineswegs fällt. Herr
Cramer widerlegt aber, indem er Quecksilber auf die Gelatineschicht gießt und
Solarisation findet. Damit ist wohl nach seiner Meinung der Sauerstoff ausgeschlossen,
Wir berichtigen endlich noch die von Eder ins Handbuch übernommene falsche
Angabe des Herrn Cramer, Abney habe seine Oxydationsreaktion auf bereits
solarisierte Schichten angewandt. Bisweilen auf belichtete; oft hat er frische Schichten
genommen (Eder, Handb. III. 833; Abney, Treatise, 9. Aufl., die mit den älteren
aber übereinstimmt, S. 91). — Anm. v. Nov. 1903.
372 E. Englisch.
noch durchsichtig, aber auf der Rückseite deutlich sichtbar. Die
Wirkung der Diffusionsbehinderung ist sehr deutlich und unleugbar,
selbst wenn man behaupten will, an den solarisierten Stellen sei
eben der Entwickler schon oberflächlich durch die Reduktion
größerer Bromsilbermengen oxydiert worden; sobald man zu solchen
Belichtungen übergeht, daß in den genannten Zeiten solarisierte
und normale Plattenteile dieselbe Schwärzung erlangen, schaltet
man diesen Einwand aus. Bestehen bleibt allerdings die nicht aus-
zuschaltende Wahrscheinlichkeit, daß der Entwickler bei der Re-
duktion des solarisierten Stoffs eine andere Umwandlung erfährt,
als bei der Reduktion des normalen latenten Bildes. Manches deutet
darauf hin, daß die Gerbung, die direkt nur die nächste Umgebung
eines solarisierten Kornes betreffen kann, durch den Entwickler auf
größere Gebiete übertragen wird. Darum sind die Färbungsversuche
so schwierig. Am besten läßt sich die verschiedene Färbbarkeit der
Gelatine zeigen, wenn man dem Färbebad (Anilinfarbstoff 1 /, ig)
wenigstens 25°/, Aceton zusetzt. Man sieht dann sogar die größere
Quellbarkeit normal belichteter Teile gegenüber unbelichteten und
nicht bloß gegen solarisierte.?)
Unter dem Gesichtspunkt der Diffusionsbehinderung stellt sich
der Vorgang bei der verzögerten Entwicklung folgendermaßen dar:
Zunächst wird die Oberfläche reduziert, und zwar proportional den
normal veränderten Bromsilbermengen. Es entsteht das normale
Bild. Um zu den tiefer gelegenen Teilen zu dringen, braucht der
Entwickler Zeit, und zwar um so mehr, je weiter die Solarisation
vorgeschritten ist. Wenn nun auch an den weniger solarisierten
Stellen weniger normal verändertes Bromsilber vorhanden ist, können
sich diese doch mehr schwärzen als stärker solarisierte, weil der
Entwickler besser zu ihnen dringen und früher zu wirken beginnen
konnte. Das Bild ist dann solarisiert. Der Effekt hängt also nicht
nur von der Diffusionsbehinderung allein, sondern auch von der
Reduktionsgeschwindigkeit des Entwicklers ab; ein schnell wirkender
Entwickler wird noch Zeit haben, zu reduzieren, bis er von den
folgenden Bädern vernichtet wird, bei einem langsam arbeitenden
ist die Zeit der Anfangswirkung erheblich gegenüber der durch das
Entwicklerbad verminderten Diffusionszeit der Fixierbäder. Die
normale Entwicklung solarisierter Schichten charakterisiert sich so-
mit als einfache Oberflächenentwicklung der normal veränderten Teile.
1) Kirchner, Leipziger Inauguraldissertation 1903. — Zusatz v. Nov, 1903.
Das Verhalten der Bromsilbergelatine im (Grenzgebiet der Solarisation. 373
Daß das Bild oberflächlich liegt, bemerkt man beim Abschleifen
auf der Polierscheibe, die von der Rückseite bis zur Solarisation auf
der Schichtseite vorbelichtete, von der Vorderseite nachbelichtete
Platte kann, wie zu erwarten, länger verzögert entwickelt werden,
als die nur von der Oberfläche her belichtete. Man muß aber die
normale Entwicklung mit jedem Entwickler ausführen können, wenn
man an Stelle der verlangsamten Wirkung sein Eindringen in die
Schicht erheblich erschwert: mit Formaldehydlösung 1:5 gegerbte
solarisierte Platten sind normal entwickelbar.!) Schwach Solarisation
aufhebend wirken bekanntlich sehr kalte Entwickler und die neutrale
Zone ist bei dem schlecht eindringenden Ferrooxalat nach der So-
larisationsseite breiter, als bei organischen Entwicklern.
Auch bei den verzögernd wirkenden Entwicklern hat man
einen diffusionshemmenden Einfluß in der schwefligen Säure, und
Precht hat (l. c.) diese durch Acetonsulfit noch weiter erschwerte
Diffusion ausdrücklich hervorgehoben. Das Acetonsulfit weist also
hier einen Vorzug auf, doch kann dieselbe Wirkung erzielt werden,
wenn man Aceton bei vergrößerter Pyrosulfitmenge dem fertigen
Entwickler zusetzt. Ähnliche Dienste leistet Glycerin (Abney) oder
der gleichfalls langsam in Gelatine eindringende Alkohol. Es ist
übrigens ausdrücklich hervorzuheben, daß die verzögerte Entwicklung
glatt nur auf trockene Platten gelingt, bei angefeuchteten aber stark
modifiziert wird, wie es die Theorie erfordert.
Eine Wirkung der Diffusionsbehinderung tritt auch bei der
Ederschen Oxydationsmethode deutlich hervor. Man kann es durch
passende Wahl der Wirkungszeit des Dichromats dahin bringen,
daß die schwach belichteten Teile bei der Entwicklung hell, die
stark solarisierten ebenfalls hell, die mittleren Belichtungen aber
dunkel kommen. Das darf wohl dahin gedeutet werden, daß die
schwach belichteten Teile schnell, die stark solarisierten durch die
gegerbte Gelatine vor der Oxydation geschützt aber langsamer um-
gewandelt werden, als die im Grenzgebiet der Solarisation liegenden
Teile, und hier wie früher wird das Geschwindigkeitsverhältnis beider
entgegengesetzter Wirkungen maßgebend sein. Die Platte läuft im
Licht genau so an, wie sie im Entwickler reduziert wird. Ich hebe
übrigens ausdrücklich hervor, daß bei der Normalentwicklung durch
Oxydation die Gerbungstheorie kaum ausreichen dürfte, daß hier
vielmehr die Umwandlung des Bromsilbers die Hauptrolle spielt
1) Durch Gerbung hat wohl früher Luther Solarisationsphänomene hervorgerufen.
374 E. Englisch.
und die Umwandlung solarisierter Teile langsamer erfolgt, als die
“normal veränderter. Das sieht man bei Kollodemulsionen, bei denen
die Ausgleichung durch verzögerte Entwicklung vollständig versagt,
wie mir auch Herr Dr. Hollerieth vom Dr. Albertschen Labo-
ratorium in München mündlich bestätigt hat; man kann hier eine
Diffusionsbehinderung nur in kleinerem Maße erwarten und anderer-
seits hat man sofort die Verhältnisse, die die Trockenplatte darbietet,
wenn sie über das mögliche Korrekturgebiet hinaus belichtet wurde.
Der Zweck meiner Untersuchung war nicht der, die vorstehend
dargelegte Hypothese aufzustellen, sondern vielmehr, das Verfahren
der verzögerten Entwicklung auf einige Probleme anzuwenden, deren
Theorie an einem Prozeß geprüft werden sollte, der die Entwicklung
bereits solarisierter Teile gegenüber der normalen Entwicklung
auf ein zu vernachlässigendes Maß herabdriickte. Ich hatte früher
gefunden,!) daß in der Nähe der neutralen Zone intermittierende
Belichtungen dieselbe und sogar erheblich größere Wirkung geben
konnten, als gleich lange Expositionen ohne Unterbrechungen,
d. h. die intermittierende Belichtung gab hellere — wir sind im
Beginn der sichtbaren Solarisation — Bilder, als die kontinuierliche.
Nach einer gewissen weiteren Belichtung wirkte aber die inter-
mittierende Belichtung wie bei den normalen Expositionen wieder
weniger. Ich glaubte dieses Verhalten durch die Annahme zweier
übereinandergelagerter, einander entgegengesetzt wirkender Vor-
gänge erklären zu müssen, der normalen und der solarisierenden
Veränderung. Bei beiden kommt für jeden Lichtstoß eine Anfangs-
wirkung (photochemische Induktion) in Betracht; diese verursacht
bei der Solarisation größere, bei den normalen Umwandlungen da-
gegen kleinere Schwärzung. Wenn nun im Solarisationsgebiet an-
fangs die intermittierend belichteten Teile heller sind, also stärker
solarisiert erscheinen, so kommt diese scheinbare Wirkungserhöhung
folgendermaßen zu stande: Der Fleck muß durch Unterbrechung
der Lichtwirkung bei der Solarisation zwar dunkler werden, aber
neben der solarisierenden Veränderung des AgBr läuft noch die
normale anderer Teile her, und diese gibt ebenfalls kleineren Effekt,
das ist aber kleinere Schwärzung, und wenn nun die größere
Schwärzung verursachende Intermittenz der Solarisation ein kleineres
Plus an Dichtigkeit hinzufügt, als das Minus an Schwärzung durch
1) Englisch, Habilitationsschrift. S. 38.
Das Verhalten der Bromsilbergelatine im Grenzgebiet der Solarisation. 375
Intermittenz der normalen Veränderung, so ergibt sich als Differenz
beider Wirkungen die beobachtete Erscheinung. Diese Deutung
läßt sich durch verzögerte Entwicklung prüfen; der Helligkeits-
unterschied muß noch größer werden. In der Tat tritt dies ein
und stützt auf der anderen Seite die von Precht geteilte Ansicht,
daß nur normal verändertes Bromsilber entwickelt werde. Es ist
nun nicht auffällig, daß das der verzögerten Entwicklung zugäng-
liche Gebiet fast genau mit dem der scheinbar größeren Wirkung
intermittierender Belichtungen zusammenfällt; die Abweichungen,
die bei einer Plattensorte in der Richtung der Vergrößerung, bei
einer anderen in der der Verkleinerung des Korrekturbezirks liegen,
sind unerheblich und bei der Kompliziertheit der Verhältnisse jeden-
falls zu erwarten.
Gerade das Umgekehrte erhält man bei der teilweisen Fixierung.
llier werden ja um so größere Bromsilbermengen aus der Schicht
herausgelöst, je weniger weit die Solarisation vorgeschritten ist; bei
der intermittierenden Belichtung ist die Wirkung nur unwesentlich
kleiner als bei der kontinuierlichen gewesen. Wendet man das
Oxydationsverfahren an, so ergibt sich derselbe kleine Unterschied,
was wieder darauf hinweist, daß hier die normale Veränderung am
schnellsten zerstört wird.
Bei seinen Versuchen hatte Precht (l. c.) die Schwärzungs-
schwankung wieder gefunden, die ich früher veröffentlicht hatte, ?)
und die auf die Möglichkeit verschiedener Gleichgewichtsbedingungen
zwischen normaler Veränderung, solarisierender Umwandlung und
Gelatine hindeuten. Eine plausible Erklärung ist für diese helleren
und dunkleren Streifen noch nicht gefunden; die Gerbungstheorie
reicht nicht aus, wenn man nicht zu der recht gezwungenen An-
nahme ähnlicher periodischer Erscheinungen greifen will, die Liese-
gang bei Reaktionen in Gallerten gefunden hat. Das müßte in
unserem Fall heißen, daß um die Bromsilberkörner mehrere durch
kleine Abstände getrennte Hüllen stärker und schwächer gegerbter
Gelatine entstünden, die das Eindringen des Entwicklers verschieden
erschwerten. Nun hat Precht bemerkt, daß die bei verzögerter
Entwicklung entstehenden Streifen andere seien, als bei normaler
Entwicklung. Ich kann das bestätigen und glaube auch den Grund
dafür angeben zu können. Die bei der verzögerten Entwicklung
1) Englisch, Physikal. Zeitschr. 8. 1. 1901. .
Zeitschr. f. wiss. Phot. 1. 28
376 E. Englisch. Bromsilbergelatine im Grenzgebiet der Solarısation.
entstehenden Streifen lassen sich nämlich bei normaler äußerst
schwer beobachten; sie liegen bei viel kleineren Expositionen als
die von mir früher gefundenen Streifen und beweisen so den
periodischen Verlauf der Veränderungen in einem Gebiet, das
durchaus innerhalb der sog. neutralen Zone liegt. Diese Streifen
liegen ganz an der Oberfläche der Schicht; sobald man weiter
entwickelt, verschwinden sie oder bei reichlicheren, solarisierenden
Belichtungen sieht man sie gewissermaßen wandern, der vorher
hellere Streifen wird dunkler, der dunklere heller, je nachdem eben
aus der Tiefe der Schicht Silber hinzukommt. Sehr bald ver-
schwinden sie aber vollständig. Die von mir beobachteten, stärker
solarisierenden Belichtungen entsprechenden Streifen waren aber
nicht reine Oberflächenstreifen, sondern entstanden aus den Schichten,
welche während der halben Minute der Entwicklung reduziert werden
konnten, sie stellten also ein Integral aller der mit verschiedener
Tiefe der Schicht verschiedenen Gleichgewichtszustände dar. Daraus
erklärt sich ihre Erhaltung über weite Belichtungsbezirke, da die
Weiterbelichtung zwar im ganzen weitere Solarisation hervorruft,
aber das einmal erreichte Gleichgewicht nicht mehr zu stören
scheint, und ihre Erhaltung während der bei starken Solarisationen
nötigen langen Entwicklungszeit, bei denen entwickelt wird, bis
deutliche Schwärzung vorhanden war. Dabei muß die Entwickler-
wirkung etwa ebenso ticf gehen, wie bei größeren Schwärzungen
bei schwacher Solarisation. Die Versuche mit Oxydationsmitteln
erweisen dieselben Streifen, wie sie bei normaler Entwicklung ent-
stehen, und zwar waren sie in der Helligkeitsverteilung den ent-
wickelten entgegengesetzt; die bei direkter Entwicklung helleren
Streifen werden nach der Anwendung von Dichromat die dunkleren,
die zuvor dunklen werden zu den helleren, dasselbe Verhalten habe
ich bereits früher für die teilweise Fixierung nachgewiesen. Die
bei schwacher Solarisation entstehenden und durch verzögerte Ent-
wicklung nachweisbaren Streifen konnte ich nur zufällig bei der
Behandlung mit Dichromat erhalten und mit Thiosulfat überhaupt
nicht. Das ist zu grobes Reaktionsgeschütz für diese Feinheiten.
Die Versuche zeigen also eine Periodizität der photochemischen
Wirkung schon, ehe Solarisation bei der gewöhnlichen Entwicklung
in die Erscheinung tritt.
(Eingegangen am I. Juni 1903.)
Schaum u. Braun. Das photochem. Verhalten von bindemittelfr. Halogensilber. 377
Über das photochemische Verhalten von bindemittelfreiem
Halogensilber 1.!)
Von Karl Schaum und Wilhelm Braun.
Die außerordentlich zahlreichen Versuche physikalischer und
chemischer Natur, welche zur Aufklärung der photographischen
Prozesse an Gelatine- und Kollodiumplatten angestellt worden sind,
haben zu keinen einheitlichen Resultaten geführt, was ohne Frage
zum großen Teil auf die schwer zu ergründende Art der Mit-
wirkung des Bindemittels zurückzuführen ist. Es schien uns daher
wünschenswert, an bindemittelfreien Schichten, wie sie z.B. Luther?)
zur Untersuchung der Gesetze für umkehrbare photochemische Pro-
zesse verwendet hat, die verschiedenen photographischen Vorgänge
zu studieren. Die Resultate unserer Untersuchungen sollen in folgen-
dem kurz beschrieben werden; wenn dabei eine Wiederholung älterer
Versuche vorkommt, so ist das mit Rücksicht auf die zahlreichen
Widersprüche und Unklarheiten in der photographischen Literatur
wohl nicht überflüssig.
Die Herstellung der Platten geschah ungefähr nach Luthers
Vorschrift; sorgfältig gereinigte Mattscheiben 2:9 cm wurden in
einer großen Schale mit Spiegelglasboden ausnivelliert, die Schale
mit einer Lösung von 2,5 g Ammoniumbromid in 500 cm? destillier-
tem Wasser gefüllt und langsam unter sehr vorsichtigem Umrühren
mit 3 g Silbernitrat in 50 cm? destillierten Wasser versetzt. Die
Sedimentation ist nach zwei Tagen vollendet; vor dem Auswaschen
laßt man die Schicht am besten erst trocknen, weil sie dann durch
das Waschwasser nicht so leicht gelockert wird. Zum Auswaschen
wird mehrmals destilliertes Wasser vorsichtig aufgegossen und lang-
sam abgehebert. Nach dem Trocknen haftet dann das Bromsilber
in Form einer glatten, zusammenhangenden Schicht recht gut auf
dem Mattglas.
Das Verhalten bindemittelfreien Bromstlbers gegen Entwickler
bedarf einer kurzen Besprechung.
Andresen°, und Liippo-Cramer?) behaupten, daß belichtetes
1) Zum Teil vorgetragen auf dem V. Internationalen Kongreß für angewandte
Chemie zu Berlin, Juni 1903.
2) Zeitschr. f. phys. Chem. Bd. 30. S. 628. 1899.
3) Eders Jahrbuch 1899. S. 143.
4) Phot. Korr. 1901. S. 222, 353, 415 u. a.
28*
378 Schaum und Braun.
und unbelichtetes bindemittelfreies Bromsilber gleich schnell reduziert
würden. Andresen fand die während 20 Minuten von einer be-
stimmten Entwicklermenge reduzierte Bromsilberquantität unabhängig
davon, ob das Bromsilber Lampenlicht oder Dunkelkammer-
beleuchtung ausgesetzt war. Sollten sich bei solch langer Ent-
wicklungsdauer auch die Unterschiede verwischen, so beweist das
Resultat keineswegs, daß nicht bei kurzer, geeigneter Entwicklung
sehr wohl ein Unterschied in der Reduktionsgeschwindigkeit zwischen
belichtetem und unbelichtetem Bromsilber bestehen kann. Daß
in Wirklichkeit ein solcher vorhanden ist, beweisen die Versuche
von Schumann!) und besonders von Luther, welche auf binde-
mittelfreien Bromsilberschichten sehr wohl Lichteindrücke hervor-
zurufen vermochten. Trotz dieser einwandfreien Versuche hält
Lüppo-Cramer?) es für auffallend, „daß bei den meisten Arbeiten
über das latente Bild immer als selbstverständlich vorausgesetzt
wurde, daß unbelichtetes Bromsilber an sich schwerer reduzierbar
sein müßte . . .“ und gibt häufig an, „daß reines Bromsilber auch
ohne Zutritt von Licht durch Entwicklerlósung sofort reduziert wird“.
Wie Lüppo-Cramer bei Besprechung der Lutherschen Er-
gebnisse,?) welche seiner Ansicht nach ‚im besten Falle nur die
Konstitution des latenten und sichtbaren Bildes bei bindemittelfreien
Schichten eventuell beweisen könnten“, an den ‚„Fundamental-
versuch“ erinnern kann, der beweist, „daß das ausgefällte (bindemittel-
freie) Bromsilber ja mit Leichtigkeit öhne vorherigen Lichtzutritt
reduziert wird“, erscheint uns völlig unverständlich. Jener „Funda-
mentalversuch‘“ besteht in einem ‚in wenigen Minuten anzustellenden
Reagenzrohrversuch“, dessen Wiederholung dem einen von uns in
einer früheren Diskussion zur Belehrung empfohlen wurde. ®)
Wir haben diesen Rat befolgt, den Versuch allerdings etwas
exakter gestaltet. Das Ergebnis war, daß auch auf unseren Brom-
silberschichten — welche mit Bromsalzüberschuß aus konzentrierterer
neutraler Lösung entstanden waren (Luther hatte viel verdünntere
Lösungen mit Bromwasserstoffüberschuß gefällt) — Lichteindrücke
sich mit Leichtigkeit entwickeln lassen. Verwendet man die Ent-
wickler in der für Gelatineplatten üblichen Konzentration, so tritt
bei vielen, wie bei Eisenoxalat und Edinol, fast momentan völlige
1) Ann. d. Phys. Bd. (4) 5. S. 349. 1901.
2) Wissenschaftliche Arbeiten auf dem Gebiete der Photographie. Halle 1902. S. 10.
3) Phot. Korr. 1901. S. 352.
4) Phot. Korr. 1901. S. 415.
Über das pholochemische Verhalten von bindemittelfreiem Halogensilber. 379
Schwärzung ein; weniger rasch erfolgt die völlige Reduktion bei Adurol,
Hydrochinon und dem Belitskischen Entwickler, am langsamsten
wirkt Metol. Will man gute Gradation bei Schleierfreiheit erzielen,
so setzt man den letztgenannten Entwicklern ein halbes Volum
Wasser zu. Die Behauptungen Andresens und Lüppo-Cramers,
daß gefälltes, unbelichtetes Bromsilber genau so leicht reduziert
werde, als belichtetes, gehören also, um mit Lüppo-Cramer zu
reden,!) zu den „Fundamental-Irrtümern“, trotz Lüppo-Cramers
„Fundamentalversuch“ im Reagenzglas.
Auf Grund dieser irrtümlichen Auffassung ist nun Lüppo-
Cramer zu der Überzeugung gelangt, „daß zwischen ausgefälltem
und emulsifiziertem Bromsilber Unterschiede bestehen, die nicht
quantitative, sondern absolute sind“.? „Man könnte also mit Recht
sagen, daß die leichte Reduktionsfähigkeit durch Entwicklerlösungen
eine normale Eigenschaft des Bromsilbers ist, und daß erst die
Emulsifikation ein Bromsilber erzeugt, welches an sich schwerer
reduzierbar ist, aber in die ihm ursprüngliche Form durch die Be-
lichtung zurückverwandelt wird“?) Lüppo-Cramer konstruiert
also zwischen gefälltem und emulsioniertem Bromsilber eine Modi-
fikationsverschiedenheit; von verschiedenen Modifikationen des in
den vorliegenden Fällen immer amorphken Bromsilbers zu sprechen,
ist mehr als gewagt. Verschiedene amorphe Modifikationen wären
nur möglich, wenn es isomere (polymere) Bromsilberarten gäbe; ein
bestimmtes chemisches Individuum kann nur eine amorphe Form
haben, da cin amorpher Körper eine Flüssigkeit mit großer innerer
Reibung darstellt, und von einem Individuum nur eine flüssige Form
existieren kann. Die verschiedenen Modifikationen von Stas unter-
scheiden sich offenbar durch den Grad der Verteilung und durch
den Gehalt an fremden Substanzen, mit denen das Bromsilber feste
Lösungen bildet. Lüppo-Cramer trägt kein Bedenken, zahlreiche
Erscheinungen auf die Annahme der Bildung verschiedener Modi-
fikationen zurückzuführen, „da wir . . . so enorme Unterschiede in
den Modifikationen des Bromsilbers nachweisen kónnen und weiter
annehmen müssen, daß es auf die Annahme von ein paar Sorten
mehr oder weniger garnicht ankommt.‘ $)
1) Phot. Korr. 1903. S. 28. Die Auffassung der Gelatine als chemischer Sensi-
bilisator ist nach Lüppo-Cramer ein solcher Fundamentalirrtum.
2) Phot. Korr. 1901. S. 353.
3) Wissensch. Arb. S, 10.
4) Phot. Korr. 1901. S. 163.
380 Schaum und Braun.
Aus dem Gesagten folgt das Nichtvorhandensein der „enormen
Unterschiede in den Modifikationen des Bromsilbers“ für den wich-
tigsten Streitfall. Es soll nun gezeigt werden, daß an der langsamen
Reduktion des Bromsilbers in Emulsionsschichten im Vergleich zu
derjenigen des bindemittelfreien, wesentlich die Gelatine schuld ist.
Die Wirkung des Bindemittels, speziell der Gelatine beim
Entwicklungsvorgang ist von Abney?) auf eine mechanische Ver-
zögerung der Hervorrufung zurückgeführt worden. Lüppo-Cramer
dagegen sagt: „Daß die bloße Umhüllung des Bromsilberkorns
durch den Bildträger nicht die Ursache ist, daß nicht auch normales,
emulsioniertes Bromsilber ohne Lichtzutritt reduziert wird, geht aus
dem Vergleichsversuch hervor: suspendiert man das ausgefällte
Bromsilber in Gelatinelösung, so erfolgt in kürzester Zeit eine ebenso
gründliche Reduktion des Bromsilbers durch Entwicklerlösungen.“ 2)
Diese Angabe ist unrichtig, wie ältere Versuche?) von Eder und
Thót, Szekely, Fabre, und unsere im folgenden beschriebenen
Versuche zeigen:
Gefälltes Bromsilber wurde in Gelatinelösung suspendiert; die
mit dieser Emulsion gegossenen Platten ließen sich nach Belichtung
mit konzentrierten Entwicklern glasklar hervorrufen.
Aus Emulsionen (z. B. aus gereifter Schleußner-Emulsion) aus-
gewaschenes gereiftes Bromsilber ließen wir nach Entfernung jeglicher
Spur des organischen Bindemittels auf Mattglas sedimentieren.
Dieses Bromsilber wird noch weit schneller, als das frisch gefällte,
reduziert; jedoch ist eine Bildentwicklung auch auf solchem Brom-
silber bei Anwendung von Metolentwickler plus 1 Volum Wasser
bei kurzer Einwirkungsdauer möglich. Nach dem Wieder-Emul-
sionieren dieses Bromsilbers mit Gelatine kann ein Lichteindruck
recht gut auch mit starken Entwicklern hervorgerufen werden.
Schon ein blolier Überzug von Gelatine über eine sedimentierte
Bromsilberschicht verlangsamt die Entwicklung erheblich.
Durch diese Versuche ist ein neuer Beweis dafür erbracht
worden, daß die Gelatine mechanisch in der von Abney angegebenen
Weise die Entwicklung verzögert. Wenn nun aber noch — abgesehen
von Reifungsunterschieden — Differenzen im Verhalten direkt durch
Fällen in Gelatine hergestellten Bromsilbers und des erst nach dem
Fällen in Gelatine suspendierten Bromsilbers bestehen, welche sich
1) Treatise on Photogr. 5. Ed. 1893. S. 41. Eders Jahrb. 1898. S. 420.
2) Phot. Korr. 1901. S. 222.
3) Eders Handbuch Bd, HHE. S. 28 f. 1902.
Über das photochemische Verhalten von bindemittelfreiem Ilalogensilber. 381
vornehmlich in einer schnelleren Reduktionsgeschwindigkeit des
letzteren äußern, so beruht dies darauf, daß nach Quincke!)
Lösungen zwischen Bromsilber und Gelatine, sog. Bromsilberleim,
von ziemlich komplizierten Eigenschaften gebildet werden. Solche
Lösungen bilden sich selbstverständlich bei der Emulsionsbereitung
in höherem Grade, als beim Suspendieren des Bromsilbers in
Gelatine; das unbelichtete Bromsilber in diesen Lösungen muß
weniger leicht reduzierbar sein, als das nur durch einen Gelatine-
überzug geschützte; denn eine Lösung aus Bromsilber und Gelatine
hat einen niedrigeren Bromdruck als reines Bromsilber. Die Bildung
und die Eigenschaften solcher Lösungen dürften wohl imstande
sein, auch zahlreiche andere Erscheinungen, wie die großen Ver-
schiedenheiten zwischen Gelatine- und Kollodiumemulsionen, zu
erklären.
Die Empfindlichkeit des bindemittelfreien Bromsilbers und ihre
Abhängigkeit von dem Fällungsbromid soll in einer späteren Ab-
handlung geschildert werden.
Die Erscheinung der Reifung wird meist auf eine Korn-
vergrößerung und auf eine Mitwirkung der Gelatine (geringe Re-
duktion des Bromsilbers, oder nach Quincke: Flockung trüber
Lösungen) zurückgeführt. Wir fanden, daß auch unsere bindemittel-
freien Schichten Reifungserscheinungen zeigen, wenn sie in feuchtem
oder trocknem Zustand auf 65° erhitzt werden. Nach 70 Minuten
erhielten wir eine Zunahme der Empfindlichkeit von 5° Scheiner
auf 9°; nach fünfstündigem Erhitzen auf 65° trat im Entwickler
sofort Schleierbildung auf. Auch beim Erhitzen unter Wasser tritt
eine — aber nicht so erhebliche — Empfindlichkeitssteigerung ein.
Während die Gradation bei ungereiften Schichten eine sehr schlechte
ist, erwies sich dieselbe bei gereiften Schichten als eine recht gute.
Messungen haben wir vorläufig noch nicht angestellt.
Die Erscheinung der Solarisation wird ebenfalls vielfach einer
Mitwirkung des Bindemittels (Gerbung) zugeschrieben. Wenn eine
solche auch vielleicht bei Gelatineplatten nicht nebensächlich ist,
so muß der eigentliche Solarisationsprozeß doch in einer eigen-
artigen Änderung des Bromsilbers selbst seine Ursache haben, da
unsere Schichten sehr deutlich solarisieren, was auch von Da-
guerreotyp-Platten angegeben wird. Luther hatte eine solche bei
seinen Schichten nicht beobachtet. Unsere solarisierten Schichten
1) Ann. der Phys. (4) 11. S. 1100. 1903.
382 Schaum und Braun.
verhalten sich solarisierten Trockenplatten vóllig analog; Baden in
Ammoniumpersulfatlösung (5°/,ig, 22-stündige Einwirkung) hebt die
Solarisation völlig auf, so daß die am längsten belichteten Streifen
beim Entwickeln auch die kräftigste Schwärzung geben.
Lüppo-Cramer!) sagt bei seinen Versuchen über Aufhebung
der Solarisation durch Persulfat: „Dies hatte schon Schaum be-
obachtet; doch scheint diesem Autor der interessantere Teil des
Phänomens, daß das Photobromid dabei unverändert bleibt, ent-
gangen zu sein.“ Kurz darauf gibt er an, daß bei 48-stündiger
Einwirkung ı0°/,iger Persulfatlösung die Farbänderung ‚ein wenig“
schwächer werde, scheint dies aber nicht auf Zerstörung des Photo-
bromids zurückzuführen, da er im nächsten Abschnitt sagt, daß das
Photobromid durch Wasserstoffsuperoxyd und Persulfat anscheinend
ebensowenig verändert wird wie durch entsprechend verdünntes
Bromwasser und Salpetersäure. Die Angabe, daß das Photobromid
unverändert bleibe, ist aber, wie unsere Versuche zeigten, keines-
wegs richtig; wie weit es zerstört wird, hängt lediglich von
Temperatur, Konzentration und Einwirkungsdauer des Persulfats
ab. Es wäre höchst merkwürdig, wenn ein Körper mit so hohem
Oxydationspotential das Photobromid nicht angreifen sollte; dann
müßte dessen Natur eine ganz andere sein, als man annimmt, was
mit den Versuchen Luthers unvereinbar wäre. Das Ausbleiben
einer Reaktion wird oft an Stelle geringer Reaktionsgeschwindigkeit
aus nicht exakten Versuchen gefolgert — ein Fehler, der schon
manchesmal, auch in der Photographie, erhebliche Trugschlüsse zur
Folge hatte. Im vorliegenden Fall kann man sich leicht von der
Zerstórbarkeit des Photobromids durch Persulfat überzeugen, sowohl
an Trockenplatten, wie auch an bindemittelfreiem gefälltem oder
aus I2mulsionen ausgewaschenem Bromsilber. Bei genügend langer
Linwirkungsdauer wird letzteres selbst nach vorhergehender tage-
langer Belichtung in der Sonne wieder völlig entfärbt; suspendiert
man das regenerierte Bromsilber in Gelatine, so lassen sich auf
Platten, die mit dieser Emulsion gegossen wurden, Lichteindrücke
klar und scharf entwickeln. |
Die Einwirkung von Röntgenstrahlen auf bindemittelfreies Brom-
silber erscheint in gewisser Hinsicht bemerkenswert. Das binde-
mittelfreie Bronssilber wird nach unseren Versuchen nicht nur auf
Glas, sondern auch auf metallischer Unterlage (Platinblech) durch
1) Phot. Korr. 1902. S. 645.
Uber das photochemische Verhalten von bindemittelfreiem Halogensilber. 383
Röntgenstrahlen entwicklungsfähig gemacht; die Röntgenstrahlen
bringen demnach schon an und für sich — also nicht etwa ledig-
lich durch eine Fluorescenzerregung der Unterlage oder des Binde-
mittels, wie bisweilen angenommen wurde!) — eine Veränderung
des Bromsilbers hervor. Nach 80 Minuten langer Einwirkung der
Röntgenstrahlen auf bindemittelfreies Bromsilber konnten wir Solari-
sation feststellen, welche an Trockenplatten von Fr. Hausmann?)
nicht beobachtet worden war.
(Eingezangen am 17. August 1903.)
Nachtrag.
Von Karl Schaum.
In seinen letzten Abhandlungen?) gibt Liúippo-Cramer zu,
daß entgegen der früher von ihm geäußerten Anschauung doch
auch das aus wässerigen Lösungen bei Bromsalzüberschuß aus-
gefällte Bromsilber unter gewissen Vorsichtsmaßregeln der photo-
graphischen Reaktion zugänglich sei. So erfreulich mir auf der
einen Seite die Tatsache ist, daß Lüppo-Cramer sich endlich von
der Unhaltbarkeit der Annahme eines prinzipiellen Unterschieds
zwischen gefälltem und in Gelatinelösung gebildetem Bromsilber und
von der Unrichtigkeit seines Fundamentalversuches im Reagenzrohr
überzeugt hat, so bedauere ich andererseits aufs tiefste, daß er sowohl
Luthers wie auch unsere Versuche weder für beweiskräftig noch
für erwähnenswert hält, sondern seine Meinungsänderung lediglich
durch eigene neue Versuche, die aber garnichts Neues bringen,
motiviert, von denen nun wohl nicht ınehr gilt, was er früher über
solche Untersuchungen sagte®), nämlich, daß ‚alle Bestimmungen an
bindemittelfreien Haloiden von gar keiner Bedeutung für die Theorie
photographischer Prozesse“ sind. Zu seinen Versuchen ist Lüppo-
Cramer durch meinen Vortrag auf dem Berliner Internationalen
Kongreß angeregt worden; ich habe dort aber keineswegs — wie
Lüppo-Cramer behauptet — Andresens Befunde „bezweifelt“,
1) Vergl. Eders Handbuch Bd. III. S. 69. 1902.
2) Fortschr. a. d. Geb. d. Röntgenstr. &. S. 89. 1901. Beibl. z. d. Ann. d.
Phys. 1903, S. 359.
3) Phot. Korr. 1903. S. 670, 710.
4) Phot. Korr. 1901. S. 353.
384
A. Bosojawlensky.
sondern auf Grund der Lutherschen und unserer Untersuchungen!)
schlagend nachgewiesen, daß jene früheren Ansichten Lüppo-
Cramers irrig sind; daran vermochten auch die Einwände
Lüppo-Cramers und Andresens in der Diskussion nichts zu
ändern. Wenn Lüppo-Cramer unsere Versuche für wertlos hielt,
hätte er sie wenigstens erwähnen können; dann teilten wir doch das
weniger schmerzliche Schicksal Eders, dessen von Lüppo-Cramer
zitierten Untersuchungen über die Entwicklungsfähigkeit gefällten
und dann in Gelatine suspendierten Bromsilbers? für Lüppo-
Cramer ebenfalls keine Beweiskraft hatten, bis seine neueren ana-
logen Versuche — welche auch im Gegensatz zu seinen früheren
Resultaten stehen — ihn „ganz wider Erwarten“ zu dem gleichen
Ergebnis führten, wie Eder.
Marburg a. L., Physikalisches Institut.
(Eingegangen am 15. Dezember 1903.)
Über die Einwirkung von einigen Metallen auf eine
photographische Platte.
Vorläufige Mitteilung?) von A. Bogojawlensky.
(Mit 2 Abbildungen.)
Bei der Entwickelung einer photographischen Platte fiel ein
über die ganze Platte sich hinziehender dunkler Streifen auf. Zu-
nächst wurde die Kasette einer genauen Prüfung unterworfen; sie
erwies sich jedoch als vollkommen lichtdicht. Nur auf der Innen-
fläche des Kassettenschiebers, der aus Aluminiumblech verfertigt ist,
war ein Kratzer zu bemerken, der augenscheinlich durch Reibung
des Kasettenschiebers an einer kleinen eisernen Schraube ent-
standen war. Die Lage, wie die Größenverhältnisse des Kratzers
1) Dieselben waren damals bereits in den Marburger Sitzungsberichten vom
13. Mai 1903 veröffentlicht.
2) Vergl. Eders Handbuch Bd. IIE. S. 29. 1902.
3) Vortrag, gehalten in der Sitzung der Naturforscher-Gesellschaft der Universität
Jurjew (Dorpat) vom 19. April 1903.
Über die Einwirkung von einigen Metallen auf eine photographische Platte. 385
entsprachen genau denjenigen des dunklen Streifens auf der Platte.
Daher erschien es möglich, eine Erklärung für die Entstehung des
dunklen Streifens in der Einwirkung des metallischen Aluminiums
auf die empfindliche Platte zu finden.
Um diese Einwirkung!) näher zu untersuchen, wurde eine Reihe
von Versuchen angestellt, und zwar nicht nur mit Aluminium,
sondern auch mit andern Metallen. Diese Versuche beweisen, daß
einige Metalle in einem solchen Grade auf die empfindliche Platte
wirken, daß sie zur Verfertigung von Kassetten und vielleicht auch
andern photographischen Artikeln nicht verwandt werden dürfen.
Angestellt wurden die Versuche, wie folgt. In eine hölzerne
Kassette wurde eine empfindliche Platte 9 x 12 (Aktien-Ges. für
Anilin-Fabr.) gelegt und über dieselbe in einem Abstande von
1—2 mm eine ebenso große Metallplatte. Darauf wurde die Kassette
geschlossen und 1—4 Tage in der Dunkelkammer gehalten. Wurde
eine solche Platte entwickelt, so erhielt man jedes Mal ein mehr
oder weniger gleichmäßig dunklcs Negativ; genau so, als ob die
empfindliche Platte zerstreutem Licht ausgesetzt gewesen wäre. Die
Dauer der Exposition muß je nach der Natur des Metalls und der
Beschaffenheit seiner Oberfläche variiert werden. Streifen, Kratzer
und Gravierungen, die unmittelbar vor der Exposition gemacht
werden, wirken schneller und treten auf dem dunklen Negativ deut-
licher hervor. Nicht ausgeschlossen ist, daß hier auch die Reinheit
der Oberfläche des Metalls, die Trockenheit der Luft und andere
Umstände mitwirken. Die Wirkung einiger Metalle wird nicht ein-
mal durch ein zwischen Metall und empfindliche Platte gelegtes
Papier vollständig aufgehoben. Werden auf einem solchen Papier
mit Bleistift oder Tinte (Fe-haltig) Aufschriften gemacht, so wird
die Wirkung des Metalls durch die beschriebenen Stellen derart
geschwächt, daß man auf dem dunklen Grunde des Negativs eine
deutlich sichtbare helle Schrift erhält. Die folgenden Positive zeigen
deutlich die Einwirkung von Aluminium und Zinn auf eine empfind-
liche Platte.
1. Al-Platte mit Aufschrift und Strichen, die mit einem eisernen
Instrument gemacht sind.
2. Sn-Platte, halb verdeckt durch Papier; auf letzterem eine
Aufschrift mit Tinte,
ı) W. J. Russels Abhandlung war mir bei den ersten Versuchen noch nicht
bekannt.
386 A. Bogojawlenski. Einwirkung einiger Metalle auf eine photogr. Platte.
Aufschriften, die auf einer Metallplatte vermittels Stäbchen aus
verschiedenen Metallen gemacht werden, treten auf dem Negativ
mit verschiedenener Intensität hervor, was aller Wahrscheinlichkeit
nach durch die verschiedene Härte der Metallstäbchen zu erklären ist.
Nach der Intensität der Wirkung läßt sich unter den einzelnen
Metallen folgende Reihenfolge aufstellen: Mg, Al, Sn, Zn. Ein Blatt
Fig. 2.
Papier, sogar eine Glasplatte, sind nicht imstande, die Wirkung dieser
Metalle aufzuheben. Frische Kratzer treten bei Mg und Al schärfer
hervor; bei Zn, Sn, Pb, heben sie sich wenig vom Grundton ab.
Bei Fe, TI, Co, Ni, Cd, Ag Pt, ließ sich bei der angewandten
Expositionszeit keine Wirkung wahrnehmen. Außerdem wurde
bemerkt, daß nicht nur die Metalle, sondern auch ihre Verbin-
dungen (Salze, Oxyde u. s. w.) auf eine photographische Platte wirken.
So war auf einem Kodak-Films-Negative das auf dem schwarzen,
das Film einhüllenden Umschlage befindliche Zeichen deutlich zu
Referate. 387
sehen. Diese Beobachtungen stimmen mit W. J. Russells Ver-
suchen, !) der die Einwirkung von Metallen und anderen Stoffen
auf photographische Platten untersuchte, vollständig überein. Leider
hat Russel nicht bestimmt genug die praktische Bedeutung dieser
Versuche betont, weshalb sie in der Praxis unbeachtet blieben. Die
Resultate einiger von meinen Versuchen wurden vor kurzem der
Firma Zeiss mitgeteilt, welche ihrerseits die Einwirkung der
metallischen Teile von Kassetten auf photographische Platten durch
eine Reihe von Versuchen bestätigte. Es ist zu erwarten, daß
künftig nur solche Kassetten und Apparate in den Handel gebracht
werden, bei welchen diese schädliche Einwirkung der metallischen
Teile auf die Platten — was gewiß oft die Ursache vieler Miß-
erfolge bei photographischen Arbeiten gewesen ist — vollkommen
beseitigt ist.
Die Ursache einer solchen Einwirkung der Metalle sieht Russell
in der Entstehung von Wasserstoffsuperoxyd?). In dieser Richtung
sind schon viele Versuche angestellt worden, doch kann die Frage
noch nicht als endgiltig entschieden betrachtet werden. Es ist
möglich, daß man es hier mit der Radioaktivität der Metalle zu
tun hat, für deren Existenz schon mehrere Facta sprechen.
= Jurjew (Dorpat), X. 1903.
(Eingegangen am 26. Oktober 1903.)
Referate.
Physiologische Optik.
E. v. Oppolzer. Grundzüge einer Farbentheorie. Zeitschr.
f. Psych. u. Phys. d. Sinnesorg. 29. Bd. S. 183. 1902.)
Die Theorie weicht von den bisherigen darin ab, daß sie die Er-
scheinungen mehr von der subjektiven Seite aus anfaßt, während sich
die Theorie der Gegenfarben sowohl wie die der Dreikomponenten mit
den mutmaßlichen pAvsiologischen Vorgängen beschäftigt. Am ehesten
läßt sie sich noch mit der letzteren vergleichen, insofern auch hier die
Farben aus der Verschmelzung mindestens zweier, im allgemeinen aber
dreier Elemente zustande kommen sollen. Bei Helmholtz aber sind
1) Phot. News 1897. S. 457 u. 503.
2) Eders Jahrbuch für Photographie 1900. S, 338.
338 Referate.
die Elementarerregungen proportional der Lichtintensitát und haben rein
physiologische Bedeutung; bei Oppolzer sind die Elemente Empfin-
dungen mit psychischer Bedeutung und folgen der Fechnerschen
psychophysischen Grundformel. Llementarempfindung ist nach Verf. eine
Empfindung, welche auf die Erregung einer einzelnen Opticusfaser hin
im Bewußtsein rege wird. Jede solche Elementarempfindung könne für
sich allein nur farblose Eindrücke erzeugen; die Empfindung der Farbe
entstehe erst durch Verschmelzung dreier farbloser Empfindungen, und
zwar durch eine Verschmelzung, welche eine psychische Trennung aus-
schließt. — Verf. glaubt, daß drer Elementarempfindungen genügend
seien zur Produktion unseres Farbensvstems, und daß sich alle Farben-
wahrnehmung zurückführen lasse auf die verschiedenen Stärkenverhält-
nisse, mit denen die Elementarempfindungen ins Bewußtsein treten.
„Die Farbe verdankt ihre Entstehung nach dieser Auffassung einer
inneren Gegensätzlichkeit, die je stärker entwickelt eine stärkere Sätti-
gung und aufgehoben die Weilempfindung nach sich zieht.“ Weiß
bezw. dessen Abstufung wird also gesehen, wenn entweder nur eine
Elementarempfindung zustande kommt oder wenn sich die Stärken der
drei Elementurempfindungen (die „Elementarhelligkeiten“‘) wie 1:1:1
verhalten. Der größte Sättigungsgrad wird erreicht, wenn sie sich (bei
Trichromaten) wie 1:2:3 verhalten (bei Dichromaten wie 1:2); „dann
ist nämlich die Bedingung der größten Gegensätzlichkeit unter den Ele-
mentarempfindungen erfüllt“.
Verf. erinnert selbst an die Berührungspunkte, die seine Farben-
theorie mit der Goetheschen Lehre hat, indem er hervorhebt, daß seine
Theorie der inneren Beobachtung gerecht werde; man verstehe danach,
daß die Farbe von spezifischen Wirkungen begleitet ist, „die sich un-
mittelbar an das Sittliche anschließen“, nach Goethes Ausdruck. „Ge-
wisse Farben stimmen regsam, lebhaft, strebend, andere ruhig. Voll
und ganz rein wirkt nur die Weißerregung, wo nach Verfs. Theorie
keine Differenz der Elementarempfindungen empfunden wird, wo eben
die drei Empfindungsstärken der Elemente oder die Elementarhellig-
keiten untereinander gleich werden. Vom Standpunkt der inneren An-
schauung ist also die farblose Weilempfindung die einheitlichste, und
dies erklärt auch, weshalb Goethe sich der Newtonschen Auffassung,
daß das weiße Licht aus den Farben zusammengesetzt sei, nicht an-
schließen kann; es widerstrebt eben der Empfindung.“
Das Phänomen der Farbe wird dadurch analog dem akustischen
der K/angfarbe. Beide kommen zustande dank dem Auftreten mehrerer
Elementarempfindungen: Grundton und Obertóne erregen isolierte Nerven-
fasern, und die subjektive Verschmelzung dieser an und für sich farb-
losen Töne gibt den Anlaß zu der einheitlichen, aber gefärbten Ton-
empfindung. Verf. glaubt, daß sich seine Theorie, bezw. das sie aus-
machende „Prinzip der komplexen Zusammensetzung differenter Elementar-
empfindungen“ überhaupt auf alle Sinnesgebiete übertragen lasse.
Verf. macht sich auch daran, physiologische Grundlagen für seine
Theorie aufzusuchen. Jede differente Klementarempfindung bedarf zu
ihrer Entstehung der isolierten Leitung der Erregung in einer einzelnen
Referate. 389
Opticusfaser. An benachbarten farbenperzipierenden Stellen der Netz-
haut, vor allem also in der Fovea centralis, müssen demgemäß drei
lichtempfindliche Elemente vorhanden sein, welche auf denselben (far-
bigen) Lichtreiz in verschiedener Stärke reagieren und deren Erregungen
in drei benachbarten Optikusfasern getrennt fortgeleitet werden. Als
Endorgane können nun bekanntlich nur die Zapfenzellen in Betracht
kommen, weil Stäbchen in der Fovea fehlen und die Farbenempfindung
abnimmt, je mehr peripherwärts die Stäbchen überwiegen. Oppolzer
sucht darum nach einer chromatıschen Differenz zwischen benachbarten Zapfen
und findet sie sehr leicht für den Hahn und die Taube in den ver-
schieden gefärbten Kügelchen, welche das Innenglied der Zapfen (bei
Vögeln und Reptilien) anfüllen (neben farblosen Kugeln kommen rubin-
rote, orange, gelbbraune, gelbe, grüne, blaßblaue vor; die roten, gelben
und grünen Töne herrschen vor). Verf. deutet sie ohne Bedenken als
Lichtfilter. — Beim Menschen und den meisten Säugern überhaupt
fehlen diese Kugeln; die Zapfen sind vollkommen farblos; doch sind
die Zapfenaußenglieder zusammengesetzt aus Plättchen, welche über-
einander geschichtet sind und deren Dicke von 4,5—6,0 u variieren
sol. Das bringt Verf. in Verbindung mit den Wellenlängen des sicht-
baren Spektrums, welche sich etwa in denselben Grenzen halten, und
er folgert aus der Theorie der einfachen dünnen Plättchen, „daß ein
solcher Plattensatz geradezu wie ein ideal vollkommenes Strahlenfilter wirkt“.
Die eine Forderung, daß die Endorgane für die verschiedenen
Strahlen verschieden empfindlich sein müßten, wäre also vielleicht er-
füllt. Über die Möglichkeit der isolierten Leitung spricht sich Verf.
jedoch nicht aus. Zwar ist als ziemlich sicher anzunehmen, daß auf
eine Ganglienzelle der Retina, also auch auf eine Optikusfaser, sehr viel
mehr Stäbchen kommen als Zapfen; daß aber eine Optikusfaser die
Erregung von nur einer einzigen Zapfenzelle bekäme, das könnte nur
für einen ganz geringen Teil der Foveazapfen zutreffen (wo in der Tat
der Zusammenhang der einzelnen nervösen Apparate ein etwas modili-
zierter ist). Denn während etwa 500000 Optikusfasern (jederseits natür-
lich) gezählt werden, hat man die Anzalıl der Zapfen auf 3360000
bestimmt, und die der Stäbchen ist auf 75 Millionen veranschlagt worden.
Nun findet sich die Zusammensetzung aus Plättchen auch bei den
Stäbchenzellen. Allein Verf. glaubt, daß der in ihnen vorhandene Seh-
purpur, der den Zapfenzellen fehlt, die Perzeption modifiziert. Er hält
es immerhin für möglich, daß die Stäbchen ebenfalls Farbenempfindung
vermitteln, „rasch und sehr lichtempfindlich, aber in roher Weise“; im
allgemeinen aber hält auch er sie für eine Art Dunkelapparat; in dem
Umstande, daß eme Optikusfaser die Erregung einer ganzen Anzahl von
Stäbchen aufnimmt, erblickt er eine Einrichtung zur einfachen Addierung
indifferenter Erregungen, während die Farbe eben durch innere, psychi-
sche Verschmelzung differenter Empfindungen erzeugt werde.
Sehr einfach erklärt die Theorie z. B., warum die Farbenuntcr-
scheidung aufhört, wenn die Größe des farbigen Objekts unter ein ge-
wisses Maß herabsinkt; das Netzhautbild ist dann eben nicht mehr
groß genug, um drei benachbarte Zapfen diflerent zu affızieren.
390 Referate.
Der ganze Gedankengang der übrigens noch recht wenig ausge-
bauten Theorie ist entschieden eigenartig; inwieweit sie sich fruchtbar
erweisen wird, ist nicht leicht vorauszusagen; namentlich ist es eine
Frage, ob sich die Physiologen in nächster Zeit von ihr angezogen
fühlen werden, da die neue Theorie zunächst noch keine Vorzüge gegen-
über den beiden anderen aufweist, am wenigsten jedenfalls gerade für
die Physiologen. H. Breyer.
Photographische Objektive.
K. Martin. Über den Lichtverlust in Objektiven. (Photogr.
Wochenbl. 313— 314. 1903.)
Verf. wendet sich gegen den oben genannten Druckfehler; er be-
rechnet für einen achtlinsigen Rietzschelanastigmaten den Reflexionsver-
lust auf 19,4 %/,; für einen unverkitteten Buschanastigmaten auf 31,1 %/,.
Das sind zwar nur 11,7 %/, mehr, aber doch das ı!/,fache des vorigen
Verlustes. Es wird nun behauptet, die Linsen absorbierten mehr, als
diesem vergrößerten Reflexionsverlust entspreche. Man wird darüber
ınit dem Konstrukteur, der sich so viel darauf zu gut tut, ein anastig-
matisches Objektiv ohne das „stark absorbierende‘“ Schwerkron gebaut
zu haben, nicht rechten dürfen, zumal seine Behauptung durch keinen
Versuch gestützt wird. Englisch.
Preislisten, geschäftliche Mittellungen.
C. A. Steinheil Söhne, optisch-astronomische Werkstätte, München.
Unofocal 1:4,5.
Der Unofocal ist ein astigmatisch, sphärisch, komatisch und selbst
für Dreifarbenaufnahmen ausreichend chromatisch korrigiertes Doppel-
objektiv, dessen Hälften mit kleinen Blenden für sich verwendbar sind.
Er besteht aus vier dünnen, unverkitteten, einzelstehenden Linsen, deren
je zwei gleiche Brechungsexponenten und gleiche, aber entgegengesetzte
Brennweiten (daher der Name des Objektivs) haben. Der Unofocal dient
auch als positiver Teil eines Telesystems, bei Abblendung auf // 12,5
für Reproduktionen, bei einem Bildwinkel von 60% Das Objektiv ist
ganz frei von Lichtfleck. Brennweiten 1I—50 cm, Preis 100—720 Mk.
C. P. Goerz, optische Anstalt, A.-G., Berlin-Friedenau.
f Goerz-Triöder-Binocle „Fago“, Spezialmodell für das Theater. D.R.P.
Vergrößerungen 2?/,- und 3 fach.
Farbenfabriken vorm. Bayer & Co., Elberfeld.
Die Firma hat die seither von Liesegang in Düsseldorf betriebene
Fabrikation von photographischen Papieren käuflich erworben und bringt
die bekannten Marken und ein Bromsilberpapier in den Handel.
— — — & Aktien-Gesellschaft für Anilinfabrikation, Berlin.
Der Patentstreit wegen Edinol wurde durch Vereinbarung beigelegt.
Edinolpackungen werden den Vermerk tragen: mit Lizenz der Inhaber
des D.R.P. 60174. Vergl. diese Zeitschr. S. 118.
Für die Redaktion verantwortlich: Dr. E. ENGLISCH in Stuttgart.
Zeiticrift für wilienichaftlidie Photographie,
Photophylik und Photodiemie
I. Band. 20.2.1903 Heft 12.
Über die Strahlungsgesetze.
(Vortrag, gehalten in der Chemischen Gesellschaft zu Breslau am 3. Juli 1903.)
Von E. Pringsheim in Berlin.
(Mit 6 Abbildungen.)
M. H. Indem ich der ehrenvollen Aufforderung Ihres verehrten
Vorstandes mit verbindlichem Danke Folge leiste, will ich versuchen,
Ihnen einen kurzen Überblick über einige Fortschritte zu geben, die
im Laufe der letzten Jahre auf dem Gebiete der Strahlungslehre ge-
macht worden sind. Dabei müssen wir unser Thema jedoch eng um-
grenzen und können uns keineswegs mit all den wichtigen Errungen-
schaften beschäftigen, durch die unsere Kenntnis von der Strahlung
und den Strahlen neuerdings in so verschwenderischer Fülle bereichert
worden ist. So muß ich es mir insbesondere versagen, Ihnen die
jüngsten Wunderkinder der Physik vorzuführen, die Röntgenstrahlen,
Becquerelstrahlen, Radium-, Polonium-, z-Strahlen und wie sie alle
heißen mögen, welche durch ihre wunderbaren Eigenschaften und ihren
rätselhaften Ursprung nicht nur das lebhafteste Interesse der Physiker
auf sich gezogen, sondern auch in der ganzen gebildeten Welt Staunen
und Sensation hervorgerufen haben.
M. H. Das Gebiet, mit dem wir uns heute beschäftigen wollen,
hat längst alles Sensationelle abgestreift, es ist das altbekannte, uns allen
vertraute Gebiet der gewöhnlichen Lichtstrahlen und der mit ihnen
wesensgleichen Strahlen, d. h. derjenigen, welche die Physiker als ultra-
rote und ultraviolette Strahlen bezeichnen.
Die Vorgänge der Emission der sichtbaren, ultraroten und ultra-
violetten Strahlen — wir wollen sie kurz als Lichtemission bezeichnen
— lassen sich zunächst theoretisch. in zwei wesentlich verschiedene
Klassen teilen, 1) diejenigen, bei welchen die ausgesandte Strahlung
lediglich von der Temperatur des strahlenden Körpers abhängt, 2) die-
jenigen, bei denen die Temperatur keine wesentliche oder wenigstens
nicht die einzig wesentliche Rolle spielt. Die Vorgänge der ersten Art
bezeichnen wir mit R. v. Helmholtz als reine Temperaturstrahlung, für
die Vorgänge der zweiten Art hat E. Wiedemann den Namen Lumines-
cenz eingeführt.
Zeitschr. f. wiss. Phot. 1. 29
392 E. Pringsheim.
Das Gebiet der reinen Temperaturstrahlung ist ein sehr großes und
wichtiges. Hierher gehört die Strahlung eines Ofens, das Licht, das von
dem Kohlenfaden der elektrischen Glühlampe und dem Krater der
Bogenlampe ausgeht, das Licht der Petroleumlampe, der Kerze, worin
der ausgeschiedene feste Kohlenstoff unter Wirkung der Hitze leuchtet,
überhaupt fast ausnahmslos alle Vorgänge welche wir in den künstlichen
Lichtquellen als Lichtspender benutzen.
Um auch ein Beispiel der Luminescenz anzuführen, erinnere ich
an das krasseste Beispiel dieser Art, an Fluorescenz und Phosphorescenz.
Hier senden die Körper Lichtstrahlen aus bei Temperaturen, die weit
unter der gewöhnlichen Glühtemperatur liegen, bei gewöhnlicher Zimmer-
temperatur, ja sogar bei der Temperatur der flüssigen Luft.
I. Die Strahlungsgesetze.
1) Das Kirchhoffsche Gesetz und der schwarze Körper. Wir werden
uns heute im wesentlichen nur mit der reinen Temperaturstrahlung zu
beschäftigen haben, denn nur für diese ist es gelungen, Strahlungsgesetze
aufzustellen, d. h. quantitative Beziehungen zu finden zwischen den
Bedingungen der Emission und der Art und Intensität der emittierten
Strahlung. Das älteste Strahlungsgesetz, welches das Fundament der
ganzen quantitativen Strahlungslehre bildet, ist das im Jahre 1860 von
Kirchhoff aufgestellte und zwar theoretisch hergeleitete Gesetz von
der Beziehung zwischen dem Absorptionsvermögen und dem Emissions-
vermögen der strahlenden Körper. Es gilt nur für reine Temperatur-
strahlung, und Kirchhoff hat die Bedingungen dieser Strahlung klar
und scharf festgelegt. Man kann sie folgendermaßen aussprechen: Die
in Form von Strahlung ausgesandte Energie muß vollständig und direkt
der Wärmeenergie des strahlenden Körpers entnommen sein, und die
von dem Körper absorbierte Strahlungsenergie muB vollständig und direkt
in Wärmeenergie umgesetzt werden. Wenn das der Fall ist, und nur
wenn das der Fall ist, kann man auch auf die durch Strahlung über-
mittelte Wärme das Carnotsche Prinzip anwenden, aus welchem dann
das Kirchhoffsche Gesetz sich ableiten läßt. Dieses wollen wir in
folgender Form aussprechen:
Haben wir eine beliebige Anzahl von Körpern mit verschiedenen
Strahlungs- und Absorptionseigenschaften, die Körper 1 2 3 ... alle
von der Temperatur 7, seien £, £, Æ, ... die Emissionsvermögen,
A, A, A, ... die Absorptionsvermögen bezogen auf eine bestimmte,
für alle gleiche Wellenlänge A, also auf Licht von einer bestimmten
homogenen Spektralfarbe, so ist:
Unter Emissionsvermögen verstehen wir hierbei eine Größe, welche die
Intensität der von dem Körper ausgehenden Strahlung der Wellenlänge
2 mißt, das Absorptionsvermögen ist der Bruchteil der auf den Körper
Über die Strahlungsgesetze. 393
einfallenden Strahlung, welcher in ihm absorbiert wird. Trifft also die
Energie / auf, so wird A) absorbiert, und das Absorptionsvermögen ist:
Eh
A= F
Die nicht absorbierten Strahlen treten aus dem Körper wieder heraus,
indem sie teils von ihm reflektiert, teils hindurchgelassen werden.
Streng genommen muß Emmissionsvermögen und Absorptionsvermögen
noch auf eine bestimmte Richtung der Strahlen und eine bestimmte
Polarisationsrichtung bezogen werden, doch auf solche Finessen wollen
wir hier verzichten. Das Kirchhoffsche Gesetz sagt also aus, daß
das Verhältnis zwischen Emissionsvermögen und Absorptionsvermögen
für die gleiche Temperatur und Wellenlänge für alle verschiedenen Körper
das gleiche ist, also unabhängig von der Natur des strahlenden Körpers.
Für dieses konstante, von der Natur des Körpers unabhängige Ver-
hältnis wollen wir jetzt eine Bezeichnung einführen, wir nennen es S,
und deuten durch den Index A an, daß es abhängt von der Wellen-
länge A, für verschiedene A verschiedene Werte annimmt. Wir schreiben
jetzt das Kirchhoffsche Gesetz in der Form
Al = Sa,
indem wir unter Æ, und A, das Emissionsvermögen resp. Absorptions-
vermögen eines beliebigen Körpers für die Wellenlänge A verstehen.
Was bedeutet dann S,? Ist A, = I, so wird
E, = S}.
Also S, ist das Emissionsvermögen eines Körpers, dessen Absorptions-
vermögen I wird, d. h. der alle Strahlung der Wellenlänge A, die auf
ihn einfällt, absorbiert. Wenden wir diese Gleichung der Reihe nach
auf alle verschiedenen Wellenlängen A an, so stellt S, die Emission
eines Körpers für alle Wellenlängen dar, dessen Absorptionsvermögen
für alle Wellenlängen = ı ist. Ein solcher, zunächst nur theoretisch
gedachter Körper, würde alles auf ihn auffallende fremde Licht ver-
schlucken, in fremdem Licht betrachtet würde er also vollkommen schwarz
erscheinen. Das ist der von Kirchhoff theoretisch definierte schwarze
Körper, welcher alle auf ilın auffallende Strahlung absorbiert, also Strahlung
weder reflektiert noch hindurchläßt.
Welche Bedeutung hat nun das Kirchhoffsche Gesetz?
Lange Zeit wurde diese im wesentlichen in einer Folgerung er-
blickt, welche man aus ihm ziehen kann und welche von Kirchhoff
schon aus ihm gezogen worden ist. Das ist die Folgerung, daß ein
Körper, welcher für Strahlen einer bestimmten Wellenlänge ein beson-
ders hohes Emissionsvermögen besitzt, für dieselben Strahlen auch ein
besonders großes Absorptionsvermögen haben muß. Oder mit anderen
Worten: Eine leuchtende Substanz, welche cin Linienspektrum zeigt,
d. h. helle Linien auf dunkleın Grunde, muß ein dem Linienspektrum
genau entsprechendes Absorptionsspektrum besitzen, dunkle Linien auf
hellem Grunde, deren Wellenlänge und Lage im Spektrum mit der der-
29”
an
E. Pringsheim.
‘selben Linien des Emissionsspektrums genau übereinstimmt. Diese Fol-
gerung ist lange Zeit als die theoretische Grundlage des wichtigsten
Versuches der Spektralanalyse angesehen worden, des Versuches der
Umkehrung der Spektrallinien, und damit zugleich als Grundlage der
Schlüsse, welche man aus der Lage der Frauenhoferschen Linien im
Spektrum und ihrer Übereinstimmung mit den hellen Linien der Spektren
irdischer Elemente auf die chemische Konstitution der Sonne hat ziehen
können. In neuerer Zeit nun ist die Anschauung durchgedrungen, daß
die Bedeutung des Kirchhoffschen Gesetzes in dieser Beziehung weit
überschätzt worden ist. Denn das Gesetzt gilt nur für reine Temperatur-
strahlung, die Vorgänge aber, um die es sich hier handelt, bei denen
die gasförmigen Elemente Linienspektren aussenden, können nicht als
reine Temperaturstralilung betrachtet werden, sondern sind Luminescenz-
erscheinungen. Das Kirchhoffsche Gesetz ist also auf diese Vorgänge
gar nicht anwendbar. Die aus ihm gezogene Folgerung aber ist den-
noch gültig, und zwar deshalb, weil sie eben nicht wie das Kirch-
hoffsche Gesetz bloß für reine Temperaturstrahlung gilt, sondern auf
einer viel breiteren Grundlage ruht. Sie ist einfach der Ausdruck einer
allgemeinen Eigenschaft aller Resonanzvorgánge. Alle schwingenden
Systeme vermögen Schwingungen der gleichen Schwingungsdauer, wie
sie sie selbst aussenden, auch in hervorragendem Maße zu absorbieren.
Das sehen wir in der Mechanik an den Pendeln, in der Akustik an
Resonatoren, Saiten usw., und das Gleiche ist sogar für den krassesten
Fall der Luminescenz, für die Fluorescenz vor kurzem durch Burke
bewiesen worden. Wenn wir also dem Kirchhoffschen Gesetz den
Nimbus rauben müssen, daB es die theoretische Grundlage der Spektral-
analyse sei, so ist gerade in der letzten Zeit seine eigentliche und wahre
Bedcutung um so deutlicher hervorgetreten, die infolge der gewaltigen Erfolge
der Spektralanalyse lange Zeit überschen oder vernachlässigt worden ist.
Für die reine Temperaturstrahlung setzt das Körchhoffsche Ge-
setz die Emission aller in der Natur vorkommenden Körper in eine
einfache Beziehung zu der eines bestimmten Körpers, des schwarzen.
Würden wir die Funktion S;, d. h. die Emission des schwarzen Körpers
für jede Wellenlänge bei jeder Temperatur kennen, so würden wir aus
ihr die Emission für jeden beliebigen Körper berechnen können, wenn
uns dessen Absorptionsvermögen A, bekannt ist. Die Funktion $, stellt
also die allgemeinste Form der Abhängigkeit dar, in welcher die Strahlung
von der Temperatur und Wellenlänge steht, sie ist die allgemeine Strahlungs-
funktion, losgelóst von allen individuellen Absorptionseigenschaften eines
speziellen Körpers. Während es in der Spektralanalyse auf die indi-
viduellen Verschiedenheiten der Strahlungseigenschaften der verschiedenen
Substanzen ankommt und man die verschiedenen Elemente an den
charakteristischen Verschiedenheiten ihrer Emission erkennt, so entsteht
hier die Aufgabe, die allgemeine, für alle Körper maßgebende Emissions-
funktion S, zu finden, aus welcher sich die speziellen Emissionsfunk-
tionen Æ, der einzelnen Körper dann mit Hilfe des Absorptionsver-
mögens ergeben. Hier ist also nicht die Frage, was die Körper scheidet,
sondern was sie eint!
Über die Strahlungsgesetze. 395
Diese Strahlungsfunktion des schwarzen Körpers gibt zugleich den
Maximalwert an, den die Strahlung eines Körpers von bestimmter
Temperatur überhaupt erreichen kann. Denn da 4, höchstens = I sein
kann, im allgemeinen aber ein echter Bruch ist, so hat die Strahlung
des schwarzen Körpers — schwarze Strahlung, wie wir sie mit Thiesen
nennen wollen — für jede Wellenlänge die höchste Intensität, welche
für einen Körper dieser Temperatur überhaupt erreichbar ist. Der
schwärzeste Körper ist zugleich der weißeste, der intensivste, hellste Strahler.
Dieser scheinbare Widerspruch, dieses Paradoxon, ist eben der Ausdruck
des Kirchhoffschen Satzes, nach dem die Helligkeit eines Körpers
als Emittent seiner Dunkelheit, seiner Schwärze als Absorbent pro-
portional ist.
Auch in thermodynamischer Beziehung ist die schwarze Strahlung
vor jeder andern ausgezeichnet. Sie kann als der stabile Gleich-
gewichtszustand der Strahlung angesehen werden, in welchen jede
andere Strahlung ohne Arbeitsleistung übergeführt werden kann.
Kirchoff selbst hat diese Bedeutung seines Satzes scharf hervor-
gehoben, er hat ausgesprochen, daß die ganze Fruchtbarkeit dieses Ge-
setzes sich erst zeigen werde, wenn auf experimentellem Wege die
Form der Funktion gefunden sein werde, welche die Strahlung des
schwarzen Körpers für jede Wellenlänge und jede Temperatur zu be-
stimmen gestattet.
Im folgenden wollen wir uns mit den Arbeiten beschäftigen, welche
uns zur vollkommenen Kenntnis dieser allgemeinen Strahlungsfunktion S,
geführt haben.
Vorher jedoch wollen wir einen einfachen Versuch anstellen,
welcher uns zeigen soll, wie gemäß dem Kirchhoffschen Gesetz
Emmissionsvermögen und Absorptionsvermögen einander parallel gehen.
Ich habe hier ein dünnes Platinblech von nur 0,01 mm Dicke,
welches durch einen an seinen beiden Enden zugeführten elektrischen
Starkstrom glühend gemacht werden kann. Auf der Vorderseite des
8 cm langen, 4 cm breiten Bleches habe ich in der Mitte einen
kreisförmigen Tintenfleck gemacht, diese Stelle ist also dunkler als die
blanke Platinoberfläche, sie hat ein größeres Absorptionsvermögen als
diese. Ich schließe den Strom und projiziere mit Hilfe einer Linse
das Bild des glühenden Bleches dort auf den weißen Schirm. Sie
sehen wie sich der Tintenfleck hell von dem dunkler glühenden Platin
abhebt, seinem größeren Absorptionsvermögen entspricht nach dem
Kirchhoffschen Gesetz bei gleicher Temperatur ein größeres Emmissions-
vermögen. Daß die Temperatur des Tintenfleckes wirklich nicht höher
ist, als die des umgebenden Platins erkennen Sie leicht, wenn ich jetzt
das Bild der Rückseite des Bleches auf einen zweiten Schirm projiziere.
Jetzt sehen Sie, daß die Stelle, an welcher sich auf der Vorderseite
des Bleches der Tintenfleck befindet, dunkel auf hellem Hintergrunde
erscheint, ein Beweis dafür, daß diese Stelle nicht nur nicht heißer,
sondern sogar weniger heiß ist als die Umgebung. Das ist auch ganz
erklärlich; denn da der Tintenfleck mehr Wärme in Form von Strahlung
aussendet als das blanke Platin, durch den Strom aber jedem Quer-
396 E. Pringsheim.
schnitt des Bleches gleichviel Wärme zugeführt wird, so muB die Stelle,
an der sich der Tintenfleck befindet, weniger heiß sein, als der übrige
Teil des Bleches. Das Manco an Strahlung infolge der etwas niedrigeren
Temperatur wird also durch das höhere Emissionsvermögen des Tinten-
fleckes mehr als ausgewetzt.
2. Das Stefan-Boltemannsche Gesetz. Der Weg, der uns zur Erkenntnis
der Funktion Si geführt hat, läßt sich in zwei Etappen teilen. Zuerst
fassen wir alle Strahlen verschiedener Wellenlänge zusammen und fragen:
Wie hängt die Gesamtstrahlung des schwarzen Körpers von der Tempe-
ratur ab? Dann erst wenden wir uns zu der Frage: Wie ist die Energie
der schwarzen Strahlung unter die Strahlen verschiedener Wellenlänge
verteilt?
Lange Zeit wurde die Frage nach der Gesamitstrahlung unklar auf-
gefaßt, indem man nicht genügend berücksichtigte, daß die verschiedenen
Körper verschiedene Strahlungsgesetze befolgen müssen und daß das
allein typische, allgemeine Gesetz nur dem schwarzen Körper zukommt.
Die verschiedenen Forscher, welche mit beliebig herausgegriffenen Sub-
stanzen arbeiteten, kamen daher zu verschiedenen Resultaten, die man
miteinander nicht in Einklang zu bringen wußte. So wurden ver-
schiedene Strahlungsgesetze aufgestellt. Wir wollen uns hier nur mit
einem dieser Gesetze beschäftigen, nämlich demjenigen, welches Stefan
1879 nicht als Strahlungsgesetz des schwarzen Körpers, sondern als
„Strahlungsgesetz der Körper“ aufgestellt hat. Aus der Betrachtung
der Resultate, welche verschiedene Forscher an verschiedenen Sub-
stanzen gewonnen hatten, kam er empirisch mit gutem Glück zu seinem
Gesetz, wonach die Strahlung der Körper proportional der vierten Potenz
der absoluten Temperatur zunimmt. Wenn dieses Gesetz auch nicht
für alle Körper gilt und nicht für alle Körper gelten kann, so hat es
doch eine große Bedeutung gewonnen zunächst dadurch, daß Boltz-
mann 1889 theoretisch gefunden hat, daB das Stefansche Gesetz für
den schwarzen Körper gelten müsse. Es lautet:
(1) S=0. T’.
Hier bedeutet S die Gesamtstrahlung des schwarzen Körpers bei der
absoluten Temperatur 7, ø eine Konstante.
Boltzmann geht aus von dem wichtigen Satze der Maxwellschen
elektromagnetischen Lichttheorie, wonach ein Lichtstrahl bei senkrechter
Incidenz auf die Flächeneinheit einen Druck ausübt, welcher gleich ist
der in der Einheit des Volumens enthaltenen Energie der Strahlung.
Es ist dies der berühmte Strahlungsdruck oder Ätherdruck. Aus ihm
leitete Boltzmann mit Hilfe rein thermodynamischer Überlegungen
das Stefansche Gesetz für den schwarzen Körper ab.
Eine exakte Prüfung dieses Gesetzes war so lange unmöglich, als
man auf die natürlichen Körper angewiesen war, über deren Schwärze
man kein rechtes Urteil besitzt. Zwar gibt es einige Körper wie z. B.
Ruß nnd Platinmohr (daher der Name) welche bei gewöhnlicher Tem-
peratur nicht nur für das sichtbare Licht, sondern auch für die hier
besonders in Betracht kommenden ultraroten Strahlen nahezu voll-
Über die Strahlungsgesetze. 397
ständig schwarz sind, aber diese Körper sind als Strahler nicht zu
verwenden, weil sie schon bei mäßiger Temperatur zerstört werden,
Ruß bei 400°, Pt-Mohr bei 600° C. Daher war es ein großer Fort-
schritt, als es Wien und Lummer 1895 gelang, die schwarze Strahlung
zu verwirklichen. Die Möglichkeit hierzu ist gegeben durch eine ein-
fache Folgerung aus dem Kirchhoffschen Gesetz. Diese sagt uns,
daß innerhalb eines geschlossenen Raumes von überall gleicher Tempe-
ratur die Strahlung des schwarzen Körpers herrscht, d. h. die von
jeder Stelle der Oberfläche nach dem Innern des Raumes ausgehende
Strahlung ist genau die gleiche, als ob die Oberfläche eine vollkommen
schwarze wäre, gleichgültig aus welchen Körpern sie in Wirklichkeit
besteht. Nun braucht man nur in einen solchen Raum eine kleine
Öffnung zu machen, so gelangt aus dieser die Strahlung nach außen,
und diese Strahlung ist praktisch mit der des schwarzen Körpers voll-
ständig identisch. Also um die schwarze Strahlung zu verwirklichen,
bringt man einen beliebig gestalteten Hohlraum aus beliebiger Substanz
auf konstante Temperatur und läßt die Strahlung aus seinem Innern
durch eine kleine Öffnung austreten. Das Prinzip ist also sehr einfach.
Haben wir zwei freistrahlende Körper ı und 2 mit großem, respektive
kleinem Absorptionsvermögen, so ist bei gleicher Temperatur T die
Eigenstrahlung von I groß, von 2 klein; #, resp. e. Bringen wir
jetzt die Körper in einen Hohlraum von der gleichen Temperatur 7,
so werden beide von der gleichen, dort herrschenden Strahlung ge-
troffen. 1 hat große Absorption, gibt also von den auf ihn fallenden
Strahlen wenig wieder heraus, die „geborgte“ Strahlung g, ist also klein.
Die ganze von ihm ausgehende Strahlung ist
£, +8:
Für 2 ist die Eigenstrahlung e, klein, aber da es wenig absorbiert, so
ist seine geborgte Strahlung G, groß, die gesamte von ihm ausgehende
Strahlung ist
€ t Gy
Was dem Körper 2 also an Eigenstrahlung abgeht, ersetzt er durch
geborgte Strahlung und aus dem Kirchhoffschen Gesetze geht un-
mittelbar hervor, daB Z, +g, für jede Wellenlänge genau gleich
€, + G, ist.
Zur Demonstration dieser Wirkungsweise des Hohlraums dient der
von Lummer konstruierte „Glühtopf“. Es ist dies ein kleiner elek-
trischer Ofen, in welchem ein Porzellantigel zur Rotglut erhitzt wird.
Die Wände und der Boden des Tigels, sowie der Deckel des Ofens
befinden sich auf nahezu gleicher Temperatur. Auf dem Boden des
Tigels ist ein kreisrunder Tintenfleck gemalt. Durch eine Öflnung im
Deckel tritt das Licht aus dem Innern heraus, und ich entwerfe mit
Hilfe einer Linse ein Bild von dem Boden des Tigels auf einen unter
45° gegen die Horizontale geneigten Schirm. Sie sehen einen kreis-
runden gleichmäßig hellen Lichttleck. Von dem Tintenfleck ist nichts
zu sehen, in dem gleichtemperierten Hohlraum strahlen alle Körper
gleich, hier gibt es keine Klassenunterschiede. Jeder ersetzt das, was
398 E. Pringsheim.
ihm von Natur fehlt durch das, was er sich borgt; das weiße Porzellan
wirft durch Reflexion einen gróberen Teil der auf ihn einfallenden
Strahlung zurück, als der stärker absorbierende, weniger stark reflek-
tierende Tintenfleck. Jetzt führe ich ein kaltes Metallrohr in den Hohl-
raum ein, welches den Boden des Tigels vor den von den Seitenwänden
ausgehenden Strahlen schützt. Sofort sehen Sie in dem jetzt natürlich ver-
verkleinerten Gesichtsfeld den Tintenfleck hell auf dem dunkleren Grunde
leuchten. Jetzt ist jeder auf seine eigene Kraft angewiesen und sofort
zeigt sich, wer von der Natur mit einem höheren Strahlungsvermögen
ausgerüstet ist. Ich ziehe jetzt das Rohr wieder heraus. Was ge-
schieht? Der Tintenfleck erscheint dunkel auf hellerem Grunde. Die
Erklärung ist einfach. So lange das Rohr eingeführt war, konnte die
Strahlung von dem Boden des Tiegels nach außen gelangen, von den
Seitenwänden nicht, daher hat sich der Boden mehr abgekühlt als die
Seitenwände. Diese sind jetzt heißer als jener. Wenn das Rohr
herausgezogen ist, kommt daher die Kraft der Eigenstrahlung weniger
zur Geltung, als die Kunst fremde Strahlung zu borgen, da diese fremde
Strahlung jetzt von höher temperierten Körpern ausgeht, als die Eigen-
strahlung. Jetzt ist
| E, — 4 < CG, — 81»
also l
| E, tra < € + 06
Nach kurzer Zeit hat sich die Temperatur wieder ausgeglichen, Z, +8,
ist wieder gleich e, + G, geworden, und das Bild des Tintenfleckes ist
wieder verschwunden.
Soviel zur Demonstration des Prinzips vom Hohlraum, auf welchem
die Konstruktion des schwarzen Körpers beruht. Mit solchen schwarzen
Körpern haben Lummer und ich 1897 die Gesamtstrahlung in ihrer
Abhängigkeit von der Temperatur untersucht. Die strahlenden Hohl-
räume aus Glas oder Metall wurden in einem Strom von Wasserdampf,
oder in einem Bade von geschmolzenem Salpeter oder bei den höchsten
Temperaturen in einem Gasofen auf gleichmäßige Temperatur gebracht,
die Temperatur wurde teils mit gewöhnlichen, teils mit hochgradigen
Thermometern, teils mit einem Le Chatelierschen Thermoelemente
gemessen; die Strahlungsmessung erfolgte mit Hilfe eines Lummer-
Kurlbaumschen Flächenbolometers. Dieses besteht im wesentlichen
aus einem sehr dünnen, nur I u dicken, mit Platinmohr geschwärzten
Platinblech, welches die auffallende Strahlung absorbiert. Dadurch er-
höht sich die Temperatur des Bolometers um ein geringes, und diese
Temperaturerhöhung läßt sich durch die Änderung sehr genau feststellen,
welche der elektrische Widerstand des Bleches dabei erfährt.
Die Widerstandsmessung geschieht nach der Methode der Wheat-
stoneschen Brücke, indem man die bei der Bestrahlung des Bolometers
eintretende Ablenkung eines in den Stromkreis eingeschalteten empfind-
lichen Galvanometers beobachtet. Die Resultate der Versuche sind in
folgender Tabelle zusammengestellt.
Über die Strahlungsgesetze. 399
Tabelle 1.
I E uo J min | v
Abs. Temp. Reduzierter 1010 Abs. Temp. T beob.
beobachtet | Ausschlag 15 berechnet A E — T ber.
373,1 156 127,0 374,6 -15
492.5 638 124,0 492,0 + 0,5
723,0 3320 124,8 724,3 — 1,3
745,0 3810 126 6 749,1 — 4,1
810,0 5150 121,6 806,5 + 3,5
868,0 6910 123,3 867,1 + 0,9
1378,0 44 700 124,2 | 1379,0 — 1
1470,0 57 400 123,1 1468,0 +2
1497,0 60 600 120,9 1488,0 +9
1535,0 67 800 122,3 1531,0 +4
Mittel: 123,8
Hier gibt Spalte I die mit dem Thermometer, bezw. dem Thermo-
element gemessene absolute Temperatur des schwarzen Körpers, Spalte II
die auf gleiches Maß reduzierten zugehörigen Galvanometerablenkungen
an, welche der emittierten Strahlung S direkt proportional sind. In
Spalte [II findet sich der aus jeder Beobachtung folgende Wert der
Größe o (multipliziert mit 101%, wenn man voraussetzt, daß die be-
treffende Beobachtung der Gleichung (1) folgt. Mit dem Mittelwert der
Größe o ist dann aus jeder Beobachtung nach der Gleichung
Ga) r=yi
die Temperatur 7° berechnet und in Spalte IV eingetragen. Die Zahlen
der Spalte V zeigen, daß sich die Abweichungen der Resultate vom
Stefanschen Gesetz schon durch relativ kleine Fehler der Temperatur-
bestimmung würden erklären lassen.
Durch diese Versuche war also die Gültigkeit de Stefan-Boltz-
mannschen Gesetzes innerhalb der benbachteten Temperaturgrenzen
experimentell bewiesen. Da die thermodynamische Herleitung Boltz-
manns als einwandsfrei betrachtet werden kann, so können wir diese
Experimente zugleich ansehen als Bestätigung der Maxwellschen Hypo-
these des Ätherdrucks, welche neuerdings so wichtige Anwendungen
auf die Theorie der Kometen gefunden hat. Im Jahre 1900 ist es
Lebedew gelungen, diesen Ätherdruck auch direkt experimentell nach-
zuweisen, allerdings durch sehr subtile Versuche.
Endlich sind diese Messungen noch in einer anderen Beziehung
erwähnenswert. Die angeführte Tabelle ist nämlich nicht unserer da-
maligen Arbeit entnommen, sondern ein wenig verändert. Die erste
Berechnung unserer Versuche ergab einen etwas weniger guten Anschluß
an das Stefansche Gesetz, und wir vermuteten, daß dies seinen Grund
in der Ungenauigkeit der benutzten Temperaturskala hätte. Diese be-
ruhte auf der in der Reichsanstalt von Holborn und Wien aus-
geführten Vergleichung des Le Chatelierschen Thermoelementes
mit dem Gasthermomcter. In der Tat ergaben sich bei einer von
400 | E. Pringsheim.
Holborn und Day ausgeführten neuen Vergleichung des Thermo-
elementes mit einem Stickstoffthermometer Abweichungen gegen die
frühere Skala, welche unsere Versuche über das Stefansche Gesetz in
die vorhin gezeigte, sehr befriedigende Übereinstimmung brachten. Hier
zeigte sich also schon eine gewisse Überlegenheit der Strahlungsmessungen
bei hohen Temperaturen gegenüber den damals durchgeführten gas-
thermometrischen Temperaturbestimmungen.
3. Energiekhurven und Enersiemaximum. Nachdem so das Grund-
gesetz der schwarzen Strahlung experimentell ermittelt war, gingen wir
zur Untersuchung der Frage über, wie die Emission des schwarzen
Körpers für jede Temperatur auf die Strahlen verschiedener Wellenlänge
verteilt ist. Die Lösung dieser Aufgabe wurde uns dadurch sehr er-
leichtert, daB wir nicht mehr mit dem früher benutzten schwer zu be-
handelnden schwarzen Körper zu operieren brauchten, sondern den
inzwischen von Lummer und Kurlbaum konstruierten, elektrisch ge-
glühten schwarzen Körper benutzen konnten, welcher weit bequemer zu
handhaben ist. Bei diesem besteht der strahlende Hohlraum (Fig. 1)
aus einem mit Zwischenwänden und Diaphragmen versehenen zylindri-
schen Porzellanrohr. Die Heizung erfolgt durch einen starken elektri-
Fig. 1.
schen Strom, der einen über das Rohr gestülpten Mantel aus dünnem
Platinblech durchfließt. Einige Schutzhüllen (in der Figur nicht gezeichnet)
dienen zum Schutze gegen äußeren Wärmeverlust. Durch zwei Löcher
der mittleren Querwand sind die Drähte eines Thermoelementes 7
hindurchgezogen, welches zur Messung der Temperatur des schwarzen
Körpers dient. Die aus der Öffnung O austretende Strahlung dieses
Körpers wurde mit Hilfe eines Spektralbolometers untersucht. Es ist
das ein Spektralapparat, bei welchem die Objektive des Kollimators und
des Beobachtungsfernrohrs durch zwei konkave Silberspiegel ersetzt sind;
statt des Okulars ist ein Linearbolometer eingesetzt. Da es nämlich
hier wesentlich auf die ultraroten Strahlen ankommt, welche vom Glas
stark absorbiert werden, können keine gläsernen Linsen benutzt werden.
Ebenso muß das Prisma aus einer für ultrarot durchlässigen Substanz
bestehen; wir benutzten ein Flußspatprisma. Zwischen dem Spalt und
dem schwarzen Körper befand sich eine mit Wasser gespülte Klappe.
Wird diese in die Höhe gezogen, so fällt die Strahlung desjenigen
Spektralbezirkes, in welchem gerade der schmale, nur 0,2 mm breite
Platinstreifen des Linearbolometers eingestellt ist, auf das Bolometer;
der dabei erzeugte Galvanometerausschlag wird beobachtet. Die Tempe-
ratur des schwarzen Körpers wird konstant gehalten und das Bolometer
allmählich dureh das ganze Spektrum hindurchgeführt, wobei in jeder
Stellung die Klappe in die Höhe gezogen und nach Vollendung des
Über die Strahlungsgesetze. 401
S Ausschlages wieder gesenkt wird. Trägt man
À- die beobachteten Galvanometerausschläge als
Ordinaten, die zugehörigen, aus der prismati-
schen Ablenkung leicht zu berechnenden
Wellenlängen als Abszissen ein, so erhält
130 man die, der betreffenden Temperatur des
schwarzen Körpers zugehörige sogenannte
Energiekurve. Die so gefundenen Kurven
120 sind von der Dispersion des Prismas abhängig,
' bei Anwendung eines Prismas mit anderem
brechenden Winkel wúrden sie eine ganz
110 andere Gestalt haben. Um nun Kurven zu
erhalten, welche von diesem individuellen
Einfluß des Prismas frei sind, werden die
100 beobachteten Kurven auf das sogenannte
Normalspektrum reduziert, d. h. sie werden
durch eine einfache Umrechnung auf diejenige
sd Form gebracht, die man erhalten würde, wenn
das benutzte Prisma
80 ein Normalspektrum
x x x beobachtet geben würde, d. h.
ein Spektrum, bei
welchem der Ab-
stand je zweier Spek-
tralfarben proportio-
nal ist der Differenz
ihrer Wellenlängen.
Eine Anzahl solcher
normaler Energie-
kurven der schwar-
zen Strahlung sind
in Fig. 2 dargestellt.
Jede einzelnederaus-
gezogenen Kurven
bezieht sich auf eine
bestimmte, in der
Figur angegebene
Temperatur. Es sind
also Kurven kon-
stanter Temperatur,
Isothermen, deren
Ordinaten proportio-
nal dem Emissions-
vermögen des
schwarzen Körpers
sind, während die
Abszissen die zugehörigen Wellenlängen in u angeben.
Schon bei oberflächlicher Betrachtung dieser Kurven fallen . uns
08 berechnet
402 E. Pringsheim.
einige Eigentümlichkeiten auf. Zunächst ist der stetige Zug der Kurven
durch einige unregelmäßige Vertiefungen unterbrochen. Dies kommt
daher, daB der Wasserdampf und die Kohlensäure, welche in der Luft
enthalten sind, einige bestimmte Wellenlängenbezirke stark absorbieren und
daher die zum Bolometer gelangende Strahlung dieser Spektralgegenden
schwächen. Diese Absorptionslücken sind für unseren Zweck störend,
und um sie möglichst zu verringern, haben wir das Spektrobolometer
in einen Kasten eingebaut, dessen Luft möglichst von Wasserdampf und
Kohlensäure befreit war. Ohne diese Maßregel würden jene Lücken
bedeutend tiefer und breiter sein. Ferner ist leicht zu sehen, daß die
Kurven einander nie schneiden, sondern daß jede Kurve höherer Tempe-
ratur vollständig oberhalb der Kurve tieferer Temperatur liegt. Oder
mit anderen Worten: die Energie jeder einzelnen Wellenlänge wächst
mit steigeuder Temperatur. Jede der Kurven hat ein Maximum, von
dem aus nach beiden Seiten die Energie abnimmt. Die Wellenlänge,
an welcher das Maximum liegt, wollen wir mit Amax, das zugehörige
maximale Emissionsvermögen mit Smax bezeichnen. Diese maximale
Wellenlänge liegt für die verschiedenen Kurven an verschiedenen Stellen
des Spektrums, und zwar sehen wir, daß mit steigender Temperatur
das Maximum immer mehr nach kleineren Wellenlängen hinrückt. Dabei
steigt die Energie der kürzeren Wellen viel schneller mit der Temperatur,
als die der längeren. Dies entspricht der allbekannten Erscheinung,
daß ein glühender Körper bei tieferen Temperaturen zunächst rötlich
- glüht, und daß diese Rotglut dann mit steigender Temperatur allmählich
in Gelbglut und Weißglut übergeht.
Ehe wir noch weiter auf die Resultate eingehen, welche aus unseren
Kurven abgelesen werden können, müssen wir uns noch kurz mit einigen
Ergebnissen der Theorie beschäftigen. W. Wien hatte 1893 auf der
sicheren Grundlage der Thermodynamik theoretisch sein „Verschiebungs-
gesetz“ entwickelt. Dieses enthält zwei uns hier besonders interessierende
Gesetze, welche sich auf die Lage und Intensität des Energiemaximums
im Spektrum der schwarzen Strahlung beziehen. Der erste dieser Sätze
sagt aus, daß die maximale Wellenlänge der Energiekurven in dem
gleichen Verhältnis abnimmt, wie die absolute Temperatur des schwarzen
Körpers steigt. Der zweite Satz sagt, daß die maximale Energie selbst
proportional der fünften Potenz der absoluten Temperatur zunimmt.
Wir können diese beiden Sätze durch die Formeln
(2) Anus -T=A
und
. (3) Smax © 7-5=B
ausdrücken, in denen A und B Konstante bedeuten.
Wie genau diese Gesetze durch unsere Versuche bestätigt werden,
zeigt Tabelle 2 (Seite 403).
In der vorletzten Spalte ist die Temperatur angegeben, welche man
findet, wenn man mit dem aus den Beobachtungen folgenden Mittel
von 2 die Temperatur nach Gleichung (3) berechnet, die letzte Spalte
enthált die Differenz zwischen der beobachteten und dieser berechneten
Über die Strahlungsgesetze. 403
Temperatur. Auch hier sieht man wieder, daß alle Abweichungen der
Beobachtung von der Gleichung (3) sich schon durch kleine Fehler in
der Temperaturbestimmung würden erklären lassen. Für die Konstante
des Gesetzes (2), welche eine Naturkonstante, unabhängig von den be-
sonderen Versuchsbedingungen ist, ergeben unsere Versuche den Wert
A = 20940.
Tabelle 2.
Absol. bias. — — | T beob.
o Rmax Smax |A=Amax. T| B= Smax. 7 "| T= Y Smax / Bmittel | T ber.
621,2" 4,53 | 2,026 2814 2190. 10-17 621,30 — 0,10
23 4,08 4.28 2950 2166. 10—17 721,5 + 1,5
908,5 |- 3,28 13,66 2980 2208, 10—17 g10,I — 1,6
998,5 | 2,96 | 21,50 2956 2166 . 10—17 996,5 + 2,0
1094,5 | 2,71 34,0 2966 2164 . 10—17 1092,3 + 2,2
1259,0| 2,35 | 68,8 2959 2170. 10-17 1257,5 + 1,5
1460,4! 2,04 | 145,0 | 2979 2184 . 10-17 1460,0 + 0,4
1646 | 1,78 |270,6 2928 2246. 10—17 1653,5 — 7,50
Mittel = 2940 2188 . 10-17
4) Spektraleteichung. Während also die auf das Maximum der
Energie bezüglichen, theoretisch von W. Wien gefundenen Gesetze durch
unsere Versuche vollkommen bestätigt wurden, war das nicht in gleichem
Maße der Fall mit einer anderen von Wien im Jahre 1896 theoretisch
hergeleiteten Gleichung, welche direkt die Verteilung der Energie im
Spektrum des schwarzen Körpers darstellen sollte. Diese Wzensche Spektral-
gleichung, deren Herleitung von sehr unsicheren kinetischen Hypothesen
ausgeht und auch in ihren Schlußfolgerungen angreifbar ist, lautet:
(4) Si = a
15247
Diese Gleichung gibt also direkt das Emissionsvermógen S, des schwarzen
Körpers an als Funktion der Wellenlänge 4 und der absoluten Tempe-
ratur 7. C und c sind Konstanten, e die Basis der natürlichen Loga-
rithmen. In Fig. 2 sind die Kurven gestrichelt gezeichnet, deren Ver-
lauf durch die Gleichung (4) für die der Beobachtung zugrunde gelegten
Temperaturen dargestellt wird. Diese theoretischen Kurven zeigen von
den beobachteten zwar keine sehr großen, aber deutliche und zweifellos
systematische Abweichungen.
Diese Differenz zwischen Beobachtung und Theorie veranlaßte uns,
unsere Versuche unter veränderten Bedingungen zu wiederholen, jedoch
war das Resultat der zweiten Untersuchung, welcher übrigens obige
Kurven entnommen sind, in vollkommenem Einklang mit dem der ersten.
Inzwischen war aber die Position der Wienschen Gleichung erheb-
lich gestärkt worden, experimentell durch Paschen, theoretisch durch
Planck. Paschen benutzte einen von ihm konstruierten „schwarzen
Körper“ und fand zunächst bei ziemlich tiefen Temperaturen die Wiensche
404 E. Pringsheim.
Gleichung in voller Übereinstimmung mit dem Experiment. Planck leitete
diese Gleichung theoretisch aus der Theorie der elektrischen Schwingungen
mit Hilfe der Thermodynamik ab und glaubte dieser Ableitung ein hohes
Maß von Sicherheit zuschreiben zu können. Denn er sprach es aus,
daß die Wiensche Gleichung eine notwendige Folge der Anwendung
des Prinzips von der Vermehrung der Entropie auf die elektromagne-
tische Strahlung sei und daß daher die Grenzen ihrer Gültigkeit, falls
solche überhaupt existieren, mit denen des zweiten Hauptsatzes der
Wärmetheorie zusammenfallen, Kurz nach unserer zweiten Arbeit er-
schien eine Publikation von Paschen, worin er auch für hohe Tempe-
raturen die Richtigkeit der Wienschen Gleichung mit einer überraschen-
den Genauigkeit experimentell nachwies. Einen von uns gegen seine
Theorie gemachten Einwurf erkannte Planck (1900) zwar als berech-
tigt an, gab aber einen neuen theoretischen Beweis für die Richtigkeit
der Wienschen Gleichung.
Da bei unsern Versuchen die Abweichungen zwischen Theorie und
Experiment mit steigender Wellenlänge sichtlich zunahmen, suchten wir
die Entscheidung durch Untersuchung längerer Wellen herbeizuführen.
Flußspat besitzt für Wellenlängen von mehr als 7u eine starke Absorption,
daher ersetzten wir das Flußspatprisma des Spektralbolometers durch ein
Prisma aus Sylvin, welches für Untersuchungen des Spektralgebiets
zwischen 12 und ı8u sehr geeignet ist. Da es sich hier wesentlich um
die Frage nach der Richtigkeit der Wienschen Gleichung handelt, so
wollen wir die Resultate dieser Arbeit in etwas anderer Form darstellen,
als bisher. Falls nämlich die Wiensche Gleichung gilt, so müssen sich,
worauf zuerst Paschen aufmerksam gemacht hat, gerade Linien ergeben,
wenn man den Logarithmus des Emissionsvermögens für eine bestimmte
Wellenlänge A als Ordinate, den reziproken Wert der Temperatur (!/7)
als Abszisse aufträgt. In dieser Form als „Isochromaten“ sind unsere
Versuchsergebnisse in Fig. 3 wiedergegeben; die ausgezogenen Kurven
stellen die Beobachtungen dar, die gestrichelten Linien diejenigen Ge-
raden, welche für die Isochromaten aus der Wienschen Gleichung folgen
würden.
Hier treten die Abweichungen zwischen Beobachtung und Theorie
noch viel stärker hervor, als bei unseren früheren Versuchen, sie gehen
bis zu 60°/, des beobachteten Wertes der Energie und sind durch
Versuchsfehler unmöglich zu erklären. Die schon früher von uns
gefundenen Abweichungen werden also durch diese Experimente voll-
kommen bestätigt, und es ist zweifellos erwiesen, daß die Wiensche
Gleichung nicht den richtigen Ausdruck für die Kirchhoffsche Funktion
S, darstellt. Dieses Resultat wurde auch durch Versuche von Rubens
und Kurlbaum bestätigt, welche mit Hilfe der Methode der Rest-
strahlen Wellen bis zur Länge von 50u untersuchen konnten.
Jetzt beugte sich die Theorie dem Experiment. Planck gab eine
neue Spektralgleichung an, von der Form:
(5) Se ez
Über die Strahlungsgesetze. 405
Wie Sie sehen, m. H., ist der Unterschied zwischen dieser Gleichung
und der Wienschen äußerlich ein sehr geringer, beide Formeln unter-
scheiden sich nur durch den im Nenner der Planckschen Gleichung in
der Klammer stehenden Zusatz — 1. Aber diese Eins ist nicht ganz
so harmlos, wie sie aussieht. Freilich so lange die Größe e*7 einen
großen Wert hat, 100 oder gar 1000 und mehr, kommt es wenig oder
gar nicht darauf an, ob ich von diesem Werte noch die Zahl ı abziehe
oder nicht. Je kleiner aber e*7 wird, je mehr sich dieser Wert selbst
dem Werte ı nähert, desto mehr tritt der Einfluß dieser Planckschen
Eins hervor und desto mehr differieren die nach der Planckschen
Fig. 3.
Gleichung berechneten Werte der Strahlungsfunktion S, von den aus
der Wienschen Gleichung folgenden. Es läßt sich nun leicht zeigen,
daß die Konstante c der Planckschen Gleichung in einer sehr ein-
fachen Beziehung steht zu der Konstante A der Gleichung (2):
Imx T= A.
Es ist nämlich:
c = 4,96 5. A
oder da wir A = 2940 gefunden hatten:
c = 14000.
Für nicht allzu große Werte von AT ist also der Unterschied zwischen
der Planckschen und der Wienschen Gleichung sehr gering. Für
Cc
AT = 3000 würde 7 = 130 sein. Hier würde also die Subtraktion
der Eins den Wert von S, um weniger als ı°/, vermindern. Für die
406 E. Pringsheim.
höchste von uns beobachtete Temperatur und die größte Wellenlänge
geht aber AT bis zum Werte von etwa 30000, also ist 7 = 0,5,
Cc
eT = 1,65. Wenn wir hiervon Eins abziehen, so verringert sich der
Wert der Größe Sı beinahe auf !/, des nach der Wienschen Gleichung
berechneten.
Planck stellte seine Gleichung zunächst auf Grund unserer Ver-
suche auf, brachte sie aber später in eine interessante theoretische Be-
ziehung zur Thermodynamik. Dies führte ihn dazu, aus den Versuchen
über die schwarze Strahlung Werte für die absolute Masse eines Atoms
und die Größe des elektrischen Elementarquantums abzuleiten, welche
mit den auf ganz anderen Grundlagen gefundenen Zahlen der Größen-
ordnung nach gut übereinstimmen.
Im Jahre 1901 hat auch Paschen neue Versuche veröffentlicht,
nach denen er die Plancksche Gleichung mit derselben Genauigkeit
bestätigt findet, mit welcher er früher die Wiensche Gleichung als richtig
gefunden hatte.
So war endlich volle Harmonie zwischen Experiment und Theorie
hergestellt. Die Plancksche Gleichung steht mit der Erfahrung in so
guter Übereinstimmung, daß sie mindestens mit sehr großer Annäherung
als der mathematische Ausdruck der Kirchhoffschen Funktion S; gelten
kann. Ihr Verlauf wird graphisch durch unsere Kurven (Fig. 2) dar-
gestellt.
Somit war das Ziel erreicht, welches Kirchhoff einst der Forschung
gestellt hatte. Wie steht es nun mit der Erwartung, welche Kirchhoff
ausgesprochen hat, der Erwartung, daß nach Erreichung dieses Ziels
sich die ganze Fruchtbarkeit seines Gesetzes zeigen werde? Noch ist
die Zeit, welche seit der Begründung der Strahlungsgesetze verflossen
ist, zu kurz, als daß schon alle Konsequenzen aus der neuen Erkennt-
nis hätten gezogen werden können. Aber schon ein Überblick über
das bisher Erreichte wird Ihnen hoffentlich zeigen, daß die Voraussagung
Kirchhoffs nicht unberechtigt war.
11. Anwendungen der Strahlungsgesetze.
ı. Strahlungstheoretische Temperaturskala. Die wichtigsten Anwen-
dungen der Strahlungsgesetze beziehen sich bisher auf das Gebiet der
Messung hoher Temperaturen. Hier fehlte es bisher überhaupt noch an
einer brauchbaren Grundlage für die Messung, da die im Gebiete
tieferer Temperaturen benutzte Temperaturskala hier versagt.
Die absolute, von Sir William Thomson definierte thermodynamische
Temperaturskala hat ja bisher nur eine rein theoretische Bedeutung;
tatsächlich beruht die wissenschaftliche Temperaturmessung auf der
Ausdehnung der Gase. Bei hohen Temperaturen aber stößt die An-
wendung des Gasthermometers auf große Schwierigkeiten, und es ist
bisher noch nicht gelungen, exakte Messungen nach der gasthermo-
metrischen Skala bei Temperaturen über 1150” C. auszuführen. Andere
Über die Strahlungsgesetze. 407
thermometrische Methoden, z. B. die thermoelektrische, lassen sich zwar
bis zu erheblich höheren Temperaturen mit großer Genauigkeit durch-
führen, sind aber nur durch Extrapolation einer empirischen Formel
an die gasthermometrische Skala angeschlossen. Auch hat die ex-
perimentelle Mebbarkeit der Thermokraft eine Grenze nicht bloß an
dem Schmelzpunkt der benutzten Metalle, sondern auch in dem Um-
stand, daß alle als Isolatoren dienenden Substanzen bei hohen Tempe-
raturen gute Leiter der Elektrizität werden. Dadurch wird die Messung
der elektromotorischen Kräfte bei hohen Temperaturen untunlich. Es
fehlte somit bisher für das Gebiet der hohen Temperaturen eine brauch-
bare Meßmethode, deren Angaben auf die gasthermometrische Skala
bezogen sind, alle Temperaturangaben über 1150% C. hinaus waren
bisher unsicher und beruhten auf bloßer Extrapolation. Hier scheinen
die Strahlungsgesetze in erster Reihe berufen einzugreifen, denn die
Strahlung ist die unmittelbarste, ich möchte sagen natürlichste Wirkung
der Temperatur.
Bisher sind wir darauf ausgegangen die Strahlungsgesetze zu
finden, wir haben die uns noch unbekannten Beziehungen zwischen
der schwarzen Strahlung und der uns bekannten, nach der gas-
thermometrischen Skala gemessenen Temperatur aufgesucht. Jetzt, wo
wir die Strahlungsgesetze kennen, können wir umgekehrt aus der
Strahlung, die wir messen, die uns unbekannte, auf andere Weise nicht
bestimmbare Temperatur finden. Wir können jedes der oben be-
sprochenen Gesetze I, 2 und 3 zur Grundlage einer Meßmethode für
die Temperatur machen. Wir haben diese Gesetze gefunden und ihre
Konstanten ø, A und 2 bestimmt, indem wir die Temperatur nach der
gasthermometrischen Skala maßen. Wenn wir diese Gesetze also zur
Temperaturbestimmung benutzen, so müssen alle drei Methoden gleiche
Resultate ergeben, so lange wir uns in dem Gebiet bewegen, in welchem
die gasthermometrische Skala brauchbar ist. Wie steht es aber, wenn
wir über dieses Gebiet hinausgehen und zu Temperaturen gelangen,
bei denen die gasthermometrische Skala nicht mehr anwendbar ist?
Die Strahlungsgesetze sind nicht nur Resultate des Experiments, sondern
die Beziehungen zwischen der schwarzen Strahlung und der absoluten
Temperatur sind auch theoretisch so wohl begründet, daß man wohl be-
rechtigt ist, sie als Naturgesetze zu betrachten, die nicht bloß für das
Temperaturintervall gelten, für welches sie experimentell erwiesen sind,
sondern für alle Temperaturen überhaupt. Wenn das richtig ist, muß
sich für die Temperatur eines schwarzen Körpers nach allen drei
Methoden der gleiche Wert ergeben, wie hoch diese Temperatur auch
sein mag.
Außer den oben genannten Gesetzen gibt es noch beliebig viele
Beziehungen zwischen der schwarzen Strahlung und der Temperatur,
von denen jede zur Grundlage einer Meßmethode gemacht werden
kann; diese Beziehungen ergeben sich aus der Planckschen Spektral-
gleichung.
Unter ihnen ist besonders günstig und auch durch die Theorie
gestützt die spertralphotometrische Methode. Wir haben schon die Iso-
Zeitschr. f. wiss. Phot 1. 30
408 E. Pringsheim.
chromaten kennen gelernt, d. h. Kurven, welche darstellen, wie die Intensität
der Strahlung einer Wellenlänge mit der Temperatur sich ändert. Im
Gebiet des sichtbaren Spektrums ist es nicht nötig, zur Gewinnung
dieser Kurven die Energie mit dem Spektrobolometer zu messen,
sondern es genügt, die Helligkeit mit Hilfe des Spektralphotometers
festzustellen, wie dies zuerst von Paschen und Wanner geschehen ist.
Man bringt den schwarzen Körper vor den Spalt eines Spektralphoto-
meters und mißt die Intensität für die gleiche Farbe bei verschiedenen
Temperaturen im Vergleich mit einer beliebig gewählten konstanten
Lichtquelle. Trägt man die Resultate dieser Messung wieder so auf,
As 0,59 sa
sA g 0,50 u
Fig. 4.
daß man den Logarithmus der Helligkeit als Funktion von + darstellt,
so ist zu erwarten, daß diese Kurven nicht wie bei den langen Wellen
gekrümmt sind, sondern daß sie vollkommen geradlinig verlaufen. Denn
im sichtbaren Spektrum ist A so klein, daß das Produkt AT erst für die
Temperatur von 7 = 5000° den Wert 3000 überschreitet. Daher weicht
hier die der Planckschen Gleichung entsprechende Isochromate von
der geradlinigen, durch die Wiensche Gleichung geforderten Gestalt,
nur verschwindend wenig ab. In Fig. 4 sind diese spektralphotometrischen
Isuchromaten des schwarzen Körpers für einige Wellenlängen nach unseren
Versuchen dargestellt und zeigen sich in der Tat als vollkommen gerad-
ling. Aus ihnen läßt sich übrigens die Konstante c der Planckschen
Gleichung berechnen und ergibt sich im Mittel
c = 14580,
also in vorzüglicher Übereinstimmung mit dem oben aus den bolo-
metrischen Versuchen gewonnenen Werte 14600.
Über die Strahlungsgesetze. 409
Diese Isochromaten nun, von welchen wir wie gesagt, annehmen können,
daß sie bis zu einer Temperatur von 5000° weiter geradlinig verlaufen,
kann man ebenfalls zur Bestimmung der Temperatur des schwarzen
Körpers oberhalb des dem Gasthermometer zugänglichen Temperatur-
gebietes benutzen. Man mißt spektralphotometrisch für eine Wellen-
länge, deren Isochromate vorher bestimmt ist, die Helligkeit und sucht
den Punkt der betreffenden Isochromate auf, dessen Ordinate dem Loga-
rithmus der gemessenen Helligkeit entspricht. Die Abszisse dieses
Punktes gibt dann den reziproken Wert der Temperatur des schwarzen
Körpers an.
Asbest
IA Cbamotte
CHEB Koble
o
O
Fig. 5.
Außer den vorhin erwähnten drei Methoden haben wir diese als
vierte herangezogen, um Temperaturbestimmungen des schwarzen Körpers
bis zu möglichst hohen Temperaturen auszuführen und die Resultate
der verschiedenen Methoden mit einander zu vergleichen.
Zu diesem Zwecke bedurften wir eines schwarzen Körpers, der bis
zu höheren Temperaturen brauchbar ist, als die früher benutzten Körper.
Dies wurde durch einen elektrisch geglühten Kohlekörper erreicht, der
in Fig. 5 dargestellt ist. Der strahlende Hohlraum wurde durch ein
Kohlerohr X von 1,2 mm Wandstärke, 34 cm Länge und I cm inneren
Durchmesser gebildet, in welches als Rückwand des Strahlungsraums ein
Kohlepfropfen P) eingeschoben war. Der elektrische Heizstrom durch-
floB das Rohr mit Hilfe der Stromzuführungen 2 B. Die übrigen Rohre
dienen dazu, die Hitze zusammenzuhalten und gleichzeitig das Rohr
außen vor dem Verbrennen zu schützen. Damit der Sauerstoff der
30*
410 E. Pringsheim.
Luft möglichst wenig in das Innere des Rohres eindringt, wird die
Strahlungsöffnung Z mit Stickstoff gespült. DD sind Kupferscheiben,
welche die Hitze von den Klemmbacken Æ 2 ableiten.
Die zur Messung benutzten Apparate: Flächenbolometer, Spektral-
bolometer und Spektralphotometer wurden nebeneinander so aufgestellt,
daß der schwarze Körper von einem zum andern mittels eines auf
Schienen rollenden Wagens leicht gefahren werden konnte.
In der folgenden Tabelle sind die Resultate einer Beobachtungs-
reihe in zeitlicher Aufeinanderfolge mitgeteilt. Alle Temperaturangaben
sind auf 5° abgerundet. Die mit ı, 3 und 6 bezeichneten Zahlen sind
mit Hilfe der spektralphotometrischen Methode gewonnen, 2, 4 und 7
mit Hilfe des Flächenbolometers aus der Gleichung (1), 5 und 8 mit
Hilfe des Spektralbolometers aus der /ntensitát des Energiemaximums
(Gleichung (3)). Die Temperaturbestimmungen aus der Lage des Energie-
maximums nach Gleichung (2) sind nicht mit angeführt, weil diese
Methode an Genauigkeit weit hinter den drei anderen zurücksteht.
Tabelle 3
"Nr. | Abs. 1 Abs. Temp. s. Temp. | Methode
= 2310° | Helligkeit
2 2325 Gesamtstrahluug
3 2320 . Helligkeit
4 | 2330 Gesamtstrahlung
$ | 2330 i Energiemaximum
6 2330 ‚ Helligkeit
7 | 2345 | Gesamtstrahlung
8 2320 - Energiemaximum
Die Übereinstimmung der nach den verschiedenen Methoden ge-
fundenen Temperaturen ist eine so gute, daß damit die Gültigkeit der
zugrunde gelegten Strahlungsgesetze bis zu 2300° abs. als bestätigt
gelten darf. Die vorhandenen kleinen Abweichungen sind nicht nur
durch die unvermeidlichen Beobachtungsfehler zu erklären, sondern zum
Teil durch einen nahe regelmäßigen Temperaturgang des Kohlekörpers
hervorgerufen.
Da die unseren Versuchen zugrunde gelegten Strahlungsgesetze auf
der gasthermometrischen Temperaturskala aufgebaut sind, insofern ja die
Konstanten der Apparate auf diese Skala bezogen wurden, so kann man
schließen, daß man für die Temperatur des Kohlekörpers den gleichen
Wert finden würde, wenn es gelänge, sie direkt mit einem idealen, von
allen Fehlern freien Gasthermometer zu messen. Damit ist die Grenze
der exakten Temperaturmessung um fast 1000% erweitert.
In diesem Sinne sind die Gasthermometrie und die Strahlungs-
messung am schwarzen Körper gleichberechtigte Methoden, die sich in
praktischer Beziehung ergänzen, insofern die eine bei den niederen, die
andere bei den höheren Temperaturen voll zur Geltung kommt.
Konsequenter aber und logisch einfacher ist es, von der gasthermo-
metrischen Skala hier ganz abzusehen und die absolute Temperatur
Über die Strahlungsgesetze. 411
direkt durch die schwarze Strahlung zu definieren. So gewinnt man eine
neue, s/rahlungstheoretische Temperaturskala. Diese ist in demselben Sinne
eine absolute, wie die thermodynamische, da die schwarze Strahlung
nicht von der Natur irgend eines Stoffes abhängt, sondern den stabilen
Gleichgewichtszustand der reinen Temperaturstrahlung darstellt.
Definiert man die absolute Temperatur dadurch, daß man sie pro-
portional setzt der vierten Wurzel aus der Gesamtstrahlung, und nimmt
man die konventionelle Festsetzung hinzu, daß die Temperaturdifferenz
zwischen dem Siedepunkt und dem Gefrierpunkt des Wassers 100° be-
trägt, so stimmen die Angaben der neuen Skala mit denen der thermo-
dynamischen und der gasthermometrischen Skala überein.
Dieses experimentelle Resultat folgt auch aus der Theorie, da
Boltzmann das Stefansche Gesetz als Folgerung aus dem zweiten
Hauptsatz der Thermodynamik hergeleitet hat. Will man die Beziehungen
auf die Fundamentalpunkte vermeiden, um die Definition von den Eigen-
schaften irgend welcher Substanzen unabhängig zu machen, so kann
man z. B. festsetzen, daß die in einem Kubikzentimeter der schwarzen
Strahlung von der absoluten Temperatur ı enthaltene Energie eine fest-
gesetzte Größe besitze. Die Temperaturgrade dieser Skala würden nach
Messungen von F. Kurlbaum gleich denen der Celsiusschen Tempe-
raturskala werden, wenn man diese Größe gleich 7,06. 10-"5 Erg. setzt.
Vor der älteren thermodynamisch definierten Temperaturskala hat die
strahlungstheoretische den Vorzug, daß sie nicht bloB eine theoretische
Bedeutung. besitzt, sondern daß man gemäß der Definition die Messung
auch prak isch ausführen kann.
2. Messung der Temperatur mit Hilfe der Strahlung. Direkt nach der
strahlungstheoretischen Skala bestimmbar ist nur die Temperatur eines
schwarzen Körpers, genau so, wie wir mit Hilfe irgend eines Thermo-
meters direkt nur die Temperatur dieses Thermometers bestimmen können.
Zur Bestimmung der Temperatur anderer Körper, z. B. eines in der
Technik verwandten Schmelzofens müssen wir einen nach Art des
schwarzen Körpers konstruierten Hohlraum an die Stelle bringen, deren
Temperatur wir messen wollen oder wir können andere Apparate, Thermo-
elemente oder dgl. anwenden, welche mit einem schwarzen Körper
geaicht worden sind.
Aber auch ohne solche Hilfsmittel können wir, wenn keine zu große
Genauigkeit erfordert wird, auch bei nicht schwarzen Körpern von ihrer
Strahlung direkt auf die Temperatur schließen, und das ist besonders
wichtig für solche Körper, bei welchen die oben erwähnten Hilfsmittel
sich nicht anwenden lassen.
Um einen Maßstab für die Zulässigkeit solcher Schlüsse zu ge-
winnen, haben wir die Strahlungseigenschaften einer Substanz untersucht,
welche sehr stark reflektiert, also vom schwarzen Körper weit entfernt
ist. Als solche wählten wir blankes Platin. Ein dünnes Platinblech,
vom elektrischen Strom durchflossen, diente als Strahler, seine Tempe-
ratur wurde durch ein Thermoelement sehr genau gemessen. Seine
Energiekurven wurden mit Hilfe des Spektralbolometers genau so ge-
wonnen, wie früher die des schwarzen Körpers. Dabei ergab sich analog
412 E. Pringsheim.
früheren Resultaten von Paschen, jedoch im einzelnen mit starker
Abweichung von dessen Messungen, daß auch für Platin die Gleichung (2)
gilt, auch hier ist
Amax © T = constans,
aber die Konstante hat hier den Wert 2630, nicht wie beim schwarzen
Körper 2940.
Wenn also eine Substanz Strahlungseigenschaften besitzt, welche
zwischen denen des Platins und des schwarzen Körpers liegen, mit
anderen Worten, wenn sie weniger schwarz ist als der schwarze Körper,
aber nicht so selektiv reflektiert wie Platin, so kann man wohl annehmen,
daß das Produkt Amax ‘ Z für sie einen Wert hat, welcher zwischen 2630
und 2940 liegt. Beobachtet man also die Energiekurve der strahlenden
Substanz und bestimmt die Wellenlänge Amax des Energiemaximums,
so würde man eine zu hohe Temperatur finden, wenn man setzt
2940
T= a
max
eine zu niedrige, wenn man setzt
2630
T = +
max
Die wahre Temperatur wird also zwischen diesen beiden Grenzwerten
liegen. Unter der Voraussetzung, daß die in den nachfolgend auf-
geführten gebräuchlichen Lichtquellen leuchtenden Substanzen der an-
geführten Bedingung genügen, haben wir auf diesem Wege Maximal-
und Minimaltemperaturen einiger Lichtquellen gefunden, zwischen denen
die wahre Temperatur liegen würde. Diese Zahlen sind in der folgenden,
einen provisorischen Charakter tragenden Tabelle angegeben.
Tabelle 4.
| Amax | I max | 7 min
Bogenlampe . Fa | 0,7 u | 4200% abs. 3750° abs.
Nernstlampe . . . . 1,2 2450 | 2200
Gasglúhlicht . . . . : 1,2 2450 2200
Glühlampe . . . . . j I4 2100 1875
Kerze . 2 2 . . . | 15 | 1960 1750
Diese Angaben beziehen sich auf normale Glühzustände.
Die Nernstlampe und eine starkfadige Glühlampe haben wir auch
bei anderen Glühzuständen untersucht, welche durch die Stromstärke
und Spannung definiert und festgehalten waren.
Bei allen untersuchten Lichtquellen zeigt die Form der Energie-
kurve in der Nähe des Maximums eine große Annäherung an die des
schwarzen Körpers.
Als Beispiel hierfür möchte ich Ihnen die beobachtete und die für
einen schwarzen Körper der in der Figur angegebenen Temperatur be-
rechnete Kurve für einen gewissen Glühzustand der Nernstlampe und
Uber die Strahlungsgesetze. 413
der starkfadigen Glühlampe zeigen (Fig. 6). Da, wo bei letzterer die
beobachtete Kurve unter die theoretische sinkt, setzt die Absorption der
Glashúlle ein, wie besondere Versuche gezeigt haben.
Zwar liegen die Grenzwerte dieser Temperaturbestimmung ziemlich
weit auseinander; dafür ist aber auch die Wahrscheinlichkeit sehr groß,
daß sie den wahren Wert einschließen. Dabei bitte ich Sie zu be-
rücksichtigen, daß es sich hierbei zum großen Teil um Lichtquellen
handelt, über deren Temperatur bisher auf andere Weise als durch
die Untersuchung der Strahlung auch kein annähernder AufschluB zu
erhalten war.
JA beobachtet.
u a berechnet.
Glühlampe mit `
starkem faden.
2200 2
Fig. 6.
Welcher Anwendungen diese Methode noch fähig ist, dafür gibt
' der Versuch Hackanyis eine aussichtsvolle Perspektive, welcher auf
diese Weise die Temperatur einiger Fixsterne gemessen hat. Das be-
merkenswerte Resultat dieser Untersuchung ist, daß man die Temperatur
der Fixsterne weit überschätzt hat, und daß die der heißesten von ihnen
die Sonnentemperatur, welche etwa 6000° beträgt, nur um wenige tausend
Grad übertreffen dürfte.
Die Fehlergrenze unserer Methode würde eine kleinere werden,
sobald man wüßte, ob der untersuchte Körper in seinen Strahlungs-
eigenschaften mehr dem schwarzen Körper oder dem blanken Platin
áhnelt Wir haben einige Methoden angegeben, welche auch diese
414 E. Pringsheim.
schwierige Frage zu entscheiden geeignet sein dürften, bisher aber sind
sie noch nicht zur Ausführung gelangt.
Aber auch ohne die Schwärze der Strahlungskörper zu kennen,
kann man in manchen Fällen die Fehlergrenzen verkleinern durch An-
wendung der spektralphotometrischen Methode, welche wir schon bei der
Temperaturbestimmung des schwarzen Körpers kennen gelernt haben.
Diese Methode, welche Wanner schon zur Bestimmung der Temperatur
der Bogenlampe und der Zirkonlampe angewandt hatte, ehe die Prin-
zipien der Methode genügend gestützt und erkannt waren, haben wir
weiter ausgebildet, indem wir auch hier die Strahlung des blanken Platins
zum Vergleich herangezogen haben. Wir haben die Temperatur eines
glühenden Platinbleches einmal mit dem Thermoelement bestimmt,
andererseits nach der oben angegebenen Methode durch die Isochro-
maten des schwarzen Körpers, wobei richtige Werte nur zu erwarten
wären, falls die Strahlung des Platins mit der des schwarzen Körpers
übereinstimmen würde. Man muB auf diese Weise notwendig eine zu
niedrige Temperatur finden. Die Differenz zwischen der wahren und
der photometrisch bestimmten Temperatur des Platins beträgt bei 1 100°
abs. etwa 42° bei 1875° abs. 110% Die Fehler dieser Temperatur-
bestimmung sind also selbst bei einem Körper wie Platin, dessen Strahlung
an keiner Stelle der Isochromaten die Hälfte derjenigen des schwarzen
Körpers erreicht, nicht so sehr groß. Weit geringer müssen sie bei
Körpern sein, welche dem schwarzen näher liegen und diese Methode
würde bei den in der Technik gebräuchlichen Schmelzöfen, bei denen
das Prinzip des schwarzen Körpers nahezu erfüllt ist, ziemlich richtige
Resultate geben. Diese Methode liegt den neueren für die Technik
konstruierten optischen Pyrometern zu Grunde, welche jetzt mit Hilfe
der Gesetze des schwarzen Körpers bis 5000 ® richtig geaicht werden
können.
Bei nicht schwarzen Körpern kann man beide Methoden vereint
anwenden. Wir hatten früher eine starkfadige Glühlampe bei verschie-
denen Glühzuständen, gegeben durch Volt und Ampere, bolometrisch
untersucht und die Temperatur zwischen die beiden Grenzwerte ein-
geschlossen. Später haben wir dieselbe Lampe bei denselben Glüh-
zuständen spektralphotometrisch untersucht und so eine neue Minimal-
temperatur gefunden, welche wahrscheinlich nicht weit von der richtigen
liegt. Die Zahlen sind in der folgenden Tabelle angegeben:
20,0 Volt
Tabelle 5.
Kir l ralo kotom t S
Glühzustand [spe E Otome: Spektralbolometer
7 max | Tmin
2 So pi
9, a Ano o a A Ñ A
12:5, Vol g Ä ms oras | as A A
12,87 Amp.
16,3 Volt | 2050 | 2100 1879
25,12 Amp. Sa er ee
Über die Strahlungsgesetze. 415
Da man über die Schwärze der Glühlampenkohle nichts weiß, so
kann man mit Sicherheit nur aussagen, daß die wahre Temperatur zwischen
dem bolometrisch bestimmten Werte Tmax und dem pholometrischen Werte liegt.
Nimmt man die Mittel aus diesen beiden Werten, so kann man sicher
sein, keinen Fehler größer als 35°, 27° und 50° gemacht zu haben.
Diese Versuche, die Gesetze der Strahlung für die Temperaturbestimmung
nutzbar zu machen, befinden sich wie gesagt noch im Anfangsstadium,
lassen aber für die Zukunft weitere Resultate erhoffen.
3) Ausblick auf die Leuchttechnik. In noch höherem Maße gilt dies
von denjenigen Folgerungen aus den Strahlungsgesetzen, die uns darüber
-AufschluB geben sollen, in welcher Richtung eine Verbesserung unserer
künstlichen Lichtquellen zu erstreben ist. Wenn wir nochmals unsere
Kurven (Fig. 2) betrachten, so sehen wir, daß der bei weitem größte
Teil der Energie in dem Gebiete der ultraroten Strahlen liegt, für welche
unser Auge blind ist. Im sichtbaren Gebiet, welches zwischen den
Wellenlängen 0,4 nnd 0,8 u liegt, ist die Energie so gering, daß sie sich
bei unserer Versuchsanordnung der Meßbarkeit entzog. Aus dem Ver-
lauf der Kurven ist ersichtlich, daB die Energie der sichtbaren Strahlen
bei allen beobachteten Temperaturen nur einen sehr kleinen Bruchteil
der Gesamtenergie beträgt. Dabei wird die Energie eines Spektralbezirks
gemessen durch die Größe der Fläche, welche von der Abszissenaxe,
der Kurve und den beiden Ordinaten eingeschlossen wird, welche den
betreffenden Spektralbezirk begrenzen. Daß unser Auge die so viel
größere Intensität der ultraroten Strahlen nicht wahrnehmen kann, da-
gegen die so viel schwächeren Lichtstrahlen als Licht großer Helligkeit
empfindet, das liegt in der physiologischen Beschaflenheit des Auges
begründet. Der Zweck unserer Lichtquellen ist, möglichst viel sichtbare
Energie zu spenden, die dabei gleichzeitig ausgesandte ultrarote Strahlung
ist ein unnützer Ballast, und die Lichtquelle wird daher um so zweck-
mäßiger sein, je geringer die Intensität der ultraroten Strahlung im Ver-
hältnis zu der der sichtbaren Strahlung ist. Unsere Kurven zeigen, daB
ein schwarzer Körper eine sehr ungünstige Lichtquelle darstellt, die aus-
gesandte Strahlung, deren Energie durch Zuführung von äußerer Energie
durch den elektrischen Strom oder durch Verbrennungswärme fortwährend
ersetzt werden muß, besteht nur zum geringsten Teil in nützlicher Licht-
strahlung, zum größten Teil in unzweckmäßiger Wärmestrahlung. Es
würde daher für die Beleuchtungstechnik von der größten Wichtigkeit
sein, eine Substanz zu besitzen, die sich in dieser Beziehung ganz anders
verhielte, wie der schwarze Körper, die zwar ebenso viel Licht aussendet
wie ein solcher, dabei aber für alle unsichtbaren Strahlenarten ein
Emissionsvermögen besitzt, welches Null oder wenigstens sehr klein ist.
Ob ein solcher idealer Leuchtkörper möglich ist, das möchte ich nicht
entscheiden: sicher aber ist, daB es Substanzen gibt, welche in dieser
Beziehung günstiger sind, als der schwarze Körper. Das ist z. B. schon
bei Platin der Fall, auch bei der Kohle der Glühlampe, und die Vor-
ziige der Osmiumlampe scheinen ebenfalls im wesentlichen auf den
günstigen Emissionseigenschaften dieses Metalls zu beruhen. Jedenfalls
wäre es eine lohnende Aufgabe für die Herren Chemiker nach Sub-
416 E. Pringsheim. Über die Strahlungsgesetze.
stanzen zu fahnden, die dem idealen Leuchtkörper möglichst nahe
kommen. Vielleicht aussichtsreicher jedoch ist der Weg, anstatt der
Temperaturstrahlung Luminescenzerscheinungen zur Lichterzeugung zu
benutzen, bei denen die ganze Energie der Strahlung häufig auf kleine
Spektralgebiete beschränkt ist. Ein erster Schritt in dieser Richtung ist
mit der farbigen Bogenlampe getan, bei der die elektrisch lumineszierenden
Gase wenigstens einen Teil des Leuchteflekts hergeben.
Aber auch wenn wir bei der Temperaturstrahlung bleiben, steht noch ein
anderer Weg zur Vervollkommnung der Leuchttechnik oflen, der vielleicht
für die nächste Zukunft die größte Aussicht auf Fortschritt gewährt. Die
Energiekurven ebenso wie die Plancksche Gleichung zeigen, daß das Ver-
hältnis der sichtbaren Energie zur unsichtbaren beim schwarzen Körper und
daher bei allen Temperaturstrahlern desto günstiger wird, je höher die
Temperatur steigt. Während die Gesamtstrahlung mit der vierten Potenz
der absoluten Temperatur zunimmt, wächst die Lichtemission bei der
Temperatur von 1900% etwa mit der 14. Potenz der Temperatur. Eine
kleine Temperaturerhöhung vermag also die Lichtemission auBerordent-
lich zu steigern, während die Gesamtemission viel langsamer wächst.
Der Nutzeffekt der Lichtquelle steigt daher enorm mit wachsender
Temperatur. Darauf beruht der Vorzug der elektrischen Bogenlampe
vor der Glühlampe, des Gasglühlichts vor dem gewöhnlichen Gaslicht.
Um Ihnen diesen EinfluB der Temperatur deutlich zu machen, habe
ich hier eine gewöhnliche Glühlampe aufgestellt, welche bei 45 Volt
normal brennt. Diese Lampe habe ich an den Zentralenstrom von 110 Volt
angeschlossen. Durch vorgeschaltete Widerstände können wir den Strom
regulieren, dessen Spannung und Stärke hier an diesem Volt- und Ampere-
meter sichtbar sind. Daß ich Ihnen den Versuch in dieser Anordnung
hier vorführen kann, verdanke ich der Liebenswürdigkeit der Firma
Siemens & Halske in Berlin. Ich bringe jetzt die Lampe auf die nor-
male Spannung von 45 Volt, dabei hat sie 16 Kerzen. Die Strom-
stärke beträgt, wie Sie am Amperemeter ablesen können, jetzt 1,3 Ampere,
der Energieverbrauch ist also 45.1,3 = 58,5 Watt. Jetzt schalte ich
allınählich immer mehr Widerstand aus, und Sie sehen wie die Hellig-
keit außerordentlich stark zunimmt. Die Lampe strahlt ein blendendes
Licht aus, Sie halten sich alle die Hand vor die Augen und bemerken,
daß diese kleine Glühlampe das ganze Auditorium hell erleuchtet. Wir
haben jetzt, wie Sie sehen, 95 Volt und 3 Amp., also 285 Watt. Der
Energieverbrauch ist also gegen vorhin im Verhältnis von 58,5 zu 285,
also etwa auf das 5-fache gestiegen. Um wie viel ist nun die Hellig-
keit gestiegen? Wir könnten die jetzige Kerzenzahl durch Photometrie
feststellen, wie das bei ähnlichen Versuchen schon geschehen ist. Wir
können sie aber auch mit einiger Annäherung aus den Ergebnissen der
Strahlungsbeobachtungen berechnen. In dem höchsten Zustande des
Glühens, dessen eine Glühlampe fähig ist, und der jetzt etwa erreicht
ist, beträgt die Temperatur nach Messungen von Holborn und Kurl-
baum etwa 3000° abs., im Normalzustand nach unseren Messungen
etwa 2000° In diesem Temperaturintervall wächst die Helligkeit etwa
mit der 12. Potenz der Temperatur. Also ist die Helligkeit gewachsen
R. Namias. Über die Fähigkeit gewisser Alkalisalze organischer Säuren etc. 417
im Verhältnis von 21% zu 3!? oder auf das 130-fache. Dem 5-fachen
Energieverbrauch steht also eine 130-fache Helligkeit gegenüber und
der Nutzeffekt ist im Verhältnis von 5 zu 130, also auf das 26-fache
gestiegen. In diesem Zustande stellt die Lampe die billigste künstliche
Lichtquelle dar, die es überhaupt gibt, wenn wir bloß die augenblick-
lichen Betriebskosten pro Kerze in Rechnung ziehen. Aber freilich
dauert dieses billige Licht nicht lange, die Kohle zersprätzt, und Sie
sehen, die Lampe ist soeben erloschen. Diese scheinbar so billige Licht-
quelle würde sich also in der Praxis infolge der schnellen Abnutzung
sehr teuer stellen. Aber, m. H., ich glaube, Sie werden aus diesem
Versuche entnommen haben, daß es sich der Mühe lohnen würde, die
Glühlampe so zu verbessern, daB der Kohlefaden oder eine andere als
Glühkörper dienende Substanz eine erheblich höhere Temperatur aus-
halten könnte, als bisher. Das würde einen wichtigen Fortschritt auf
dem Gebiete der elektrischen Beleuchtung bedeuten, und hier ist mit
einer verhältnismäßig geringen Temperatursteigerung ein sehr großer
Erfolg zu erzielen. Die Erfindung der Nernstlampe ist ein erster
Schritt auf diesem aussichtsvollen Wege.
Damit, m. H., möchte ich schließen. Ich hoffe Ihnen gezeigt zu
haben, daß das schon so lange beackerte und scheinbar ausgesogene
Feld der gewöhnlichen Licht- und Wärmestrahlung sich bei systematischer
Bearbeitung doch noch dankbar erwiesen hat, und so dürfen wir wohl
hoffen, von ihm auch noch in Zukunft manche schönen Früchte zu
ernten, nützlich nicht nur für die Wissenschaft, sondern auch für die
Technik und das Leben.
(Eingegangen am 21. November 1903.)
Über die Fähigkeit gewisser Alkalisalze organischer Säuren, die
Beständigkeit von Bichromatpräparaten zu erhöhen.
Vortrag, gehalten auf dem Kongreß für angewandte Chemie zu Berlin, Juni 1903,
von R. Namias in Mailand.
(Aus dem Französischen übersetzt von K. Schaum.)
Bekanntlich konservieren sich Mischungen von kolloidalen Sub-
stanzen und Alkalibichromat sehr schlecht. Der Vorgang des
Unlóslichwerdens, der sich im Licht vollzieht, tritt, wenn auch sehr
viel langsamer, auch im Dunkeln ein. Dies bildet einen ernsten
Übelstand für Kohle- und Gummidruck und für alle photomechani-
schen Druckveriahren.
418 R. Namias. Über die Fähigkeit gewisser Alkalisalze organischer Säuren etc.
Um die Beständigkeit von Bichromatpräparaten zu erhöhen,
habe ich versucht, ihnen Alkalisalze organischer Säuren hinzuzufügen.
Meine Versuche sind bisher ausgeführt worden mit Alkalisalzen
(hauptsächlich Natriumsalzen) der Essig-, Bernstein-, Wein-, Milch-,
Zitronen- und Oxalsáure. Anstatt das Kohlepapier in einer ein-
fachen Lösung von Bichromat zu sensibilisieren, sensibilisierte ich
es in einer 3°/ igen Lösung von Bichromat, welche 2—3°/, von
jedem der genannten Salze enthielt. Von diesen Salzen zeigen
einige weder eine erkennbare konservierende Wirkung, noch eine
solche als Beschleuniger der Veränderung. Das sind die essigsauren
und die bernsteinsauren Salze. Das Papier zeigt nach einigen Tagen
eine weniger dunkle Farbe als das Vergleichspapier (welches nur
mit Bichromat hergestellt war); aber bei der Entwicklung mit heißem
Wasser bemerkt man kaum irgend einen Vorzug. Von den anderen
Salzen üben einige eine beträchtliche reduzierende Wirkung auf das
Bichromat aus und, anstatt die Beständigkeit zu erhöhen, beschleuni-
gen sie die Veränderung. Das sind die weinsauren und besonders
die milchsauren Salze. Das Papier dunkelt sehr viel schneller als
das Vergleichspapier. Vielleicht könnte man die milchsauren Salze
als chemische Sensibilisatoren in der Bichromatschicht verwenden,
denn sie beschleunigen auch die Veränderungen im Licht. Von den
anderen Salzen schließlich erhöhen die neutralen Oxalate und be-
sonders die neutralen zitronensauren Salze die Beständigkeit in sehr
hohem Maße. Das mit einem dieser Salze hergestellte Kohlepapier
laßt sich nach einmonatlichem Aufbewahren fast ebenso entwickeln,
wie frisch in einem gewöhnlichen Bad sensibilisiertes, und nach zwei
Monaten gelingt die Entwicklung auch noch. Für den Anblick
erscheint das ein zitronensaures Salz enthaltende Papier nach einem
Monat fast ohne sichtbare Veränderung; das mit Oxalat hergestellte
dunkelt ein wenig, aber ohne die Entwicklung zu beeinflussen.
Wie kann man die Wirkungsweise dieser Salze erklären?
In einer Mitteilung über die Wirkung von Chromverbindungen
auf Gelatine, welche ich im Jahre 1902 veröffentlicht habe, habe
ich angegeben, daß die Wirkung der Chromate und Bichromate eine
zweifache ist, nämlich eine oxydierende und eine gerbende. Die
gerbende Wirkung wird hervorgebracht durch das Chromat des
Chroms, welches sich bei der Reduktion des Alkalichromats oder
-bichromats im Licht bildet. Aber derselbe Vorgang, der sich im
Licht vollzieht, muß, wenn auch in viel geringerem Maße, im
Dunkeln verlaufen. In der námlichen erwähnten Abhandlung habe
L. Baekeland. Elektrolyt. Wirkung metall, Teilchen in hchtempfindl. Popieren. 419
ich auch hervorgehoben, daß die Salze des Chroms mit organischen
Säuren die Gelatine in keinem merklichen Grade unlöslich machen.
Deshalb scheinen mir folgende Annahmen berechtigt:
I. Die Alkalisalze organischer Säuren, welche mit einem schwachen
Reduktionsvermögen für Bichromat begabt sind, nehmen die oxy-
dierende Wirkung während des Aufbewahrens vornehmlich auf sich.
I. Die Alkalisalze organischer Säuren, welche befähigt sind,
das Chromat des Chroms zu zersetzen (und dazu müssen die zitronen-
sauren und die oxalsauren Salze befähigt sein) und Alkalichromat
und das Chromsalz einer organischen Säure zu liefern, verhindern
die gerbende Wirkung, welche während des Aufbewahrens ein-
treten kann.
Wenn die zitronensauren und die oxalsauren Salze nicht in sehr
beträchtlichen Mengen vorhanden sind, so können sie den Kopier-
proze im Licht nur wenig verzögern, jedenfalls aber nicht ver-
hindern, denn es bilden sich, wie ich schon früher nachgewiesen
habe, sehr basische Chromate des Chroms, welche die Gelatine in
hohem Maße unlóslich machen, und von denen man annehmen
muß, daß sie durch die Alkalisalze der Zitronen- und Oxalsáure
nicht zersetzt werden.
(Eingegangen am 1. August 1903.)
Die elektrolytische Wirkung metallischer Teilchen
in lichtempfindlichen Papieren.
Von Leo Baekeland, Yonkers-on-Hudson, U.S.A.
(Aus dem Englischen übersetzt von M. Seddig, Marburg a. L.)
Für die Herstellung photographischer Papiere ist nur allerbestes
Material zu gebrauchen und alle Operationen sind mit den größten
Vorsichtsmaßregeln auszuführen. Trotz aller dieser Sorgfalt ereignet es
sich aber sehr oft, daß Verunreinigungen in die Lagerbestände kommen
und nachher den Fabrikanten photographischer Papiere viel Widerwärtig-
keiten verursachen.
Unter diesen Verunreinigungen sind metallische Teilchen die schäd-
lichsten. Sie rühren her von den verschiedensten Ursachen. Manchmal
sind sie durch die Lumpen, die für das Papier verwendet wurden, hin-
420 L. Baekeland.
eingekommen. Selbst ein sorgfältiges Sortieren kann es nicht immer
verhindern, daB manche Metallstücke, wie Knöpfe, Haken oder ähnliche
Objekte in die „Schläger‘‘ geraten und dort in feine Partikelchen zer-
rieben werden. Manchmal können eine Scharte an den ,,Schlágern*“ oder
ein sich reibendes Triebwerk oder etwas hervorstehende Drähte viel
Schaden verursachen, bevor die Ursache des Übels aufgedeckt wird.
Manche Papierfabrikanten benutzten mächtige magnetische Extrak-
toren, bei deren Anwendung die Papiermasse frei von sämtlichen Eisen-
partikelchen wurde; diese magnetischen Extraktoren entfernen jedoch
keine Metalle, außer Eisen. |
Gleichfalls kommt es manchmal vor, daß das Bariumsulfat, mit
welchem das Papier bestrichen ist, metallische Unreinigkeiten enthält.
Ich habe Fälle kennen gelernt, bei denen Metallstaub hineingeriet in-
folge des defekten Mechanismus eines Rührapparates. Manchmal sind
es Nägel, die durch die Wände des Fasses, in welches der Baryt getan
wurde, hindurchreichen, rostig werden und Metallsplitter abgeben. Diese
Verunreinigungen sind selten durch die ganze Masse hindurch verteilt
und werden daher vollständig übersehen, wenn für eine vorläufige Analyse
eine Probe dem Fasse entnommen wird.
Dies ist einer der Gründe, weshalb ich es eindringlich empfehle,
alles Bariumsulfat, welches zur photographischen Papierfabrikation ver-
wendet werden soll, zuerst mit verdünnter Schwefelsäure und danach
mit gutem Wasser auszuwaschen.
Auf welchem Wege auch immer metallische Partikelchen in für
photographische Zwecke bestimmte Papiere gekommen sein mögen, ihre
Anwesenheit wird bald und in unangenehmer Weise empfunden nach
dem Überziehen der Papiere mit der empfindlichen Silberemulsion.
In Auskopierpapieren, die lösliche Silbersalze enthalten und eine
mehr oder minder stark saure Reaktion zeigen, erscheint ein jedes Metall-
partikelchen als schwarzer Fleck, dessen Aussehen und Größe ganz ab-
hängig ist von den physikalischen Zuständen des betreffenden Metall-
teilchens. Ist das Papier mit einer mehrfachen Barytschicht bestrichen,
wie es bei den meisten Auskopierpapieren der Fall ist, so erscheint
dieser schwarze Fleck erst einige Tage, nachdem die Silberemulsion auf-
gebracht wurde; es ist einige Zeit nötig, bis das Metallteilchen durch
die Bariumsulfatschicht hindurch wirkt. Solche schwarze, metallische
Flecke sind meist schon vor dem Einlegen in den Kopierrahmen sicht-
bar, bisweilen jedoch auch erst beim Einlegen in das Ton- oder Fixierbad.
Bei Entwicklungspapieren,- welche nur unlösliche Silbersalze und
wenig oder gar keine freie Säure enthalten, zeigt sich die Anwesenheit
metallischer Teilchen einzig und allein nach dem Entwickeln; bis dahin
erscheint die Papieroberfläche vollkommen normal. Sobald jedoch dies
fehlerhafte Papier in den Entwickler hineingelegt wird, zeigen sich weiße,
unentwickelte, bald große, bald kleine Flecken; manchmal sind tausende
solcher weißer Flecke auf einem kleinen Flächenstücke sichtbar, wenn
der Metallstaub völlig verteilt ist.
Bei jedem dieser weißen Flecke, gleichgültig ob klein oder groß,
scheint aus irgend einem Grunde die Silberemulsion ihre Empfindlich-
Elektrolytische Wirkung metallischer Teilchen in lichtempfindlichen Papieren. 421
keit verloren zu haben und deshalb der Reduktion im Entwickler nicht
mehr fähig zu sein.
Auf den ersten Blick erscheint das Verhalten der Entwicklungs-
papiere so verschieden von dem der Auskopierpapiere unter gleichen
Bedingungen, daß ich mich entschloß, dies weiter zu verfolgen, um den
wahren Grund dieser Verschiedenheit zu finden. Beim Betrachten ent-
wickelter Kopien, die solche weiße, durch metallische Verunreinigungen
hervorgebrachte Flecke zeigten, unter einem Mikroskope von geringer
Vergrößerung, kam ich zu dem Resultat, daß in fast allen Fällen jeder
weiße Fleck im Centrum einen schwarzen Kern enthält, der in einigen
Fällen sehr gut sichtbar, in anderen aber fast nicht wahrnehmbar war.
Manchmal war der Kern überhaupt nicht direkt sichtbar, aber ich konnte
ihn doch noch zum Vorschein bringen durch ein vorsichtiges Wegkratzen
der oberflächlichen Lage mittels eines schmalen Messerchens. In solchen
Fällen war das Metallteilchen in die Barytschicht eingebettet und da-
durch von der empfindlichen Silberschicht .getrennt. Die Wirkung dieses
Metallteilchens hatte sich durch die Baryumsulfatschicht hindurch geltend
gemacht, die aber selber den schwarzen Fleck verdeckte.
In einigen Fällen war ich imstande, die Art dieser Metallteilchen
zu erkennen, vorausgesetzt, daß sie genügend groß waren, um unter der
Lupe mittels einer Nadel herausgeholt werden zu können. Bei Behand-
lung mit verdünnter Säure bekamen diese Teilchen ein metallisches
Aussehen wie Messing oder Kupfer; hierin bestärkt wurde ich weiterhin
durch die Tatsache, daß nach teilweiser Neutralisation mit Natrium-
acetat und fernerem Zusetzen eines Tropfens Ferrocyankaliumlósung die
charakteristische Kupferreaktion hervorgebracht wurde.
Die schlieBliche Folge der Gegenwart von Metallpartikelchen in
einem Entwicklungspapier ist die, daß sie die angrenzende Silber-
emulsionslage unempfindlich machen und die Silberreduktion nach dem
Aufziehen der Entwicklerlösung verhindern und so eine weiße, unent-
wickelte Stelle hinterlassen. Die Metallteilchen selber werden schwarz.
Um diese Erscheinung zu erklären, stellte ich folgende Hypothese auf:
Ein Metallteilchen, daß sich in oder in der Nähe einer Silber-
emulsionsschicht befindet, wirkt wie eine kleine galvanische Zelle. Das
Metall geht in Lösung und zieht die Silberionen an, während Chlor-,
Brom- und Sauerstoffionen in der Silberemulsion frei werden. Das auf
dem Metallteilchen niedergeschlagene Silber verursacht den zentralen
schwarzen Punkt; die Chlor-, Brom- und Sauerstoffionen dagegen ver-
hindern die photographische Silberreduktion an den Stellen, wo sie sich
anhäufen und Anlaß zur Entstehung eines weißen Fleckchens geben.
Um die Richtigkeit dieses Gedankens zu prüfen, habe ich nun ver-
sucht, diese Erscheinungen künstlich zu erzeugen. In der Dunkelkammer
wurde ein unbelichtetes Blatt Bromsilberpapier auf eine Glasplatte gelegt
und dann gleichmäßig angefeuchtet mit Wasser, welches ca. 1—2%/,
Bromkalium enthielt. Auf die empfindliche Seite setzte ich die Enden
zweier sauberen Platindrähte vorsichtig auf, und zwar in einem Abstande
von ca. 3 mm. Beide Drähte waren mit einer Batterie von ca. 1,3 Volt
Spannung verbunden. Der Strom wurde für etwa 20 Minuten geschlossen,
422 L. Baekeland. Elektrolyt. Wirkung metall, Teilchen in lichtempfindl. Papieren.
danach die Platinelektroden entfernt, das Papier ausgewaschen und dem
Lichte einer gewöhnlichen Lampe während 2—3 Sekunden ausgesetzt,
bis zum beginnenden Graufärben. Das so behandelte Blatt wurde dann
in gewöhnlichen Entwickler eingetaucht, wobei es bald eine graue Farbe
annahm, mit Ausnahme an jenen beiden Stellen, wo die Elektrodenenden
die Oberfläche berührt hatten. Die Kathode hatte einen scharfen,
schwarzen Flecken hinterlassen, ganz ähnlich dem durch Metallpartikelchen
hervorgerufenen. Die Stelle der Anode dagegen war durch einen weißen,
kreisförmigen, unempfindlichen Flecken gekennzeichnet. Dieser Versuch
wurde zu wiederholten Malen ausgeführt und immer mit demselben
Ergebnis.
Auf diese Weise war ich imstande, künstlich die durch Metall-
teilchen verursachten Fehler hervorzurufen, jedoch mit dem Unterschiede,
daß der schwarze Kern, der der elektronegativen Zone entspricht, außer-
halb der elektropositiven Zone gelegen war.
Gegen meine Erklärung wurde der Einwand erhoben: Warum
zeigen Auskopierpapiere, die Metallpartikelchen enthalten, nur schwarze
Punkte und keine weißen Flecke? Dies ist aber nur scheinbar der Fall,
nicht in Wirklichkeit.
Befinden sich in einem Auskopierpapiere Metallteilchen, so werden
sie als schwarze Punkte angezeigt, solange als das Papier noch ganz
frisch ist. Wird jedoch das Papier älter und etwas gelblich, so erscheint
nach und nach die unempfindliche Zone und wird von Tag zu Tag
deutlicher, bis sie ganz den auf Entwicklungspapieren beobachteten gleicht.
Diese weiße Zone läßt sich übrigens besser sichtbar machen durch
Einlegen des Auskopierpapiers in verdünnten Entwickler.
Solche weiße Flecken in Entwicklungspapieren, die durch Metall-
teilchen verursacht waren, sind oft verwechselt worden mit Fehlerhaftig-
keiten, die ganz andere Ursachen haben. Ich erinnere mich z. B. eines
Falles, wo mehrere Chemiker, die solches fehlerhafte Papier untersuchten,
die Flecken zurückführten auf fettige Verunreinigungen in der Emulsion,
auf Staubteilchen oder größere Anhäufungen von Bromsilber von ge-
ringerer Empfindlichkeit als die übrige Silbermasse.
So oft es zweifelhaft ist, ob die weißen Flecke herrühren von
metallischen Verunreinigungen, wird es sich leicht unter einer starken
Lupe erweisen, da sie in diesem Falle einen schwarzen Kern inmitten
der weißen Zone zeigen müssen.
Ist der schwarze Kern nicht direkt sichtbar, so kann dies seinen
Grund darin haben, daß das Metallteilchen in der Papiermasse oder in
der Barytschicht unter der Emulsion sich befindet. In solchen Fällen
kommt dann der Kern zum Vorschein, sobald (unter der Lupe) die
oberen Lagen mittels eines scharfen Messerchens weggekratzt sind.
(Eingegangen am 5. August 1903.)
-— -w m~ o —
L. Baekeland. Methode zur quant. Best. des Silbers in photograph. Papier. 423
Eine praktische Methode zur quantitativen Bestimmung des Silbers
in photographischem Papier.
Von Leo Baekeland, Yonkers-on-Hudson, U. S. A.
(Aus dem Englischen übersetzt von Max Seddig, Marburg a. L.)
Jeder Fabrikant sensibilisierten photographischen Papiers weiß, wie
wichtig es ist, daB die Schicht des sensibilisierenden Materials gleich-
mäßig und eben durch die Gießmaschine verteilt wird. Viele Faktoren
jedoch haben einen groBen Einfluß auf diese scheinbar einfache Ope-
ration. Zu erwähnen wären unter diesen Faktoren Kapillarattraktion,
physikalische und chemische Beschaffenheiten der Emulsion, wie Viscosität,
Temperatur u. s. w.; die Beschaflenheit des Rohpapiers, seine Tempe-
ratur und Grad der Trockenheit, die Oberfläche des Papiers, die Tempe-
ratur und Luftfeuchtigkeitsverhältnisse des Gießraumes und schließlich,
und nicht zum geringsten, die spezielle Konstruktion der Gießmaschine
und die Geschwindigkeit, mit der sie läuft.
Es ist ganz natürlich, daB der Fabrikant sich bemühen wird, mit
einer gegebenen Silberemulsionsmenge so viel Papier als möglich zu über-
ziehen. Jedoch, der alleinige ökonomische Gesichtspunkt verdient bei
Herstellung eines guten Produkts erst in zweiter Linie Berücksichtigung.
Falls ein freigebiger Fabrikant den Versuch macht, sein Papier zu reich-
lich zu überziehen, erhält er ein genau ebenso wertloses Prodikt, als
wenn er es zu dünn bestrichen hätte. |
Daher ist es außerordentlich wichtig, eine leichte und bequeme
Methode zur Bestimmung der Verschiedenheiten der Schichtdicke zu
haben, so daB man imstande ist, sie mit einem „standard“ zu vergleichen,
welchen die Erfahrung für eine jede Papiersorte als wünschenswert erwies.
Da die Schicht des sensibilisierten Materials naturgemäß sehr dünn
ist, hat es ziemliche Schwierigkeiten, kleine Dickenänderungen durch
direkte Messung zu bestimmen. Die quantitative Bestimmung der Silber-
menge, die in einer gemessenen Papieroberfläche enthalten ist, gibt uns
genauen Aufschluß über diesen Punkt.
Eine der gewöhnlichen analvtischen Methoden könnte zu diesem
Zwecke angewandt werden. Zunächst Auszichen des Silbers aus einer
gegebenen Papiermenge, danach Trennung und Bestimmung des Silbers
nach den gewöhnlichen analytischen Methoden. Jeder, der dies aus-
geführt hat, weiß, wic schwierig es ist, die letzten Spuren von Silber aus
einer verhältnismäßig großen Papiermasse auszuziehen, was ein nachträg-
liches Eindampfen der Waschtlüssigkeit nötig macht.
Die Methode des Veraschens, bei der das Papier zunächst zu Asche
verkleinert wird, aus welcher die Silberbestimmung zu machen ist, er-
fordert gleichfalls zu viel Leit und Mühe, wenn solche Bestimmungen
täglich auszuführen sind. | |
Aus diesem Grunde kam ich dazu, eine. einfache elektrolytische
Methode anzuwenden, welche in folgender Weise ausgeführt wurde:
Zeitschr. f. wiss. Phot. 1. l 31
"424 L. Baekeland. Methode zur quant. Best. des Silbers in photograph. Papier.
In einem Becherglas von ca. 500 ccm Inhalt hing ich zwei dünne
Platinbleche, von der ungefähren Größe 10X ıo cm auf, von denen die
eine als Anode, die andere als Kathode dient.
Mittels Platindrähte sind sie mit I oder 2 gewöhnlicher. Akkumu-
latoren verbunden, deren Spannung 2,1, bezw. 4,2 Volt beträgt.
Das Becherglas fülle ich bis auf 3 cm vom oberen Rande mit einer
5°/,igen Lösung von reinem Cyankalium und bringe zwischen beide
Platinelektroden eine bestimmte Menge des zu prüfenden Papiers. Der
Einfachheit halber benutze ich ein sorgfältig zugeschnittenes Handels-
format und nehme jedesmal 6 Blatt vom Format 4”x5”, die ich in
schmalere Streifen zuschneide, bevor ich sie in die Lösung bringe. Auf
diese Weise ist es dann nur nötig, die Resultate mit 24 zu multipli-
zieren, um die Silbermenge für das Groß Blätter zu erhalten, was der
Handelseinheit in den Vereinigten Staaten entspricht.
Es muß dafür Sorge getragen werden, daß die Papierstücke gut in
die Lösung eintauchen und ihre Oberflächen nicht aufeinander kleben,
wodurch die Berührung mit der Flüssigkeit behindert ist; es empfiehlt
sich daher, das Papier vor dem Hineinstecken in die Flüssigkeit zu
zerknittern.
Von großer Wichtigkeit ist es ferner, nur Ströme von niedriger
Spannung anzuwenden, weil sich sonst das Silber nicht in zusammen-
hängender Masse an der Kathode abscheidet. Ich fand, daB man, um
die Bildung körnigen Silbers zu vermeiden, nicht über 4 Volt hinaus-
gehen darf.
Bei Verwendung einer Batterie mit großer Amperezahl läßt sich
eine groBe Zahl von Bestimmungen zu gleicher Zeit ausführen.
In 48 Stunden, und manchmal beträchtlich viel früher, ist sämt-
liches Silber an der Platinkathode abgeschieden. Vor der Wägung wird
die Kathode sorgfältig mit destilliertem Wasser abgewaschen, dann leicht
zwischen glattem Filtrierpapier geprebt, um das anhaftende Wasser zu
entfernen, und schließlich getrocknet.
Eine Fortsetzung der Prüfung während einiger Stunden und eine
zweite Wägung wird vollkommen entscheiden, ob alles Silber nieder-
geschlagen war. |
Die Platinkathode läßt sich durch Einlegen in Salpetersäure, welche
das Silber löst, reinigen. Waschen und Trocknen macht die Kathode
für eine neue Bestimmung verwendbar.
In meinem Laboratorium hatte ich sechs solcher elektrolytischer
Apparate mit derselben Akkumulatorenbatterie verbunden. Auf jeder
Kathode ist ihr Gewicht mittels einer scharfen Nadel angegeben, um
jeden Zeitverlust bei der Arbeit zu vermeiden.
Da photographische Papiere selten andere schwere Metalle als Silber
enthalten, ist sehr wenig Gelegenheit zu Irrtümern bei dieser Bestimmung
gegeben. Zur Prüfung eines vollkommen unbekannten Produktes ist es
angezeigt, eine vorläufige quantitative Analyse zu machen, um sicher zu
sein, daß kein anderes Metall außer Silber niedergeschlagen werden kann.
(Eingegangen am 5. August 1903.)
Für die Redaktion verantwortlich: Dr. E. ENGLISCH in Stuttgart.
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