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Zeitschrift
Deutschen geologischen Gesellschaft.
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xXVIIE Band.
1866.
Mit sechszehn Tafeln.
Berlin, 1866.
Bei Wilhelm Hertz (Bessersche Buchhandlung).
Behren-Strasse No. 7.
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A. Verhandlungen der Gesellschaft. . . .1. 177. 377. 649
B. Briefliche Mittheilungen
der Herren Akır und Weiss . . + A400
der Herren v. Heımersen, WEBSKY u v. Usern 3 2922. 098
C. Aufsätze.
C. RıumeLsgerg. Ueber das Buntkupfererz von Ramosin Mexiko
und die Constitution dieses Minerals überhaupt. . . . .19
— Ueber den Castillit, ein neues Mineral aus Mexiko . 23
A. v. Kosxen: ' Ueber einige Aufschlüsse im Diluvium südlich
und östlich von Berlin . . 25
C. RammeLspere Ueber den Xonaltit, ein neues " wasserhaltiges
Kalksilikat, und den Bustamit aus Mexiko . . 33
C. Schrürer. Die Schichten des Teutoburger Waldes bei Alten-
beken_ ._, 39
Heam. CreonEr. Geognostische Skizzen aus Virginia, Nord.
SIELER EILNE Ra ee 77
FE. M. Staprr. Ueber die Entstehung der Seeerze Hierzu
#atell.). . - 86
G. Berenort. Marine Diluyial- Fauna in ı West-Preussen a 7
C. Raimerspere. Ueber die chemische Natur der Feldspathe,
mit Rücksicht auf die neueren Vorstellungen in der Chemie 200
L. Zeuscaner. Ueber die rothen und bunten Thone und die
ihnen untergeordneten Glieder im südwestlichen Polen . 232
C. RıuneLsserg. Ueber den Enargit aus Mexiko und einen
neuen Fundort des Berthierits. . . 241
Ep. v. Eıcuward. Ueber die Neocomsehichten® Russlands.
(Hierzu BafebII>). X: 245
A. Kuntu. Ueber die von Chad "Rohlfs ae er von von
Tripoli nach Ghadames im Mai und Juni 1865 gefunde-
nen Versteinerungen. (Hierzu Tafel IH.) . . . 251
A. v. Kornen. Ueber das Alter der Tertiärschichten bei Bünde
in Westphalen . . 287
A. Sıneseck. Ein Beitrag. zur > Kenntnis des baltischen Jura 292
Günser. Ueber das Vorkommen hohler Kalkgeschiebe in Bayern 299
K. v. SersacHh. Die Zoanthoria perforata der palaeozoischen
Periode. (Hierzu Tafel IV.) . . . 304
H, Laspevres. Beiträge zur Kenntniss der Yolkanischen Ge-
steine des Niederrheins . o11
U. ScuhtoenBacH. Ueber die Brächiopoden : aus dem unteren
Gault (Aptien) von Ahaus in Westphalen . . . . .„ 364
IV
A. Rıcuter. Aus dem thüringischen Schiefergebirge. (Hierzu
Tafe: VG u. VIE.
Heınkıcan Eck. Ueber die arhen nee Qua u
Fırn. Rormer. Ueber die Auffindung devonischer Kalkstein-
schichten bei Siewierz im Königreiche Polen .
WırueLm BöLscHhe. Die Korallen des norddeutschen Jura- und
Kreide-Gebirges. (Hierzu Tafel VII, VIII, IX.)
G. vom Rıatu. Mineralogisch - geognostische Fragmente aus
Italien. (Hierzu Tafel X, XI, XII.)
v. SEEBACH. Vorläufige Mittheilung über die typischen Ver-
schiedenheiten im Bau der Vulkane und über deren Ur-
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Hzıxnrıch Eck. Notiz über die Auffindung von Conchylien im
mittleren Muschelkalke (der AnNpUSTAER v. Aus.) bei
Rüdersdorf . ;
Fervd. Roemer. Neuere Beobachtungen “über das Vorkommen
mariner Conchylien in dem Stein-
kohlengebirge .
— Geognostische Beobachtungen im \ Polnischen Mittelgebirge,
(Hierzu Tafel XIIL)
C. RımmeıLsserg. Ueber die Bestimmung des Schwefeleisens in
Meteoriten . .
A, v. GRroDDEcK. Ueber die Erzgänge des nordwestlichen Ober-
harzes,. (Hierzu Tafel XIV, XV, XVL).
Beum, Ueber die Bildung des unteren Oderthales -
C. Rıumersgere. Analyse der Glimmer von Utö und Easton
und Bemerkungen über die Zusammensetzung der Kali-
glimmer überhaupt... „malen 037 Dit RlRe = 278 ae
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Zeitschrift
der
Deutschen geologischen Gesellschaft.
4. Heft (November, December 1865, Januar 1866).
A. Verhandlungen der Gesellschaft.
li. Protokoll der November - Sıtzung.
Verhandelt Berlin, den 1. November 1865.
Vorsitzender: Herr G. Rose.
Das Protokoll der August-Sitzung wurde verlesen und
genehmigt.
Herr BryricH berichtete über die Verhandlungen der Ge-
sellschaft während der allgemeinen Versammlung derselben in
Hannover und lenkte darauf die Theilnahme der Versammlung
auf den seit der letzten hiesigen Sitzung erfolgten Tod zweier
ausgezeichneter Männer:
Dr. Christian PAnDeRr in St. Petersburg und Dr. Fr.
v. HıGEnow in Greifswald,
Vielen der hiesigen Geologen ist das Bild des liebens-
würdigen russischen Gelehrten, den wir mit Stolz als Deut-
schen auch uns zurechnen können, durch seinen letzten länge-
ren Aufenthalt in Berlin noch in lebhafter Erinnerung, und wir '
betrauern mit seinen heimischen Freunden den Verlust des
verdienstvollen Mannes, den auch wir seiner Herzlichkeit,
Biederkeit und Bescheidenheit wegen hochschätzen lernten.
Panper wurde am 12. Juli 1794 in Riga geboren, bezog 1812
die Universität Dorpat und setzte später seit 1814 seine Stu-
dien in Berlin und Göttingen fort. Er erwarb sich zuerst einen
Namen in der Wissenschaft durch Arbeiten im Gebiete der
Anatomie. Unter Anregung und Leitung von DOöLLINGER im
_ Würzburg begann er 1816 die für die Kenntniss der Entwicke-
lung des thierischen Körpers später so einflussreich gewordenen
Untersuchungen über die Entwickelung des Hühnchens im Ei,
Zeits. d.d. geol. Ges. XVIL. 1. 1
SA,
führte dann mit p’ALToN eine grössere Reise aus durch Frank-
reich, Spanien, Holland und England, als deren Frucht haupt-
- sächlich das schöne Werk uber die Skelete der verschiedenen
Säugethierfamilien hervorging. In’s Vaterland zurückgekehrt,
nahm Pasper als Naturforscher Theil an der Gesandtchafts-
reise, welche im Jahre 1820 unter Leitung des Barons MEYEn-.
DoRFF nach Buchara ging. Im Jahre 1822 zum Adjunkt und
1823 zum ordentlichen Mitglied der Kais. Akademie der Wissen-
schaften ernannt, begann er seine Studien der Geognosie und
Paläontologie zuzuwenden. Durch seine „Beiträge zur Geo-
gnosie des russischen Reichs* (1831) wurde er der Begründer
der Kenntuiss der silurischen Formationen Russlands. Im Jahre
1827 zog er sich nach Lievland zurück und fand hier Veran-
lassung, seine Aufmerksamkeit dem Vorkommen der merkwür-
digen devonischen Fischreste zuzuwenden, die er zuerst für
Ueberbleibsel untergegangener Arten von Knorpelfischen er-
klärte. Sein in späterer Zeit bearbeitetes grosses Werk über
die fossilen Fische der Silur- und Devon-Formationen ist eine
Zierde der paläontologischen Litteratur. Im Jahre 1842 zu-
ruckgekehrt nach St. Petersburg, führte er verschiedene geolo-
gische Untersuchungsreisen in Lievland und Esthland, in Cen-
tralrussland und am Ural aus, deren Hauptzweck war, den paläon-
tologischen Charakter der alten Formationen genau kennen zu
lernen und nach sicherster Feststellung des Horizontes, den
die Kohlenlager Russlands einnehmen, diejenigen Punkte zu.
bestimmen, an denen Versuchsbaue auf Steinkohlen anzulegen
wären. Die Bearbeitung des ungemein reichhaltigen und schö-
nen Materials von Versteinerungen, welches er bei diesen
Untersuchungen aufgesammelt hatte, beschäftigte ihn in den
letzten Lebensjahren. Es wird Ehrenaufgabe und Pflicht der
russischen Regierung sein, dafür zu sorgen, dass die weit vor-
geschrittenen Arbeiten des verstorbenen Gelehrten der Wissen-
schaft nicht vorenthalten bleiben.
Frieprıch v. HAGEnow hat unserer Gesellschaft seit ihrer
Gründung als Mitglied angehört. Wem es vergönnt war, ihm
' im Leben näher zu treten, betrauert auch ihn als biederen
und herzlich ergebenen Freund. Das Studium der Geschichte
und Natur seiner engeren Heimath, Neuvorpommern und Rü-
gen, hatte er sich zur Aufgabe seines Lebens gemacht. Er
entwarf die ersten, guten, topographischen Karten seiner Hei-
3
math und ist in weiteren Kreisen durch seine Alterthumsfor-
schungen bekannt geworden. Für die Geognosie erwarb er
sich ein bleibendes Verdienst durch seine Arbeiten uber den
paläontologischen Inhalt der weissen Kreide Rügens, dessen
ausserordentlichen Reichthum er zuerst an’s Licht zog. In feiner
und scharfsinnniger Beobachtung und Unterscheidung des be-
handelten Materials sind seine Arbeiten musterhaft. Das
schwere Geschick, zu erblinden, trübte seine letzten Lebens-
Jahre.
Der Gesellschaft sind als Mitglieder beigetreten:
Herr v. HELMERSEn, Generallieutenant im k. k. russ,
Berg-Ingenieur-Corps in Petersburg,
vorgeschlagen durch die Herren Taunau, BEYRIcH
und G. Rose. :
Herr Dr. phil. v. Korrr in Warschau,
vorgeschlagen durch die Herren BEYRICH, SADE-
BECK und G. Rose.
Herr EwaLp Becker aus Breslau, zur Zeit in Berlin,
vorgeschlagen durch die Herren F. RormERr, vom
RıtH und BEYRrich.
Herr Dr. phil. WırrEsgurg in Berlin,
vorgeschlagen durch die Herren SADEBECK, BEYRICH
und G. Rose.
Herr Dr. phil. LasPEYRes, zur Zeit in Berlin,
vorgeschlagen durch die Herren v. DECHEN, voM
Rara und BpyricH.
Für die Bibliothek sind eingegangen:
A. Als Geschenke.
. Junius Hast: Report on the geological exploration of the
west coast. Christchurch 1865. — Report on the geological for-
mation of the Timaru district in reference to obtaining a supply
of water. Christchurch 1865. — Geschenke des Verfassers.
H. Fischer: Weitere Mittheilungen über angebliche Ein-
schlusse von Gneiss u. s. w. in Phonolith und anderen Fels-
arten. Freiburg 1865. — Geschenk des Verfassers.
H. Eck: Ueber die Formationen des bunten Sandsteins
und des Muschelkalks in Oberschlesien und ihre Versteinerun-
gen. Berlin-1865. — Geschenk des Verfassers.
U. ScaLöngach: Beiträge zur Paläontologie der Jura- und
Kreideformation im nordwestlichen Deutschland. Erstes Stück.
1*
7
Ueber neue und weniger bekannte jurassische Ammoniten.
. Cassel 1865. — Sep.
H. CREDNER: Geognostische Karte der Umeessn von Han-
nover. Hannover 1865. — Geschenk des Verfassers.
Paläontologie von Neu-Seeland. Beiträge zur Kenntniss
der fossilen Flora und Fauna der Provinzen Auckland und
Nelson von UnGER, ZITTEL, SuEss, KARRER, STOLICZKA, STACHE,
JAEGER, redigirt von F. v. HocHSTETTER, HÖRNES und Fr. von
HaAver. — Novara-Expedition. Geologischer Theil. Band I.
2. Abtheilung. — Geschenk des Herrn F. v. HocHSTETTER.
GUMBEL: Ueber das Knochenbett (Bonebed) und die Pflan-
zen-Schichten in der rhätischen Stufe Frankens. — Sep.
G. Rose: Ueber die Krystallform des Albits von dem
Roc-tourne und von Bonhomme in Savoyen und des Albits
im Allgemeinen. — Sep.
E. Berricn: Ueber einige Trias- Ammoniten aus Asien.
Auszug aus dem Monatsbericht der Königl. Akademie der
Wissenschaften zu Berlin.
Ep. Suzss: Ueber die Cephalopoden-Sippe Acanthoteuthis
R. Wagn. — Ueber Ammoniten. — Sep.
F. SroLiczka: Eine Revision der Gastropoden der Gosau-
schichten in den Ostalpen. — Sep. i
A. E. Reuss: Zwei neue Anthozoen aus den Hallstädter
Schichten. — Sep. |
| B. Stuper: Beiträge zur Geognosie der Berneralpen. —
Geologisches aus dem Emmenthal. — Sep.
Statistics of the foreign and domestic commerce of the united
states. Communicated by the secretary of the treasury. Was-
hington 1864.
A magyarhoni földtani tarsulat Munkälatai. Szerkeszte Szab6
Jözsef masod titkar. II Kötet bevegezve 1863. Pest.
B. Im Austausch.
Jahrbuch der k. k. geologischen Reichsanstalt in Wien.
1865. Bd. 15 N. 2 u. 3. — Verhandlungen derselben vom
18. Juli, 8. August, 12. September 1869.
. . Zweiundvierzigster Jahresbericht der schlesischen Gesell-
schaft für vaterländische Cultur für das Jahr 1864. Breslau
1865. — Abhandlungen: philos.-histor. Abtheil. 1864, Heft II.;
Abtheil. für Naturwissenschaften und Medicin 1864. Breslau
1864.
B) 3
Schriften der Königl. physikalisch - ökonomischen Gesell-
schaft zu Königsberg. 6. Jahrg. 1865. Abtheil. 1.
Zeitschrift des Architekten- und Ingenieur-Vereins für das
Königreich Hannover. 1865. Bd. 11. Heft 2 und 3.
Funfzigster Jahresbericht der naturforschenden Gesellschaft
in Emden (1864). Emden 1865.
Mittheilungen der naturforschenden Gesellschaft in Bern
aus dem Jahre 1864. N. 553—579.
Sechster . Jahresbericht des naturhistorischen Vereins in
Passau über die Jahre 1863 und 1864. Passau 1865.
Mittheilungen aus dem Österlande. Bd. 17. Heft 1 u. 2.
Altenburg 1865.
Verhandlungen der schweizerischen naturforschenden Ge-
sellschaft zu Zurich am 22—24. August 1864. 48. Versamm-
lung. 1864.
Jahresbericht der naturforschenden Gesellschaft Graubun-
dens. Neue Folge. Jahrg. X. Chur 1865.
Verhandlungen des botanischen Vereins für die Provinz
Brandenburg und angrenzenden Länder. Berlin 1864.
Mittheilungen der k. k. geographischen Gesellschaft in
Wien. 8. Jahrg. 1864. Heft 1.
Prrermann’s Mittheilungen aus Justus PERTHES’ geogra-
phischer Anstalt. 1865. No. 4, 6, 7, 8. Gotha.
Siebenter Jahresbericht der Gesellschaft von Freunden der
Naturwissenschaften in Gera. 1864.
Sitzungsberichte der Köonigl. Bayerischen Akademie der
Wissenschaften zu München. 1865. I. Heft 3 u. 4.
Sitzungsberichte der Kaiserl. Akademie der Wissenschaften
in Wien. Bd. 50, Heft 1—5, 1. u. 2. Abtheil. 1864. — 2: BEE)
Heil’ u. 2,1. u. 2. Abtheil. 1855.
Memoires de la societe de physique et d’histoire naturelle de
Geneve. 1865. Tome 18. Part. T.
Annales des mines. Sixieme serie. Tome VII. ‚Livr. PR: ID
Paris 1865.
Bulletin de la societe imperiale des naturalistes de Moscou.
180: N. LIT.
Atti della societa italiana di scienze naturali. Vol. VI,
fasc. V. — Vol. VIII, fasc. I, II. Milano 1865.
The quarterly journal of the geological society of London.
701. 21; Part: 32: N: 83: 1865.
Rai TR, ER ee en,
WE
A N. ER SET
Proceedings of the American philosophical society. ‚Philadel-
phia 1840; Vol: I.,N- 5:11; 12,.:V0l,: IX. N IE
List of the members‘ of the American philosophical weit
Philadelphia.
Catalogue of the American ee society. ee, ds
Philadelphia 1863. |
Transactions of ihe American philosophical society. Phila-
delphia 1863. Vol. 13. New Series. Part T. |
Proceedings of the Academy of natural sciences of Philadel-
phia. 1864. N. 1—5.
Smithsonian contributions to knowledge. Vol. 14. Washing-
ton 1865. 7
Smithsonian miscellaneous saljeations, N. 177, 183. Wos-
hington 1864.
Annal report of the board of regents of the Smithsonian
institution. Washington 1864.
The American journal of science and arts. Vol.37 N,109—111.
Vol. 88 N. 112—114. Vol. 39 N. 115—117. Newhaven 184.
Proceedings of the Boston society of natural history. Vol. IT.
1845—48. — Vol. III. 1848—51. — Vol. IV. 1851—54. —
Vol. V. 1854—56. — Vol. VI. 1856—59. — Vol. VII. 1859 —61.
— Vol. VIII. 1861—62. — Vol. IX. Bogen 21—25.
Journal of the Boston society of natural history. Part I.
N.1—4. 1834—37. — P. II. N. 1—4. 1888—39. — P. III.
N. 1—4. 1840. — P. IV. N.3, 4, 1843—44. — P,V. N.1.
1845. — P. VI. N. 1—4. 1850—97.
Results of meteorological observations, made under the direction
of the united states patent office and the Smithsonian institution.
Vol. II. Part I. Washington 1864. ö
Report of the superintendent of the coast survey, showing the
progress of the survey during the year 1862. Washington 1864.
Journal of the Portland society of natural history. 1864.
Vol ZEN, 1;
Proceedings of the Portland society of natural history; 1862,
Vol. I. Part ].
Annals of the Lyceum of natural history of a York.
1364... Vol. VILL.N, 1.2.2.
Charter, constitution and by laws of the Lyceum of natural
history in. the city of New York with. a list of the members etc.
1864.
7
- Ausserdem wurde vorgelegt:
C. Fuaurort: Der fossile Mensch aus dem Neanderthale
und sein Verhältniss zum Alter des Menschengeschlechts. Duis-
burg 1865, welche Abhandlung von der Verlagsbuchhandlung
von W. FALk und VoLmer in Leipzig eingesendet worden war.
Mit dem Bemerken, dass mit der heutigen Sitzung ein
‘ neues Geschäftsjahr beginne, forderte der Vorsitzende unter
Abstattung eines Dankes für das demselben von der Gesell-
schaft geschenkte Vertrauen zur Neuwahl des Vorstandes auf.
Auf Vorschlag eines Mitgliedes erwählte die Gesellschaft durch
Acelamation den früheren Vorstand wieder. An die Stelle des
Herrn Ror#, der die Wiederwahl ablehnen zu müssen erklärte,
wurde Herr Eck zum Schriftführer gewählt, so dass der Vor-
stand besteht aus den Herren: |
G. Rose, Vorsitzender,
Ewarp und RAumELSBERG, Stellvertreter desselben,
Beyricn, v. BENNIGSsEn-FÖRDER, Wepping, Eck, Schrift-
führer, |
Taunav, Schatzmeister,
LoTTner, Archivar.
Herr v. SEEBACH legte einige neue organische Reste aus
der mitteldeutschen Trias vor, und zwar einen Ganoiden aus
dem bunten Sandstein von Bernburg, welchen er dem Herrn
Beckmann verdankt, und fur welchen er den Namen Semiono-
tus gibber vorschlug. Ferner aus der Sammlung des verstor-
benen BERGER in Coburg eine Halobia, welche nach der An-
sicht des Redners aus den obersten Schichten des unteren
Muschelkalks (nach ©. v. Frirscn dagegen aus derjenigen
- Schicht, welche im oberen Muschelkalk die Terebratelschicht
der Thonplatten bedeckt) herstammt und mit dem Namen Aa-
lobia Bergeri belegt wurde; endlich eine Pinna, "welche der-
selbe Pinna triasina benannte.
Herr LuTTERr zeigte einige für Rüdersdorf neue Erfunde
aus dem dortigen Schaumkalk vor, ein Exemplar der Delphi-
nula infrastriata STROMB. und Cidarisreste, nämlich Stacheln,
Asseln und Stücke aus dem Zahnapparat, von denen die erste-
ren mit denjenigen Stacheln des Muschelkalks übereinstimmen,
welche mit den Namen (. grandaeva und subnodosa belegt
worden sind.
Herr SADEBECK sprach über Kalkführung des Eulengebirgs-
gneisses. Dieser Gneiss ist im Allgemeinen sehr arm an Kalk.
In der Litteratur findet sich nur eine Notiz in KArstEn’s Ar-
chiv Bd. III. von ZoBEL und v. CARNALL, dass zwischen Lan-
genbielau und Peterswaldau sich ein Kalklager befände. Redner
legte Handstücke dieses weissen, grobkrystallinischen Kalk-
steins vor, welcher in Lagern im Gneisse regelmässig einge-
schichtet vorkommt; die Lager erreichen mitunter eine. sehr
‚bedeutende Mächtigkeit. Besonders hervorzuheben ist, dass
in dem Kalk keine Mineralien gefunden werden.
Derselbe Kalkstein trittin gleichfalls regelmässigen, jedoch
weniger mächtigen Lagern bei Steinkunzendorf in der Silber-
_ koppe auf, hier aber nicht im typischen Gneisse, sondern in
einem Hornblendeschiefer, bestehend aus Hornblende und einem
gestreiften Feldspath. -
Am Fusse desselben Berges kommt ein dichter, bläulicher
Kalkstein vor mit Beimengungen einer mehr oder minder ver-
witterten Serpentin-artigen Masse. Ueber die Art des Vor-
kommens konnten wegen der Unzugänglichkeit des Bruches
keine Beobachtungen angestellt werden.
Ferner legte der Redner Granit aus Striegau in Schlesien
vor, in welchem sich sehr schone Octaöder von violblauem
Flussspath befinden.
Herr G. Ross legte Modelle der in einer früheren Sitzung
besprochenen, durch einander gewachsenen Albitkrystalle vom
Roc-tourne und von Bonhomme in Savoyen vor, welche auf
seine Veranlassung in der Mineralienhandlung des Herrn Dr.
Krantz in Bonn angefertigt worden waren.
Hierauf wurde die Sitzung geschlossen.
v. w. 0. -
G. Ross. BpyricHh. Eck.
2. Protokoll der December - Sıtzung.
Verhandelt Berlin, den 6. December 1865.
Vorsitzender: Herr G. Ross.
Das Protokoll. der Nonemben Maune wurde verlesen und
genehmigt.
Der Gesellschaft ist als Mitglied beigetreten:
Herr Bergreferendar Jung in Bonn,
vorgeschlagen durch die Herren WEDDING, STEIN
und Eck.
Für die Bibliothek sind eingegangen:
A. Als Geschenke:
Berg- und Hüttenkalender für das Jahr 1866. 11. Jahr-
gang. Essen. Verlag von G. D. BäipEker.
Beyrich: Ueber eine Kohlenkalkfauna von Timor. (Aus
den Abhandlungen der Königl. Akademie der Wissenschaften
zu Berlin 1864.) Berlin 1865.
Relazione fatta dal professore Giovanni Omboni sulle con-
dizione geologiche delle ferrovie progettate per arrivare a Coira |
passando per lo Spluga, il Settimo e il Lucomagno.
M. Sars: Om de i Norge forekommende fossile en
ra quartaerperioden. Christiania 1865.
G. ©. Sars: Norges ferskvandskrebsdyr. Forste afsnit Bran-
chiopoda. T. Oladocera Ctenopoda. Christiania 1865.
Det Kongelige Norske Frederiks Universitets Aarsberetning
fort Aaret 1863. Christiania 1865.
Gaver til det Kgl. Norske -Universitet i Christiania.
Ta. Kjerunr: Veiviser ved geologiske excursioner i Christiania
omegn med et farvetrykt kart og flere traesnit. Christiania 1865.
Ju. Haast: Report on the headwaters of the river Wai-
taki. Christchurch.
B. Im Austausch:
Achtzehnter Bericht des naturhistorischen Vereins in Augs-
burg. 1865.
Verhandlungen des naturforschenden Vereins in Brünn.
Bd. III. 1864. Brünn 1865.
Sitzungsberichte der Königl. Bayer. Akademie der Wissen-
schaften zu München. 1865. II. Heft 1, 2. |
Notizblatt des Vereins für Erdkunde und verwandte Wissen-
schaften zu Darmstadt und des mittelrheinischen geologischen
Vereins. Herausgegeben von Ewarn. Ill. Folge. Heft 3,
N. 25—36. Darmstadt 1864.
Geologische Specialkarte des Grossherzogthums Hessen
und der angrenzenden Landesgebiete. Herausgegeben vom
mittelrheinischen geologischen Verein. Sektion Darmstadt, von
Lupwıs. Darmstadt 1864.
Mittheilungen aus J. PERTHES’ geographischer Anstalt von
Prrermann. 1865. IX. ;
Berichte über die Verhandlungen der naturforschenden.
Gesellschaft zu Freiburg i. B. Bd. III. Heft 1-4. 1863—1865.
Societd des sciences naturelles du. grand-duche de Luxem-
bourg. T. VIII. 1865. |
Memoires de l’academie imperiale des sciences de St. Peters-
bourg. Serie VII. Tome V. N. 1. Tome VII. N. 1—9. Tome
VIH. N. 1—16.
Bulletin de l’academie imperiale des sciences de St. Peters-
bourg. Tome VII. N. 3—6.-Tome VIII. N. 1—6. |
Herr Roru berichtete über den Inhalt der noch an ihn
eingegangenen Bücher, namentlich über die Arbeiten von:
KJERULF, Wegweiser zu geognostischen Excursionen in der
Umgegend von Christiania; Fr. Scumipr, recherches sur les phe-
nomenes produits par la periode des glaces en Esthonie et a lile
d’Oesel in den Bulletins de l’academie imperiale des sciences de
St. Petersbourg. T. VIII. N.4; DE VOLBORTH, sur le Baerocri-
nus, une nouvelle espece de crinoide, trouvee en Esthonie, daselbst
T. VIII. N. 3; v. HELMERSEN, le puit artesien a St. Petersbourg,
daselbst; SEMIONOF et v. MÖLLER, sur les couches devoniennes supe-
rieures de la Russie centrale, daselbst 7. VII. N.3; H. STruvE,
über den Salzgehalt der Ostsee in den Memoires de l’academie
imperiale des sciences de St. Petersbourg. VII. Ser. T. VII.
N:
Herr G. Rose erinnerte an den Verlust, den die Gesell-
schaft durch den Tod ihres Mitgliedes, Professor Dr. BARTH,
erlitten hat, und berichtete darauf nach einer briefliehen Mit-
theilung des Herrn Wxssky über die Auffindung des Ferguso-
' nits, Xenotims und Monazits in Schlesien (ef. diese Zeitschrift
Bd. XVII. S. 566).
Herr SErLO sprach über die Vermuthung, mit den Stein-
salzablagerungen in Lothringen, wie bei der in Stassfurt, Kali-
salze aufzufinden. Schon im Anfang dieses Jahrhunderts führte
man Bergbau auf Steinsalz in Lothringen in der Nähe von
Vic, der aber durch Ersaufen der Grubenbaue zum Erliegen
kam. Seit 1826 hatte man einige Meilen von Vie entfernt bei
Dieuze von Neuem Steinsalz aufgeschlossen, dasselbe in elf
verschiedenen, von Mergeln getrennten Lagern angetroffen und
bis zum vorigen Jahre Bergbau darauf geführt, der aber
4
gleichfalls wegen Ersaufens eingestellt ist, so dass der vor-
handene Schacht zur Zeit als Soolschacht dient. Seit einem
Jahrzehnt sind nun aber in der Nähe von Naney (Meurthe-
Departement) bedeutende Salzablagerungen bekannt gewor-
den, die offenbar mit denen von Dieuze zusammenhängen,
wenn auch die hier gefundenen elf Lager mit denen von
Dieuze nicht vollständig identisch sind; es sind mehrfache Con-
eessionen ertheilt, in- denen theils durch Bohrlöcher, theils
durch Schächte die Lagerstätten aufgeschlossen sind.. Die wich-
tigste von allen ist die Concession von St. Nicolas-Varange-
ville, wo man die ganze Lagerstätte mit einem Schachte durch-
teuft hat und in dem elften Lager ausgedehnten Bau führt.
Die ganze Ablagerung liegt im Muschelkalk, also in einem
weit höherem geognostischen Horizont, wie die von Stassfurt,
sie hat aber dadurch mit der letzteren grosse Aehnlichkeit,
dass das Steinsalz mit harten Anhydritschnüren reichlich durch-
zogen ist, obwohl das.Salz an und für sich chemisch reiner,
reicher an Chlornatrium ist, als das zu Stassfurt. In den
oberen Teufen des Schachtes hatte man rothe Salze ange-
troffen, die man als Kalisalze ansprechen zu müssen meinte.
Herr Bergrath BıscHor zu Stassfurt hat sich einer eingehenden
Untersuchung der Salzlagerstätte überhaupt, besonders der ro-
then Salze unterzogen, er hat aber in den letzteren den Car-
nallit nicht auffinden können, sondern bezeichnet die rothen
Salze als Polyhalit, zugleich aber leugnet er die Möglichkeit
nicht, dass, wenn in Lothringen die Steinsalzablagerung noch
in tieferem Niveau aufgefunden wurde, sich wohl die Kalisalze
noch in den oberen Regionen derselben würden entdecken lassen.
Herr BEyrich sprach über die Ammoniten des alpinen
Muschelkalks von Reutte (vgl. hierüber die Monatsberichte der
Berliner Akademie der Wissenschaften vom December 1865).
Herr Rauueusgerg legte hierauf ein neues Mineral „Kainit*
von der Zusammensetzung KCl + 2MgS + 6aq. von Stass-
furt vor (vgl. diese Zeitschrift Bd. XVII. S. 649) und berichtete
nach einem Briefe des Herrn Fovgus an Herrn St. CLAIRE-
DeviLLe über den letzten Ausbruch des Aetna (siehe diese
Zeitschrift Bd. XVII. S. 606):
Herr Weppise sprach über das Vorkommen und die Zu-
sammensetzung der bisher bei Baux in Frankreich, Antrim in
Irland und in der Wochein in Oesterreich entdeckten Bauxite
und die Uebergänge zu denselben in manchen Brauneisenerzen
Schlesiens. ;
Derselbe legte sodann im Anschluss an die in einer frühe.
ren Sitzung vorgezeigten Bessemer-Stahlstücke ein Stuck weis-
sen Eisens vor, in welchem die Hohlräume dieselbe eigenthüm-
liche, melonenartige Streifung wie bei jenen erkennen lassen.
Herr Lasrerres legte Hohlgeschiebe aus dem Oberroth-
liegenden von Heddesheim nordöstlich von Kreuznach‘ vor,
die aus devonischem dolomitischen Kalkstein des Hunsrücks
gebildet sind, verglich dieselben mit den Lauretta-Geschieben
aus dem Leithakalke und schloss daran seine Ansicht über die
Entstehung dieser und ähnlicher Gebilde. (vgl. diese Zeitschr.
Bd. XVII. pag. 609.)
Hierauf wurde die Sitzung geschlossen.
v. w. 0.
G. Rose. Be£ykıch. Eck.
3. Protokoll der Januar-Sitzung.
Verhandelt Berlin. den 3. Januar 1866.
Vorsitzender: Herr G. Rose.
Das Protokoll der December-Sitzung wurde verlesen und
genehmigt.
Der Gesellschaft sind als Mitglieder beigetreten:
Herr Bergreferendar FicktLer in Neu-Haldensleben bei
Magdeburg, vorgeschlagen durch die Herren Brry-
RICH, STEIN und Eck.
Herr Dr. Beneck£, Docent an der Universität in Hei-
delberg, vorgeschlagen durch die Herren BEYrıch,
EwaArp und. G. Rose.
Für die Bibliothek sind eingegangen:
A. Als Geschenke:
v. Heruersen. Das Donezer Steinkohlengebirge und des-
sen industrielle Zukunft. — Sep. aus dem Bulletin de l’acade-
mie: imperiale des sciences de St. Petersbourg. Tome VI. —
Geschenk des Verfassers. =
13
v. HELMERSen. Ueber die geologischen und physikalischen
Verhältnisse St. Petersburgs. — Geschenk des Verfassers.
J. v. LiesiG. Induction und Deduction. München 1865.
— Geschenk der Königl. Bayerischen Academie der Wissen-
schaften. Ä
C. Nigzrı. Entstehung und Begriff der naturhistorischen
- Art. München 1865. 2. Aufl. — Geschenk der K. Bayerisch.
Akademie der Wissenschaften.
Das Kohlengebiet in den nordöstlichen Alpen. Bericht
über die lokalisirten Aufnahmen der 1. Section der k. k. geo-
logischen Reichsanstalt in den Sommern 18%, von M. V. Lı-
poLp und D. Stur. — Sep. aus dem Jahrb. der k. k. geolo-
gischen Reichsanstalt. Bd. 15. Wien 1865.
Zeitschrift fur die gesammten Naturwissenschaften, von
GIEBEL und Sırwert. Jahrg. 1865. Bd. 25. Berlin.
Zeitschrift für das Berg-, Hütten und Salinenwesen in dem
preuss. Staate. Bd. 13. Lief. 2 und 3. Berlin 1865.
B. Im Austausch:
Sitzungsberichte der k. k. geologischen Reichsanstalt vom
14. und :21. November und 5. December 1865. — Sep. aus
dem Jahrb. der k. k. geologischen Reichsanstalt. Bd. 15.
Wien 18695.
Jahrbuch der k. k. geologischen Reichsanstalt. Bd. 15.
Heft 3. Wien 1865.
Archiv für wissenschaftliche Kunde von Russland, von A.
Erman. Bd. 24. Heft 3. Berlin 1865.
Mittheilungen aus J. PERTHES’ geographischer Anstalt von
Prrermann. 1865. X. XI. Ergänzungsheft 16 und 17. Gotha
1865.
Bulletin de la societe Vaudoise des sciences naturelles. Tome
VIIT. Bull. N. 53. Lausanne 1865.
Herr Rora legte die von Herrn Peck in Görlitz am Nord-
ostfuss des Steinberges bei Lauban aufgefundenen Graptolithen
vor. Die dunkelfarbigen, z. Th. mit zersetzten Kiesen erfüll-
ten, oft Kieselschiefer führenden Schiefer, welche nach Herrn
.Gemitz’ Bestimmung (Jahrb. Min. 1865. 459.) die Arten
Monograpsus sagittarius Hıs., M. colonus Barr., M. Sedgwicki
PorTL. und M. priodon Bronn enthalten, sind unter 15—18 Fuss
Diluvium in einem Einschnitt entblösst worden. Das Vorkom-
men von Graptolithen am Bansberg bei Horscha und bei Lau-
x ii
ban lässt in Verbindung mit dem Vorkommen von Herzogs-
walde auf eine bedeutende Verbreitung des Silurs in Nieder-
schlesien schliessen.
Herr F. RosmEr sprach zunächst über das Srälkmabken-
gebirge an der Ostseite des Altvatergebirges. Die ersten orga-
nischen Reste, welche in demselben aufgefunden wurden, wa-
ren die von GÖPPERT bei Leobschütz entdeckten Pflanzenreste,
‘durch welche ein Theil des Grauwackengebirges dem Kohlen-
gebirge zugewiesen wurde; eine Deutung, welche später durch
die zuerst von Herrn v. GELLHORN bei Jägerndorf, nachher
theils durch den Redner, theils durch die österreichischen Geo-
logen in weiter Verbreitung aufgefundene Posidonomya Becheri
völlig unzweifelhaft wurde. Ausserdem waren nur noch bei
Engelsberg von ScHARENBERG animalische Versteinerungen auf-
gefunden worden, welche indess, obwohl von SCHARENBERG
selbst für silurisch gedeutet, wegen der Unvollkommenheit der
Erhaltung ein Anhalten zu einer sicheren Altersbestimmung
nicht gewährten. Wichtiger sind die in neuester Zeit durch
Herrn HauLrar am Dürrberge bei Würbenthal in Quarzitschich-
ten, welche Gneus zum unmittelbaren Liegenden haben, aufge-
fundenen Versteinerungen, unter denen Grammysia Hamiltonensis
und Homalonotus crassicauda die einschliessenden Schichten für
unterdevonisch, gleichaltrig mit der Grauwacke von Coblenz,
erweisen. Einen weiteren Anhalt für die Gliederung des Grau-
wackengebirges gewähren ferner diejenigen Versteinerungen,
welche ebenfalls durch Herrn Harrar bei Bennisch aufgefun-
den wurden in Kalksteinen mit sehr kleinen, eingesprengten
Magneteisensteinoctaedern, welche sich in Begleitung von Kalk-
diabasen und Schalsteinen von Sternberg in Mähren über Spa-
ehendorf und Bennisch bis nach Zossen unweit Jägerndorf ver-
folgen lassen. Heliolites porosa und die Goniatiten unter den
Versteinerungen veranlassen den Redner, der in Rede stehen-
den Schichtenfolge ein oberdevonisches Alter beizulegen, und
er hält es fur wahrscheinlich, dass die zwischen den unterde-
vonischen und oberdevonischen Gesteinen auftretenden Schiefer
und Grauwacken, aus denen auch die von SCHARENBER@ bei
Engelsberg aufgefundenen Versteinerungen stammen, als mittel-
devonische Ablagerungen sich erweisen werden.
Derselbe legte ein unter eigenthümlichen Umständen in
einem Gesteinsstück erhaltenes Skelet einer Fledermaus vor,
15
welches für die Bildungsart des oberschlesischen Galmeis von
Interesse ist. Auf einem handgrossen Stücke von gelblich-
grauem, dichten Dolomit liegen grössere und kleinere, eckige
Stücke desselben Dolomits, welche mit einer etwa 1 Linie
dicken Rinde von gelblich durchscheinendem, feinfaserig krystal-
linischem Galmei (Zn Ö) überzogen und durch diese Rinde zu-
gleich unter sich und mit der Unterlage verkittet sind. Zwi-
schen diesen eckigen Stucken von Dolomit liegen nun die
Reste der fraglichen Fledermaus. Namentlich die Knochen der
Vorderextremitäten und des Schädels sind erkennbar. Die dün-
nen langen Fingerknochen ragen zum Theil frei vor, zum Theil
sind sie mit einer Rinde von Galmei überzogen und wie über-
zuckert. Der Schädel ist ebenfalls zum Theil mit Galmei über-
zogen. Am Grunde des Schädels hat sich noch ein dieker
Buschel von fuchsbraunen Haaren, der ebenfalls zum Theil
mit einer Galmei-Rinde bedeckt ist, erhalten. Grösse und Form
des Schädels passen zu Vespertilio murinus L. In jedem Falle
liegen hier die Reste einer noch lebenden Fledermaus-Art vor.
Das Interesse des Fundes liegt in dem Umstande; dass der-
selbe ein wenigstens zum Theil sehr jugendliches Bildungsalter
des Galmeis beweist; denn eine in die Gesteinsklufte gerathene
Fledermaus der Jetztzeit ist hier vom Galmei überzogen wor-
den. Da die ganze Erscheinungsweise des fraglichen Gesteins-
stuckes ganz derjenigen gleicht, wie sie in Oberschlesien die
gewöhnliche ist, so hat jedenfalls ein grosser Theil des ober-
schlesischen Galmeis die gleiche jugendliche Entstehung mit
diesem Stücke gemein. Das bemerkenswerthe Stuck wurde
auf der dem Herrn Commerzien-Rath v. Krausta gehörigen
Galmei-Grube bei Jaworznow im krakauer Gebiete durch Herrn
Berginspektor v. LiLIENHOF entdeckt und von demselben in
dankbar anerkannter Liberalität dem mineralogischen Museum
der königlichen Universität zu Breslau übergeben.
Endlich zeigte derselbe eine fossile Spinne aus dem ober-
schlesischen Steinkohlengebirge vor, welche von Herrn v. Schwr-
RIN in Kattowitz in den Schieferthonen des Myslowitzer Waldes
entdeckt worden ist. Dieselbe gehört den echten Spinnen mit
ungegliedertem Hinterleibe an und ähnelt im Habitus am mei-
sten der lebenden Gattung Lykosa, weshalb dieselbe von dem
Reduer mit dem Namen Protolykosa anthracophila belegt wor-
den ist. . Leider sind die Augen nicht deutlich erhalten. Sie
16
ist die älteste fossile Spinne, da bis jetzt nur aus den Juras-
sischen lithographischen Schiefern von Solenhofen echte Spin-
nen bekannt geworden waren. Ausserdem hatte nur LHwYp
eine Abbildung eines von ihm zu den Spinnen gerechneten acht-
beinigen Thieres gegeben, welche von PArkınson mit der Be-
merkung reproducirt wurde, dass dieselbe möglicherweise aus
dem Kohlengebirge von Coalbrookdale herstammen könne.
Neuerdings ist in England Aehnliches nicht gefunden worden.
Dagegen befindet sich nach Reuss in dem Museum der böhmischen
Gesellschaft zu Prag eine Spinne aus dem böhmischen Kohlen-
gebirge, welche indess nur 4 Beine zeigt. Ausserdem wurde
aus älteren Formationen nur noch ein Scorpion von STERNBERG
bei Prag aufgefunden und in den Schriften der böhmischen
Gesellschaft beschrieben. ln
Herr BeyricH legte, hinweisend auf das durch Herrn F.
RoEMER bekannt gemachte Vorkommen von Buccinum reticu-
latum und Cardium- edule in dem, Diluvium bei Bromberg, eine
Reihe Conchylien vor, welche von Herrn BEREXNDT an verschie-
denen Punkten in dem Diluvium des Weichselthales gesammelt
worden sind, und unter welchen Buceinum reticulatum, Cardium
edule, Tellina baltica, ein Cerithium und Venusfragmente her-
vorzuheben sind. Das Vorkommen bei Bromberg ist von allen
bis jetzt das westlichste. Der Redner wies darauf hin, dass
diese Erfunde das Vorhandensein eines grossen Wasserbeckens
mit Salzgehalt in der Diluvialzeit für die erwähnten Gegenden
ausser Zweifel stellen, und dass es vor Allem darauf ankom-
men werde, das Verhältniss dieser marine Conchylien einschlies-
senden Diluvialablagerungen zu denen mit Süsswasserconchylien
in der Umgegend von Berlin und Magdeburg festzustellen.
Derselbe sprach ferner über eine Reihe von Versteinerun-
gen, welche von den Herren HEınE und Steis in dem Krebs-
bachthale bei Mägdesprung (an einem Punkte, etwa eine halbe
Stunde aufwärts von Selkethale) aufgefunden worden sind und
den Eindruck einer devonischen Fauna machen. Der Redner
führte aus, dass sich in der bezeichneten Gegeud des Harzes
das Vorkommen von Graptolithen auf den Distrikt östlich von
Harzgerode und auf einen Punkt im Selkethale ostwärts des
Mägdesprunger Kalkzuges beschränke; dass ferner die Platten-
schiefer (harten Grauwackenschiefer) der Gegend von Mägde-
sprung, welche durch ihre Pflanzenreste A. RoEMER veranlass-
17
_ ten, die Gesteine nordwestlich des Selkethales als den Culm-
' schiehten zugehörig zu deuten, als Unterlage der Kalkstein-füh-
renden Grauwackenschiefer aufzufassen seien, welche durch
die von Biısc#or in dem Kalkstein aufgefundenen Versteine-
rungen sich als silurisch erwiesen; und dass den letzteren die-
jenigen Schichten folgen, welche nach den vorgelegten Ver-
steinerungen als devonisch anzusprechen seien, und welche mit
den devonischen Ablagerungen von Elbingerode in Zusammen-
hang stehen könnten. Die vorgelegten Versteinerungen be-
stehen aus einem vollständigen Trilobiten der Gattung Pleu-
racanthus, welche bis jetzt niemals in silurischen, sondern nur
in unter- und mitteldevonischen Schichten am Rhein und in
den Sandsteinen vom Kahleberg im Harz aufgefunden wurde;
einem Spirifer, dem Sp. speciosus ähnlich, welcher aus unter-
und mitteldevonischen Schichten bekannt ist; ferner Orthis um-
braculum, einer Leptaena und einem Chonetes. Dieser Altersbe-
stimmung der in Rede stehenden Schichten wurde nur die An-
gabe von BiscHor, dass im Krebsbachthale auch Graptolithen
vorgekommen seien, entgegenstehen; doch glaubt der Redner
bei der schlechten Erhaltung aller Versteinerungen annehmen
zu können, dass vielleicht ein Tentaculit oder platt gedrückter
Orthoceratit von BıscHor als Graptolith gedeutet worden sei.
Herr RAMMELSBERG sprach uber ein mexicanisches, in Be-
gleitung von Bustamit und Apophyllit vorkommendes Mineral,
- welches demselben durch Herrn Krantz in Bonn zugegangen
war. Dasselbe ist grau, sehr zähe, besitzt keine Spaltbarkeit,
hat ein specifisches Gewicht von 2,7, wird von Salzsäure zer-
setzt und ist vor dem Löthrohr unschmelzbar. Die chemische
Untersuchung würde zu der Formel ACaSi + ag. führen; allein
von den 48 pCt. abgeschiedener Kieselerde sind nur 41 Theile
in kochender Natronlauge auflösbar, die übrigen 7 Theile be-
stehen zu -- wahrscheinlich aus Quarz. Es wäre daher mög-
lich, dass das Mineral als ein verkieseltes Kalksilikat, vielleicht
als ein Umwandlungsprodukt aus Bustamit unter Wegführung
des Mangangehalts und Vergrösserung des Kalkgehalts dessel-
ben gedeutet werden müsste. Der Redner belegte dasselbe
nach seinem Fundorte mit dem Namen Xonaltit und behielt
- sich weitere Untersuchungen und Mittheilungen über dasselbe
. noch vor.
Zeits. d.d. geol. Ges. XVIII. 1. 2
18
Derselbe sprach ferner über die Zusammensetzung des
Buntkupfererzes von Ramos in Mexiko und die Constitution
dieses Minerals überhaupt und endlich über den Castillit, ein
neues Mineral aus Mexiko, worüber die entsprechenden Auf-
sätze im 18. Bande dieser Zeitschrift pag. 19 und 29 zu
vergleichen sind.
Hierauf ward die Sitzung geschlossen.
v. w. 0.
G. Rose. BeyricH. Eck.
19
B. Aufsätze,
1. Veber das Buntkupfererz von Ramos in Mexiko und
die Constitution dieses Minerals überhaupt.
Von Herrn C. Rammeısgere ın Berlin.
Eine kleine Probe von derbem Buntkupfererz von Ramos
‚in Mexiko, vom Geh. Bergrath BuRrkART mitgetheilt, ganz ho-
mogen, nur mit kleinen Quarzkrystallen verwachsen, schön
bunt angelaufen, zeigte ein spec. Gewicht — 5,030 und .ver-
lor beim Erhitzen in Wasserstoffgas 2,54 pCt. Die Analyse
ergab
Schwefel 25,27
Kupfer 61,66
Eisen 11,80
Blei und
Spur Silber N EN
100,63.
Demnach hat das Buntkupfererz von Ramos, abgesehen
von dem kleinen Bleigehalt, dieselbe Mischung, wie die Ab-
änderungen von Ross-Island, Toscana, Chile, Bristol, West-
moreland, vom weissen Meere etc,
Es giebt diese Untersuchung mir Anlass, über die che-
mische Natur des Buntkupfererzes überhaupt und der ihm ähn-
lichen Verbindungen einige Bemerkungen zu machen.
Aus den Analysen krystallisirter Abänderungen folgt,
dass sie aus 3 At. Schwefel, 3 At. Kupfer und 1 At. Eisen
bestehen. Ob man sie als
1
Cu:S + CuS + Feß = Ou’S + 2ipe | 8
oder als
3Cu?S -+- Fe? S$?
sich zu denken habe, ist schwer zu sagen. In allen diesen
Buntkupfererzen beträgt der Kupfergehalt 56—58 pCt.
>=
Ä Nun liegen aber 10 Analysen von Buntkupfererzen vor
von den verschiedensten Fundorten, in denen 60-63 pCt.
Kupfer enthalten ist, und selbst 5 Analysen, welche nahe
70 pCt. Kupfer gegeben haben. Alle diese kupferreicheren
Abänderungen sind freilich derb, wenigstens ist keine deutlich
krystallisirte darunter, und es. ist daher immer angenommen
worden, sie seien Gemenge von Buntkupfererz und Kupfer-
glanz. | BangeN
Dieser an und für sich so wahrscheinlichen Ansicht stehen
indessen so entscheidende Gründe entgegen, -dass man sie bei
genauerer Prüfung unmöglich aufrecht erhalten kann.
Zunächst wäre es doch sehr sonderbar, dass solche Ge-
menge ganz gleicher Art an den: verschiedensten Fundorten
wiederkehren, und dass sie sich nur auf zwei höhere Kupfer-
gehalte beschränken sollten. Kann man glauben, dass die
Erze von Connecticut, aus Irland, vom weissen Meere und aus
Mexiko, alle gleich zusammengesetzt, Gemenge seien? Warum
hat das Erz von Sangerhausen genau die Zusammensetzung
desjenigen von Lauterberg ')?
Berechnet man die Atomzusammensetzung der zuverläs-
sigeren Analysen, so findet man:
Fe Cu S
1) Condurra-Grube. PLATTNER. a 8,88 3,98
2) Redruth. CHopNzw. 1 3,4 3,15
3) ? VARRENTRAPP. 1 3,49 3,2
4) Märtanberg. PLATTNER. 1 2,9 2,6
5) Ross-Island. Pmuuips. 1 3,8 2,97
6) Ramos, Mexiko. RAMMELSBERG. 1 1 |
7) Connecticut. BODEMARN. 1 4,8 3,9
8) Woitzkische Grube. PLATTNER. 1 4,8 3,8
9) Eisleben. PLartner 1 8,2 8.2 8
10) Lauterberg. RAMMELSBERG. 1 8,8 5,46
11) Sangerhausen. PLATTNER. a] 9,8 6,2
ee des letzteren in meinem Laboratorium hat ergeben:
| Schwefel 23,75 |
Kupfer 68,73
Eisen nes
100,11
Verlust in Wasserstoff 2,77 pCt.
21
Genau genommen, entspricht keine Analyse der bisher an-
genommenen Zusammensetzung, d. h. dem Atomverhältniss
1:3:3 recht befriedigend. Lässt man dies aber für die Abän-
derungen 1—-4 (wobei die krystallisiren 1—3) gelten, so
scheint
Atomverh.
Fe: Cu :S
6= 9Cu?S + 2Fe?’S? = 1:4,9:3,75
Be CS Brei]
2 —=,8 Qu SERIEN: Ed
19 920178 -E1#Fe? 8% = 1:96
11 = 100u?S + Fe’S’ = 1:10 ::6,9.
Alle Buntkupfererze stellen sich als isomorphe Mischungen der
beiden Sulfurete dar.
Mit mindestens gleichem Reeht lassen sich aber die Bunt-
kupfererze auch als Verbindungen
Cu |
7
mQuS+ nm, ( S
auffassen, und dann wird auch Paızrips’ Analyse von Nr. 5
einer Deutung fähig, weil, ihre Richtigkeit vorausgesetzt, das
Buntkupfererz von Ross-Island gar kein Fe’ S° enthalten
kann.
€
Atomverh.
Fe:Cu:S8
Be 2 , Cu sp. f
8 us Or 1:0 3
4 = 5Cu° 8 eis lid : 2,75
”_ 2Cu Ss. Fes — 1:4 :3°
= 4008 +319. 18 = 1:45:35
> 2
ar ty 8 - L:5 4
I= Cuts Hat, 8 =1:8 :58
1 C
10 =.2C0n:S + a :6
11 = 908 +41. 18 = 1:10:65.
Diese Formeln gestatten auch einige andere ähnliche Mi-
schungen dem Buntkupfererz anzureihen, namlich
22
1) Barnhardtit aus Nord-Carolina,
2) Homichlin von Plauen.
Atomverh.
Fe: Cu:S
1= (WS +47 }8=1:2 2,5
Fee) x
2 =. 0u8 33 De ne
Es ‚tej
In allen diesen Mischungen ist das zweite Glied selbst
wieder eine solche, und zwar entweder
CuS + FeS = Kupferkies, oder
CuS +2FesS = Cuban (BrREITHAUPT);
denn ohne Zweifel sind dies die einfachsten Formeln für diese
Mineralien, nicht weniger wahrscheinlich als die gewöhnlichen,
welche das als Mineral nicht. bekannte Fe’ S’ enthalten.
23
2. Ueber den Castillit, ein neues Mineral aus Mexiko.
Von Herrn C. Rauneısgerg ın Berlın.
Als silberhaltiges Buntkupfererz von Guanasevi in Mexiko
erhielt ich von Herrn Geh. Bergrath BurkArT in Bonn ein Stuck
eines Erzes, welches demselben vom Prof. DE ÜastiLLo in
Mexiko zugekommen war. Es ist derb, aber deutlich blättrig
und seiner ganzen Masse nach bunt angelaufen. Sein spec.
Gew. ist nach zwei Bestimmungen — 5,186 und 5,241. Vor
dem Löthrohr schmilzt es ziemlich schwer und verwandelt sich
in eine strensflüssige Schlacke, welche durch Kupfer stellen-
weise roth gefärbt ist. In Salpetersäure löst es sich unter
Abscheidung von Schwefel und schwefelsaurem Bleioxyd zu
einer blauen Flussigkeit auf.
In Wasserstoffgas schwach geglüht, giebt es etwas Schwefel
und eine Spur Schwefelwasserstoff, aber kein Wasser. Der
Verlust war in einem Versuche = 1,85 pCt. und der Rückstand
ungeschmolzen.
Das Mineral ist jedoch kein Buntkupfererz, weil es ausser
Kupfer und Eisen noch Zink, Blei und Silber enthält:
Eine Zerlegung durch Chlor gab:
Schwefel 25,65
Kupfer 41,11
Silber 4,64
Blei 10,04
Zink 12,09
Eisen 6,49
100,02
Die Atome der Metalle und des Schwefels verhalten sich
fast = 4:5, das Kupfer muss also zu nahe + als CuS, zu 3
.als Cu? S vorhanden sein.
Das Ganze lässt sich als
Cu
RS + 2RS= 1,1 S+ 0
Fe
ven
bezeichnen. Die Vertheilung des Schwefels ist dann
Kupfer 27,70 -- Schwefel 7,00
Silber _ 4,64
/ n
Kupfer 13,41 ”
Bleı- .... 10,04 ie
Zink 12,09 a
n
Eisen 6,49
Um zu erfahren, ob das Erz trotz seines homogenen An-
sehens nicht doch ein Gemenge wäre, wurden Proben von
einzelnen Stellen untersucht; es wurde ferner das Pulver ge-
schlammt und der leichteste und schwerste Theil für sich ge-
prüft, allein es waren immer nur geringe Differenzen im Ge-
halt von Kupfer (42,35 — 42,71 — 43,35 pCt.), Eisen (6,30
— 6,55 — 6,92 — 7,06 pCt.) und Blei und Silber (zusammen
0,69
6,76
1,55
5,95
3,71
25,66
13,76 — 15,18 pCt.), welche sich dabei ergaben.
Da es mithin ein neues Mineral zu sein scheint, so schlage
ich vor, es nach seinem Entdecker Castillit zu nennen.
Man bemerkt leicht, dass es eine isomorphe Mischung ist.
sanz analog dem krystallisirten Buntkupfererz
Cu
2
EnrBrt 2 S.
Der Schwefelgehalt dieses Erzes erlaubt nicht, in dem-
selben bloss Cu? S anzunehmen; denn dann würde die höhere
Schwefelungsstufe des Eisens nicht Fe’ S’, sondern FeS° sein,
was wenigstens als beigemengt nicht vorhanden ist.
25
3. Ueber einige Aufschlüsse im Diluvium südlich und
östlich von Berlin.
Von Herrn A. v. Kornen ın Berlin.
Nachdem im vergangenen Frübjahre die neuen Eisenbahn-
linien von Berlin nach Cüstrin und nach Görlitz in Angriff
genommen waren, unternahm ich es, die durch die _be-
treffenden Erdarbeiten aufgedeckten Erdschichten zu untersu-
chen. Aeltere, sekundäre oder tertiäre Schichten sind zwar
an keinem von mir besuchten Punkte entblösst worden, son-
dern ich habe nur eine Anzahl Profile im Diluvium gefunden;
da aber gerade diese geeignet sind, Klarheit über die Glie-
derung der Diluvialschichten zu verbreiten, so scheint es mir
nicht unangemessen das Ergebniss zu veröffentlichen.
Wie dies auch schon BERENDT in seiner sehr sorgfältigen
Arbeit „uber die Diluvialablagerungen der Mark Brandenburg“
besonders für die Gegend von Potsdam dargethan hat, so fin-
den sich auch östlich und südlich von Berlin im Diluvium drei
Thonschichten, welche durch Sandschichten getrennt sind und
noch über einer mächtigen Schicht sehr feinen Sandes liegen.
Die unterste Thonschicht, der geschiebefreie oder Glindower
„Diluvial-Thon“ ist blaugrau bis schwarz, meist frei von allen
Geschieben, und fuhrt nur sehr selten kleine Kreide- und Feuer-
steinbrocken. Die beiden oberen, meist sehr sandigen und
Geschiebe enthaltenden Thonschichten, den unteren und oberen
Sandmergel Berenpr's, führe ich als unteren und oberen Ge-
schiebethon an, da dieser Name älter ist und mir weit. be-
zeichnender scheint.
Der Decksand, welchen BERENDT als oberstes Glied zum
Diluvium rechnet, gehört unzweifelhaft, wie dies auch BrYriıcH
und Andere schon ausgesprochen haben, dem Alluvium an und
verdankt seine Ablagerung derselben Zeit und denselben Agen-
tien wie der Wiesenthon. |
Der ganz feine, plastische Sand, den BERENDT mit dem
Namen Schlepp bezeichnet, wird südlich und östlich von Ber
lin allgemein Schluff genannt. So viel zur Erläuterung der
im Folgenden gebrauchten Bezeichnungen.
Auf der Bahnstrecke von Berlin nach Görlitz findet sich
bis Spremberg kein auch nur einigermaassen bedeutender Ein-
schnitt, und da ich bis hinter Königs-Wusterhausen nichts als
Moorwiesen und Alluvialsand zu Gesicht bekam, gab ich eine
weitere Verfolgung der Bahnlinie auf, und besichtigte zunächst
die nördlich von Königs-Wusterhausen, westlich von der Bahn,
gelegenen Thongruben. Die nördlichste derselben, östlich von
dem Dorfe Hohen-Löhne gelegen, gewinnt den oberen Ge-
schiebethon, der hier über 20 Fuss mächtig ansteht und nach
Süden auszugehen scheint. Von den übrigen Thongruben wa-
ren nur zwei im Betriebe, und zeigten somit frische Profile.
Beide Gruben bauen auf dem wellig gelagerten, gegen 40 Fuss
mächtigen, geschiebefreien Thon, der hier nicht selten Kreide-
und Feuersteinbrocken bis zu Bohnengrösse einschliesst. Dar-
über liegt bis über 20 Fuss magerer brauner unterer Ge-
schiebethon, und zu oberst einige Fuss Sand, Kies oder leh-
miger Sand.
Auf dem geschiebefreien Thon bauen ferner die verschie-
denen Thongruben, die sich von Motzen nach Nordosten ca.
+ Meile weit hinziehen; die südlichste davon, die Meinicke’-
sche, hat 18 bis 20 Fuss Thon, der bald sehr fett und schwarz,
bald mehr schluffartig und grau ist. Darunter liegt ganz feiner
Sand, dessen oberste Schicht durch Eisenocker röthlich gefärbt
ist, ohne indessen eine harte „Eisenschicht* zu bilden. Unter
einem anscheinend ungeschichteten, groben Sande von geringer,
sehr verschiedener Mächtigkeit liegen folgende Schichten:
feiner, roth gestreifter Sand . . .... 8 Fuss
brauner, magerer, unterer Geschiebethon . . Hr,
feiner Band; Arion, MESE. DER RER Sn
"%laugrauer Dilüvialthon. ser warb 2 Eu;
beaser2 Schinft -2..2 0) 2er a Ra ee Zug
blauer: Diluvialthon # mn ner an
feiner Sand.
Die nach Norden dicht daneben liegende Krause’ si Thon-
grube hat bis 30 Fuss Diluvialthon, darüber ca. 12 Fuss Sand
und lehmigen Sand. Die Thongrube von Braun, die nördlich-
ste noch im Betriebe befindliche, führt bis 40 Fuss geschiebe-
27
freien Thon, und daruber ausser braunem Schluff nur ea. 6 Fuss
Sand. In allen diesen Thongruben fällt der Thon nach Westen
zu mehr oder weniger stark ein, und geht nach Osten hin aus.
Von den Ziegeleithongruben an der südwestlichen Seite
des Motzener See’s, südlich Calinichen, erreicht nur die von
Ernst, von den im Betriebe befindlichen die nördlichste, ‘den
seschiebefreien Thon, und zeigt folgende Schichten:
Bandrzum@lßheil' lehmig* Min aa ln 9 Fuss
Kies. ; A RE db: 4%
graubrauner tere Eusehicherkön een el
brauner Schluf. . . . k 1975,
blauer Diluvialthon (nach Kit dei Nöbieiteh 18—24 ,,)
Die beiden anderen, südlicheren Thongruben zeigen ziem-
lich übereinstimmend:
Sand, unten kiesig . . . „wuess®. 4—9 Euss
graubrauner unterer Gsehiehetken. rel
schwärzlicher unterer Geschiebethon . . . . 62:5
Unter diesem folgten, nach Angabe der Arbeiter, noch ca.
18 Fuss schwarzer Geschiebethon, der aber nach unten immer
magerer wurde; hierunter liegt ein fester bläulicher Thon,
vermuthlich „Geschiebefreier*, welcher - Meile südlich viel-
fach aufgeschlossen ist. Es bauen dort auf dem Diluvial-
thon eine ganze Reihe von Thongruben, elf an der Zahl, die
sich von Töpchin nach Zehrensdorf hinziehen. Der Thon ist
dort ca. 18 bis 20 Fuss mächtig, und wird an den zur Zeit
aufgedeckten Stellen nur von Schluff und Sand überlagert;
ersterer findet sich aber auch häufig eingelagert. So besteht
der obere 'Theil des Thonlagers in der Thongrube von Krause
aus vielen dunnen, abwechselnden Schichten von blauem, schluff-
artigem Thon und braunem, thonigem Schluff; darüber liegen
ca. 20 Fuss feiner Sand, der, besonders unten, mit vielen
braunen Schluffschichten abwechselt.
Derselbe Diluvialthon ist auch 1 Meile weiter westlich,
l Meile südlich von Zossen, in der Thongrube am Nordende
des Dorfes Olausdorf aufgeschlossen, wo er, unten von blauer
Farbe, nach oben zu braun wird; darüber liegt, zum Theil
durch Sandnester davon getrennt, bis zu 5 Fuss brauner un-
terer Geschiebethon. Dies ist die Ausbeute einiger Wanderun-
gen durch jene Gegenden; von Versteinerungen, Paludinen
u. Ss. w. habe ich nirgends etwas gefunden.
Die. Berlin-Custriner Eisenbahn geht von Cüstrin ‚bis nahe
zum Dorfe Gusow (nördlich von Seelow) durch das Alluvium
des Oderthales; es liegt hier zu oberst ein blauer oder brauner
fetter Thon von gewöhnlich 3 bis 4 Fuss Mächtigkeit, dessen
Liegendes, ein grober Sand, aber an einzelnen. Stellen selbst
bei-6 Fuss Tiefe nicht erreicht wurde, während er wiederum
gelegentlich ganz zu Tage tritt. Dieser Sand schliesst übrigens
in einer Seitenentnahme zwischen Custrin und dem Dorfe Gor-
gast, in einer Tiefe von ca. 5 Fuss eine etwa 4 Zoll starke
Schicht halb vermoderter Zweige und Blattreste ein.
Ferner sind mit einem Bohrloche an „dem Strom“, südöst-
lich Gorgast folgende Schichten durchbohrt worden:
blauer Thon . ... 6 Fuss
grauer thoniger Sand
grauer Sand
Tort 2: er
mooriger Thon .
| grauer Sand. is
Gleich westlich von dem Dorfe Werbig sind zu dem ho-
hen Damme, der die Bahn allmälig aus der Oder-Niederung
auf das Diluvial- Plateau führt, bedeutende Seitenentnahmen
gemacht worden, und ist einerseits der grobe Sand in bedeu-
tenderer Mächtigkeit aufgeschlossen, und sind andrerseits ein
Paar Hügel abgetragen worden, welche durch die horizontale
Lagerung ihrer sehr zahlreichen, abwechselnden Lehm- und
Sand-Schichten als Alluvium charakterisirt werden. Von hier
bis nahe an die Taubertbrücke, + Meile östlich von Alt-Rosen-
thal, waren bei meiner letzten Anwesenheit. die Erdarbeiten
noch nicht in Angriff genommen. Dort aber zeigten Einschnitte
und Seitenentnahmen folgende Profile:
99
9
OH DD DD
brauner oberer Geschiebethon . . . „11 Fuss
selber Schluf . .ikaksauda nein
feiner Sand mit. Schluffstreifen . . . . 8,
graubrauner unterer Geschiebethon stand 6 „
mächtig und noch in der Sohle an. In der Baugrube der Tau-
bertbrücke war gebohrt worden um den Baugrund zu unter-
suchen, wie überall auf dieser Strecke, und hatte man folgende
Schichten durchbohrt |
1—3 Fuss Moorerde,
15 ,, grauer lehmiger Sand,
22 ,, graublauer Thon, der vor Ort noch anstand. '
29
Von diesem hat mir Herr v. ScHLicHT gutigst eine Probe
geschlemmt und untersucht, ‘aber nichts von Foraminiferen ge-
funden, so dass wir hier vermuthlich geschiebefreien Thon vor
uns haben; es lägen somit alle drei Thonschichten des Dilu-
viums hier übereinander. -
Auf der westlichen Seite des Taubert sah ich in der süd-
lichen Seitenentnahme
Bammmerden.n.. all. else ui Euss
rothbrauner oberer Geschiebethon 1 „,
grauer Mergel . 12 ,„
weisser Sands.» 22er de
brauner unterer Geschiebethon 6)
stand noch in der Sohle an.
In der nördlichen Seitenentnahme dagegen:
99
lehmiger Sand! . .-.. . ie, Russ
Sand mit eisenschüssigen Streifen iR TODE,
brauner unterer Geschiebethon . . 2.3,
Schluff und Sand wechselnd . . . ..10,,
Von hier bis Alt-Rosenthal fehlten noch die Aufschlüsse;
bei Alt-Rosenthalsselbst waren mehrere Sanddunen abgetragen.
Von da bis Trebnitz war im Bahneinschnitt nur Sand zu sehen,
der oben mitunter grau und thonig war, bei 5 bis 6 Fuss Tiefe
häufig dieke, harte, eisenschussige Streifen, und bei 7 bis 12 Fuss
Tiefe mehrfach verästelte Arragonitröhren enthielt. Der obere
Geschiebethon fehlt hier und noch weiterhin; der untere Ge-
schiebenthon tritt + Meile östlich von Obersdorf wieder in den
Bereich des Einschnittes; ich fand dort:
„.. grauenithonigen Sand -. =... ». 1. bie'40 Fuss
graubraunen unteren Geschiebethon . ca. 4 „
feinen Sand mit Arragonitröhren . . ..6,
und noch in der Sohle anstehend.
Ferner dicht vor Obersdorf:
grauen thonigen Sand mit Roststreifen. 4—6 Fuss
braunen unteren Geschiebethon . . .5—-10 „,
bis zur Sohle feinen Sand, der sich nach Westen zu stark
heraushob. !
Bei Obersdorf selbst steht Geschiebethon, vermuthlich un-
terer, 9 bis 10 Fuss stark, darunter feiner Sand. Eine Achte]
Meile westlich von Obersdorf ist ein Einschnitt, in dem bis zu
80 Fuss Sand mit Arragonitröhren ansteht, darunter graubrauner
unterer Geschiebethon, der nach dem Südost-Abhang des Hü-
gels zu sich steil heraushebt, und fast zu Der tritt, ‚ohne dass
sein Liegendes hervorträte. Ä
DS unten schwärzlicher, dienen Geschiebethon war
ferner + Meile westlich von Obersdorf bei einem Durchlass.
für einen Bach aufgeschlossen.
Eine Achtel Meile weiter nach Westen findet Re ein Ein-
schnitt in den unteren Geschiebethon, welcher oben, 10 bis
15 Fuss, von graubrauner Farbe, unten, 3 Fuss stark und noch
in der Sohle anstehend, schwärzlich ist; beide Schichten sind
durch eine sehr stark wellige Linie getrennt.
Eine Achtel Meile östlich des Weges von Dakanärt nach
Müncheberg findet sich dann wieder:
.graubrauner unterer Geschiebethon 2—4 Fuss
desgl. sehr sandiger . . . . . Ga
kiesiger Sand erw Fiese
Auf beiden Seiten der Chaussee von Müncheberg nach
Buckow habe ich dagegen nur rothbraunen oberen Geschiebe-
thon gesehen.
Eine Achtel Meile weiter westlich waren zur Zeit die
nächsten Aufschlüsse, welche, ebenso wie alle übrigen bis zum.
rothen Luch, nur mehr oder weniger groben Kies zeigten. Eine
wel Anhäufung von’ Geschieben fand sich in einem Hügel,
4 Meile östlich von dem rothen Luch.
Am rothen Luch ‘selbst sind, um den hohen, + Meile lan-
gen Damm aufzuschütten, bedeutende Abtragungen gemacht
worden. Auf der östlichen Seite war folgendes Profil zu sehen:
kiesiger Sand » Bas sendasEuss &
graubrauner unterer Geschiebethon 12 „,
feiner weisser- Sand. wien. Ter8ı
gelber »Schluff ..... rasen
noch in der Sohle anstehend. Der Geschiebethon keilte sich
nach Suden hinaus.
‚Auf der Westseite des rothen Luchs fand sich folgendes Profil: |
. rothbrauner (zersetzter) unterer Geschiebethon 4 Fuss
graubrauner fester unterer Geschiebethon . I:
magerer desgl. . . Be.
feiner Dandiswer es Aa ea 3.8
gelber Schuf . . .. . alien ee
schwachkiesiger Sand ch sn ri ae
und noch in der Sohle an.
3l
Die Sandmassen der anstossenden Hügel überlagern un-
zweifelhaft den Geschiebethon, der hier die oberste Schicht
war. Der nächste Aufschluss, eine kleine Achtel Meile weiter
westlich, zeigte nur Sand; weiterhin war die Bahn erst südlich
von Eggersdorf wieder in Angriff genommen, indessen war aus
einigen Mergelgruben ersichtlich, dass ca. 2 Meilen östlich von.
Garzau der obere Geschiebethon sich wieder auf den Sand auf-
legt, und ihn bis gerade südlich von Garzau bedeckt.
Von Esgersdorf bis zum Bahnhofe Bollensdorf habe ich
in den Bahneinschnitten nur Sand und lehmigen Sand gesehen,
doch waren auch bei meinem ersten Besuche schon die Bö-
schungen an einigen Stellen mit Dammerde überworfen. Auf
dem Bahnhofe Bollensdorf waren durch die 4 bis 6 Fuss tie-
fen Gräben verworrene Schichten, anscheinend alluviale, auf-
gedeckt. Eine sechzehntel Meile weiter westlich fand sich wie-
der brauner oberer Geschiebethon, ebenso vom Zechen-Graben
an etwa + Meile weit, soweit die Arbeiten eben fortgeschrit-
ten waren, doch scheint der obere Geschiebethon das ganze -
Plateau bis westlich von Lichtenberg ohne Ausnahme zu be-
decken, und nur in den Wasserrissen und an den Rändern zu
fehlen.
Man sieht aus diesen Aufschlussen jedenfalls, dass auf
den beiden Seiten des rothen Luchs, und zwischen Obersdorf
und Alt-Rosenthal, also da, wo Sand in grösseren Partieen auf
dieser Linie zu Tage tritt, der obere Geschiebethon fehlt, und
in der That liegt die Hauptmasse des märkischen Sandes sei-
nem Alter nach zwischen dem oberen und dem unteren Ge-
schiebethon.
- Erwähnen möchte ich hierbei noch einen blauen Thon mit
vielen Kreidegeschieben, der, angeblich über 20 Fuss mächtig,
in der Ziegeleithongrube bei Bollensdorf ansteht, und durch
' seine intensiv hellblaue Farbe und das ungewöhnliche Vorherr-
schen von Kreidegeschieben sich von allen sonstigen Geschiebe-
thonen unterscheidet; da ausserdem sonstige Aufschlüsse (Ueber-
lagerung u. s. w.) fehlen, so lässt sich über das Alter dieses
Thones nichts weiter sagen.
Was nun Unterscheidungsmerkmale des oberen Geschiebe-
thones von dem unteren betrifft, so kann ich Herrn BERENDT
nur beipflichten, wenn er sagt, dass petrographisch beide sich
gleichen. Eine andere Thatsache aber, die mir auch BERENDT
32
nach seinen Erfahrungen bestätigt, ist, dass der obere Ge-
schiebethon ag keinem der erwähnten Punkte eine schwärzliche
Farbe hat, wohl aber der untere, besonders wo er vor Ein-
wirkung der Atmosphärilien geschützt ist; aber auch sonst
hat dieser meist eine mehr granbräane, jener eine mehr röth-
lichbraune Farbe. *)
Der geschiebefreie Thon geht in der Gegend von Zossen
und Königs- Wusterhausen häufig in der Farbe und petrogra-
phisch von blauschwarzem fettem Thon in braunen Schluff
über; eigenthümlich ist aber noch, dass er überall fehlt, wo
das Braunkohlengebirge sich der Tagesoberfläche nähert, so
bei Storkow, Fürstenwalde, Müncheberg v.s. w., sowie in der
Gegend von Calbe, Egeln, Magdeburg, während ich ihn + Meile
nördlich von Gardelegen in einer Thongrube an der usieann
wieder getroffen habe.
Schliesslich möchte ich noch einige Aufschlüsse anfuhren,
die ich im verflossenen Jahre in Westpreussen, im Kreise Flatow
sah, und die dasselbe Resultat geben wie die aufgeführten.
Auf dem Wirthschaftshofe des Rittergutes Dobbrin wurde ein
Brunnen gemacht von 50 Fuss Tiefe, und dann. weiter gebohrt.
Es fanden sich:
röthlichbrauner oberer Geschiebethon 40 Fuss
feiner weisser Sand . . „2... .:..10
schwärzlicher unterer Geschiebethon 50 „,
‘zu unterst sehr sandig, und kaum ohne Verröhrung stehend;
daun folgte blaugrauer thoniger Schluff (geschiebefreier Thon ?),
der viel Wasser enthielt und vollkommen schwimmend war.
Ferner überdeckt auf der Feldmark des Rittergutes Sypniewo
. der obere Geschiebethon vielfach den Kies und Sand, der sonst
in dieser Gegend vorherrschend zu Tage tritt, aber auch das
Liegende desselben, schwärzlicher unterer Geschiebethon, war
mehrfach durch Brunnen und Bohrlöcher angetroffen. Ein sol-
ches, dicht neben der Brennerei des Gutes angesetzt, durch-
bohrte den schwarzen unteren Geschiebethon in einer Mächtigkeit
von nahe 80 Fuss; dann folgte beiläufig 78 Fuss zäher Braun-
kohlenthon von gelber, rother, blauer, grünlicher und schwarzer
Farbe, hierunter Kohlenbestege und weisser Glimmersand.
9
*) Wir haben hiermit jedenfalls eine interessante Analogie mit dem
französischen Diluvium rouge (oder D. des plateaux) und Dihivium gris.
»
4. Ueber den Xonaltit, ein neues wasserhaltiges Kalk-
silikat, und den Bustamit aus Mexiko,
Von Herrn €. Rammeısgere ın Berlın.
Herr Dr: Krantz theilte mir dieses neue Mineral mit, wel-
ches einerseits mit Apophyllit, andererseits mit Bustamit ver-
wachsen ist, und von Tetela de Xonalta (Real de minas) in
Mexiko stammt. Es bildet theils weisse, theils blaugraue La-
gen in concentrischer Anordnung, ist feinsplittrig oder dicht
und zeichnet sich durch grosse Härte und Zähigkeit aus. Es
erinnert an den Okenit, von dem es sich nur quantitativ unter-
scheidet.
Beim Erhitzen giebt es Wasser; vor dem Löthrohr ist es
unschmelzbar.
Sein spec. Gewicht’ = 2,710 (weisse Abänderung) und
2,718 (graue) liegt, gleichwie seine Zusammensetzung, zwischen
dem des Wollastonits (2,85) und des Okenits (2,3).
Von Chlorwasserstofisäure wird es zersetzt; die pulverig
abgeschiedene Kieselsäure ist aber in alkalischen Carbonaten
nicht vollständig löslich. -
1
e 2.
Weisse Graue
Abänderung.
2. b.
Kieselsäure 49,58 47,91 50,25
Kalk 43,56 43,65 43,92
Manganoxydul 1,79
Eisenoxydul 1,31 a er
Magnesia — 0,74 0,19
Wasser 3,70 8,16 4,07
99,94 98,48 100,71.
Der Sauerstoff des Wassers, der Basen und der Säure ist in
la = 3,30: 13,15 : 26,43
ls — 7 3,.34.:193.3: 25:55
2, —:3,.0219,19:20,30
— 1:4:8; es ist also
4CaSi -H ag.
Zeits.d.d.geol.Ges. XVIIL 1. 3
34
Berech 4 = 120 = 49,80
4ACa— 112 — 46,47
go
341 100.
Der Okenit enthält bei gleicher Menge Kalk doppelt so-
viel Säure und achtmal soviel Wasser.
Manche Partien enthalten etwas kohlensauren Kalk, so
das Material zur Analyse lb; dieselbe wurde mittelst Salz-
säure gemacht. Von den 48,73 pCt. abgeschiedener Kieselsäure
lösten sich 41 in kohlensaurer Natronlauge; die übrigen 7,73,
hart und knirschend, ergaben bei besonderer Untersuchung .
6,91 Kieselsäure, als Rest Mangan und Kalk. Sie waren also
nicht unzersetztes Mineral, sondern scheinen etwas Quarz zu
enthalten. Als aber 8,09 Grm. des Minerals in Stücken fünf
Wochen in Chlorwasserstoffsäure gelegen hatten und die zer-
reibliche Masse mit einer Auflösung von kohlensaurem Natron
gekocht wurde, blieben nur 3,4 pCt. zurück, worin 0,13 Kalk,
das Uebrige Kieselsäure. Wären die 3 pCt. als beigemengter
Quarz anzusehen, so würde das Kalksilikat — Ca'° $i° sein,
was nicht Wrällschennlich ist. Sie geffören also en dem Sili-
kat selbst an, und dies ist Ca Si.
Das neue Mineral, welches vielleicht aus dem Bustamit
durch den Einfluss kalk- und kieselsäurehaltiger Wasser ent-
standen ist, schlage ich vor, nach seinem Fundort Xonaltit
zu nennen.
Der begleitende Bustamit ist strahlig und graugrun
gefärbt; die einzelnen Individuen zeigen die Augitstruktur. Von
Säuren wird er schwer angesuleng., at aber eine Spur
kohlensauren Kalk.
Sauerstoff
Kieselsäure AT,35 25,25
Manganoxydul 42,08 9,62\ 19.36
Kalk 9,00 52,74 }
- Wasser | OL,
» nu 99,75.
Er ist hiernach 2 Mn | ...
ae ‚Si,
& a
k
während die früher von Dumas und von EBELMEN untersuchten
Proben von demselben Fundort etwa 2 At. Manganoxydul ge-
gen 1 At. Kalk enthalten.
35
v
5. Die Schichten des, Teutoburger Waldes bei
Altenbeken,
Von Herrn Scarütsr ın Bonn.
Die mit dem Bau der Buke-Kreinser — Paderborn und
Braunschweig verbindenden — Eisenbahn erfolgte Durchtunne-
lung, des Teutoburger Waldes bietet Veranlassung, nochmals
auf die diesen Höhenzug zusammensetzenden Schichten zurück-
zukommen. :
Der südliche Theil des Teutoburger Waldes, namentlich
in den jüngeren Gebirgsgliedern, ist durch seine Armuth an
fossilen Resten seit lange so übel berüchtigt, dass sich selbst
an jene grossartige Arbeit von geognostischer Seite keine über-
grosse Hoffnungen knüpften., Gleichwohl haben sich einige
neue Daten ergeben, welche für die Geschichte des in Rede
stehenden Distriktes von Interesse sind und eine weitere Glie-
derung des Gebirges und nähere Parallelisirung einzelner
Schichten ermöglichen.
Das Resultat der Untersuchung hätte vielleicht ein noch
gunstigeres sein können, wenn.es möglich gewesen wäre, bei
Durchörterung der Schichten selbst gegenwärtig zu sein. Da
beim Besuche des Tunnels die Ausmauerung jedoch schon
vollendet war, so blieben für die Beobachtung nur die Einschnitte
an beiden Enden des Tunnels, an der östlichen und westlichen Seite
der Wasserscheide; ferner, nachdem man sich über die Gesteins-
beschaffenheit der verschiedenen Schichten orientirt hatte, die
grossen Halden, und ausserdem noch Steinbrüche und einzelne
in der Nähe liegende Grubenbaue. Das weitaus mächtigste
Gebilde, der Pläner, wird vom Tunnel nicht berührt, gleichwohl
in seiner ganzen Mächtigkeit von der Eisenbahn durchscehnitten
und ist deshalb von Paderborn bis Altenbeken in erwünschter
Weise aufgedeckt.
Paderborn liegt an dem orographisch bemerkenswerthen
Punkte, wo die aus dem Diluvialschutt der Ebene aufsteigen-
3%
36
den Höhenzüge, der Haardstrang, mit östlichem Streichen aus
der Gegend von Dortmund und Unna kommend, und der nord-
wärts streichende Teutoburger Wald sich unmerklich verbinden.
Zwar nicht der eigentliche Rücken, wohl aber das He-
bungsgebiet des Gebirges erstreckt sich bis in die Stadt Pader-
born hinein, indem der aus der Stadt hervorströmende Pader-
fluss, welcher bei seinem Austritte schon der Ebene angehört,
mit 330 Fuss Seehöhe 80 Fuss tiefer liegt als das in entge-
gengesetzter Richtung liegende Stadtthor, über welches hinaus
das Gebirge zu mehr als 1300 Fuss aufsteigt. Das zu be-
trachtende Gebiet erstreckt sich mithin östlich von Altenbeken
bis Langeland-Reelsen und westlich bis Paderborn.
Was die Lagerungsverhältnisse dieses Distrikts im Grossen
angeht, so bildet die Trias — hier die älteste Formation —
eine Mulde, deren Östflügel sich fast „ Meile ostwärts vom
Rücken des Teutoburger Waldes erstreckt. Der Westflügel,
zum Theil verdeckt, reicht fast bis senkrecht unter den von
Kreidesandstein gebildeten Hauptkamm des Gebirges, ist aber
hier nicht abgeschnitten, sondern bildet die Ostseite eines Sat-
tels, welcher westlich in nicht näher gekannter Weise sich
gänzlich unter das Kreidegebirge einsenkt. Ein kleiner Sattel
theilt diese Mulde in zwei Hälften, so dass in der Mitte der
Keuper, von der dünnen Decke des eingelagerten Lias befreit,
zu Tage tritt. Die westliche dieser beiden Specialmulden ge-
hört noch vollkommen dem Teutoburger Walde an, und wir
werden noch näher auf dieselbe zurückkommen müssen.
So besteht also die Ostseite des Gebirges aus Trias- und
'Jura-Schichten, der ganze Westabfall ist dagegen aus Kreide-
gebilden zusammengesetzt, deren Schichten in regelmässiger
Folge unter geringem und geringerem Neigungswinkel (13, 9,
5 Grad) der Ebene zufallen. Der Sandsteinrücken des Gebir-
ges streicht ‘südwestlich ohne einen Einschnitt. Er hat über
dem Tunnel eine Höhe von 1192 Fuss. Der ihn überlagernde
Pläner ist durch ein Querthal, eine Erosion der Beke, durch-
brochen. Wo dieses Thal beginnt, liegt das Dorf Altenbeken,
und an diesem Punkte musste das Gebirge durch einen Tun-
nel geöffnet werden, nachdem bis hierher die Eisenbahn dem
Laufe der Beke folgen konnte.
Der bunte Sandstein
bildet das ‘älteste Glied in der Reihe der Sedimente, welche
an der Zusammensetzung des Teutoburger Waldes sich bethei-
ligen. Zwar tritt er in diesem Gebirgszuge selbst nicht zu
Tage, doch bleibt er im Tunnel der Eisenbahn, welcher
888 Fuss hoch liegt, nnr etwa 15 Fuss unter der Sohle von
Muschelkalk bedeckt zurück. Dagegen tritt er östlich, zwi-
schen Reelsen und Schöneberg zu Tage. Wahrscheinlich ist
er auch in seinem jüngsten Gliede, dem Röth, entwickelt, da
dieses Gebilde wenig südlich zwischen Driburg und Reelsen in
erheblicher Mächtigkeit als ein braunrother, selten grünlich-
grauer, rasch zerbröckelnder Schieferletten den Wellenkalk
unterteuft.
Muschelkalk.
_ Von dem 5160 Fuss langen Tunnel stehen 110 Ruthen
im Sandstein des Gault und Hils, der Rest im Muschelkalk.
Keuper und Lias, welche an der Ostseite den Muschelkalk
überlagern, sind an der Westseite nicht vorhanden; "der Hils
liegt hier unmittelbar auf dem Muschelkalk. Da beim Besuche
‘des Tunnels die Ausmauerung schon vollendet war, so liess
sich nur auf den aufgestüurzten Halden eine oberflächliche
Kenntniss über das Auftreten des Muschelkalks im Tunnel ge-
winnen. Hiernach erscheint er in derselben Entwickelung, wie
er bis Warburg hin bekannt ist. Unten der Wellenkalk,
wechselnd mit Dolomitbänken, vorzüglich schöne Exemplare
von Rhizocorallium Jenense Zexk. umschliessend.. Einzelne
Schichtenflächen sind reichlich besetzt mit Myophoria orbicularis
Br. Zuweilen zeigt sich auch Myophoria curvirostris SCHLOTH.,
Lima lineata GOLDF., Entrochus. dubius GoLDF. u. Ss. w. Am
Tage ist diese Bildung gut zu beobachten an den Gehängen
des Driburger Thales.
.Der Schaumkalk hat sich vielleicht nür zufällig der
Beobachtung entzogen, da er bei Scherfede mit grossem Reich-
thum an Petrefakten ansteht.
Mergel und Dolomite, mit grauweissem und gelbgrauem
körnigen Gyps in reichlicher Menge gefördert, gehören der
Anhydrit-Gruppe an. |
Der Hauptmuschelkalk oder Kalk von Friedrichshall
38
Ei
zeigt hier wie überall den oolithischen Muschelkalk,
(durch einen zerklüfteten, diekschichtigen Kalk weithin in obe-
ren und unteren geschieden), die Trochitenkalke, gänzlich
aus Stielgliedern des Encrinus lilüiformis bestehend, und die
Terebratelbänke, in gleicher Weise aus Terebratula vulgaris
gebildet.
Bemerkenswerth ist das Vorkommen des Ceratites semi-
partitus im Trochitenkalk. Es fanden sich mehrere Exemplare.
Höher oder tiefer habe ich diese Art nicht gesehen. Ceratites
nodosus erscheint, wie auch v. SEEBACH (die Conchylienfauna
. der Weimarischen Trias, 1862, p. 21 bemerkt, noch nicht
Br
in dieser Tiefe.
Das jüngste Gebilde des Muschelkalks sind die Thon-
platten. Im Gestein des Tunnels wurde fast nur Ceratites
nodosus, aber in zahlreichen Exemplaren, bemerkt. Sonst sind
diese Schichten uber Tage gewöhnlich reich an fossilen Resten.
Einen klassischen Fundpunkt bildet das obere Gehänge des
Diemelthales bei Dalheim. zwischen Liebenau und Warburg.
Von fremdartigen Einschlüssen im Muschelkalk ist das
Vorkommen von Bleiglanz zu erwähnen. In früheren Zeiten
haben sich daran grosse Hoffnungen geknüpft. Zu verschie-
denen Zeiten: und an verschiedenen Orten (Neuenherse, Sande-
beck) eröffnete Grubenbaue haben vergeblich grosse Summen
verschlungen (J. H. S. Langer, Beitrag zu einer mineralog.
Gesch. der Hochst. Paderborn und Hildesheim, 1789, p. 15 f.).
Die Grenze zwischen den Thonplatten und der
Lettenkohlengruppe
ist schwierig zu ziehen. Hier ist das östliche Mundloch. des
Tunnels angesetzt.‘ Unmittelbar daneben fand sich im Stosse
des Einschnittes die bräunliche Schale der Lingula Zenkeri
Aı»., welche in Schwaben auf die Lettenkohle beschränkt ist
(Ueberbl. üb. d. Trias von F. v. Ausertı, 1864, p. 161) und
Myophoria Goldfussi AuLB., welche nach C. v. SEEBACH (l. c.
p. 59) nur der Lettenkohle und dem Keuperdolomit angehört.
Diesen grauen Thonen der Lettenkohle schliesst sich eine
Folge von grauen und gelblichen, bald körnigen, bald dichten
Dolomitbänken an, getrennt durch dünne thonige oder merge-
lige Zwischenschichten. Dieses System bildet die untere Ab-
theilung der Gruppe. Oben lagern wie in Thüringen die Let-
u
39
tenkohlensande. Beide sind getrennt durch ein. Eisensteinflötz
von nur geringem Gehalt. Im Sandstein fanden sich Calamites
arenaceus Brong. und Equisetum columnare BRONG., welche gegen-
wärtig für eine Art gehalten werden (v. ALBERT! ]. ce. p. 40;
v. Ertingsuausen, Sitzungsber. d. Wiener Ak. 1852, p. 648).
Ob im Innern des Tunnels am Westflugel des Muschel-
kalksattels auch Lettenkohle durchfahren sei, könnte aus dem
Umstande geschlossen werden, dass gar nicht selten auf den
Halden der Westseite Stucke mit Lingula Zenkeri und Estheria
minuta Jox. und in einem festeren Gesteine Zähne von Notho-
saurus Cuvieri (Quexst. Petrefaktenk. p. 133 t.8 f. 26, Epoch.
'p: 499; v. AuBERTI l. c. p. 220 zieht die Art zu Nothosaurus
mirabilis, welche dem ganzen Muschelkalk und der Lettenkohle
gemeinschaftlich ist) gefunden werden. Da zwischendurch,
obwohl weniger häufig, sich auch Lias-Stücke finden, welche
sicher von der Ostseite stammen, so sind möglicher Weise
auch jene verschleppt worden.
Da ich die letzten 18 Fuss im Tunnel den unteren
Thonen der Lettenkohle zuzurechnen geneigt bin, so erreicht
diese ohne die -13 Fuss des Equisetensandsteins eine Mächtig-
keit von 130 Fuss. Der sich anschliessende
Keuper
ist in seinen bunten Mergeln nur 65 Fuss mächtig. Im Profile
des Einschnittes folgen sofort Lias-Ihon und Mergel mit Am-
monites angulatus. Es fehlen also der obere Keuper und der
unterste Lias. Beide finden sich 2000 Schritte ostsudöstlich.
Hier lehnt sich nordwestlich vor Reelsen ein Vöorhügel an den
Hauptkamm des Teutoburger Waldes. Am Gipfel dieser Er-
hebung stehen Steinbruche in den Schichten des oberen Mu-
schelkalks in Betrieb, während der Fuss des Hügels, von der
Altenbeken und Bad Driburg beruhrenden Eisenbahn durch-
schnitten, dem oberen Keuper und dem unteren Lias angehört.
‘Den bunten Mergeln ist hier eine mächtige Folge von hellen,
lockeren Mergelsandsteinen aufgelagert, welche in Folge zahl-
reicher Glimmerblättehen sich dünnschiefrig absondern. Leider
verhinderte die Ueberdeckung der Böschungen mit Dammerde
das Aufsuchen der Versteinerungen des
40
Bonebed.
Da wir es nur mit einer Fortsetzung der Mulde von Willebad-
essen zu thun haben, so werden sie auch hier nicht fehlen.
Bei Neuenheerse wurden z.B. beim Wärterhäuschen No. 35 aufge-
lesen (nur in Bezug auf den Jura von QUENSTEDT p. 31—36):
Cardium cloacinum, t.1f..37, sehr häufig; Natica sp., t.1f. 17;
Termatosaurus Albertü, t.2f. 4—8; Hybodus minor, t.2 f.18—20,
. sehr häufig; Ceratodus cloacinus, t. 2 f. 27; Sargodon tomicıks,
1.2 £. 36—38; Saurichthys acuminatus, t. 2 f. 42—5l, häufig;
Fischschuppen: Gyrolepis und Lepidotus, t. 2 £.52—60; Kopro-
lithen, längliche cylindrische und gestreckte eiförmige et
ten von spröder Substanz, t. 2 f. 21 u. s. w. Im
Lias
fehlen Sandsteine gänzlich. Dunkle Schiefer und Kalkbänke
üuberdecken die hellen Mergelsandsteine des Keupers. Die
ganze Folge im Einschnitt bei Reelsen gehört dem
Lias mit Ammonites planorbis
an. Von oben nach unten folgen hier:
1) 4 Fuss kalkige Bänke, an den Verwitterungsflächen
rostig, sandig, schon ganz an das Aussehen der hier fehlenden
Bänke der Riesen-Arieten erinnernd. Oben scheint sich Am-
monites angulatus einzustellen. |
2) 6 Fuss blaue, dünne, zerbröckelnde Schiefer,
3) 6 Zoll dunkle Kalkbank,
. 4) 3 Fuss Oelschiefer,
5) 4 Fuss vier, durch schieferige Zwischenmittel getrennte
Kalkbänke, dunkel, fest, an der Luft heller werdend, reich an
fossilen Resten, i
6) 2 Fuss Oelschiefer,
7) 3 Fuss bläuliche Mergel,
8) 7 Zoll Kalkbank, -
9) 1 Fuss lockere Schiefer,
10) 14 Zoll sandige Schiefer mit glatten, Rn
Ammoniten und Zweischalern,
11) 3 Fuss dunkle, bituminöse Schiefer,
12) 9 Zoll feste, bläuliche Kalkbank, ferner 4 Zoll rostige
Schicht, obere Keupersandmergel.
41
An fossilen Resten sind hervorzuheben:
| Ammonites planorbis Sow., t. 448 (Amm. psilonotus
laevis Quesst. Oeph., t.3 f. 18) liegt in bester Erhaltung und
grosser Zahl vorzugsweise in den Bänken No. 5. In den
Schiefern sind die Stucke völlig flach gedrückt. Diese glei-
chen den Exemplaren von Watchet in Sommersetshire, doch
‚mangelt ihnen das Farbenspiel. |
Ammonites Johnstoni Sow., t. 449 (Amm. psilonotus
plicatus Quesst. Jura p. 40; Amm. torus D’Ore. t.53; CHaApuss, _
nouv. rech. sur les foss. des terr. de la prov. de Luxembourg
t. 3 f. 2) ist bei Weitem seltener als der vorige.
Ammonites laqweolus SCHLÖNB., Palaeontogr. Tom. XIII.
B- IaR ti. 26 1. |, Selten.
Ammonites angulatus zeigte sich ganz oben in ein
Paar Exemplaren.
Einen grossen Nautilus. (ehe Schale) weiss ich bis jetzt
nicht von Nautilus striatus Sow. t. 182 (Nautilus aratus SCHLOTH.
Quenst. Ceph. t. 2 f. 14) zu unterscheiden. |
Modiola Hillana Sow. t. 212 f.2 (9).
| Lima succincta ScHLotH, (Lima Hermanni Goupr. t. 100
f.5; cf. OrpEu, Juraf.p.100) häufig, in der Grösse, wie ann
sie abbildet. Ä
Lima punctata Sow. t. 113, f.1, 2 (NB. die Nummern
von Tafel 113 und 114 sind verdruckt, vergl. den Text p. 25)
ZiETEnN t. 5l f. 3, haufig.
Lima pectinoides Sow. t. 114; Zıeren t. 69 f. 2.
Inoceramus cf. Weissmanni Orreu, Juraf. p. 101.
Avicula sp.
Pecten ef. Trigeri OPpEL, Juraf. p. 109.
Pecten Hehli »’Ors., Prodr. 7, 130 (Pecten glaber Hxuı,
I a a
Ostrea sublamellosa Dunker, Palaeont. t. 5 f. 27—30
(Ostrea irregularis Quesst., Jura p. 45 t. 3 f. 15; Cnapvis et
DewAngue 1. c. p.220t. 32.3). Die Art gleicht mitunter einer
jungen Gryphaea arcuata mit breiter Anwachsstelle. Diese stellte
Goupruss t. 99 f. 5 als Ostrea irregularis dar. Aufgewachsen
ahmt sie zuweilen alle Windungen und Rippen des Ammonites
Johnstoni nach. Häufiger a8 hier tritt sie im Lias mit Ammo-
nites angulatus auf.
Terebratula perforata Pietts (Terebratula psilonoti
2
Quesst., Jura t.4 f. 21; Orrer, 'Zeitsch. d. deutsch. geol: Ges.
Bd. XIU. S. 531; Terg. e. Pıette in M&m. soe. geol. 1865,
p. 115), selten; die Darstellung bei Quexstepr ‚stimmt gut.
Bisher wurde die Art aus der Zone des Amm. angulatus. eitirt.
Pentacrinus psilonoti Quasst., Jura p. 590 587.
Sehr häufig.
Cidaris psilonoti Quesst. Jura p. 51 t. 9: f. 12... Sehr
haufig, doch wie in Schwaben nur Stacheln und einzelne
A Beide, wie auch der Pentacrinus, bedecken oft die
ausgewaschenen Kluftflächen. Westlich von Germete ist diese
unterste Stufe des Lias in gleicher Weise entwickelt.
| Kehren wir in den Tunneleirischnitt zurück, so giebt die
Fortsetzung des Profiles zunächst die
" Schichten mit Ammonites angulatus.
Es sind. dunkele Thone und sandige Schiefer, in denen
zahlreiche verkieste Exemplare dieses Ammoniten BEEER Feste
Kalkbänke sind selten.
Auch diese Zone findet sich selbstständig in den beiden
südlichen Mulden von Willebadessen und Germete und auch in
dem Lias von Dalheim östlich. ‘von Warburg.
Was sonst an fossilen Resten vorkommt, scheint kaum
auf die Zone beschränkt zu sein, vielleicht mit Ausnahme von
Unicardium cardioides (Corbula cardioides PrıwL., Zıer. t. 63
f. 5; Quanst., Jura 1.3. 21).
So häufig Ammonites angulatus auch am Teutoburger Walde
gefunden wird, so hat sich doch nur die typische Form gezeigt
(Qussst. Cephal., t. 4f. 2). Im Alter verlieren sich die schar-
fen Rippen auf den Seiten und dann entsteht, was D’ORBIGENY
1.93 als Ammonites Moreanus darstellt. Den Ammonites Char-
massei D’OrB. t. 91 mit schon in der Jugend runden, dichoto-
men Rippen halte ich für eine gute Art. OPPEL, Juraform. p. 75
vereint ihn. auch mit Ammonites angulatus. In den festen, blauen
Kalken südlich von Stuttgart findet er sich häufig fussgross;
am Teutoburger Walde wurde nie etwas Aehnliches bemerkt.
Uebrigens haben die prächtigen, verkiesten Stücke von
Neuenheerse mehrfach zu Missdeutungen Veranlassung gegeben;
so wurden sie einmal für Amm. Parkinsoni des braunen Jura
angesprochen und ein andermal für Amm. interruptus des Gault
gehalten. [
43
Schichten mit Ammonites obliquecostatus.
Zwischen den Schichten mit Amm. angulatus und den
Arcuaten-Kalken finden sich dunkele Thone und Schiefer, wel-
che in grosser Menge einen kleinen, durchschnittlich nur 25 Mm.
srossen Ammoniten einbetten. Aus der Willebadessener Mulde
ist dieser Ammonit als Amm. Bronni Rom. aufgeführt. Wenn
diese Bestimmung sich auch nach Vergleich mit Originalexem-
plaren von Diebrock als entschieden unhaltbar herausstellte,
so war es gleichwohl nicht möglich, die Form mit einer be-
kannten Art zu identificiren. Nun hatte Herr Professor OPPEL
die Gefälligkeit mitzutheilen, dass er den Amm. obliquecostatus
Zıet. bei Kaltenthal unweit Stuttgart, d. h. an der Stelle, von
wo ZIETEN die Art beschrieben hat, aufgefunden habe, und dass
das westphälische Vorkommen völlig mit dem Kaltenthaler über-
einstimme. Dies hätte sich nach Zırrten’s Darstellung nicht
vermuthen lassen. Ziısten’s Exemplar, 80 Mm. gross, hat
zahlreiche, auffallend stark nach rückwärts gebogene Rippen
und einen von zwei tiefen Furchen eingefassten Kiel. Unsere
Stucke sind in der Jugend glatt und stellen dann wohl dar,
was QUENSTEDT (Jura p. 71, t. 8 f. 7) Ammonites miserabilis
nennt, doch lässt er ihn unmittelbar über Arcuaten-Kalken lie-
gen. Erst allmälig entwickeln sich Kiel und Rippen, und zu-
gleich wird die Mundöffnung gegen den Rücken zu breiter.
Der Kiel im Gegensatz zum scharfen Kiel des Amm. geomeiri-
cus stumpf. Die Rippen, 22 auf dem Umgang, sind kurz, fast
gerade und oft kaum merklich rückwärts gebogen, nur an we-
nigen Exemplaren auf den Rucken fortsetzend und dann der
Mündung zugeneigt. Von den Kiel einschliessenden Furchen
ist nur selten eine Andeutung wahrzunehmen, und entwickeln
sich diese jedenfalls ungleich. Einzelne Stücke mit 10 Mm.
breitem Rücken,‘ bei denen die Mundhöhe 7. Mm. beträgt und
die Rippen 6 Mm. Länge haben, tragen noch keine Spur von
Furchen, bei anderen Exemplaren dagegen bemerkt man sie
schon in jüngerem Alter.*) Doch sagt OppzL: „der Ammonit
*) Ammonites geometricus hat keine Furchen, seine Mundöffnung ist
oben und unten gleich breit, aber höher als breit. wie Stücke zeigen,
welche ich dem Herrn Senator H. Roensr in Hildesheim verdanke, der
sie an derselben Stelle aufhob, von wo A. RoEMER seinen identischen
Ammonites Natrix von Scauorn. beschrieb. — Eine gute Abbildung ver-
öffentlicht in diesem Augenblicke ScaLönsacn in Palaeontogr. tom, XIII,
t. 26 £. 3.
44
erhält im ausgewachsenen Zustande eine noch ausgeprägtere
Form. Die Rippen neigen sich dann sogar etwas nach rück-
wärts#* und der Kiel auf dem Rücken wird zuletzt von zwei
Segesefiirchen begleitet, welche dem Ammoniten in der Jugend
fehlen.*
Quenstepr hielt den Ammonites obliquecostatus ZIET. anfangs
(Flötzgebirge Würtembergs p. 132) für einen kranken gekiel-
ten Arieten, dann vermuthete er darin einen Kruppel von Amm.
Waleotti Sow., Cephal. p. 79), und endlich glaubte er (Jura
p. 173) den gesunden Amm. obliquecostatus in den Amaltheen-
-thonen von Grosseisslingen gefunden zu haben. Was er aber
als solchen t. 22 f. 30 zeichnet, ist ganz etwas Anderes. Man
sieht, wie schwierig die Deutung war,
Ammonites obliquecostatus ist vertikal auf ein sehr enges
Lager beschränkt. Im Bett des Amm. angulatus fehlt er noch
entschieden, und in den höheren eigentlichen Arcuaten-Bänken
habe ich ihn nie bemerkt. | |
An anderen fossilen Resten fanden sich zwei Exemplare
von Amm. angulatus und ausser Bruchstucken von Pecten, Lima
u. Ss. w. eine Gryphaea, welche sich mit der der folgenden
Schicht angehörigen Gryphaea arcuata nicht vereinen lässt. Sie
ist in allen Grössen fast eben so lang wie breit, wenig gerun-
zelt, mit schwach angedeuteter Furche. Vielleicht liegt vor, was
SENFT Gryphaea nucleiformis nennt (Zeitsch. d. deutsch. geol.
Ges. Bd. X. S. 349).
Sodann Pentacrinus ef. angulatus OPPEL, Juraf. p. 7. Win-
zige, längsgestreifte Cidariten - Stacheln und der Arm einer
Ophiure, welcher vielleicht - zu Ophioderma Gaveyi_ WRIGHT
(Annals a. mag. of nat. hist. 1854, p. 25, t. 13 f. 1) gehört,
die zwar auch dem Lower Lias entstammt, jedoch einem etwas
höheren Niveau angehört, indem sie mit Amm. ee das-
selbe Lager theilt.
In neuerer Zeit ist man in Norddeutschland auf eine
Zone im Gebiete der Arietenschichten aufmerksam geworden,
welche man mit dem Bett des von OrpEL für Suddeutschland
über den Amm. Bucklandi gelegten Amm. geometricus OpPp. iden-
tifieirt. (OPper, Juraf. p. 14; U. ScHLöngacH, über den Eisen-
stein des mittl. Lias, Zeitsch. d. deutsch. geol. Ges. 1863,
Bd. XV. 8.500; R. Wagner, Verh. des naturh. Ver. der preuss.
Rheinl. und Westph. 1864, Jahrg. 21, 8. 15 und früher ibid.
45
Jahrg. 17, 1860, 8.161.) Doch scheinen in der Sache wenig-
stens noch starke Zweifel obzuwalten. CO. v. SEEBACH (der
hannöversche Jura, 1864, p. 15) versichert ausdrücklich, eine
Auflagerung des Amm. geometricus auf den Schichten mit Amm.
Bucklandi sei nicht beobachtet und daher die Möglichkeit einer
lokalen Stellvertretung nicht ausgeschlossen. Weiter fand U.
SCHLÖNBACH. neuerdings den Amm. geometricus in der Hilsmulde
unmittelbar uber den Amm. angulatus gelagert; die Bucklandi-
Bänke fehlen dort (Zeitsch. d. deutsch. geol. Ges. Bd. XV.
S. 657). Und neuerlich schreibt er (Neues Jahrb. f. Min., Geol.
u. Pal., 1864, p. 214): „es ist mir zweifelhaft geworden, ob
eine Ueberlagerung der Zone des Amm. Bucklandi durch die
Gesteine, welche durch Amm. geometricus charakterisirt werden,
für Norddeutschland faktisch nachweisbar ist.*
Nach allem diesem erscheint es räthlich, nochmals auf die
Verhältnisse im Altenbekener Tunneleinschnitte zurückzukom-
men, um so mehr, als auch hier bei minder vollständigem
'Aufschlusse eine Ueberlagerung des mit Amm. geometrieus viel-
leicht mitunter verwechselten Amm. obliquecostatus uber die
Schichten der Riesen-Arieten leicht als erwiesen hätte angese-
hen werden können. .
Der Einschnitt steht an der Sudwestseite der Muldenwan-
dung jener westlichen Specialmulde, von der oben die Rede
war. Jederseits des Muldentiefsten treten also dieselben Schich-
ten wieder hervor. Scheinbar ist dieses nicht der Fall, indem
die Lagerung der Schichten mit Amm. angulatus, mit Amm.
obliquecostatus und den Riesen-Arieten in ungestörter Aufein-
anderfolge sich zeigt, dann eine Gebirgsstörung eintritt, welche
die festen, dicken Bänke der Riesen-Arieten zerreisst und ver-
wirft. So sieht man hier nicht den Ostflügel dieser charakte-
ristischen Bänke. Die weiter folgenden Thone und Mergel —
‘der Ostflügel der Schichten mit Amm. angulatus und oblique-
costatus — zeigen aber keine Schichtung, und ohne vollstän-
digen Aufschluss würde man sie dem Westflügel der Riesen-
Arietenbänke mit nordöstlichem Fallen regelmässig aufgelagert
wähnen.
Mit dieser Betrachtung ist es auch erst verständlich, dass |
im ganzen Einschnitte nur ein östliches Fallen bemerkt wird,
während nur 800 Lachter weiter aufwärts in den Eisenstein-
sruben sämmtliche Schichten mit 30 bis 60 Grad nach Westen
46
einfallen. Hier haben wir den Ostflügel der Mulde, dessen
Schichten sich allmälig mehr aufheben. Der ganze Westflügel
ist ein Raub der Denudation geworden, welche hier seitlich
wirkte, während am Sudrande der Mulde ihre Wirkung von
oben nach unten ging, die jüngeren Schichten zerstörend und
nur die tiefsten zurucklassend, so dass es auch vergeblich wäre,
hier den jungeren Eisenstein noch aufsuchen zu wollen. Die
Muldenlinie streicht h. 2, die Grenze des Hilssandsteins ver-
läuft etwa h. 11, so dass die Mulde sich allmälig unter den
Hils einschiebt und dieser sich auf den Ostflugel der Lias-
Schichten legt, wodurch eine scheinbare OConcordanz der La-
gerung hervorgerufen wird.
Schichten mit Ammonites GFmündensis.
Die oben schon erwähnten dicken Bänke eines rauhen,
dunkelen, mitunter etwas sandigthonigen Kalksteins mit mer-
seligen Zwischenlagen gehören mit ihren zahllosen Exemplaren
der typischen Gryphaea arcuata dem Arcuaten-Kalk an.
Das an zweiter Stelle häufigste Fossil ist Avicula inaequi-
valvis Sow. t. 244 f. 2 (Monotis inaequivalvis QuENST., Jura
p- 79, t.9 f.16, 17; Avicula sinemuriensis D’ORB., Prodr. I. T,
No. 125)*) Dann kommen Lima gigantea_Sow. 77 (ZIETEN
251 2.5 > Cuapvis ‘et 'Dewangue le 128872, 223 ED
und die schlecht erhaltenen Formen der riesigen gekielten
- Arieten.
Diese Zone ist überall im südlichen Theile des Teutobur-
ger Waldes vorhanden. Noch westlich von Germete tritt sie
auf, aber hier als Eisensteinflötz. Die ganze Schichtenfolge
der Juraformation, welcher hier in nicht unerheblicher Mäch-
tigkeit entwickelt ist, scheint über den untersten Lias, d. h.
über Quesstepr’s Lias ao, nicht hinaus zu greifen. Nachdem
man die Bänke des bunten Sandsteins und Muschelkalks, wel-
che unter 35 Grad südwestlich einfallen, überschritten hat,
streicht eine wechselnde Folge von kalkigen und schiefrigen
Schichten quer über die Strasse. Ein neben dem Wege be-
findlicher Wasserriss giebt über die innere Natur dieser Sedi-
*) Oppeı, Juraf. p. 567 versetzt die SoweErgy’sche Art in die Zone
des Amm. macrocephalus. C. v. Sersach, der hannöv. Jura p. 101,
meint, sie gehe durch den ganzen Lias und Dögger.
47
mente die sichersten Aufschlüsse, und die in genügender An-
zahl vorhandenen organischen Reste lassen selbst an der Stel-
lung der einzelnen Bänke keinen Zweifel. Wir haben das
Bett des Amm. planorbis und dasjenige des Amm. angulatus vor
uns. Die Entwickelung ist vollkommen derjenigen gleich, wel-
che der oben charakterisirte Eisenbahneinschnitt aufdeckte.
Wo die Höhe steiler anhebt, kommen wir beim Saume des
Waldes (südlich von Wethem) in die Region des Eisens.
Von Versuchsbauen liest hier seit einer Reihe von Jahren eine
Menge Erz aufgeschüttet, mit dem zugleich eine grosse Zahl
fossiler Organismen zu Tage gefördert ist. Austern (Gryphaea
arcuata) und grosse gekielte Arieten übertreffen an Zahl der
Individuen alles Andere und verrathen das Aequivalent des
schwäbischen Arcuaten-Kalkes, dessen wichtigste Formen wir
auch im Teutoburger Walde wieder erkennen.
Durch Grösse wie durch häufiges Vorkommen zeichnet sich
eine dem Amm. Brooki Sow. t.190 verwandte Form aus, wel-
che wohl zu
Ammonites Gmündensis Orprpeun (Juraf. p. 80) gehört.
„Was diese grossen Exemplare besonders auszeichnet, ist die
Form ihrer Mundöffnung, welche innen bedeutenden Durch-
messer besitzt, sesen den Rücken hin aber schmäler wird.
Letzterer trägt einen hohen Kiel, dagegen biegt die Schale un-
mittelbar neben den seitlichen Furchen um. Die Windungen
besitzen eine breite Suturfläche, über welcher die Rippen am
derbsten beginnen, gegen den Rücken hin aber schwächer wer-
den und beinahe verschwinden. Auf den inneren Windungen
sind dieselben feiner und mehr genähert.* Anfangs glaubt
man noch eine zweite Form wahrzunehmen, welche mit Amm.
multicostatus Sow. (t. 454, Zier. t. 26 £.3) einige Aehnlichkeit
hat, doch überzeugt: man sich bald, dass es nur die inneren
Windungen des Amm. Gmündensis sind.
Sonst zeigten sich in dieser Schicht nur noch ein Paar
Windungsstücke von ) |
Ammonites rotiformis Sow. t. 453; Zen. t. 26 f. 1;
D’ORR. t. 89; was QuensteDT, Jura t. 7 f. 1, unter dieser Be-
zeichnung abbildet, stimmt weniger.
Belemnites acutus MınnEr (Bel. brevis Buaınv.). Die-
ser erste Belemnit- tritt in dieser Tiefe nur ganz vereinzelt
auf, Damit stimmt das Vorkommen an fremden Lokalitäten.
48
OrrEL hebt (Juraform. p. 80) ausdrücklich hervor, dass Bel. _
acutus sich zum ersten Male in Gesellschaft des Amm. Gmün-
densis zeige.
Die Brachiopoden lassen sich an die folgenden drei Namen
anknüpfen:
Rhynchonella belemnitica Quasst. Jura p. 73, t. 8
f. 15. Unsere Exemplare zeigen nur die halbe Grösse von-
QueEnstepr’s Darstellung.
Rhynchonella Deffneri OrreEu, Zeitsch. d. deutsch.
geol. Ges. Bd. XIU. S. 535; Quesst. Jura p. 73, t..8. Von
Quexsstepr’s Abbildung seiner Terebratula triplicata juvenis lie-
gen namentlich die unter f. 20—23 (Jura t. 8) abgebildeten
Formen vor.
Spirifer Walcotti Sow. häufig. |
Lima punctata Sow. Einzelne Schalen zeigen die netz-
förmig, vertheilten Doppelpunkte parasitischer Bohrer (Quensr.
Jura, 1.4 f. 1).
Pecten textorius ScHLOTH. GoLpF. t. 89 f. 9.
Avicula inaequivalvis Sow.
Pinna cf. Hartmanni Zıer. p. 74, t. 35-f. 6.
Thalassites giganteus Quessr., Jura p. 81, t. 10 £.1
(Cardinia gigantes CHAPuIs, nouv. rech. sur les foss. des terr.
second. de la prov. de Luxembourg p. 8 t. 7 f. 1), häufig.
Modiola sp.
Zerbröckelnde Schiefer scheinen 2 Hangende dieser
Eisenbänke zu bilden, wie der Haldensturz eines alten Schach-
tes zeigt. Fossile Reste fanden sich darin nicht.
Schichten mit Ammonites planicosta.
Im Einschnitte selbst schliesst der Lias mit den Arieten-
Bänken ab; wenig nördlich aber legen -sich allmälig jüngere
Schichten an. Es fehlt zwar an guten Aufschlüssen, doch
fand sich: ;
Ammonites planicosta Sow. t. 73 (Amm. capricornus
Zıen. t.4f. 8; Amm. capricornus nudus QuEnst., Jura t. 12 f. 5);
cf. OpeEL, Juraf. p. 87 und C. v. SezpAcHh, d. hannöv. Jura
p. 20, U. Scuuönsach, Zeitschr. d. d. geol. Ges. Bd. XV. S. 521.
Ammonites raricostatus Zien. t. 13 f. 4. Die Abbil-
dung ist nicht sonderlich, besser in Quenstepr’s Cephal, sich |
f. 3b; n’Orsıeny t. 54; Quessr., Jura t. 13 f. 16, 18).
49
Dieselben Formen zeigten sich auch in der Willebadessener
Mulde und daneben noch:
Ammonites ziphus Zıen. t.5 f. 4 (= Amm. sparsino-
dus Qurnst., Oephal. t. 4 f. 5, Quasst., Jura t. 12 f. 2).
Jedenfalls ist ersichtlich, dass der Lias 3 Quenstepr’s mit
Orrzn’s Zonen des Amm. obtusus, des Amm. oxynotus und des
Amm. raricostatus am Teutoburger Walde nicht wie in Sud-
deutschland entwickelt ist. Wenn sich die Schichten mit
Amm. planicosta auch häufig der Beobachtung entziehen, so feh-
len sie doch wohl nirgendwo. Auch in der grossen, noch sehr
ungenugend gekannten Lias-Partie von Herford sind sie vor-
handen. {
Schichten mit Ammonites armatus.
Nur die ausgezeichnete Form des Amm. armatus kann den
Namen leihen; alles Uebrige ist weniger bestimmt.
Diese Schicht ist im Teutoburger Walde wie in den sub-
hereynischen Hügeln (U. SchtLöngach, Zeitsch. d. deutsch. geol.
Ges. Bd. XV. S. 465 ff.) als ein oolithischer Eisenstein ge-
kannt und bildet in seinen constanten, weit verbreiteten Cha-
rakteren einen wichtigen geognostischen Horizont. Mehrfach
(Altenbeken, Teutonia-Hütte bei Borlinghausen u. s. w.) ist er
durch Grubenbaue gut aufgeschlossen und hat eine grosse
Menge fossiler Reste geliefert. Zu nennen sind:
Belemnites elongatus MıuL. (Bel. paxillosus SCHLOTH.).
Nautilus intermedius Sow. t. 125. Bei Altenbeken
und Borlinshausen häufig. Mitunter sind. noch Reste der
Schale erhalten.
Ammonites armatus Sow. t. 95; viel besser die Abbil-
dung bei p’OrsIenyY t. 78. Was OPren, der mittlere Lias
Schwabens t. 1 f. 4, als Amm. armatus Sow. zeichnet, ist etwas
Anderes; auch Omapuvis 1.c.t.4f.4 ist zweifelhaft. Bei Alten-
beken und Borlinghausen nicht selten. Es liegen vollständige
Exemplare bis 77 Zoll Durchmesser vor und Bruchstücke, wel-
che eine noch ansehnlichere Grösse verrathen. Einzelnen Exem-
plaren fehlt die flache Fältelung zwischen den Stachel -tragen-
den Rippen und auf dem Rücken, doch ist die Zugehörigkeit
zweifellos; denn andere Stucken zeigen, dass bei weiterem
Wachsthum sich diese Skulptur theilweise verliert.
Auch nördlich vom Harze in derselben Schicht nachgewiesen.
Zeits.d.d.geol.Ges.XVILL it. 4
50
Ammonites brevispina Sow. t. 556 f. 1 (Amm. bi-
punctatus Rorn., Ool. p. 193; Scunössach l. e. p. 517; Cua-
Puis. li: 171 8.-3)
Ammonites caprarius QuExst., Jura p. 131, t. 16 £. 1.
Nur ein Exemplar bei Altenbeken.
Ammonites Jamesoni Sow. t. 555; Quexssr., Jura t.15
f. 1-5. Das kleinste bei Borlinghausen gefundene Stück von
17 Mm. Mundhöhe stimmt gut mit den grössten Stücken von
Diebrock, welche 15 Mm. Mundhöhe erreichen. Der jetzt ge-
wöhnlich als Jugendzustand betrachtete Amm. Bronni RoEn.
wurde nie beobachtet. Dies ist um so auffallender, als unter
160 bei Diebrock gesammelten Exemplaren kaum ein Dutzend
die Form des Amm. zeigen, alle übrigen den Amm.
Bronni darstellen.
Ammonites Oppeli Schuöns., Zeitsch. d. deutsch. geol.
Gesellsch. Bd. XV. S. 515, t. 12 f.2. Vier Exemplare von
Altenbeken und Borlinghausen, bis 9 Zoll gross, stimmen in
der äusseren Form und den Loben gut mit der Darstellung
SCHLÖNBACH’S. SCHLÖNBACH nennt ihn auch von Amberg. Was
ich dort in gleichem Niveau fand, ist zwar in Form und
Grösse nahestehend, ‘aber in der Lobatur verschieden.
Ammonites cf. Lynx v’Ore. t. 87. Ein Exemplar bei
Borlinghausen.
Ammonites Birchiü Sow. t. 267; D’Orp. t. 86. Ein
Exemplar von Borlinghausen noch ein wenig grösser als die
Zeichnung bei SowErbY. Auch vorliegende Original-Stücke von
Lyme-Regis stimmen gut. Die schwache Andeutung breiter,
tlacher Wellen zwischen den Rippen und etwas deutlicher auf
dem Rücken lässt die Abbildung bei SowErgy vermissen; D’OR-
BIGNY versucht sie zu geben. |
Ausserdem sind noch — von unbestimmbaren Fragmenten
abgesehen — zwei Ammoniten zu nennen, welche in der Nähe
von Borlinghausen frei gefunden wurden, von denen aber nur
vermuthet werden kann, dass sie dem Eisensteinflötze ange-
hört haben:
Ammonites Taylori Sow. t. 514 f. 1*) und
Ammonites striatus Reın. -
*) Die Darstellung Sowersy’s stimmt vortrefflich. In Süddeutsch-
land findet sich am häufigsten eine Varietät jederseits mit zwei Knoten-
5l
Unter den Gastropoden zeichnen sich zwei Pleurotoma-
rien durch häufiges Vorkommen aus:
Pleurotomaria tuberculato-costata Goupr. t. 184
%. 20.
Pleurotomaria solarium Kocu, Palaeont. I. t. 25.
Pholadomyen zeigten sich in vielen und prächtigen Exem-
plaren:
Pholadomya Hausmanni Goupr. t. 155 f. 4, Cnapuıs
Felt],
Pholadomya ambigua Sow. t. 227.
Inoceramus cf. ventricosus Sow. t. 443, selten.
Pecten priscus SCHLOTH., GoLpr. t. 59 f. 5.
Ostrea cymbii OPPEL, der mittl. Lias Schwab. t.4 f. 8.
Gryphaea gigas ScHLoTHa., GoLpr. t. 85 f. 1.*) Sehr
häufig. Ist nicht verschieden von den Stücken, welche man
“ Meile östlich von Amberg auf den Feldern und in festen
Conglomeraten gleichen Niveaus findet. ;
Spirifer rostratus SCHLOTH.
Spirifer verrucosus Buch.
Spirifer Münsteri Davis.
Terebratula subovoides Rornm., Ool. t. 2 f. 9; OPPEL,
mittl. Lias Schwab. t. 4 f.1. SCHLÖNBACH vereint die Art mit
Ter. punctata Sow. t. 15 f. 4.
Terebratula ef. cornuta Sow. Selten; nur drei Exem-
plare. :
Rhynchonella rimosa Buca; Davis. t. 14 f. 6; Zier.
t. 42 f. 5.
Rhynchonella Buchii Rorm., Ool. t. 2 £. 16.
Rhynchonella eurviceps Quasst., Jura t. 17 f.13—15.
Pentacrinus subteroides Quanxst., Jura p. 197 t. 24
f. 35, 36. Ein Mal beobachtet; weiter oben gemein.
Cidaris, 45 Mm. gross. Leider fast ganz ohne Schale und
daher nicht sicher bestimmbar, aber jedenfalls dem Diadema
reihen [Quesst., Ceph. t. 9 f. 21; Jura t. 16 f. 8; Zırten t. 10 f. 1
(Amm. proboscideus)]. Dergleichen ist im Teutoburger Walde nicht ge-
sehen. f
*) Ueber die Benennung dieser bisher als G@ryphaea eymbium Lam.
in Norddeutschland bekannten Art ist zu vergleichen: U. SchLönbach
l. e. p. 316 und Schsürzs, über die Juraformation in Franken p. 2.
4*
52
seriale Leym. bei CortEav, Yonne p. 35 t. 1 f. 4-8 (Desor,
Synops. t. 14 f. 12 Diademopsis serialis) nahestehend.
Schichten des Ammonites capricornus.-
War das Liegende des Eisensteinflötzes schlecht gekannt,
so steht es mit dem Hangenden zur Zeit wenig besser. Es
folgt eine mächtige Ablagerung dunkeler Thone, worin ich kein
Fossil auffand. Selbst beim Schlämmen blieb kein Ruckstand.
Doch erhielt ich ein Exemplar von
Ammonites fimbriatus Sow. t. 164; Quexst., Jura t. 16
f. 13; Carus 1. et. 5 f. 4. Bei Borlinghausen ist die Art
nicht selten, viel häufiger äber ist dort:
Ammonites capricornus SCHLOTH., D’ORB. t. 69; CHa-
puıs 1. e.t. 5 f.3; cf. Amm. maculatus QuEnse., Jura t. 121.3;
OrrEL, Juraf. p. 156; C©. v. Seupach, der hannöv. Jura p. 137;.
Scuunöngach 1. c. p. 520. Auch die Lias-Insel bei Horn lieferte -
prächtige Exemplare. Die neuerlich abgeschiedene Varietät:
Ammonites curvicornis SCHLÖNB. ]. €. p. 522, t. 12 f. 4
wurde ebenfalls bei Borlinghausen beobachtet. Auch vermuthe
ich, dass
Ammonites Üentaurus D’ORB. t. 76 f. gang "OPPEL,
mittl. Lias Schwab. p. 56, t.3 £. 8, Quenst., Cephal. t. 14
f.9 und Jura p. 135, t.16 f. 16 dieser Schicht angehört. Die-
selbe Vermuthung kann nur gelten von
Ammonites Loscombi Sow. (Amm. heterophyllus numis-
malis QuEnst., cf. OrPEL, Juraf. p. 162, welcher in zwei Exem-
plaren eingebracht ist.
Amaltheenthone,
Die vielfach versuchte Trennung der Amaltheenthone in
eine untere Abtheilung mit Amm. margaritatus (Amm. amaltheus)
und in eine obere mit Amm. spinatus (Amm. costatus) hat sich
im Teutoburger Walde noch nicht durchführen lassen. Bei
Altenbeken sind diese Schichten nicht mehr gekannt, dagegen
weiter südlich, bei Borlinghausen, in reicher Fülle entwickelt.
Durch das Vorkommen zahlreicher Foraminiferen knüpft sich
hier noch 'ein besonderes Interesse an dieselben. Zugleich
sind die Amaltheenthone hier von technischer Bedeutsamkeit,
indem sie mehrere Sphärosideritflötze einbetten, welche abge-
baut und verhüttet werden.
93
Mit den Amaltheenthonen schliesst der Lias und die Jura-
formation überhaupt im südlichen Theile des Teutoburger
Waldes ab. Jüngere Gesteine dieser Periode finden sich nur
im nördlichen Theile des Gebirges.
So finden sich die Posidonienschichten in erheblicher
Mächtigkeit südlich von Oerlinghausen mit Belemnites acuarius
SCHLOT., Amm. communis Sow. etc. —
N Kreideformation.
Schichten mit Ammonites bidichotomus.
Von der mächtigen Sandsteinbildung der unteren Kreide
gehören in unserem Profile nur die untersten 45 Fuss dem
Neocom oder Hils an. Dieser durch Amm. bidichotomus cha-
racterisirte Sandstein ruht bald auf Muschelkalk, bald auf Keu-
per, bald auf Lias. Zwar wurden im Tunnel selbst keine or-
ganischen Reste beobachtet, doch sind deren nördlich und
sudlich gekannt. Abgesehen von einigen neuen Funden hat
F. RoEMER die wichtigsten Versteinerungen schon früher nam-
haft gemacht. Die Funde bei Neuenheerse wurden 1852 im
Jahrbuche für Mineralogie etc. p. 185 aufgezählt. Ueber die
Einschlusse nördlich gelegener Punkte ist derselbe Autor zu
vergleichen 1. ec. 1850 p.385—417, 1848 p. 786, 1845 p. 269.
— Eine häufig vorkommende‘ Lingula beschrieb DünkeEr
(Palaeont. Bd. I. S. 130, Taf. XVIII. Fig. 9) als Lingula
Meyeri, vielleicht identisch mit Lingula truncata Sow. (Davım.
Brit. Cret. Brach. S. 6, Taf. I. Fig. 27, 28, 31). —
Schichten mit Ammonites Martini.
Der gelbe Hilssandstein ist nach den im Tunnel erlangten
Aufschlüssen durch eine 14 Fuss mächtige Grünsandbank von
dem rothen Gaultsandstein getrennt. Der Grünsand besteht
zum Theil aus einem äusserst festen, quarzigen Gestein mit
eingestreuten Glaukonitkörrern, zum Theil aus einer Anhäu-
fung meist lose verbundener Glaukonitkörner, zum Theil aus
einem glaukonitischen Gestein, dessen Grundmasse ein thoniger
Eisenstein von röthlicher Farbe bildet.
Durch das Auffinden des Amm. Martini (D'Ore. p. 195,
pl. 95 £. 7—10), welcher vollkommen mit den kleineren Exem-
plaren der Barler Brege bei Ahaus übereinstimmt, wird ein
Theil jenes Grünsandes mit Bestimmtheit als Aptien oder un-
54
terer Gault charakterisirt. Zugleich wird durch diesen Fund
wahrscheinlich gemacht, dass Gesteine des unteren Gault, welche
bisher nur an dem der holländischen Grenze zugekehrten
Rande des westphälischen Kreidebeckens bekannt waren, sich
in grösserem Maasse an der Zusammensetzung dieses Becken
betheiligen und namentlich an der gesammten Nord- und Ost-
Grenze in ihren Ausgehenden werden nachgewiesen werden.
Schichten mit Ammonites Milletianus.
Die obere Partie des eben gedachten Grünsandes hat eine
Reihe fossiler Reste geliefert, welche beweisen, dass hier die
Folge der Versteinerungen dieselbe ist wie in den nördlich vom
Harze gelegenen Gegenden, und dass dieser Theil des Grün-
sandes dem mittleren Gault entspreche. Namentlich zeigten sich
mehrere Exemplare von Amm. Milletianus D’Or».t. 77; Amm.
Raulinianusv»’OrB.t.68; Hamites cf. elegans D’Ore. pl. 133.
Ferner Arca carinata Sow. t. 44, 23 (n’Ore. pl. 313
f+12=8.: 7 Pıorter u. 'Rowx;Geneve! p: A624 1.92 2.
Pecten Darius v’ORB, Prod. IH. p. 139. (Wahrscheinlich
nicht verschieden von Pecten orbicularis Sow. t. 186).
Lima sp.?
= Turbo sp.?
Wahrscheinlich streicht auch diese Schicht durch den gan-
zen Teutoburger Wald; denn nahe an seinem Endpunkte fand
ich im Bette der Ems im Liegenden der Schichten, welche
sich durch Belemnites minimus und Amm. lautus als oberen
Gault darstellen, Thone mit Eisensteingeoden, aus welchen
sich zahlreiche Exemplare von Amm. tardefurcatus Leyı.
(Aube t. 18 f. 3, D’Ore. t. 71 f. 5) und Amm. Milletianus
‚ ausgelöset hatten.
Schichten mit Ammonites splendens.
Dem Grünsande des mittleren Gault ruht ein rother, eisen-
schüssiger Sandstein auf, dessen Mächtigkeit 145 Fuss beträgt.
In diesem Sandsteine steht das westliche Mundloch des Tun-
nels. Versteinerungen sind in dieser Ablagerung nicht selten.
Namentlich zeigten sich:
Belemnites minimus Lister, jedoch nur Exemplare °
mit verlängerter Spitze; cf. V’ORs., Pal. fr. t. 5 £. 6.
Amm. splendens Sow., D’ORB. pl. 68, 64. Nicht selten.
/
55
. Amm. auritus Sow., D’ORB. pl. 65.
Amm. cf. Renauxianus v’Ors. pl. 27, nur im Abdruck.
Hamites rotundus Sow., D’ORB. pl. 132.
Trochus sp.? :
Trigonia sp.? Mit dicken, wulstigen Rippen.
Pinna sp. n. Bis 9 Zoll gross. Nicht selten.
Inoceramus concentricus PaArk., p’Ore. pl. 404.
Häufig. His: \
Peeten ef. Raulänianus v’OrB. pl. 433 f. 6—9.
Pecten Darius v’Ors., Prod. I. p. 139 (=? Peet. or-
bicularis Sow.); haufig.
Janira Albensis D’Ors. Prod. 1. p. 139.
Terebratula sp. Grosse biplicate Form; ist breiter und
hat schärfere Falten wie Ter. Dutempleana D’ORB.
Holaster latissimus Acass. (4 Hol. amplus D’ORB.),
D’Ore. pl. 836, 837, 838; häufig. Ebenso in Frankreich in
gleichem Niveau.
Cardiaster sp. nov. Nicht selten.
Der rothe Sandstein wird von einem weissen, gewöhnlich
festen und dann in eckige Brocken zerfallenden, seltener
erdigen, vielfach zellig zerfressenen und zuweilen knollig sich
ablösenden Quarzgesteine überlagert, welches im weiteren Strei-
chen sich in ächten Flammenmergel verwandelt. Die unteren
2 Fuss sind mergelig und glaukonitisch.
In dieser unteren Schicht wurden nur Spuren unbestimm-
barer Zweischaler wahrgenommen. In den oberen Schichten
fand sich ausser Pecten Darius‘
Ammonites inflatus Sow. t. 778.
Die in Rede stehenden Schichten sind an vielen Punkten
deutlich aufgeschlossen, vorzüglich zwischen dem Bahnhofe
von Altenbeken und dem Tunnel einerseits und Bahnhofe und
dem Dorfe andererseits. Die Ansicht, welche zwei Schichten-
complexe von der angegebenen Beschaffenheit im Gebirge zu
sehen vermeinte, ist durchaus irrthümlich. Die scheinbare
Wiederholung der Schichten mit Amm. inflatus und der sogleich
zu erwähnenden beruht auf einer Verwerfung. Die Verwer-
fungskluft selbst ist an den beiden genannten Punkten in sel-
- tener Deutlichkeit offen gedeckt und ihrem Fallen und Strei-
chen nach zu beobachten.
Das jüngste, sandige, nun folgende Gebilde der unteren
56
Kreide ist ein rauher, lockerer, bunter Sandstein von grüner,
violetter und rother Farbe. An fossilen Resten haben sich
in demselben nur Spuren von Belemniten gefunden.
Hierauf beginnen mit dem Sommer-Berge die kalkigen und
mergeligen Gesteine der oberen Kreide; die unmittelbare Auf-
lagerung derselben auf den Gault ist jedoch verdeckt. Doch
ist ein einzelner Punkt vorhanden, an dem man die Schichten
kennen lernt, welche das unmittelbare Hangende des Buntsan-
des bilden. Durch die Senkung eines» Gebirgsstüuckes an der
oben erwähnten Kluft ist ein vor dem Einflusse der Denuda-
tion mehr geschützter Raum entstanden, welcher von einem
aschgrauen, lockeren, thonigen Gestein, welches sich beim
Schlämmen gänzlich aufwäscht, ausgefüllt ist. Die Organismen
desselben f
Ammonites splendens und
Avicula gryphaeoides
scheinen mit Sicherheit die Zugehörigkeit dieser Schichten zum
Gault darzuthun. Denn kennt man auch Avicula gryphaeoides
noch in der Tourtia nördlich des Harzes, so ist sie hier doch
keine so häufige Erscheinung wie im oberen Gault, und Amm.
splendens ist bisher, so weit uns bekannt, noch niemals in
cenomanen Gesteinen, nur im Gault aufgefunden worden.
Versteinerungsarmer Plänermergel
von hellgrauer Farbe, bröckliger Beschaffenheit, lagenweise
geordnete, kopfgrosse Kugeln eines sehr festen, thonigen Kal-
kes von gleicher Farbe umschliessend, bildet, etwa 80 Fuss
mächtig, die liegendste Schicht des Pläners, welche als solche
schon von Becks gekannt ist. (Geog. Bem. üb. einige Theile
des Münsterlandes, KArsten’s Archiv Bd. 8.) Da dieser Mer-
gel den Atmosphärilien keinen nachhaltigen Widerstand ent-
gegensetzen kann, so bildet er an der Ostseite steile Abfälle,
während er nach Westen zu von den schützenden, festen Varians-
Schichten überdeckt ist. Besonders deutlich ist sein Verhalten
zu beobachten am Sommer-Berge, der sich unmittelbar am
Bahnhofe Altenbeken erhebt, und an der kleinen Egge, westlich
von den Extersteinen, an der Strasse von Horn nach Schlangen.
(Diese Lokalität wurde schon von F. Horrmann 1825 in den
Annalen der Physik p. 30 beschrieben.) Ziemlich mit Recht
gilt dieser Mergel als versteinerungslos. Erst nach langem,
57
sehr wiederholtem Suchen gelang es, ein Bruchstück einer
speeifisch nicht näher bestimmbaren Scyphia, ein Exemplar
von /noceramus striatus und Amm. varians aufzufinden. Diese
Funde weisen nur auf Cenoman überhaupt hin, eignen sich
aber- zur genauesten Feststellung des Alters nicht. Dagegen
können diese Mergel nach den Lagerungsverhältnissen kaum
etwas Anderes als ein Aequivalent der Tourtia darstellen, dem
‚die fossilen Reste in keiner Weise widersprechen.
Schiehten mit Ammonites varians.
Das Gestein ist ein bläulicher, fester Kalk, abgesondert
in dicken Bänken, in Folge dessen er zu grossen Werkstücken
besonders geeignet ist. Vielfach wird er von weiten Kluften
durchsetzt, welche von Brauneisenstein angefullt sind, der in
früheren Jahrhunderten und auch gegenwärtig wieder bei
Schwanei bergmännisch gewonnen wird. Wohl nirgendwo ist
der Varians-Pläner in so grossartiger Weise aufgeschlossen
als hier bei Altenbeken, zu beiden Seiten des „grossen Via-
ducts“, indem er zur Ausmauerung des Tunnels und zur Auf-
führung der grossen Viaducte das Material lieferte.
Unter den vielen fossilen Resten, welche er umschliesst,
sind zu nennen: | |
Ammonites varians Sow., D’ORB. pl. 92, SHARPE t. 8.
So häufig auch dies Fossil ist, so wurde hier doch nie die
_ aufgeblähte Varietät (Amm. Coupei Broxenx., Env. de Paris pl. 6
f. 3, SHarPpE t. 8 f. 1—4) beobachtet.
Ammonites navicularis Mant., SHARPE t. 18. Die Haupt-
form Amm. Mantelli Sow. hat sich nicht gezeigt.
Der am Harze diesem Niveau angehörige Amm. falcatus
Mant. wurde, obwohl er dem westphälischen Becken nicht
fremd ist (A. RoEmer eitirt ihn von der Waterlappe, und ich
selbst hob ihn bei Essen auf), nicht gefunden. Dagegen fand
sich eine andere Form, welche in den subhereynischen Hügeln
constant höher zu liegen scheint, in zwei Exemplaren, nämlich:
Ammonites Rotomagensis Darr., Bronen.
Dass Amm. Mayorianus D’ORB. trotz der sehr bedeuten-
den Aufschlüsse sich nicht zeigte, ist immerhin eine bemer-
- kenswerthe Thatsache, da er in der älteren Tourtia Westpha-
lens und in dem jüngeren Rotomagensis-Pläner nördlich vom
Harze häufig auftritt. Doch ist zu bemerken, dass diese Form
58
im Varians-Pläner am Harze anfangs gleichfalls vermisst
(Jahrb. für Min. 1857 p. 785), später als Seltenheit aufgefun-
den wurde (Zeitsch. d. deutsch. geol. Ges. Bd. XT. S. 33).
Turrilites tuberculatus Bosc., SHArPR t. 25 f. 1-4,
p’Orp. t. 144.
Turrilites Scheuchzerianus PBosc., SHARPE t. 26
f. 1—3, n’Ore. t. 146.
Turrilites costatus Lam., SHARPE t. 97. f. 1—5, selten.
Inoceramus striatus Me GoLpr. t« 112.1. 2,
Pecten Beaveri Sow. t. 131.
Pecten depressus Goupr. t. 92 f. 4.
Plicatula inflata Sow. t. 409 f. 2.
Pholadomya sp. n.
Terebratula cf. biplicata Broc.
Rhynchonella cf. Mantelliana Sow. t. 537 £. 5.
Epiaster distinctus Ac. sp. (D’Ore. t. 861; CortEau
et TRıGER, Sarthe t. 26 f. 6, 7; Aus. Gras, Isere p. 55, t. 4
f. 1, 2. Ueberall aus Cenomanien genannt.
Holaster sp.? häufig! Eine kleine globose Form, ähnlich
der Darstellung des Holaster subglobosus bei CorTtEau et Trı-
GER, Sarthe t.33£.7,8. Vielleicht gleich Holasier altus Acass.,
Echin. Suiss. t.3 f.9, 10. — Gleiche Stücke lieferte der jün-
gere cenomane Grünsand bei Dortmund, namentlich auch der
Zeche Westphalia.
Holaster nodulosus Goupr. p. 149, t. 45 f.6 = Ho-
laster carinatus D’ORB., terr. cret. Echin. p. 104, t. 818. Da
D’ORBIGNY sich auf Lamarck (An. sans vert. III. p.26 No. 6)
beruft, LamaArck selbst aber die Bezeichnung von L&Esk& (KLaın,
natur. disp. Echin. p. 245, t. öl f. 3, 4) entlehnt, die beige-
gebene Abbildung aber sicherlich nicht den Spatangus nodulo-
sus und wahrscheinlich überhaupt keinen Holaster darstellt,
vielmehr nicht bestimmbar ist, so muss die von GOLDFUSS ge-
gebene Bezeichnung aufrecht erhalten werden.
Discoidea cylindrica Acass., Echin. Suiss. t. 6 f. 13,
15; = G@alerites canaliculatus GOLDF. t. 41 f. 1. In normaler
Grösse, aber selten. Fruher schien die Art nach v. STROMBECK
am Harze auf den Rotomagensis - Planer beschränkt zu sein,
doch hat sie sich nach neueren Mittheilungen auch dort im
Varians-Pläner gezeigt (Zeitsch. d. deutsch. geol. Ges. Bd. XV.
S. 114).
59
Discoidea subuculus Ku. Die specifische Bestimmung
ist wegen sehr ungünstiger Erhaltung nicht zweifellos.
Schichten mit Ammonites.Rotomagensis.
In dem ersten Eisenbahneinschnitte westlich von dem grossen
Viaducte finden sich zuerst mergelige Gesteine, sodann weisse
feste Kalke, die dem unteren, harten Brongniarti-Pläner gleichen.
In beiden herrscht völlige Versteinerungslosigkeit; denn ausser
einem grossen Zahne von Ptychodus, welcher frei gefunden
wurde und vielleicht noch dem Varians - Pläner entstammt,
wurde kein Fossil gesehen. Wir haben es mit armen Roto-
magensis-Schichten zu thun. So wenig diese Bänke auch dem
Paläontologen darbieten, so haben sie doch fur den Mineralo-
gen Interesse, indem sie von flachen Kalkspathgängen durch-
setzt werden, welche Skalenoeder umschliessen, die eine Grösse
von 4 und 5 Zoll erreichen.
Die Armuth an fossilen Resten ist übrigens nur sehr loka-
ler Natur. So wie man sich nur wenig südlich wendet, trifft
man an der nach Buke führenden Chaussee ein Paar unbe-
deutende Aufschlusspunkte, in denen sich charakteristische Pe-
trefakten in Menge zeigten: Amm. Rotomagensis, Amm. varians,
Turrilites costatus, T. Scheuchzerianus, Scaphites obliquus, Plicatula
inflata, Pecten orbicularis u. s. w. Das letzte Fossil hat uns
vom Aptien an durch alle Schichten begleitet und spielt hier
also eine ähnliche Rolle wie Monotis decussata in der Porta
Westphalica.
So lässt sich dieses Niveau nördlich und südlich verfolgen.
. ‚Die befriedigendsten Aufschlüsse finden sich bei Lichtenau, wo
in grösster Zahl alle jene Formen auftreten, welche nördlich
vom Harze den Rotomagensis-Pläner charakterisiren:
Ammonites Rotomagensis Derr., Bronan. in Ouv.
oss. foss. tom. Il. p. 606, t.6 f.2; v’Ore. terr. cret. pl. 105;
Sharpe t. 16 f. 1; mit Uebergängen zu Amm? Sussexiensis MANT.
bei Smarpr t. 15 f. 1 und Amm. Cenomaniensis p’ArcHıac bei
SHarPE t. 17 f. 1; wird 16 Zoll gross. Zerschlägt man ein
grosses Exemplar, so tragen die inneren Windungen bei 1,5 Zoll
'Scheibendurchmesser in der Medianlinie des Ruckens schmale,
verlängerte Höcker, welche zusammenhangend einen knotigen
Kiel bilden und stellenweise einen Knoten mehr tragen als die
Seiten (Sharpe t. 18 f. 1b). Bei 2,5 Zoll verschwindet diese
60
Bildung und bei 5,5 Zoll Grösse beginnen die Rippen über
den Rücken fortzusetzen. — Sehr häufig.
Ammonites varians Sow. Häufig.
Ammonites navicularis Mant., Smarpe t. 18 f. 1-2.
Sehr selten. Nur zwei Exemplare wurden beobachtet.
Ammonites Majorianus »OrB.? Bis 16 Zoll gross;
nicht selten, aber alle Stücke ohne Einsehnürungen.
Nautilus elegans Sow.t. 116; D’Ors. t. 19; SHARPE
159, 659, AnAstle
Nautilus eepansus Sow.t. 485; Smarpe t. 2 f. 3—5
= Naut. Archiacianus D’ORB. t.21. Durch die Nabelkante und
feine Streifung der Schale leicht kenntlich.
'Scaphites aequalis Sow. t. 18 f. 1—83.
Turrilites Scheuchzerianus Bosc.
Turrilites tuberculatus Bosc. '
Hamites cf. armatus Sow. t. 168. Mit vier runden,
dicken Knoten. 3
Pleurotomaria perspectiva Sow. t.428; D’Ore. t. 196.
Inoceramus striatus Mant., D’Ore. t. 405.
Pecten depressus GoLpF. t. 92 f. 4.
Pecten Beaveri Sow. t. 138; Goupr. t. 92 f. 5.
. Lima intermedia v'Ore. t. 421 f. 1—5.
Plicatula inflata Sow. t. 409 f. 2; D’ORre. t. 463.
Rhynchonella cf. Mantelliana Sow.
Terebratula biplicata Broc.
Discoidea cylindrica Lam. (Galerites cylindrieus Lam.
Anim,. sans vert. tom. III. p. 23 No. 13 = Galerites canalicu-
latus GoLdF. p. 128 t. 41).
Holaster cf. nodulosus GOoLDF.
Holaster subglobosus LEske. Kıem, nat. disp. Echin.
p. 240 t. 54 f.2, 3; Acass., Echin. Suiss. (in Neue Denkschr.
der Schweiz. Ges. für d. Naturw. Bd. IIL.) t. 2 f. 7—9; die
beste Darstellung bei Forses, Mem. of the geol. Survey, dec.
IV.,t. 7 f. 1-4. Sehr häufig.
Holaster sp. n. Der vorigen Art verwandt, aber mehr
kugelig, mit abgestutzter Vorderseite und schmalen Fühlergän-
gen. Sehr häufig.
Von den genannten Formen waren Amm. Mantelli und
Pecten Beaveri lange nur im unteren Cenoman gekannt, sind
jedoch auch dort in jüngerer Zeit im Rotomagensis - Pläner
61
aufgefunden worden (s. Zeitsch. d. deutsch. geol. Ges. Bd. XV.
S. 114 u. 118). Scaphites aequalis, Turrilites Scheuchzerianus
und tuberculatus scheinen auch bis jetzt dort in diesem Niveau
noch nicht aufgefunden zu sein.
", Da Nautilus elegans, N. ewpansus, Scaphites aequalis und
Pleurotomaria perspectiva bei Altenbeken im Varians-Pläner wohl
nur zufällig nicht gesehen sind, indem sie an anderen Punkten
Westphalens in gleichem Niveau, wie bei Dortmund und Bo-
chum und zum Theil bei Rheine, nicht selten beobachtet wur-
den, so beruht die Verschiedenheit des Rotomagensis- und
des Varians-Pläners wesentlich nicht auf der Verschiedenheit
der Species, sondern auf der grösseren oder geringeren Indi-
viduenzahl einiger Arten. — Ganz besonders ist noch die ver-
tikale Verbreitung des gmm. Rotomagensis hervorzuheben. Am
Harze auf den Rotomagensis - Pläner beschränkt, fanden wir
ihn in Westphalen schon in den Varians-Schichten, und er-
scheint er selbst schon in der noch älteren Tourtia. Hier zeigte
er sich unweit Essen in den Schächten Prosper, Neu-Essen
‘und Hoffnung und in den seit langer Zeit für Tourtia-Petre-
fakten berühmten Fundpunkten, dem Böhnertschen Steinbruche
und den Brüchen bei Frohnhausen, wo wir ihn selbst aufhoben.
Schichten mit /noceramus mytiloides.
Auf der Bahn nach Westen weiter schreitend, findet man
im Hangenden der Rotomagensis-Schichten den ziemlich festen,
zerklüfteten, mergeligen, rothen Pläner anstehend. Da er weder
beim Ackerbau, noch zu architektonischen Zwecken verwendet
werden kann, so bietet er nirgendwo gute Aufschlussstellen.
Doch ist er nach den auf den Feldern umherliegenden Brocken
im Streichen gut zu verfolgen. So in der Richtung nach
Schwanei und Herbram. Von Petrefakten wurde keine Spur
angetroffen. Hiernach könnte man geneigt sein, diese Schich-
ten den armen Rotomagensis-Schichten zuzuzählen, wenn nicht
das Verhalten an anderen Lokalitäten unzweifelhaft ergäbe,
dass der rothe Pläner den Mytiloides-Schichten angehöre. Ein
solcher Punkt findet sich an der Ostseite des Teutoburger
Waldes bei Stupelage zwischen Detmold und Bielefeld. Hier
wechsellagert rother und weisser Pläner, und beide sind er-
füllt von zahlreichen Exemplaren des /noceramus mytiloides.
Kehren wir in unser enges Gebiet zurück, so sehen wir
62.
den rothen Pläner von grauweissem, vielfach zerklüuftetem Mer-
gel überlagert, welcher zwischen den Wärterhäuschen 54 und 55
in das Niveau der Eisenbahn tritt. Paläontologisch ist dieses
Gestein charakterisirt durch das massenhafte Auftreten des
Inoceramus mytiloides Mant., Suss. t. 28 f. 2 (= Myti-
loides labiatus BRONGN. in Cuv., 0ss. foss. t.3 f. 4; = Tmoce-
ramus problematicus SCHLOTH. sp. bei D’OreB. t. 406), GoLDF.
t. 113 f. 4. Leicht an diesem nirgendwo fehlenden Fossil
kenntlich, bildet dieser Mergel eine wichtige Stufe im West-
phälischen Pläner. In südlicher Richtung tritt er dicht unter
dem Gipfel des hohen .Brocksberges, vom festeren Bron-
gniarti-Pläner geschützt, hervor, streicht in ziemlich gerader
Richtung weiter, dicht östlich an Lichtenau vorbei, nimmt hier
eine westliche Richtung an und ist in dieser stetig am ganzen
Sudrande des westphälischen Kreidebeckens zu verfolgen. Auch
nordwärts ist er gekannt, und selbst an dem äussersten Punkte
des Plänervorkommens überhaupt, bei Oeding, ist sein Niveau
angezeigt. x
Das an zweiter Stelle häufigste Fossil ist
Rhynchonella Cuvieri D’ORR. t. 497; Davms. t. 10.
Mit Uebergehung einiger anderer Brachiopoden ist das Vor-
kommen kleiner Discoideen, welche an keiner Lokalität zu
fehlen scheinen, hervorzuheben.
Ehemals wurden alle hierhergehörigen kleinen Formen als
Galerites subuculus zusammengefasst. Seitdem sind von Agassız,
Desor und CoTTEAU eine Menge Arten unterschieden und ver-
schiedenen geognostischen Niveaus zugetheilt worden. Die
Erkennung dieser Arten setzt: Exemplare von vorzüglichster
Erhaltung voraus, an denen alle Details deutlich sichtbar sind.
Eines der vorliegenden Stücke zeigt auf jeder Ambulacraltafel
nur ein Porenpaar, wodurch sofort zwei Arten: Discoidea mi-
nima Ac. und Discoidea pentagonalis Corr. mit drei Paar Pedi-
cellen-Oeffnungen auf einer Platte von der Betrachtung ausge-
schlossen werden. Der Scheitelschild besteht aus 5 Augentäfel-
chen und 5 völlig normal entwickelten und regelmässig gestell-
ten Genitalstücken, deren jedes von einer Ovarial-Oeffnung
durchbrochen ist. Hiernach liegt auch Discoidea subuculus KLEIN,
mit nur vier normalen, durchbohrten, unregelmässig gegfellten
Genitalstücken, nicht vor. Diese Art ist auch noch sonst ver-
schieden, ihre Basis mehr eingedrückt, ihr Peristom grösser
63
u. s. w. Discoidea decorata, conica und turrita, dem Gault
angehörig, sind durch den Scheitelschild und anderweitig hin-
reichend unterschieden. Da auch Discoidea eylindrica nicht in
Frage kommen kann, so bleiben nur noch Discoidea infera und
Diseoidea Archiaci übrig. Letztere, durch ein rundes Periproct
kenntlich, muss auch von der Untersuchung ausgeschlossen
werden. Es erübrigt also nur Discoidea infera DEsor, von der
CoTTEAU angiebt, dass sie ein regelmässiger Begleiter des /no-
ceramus mytiloides sei. Der von ÜoTTEAu vergrössert gezeich- .
nete Scheitetschild (Pal. frauc., terr. eret. t. 1013 f. 6) stimmt
gut mit unserem Stücke überein. Dagegen zeichnet CoTTEAU
ibid. f.4 die Poren nebeneinander statt schräg übereinander und
stell: auf den Interambulacraltafeln die in vertikaler Reihe
stehenden grossen Tuberkeln nicht in die Mitte der Tafel, son-
dern nähert sie den Ambulacren. Ausserdem giebt er bis sie-
ben grössere Stachelwarzeu auf einer Platte an, während wir
nicht mehr als drei dergleichen sehen.: Diese Widersprüche
lösen sich grossentheils durch die Darstellung, welche in den
Echinides du departement de la Sarthe par CoTTEAU et TRIGER
t. 63 f. 4 (wozu leider der Text noch fehlt) gegeben wurde.
Hier stehen die Poren schräg und die Hauptstachelwarzen
ziemlich in der Mitte der Tafel. Auch erkennt man hier besser
die Anordnung der feinen Granula in Reihen, welche alle der
im Mittelpunkte stehenden, grösseren Stachelwarze zustrahlen.
So bleibt nur noch der einzige Unterschied, dass auch hier
die Zahl der Stachelwarzen zu gross angegeben wird. Vor-
läufig kann diese Verschiedenheit nicht als eine specifisch be-
trachtet werden und ist deshalb die vorliegende Art mit Dis-
coidea infera Das. zu vereinen.
Viel häufiger als die eben betrachtete ist eine zweite
Art, an der selbst mit scharfer Lupe weder die Poren noch
die einzelnen Tafeln des Scheitelschildes zu erkennen sind.
Der Rand und die Unterseite sind mehr aufgebläht als bei der
vorigen Art, und die feine Granulation ist so dicht gedrängt,
dass kein freier Zwischenraum bleibt. Sie hat Merkmale von
Discoidea minima (Pal. fr. t. 1012 f 1—7; Echin. Sarth. t. 63
f. 6—8) und Discoidea pentagonalis Corr. (Pal. fr. t. 1012
f. 8&—12). Die grössere Zahl der, vorliegenden Stücke theilt
Grösse und Form mit Discoidea minima.
64
Weniger häufig ist die zierliche
"Salenia granulosa FoRsBzs. |
Sie wurde in mehreren Exemplaren am Uhrenberge bei Her-
bram, bei Ebbinghausen und zwischen - und Hörde.
aufgefunden. > |
In Frankreich wird die Art aus Senonien von -Beauvais
u. s. w. und in England aus dem Lower Chalk von Dover
erwähnt: FoRBES führt sie zuerst auf fraglich als Salenia scu-
tigera in Dixon’s Geologie of. Sussex p. 340 und gab t. 25
f. 24 eine fast unkenntliche Abbildung. Vier Jahre später
führte er sie (in Morkrıs Catal. of Brit. Foss.) als neue Art
unter dem Namen sSalenia yranulosa ein. Drsor (Synop. des
Echin. foss. p. 152) führt sie als Salenia inerustata Cont. auf.
Corrzau endlich gab Pal. franc., terr. eret., Echin. irreg. p. 167
t. 1089 f. 6-21 eine treffliche Darstellung der Art, wodurch
erst eine Vergleichung ermöglicht ist. Leicht kenntlich ist die
Art an dem grossen eigenthüumlich granulirten Scheitelschilde.
Der Rand desselben ist, was CorreAu übersieht, gewöhnlich
mit einem Kranze feiner Körner, am deutlichsten an den Augen-
täfelchen, umsäumt. Die ganze Gestalt sehr niedrig. Zahl der
Interambulacraltafeln vier, daher nur zwei bis drei grosse
Stachelwarzen. ®
Ausser einigen weniger bedeutenden Vorkommnissen ist
noch eines wichtigen Fossils zu gedenken, des |
Ammonites Cunningtont,
den Suarpz, Descrip. of the Fossil Remains of Molluska found
in the Chalk of England p. 35 t.15 darstellt. Er ist mit dem
Amm. Rotomagensis verwandt, was ersichtlich wird, wenn man
durch Zerschlagen eines Stückes die inneren Windungen bloss-
legt. Bei Essen, Bochum, Langendreer, Dortmund, Fröhmern
ist die Art an keiner Stelle selten. Dort ist sicher darauf zu
rechnen, dass, wo der Mytiloides-Mergel -ansteht, man auch den
Amm. Cunningtoni zu Gesicht bekommt.
Herr v. Srromseck hat den Amm. Rotomagensis in zwei
4 bis 5 Zoll grossen Exemplaren bei Fröhmern im Mytiloides-
Mergel gefunden (Zeitsch. d. deutsch. geol. Ges. Bd. XI. S. 47).
Ohne Zweifel sind auch dies innere Windungen von Amm.
Ounningtoni. .
Ammonites Lewesiensis MantT. (cf. v. STROMBECK I. c. p. 46)
im südlichen Westphalen weniger häufig als der eben ge-
65 _
nannte wurde gleichfalls in unserem Distrikte noch nicht auf-
gefunden. ä |
Schichten mit Inoceramus Brongniarti.
Den Mergeln des Mytiloides-Pläners ist eine Schichten-
folge aufgelagert, welche unten feste, häufig zellig angefressene
Kalke, weiter oben mergelige, dem normalen Plänervorkommen
petrographisch ähnliche, dünngeschichtete Bänke zeigt. Hin
und wieder bemerkt man geringe Ausscheidungen von Horn-
stein und gelegentlich lockere, erdige Partien.
Die von diesen Gesteinen umschlossene Fauna ist eine
der Arten- wie Individuenzahl nach sehr geringe. Eine Spon-
gie fallt durch die zierliche, regelmässige Form auf. Es ist
ein doppelt kegelförmiger, oben niedrig kugelförmiger, unten
verlängerter, in einen Stiel verlaufender Schwamm. Die Ober-
seite zeigt eine grosse centrale Oeffnung mit vorstehendem
Rande. Das Gewebe ist an der Oberfläche dicht, im Innern
etwas lockerer. Unregelmässige Eindrücke wie bei Sceyphia
Jungiformis GoLpr. t.65 f. 4 fehlen gänzlich. Es ist eine neue
Art der Gattung Camerospongia, welche sich zwischen Cam.
Fungiformis und Cam. campanulata stellt (vergl. RoEMER, Spongit.
in Palaeont. Bd. XIII. 1. und 2. Lief. p. 5).
Holaster planus Mast. sp. (Sussex, t. 27 f.9 u. 21,
schlecht; p’Ore., Pal. frane., Echin. t. 821). Selten.
Infulaster excentricus (= Spatangus excentricus ROSE,
in Woopwarn’s Geology of Norfolk t.1 f.5; = Cardiaster ex-
centricus FORBES, Geol. Survey Decad. IV. t. 10 f.1—18;
— (Cardiaster Hagenowi D’ORB., Paleont. franc., Echin. t. 832
f. 1—7; — Infulaster Borchardi Hac. in Desor, Syn. des Echin.
foss. p. 348, t. 89 f. 1—5). Selten.
| Diese beiden Echiniden wurden ebenfalls als grosse Sel-
tenheit in den Galeriten-Schichten von Graes bei Ahaus beob-
achtet. Dort zeigte sich auch die aus dem Mytiloides-Mergel
bekannte Salenia rugosa, welche auf Unter-Turon beschränkt ist.
Das verhältnissmässig häufigste Fossil ist
Inoceramus Brongniarti Mant., Sussex, t. 27 f. 6,
1. 28 f. 1 u. 4 (die beiden letzten Abbildungen von MANTELL
Inoceramus Ouvieri genannt); GoLpr. t. 111 f. 3 und /nocera-
mus annulatus- GoLpF. t. 110 f. 7; Inoceramus cordiformis Sow.
Zeitschr. d. d geol.Ges. X VII .1. 5
66
-
t. 440, bei Goupr. t. 110 f.6b.; v. Stroup. Zeitsch. .d. deutsch.
geol. Ges. Bd. XT. S. 49 Bd. XV. >. 39L
Ammonites Woolgari Mant., Fossils of the South
Downs.t. 21 f. 16, 1. 22 f. 7; Sow., Min. Conks ri
SHARPE t. 11 f. 1, 2 (non Amm. Woolgari Mant. bei D’ORB.,
terr. eröt. t. 108 f. 1-3 = Amm. Vielbancei n’Ore., Prodr. 1.
p- 189); + Amm. Carolinus D’ORB., terr. eret. t. 91 f. 5-6;
— Amm. Bravaisianus D’Ore. ibid. t. 91 f. 3--4 und SHARPE
t.28 f.7. Die Art wurde namentlich südlich von Haaren und
auch nördlich von Büren im Brongniarti - Pläner beobachtet.
Aus dem gesammelten Material ergiebt sich, dass diese Art in
der That in den verschiedenen Alterszuständen die Formver-
schiedenheiten zeigt, wie sie recht gut bei SmArPE dargestellt
- sind. Es ergiebt sich aber auch weiter, dass in der Jugend
nur ein glatter Rückenkiel vorhanden ist; erst bei 30 bis
35 Mm. Durchmesser wird der Kiel sägeförmig. Deshalb ist
auch der glatt gekielte, sonst völlig übereinstimmende Amm.
Bravaisianus D’ORB. synonym mit Amm. Woolgari.
Ammonites Lewesiensis Manrt., Fossils of the South
Downs t. 22f. 2, SHARPE p. 46, t.21f.1. Die Stücke sind alle
wenigstens fussgross, und wie bei den Vorkommnissen der Myti-
loides-Mergel bildet die steile Suturfläche mit der Seite eine
Kante. Die Seiten sind mit kurzen, wulstartigen Rippen ver-
sehen, welche den Rücken nicht erreichen. Auf dem letzten
Umgange zählt man 15 Rippen. Die Exemplare aus den Myti-
loides-Mergeln zeigen nur 10 und zugleich weniger stark her-
vortretende Rippen.
Schichten mit Micraster Leskei.
Oestlich vom Dorfe Neuenbeken gelangt man in eine Zone,
wo in der Gesteinsbeschaffenheit, namentlich auch gegen den
oberen, noch zu besprechenden Pläner, ein auffälliger Gesteins-
wechsel stattfinde. Keine Absonderung in glatte, parallele Bänke.
Das Gestein löset sich unregelmässig wulstig ab, ist fester,
dunkeler und zeigt auf den Ablösungsflächen einen dunkelgrauen
bis schwarzen Anflug. Zuweilen bemerkt man auch Glaukonit-
körner, bald vereinzelt, bald mehr gehäuft.
Diese Schichten bilden weithin das Liegende der viel
mächtigeren Ablagerung mit Epiaster brevis. Südlich folgen sie
der Linie, welche auf der v. Decnuzn’schen Karte die Verbrei-
67
tung der nordischen Geschiebe angiebt und werden namentlich
an derselben Stelle von der Chaussee geschnitten, welche von
Paderborn nach Lichtenau führt. Südlich von Paderborn bil-
den sie die Klippen bei Hamborn, welche v. DECHEN durch
grüne Farbe schon hervorhob u. s. w.
Mit dem Gesteinswechsel zeigt sich auch eine sehr auf-
fallende Veränderung in der Fauna, welche gleichmässig von
den liegenden wie von den hangenden Schichten verschieden
ist. Zunächst ist dieselbe negativer Natur. Von Inoceramen
fanden sich nur wenige unbestimmbare Spuren. Von dem im
jüngsten Pläner so häufigen Epiaster brevis wurde kein Exem-
plar gesehen. Statt dessen tritt
| Micraster Leskei Dzsu. sp., D’Or., Pal. fr., Echin, t. 869
in grosser Häufigkeit auf. Die kurze Charakteristik Desor’s
„Lspece facilement reconnaissable a sa ‚forme allongee et deprimee,
a son sommet ambulacraire central et ses ambulacres tres - courts
et & peine concaves“ stimmt zu unseren Exemplaren recht gut,
doch hätte statt „central“ richtiger ein wenig nach vorn ge-
ruckt gesagt werden können.
Die grössten aufgefundenen Stücke gleichen sehr dem
Epiaster Koechlianus »’Or». (t. 856, 857), über dessen genaues
Vorkommen nichts gekannt ist. Nur giebt AstıEr an, er
stamme aus der Gegend von Castellane (Basses Alpes). Ob
bei Castellane über Neocom und Cenoman noch jüngere Kreide-
schichten erkannt, scheint nicht erwiesen, ist jedoch nach der
Darstellung, welche Scırıon Gras (Statist. miner. du depart. des
- Bass. Alpes p. 102) giebt, sehr wahrscheinlich und dürfte
Epiaster Koechlianss diesen Schichten entstammen. Jedenfalls
ist es eine Form, welche älterer Kreide fremd ist.
Wie Micraster Leskei, so ist auch
Terebratula semiglobosa Sow. in grösster Fülle der
Individuen vorhanden, so dass hier das Hauptlager dieses
Brachiopoden ist.
Auch zeigte sich Spondylus spinosus Sow. Die Bänke sind
überhaupt reich an mancherlei Vorkommnissen, doch war bis-
her noch nicht möglich, dem festen Gesteine weitere deutliche
und bestimmbare Formen abzugewinnen. Spuren zeigten sich
von Scyphia, Pleurostoma, Salenia, Holaster, Pentacrinus,
Asterias, Rhynchonella und Lima. An den von den Atmosphä-
rilien angefressenen Flächen treten ausserdem viele Foramini-
5*
68
feren und Bryozoen hervor; bemerkenswerth darunter die weit
verbreitete Truncatula carinata D’ORB., Terr. ceret. tom. V. p.
1058 t. 797. {
Auffallend ist das gänzliche Fehlen der Care
doch theilen die in Rede stehenden Schichten diese Eigenthüm-
lichkeit mit dem längst gekannten Turon-Grunsande im sud-
lichen Theile des Kreidebeckens. Beide, zwischen Brongniarti-
und Cuvieri-Pläner eingelagert, entsprechen den Scaphiten-
Schichten nördlich vom Harze. Wenn die Lagerungsverhält-.
nisse dies auch schon höchst wahrscheinlich machen, so wird
es doch noch weiter bewiesen, wenn man diese Schichten im
Streichen nordwärts verfolgt. Nachdem sie sich bei Kohlstädt
völlig versteinerungslos erwiesen haben, umschliessen sie bei
Berlinghausen und Bielefeld alle-die eigenthümlichen Formen,
welche am Harze die Scaphiten-Schichten charakterisiren, ins-
besondere die Helicoceren, Turriliten und Hamiten u. s. w.
Die häufigsten Fossile sind dort zwei Echiniden: Micraster
Leskei und Infulaster excentricus. Das letztere gehört zu den
charakteristischsten organischen Einschlüssen der Scaphiten-
Schichten Westphaleus. Während es in den Brongniarti- und
Cuvieri-Schichten nur selten einmal gesehen wurde, liegt es im
Scaphiten-Pläner in grosser Fülle der Individuen. Auch auf
Wollin, von wo der mit unserer Art synonyme Infulaster Bor-
chardi Has. stammt, kommt er gemeinschaftlich mit Mieraster
Leskei vor; denn Micraster Hagenowi BorcH. in Mns. ist eben
nichts Anderes als Micraster Leskei. |
Schichten mit Epiaster brevis
(Cuvieri-Pläner.)
Der Gesteinsbeschaffenheit nach besteht diese mächtige
Schichtenfolge aus weissgrauem, magerem, dünngeschichtetem
Kalke von geringer Festigkeit. Nur selten treten wenig mäch-
tige, Lagen zerbröckelnder. Mergel auf. Dieser Pläner setzt
die der Stadt Paderborn zunächst liegende Erhebung fast auf
eine Meile weit zusammen und ist bis zu den Orten Borchen,
Dörenhagen und Bensen in vielen bedeutenden Steinbrüchen
aufgedeckt.
Eine blosse Liste der gefundenen fassiken Reste würde
ein gänzlich falsches Bild von dem Charakter der Fauna dieser
Schichten liefern. Denn unter den verschiedenen zu nennenden
69
Formen sind kaum mehr als zwei, welche uberall in grosser
Häufigkeit vorhanden sind, und nach denen man sich auch an
den kleinsten Aufschlussstellen nicht vergebens umsieht.
Das wichtigste Fossil ist ein Echinid aus der Abtheilung
der Spatangiden, welches schon GoLpruss von Paderborn als
Spatangus gibbus (p. 156, t. 48 f. 4) abbildete und beschrieb.
Von späteren Schriftstellern ist die Selbstständigkeit dieser Art
bezweifelt worden und dieselbe namentlich durch D’OrBIGNY mit
_ Micraster cor anguinum vereint worden. Diese Bestimmung ist
um so weniger richtig, als wir es mit einem Micraster in D’OR-
BIGNY’schem Siune nicht zu thun haben, sondern mit einer Art
der Gattung Epiaster, d. i. einem Micraster ohne Subanal-
fasciole. .
Vergleichen wir weiter LamArck, welcher die Art Spatan-
gus gibbus (Animaux sans vertebres p. 33 No. 18) aufstellte,
und die Abbildung Enceyel. method. pl. 156 f. 4, 5, 6 eitirt, so be-
finden wir uns in dem bei älteren Abbildungen von Spatangi-
den seltenen Falle, mit ganzer Sicherheit die Art wieder erken-
nen zu können. Nach diesem Vergleich gehört Micraster gibbus
Lam. dem jüngsten Senon an. Zwar selten, scheint die Art
doch weit verbreitet zu sein. Ich fand sie bei Krakau, Haldem,
Holtwick, Aachen und besitze sie ohne nähere Kenntniss des
Fundortes aus England, und endlich liegt sie (ohne Schale)
aus der Gegend von Nizza vor. Sie hat eine flache Basis,
einen tiefen Einschnitt der Vorderfurche, einen hervortretenden,
schön gebogenen Kiel und ist hoch pyramidal. Eine Subanal-
fasciole ist nicht vorhanden. Die Art von Paderborn ist ringsum
so gewolbt, dass die ganze Gestalt grosse Aehnlichkeit mit
Holaster subglobosus hat. Die Vorderfurche macht nur eine
schwache Einbuchtung; der Kiel am Rücken tritt kaum hervor,
und ebenso ist der Scheitel durchaus nicht ungewöhnlich er-
haben. Dagegen ist die hohe, pyramidale Gestalt sehr charak-
teristisch bei Spatangus gibbus in Eneycl. meth. t. 156 f. 6
‚wiedergegeben. GoLDruss entging dieser Unterschied nicht,
und er lässt deshalb in seiner Diagnose den LauArcr’schen
‚Zusatz ‚‚wvertice elato“ fort.
Die Paderborner Form steht in den grössten Exemplaren
nahe dem Micraster Matheroni Des. (nD’Or». p. 203 t. 864 und
865). D’OrsienyY giebt die Art auch als charakteristisch für
sein etage turonien an. An die Zugehörigkeit zu dieser Art ist aber
70
nicht zn denken, da »’Orzıcny das Vorhandensein einer brei-
ten, querovalen Subanalfasciole betont, welche entschieden an
unseren Echiniden nicht vorhanden ist.
Im Catalogue raisonn& des Echinides (Annales des sciences
naturelles, zool., tom. VIII. 1847, p. 24) begründet Dssor die
Art Micraster brevis auf Micraster latus Sısm. (M&m. Echin. foss.
Nizza p. 29, t.1 f. 13, in Memorie de la Reale Academia delle
Science di Torino 1844) und Spatangus gibbus GoLDF. (non
Lan.) p. 156, t. 48 f. 4. Sısmonpa giebt zwar nur die obere
Ansicht, wodurch die Wiedererkennung sehr erschwert wird, der
Umstand aber, dass der Zwischenraum zwischen den Poren-
gängen eines Ambulacrum doppelt so breit und noch breiter
ist, als ein Porengang selbst, macht es unzweifelhaft, dass
Spatangus gibbus GOLDF. nicht vorliegt, -wenn auch sonst der
Umriss stimmt. Die Bezeichnung Micraster brevis kann deshalb
nur auf die Art von GoLDFUSS angewendet werden.
Sehr richtig erkennt Dssor 1. c. p. 24 den richtigen Mi-
crasier gibbus Lam., wofür er nur Encyel. meth. t. 156 f.4—6
eitirt, wohin noch als zweite Darstellung gehört Dixon, Geol.
of Sussex t. 24 f.5, 6 und vielleicht Spatangus rostraius MAnT.,
Foss. of the South Downs p. 192, t. 17 f. 10 u. 17. In der
Synopsis des Echinides p. 365 ändert ‚Desor die Ansicht und
vereinigt den Spatangus gibbus GoLpF. mit Spatangus gibbus
Lam. Wir können hier. Desor nicht beipflichten und behalten
die Bezeichnung
Epiaster brevis Desor sp., Cat. rais. (non Micraster
brevis Dssor, Synop. p. 864; Syn. Spatangus gibbus GOoLDF.,
non Lam.) bei. COTTEAU und Trier stellen neuerlich Micraster
gibbus GoLDF. und Micraster brevis Des. zu Micraster cor testu-
dinarium GoLDF., Ag. (Echinides du departement, de la Sarthe
p- 320.)
Von Micraster Leskei Dssm. wurden ein paar Exem-
plare beobachtet. Als grosse Seltenheit wurde auch Infulaster
excentricus gefunden.
Häufiger als auf die beiden ee Echiniden stösst
man auf Ananchytes ovatus Lam. = Echinocorys vulgaris
BREYN, D’ORB., wie gegenwärtig die Species aufgefasst wird.
Alle Exemplare sind etwas kugelig, kurz und hoch, zwischen
Basis und Seiten gerundet. Die am meisten zutreffende Ab-
bildung bei n’Orsıcny, Pal. frang., terr. eret. 1.805 f.3. Die
x
71
verlängerten Formen, welche zugleich weniger hoch, deren
Seiten weniger gewölbt sind, und deren durchschnittliche Grösse
zugleich viel erheblicher ist, kenne ich nur aus der Belemni-
tellen-Kreide (p’ORrB. t. 804). 2
Von anderen Echiniden fanden sich nur Bruchstücke von
Cidariden, und zwar einzelne Täfelchen und grosse gekörnte
oder gedornte Stacheln von
Cidaris sceptifera Manr., Desor, Synop. p. 13, t. 5
f. 28; Corteau Pal. france. t. 1056.
Von Bivalven beherrschen Inoceramen ausschliesslich das
ganze Gebiet und bestimmen wesentlich den Gasammtcharakter
der Fauna. Die deutlichste und häufigste Form ist /noceramus
Cuvieri Goupr. t. 111 f. 1. Die Darstellung bei SowErBy
t. 441, auf weiche GoLpruss sich beruft, ist nicht mit Sicher-
heit zu erkennen.
Auch Inoceramus latus Sow. t. 582 f. 1, 2ist nicht selten.
Die sonst noch eitirten Abbildungen sind weniger zutreffend.
Hierneben findet sich die leicht in die Augen fallende Form
des /noceramus Brongniarti, und zwar die flächere von GOLDFUSS
Inoceramus annulatus (p. 114, t. 110 f. 7) benannte Va-
rietät. Dies Vorkommen fällt weniger auf, sobald man sich
erinnert, dass dieselbe Art ebenfalls der nächst älteren Schich-
tenfolge als Seltenheit angehört. Namentlich wurde sie im
Grünsande bei Unna beobachtet.
Von Ostrea, Exogyra, Spondylus und Lima haben sich
nur undeutliche Reste gezeigt. Dasselbe gilt von Patella und
Pleurotomaria.
Von Cephalopoden sind Belemniten im ganzen Gebiete
der Turon-Bildungen nicht gekannt und haben sich auch in
den in Rede stehenden Schichten noch nicht gezeigt. *)
Von Nautilus findet sich eine glatte Art, aber stets in
verdrückten Exemplaren, welche nicht näher bestimmbar sind.
Ammonites peramplus Mast. fand sich in mehreren
Exemplaren, doch nur das, was als Jugendform gilt und von
D’OrBIenY Amm. Prosperianus genannt wurde. Unsere Stücke stim-
*) Dagegen finden sie sich im älteren Cenoman. So ist Belemnites
vera in gewissem Niveau des Grünsandes mit Ammonites varians die häu-
figste Erscheinung an allen Aufschlusspunkten bei Essen, Bochum, Lan-
gendreer u. s. w. Belemnites ultimus, der Tourtia von Essen angehörig,
zeigt sich weniger häufig.
72
men gut mit den Abbildungen von p’Orsıcny (t. 100 f. 3, 4),
SHARPE (t. 10 f. 2, 3), Geimutz (Quad. t. 5. f. 1) und Dixon
(Geol. of Suss. t. 27 f. 22).
Ammonites Mayorianus D’ORB t. 79 (= Amm. planu-
latus Sow. t. 570 f. 5, SuarpE, Deser. of the foss. Remains
of Moll. found in the Chalk of England t. 12 f. 4), in mehreren
2, bis 6 Zoll grossen Exemplaren bei Paderborn und Rothen-
felde gefunden, ist in diesen jungen Schichten eine sehr auf-
fallende Erscheinung, da die Art sonst nur in oberem Gault
und im Oenoman bekannt ist. Alle Stücke zeigen zahlreiche
nach vorn gebogene Rippen auf dem runden Rücken, welche
bis zu - der Seiten hinabreichen und sich dann verlieren.
3
Ueberhaupt stimmt die ganze Form und alle Einzelheiten, so-
weit verschiedene Erhaltung einen Vergleich zulässt, mit Exem-
plaren aus cenomanen Schichten Westphalens und dem Gault
des südlichen Frankreichs bis auf den Umstand, dass bei
unseren jüngeren Vorkommnissen die Einschnürungen der Schale
keine Sförmige Biegung auf den Seiten darstellen, wie alle
Stücke aus- älterem Niveau zeigen, sondern gleich von der
Sutur an eine schwache Neigung nach vorn haben und mit.
Beginn der Rippen sich stärker der Mündung zuneigen. Be-
stätigt es sich, dass _die Art durch Mytiloides-, Brongniarti- und
Scaphiten-Schichten nicht hindurchgeht, so dürfte in jener Ver-
schiedenheit ein specifisches Merkmal gefunden werden.
Die Angabe, dass die Rippen nur auf der Oberfläche der
Schale sichtbar seien, kann ich nicht bestätigen. Die mir zahl-
reich vorliegenden Stücke, die auch von Escragnolles nicht
ausgenommen, sind alle nur Kerne ohne Schale und zeigen
dennoch vollkommen deutlich die Rippen. Was übrigens die
Artbezeichnung angeht, so durfte der SowergyY’sche Name in
der That Anspruch haben, wieder aufgenommen zu werden,
(Vergl. auch F. v. Hauvzr, Sitzungsberichte der kais. Akad. d.
Wissensch. Bd. 44 p. 654.)
Ammonites subtricarinatus v’Ore., Prodr. II p. 212
— Amm. tricarinatus D’ORB., Pal. franc., terr. cret. I. p. 307,
pl. 91, f. 1, 2.) Die Zahl der Umgänge, die geringe Involu-
bilität und Windungszunahme, die Zahl der an der Sutur in
einem Knoten beginnenden und in 1 oder 2 Knoten gegen
den Rücken zu endenden Rippen hat unser Vorkommen mit
dem französischen gemein. Doch ist die charakteristische
73
Ruckenbildung kaum mehr wahrzunehmen, da das einzige
bisher aufgefundene Exemplar völlig zusammengedrückt ist.
Trotzdem erleidet die Richtigkeit der Bestimmung keinen
Zweifel.
Die Art hat eine weite Verbreitung. Durch Drescher
neuerdings auch in Schlesien bei Kesselsdorf unweit Löwen-
berg und bei Ullersdorf bei Naumburg am Queis nachgewiesen
(Zeitsch. d. d. geol. Ges. Bd. XV, S. 331), der Vergesellschaf-
tung nach (Scaphites inflatus, Panopaea gurgitis, Pholadomya no-
: dulifera, GFoniomya designata, Trigonia aliformis, Pinna diluviana)
dem nächst jüngeren Niveau angehörig, welchem in Westphalen
die untersenonen, sandigen Ablagerungen von Haltern, Dülmen
etc. entsprechen.
Ausserdem wird die Art soeben aus weiter Ferne, aus
Californien, gemeldet (J. D. WnımneY, geological Survey of
California 1865, Jahrb. f. Mineral. etc. 1865, p. 731). SToLICzRA
in Calcutta hat sie ebenfalls aus Ostindien beschrieben (Memoirs
of the Geol. Surv. of India, III, 1, p. 54, t. 31 £. 3).
Endlich liegt noch ein Ammonit vor, der 'zu jenen kleinen,
glatten, unbestimmten Formen gehört, deren FORBES mehrere
von Pondicherry als Amm. Garucla, Soma, Chrishna beschreibt
(Geol. transact., 2 Ser. vol. 7, p. 102, 103, t. 7 und 9); zu
näherer Bestimmung und Charakterisirung ist das vorhandene
Material nicht geeignet.
Ausser diesen eigentlichen Ammoniten sind ‘auch noch
mehrere andere vorhanden, deren Windungen sich nicht be-
rühren, deren Deutung aber — sie sind nur in Bruchstücken
überliefert — noch manche Zweifel übrig lasst. Hamites
ellipticus MAnT. aus Scaphiten - Schichten wohl bekannt, liegt
nicht vor. Vermuthungsweise gehört der grösste Theil der
Stücke zu Hamites plicatilis Sow. t. 234 f. 1, Manr. t. 23
f.1,2. Doch scheinen constant mehr feinere Rippen (etwa 5)
zwischen zwei etwas stärkeren, mit Knoten versehenen Rippen
vorhanden zu sein, als die englischen Autoren angeben. Das
Verhältniss, in welchem diese Formen zu ähnlichen aus ceno-
manem Plärer stehen, wird noch näher zu untersuchen sein.
Von |
Scaphites Geinitzi D’ORrB., Prodr. tom. II. p. 214,
von dem noch immer eine gute Darstellung fehlt, wurden ein
Dutzend Exemplare gefunden. Er erreicht eine Grösse von
74
2,5 Zoll rh. Gewöhnlich ist er in Folge des Druckes flach,
-doch liegen auch ganz normale Exemplare vor, und diese
zeigen dann, dass die äussere Knotenreihe der dicken Seiten-
rippen nicht nur dem gestreckten Mittelstücke angehört, sondern
nach innen und aussen zu weiter fortsetzt. Durch die innere
Knotenreihe ist die Art in auffallender Weise von dem jüngeren
Scaphites inflatus verschieden, mit dem die Form im Uebrigen
verwandt ist. Doch ist letztere auch durch die Grösse yo
5 Zoll) ausgezeichnet.
Von höheren Thieren fanden sich nur ein Paar Zähne
von Corax heterodon Acass.
Das von niederen Organismen eine Menge schlecht er-
haltener Bruchstücke von Spongien sich zeigen, ist bekannt.
Häufig ist
Tremospongia grandis Rozu., Spongit. p. 40, t.15 £. 3.
Coscinopora cribrosa Roen., Nord. Kr. p. 9, t.IV, f. 2.
Maeandrospongia More Roenm., Spongit. t. XVII
Ms8relc
Schiehten mit Belemnitella quadrata.
Am Fusse des Gebirges bemerkt man «einzelne flache
Erhebungen, welche offenbar einst zusammengehangen haben.
Sie erstrecken sich zunächst zwischen Paderborn und Salz-
kotten und werden nordwärts ungefähr durch die Orte Schar-
mede und Neuhaus begrenzt. Zwischen Wewer und Neuhaus
hat die Alme ein breites, flaches Thal in diesem Hugel aus-
gewaschen. Die Ostseite des Hugels wird von der Pader be-
spült. Die Fortsetzung dieser Erhebung tritt nach einer Unter-
brechung. durch Haide- und Wiesen - Terrain dicht am Bade-
orte Lippspringe wieder hervor. Von hier ab verliert sie sich
unter den Sandmassen der Senner-Haide, ist aber auch weiter
in nördlicher Richtung ab und zu aufgedeckt, so bei Schlangen
und’beim Gute Gierkenhof.
Die gedachten Hügel bestehen ihrer petrographischen Zu-
sammensetzung nach aus einem grauen, thonig kalkigen Mergel,
der als solcher auf den Acker gebracht wird. Zuweilen werden
dieSchichten sandig, und an einzelnen Stellen finden sich feste,
fucoidenreiche Platten. Diese Platten wurden namentlich- S.
W. von Elsen gewonnen und fanden bei der Verkoppelung der
Grundstücke eine weite Verwendung als Grenzsteine.
75
Die sudliche Grenze dieser Mergel kann bis auf wenige
Schritte genau angegeben werden, indem der Bahnhof bei
Paderborn schon auf oberstem Pläner steht, dem Bahnhofe aber
quer gegenüber an der Nordseite der Chaussee, welche nach
Salzkotten führt, ein Brunnen abgeteuft wurde, der unter einer
Lehmdecke unseren Mergel zeigte. Der Mergel wurde in einer
Mächtigkeit von zehn Fuss aufgeschlossen, das Liegende
desselben aber nicht erreicht. Weitere Aufschlusspunkte sind
die Langesche Ziegelei am Wege nach Elsen, wo die Sohle
der Lehmgruben aus Mergel gebildet wird; ferner das östliche
Ufer der Alme; mehrere flache Gruben und Gehänge südlich
vom Hofe Kleemeier und besonders deutlich der Einschnitt,
durch den die Curve der Eisenbahn nach Salzkotten gelegt ist.
Wie petrographisch, so ist auch stratigraphisch das Ver-
halten des Mergels von dem des Pläners verschieden. Im
Pläner bemerkt man an jedem Aufschlusspunkte einen Fall-
winkel von mehreren Graden, der Mergel dagegen lagert, wo
überhaupt eine Schichtung sichtbar ist, söhlig. Durch diese
Umstände wird anf eine Grenze im Schichtensysteme hinge-
wiesen. Die organischen Reste ergeben ein gleiches Resultat.
Versteinerungen sind allerdings selten, aber nach einigem
Suchen fanden sich Bruchstücke von Ostrea und Pollicipes und
endlich auch mehrere Exemplare von Belemnitella quadrata
BLAINVILLE, M&m. sur les Belemnites t. I f. 9, und zwar nicht
nur in den lockeren Mergeln, sondern auch in den festen
fueoidenreichen Platten. Damit ist die Zugehörigkeit zum
Senon, und zwar zum unteren Senon, dargethan, nachdem sich
ergeben hat, dass die Trennung des Senon in Mucronaten- und
Quadraten - Schichten nicht eine lokale Eigenthümlichkeit der
nördlich vom Harze gelegenen Gegenden ist, sondern sich in
gleicher Weise von Maastricht bis Krakau darstellt.
Die Schichten des oberen Senon sind erst in grösserer
Entfernung abgesetzt.
In dem behandelten Distriete waren bisher gekannt: Muschel-
kalk, Keuper, Lias mit Gryphaea arcuata, Hilssandstein, rother
Gaultsandstein mit Ammonites auritus und Pläner. Nur der
76
Berg- und Hütten-Ingenieur A. VULLERS kennt schon eine ge-
nauere Gliederung des Gebirges. 1859 bezeichnete er in
Nr. 64 der Zeitschrift „der Berggeist* im Pläner vier Ab-
theilungen und trennte den Gault ebenfalls mit vier Gliedern
vom Hilssandsteine. Leider konnte aber auf diese. Unter-
scheidung weiter keine Rücksicht genommen werden, da VULLERS
in seinem Aufsatze, welcher. wesentlich technischer Natur ist,
nur bei Zeichnung eines Durchschnittes diese specielleren Ab-
theilungen angiebt, ohne sie näher zu erörtern.
77
6. Geognostische Skizzen aus Virginia, Nordamerika.
Von Herrn Hermann UreponeB aus Hannover.
Eine die beiden letzten Monate des verflossenen Jahres
in Anspruch nehmende Explorationstour in die Mineraldistrikte
des östlichen Virginiens und eines Theiles von Nord-Carolina
bot mir Gelegenheit, die geognostischen Verhältnisse jener Ge-
senden mit besonderem Bezug auf ihren mineralischen Reich-
thum kennen‘ zu lernen. In einer der diesjährigen Nummern
der berg- und huttenmännischen Zeitung habe ich eine kurze
Schilderung der Goldvorkommen Virginias gegeben, heute soll
es versucht werden, einen allgemeinen Ueberblick uber
die Geologie desjenigen Theiles dieses Staates zu geben, wel-
cher sich von den Gestaden des atlantischen Oceans bis nach
den Allegany’s ausdehnt. |
Im Osten des Kettengebirges der Allegany’s ziehen sich
zwei Granitzonen in vollständiger Parallelität unter sich selbst
und mit dem ersterwähnten Gebirge, also in nordöstlicher Rich-
tung durch Nord-Oarolina und Virginia. Die eine von ihnen,
die westliche, bildet im Verein mit der durch die Graniteruption
bedingten Hebung der durchbrochenen silurischen Schichten
den Gebirgskamm der Blue-ridge, während die andere, die öst-
liche, mehr den Charakter eines bergigen, zum Theil schroffen
Plateaus hat; beiden jedoch ist der Umstand gemein, dass sie
als geologische Barrieren, als Scheidewände eruptiven Ur-
sprungs zwischen den sedimentären Gebilden Virginias daste-
hen. Während nämlich die westlichen Abhänge der Blue-ridge
durch eine langgezogene Zone von silurischen Formationen ge-
bildet werden und sich an die östliche Grenze der zweiten
Granitkette tertiäre - Schichten anlegen, gehören die zwischen
der letzteren und der Blue-ridge lagernden Schiefer dem vor-
silurischen, dem takonischen Systeme an.
Der Umstand, ‘dass, wie bereits angedeutet, die Formatio-
nen, welche den geognostischen Untergrund Virginias bilden,
Tertiär.
Taeonisches System,
Silur.
Richmond. 8.0.
Goschland.C. H, Glover Hill Coal Mine,
South Western Mountains.
"Blue-Ridge.
Gneiss mit Granit.
Diorit. C
DE
A = Granit.
18
in Gestalt langgezogener, paralle-
ler Zonen zu Tage treten, macht
es möglich, durch ein einziges,
rechtwinklig ‘auf deren Längener-
streckung stehendes Gebirgsprofil
ein Bild des geognostischen Baues
der sammtlichen östlichen und mitt-
leren Countys von Virginien zu
geben. R
Der flache, 30 bis 60 Miles
breite, zu Virginia gehörige Land-
strich, welcher in nur geringer
Erhebung über den Spiegel des
atlantischen Oceans dessen west-
liches Gestade bildet, besteht aus
eocäanen und miocäanen Mergeln,
Sanden und Thonen, welche die
vorhererwähnte Granitzone, wie
verschiedene Aufschlusspunkte in
der Umgebung Richmonds beobach-
‚ten lassen, unmittelbar überlagern
und entsprechend der oberen sich
langsam senkenden Grenze des sie
unterteufenden Granites nur unter
wenigen Graden gegen Osten ein-
fallen. Auf dem eruptiven Unter-
grunde ruht zuunterst ein brauner
oder röthlichgrauer Sandstein und
auf diesem eine nur, wenige Fuss
mächtige Schicht eines groben Con-
glomerates, welches aus abgerun-
deten, aus den westlichen Theilen
Virgifias stammenden dGeröllen
und einem eisenhaltigen, äusserst
harten Cemente besteht. Dieses
Conglomerat wird von einem grün-
lichgrauen, plastischen Thon über-
lagert, welcher Haifischzähne und.
Schalen einer Astarte umschliesst,_
während die beiden ersterwähnten
=
- 79
Gebilde versteinerungsleer zu sein scheinen. An anderen fos-
silienreichen Punkten und zu früheren Zeiten angestellte Unter-
suchungen haben das eocäne Alter dieser Schichtenreihe fest-
gestellt. Auf sie folgt ein 15 Fuss mächtiges Bett von schnee-
weisser, kieseliger Infusorienerde, welche direkt vom Alluvium
bedeckt ist, und aus welcher EHRENBERG uber 100 Diatomeen-
Species beschrieben hat.
Die gegen Westen hin auschliessende, nächste Parallelzone,
welche, wie bereits angeführt, aus granitischen Gebilden be-
steht, schwankt in ihrer Breite zwischen 20 und 30 Miles und
ist — freilich meist von 5 bis 10 Fuss hohen Alluvial-Ge-
röllen bedeckt — von Raleigh in Nord-Carolina über Peters-
burg und Richmond bis nach Washington zu verfolgen. Der
Granit selbst variirt in seinem Charakter in allen möglichen
Spielarten; seine Gemengtheile können ein fein- oder grobkör-
körniges Gestein bilden, Feldspath, Quarz und Glimmer
können in gleichen Verhältnissen auftreten, Glimmer kann
beinahe völlig verschwinden oder die beiden anderen Minera-
lien fast vollständig verdrängen, porphyrische oder gneissartige
Struktur und platten- oder schalenförmige Absonderung können
in kurzen Distanzen miteinander abwechseln. Lagerartige Ein-
schlüsse von erdigem. Graphit sind nicht selten, ohne techni-
schen Werth zu besitzen. Nach seiner westlichen Grenze zu
geht der Granit constant in typischen, glimmerreichen Gneiss
über, welcher fussmächtige Zwischenlagen von reinem, weissem
Feldspath enthält, die das Material für die werthvollen Kaolin-
Ablagerungen einiger nördlichen Countys abgegeben zu haben
scheinen.
Auf dem Rücken dieser Granit- und Gneisszone treten uns
in einigen sporadischen Kohlenbassins Gebilde entgegen, welche
vorweltlichen Binnenseen ihren Ursprung verdanken. Die Stein-
kohlenflötze umschliessende Formation, deren typisches und
bestaufgeschlossenes Beispiel das Clover Hill Coal Bassin ist,
besteht aus einer mächtigen Folge von grauen, grobkörnigen
Sandsteinen, deren Material augenscheinlich von dem benach-
barten Granite herstammt. Sie umschliessen schwächere Zwi-
' schenlagen von bituminösen, dunklen Schiefern und erreichen
mit diesen eine Mächtigkeit von 400 Fuss. Im unteren Niveau
dieser Schichtenreihe liegen einige schwache Kohlenschmitze
eingebettet, bis auf der Grenze von den sedimentären Schich-
80
ten und deren Unterlage von eruptivem Ursprunge ein mäch-
tigeres Kohlenflötz auftritt, welches nur stellenweise vom Gra-
nit durch ein wenige Zoll mächtiges Lager von Schiefern ge-
trennt wird, meist aber auf jenem direkt aufliegt. Die Mäch-
tigkeit dieses Bettes von bituminöser Kohle schwankt zwischen
2 und 40 Fuss, indem sich seine untere Grenze an die Con-
turen des Granites anschmiegt und so die Unebenheiten des
damaligen Seebodens ausgleicht, während seine obere Begren-
zungsfläche ziemlich eben ist und nur im grossen Ganzen der
Gestaltung des granitischen Untergrundes folgt.
Ueber das Alter dieser Gebilde sind verschiedene Ansich-
ten aufgestellt worden, ohne dass ein allgemein angenommenes
Resultat erzielt worden wäre. Ihnen ist bereits eine Zuge-
hörigkeit zum permischen Systeme, zum bunten Sandsteine,
zum Keuper und zum Lias octroyirt worden, ohne dass den
übrigens schlecht erhaltenen Versteinerungen ein deutlich aus-
gesprochener permischer, triassischer oder jurassischer Cha-
rakter aufgeprägt wäre. Nach meiner Ansicht ist es unthun-
lich zwischen soichen sporadisch auftretenden und auf einem
ganzen Continente isolirt dastehenden, noch dazu versteinerungs-
armen Gebilden und anderen fast durch ein Viertel des Erd-
umkreises davon getrennten Formationen Parallelen ziehen und
erstere in einen scharf begrenzten Horizont der letzteren ein-
zwängen zu wollen. !
An der nördlichen Grenze Nord-Carolinas dehnt sich ein
ungeheurer Morast, der Great dismal Swamp aus. Sein Boden
wird bis zu einer Mächtigkeit von 25 Fuss von einer schwar-
zen, moderigen, vegetabilischen Substanz gebildet, auf welcher
sich, wo sie nicht von zu hohem Wasser bedeckt wird, mäch-
tige Farrn und Schilfgewächse bis zu 10 und 15 Fuss Höhe
und zwischen ihnen verschiedene Eichen- und Weidenarten er-
heben.‘ Bäche und Flüsschen breiten ihr Wasser in diesem
Sumpfe aus; die warme Sonne des Landes und die feuchte
Atmosphäre über den verdunstenden Wassern begünstigen eine
üppige Vegetation, welche von neuem Nachwuchse erstickt
wird oder sonst abstirbt, zu Boden sinkt und dort die bereits
abgelagerte Schicht von vegetabilischen Verwitterungsprodukten
schnell anwachsen macht. Ich erblicke in diesem Vorgange
ein deutliches Bild der Ablagerung der Schichten, ‚welche jetzt
durch die isolirten kleinen Kohlenbecken von Virginia und
8
Nord-Carolina. repräsentirt werden, zugleich aber einen Finger-
zeig über die Unthunlichkeit des Parallelisirens jener mit euro-
päischen Formationen. Wie konnte sich auch in dem Pflanzen-
und Thierleben eines isolirten Süsswasserbeckens eine Aehn-
lichkeit zeigen mit dem der ausgedehnten Meeresbildungen in
entfernten Himmelsstrichen? Ist eine unabhängige Stellung
derselben nicht viel natürlicher? Ich betrachte ihre Bildung
als eine durch verschiedene, mesozoische Perioden fortgedauert
habende und als unabhängig von der Veränderung des organi-
schen Lebens in den Oceanen geschehen.
Nach Westen zu wird der beschriebene Granit von einer
mächtigen Schichtenfolge von paläozoischen Schiefern überla-
gert, welche eine im Durchschnitte 50 Miles breite Zone bil-
den, die wiederum in dem Granite des schroff emporsteigenden
Gebirgszuges der Blue-ridge ihre Begrenzung findet. In diesem
ausgedehnten Schiefergebiete walten ein sehr glimmerreicher
Glimmerschiefer, welcher Granaten in Menge umschliesst, helle
Talk- und grünlichgraue oder dunkelgrüne Chloritschiefer vor,
während Thonschiefer, und zwar dann ausgezeichnete Dach-
schiefer, körnige Quarzite mit Syenit- und Hornblende-Ein-
schlüssen, sowie glimmerige Sandsteine in geringerem Maass-
stabe vertreten sind. In der Mitte ihrer Längserstreckung ist
diese Schieferzone von einem weit zu verfolgenden, der Granit-
kette parallelen Dioritzuge, der Buffalo-ridge und den South-
Western-Mountains, durchbrochen, durch deren Eruption die
Schichten emporgerichtet, und: auf deren Rücken einzelne Schie-
‚ferschollen mit in die Höhe gerissen worden sind. So fallen
denn die oben genannten Schiefer auf der östlichen Seite des
betreffenden Gebirgskammes gegen Südosten, auf dessen west-
licher Seite gegen Nordwesten, also in beiden Fällen gegen
den Granit und Gneiss, und zwar unter einem Winkel ein, der
mit der Entfernung von den dioritischen Gesteinen immer
' kleiner wird, während ihre Streichungsrichtung auf beiden
Flügeln dieselbe bleibt und ebenso wie die der Granitzone
eine nordöstliche ist. Der Hauptdioritstamm scheint sich in
der Tiefe verzweigt zu haben und sind die Enden dieser In-
jectionen durch einzelne auf dem Schiefergebiete zerstreute
Dioritkuppen repräsentirt, welche häufig von einem Gürtel von
' Aktinolith- Schiefer umgeben sind. Bei der Regelmässigkeit
der stratigraphischen Verhältnisse und der Gleichförmigkeit,
Zeits. d.d. geol. Ges. XVII. 1: 6
82
mit welcher diese Schiefer auftreten, würden sie. weniger In-
teresse bieten, wenn ihnen nicht als Muttergestein einer grossen
Reihe der verschiedenartigsten Erzeinlagerungen ein grosser
technischer Werth zu Theil geworden wäre.
Die Erzlagerstätten treten in den von mir besuchten Thei-
len Virginias in dreifacher Gestalt, entweder als Imprägnatio-
nen, oder in Form von erzführenden Quarzeinlagerungen, ‚oder
als massive Lager, in keinem Falle aber als wahre Gänge auf.
Der Charakter. der Erzimprägnationen'lässt sich, wie folgt,
beschreiben: In den Kalk- und Chloritschiefern einzelner Ge-
genden Virginias, z. B. in Buckingham Co,, kommen mächtige
Zwischenlagen von dünnplattigen, ebenflächigen, körnigen
Quarzitschiefern vor, in welchen sich in durch weite Entfer-
nungen zu verfolgenden Zonen goldhaltige Schwefelkiese einge-
sprengt zeigen, welche sich nach der Mitte dieser Zonen hin
mehren und hier fast reine, nur geringe Beimischungen von
Quarzsand und Glimmerblättehen enthaltende Lagen von kör-
nigem Schwefelkies bilden, welche z. B. von der London-and-
Buckingham-Mine seit langer Zeit und mit Erfolg abgebaut
und auf Gold verarbeitet worden sind. In einer Tiefe von
durchschnittlich 80 Fuss wird der Schwefelkies nach und nach
von abbauwurdigem Kupferkies verdrängt, während er nach
dem Ausgehenden zu bis zu 25 bis 30 Fuss Teufe in Braun-
eisenstein umgewandelt ist, welcher ebenso wie das Erz, dem
er seinen Ursprung verdankt, kleine Goldpartikelchen enthält.
Die erzführenden Quarzeinlagerungen haben ent-
weder die Gestalt Nachgedrückter, linsenförmiger Concretionen,
an deren Form sich die benachbarten Talk-, Chlorit- und
Glimmerschiefer anschmiegen, und welche dann zonenweise
vor- und nebeneinander liegen, oder sie treten als gleichmässig
anhaltende Lagen von weissem, dichtem oder körnigem Quarze
auf, welche sich nur stellenweise zu 10 bis 15 Fuss Mächtig-
keit aufblähen und sich dann wieder zu ihrer normalen Dicke
w
von 1 und 2 Fuss zusammenziehen. Besondere Wichtigkeit
haben diese Quarzitgebilde durch ihre Goldführung. Das Gold
- ist entweder in Draht-, Blatt- oder Kornform direkt im Quarze
oder in Schwefelkiesen eingesprengt in jenen Quarzeinlagerun-
gen enthalten. ‚Zu diesem goldhaltigen Eisenkies können sich
noch Kupferkies und Zinkblende, sowie silberhaltiger Blei-
glanz — in welchem dann zuweilen freies Gold in Blatt- und
83 .
Drahtform ausgeschieden auftritt — und in seltenen Fällen,
so in den Lagerstätten, welche von der Tellurium-Mine abge-
baut werden, dünne Anflüge von Tellur und Körner von Pla-
tina (?) gesellen. Nach dem Ausgehenden dieser Erzlager-
-stätten zu sind Schwefelkies, Bleiglanz und Kupferkies zu
Brauneisenstein, Pyromorphit, Weissbleierz und Malachit zer-
setzt und umgewandelt, in Folge dessen in ersterem das freie
Gold in Form feiner Einsprenglinge, Blättchen oder Drähte
mit baumförmigen Verzweigungen mit blossem Auge sichtbar
und leichter als aus den Schwefelungen des Eisens zu gewiu-
nen ist. Auch die den goldführenden Erzeinlagerungen be-
nachbarten Talk- und Chloritschiefer sind haufig von Gold-
theilchen imprägnirt und dann abbauwürdig, ebenso wie die
Flussabsätze und Anschwemmungen, deren Material von dem
Ausgehenden der Schiefer und deren Einschlüssen abstammt,
stellenweise sehr reich an Alluvialgold sind.
Diesen erzfuhrenden Quarzen ganz entsprechend, also in
Form von zwischen den Schiefern gebetteten Lagern und mit
diesen parallel streichend und fallend, treten die massiven
Erzeinlagerungen Virginias auf. Sie erreichen in einzel-
nen Vorkommen eine sich. dann ziemlich gleichbleibende Mäch-
tigkeit yon 5 bis 15, ja 20 Fuss und bestehen aus einem homo-
genen Materiale, haben also nicht den Charakter einer sich
nach der Mitte zu concentrirenden Imprägnation, sind vielmehr
im Hangenden und Liegenden durch ebene, den Schiefern pa-
rallele Schiehtungsflächen begrenzt. Am häufigsten sind Schwefel-
und Kupferkieslager. In diesen ist das erst erwähnte Erz bis
zu einer Tiefe von circa 30 Fuss in dichten Brauneisenstein
umgewandelt, welches ein ausgezeichnetes Material für Eisen-
darstellung abgiebt und z. B. nahe Vietoria-Furnace, Louisa
Co. auf meilenlangen Tagebauen gewonnen wird. In genannter
Tiefe schneidet Schwefelkies plötzlich und ohne allmäligen
Uebergang das oxydische Eisenerz ab und bleibt sich bis zu
einer Tiefe von 60 und 80 Fuss in seinem Charakter völlig
gleich; dann treten erst einzelne und nach und nach häufigere
Kupferkieseinsprenglinge auf, welche bald den Schwefelkies
völlig verdrängen und höchst abbauwurdige Kupfererzlager-
stätten repräsentiren. Eine ausgezeichnete Ausbildung des
„eisernen Hutes“, welche bei jedem von mir in Virginia unter-
suchten, unter diese Rubrik gehörigen Lager deutlich ausge-
63
” 84
sprochen war. Unter den nämlichen Lagerungsverhältnissen
und mit denselben scharfen Grenzen gegen den benachbarten
Schiefer treten Magneteisensteine von seltener Reinheit, zuwei-
len und dann besonders nach den Grenzflächen hin mit etwas
Chromgehalt, sowie Manganerze auf.
Schon nach dieser kurzgegebenen Charakteristik der „Ur-
schieferformation* von Mittel-Virginia und ihrer mineralischen
Einschlüsse wird hervorgehen, dass ich nicht wenig erstaunt
war, in einem Bruche in der Nähe von New-Cauton, Bucking-
ham Co., in welchem dem unteren Horizonte dieser Schichten-
reihe angehörige Dachschiefer gebrochen werden, ein Fossil
zu finden, welches trotz seines schlechten Erhaltungszustandes
eine Koralle (eine Cyathophyllide) nicht verkennen liess. Bei
seiner Untersuchung der Middland Countys von Nord-Carolina
fand Enmmons in einzelnen Lagern der dort auftretenden Schie-
fer, welche als eine Fortsetzung” derer von Virginien zu betrach-
ten sind und also mit diesen zu einem und demselben Schich-
tencomplex gehören, zwei Petrefakten in ziemlicher Häufigkeit,
welche er Palaeotrochis major und P. minor nannte.*) Bei der
ausgeprägten Verschiedenheit des Charakters dieser Schiefer
und der nahen untersilurischen Gebilde suchte er durch oben
angeführten Fund die selbstständige Stellung seines wielfach
angezweifelten taconischen Systemes zu beweisen. Der Besuch
der Schieferzone von Nord-Carolina sowohl, wie der von Vir-
ginia hat mich zum Anhänger dieser seiner Ansicht gemacht.
Als der Urschieferformation angehörig, als azoische Gebilde
kann augenscheinlicher Weise die betreffende Schichtenreihe
der erwähnten Staaten nicht bezeichnet werden, gegen ihre
Zugehörigkeit zum unteren Silur spricht ausser dem gänzlich
verschiedenen mineralogischen Charakter beider die Versteine-
rungsarmuth der ersteren ünd der Reichthum an fossilen Resten
in dem letzt genannten und die vollständige Verschiedenheit der
bekannten beiden taconischen Petrefakten und der bis jetzt
— _ N}
*) Die von Emmons gesammelten und abgebildeten Original-Exemplare
befinden sich in meinem Besitze und denke ich dieselben, sobald mir spä-
ter Zeit und Gelegenheit zu kritischen Vergleichungen gegeben ist, einer
genauern Untersuchung und Beschreibuug zu unterwerfen, da mir die
ihnen von Emmons gegebene Stellung und Benennung zweifelhaft und
eine der beiden Species keine Koralle, sondern eine Echinoencrinus-artige
Cystidee zu sein scheint.
\
85 '
aus dem Potsdam-Sandstein beschriebenen organischen
Reste. |
Gegen Westen hin werden die taconischen Schiefer Vir-
ginias, wie bemerkt, von den Graniten der Blue-ridge abge-
schnitten und unterteuft, welche in ihrem Charakter denen der
beschriebenen östlichen Granitzone gleichen und an ihrem west-
lichen Abfalle von den Schichten des unteren Silurs, dem
Potsdam-Sandstein, dem Trenton-Kalke und den Hudson-River-
Schiefern überlagert werden. Die Spärlichkeit der Aufschlüsse
in versteinerungsreichen Schichten und der eintretende Winter
zwangen mich die beabsichtigte paläontologische Untersuchung
dieser Formationen für diesmal aufzugeben. Erwähnen will
ich nur noch, dass in den Trenton-Kalken und anderen noch-
weiter westlich auftretenden Kalksteinen, welche zur Subcar-
boniferous Series zu gehören scheinen und dann dem Bergkalke
gleich stehen würden, ausgedehnte schlucht-, brunnen- und
gewölbähnliche Höhlen aufgefunden worden sind, deren Boden
von einer oft 2 Fuss hohen, erhärteten Lage von Fledermaus-
Resten und Excerementen bedeckt ist, welche wiederum von
einer Schicht von Kali- und Kalksalpeter überzogen wird, wäh-
rend an den Wänden oft 2 Zoll lange Krystalle effloreseiren.
Diese Salpeterhöhlen sind während des letzten Krieges auf
Veranlassung der conföderirten Regierung aufgesucht und auf
Salpeter ausgebeutet worden und ergaben in manchem Monate
10000 Pfund dieses dem Suden der Blokade seiner Häfen
wegen äusserst werthvoll gewordenen Materiales zur Bereitung
von Pulver. ! |
‚In Wythe County kommt Galmei in flötzartigen, ausge-
dehnten Lagen im unteren Silur vor, welche bis jetzt noch
nicht verwerthet worden sind, weil sie bei ihrer Entdeckung
von einigen vom südlichen Gouvernement angestellten Berg-
ingenieuren (?) für „Mountain rock“ gehalten worden sind, die
aber jetzt, wo der unternehmende Norden die Mineralschätze
des Sudens zu heben beginnt, Gegenstand eines gewinnreichen
'Bergbaues werden dürften. |
>
I
7. Ueber die Entstehung der Seeerze.
Von Herrn F. M. Starrr ın Falun.
Hierzu Tafel 1.
Die Geologie der Gegenwart sucht durch Bezugnahme
auf einfache Thatsachen, die in der Natur fortwährend beo-
bachtet, und deren Ursachen und Wirkungsart durch angestellte
Versuche erläutert werden können, die Erscheinungen der
Bildung und Umbildung der Erdkruste zu erklären, welche
lange vor dem Auftreten des Menschengeschlechts Statt fanden,
und welche so grossartig sind, dass die ehemalige Geologie
zu ihrer Deutung Prozesse anzunehmen genöthigt war, für-
welche unsere Zeit keine Analogie darbietet.
In vielen Fällen ist jetzt die Zeit der einzige Factor,
welchen der experimentirende Geologe in seine Versuche nicht
einzuführen vermag. Da die ganze geschichtliche Zeit nur als
ein Element der Zeit des Daseins der Erde betrachtet werden
kann, so können wir gewöhnlich auch nur die Elemente der
Veränderungen , die noch beständig auf der Erdkruste Statt
‚finden, beobachten. Durch Zusammenlegung dieser kleinen
Veränderungen treten doch als Summen Wirkungen hervor, die
nur durch die küuhnsten Hypothesen erklärt werden‘ konnten,
so lange man die für dergleichen Erfolge nöthigen Zeitlängen
nicht berücksichtigte. Es giebt jedoch geologische Erschei-
nungen , deren Anfang und Ende der Mensch wahrnehmen
kann ; solche sind nicht nur die plötzlichen, lokalen, aber hef-
tigen Kraftäusserungen der Vulkane, sondern auch diejenigen,
die von dem auflösenden Vermögen des Wassertröpfchens, und
von dem Vermögen des niedrigsten und kleinsten organischen
Lebens, mineralische Stoffe auszufällen, abhängen.
Unter vielen hierher gehörenden Beispielen ist die Bildung
der Seeerze gewiss eines der bemerkenswertheren. Sie fahrt
ununterbrochen fort und so rasch, dass die erzführenden Seen
fortwährend Ernten geben, weshalb auch SvEDENBORG von dem
Seeerze mit Recht sagt: „— — — — estque thesaurus hie
87
perennis et inexhaustus“. Sie giebt unmittelbare Erklärungen
über das Entstehen vieler Eisenlagerstätten der vorgeschicht-
liehen Zeit und Fingerzeige selbst über die Bildungsart auch
der ältesten Eisenerzlagerstätten.
Da die Seeerze hinlänglich bekannt sein durften, so
werden wir bier nur diejenigen ihrer Eigenschaften betrachten,
die vielleicht zur Erklärung ihrer Bildung beitragen können,
ohne in eine umständliche Beschreibung einzugehen. Die
Wiesen- und Sumpferze stehen offenbar mit den Seeerzen in
einem so nahen Zusammenhang, dass man von den einen nicht
sprechen kann, ohne der anderen mit zu gedenken. Aeltere
schwedische Mineralogen, besonders WALLERIUS halten die See-
erze für weggespulte und auf dem Seeboden abgesetzte Wiesen-
erze. Hausmann ebenso, und BiıscHor hat dieselbe Ansicht,
nach welcher die Wiesenerze als die primären unter diesen
Bildungen abgehandelt werden sollten. Wir werden jedoch
finden, dass alle Bedingungen zur Bildung der Seeerze auf dem
Seeboden gegeben sind, und dass viele Wiesenerze nichts
Anderes sein können, als ehemalige Seeerze, welche durch die
Verwandlung der Seen in Sümpfe, Moore und Festland auf's
Trockene gekommen sind; doch soll nicht bestritten werden,
dass fliessende Wässer, welche Lager von Wiesenerz durch-
schneiden, Theile davon in die Seen führen können, auch
nicht, dass Wiesenerze und verwandte Bildungen, wie z. B.
Dänemarks, Hollands und des nördlichen Deutschlands, Oort,
Uurt, Oehr, Ortstein u. a. auf dem trockenen Land gebildet
worden sind und werden.
Geographische Verbreitung der See- und Sumpferze.
Alte Autoren legen dem Auftreten der Sumpferze in
schneereichen und sehr kalten nördlichen Gegenden ein grosses .
Gewicht bei und schliessen daraus, dass die „Hitze der Sonne
und die Kälte des Herbstes* zu ihrer Entstehung mitwirken.
‚Ohne zu vergessen, dass wiesenerzartige Bildungen auch in
Kordofan, auf dem Caplande und in Ost-Indien gefunden
sind, und ohne auf den augedeuteten, unmittelbaren Zu-
sammenhang zwischen Klima und Erzbildung grosses Ge-
wicht zu legen, kann nicht geläugnet werden, dass die meisten
bekannten See- und Sumpferze dem Norden angehören. Das-
selbe gilt auch von wirklichen Torfmooren, die auf den
88
” | :
Ebenen der nördlichen Halbkugel nördlich von dem 46. Breiten-
grade und unter den Wendekreisen nur auf hohen Gebirgen,
wo das Klima dem der nördlichen Gegenden gleicht, gefunden
werden. Ein Zusammenhang zwischen Torfbildungen auf der
einen Seite und Limonitbildungen anf der anderen dürfte aus
diesem Umstand allerdings nicht gefolgert werden, wenn er
nicht durch die Thatsache angedeutet würde, dass die meisten
derartigen Erzlagerstätten torfreichen Gegenden angehören.
Wir sehen kräftige Beweise dieser Behauptung in Skan-
dinavien, wo See-' oder Sumpferze zwar in keiner'einzigen
Provinz gänzlich zu fehlen scheinen, wo sie aber hinsichtlich
. der Quantität sehr verschieden vertheilt sind. Am häufigsten
kommen sie in Smaland, dem südlichen Oestergötland, dem
nordwestlichen Dalarne, Herjeadalen und Theilen von Jemt-
land und in ganz Norrland, seltener in Helsingland, Ge-
strikland, dem südöstlichen Dalarne und Wermland vor;
in einigen Provinzen z. B. Upland, Sodermanland, Wester-
götland u. a. fehlen sie beinah ganz und gar. Ueberfluss
an Kohlen und Mangel an Bergerz mag gewiss eine Haupt-
ursache sein, dass man in etlichen Provinzen (z. B. Smäland)
diesen Erzen mit grösserem Fleisse nachgeforscht hat und
darum ihre Verbreitung besser kennt, als in anderen, wo
Vorrath von Bergerz, Mangel an Kohlen oder an Bevöl-
kerung verursachen, dass auch bekannte See- und Wiesen-
erze unbenutzt liegen; aber dennoch kann niemand be-
haupten, dass Massen davon in allen Provinzen zu finden
wären, wenn sie nur gesucht würden. Beim Forschen nach
annehmlichen Gründen für ihre verschiedene Vertheilung im
Lande müssen wir nach anderen Erscheinungen suchen, die
eine ähnliche geographische Verbreitung zeigen. Die an solchen
Erzen reichsten Provinzen haben einen sandigen Boden, sind
wenig angebaut und reich an Wäldern und Torfmooren. "Die
letzteren machen, dass das Wasser der Bäche und Flusse von
gelösten Humussäuren oder humussauren Salzen eine bräun-
liche Farbe annimmt. Schon Lins& bemerkte , dass derartige
Wässer in Smäland eine Infusion von Thee schwarzfärben,
und vermuthete ihre Thätigkeit bei der Bildung des Seeerzes.
Dieselbe dunkle Farbe ist mehreren Flüsschen Deutschlands .
eigenthümlich, welche deshalb „schwarz“ heissen, und welche
gewöhnlich durch moorreiche,, 'sumpferzführende Gegenden
89
fliessen*) (z. B. Schwarze Elster). SPRENGEL, und nach ihm
viele andere Verfasser glauben, “dass ein Boden von Sand
und Grus eine Hauptbedingung fur die Bildung der Torfmoore
sei. Im Einzelnen könnte dagegen Vieles einzuwenden sein,
aber nicht im Grossen, wenn man z. B. die Verbreitung der
Torfmoore in Holland, durch Friesland, über Dänemark,
Mecklenburg, Pommern und Brandenburg betrachtet, wo Sand-
boden der herrschende ist. In Schweden findet man in
der That Torfmoore auf allen möglichen Gesteinen; sie
fehlen nicht auf dem Kalkstein Gotlands, auf Uplands und
Södermanlands Mergel- und Thonboden, aber die meisten
kommen doch in den Gegenden vor, wo der Sand, gerollter
Kies, Glacier-Schutt und Sandstein herrschen, und dasselbe
gilt auch von den See- und Wiesenerzen. Noch deutlicher
spricht für obige Vermuthung die Abwesenheit des Limo-
nits in Provinzen, wo Flötz- Kalk, kalkiger Thon und
Mergel vorherrschen. Die verschiedene Lösbarkeit der Be-
‚standtheile obengenannter Berg- und Erdarten in Wasser und
die Reaktion ihrer kalkigen Bestandtheile auf Eisenlösungen
durften wohl das häufige Auftreten der See- und Wiesenerze
zusammen mit Sand und Grus besser erklären, als die Unfrucht-
barkeit, die dünne Bevölkerung und der Reichthum an Torf-
mooren in den Limonit-reichen sandigen Gegenden. Auch
mussen wir hier nicht vergessen, dass das mikroskopische
organische Leben zu diesen Erzbildungen mitwirkt, und dass
nach ps Brusisson die Desmidien in Gegenden mit kalkigem
Boden seltener sind als in denen mit Granit-, Quarz- oder
Schiefer-Grund.
Da die See- und Wiesenerze Fällungen aus eisenhaltigen
Wässern sind, so muss in seeerzreichen Gegenden eine grössere
Menge solcher Wässer vorkommen als in solchen, wo sie fehlen.
Der braungefärbten, eisenhaltigen Ströme wurde schon er-
*) Im Canton Neuchätel sammelt sich in dem rings geschlossenen
Jurathal Vall6ee des Ponts das Wasser in den Torfmooren dieses
Thales, fliesst durch die sog. ‚„Emposieux‘‘ ab und tritt 274 M. tiefer im
Thale der Reuse als eine so starke Quelle zu Tage, dass davon (un-
mittelbar am Ausflusse) 5 Räder getrieben werden. Dieses Wasser ist
zu Zeiten von aufgelösten Humussubstanzen braun gefärbt, weshalb die
Quelle „La Noire aigue“ heisst. Gleichen Namen führt das nahe-
belegene Dorf und Station der Neuchätel-Pontarlier Eisenbahn.
90
F
wähnt, und an eisenhaltigen Quellen ist keine schwedische
Provinz so reich als Smä3land. Ohne Zweifel hängt das
Vermögen des Wassers, Mineralsubstanzen aufzulösen, zunächst
von einem (Gehalt an Verwesungsproducten ab, welche in torf-
und waldreichen Ländern am häufigsten sind; aber eben so ge-
gründet ist auch die Behauptung des PLinıvs: „tales sunt aquae,
quales terrae per quas fluunt*, welche in den Bergen und dem
Boden von Gegenden, wo eisenhaltige Quellen (und Seeerze)
gefunden werden, Eisen in auflöslicher Form voraussetzt. Die
Anwesenheit von Eisen in beinahe allen Bergarten Schwedens
würde die Bildung der Seeerze in allen Theilen des Landes.
möglich machen; denn SVEDENBORG sagt gewiss mit Recht:
„Mars per omnes Sueciae provincias sparsus est“. Nicht nur
die meisten Bergarten, sondern auch die losen Sand-, Grus-
und Lehm-Ablagerungen enthalten Eisen genug, um alles durch-
stromende Wasser in Gesundbrunnen zu verwandeln, wenn es
dasselbe zu lösen vermöchte. Die grössere oder geringere
Auflöslichkeit des Eisens aber hängt‘ nicht nur von dem Ge-
halte des Wassers ‘an organischen oder unorganischen Säuren
ab, sondern auch und besonders von der mineralogischen Zu-
sammensetzung der eisenhaltigen Bergarten. Kalireiche Feld-
spathe (z. B. gewöhnlicher Orthoklas) werden durch Säuren (z.B.
Kohlensäure, in Wasser aufgelöst) viel langsamer und unvoll-
ständiger zersetzt, als die natron- oder kalkreichen (z. B.
Oligoklas, Labrador, Anorthit). Die Eisentheilchen, die ‚sich
im ersteren finden könnten, sind deswegen dem Wasser viel
unzugänglicher als dergleichen in Labrador ‘oder Anorthit.
Augite und Amphibole werden um so leichter von saurem Wasser
zersetzt, je reicher sie an Eisen sind; besonders sind gewisse
Augite bei Einwirkung der Atmosphärilien der Verwitterung
stark ausgesetzt. Die Verwitterung aller dieser so eben ge-
nannten Mineralien wird’ sehr beschleunigt, wenn die Bergart,
welche sie zusammensetzen, Schwefelkies enthält. Es mag
uns deshalb nicht verwundern, dass ein Granit aus Orthoklas,
Quarz und sehr schwer verwitterndem Glimmer an ein durch-
stromendes Wasser nicht viele mineralische Bestandtheile. ab-
giebt, dass aber Mineralwasser entsteht, wenn das Wasser den,
Weg durch Bergarten nimmt, welche mit Oligoklas, Anorthit,
Augit, Amphibolw a. bestehen und nebenbei an Kiesen reich sind.
Der Amphibolit, Diorit, Hyperit, Diabas, Gabbro und
y
9
Schillerstein, gewöhnlich Schwefelkies, Kupferkies, Magnet-
kies, Magnetit und Titaneisen als accessorische Bestandtheile
enthaltend, sind in Smaland sehr gewöhnlich und unter dem
Namen „Grönstenar* oder „Jernbindor* allgemein bekannte
Bergarten, deren Einfluss auf die Bildung der See- und
Wiesenerze von WaArLERIUS und seinen Nachfolgern hervor-
gehoben wurde. Bei HAusmann finden wir, wenn auch in einer
etwas modernen Form, die Ansicht S. Rınman’s. Der letztere
sagt nämlich: „Besonders sind allerlei „Jernbindor“, die aus
Hornblende bestehen und mit einer Menge solcher Säure
(Vitriolsäure) versehen sind, zur Hervorbringung von derglei- "
chen ‘Erzen sehr geneigt.“ Auch im Auslande, z.B. am Harz
und auf dem Thüringer Wald hat man einen nahen Zusam-
menhang zwischen Hyperit und sumpferzartigen Ockerablage-
rungen beobachtet. Der Magnetit- und Titan-Gehalt der „Grün-
steine* ist wahrscheinlich an der Entstehung der See- und
Wiesenerze sehr unschuldig; denn unverwitterten Sand dieser
beiden Mineralien findet man in vielen limonitführenden Seen
Smalands und Dalarnes.
FORCHHANMER leitet jedoch die Oehre-Bildung der dänischen
Dünen-Seen von dem Titaneisensand ab, den man aufihrem Boden °
trifft, und WALLERIDS betrachtet den Eisengehalt der schwedischen
Berge als eine Hauptbedingung der Entstehung der Seeerze.
Grünsteine findet man in den meisten Provinzen, wo
Wiesen- und Seeerze vorkommen, besonders in Wermland
und längs den skandinavischen Alpen in Herjeadalen und
Jemtland.. Es mag jedoch unrichtig sein, das Vorkommen
‚dieser Bergarten in anstehenden Massen als eine unumgäng-
liche Bedingung des Auftretens der See- und Wiesenerze in
der betreffenden Gegend zu betrachten; denn kräftiger als auf
feste Felsen wirkt das Wasser auf Bergarten, deren Detritus
als Grus, Sand und Thon weit von dem Punkt abgesetzt sein
kann, wo die fraglichen Bergarten anstehend gefunden werden.
Legen wir die hier hervorgehobenen Erfahrungen zusam-
men, so stellt sich heraus, dass die See- und Wiesenerze den
Gegenden vorzugsweise angehören, welche an Wäldern und
Torfmooren reich sind, deren Boden aus Grus und Sand be-
steht, welche Flötz-Kalk, kalkigen Thon und Mergel entbeh-
ren, und wo Grünsteine oder andere Bergarten vorherrschen,
welche eisenhaltige Wasser veranlassen konnen. ?
92
Art des Vorkommens der Seeerze.
Sind mehrere Seen durch ein Flusschen verbunden, so
enthalten gewöhnlich alle die Glieder dieses Wassersystems
unterhalb eines erzführenden Sees mehr oder weniger Erz,
dagegen kann man nicht mit gleicher Bestimmtheit schliessen,
dass auch oberhalb liegende Seen und Wasserläufe erzführend
sind. Auch ist die Erzquantität nicht durch das ganze, zusam-
menhängende, erzführende Wassersystem gleichförmig vertheilt.
Zwischen zwei reichen Seen kann öfters ein armer liegen, und
die Menge des Erzes, sein Eisengehalt und seine accessori-
schen Bestandtheile, Struktur und Formverhältnisse wechseln
nicht nur auf verschiedenen Punkten desselben Wassersystems,
sondern sogar auf verschiedenen Stellen desselben Sees. Aeltere
Autoren behaupten, dass in grösserer Tiefe als 6 (SwEDEN-
BORG), 12 bis 14 (WALLERIUS) Fuss Seeerze in grösserer Menge
nicht vorkommen; die Erzfischer der Gegenwart geben eine
solche Grenze bei einer Tiefe von etwa 30 Fuss an. Findet
eine solche Thatsache wirklich statt, so wird dadurch auf das
Bestimmteste ein Abhängen der Seeerzbildung von Wasserdruck
und Sonnenlicht unter Vermittelung z. B. von der Mitwirkung
des organischen Lebens angedeutet. Man darf jedöch vermu-
then, dass man bei Anwendung von Geräthschaften , welche
die Förderung des Seeerzes aus noch grösserer Tiefe erleich-
tern, die so eben “erwähnten Grenzen ferner erweitert finden
werde, und es ist nicht unmöglich, dass grosse Erzmassen auf
dem Boden manches tiefen Sees unberührt liegen, welcher jetzt
als geerntet angesehen wird. Es ist gewiss, dass das Erz nicht
über den ganzen Seeboden gleichmässig vertheilt vorkommt,
sondern in runden oder länglichen Flecken, deren Längenaus-
dehnung meist von Osten nach Westen gerichtet sein soll. Da
diese Erzstreifen meistens auf Untiefen liegen, deren Richtung
von dem Laufe der Sonne unabhängig ist, so darf man auf die
angedeutete ostwestliche Richtung der Erzbänke kein allzu
grosses Gewicht legen; findet sie statt, so wird dadurch wie-
derum ein Zusammenhang zwischen organischem Leben und
der Bildung der Seeerze angedeutet, welchen häufig vorkom-
mende Erzablagerungen auf seicht liegenden Schilf- und Rohr-
‚banken bestätigen. Letztere ziehen meistentheils in einiger
Entfernung von dem Strande, ohne ihn zu berühren, und sollen
93 d
die Erzbänke dem Strande selten auf weniger als 30 bis
40 Fuss nahe kommen. Die Richtung der Bänke in Seen
wird ausser durch die Stromrichtung auch durch die Streich-
richtung schieferiger Bergarten, welche das Seebassin umklei-
den, und dureh die Richtung, in welcher Glacier-Grus daselbst
abgesetzt worden ist, bestimmt. In vielen Fällen wirken diese
Faktoren so zusammen, dass zwischen seicht liegenden Bänken
ein Parallelismus entsteht, welches dann auch mit den Erz-
ablagerungen auf denselben der Fall ist. Eine Karte über die
Erzbänke eines Sees wurde dadurch in vielen Fällen Aehnlich-
keit zeigen mit der Projection der Erzfälle eines Ganges auf
die Gangfläche. _ |
Ferner soll die Beschaffenheit des Seebodens auf die Erz-
ablagerungen von Einfluss sein, da sich diese öfters auf schlam-
migem Boden, sandigem und feinem Grus, aber nicht gern auf
einem Boden von groben Steinen finden. In dieser Hin-
sicht mag jedoch die Bemerkung erlaubt sein, dass auch grosse
Steine in erzführenden Seen öfters mit hart ansitzenden Erz-
krusten überzogen sind, und dass es sehr schwer ist, von einem
mit Steinen besäeten Boden Seeerz aufzuholen. Da Wasser-
pflanzen vorzugsweise auf feinem Sand und Schlamm gedeihen,
so würde übrigens der Einfluss der Beschaffenheit des Bodens
auf die. Bildung des Seeerzes durch den Zusammenhang letz-
terer mit der Vegetation erklärt werden können. Schlamm
und feiner Sand können nur in ruhigem Wasser abgesetzt wer-
den; in Strömen werden sie wegsespült und lassen Steine und
groben Grus zurück. In Flusschen, welche erzführende Seen
verbinden, findet man Erz nur in tiefem, ruhigem Wasser oder
an der convexen Seite der Krümmungen, nicht in reissenden
Strömungen. Eine ähnliche Einwirkung der Schnelligkeit des
Wassers auf das Absetzen des Erzes muss auch in den Seen
stattfinden, und dadurch kann die erwähnte Verschiedenheit in
der Ablagerung auf schlammigem und auf steinigem Boden
verursacht werden. Ein unmittelbarer Einfluss von Strömun-
gen auf die Vertheilung des Erzes im See wird auch durch die
Thatsache bestätigt, dass in gewissen Seen auf derselben Stelle
beinahe jährlich Erzgewinnung stattfinden kann. Die Bildung
des Seeerzes geht allerdings ununterbrochen fort, und das Erz
„wächst nach“; dieses aber geschieht so langsam, dass zu der
Bildung einer gewinnungswürdigen Erzschicht angeblich 15 bis
94
30 Jahre erforderlich sind; damit also Erzgewinnung jährlich
an derselben Stelle geschehen könne, muss Erz daselbst ge-
sammelt werden nicht nur durch neue Bildung, sondern auch
durch Häufung, was nur durch Ströme geschehen kann.
Die Mächtigkeit der Seeerze übersteigt selten 14 Fuss,
aber es wird Erz gefördert, wenn es nur 4 bis 6 Zoll oder
noch weniger dick liegt. Die Art und Weise der Gewinnung
erlaubt nicht, den Boden rein zu machen, und ehemals liess
man absichtlich ein dünnes Lager zurück, wodurch man den
Nachwuchs zu befördern hoffte. Da die Bildung von Seeerz
ununterbrochen fortgeht, könnte man mit Recht mächtigere
Ablagerungen an völlig unverritzten Stellen erwarten, aber
schon fertige Erze können auch wieder weggelöst werden, um
anderswo abgesetzt zu werden, und durch eine Erzkruste kann
eine Quelle leicht zugestopft werden, um vielleicht auf einem
anderen Punkt hervorzubrechen und die Entstehung einer Erz-
ablagerung zu veranlassen. Dass ohne diese Hindernisse un-
gewöhnlich mächtige Seeerzlager gebildet werden können, wird
z. B. im See Tisken bei Falun bestätigt, wo das Wasser aus
der Grube und von den Schlackenhalden in der kurzen Periode
von etwa 600 Jahren ein über den ganzen Seeboden ausge-
breitetes Lager von Ocker abgesetzt hat, welches an ‚mehreren
Stellen über 10 Fuss dick ist. |
Die hier hervorgehobenen Verhältnisse erinnern wiederum
daran, dass das Pflanzenleben auf irgend eine Weise in die
Bildung des Seeerzes eingreifen muss, dass aber auch Ströme
und unter dem Wasser sich befindende Quellen die Stellen
bestimmen, wo diese Ablagerung erfolgt. Runde Erzflecken,
die nicht auf Bänken liegen, auch von der Strömung nicht ab-
hängen, können nur Quellen ihren Ursprung verdanken.
Art des Vorkommens der Sumpf- und Wiesenerze.
Wiesenerze fehlen beinahe niemals in Seeerz-reichen der
genden und liegen zum Theil so, dass an ihrer ehemaligen
Seeerznatur nicht gezweifelt werden kann. Sie werden nicht
nur auf dem Boden flacher Thäler gefunden, sendern auch auf
wenig geneigten Abhängen und auf dem Gipfel niedriger, brei-
ter Hügel. Sie liegen bisweilen ‘ohne andere Decke als .die
dünne Dammerde mit einer spärlichen, gelben und kränklichen
Grasvegetation, aber öfter werden sie von einem ; Elle dicken
95
Lager von sandigem Thon bedeckt mit einer Sumpfvegetation,
die nicht selten ockerig inkrustirt ist. Die Ockerabsetzungen,
welche mitunter am Fusse der „Sandasar“ eine Art losen,
eisenhaltigen, geschichteten Sandsteins bilden, müssen auch hier-
her gerechnet werden, sowie die Absätze an eisenhaltigen Quel-
len, welche unmittelbare Aufschlüsse über die Entstehung eini-
ger dieser Erze bieten. Auf dem Boden tiefer Torfmoore sind
Wiesenerzablagerungen nicht so gewöhnlich, wie man vielleicht
glaubt, wohl aber in deren Nähe. Ein gelb überzogenes oder
irisirendes Wasser deutet oft Erz an, wenn nicht in dem Moore
selbst, doch in dessen Nähe und gewöhnlich unterhalb des-
selben. Sogenannte Moorhälse oder Engen zwischen zwei
Mooren pflegen besonders erzfüuhrend zu sein. Als ein gutes
Zeichen wird angesehen, wenn die Moore nicht eben sind, son-
dern voller Locher mit hohlen Huübelchen und verfaulten Baum-
stumpfen besetzt, um deren Wurzeln sich das Erz in der
Form unregelmässiger Klumpen mit zerfressener Oberfläche
concentrirt. Ausserdem kommen die Wiesenerze an den ange-
deuteten, Stellen gewöhnlich in unregelmässig gestalteten, ab-
gerundeten oder sternformigen Flecken vor, von 12, 16 bis
100 Fuss Durchmesser und von einer Mächtigkeit, welche sel-
ten 1 Fuss übersteigt. Oft enthalten Wiesenerzlager von dieser
Dicke Zwischenlagen von ockerigem Sand, der auch zwischen
den verschiedenen Flecken auftritt. Als mit den Wiesenerz-
ablagerungen in nahem Zusammenhang stehend ist hier einer
weissen Erde zu erwähnen, welche vielerorts in Schweden
(Ronneby, Lillhayysjon, Loka, Degernäs u. a.) besonders
aber in Smaland vorkommt, wo sie oft unmittelbar unter
den Wiesenerzen, öfter in deren Nachbarschaft unter Torf-
mooren liest. Sie wird allgemein unter dem Namen „hoit
lera“ von den Bauern zum Weissanstreichen der Kamine und
Wände benutzt und besteht hauptsächlich aus den Kieselpan-
zern von Infusionsthieren, in Smaland aus kaolinisirtem und
mit Infusionsthierpanzern vermengtem Glacier-Grus. (Eine ent-
sprechende Bildung ist die sogenannte „Seekreide“ der Schwei-
zerseen, welche in der Schweiz sehr gewöhnlich unter Torf-
mooren, bei Dürnten, Uznach u. a. O., unter der sogenann-
ten Schieferkohle lagert.)
Solche „hoit lera“ von Hernsas in Smaland enthielt
96
nach einer 1861 von Herrn Tırıeerc im Laboratorium der.
Bergschule angestellten Analyse: & |
Wasser . . 6,60
Kieselsäure 85,00
Thonerde . 5,80
Eisenoxyd . 0,20
Kalkerde . 0,65
Talkerde . 1,10
Summa 99,35
und zeigte unter dem Mikroskop zahlreiche Infusionsthierpan-
zer, namentlich Spongolithen und Pinnularien.*) Diese weisse
Erde deutet wiederum auf eine Mitwirkung des organischen
Lebens bei den erwähnten Erzbildungen und sagt zugleich,
wovon ein Theil des dazu nöthigen Eisens gewonnen worden
sei; denn das Bleichen des Glacier-Gruses hängt nicht nur von
seiner Verwandlung in Kaolin ab, sondern auch von der Weg-
führung seines Eisengehaltes.
Wiewohl die fortdauernde Bildung der Wiesenerze nicht
so bestimmt als die der Seeerze nachgewiesen worden ist, so
kann sie doch in vielen Fällen kaum einem Zweifel unterlie-
gen; es kann aber nicht geläugnet werden, dass die Bildung
vieler Wiesenerze schon beendigt ist, wie auch, dass einige,
welche unter Torfmooren liegen, sogar vermindert werden, an-
statt zu wachsen.
Physische und chemische Eigenschäften der See- und Sumpferze.
Bei Smäländischen Hohöfen. kann man nur selten und
in kleinen Quantitäten den Erzschlamm sehen, welcher in
allen Seen, wo die Erzbildung fortgeht, zu finden ist; denn
dieser wird nicht heraufgeholt oder wird bei dem Waschen des
Erzes weggespuült. In der Form solchen ockerartigen Schlam-
mes werden jedoch die Bestandtheile der meisten Seeerze aus-
*) 1857 stellte ich mit solcher hoit lera aus der Gegend von Klefva
in Smaland einige Schmelzversuche an. Geschlämmt war sie plastisch
genug, dass kleine Biscuits daraus geformt werden konnten, welche, nach
gehöriger Trocknung im Windofen stark gebrannt, zu einem im Bruch
wachsglänzenden, wenig durchscheinenden, schmutzigweissen Email sich
zusammenzogen. Mit geschlämmtem Feldspath vermischt, schwanden
die Biseuits aus „hoit lera“ beim Brennen weniger und besassen nach-
her einen weissen, porzellanähnlichen Bruch.
P2
97
gefällt, ehe sie durch fernere Prozesse hart werden und Glanz,
Farbe und Festigkeit annehmen, welche den eompakten Eız-
arten eisenthumlich sind. Dieser Schlamm ist gleich nach
der Gewinnung schwarzgrau, bräunlich oder grünlich und voller
Pflanzenreste in allen Stadien der Fäulniss. Er reagirt auf
blaues Lackmuspapier und trocknet unter Entwickelung übel-
riecheuder* Gase zu einem grauen oder ockerfarbigen Pulver
ohne besonderen Zusammenhang. Frisch heraufgeholt wimmelt
er nieht selten von grossem und kleinem Gewurm, welches
gewiss mit seiner Bildung nicht das Geringste zu thun ge-
habt hat.
Zu mikroskopischer Untersuchung derartigen Schlammes
nahm ich im Winter Schlamm aus dem See Tisken vor der
Hofraithe der Bergschule zu Falun. Folgende Analyse zeigt,
dass er hauptsächlich wie gewöhnliches See- oder Wiesenerz
le ist.
Ungelöst in Königswasser . . . . . 39,9
Organisches und Ammoniak . . . . 22,6
Wasser . . er
Eisenoxyd (mit Sputen von Fhbndrde) 30,3
BRNO ve. ee. N
Sehwelelsaurer 2002 Sl 0 RI NI
Phosphorsäure . . ie el a.
Kalk, Talk, Spuren von Marke Verlust 0,8
Summe 100,0.
Unter dem Mikroskope zeigt sich besonders. eine graue
bis dunkelbraune Substanz, bestehend aus grösseren und minde-
ren, unförmlichen, zusammengefilzten und durch Kieselsäure
zusammengekitteten Partieen (nicht unähnlich Ackerschollen,
deren Höhlungen mit Eis gefüllt sind) sammt gelatinöser Kiesel-
saure, Die letztgenannte zeigt sich in grösseren und kleineren,
eckigen oder abgerundeten Stückchen ohne bestimmte Form,
so däss sie an Stücke von in Wasser schmelzendem Eis schr
erinnert. Sie ist grösstentheils wasserklar und farblos, theils
graulich und durch ihre poröse Beschaffenheit Schneebrei-
ähnlich; aber viele Stückchen davon enthalten braune Korner
von Eisenoxydhydrat, andere haben eine gelbe Farbe, welche
in dünnen Splittern sehr licht, in dickeren sehr dunkel ist, so.
dass sie im Ganzen das Ansehen des Bernsteins oder Kolopho-
niums haben. Auch die gefärbten Partieen enthalten öfters
Zeits. d.d. geol Ges. XVIII ı. T
98
kleine Poren und Eisenoxydhydratkörner. Die Kieselsäure in
frisch heraufgeholtem Schlamm ist zum Theil noch gallertartig,
wovon man sich überzeugen kann, wenn man ein wenig
Schlamm nebst einem Wassertröpfchen zwischen zwei Glas-
scheiben legt, welche unter dem Mikroskop in einer Rich-
tung gegeneinander verschoben werden; es treten dann zwi-
schen den Glasscheiben bandartige, durchsichtige Streifen her-
vor, welche durch Querspalten in zahlreiche eckige Kieselsäure-
splitter zertheilt werden, sobald der eingeschlossene Schlamm
trocken geworden ist (siehe Taf. I. Fig. 2). Dieser Versuch gelingt
nicht mit vorher getrocknetem Schlamm; auch können nicht
alle Kieselsäurepartieen auf diese Weise in Bänder ausgezogen
werden, und am wenigsten geschieht dies mit den Kolophonium-
ähnlichen. Wird glühender Schlamm mit einer kochenden Lö-
sung von kaustischem Kali oder mit Fluorwasserstoff behandelt,
so verschwinden die kleinsten Kieselsäurepartieen ganz und gar,
die grösseren 'aber nehmen eine zerfressene, rauhe Oberfläche
an und werden nur durch eine fortgesetzte Behandlung mit
dem Lösungsmittel aufgelöst. Die gelben Theile werden dabei
wenig oder gar nicht verändert und dürften neben Eisenoxyd-
hydrat hauptsächlich Eisensilikate sein. Dem Angriffe. von
Alkali, Fluorwasserstoff und auch Chlorwasserstoffsäure wider-
stehen am besten kleine ellipsoidische Körper von der Länge
einiger Hunderttheile Millimeter; diese kommen in allen. unter-
suchten See- und Wiesenerzen vor (Fig. 3). Sie erinnern sehr
ahı organische Formen, scheinen aber nichts Anderes zu sein
als Eisenoxydsilikate, welche durch Concretion oder durch
Abrundnng weniger regulärer Stücke diese Form angenommen.
haben. Die braune Farbe, am intensivsten in der Mitte, wird
. gegen die Seiten lichter, bisweilen in dem Grade, dass ein
durchsichtiger Kieselsäure- Sack die gefärbte Masse zu um-
schliessen scheint, welche wegen der zahlreichen inneliegen-
den dunkleren Körner oder Poren nie ganz durchsichtig ist.
Sandkörner werden durch Kali und Fluorwasserstoff auf eine
ganz andere Weise geätzt als die übrige Kieselsäure; sie-ha-
ben auch einen anderen Bruch und eine andere Struktur und
oft eine grünliche, lichtblaue oder röthliche Farbe, wodurch
man sie unter dem Mikroskope von der gelatinösen Kieselsäure
leicht unterscheidet, welche immer die Hauptmasse des Kiesel-
npschalte der gereinigten See- und Wiesenerze ausmacht.
391... -_
Dieses wird angeführt, weil die Existenz anderer Kieselsäure
in Limonit, als mechanisch eingemengten Sandes, in der neuesten
Zeit hauptsächlich aus theoretischen Gründen bestritten wor-
den ist.
Die oben genannten dunkelen, zusammengefilzten Massen
bestehen grösstentheils aus dem Kolophonium-ähnlichen Eisen-
oxydhydrat und aus Eisensilikat sammt gelatinöser Kieselsäure
und sind von einer schwammigen, porösen und fasrigen Sub-
stanz eingehüllt, in welcher man mit 280- bis 590 facher Ver-
grösserung jedoch die einzelnen Fäden nicht unterscheiden
kann. Die Kieselsäure imprägnirt diesen braunen Filz, wel-
cher hauptsächlich undurchsichtig ist Fig. 1a und b). Oftmals
stehen farblose, durchsichtige Röhren daraus hervor, offenbar
Kieselzellen mikroskopischer Conferven; andre kleine Algen
(Exillarien) sitzen aussen auf wie Krystallbuschel, und im
Allgemeinen trifft man die meisten Infusorien in der Nähe die-
ser braunen, filzigen Massen. Durch Glühen schwinden letztere
zusammen, werden compakter, bekommen Sprünge an den Rän-
dern, so dass sie nun aus vielen kantigen, unregelmässig ge-
formten Körnern von dunkelbrauner Farbe und grösserer oder
geringerer Durchsichtigkeit zusammengesetzt erscheinen.
Die hervorragenden, farblosen Röhren und Stäbe verändern
beim Glühen ihr Ansehen gar nicht. ‚Aber durch Behandlung
mit Alkali verschwinden sie, die Oberfläche der braunen Mas-
sen wird gleichzeitig angefressen und rauh. Wird das Eisen
durch Salzsäure weggelöst, so bleibt eine theils farblose, durch-
sichtige, theils eine grauliche, halbdurchsichtige ‘Masse zurück,
welehe ich nicht besser als mit Schneebrei, der mit Eisstück-
chen vermischt ist, vergleichen kann. Die Kieselskelette der
Pflanzen sind wohl erhalten, am deutlichsten, wenn der
Schlamm vor der Digestion mit Salzsäure geglüht worden war.
Es zeigt sich sehr oft, dass eine Menge Conferven-Fäden, deren
Enden hervorragen, gleichwie in ein K'näuel zusammenlaufen,
oder dass sie ganz allmälig und nicht deutlich begrenzt in einem
porösen Kieselsäuregallert anfangen, woraus sie nach allen Sei-
ten hervortreten, um so schärfer, je länger sie werden (Fig. 4 a).
Es ist von grossem Interesse zu sehen, wie die beträchtlichste
Eisenfällung eben um solche Gewebe mikroskopischer Algen
stattgefunden hat. |
Nebst den eben skizzirten Theilen kommen in dem Schlamm
T*
i 100
kurze, unregelmässig cylindrische, oft auch 'eckige, schwarze,
faserige Fragmente vor, verkohlten Holzsplittern ähnlich (Fig. 5).
In stark durchfallendem Licht und mit geringer Vergrösserung
(280) betrachtet, nehmen sie die schönste intensiv azurblaue
Farbe an. Da der Schlamm aus dem Tisken, worin sie zu-
erst beobachtet wurden, ein wenig Kupfer enthält, so hielt ich
sie für Kupfer-Indigo oder irgend ein Kupfersalz. Reagentien, -
unter dem Mikroskope aıf&ewendet, zeigten auch deutlich den
- Kupfergehalt des Schlammes an, nicht aber sein Abhängen von
den blauen Splittern; denn ihre Farbe wurde durch Ammoniak,
Salzsäure und Salpetersäure ‘nicht verändert. Es wurde jetzt
am wahrscheinlichsten, dass die blaue Farbe von irgend einem
Eisenoxyduloxydsalz herrührte, da nach BArRESwILL die blaue,
nach AsgıcH die schwarze Farbe Eisensalzen mit, 3 Atomen
Oxydul und 2 Oxyd eigenthüumlich ist. Da die blaue Farbe
nicht durch Gluhen verschwand, so Konnte die Säure dieses
Salzes weder organisch (z. B. Gerbsäure), noch Schwefelsäure
. sein, und die Annahme, dass sie Phosphorsäure sei, wird
nicht nur durch die blaue Farbe des Vivianits (wasserhaltiges
Eisenoxyduloxydphosphat) begründet, sondern auch dadurch,
dass Salzsäure bei längerem Kochen die blaue. Farbe dieser
Splitter sehr schwer und unvollständig zerstört. Die Farbe
wird bei Behandlung mit Salzsäure lichter, violett, eine Mischung
von schmutzig Ockergelb und Violett, endlich ockergelb, welche
letztere Färbung durch lange fortgesetztes Kochen nicht voll-
kommen verschwindet. Ich vermuthe, dass durch Salzsäure
phosphorsaures Eisenoxydul ausgezogen wird, wobei aber der
grösste Theil des phosphorsauren Eisenoxyds ungelöst bleibt.
Die Anwesenheit von Phosphorsäure in der sauren Lösung wird
unter dem Mikroskope durch Zusatz von einem Tröpfchen Mo-
lybdänflüssigkeit entdeckt, wodurch bald kleine lichtgelbe Ku-
geln ausgefällt werden, welche sich nach und nach in schönen
dendritischen Krystallgruppen ordnen; es kann jedoch nicht be-
hauptet werden, dass diese Fällung nahe an den gefärbten
Splittern am bedeutendsten sei, wodurch indess nur bewiesen
wird, dass die Lösung des Eisenphosphats sehr langsam ge-
schieht. Ich habe mehrere Male beobachtet, dass nach dem
Kochen des Seeerzes mit Salzsäure der übrigens ganz weisse
Ueberrest von Kieselsäure äusserst kleine schwarze Punkte
enthielt, welche unter dem Mikroskope Form ‘und Farbe der *
101
beschriebenen Splitter annahmen und also von nicht zertheil-
tem Eisenphosphat herrühren durften.
Durch vorsichtige Reibung des angefeuchteten Schlammes
zwischen den Glasscheiben konnten die blauen Körper unter
dem Objectiv des Mikroskops bisweilen zerdrückt werden. Sie
theilten sich dann parallel mit der langen Achse mit grösster
Leichtigkeit in viele Messerklingen-ähnliche Lamellen (Fig. 5b),
welche den Spaltungsformen eines Krystalles nicht unähnlich
sind. Zwischen ihnen sitzen nicht selten bernsteinfarbige La-
mellen, welche den blauen Splittern fest anhängen (Fig. 5 ce).
Da die Splitter nach dem Kochen mit Salzsäure oft eine
deutliche Pflanzenstruktur zeigen, so ist wahrscheinlich, dass
wir es hier weniger mit Vivianit-Krystallen zu thun haben als
mit Pflanzentheilen, welche von diesem Mineral und von Kiesel-
säure imprägnirt sind. Ich habe unter dem Mikroskope in
mehreren Seeerzen deutliche, runde, azurblaue, stängelförmige
' Pflanzentheile mit farblosen Fibrillen (Fig. 6 a) an den Enden
gesehen, welche sich ganz wie diese Splitter verhielten. Auch
ein grasgrüuner und ein purpurrother und viele violette Stängel
wurden beobachtet (Fig. 6b, ce, d). Die meisten davon ge-
hörten nicht Conferven mit einfachen Zellreihen an, sondern zu-
sammengesetzteren Pflanzen mit Zellgewebe, wahrscheinlich
Gramineen. Es-ist zu vermuthen, dass der Gehalt dieser Pflan-
zen an Phosphorsäure die Ausfällung des Vivianites in ihren
verfaulten Körpern veranlasst hat.
Ich will hier nicht die Kieselpanzer der organisirten Kör-
per besprechen, welche im Schlamm aus dem Tisken vorkom-
men, weil weiter unten an einer Stelle angeführt ist, was in
dieser Hinsicht in allen den untersuchten See- und Wiesen-
erzen beobachtet wurde.
Die in fester Form vorkommenden Erze bilden theils
compakte Nester (Rusor), theils kleinere oder grössere Körner,
Kugeln und Scheiben, theils sind sie das Inkrustirungs- oder
Petrifieirungs-Mittel von Wurzeln, Stammenden- und Thieren,
z. B. Käfern und Würmern. Wir werden auf diese verschie-
denen Formen zurückkommen, welchen das gemein ist, dass
sie theils (und hauptsächlich) aus einer harten, amorphen, dun-
kelbraunen, harzglänzenden Masse zusammengesetzt sind, theils
aus einem loseren, wenig zusammenhängenden, graugrünen,
gelben, braunen oder sehwarzen Ocker, welcher die Höhlungen
102
der schlackenartigen Klumpen ausfuüllt oder in ihnen Schiehtung
veranlasst. In dem kugelförmigen „Penning*-Erze wechseln
concentrische Schalen von festem, glänzendem Erz mit solchen
von losem und ockerigem.
Letzteres ist meist mit Sand ernischt gleicht aber ubri-
gens ganz und gar dem oben beschriebenen Schlamm. Die
meisten Panzer von mikroskopischen Organismen kommen in
diesem ockerigen Theil des Erzes vor.
Das harte, glänzende Erz zeigt unter dem Mikroskope eine
gleichformige, amorphe Struktur, welche man. nur bei einer
chemischen Verbindung zu sehen gewohnt ist, nicht aber
bei einer Mischung von z. B. Eisenoxydhydrat und Kieselsäure.
Das Pulver besteht aus scharfeckigen Splittern mit zum Theil
muschligem Bruch. Sie können hinsichtlich der Farbe und des
Aussehens mit nichts besser verglichen werden als mit Stück-
chen von Bernstein oder Kolophonium; wenn sie dunn sind,
sind sie gelb durchsichtig, wenn dick, braunroth bis schwarz.
Wasserklare Kieselsäurestüuckchen kommen zwischen ihnen sehr
selten vor, öfters Sandkörner verschiedener Farbe.
Die dunkeln Punkte dickerer Erzstückchen scheinen bei
längerer Betrachtung eine intensiv dunkelblaue Farbe anzu-
nehmen, die an jene der oben genannten Splitter in dem
Schlamm erinnert. Sie tritt oft deutlicher hervor, wenn das
Pulver mit Salzsäure, Salpetersäure oder sogar mit Molybdäan-
flüssigkeit angefeuchtet wird, ist aber hauptsächlich subjeetiv und
eine Folge von dem langen Verweilen des Auges auf den
gelben und rothgelben Körnern. Durch veränderte Beleuchtung
oder Wendung der schwarzblaufarbigen Stückchen unter dem
Objective treten ausser den rothgelben Punkten auch weisse
neben den blauen und an ihrer Stelle hervor. Einige’ blaue
Flecken bleiben aber unverändert, und da ich sie auch in dem
ockerigen Theile fand, so wurden sie unter dem Mikroskope
mit Blaueisenerde verglichen, womit die Uebereinstimmung so
deutlich ist, dass man an ihrer Identität mit Eisenoxyduloxyd-
phosphat nicht zweifeln kann. Es kann uns auch nicht befrem-
den, dass in See- und Wiesenerzen Theile eines Minerals
mikroskopisch eingemengt sind, welches in ihnen oft in recht
beträchtlichen Massen auftritt. Versuche mit Molybdänflussig-
keit zeigten jedoch, dass der hauptsächlichste Theil des Phosphor-
sauregehalts der See- und Wiesenerze beinahe gleichformig und
«
i 103
unsichtbar durch die ganze Erzquantität vertheilt ist, welche
‚auf einmal unter dem Mikroskope betrachtet-werden kann.
Mikroskopische Organismen.
Von mikroskopischen Organismen sieht man wenig bei
Betrachtung des unvorbereiteten harzigen Erzes; die wenigen
sichtbaren (gewöhnlich grössere Conferventheile) liegen lose
zwischen den Erzstückchen, in welchen selbst nichts Organisches
entdeckt werden kann. Betrachtet man aber die gelatinös-
körnige Kieselsäure, welche zuruckbleibt, wenn man kleine
Stückchen von dem Erz mit kalter Salzsäure behandelt , so
entdeckt man in der unter dem Mikroskope einem Eis- und
Schneebrei ähnlichen Masse eine Menge von Panzern von Dia-
tomeen. Sie kommen jedoch nur bei einer gewissen Beleuch-
tung zum Vorschein und gleichen leichten Schatten, deren
Umrisse zum Theil mit der. umgebenden Kieselsäure zu-
sammengeschmolzen, während einige von ihren feinsten Streifen
sehr scharf erhalten sind (Fig. 7). Ich habe versucht, einige
von ihnen abzuzeichnen, aber die Figuren geben nur sehr un-
‚vollständig den Zustand, in dem sie hervortreten, und eben
dieser Zustand ist hier das Wesentliche, weil er zu zeigen
scheint, dass die Kieselsaure des Panzers eine chemische
Verbindung mit dem umgebenden Eisenoxyd eingegangen ist,
so dass uns die Figur als ein Abdruck der verschwundenen
Masse zurückblieb. Die Figuren 4. u. 6. zeigen, dass Conferven-
Knäule, ganz. wie die in dem Schlamm bemerkten, auch in der
Kieselsäure aus dem pechähnlichen Erze hervortreten,
‚Vergleicht man nach allein diesem das feste, harzige Erz
mit dem losen, ockerigen (Schlamm), so zeigt sich jenes als
eine chemische Verbindung zwischen Kieselsäure und Eisen-
oxyd etc., dieses aber als eine mechanische Mischung von
Kieselsäure (und Sand), Theilen der so eben genannten Sili- -
cate, Eisenoxydhydrat- und Verwesungsprodukten, welche bei
der Kieselsäure aus dem Schlamme die schwammige Struktur
verursachen, die jener aus dem harzigen Erze ganz fehlt. Die
Kieselsäure aus letzterem hat vor dem Trocknen gewiss auch
eine schwammartige.Struktur, aber nur in Folge zahlreicher
Höhlungen, die durch das Wegnehmen des Eisenoxyds ent-
standen waren. Bei der Behandlung des harzigen Erzes mit
-
104
Salzsäure werden nebst. der Kieselsäure die obengenannten
ellipsoidischen Eisenoxydsilikatkörper erhalten (Fig. 3).
Es bleibt uns übrig, durch Analyse die Zusammensetzung
des Minerals oder der Minerale, welche .den harzigen Theil
des. See- oder Wiesenerzes ausmachen, zu bestimmen.
Mikroskopische Organismen kommen in allen den schwe-
dischen und finnländischen See- und Wiesenerzen vor, welche
ich Gelegenheit hatte zu untersuchen; aber ihre Anzahl und
ihr Formenreichthum sind in verschiedenen Arten verschieden,
sogar in verschiedenen Stücken derselben Erzprobe; nach dem
Gesagten ist jedoch begreiflich, dass der grösste Theil davon
in dem braunen, harzigen Erze aufgelöst sein kann, wodurch
ihreForm vernichtet wurde, und dass verhältnissmässig mehrerein
dem ockerartigen Erze gefunden werden, wie vorher bemerkt
worden ist. Die Skelette von allen bestehen hauptsächlich
aus Kieselsäure. Dies gilt nicht nur von den kieselgepanzerten
(Diatomeen), sondern auch von solchen Conferven, welche nach
Verbrennung kein zusammenhängendes Aschen-Skelett zurück-
lassen, wie durch in dieser Hinsicht angestellte Versuche er-
mittelt wurde. Keine einzige organische Form blieb übrig, da
die Erze mit Kalilösung oder Fluorwasserstoffsäure behandelt
worden waren biszur Lösung des Kieselpanzer. Also kann Eisen-
oxyd unmöglich ein selbstständiges Baumaterial der Skelette
sein. Gewöhnliche mikroskopische Algen nebst kieselbepan-
zerten Diatomeen (wie auch Conferven), welche letztere einen
grossen Theil der von EHRENBERG als Infusionsthiere betrach-
teten Organismen ausmachen, sind am zahlreichsten. Die
Zellenskelette der ersteren bestehen meistentheils aus farbloser
Kieselsäure (Fig. 8, a, b, e, d; 4, c.); sehr selten sind sie
lichtgelb, blau oder rothviolet, öfters schmuzig ockergelb
(Fig. 8, f. e.) mit zahlreichen, sowohl auf, als innerhalb der
Zellmembran und in der Zelle selbst liegenden Oeckerkörnern
' Diese ockerbraune Farbe lässt sich äusserst schwer und nur
sehr unvollständig durch Salzsäure wegnehmen. Die aus-
wendig an den Zellen sitzenden Ockerkörner sind oft so zahl-
reich, dass sie ein zusammenhängendes, höckeriges Rohr bilden,
welches dem Rohr, womit sich die Larven von den Phryganea-
Arten umgeben, ähnlich sieht (Fig. 1, 8, g.). Ockerkörner,
a EEE
welche in einer Zelle zu liegen scheinen, liegen in der That
sehr oft auswendig an ihr, wovon man sich dadurch über-
105
zeugen kann, dass man den unter dem Mikroskope betrachteten
Gegenstand in eine leichte Bewegung setzt.‘ Aber in gewissen
Fällen kommen Ockerkörner in Zellen nicht nur in offenen,
welche sehr oft durch einen Ockerpfropfen zugestopft sind
(Fig. 8, h, i), sondern auch in ganz unversehrten und ge-
schlossenen vor. Die in der Fig. 9. gezeichnete Conferve
kommt sehr wohl erhalten beinahe in allen den untersuch-
ten Erzen vor, so dass man an einem einzigen, etwa 1 Mm.
langen Exemplar nebst 50 bis, 60 Internodien die sackähnliche
Zelle. an dem einen und die feinen Fibrillen an dem andern
Ende der Pflanze nicht selten wahrnehmen kann. Die Form
der Pflanze erinnert sehr an die der Equisetaceen; ihr Skelett
besteht aus wasserklarer Kieselsäure, aber in jedem Inter-
nodium sitzt ein rostfarbiger Propfen von Eisenoxydhydrat.
Da durch Behandlung mit Salzsäure diese Pfropfen verschwin-
den, und da gleichzeitig die ganze Zellenreihe mit einer citronen-
gelben Lösung gefullt wird, welche nur durch anhaltendes
Auslaugen mit warmem Wasser weggenommen werden kann,
so ist gewiss, dass die braunrothe Farbe der Internodien in
ihnen sitzendem Eisenoxydhydrat angehört. Da ich in dem
„Falu &“ (oberhalb des Tisken)-ganz ähnliche Conferven ge-
sehen habe, obgleich mit farblosen Internodien, so sind
die beschriebenen Pfropfen gewiss kein specifisches Merkmal
der fraglichen lebenden Pflanze. Wird Seeerz vorsichtig mit
Alkalilösung behandelt, so dass die Kieselsäureskelette nicht
völlig gelöst werden, so zeigen die vorher ebenen Zellen mit-
unter Zweigansätze, deren Stellung jener bei Chara-Arten
ahnelt (Fig. 9, ec).
Schon 1836 sprach EHRENBERG die Ansicht aus, dass die
Wiesenerze durch gewisse Infusionsthiere erzeugt werden,
welche Panzer von Eisenoxydhydrat und Kieselsäure bauten.
Besonders die @aillonella ferruginea (unter dem Namen Oseilla-
toria ochraces zu den Conferven gerechnet) soll ein fleissiger
Eisenfabrikant sein; sie wird aber, nach EHRENBERG und WiEc-
MANN, nicht in dem festen Wiesenerze, sondern nur in dem
losen Ocker gefunden; WıEemAanN bestreitet ganz und gar die
Mitwirkung dieser Infusorien bei der Bildung der Seeerze. Ich
habe in allen den untersuchten See- und Wiesenerzen keine
Gaillonella ferruginea finden können, theile aber in Fig 10. eine
Abbildung davon mit, die in PoGGEnnorFr’s Annalen für 1836
106.
zu sehen ist. Da c. dieselbe 2000 Mäl vergrössert zeigt,
und die gewöhnliche, von mir angewandte Vergrösserung nur
280 (die grösste 590) war, so ist es möglich, dass ich diese
Form übersehen habe. Der Name kommt jedoch in EHRex-
BERG’s Mikrogeologie (1854) nicht vor, auch keine andere.
‚Figur, die mit der hier mitgetheilten Aehnlichkeit hat. . Die’
gelbe Farbe, welche ich bei einigen Diatomeen bemerkte, ist
vr
gewiss nur zufällig, da sich dieselben Formen viel häufiger ganz
farblos zeigten. Uebrigens sind sie nicht selten von Eisen-
oxydhydratkörnern verunreinigt, auf dieselbe Weise, wie oben
von den gewöhnlichen Conferven angeführt wurde. -
Die in den Figuren 11 bis 19 abgebildeten Formen sind
einige der in den Erzen am häufigsten vorkommenden, oder
solche, welche mir am bemerkenswerthesten schienen. Sie
wurden. bei 280- (nureinige bei 590-) facher Vergrösserung, aber
ohne Camera lucida, gezeichnet, und die Zeichnungen sind ein
wenig zu gross ausgefallen. Sie wurden durch Vergleichung
mit EHRENBERG’s mikrogeologischen Kupferwerk bestimmt,
nach welchem sie ohne Ausnahme Infusionsthieren, die meisten
der Classe Polygastrica angehören. |
Nebst den eben erwähnten Formen des niedrigsten Pflanzen-
lebens kommen in den See- und Wiesenerzen nicht selten
mikroskopisch kleine Fragmente höher: organisirter Pflanzen
vor.. Hierher. gehören die oben erwähnten blauen Splitter
Fig. 5, aber auch viele andere nicht blau gefärbte Zellgewebe.
Fig. 20 a zeigt ein solches, wahrscheinlich von irgend einem
Grase. Es wurde abgezeichnet, weil es im Seeerz von Bru-
saholm sehr oft vorkommt und äusserlich an gewisse fossile
Fenestella-Arten sehr erinnert. Die in Fig. 20, e, f, g abge-
bildeten Körper gleichen am- meisten Pollenkörnern; Fig. 20,
e, dstellt Gewächsfragmente vor, vielleicht Spiral- und Ringfibern
von Zellenmembranen oder Spiralgefässen. Fig. 20, b ist wohl.
ein sogenanntes Animaleulum des Springfadens einer Chara-Art.
Das Zellgewebe von in Erz verwandelten Pflanzen zeigt
sich unter dem Mikroskope als aus beinahe farbloser bis
dunkelgelber Kieselsäure bestehend, aus kolophoniumähnliehen
Silicaten und aus einer undurchsichtigen, schwarzbraunen,
lignitähnlichen Substanz. Bei feinen Längen- oder Querdurch-
schnitten kann man bemerken, dass die Zellen am häufigsten
mit Kieselsäure gefüllt sind, die Zellmembranen dagegen und
-
N a .
107
die Interzellulargänge sind meistentheils verwandelt in, oder
gefüllt wit brauner oder beinahe schwarzer lignitartiger Sub-
stanz und Eisensilikaten.
Einige Wurzeln ete. sind durch ihre ganze Masse auf die
eben angedeutete Weise petrificirt, andere sind nur mit festem
oder ockerartigem Erz inkrustirt. Die Holzsubstanz ist dabei
bisweilen ganz verschwunden, so dass röhrenförmige Stengel-
abdrucke zuruckbleiben. Oefters sind inkrustirte Pflanzentheile
zu einer gewissen Tiefe petrificirt, während ihr Kern aus loser
Kohle mit vielen Zwischenräumen besteht. Diese undurch-
sichtige Kohle zeigt bisweilen die oben erwähnte blaue Farbe;
in ihren Poren sitzt theils wasserklare Kieselsäure, theils Eisen-
silikat. Ist ein Erz, das sich z. B. zwischen Schilf und Rohr
gebildet hat, von lauter petrificirten und inkrustirten Stängeln
und Wurzeln zusammengesetzt, so bekommt es ein röhren-
formiges Aussehn (Pip-malm).
Die feinen, oft eckigen Körner, welche je nach ihrer Grösse
Pulvererz, Hagelerz etc. genannt werden, sind zum Theil
. körnig-ockerige Ausfuüllungen, zum Theil das Reibungspulver
kompakter Erdmassen, meistentheils aber sind sie Inkrusta-
tionen von noch feinerem Sand- und Erzstaub; sie machen im
letztern Fall die kleinsten Varietäten der abgerundeten Erzarten
aus, welche unter dem Namen Perlenerz, Erbsenerz etc. be-
kannt sind. Die Kugelform der letztgenannten ist bei den
kleineren am regelmässigsten. Bisweilen sind sie durch ihre
ganze Masse gleichformig dicht und kompakt, aber viel häufiger
besitzen sie eine concentrisch-schalige Struetur.
Wird die eine Hälfte solcher Erzkugeln weggeschliffen,
so entdeckt man in ihrer Mitte einen fremdenKörper, ein Sand-
körnehen, ein Pulvererzstückchen, ein wenig erhärtete Kiesel-
säure oder nur einige silifieirte mikroskopische Pflanzen-Ueber-
reste, rings um welche die Schalen um so mehr excentrisch
liegen, je grösser sie werden. Nicht selten sind zwei und
mehrere kleinere, exeentrisch zusammengesetzte Erzkörner zu-
sammengekittet und von unter sich parallelen Schalen um-
geben. Je nach der Anzahl, relativer Grösse, gegenseitiger
Lage der zusammengekitteten Kugeln erhält dann die ganze
Zusammenhäufung ein mehr oder weniger regelmässig ellip-
soidisches oder bohnenähnliches Aussehen. Haben die Kugeln
eine gewisse absolute Grösse erreicht (+ bis 2 Linien), so
108
legen sich die folgenden Schalen oft nicht mehr sphärisch an,
sondern sie werden ringformig abgesetzt; dadurch entsteht
eine plane oder schalenförmig gebogene Scheibe als die Schluss-
form bei den Erzarten, die „Penningerz “ genannt werden
(Fig. 21.) Die verschiedenen Schalen der centrisch zusammen-
gesetzten Erze zeigen bisweilen unter sich so wenig Ver-
schiedenheit hinsichtlich der Farbe und Härte, dass man sie
“nicht leicht unterscheiden kann, wenn man nicht auf den,
Durchschnitt haucht oder ihn mit Säure ätzt. Aber viel
häufiger wechseln harte, braune Schalen mit ockerartigen losen;
oft kommen nur diese letzteren vor mit wenig Zusammen-
hang in ihrer Masse und unter sich. Ja, es kommt vor, dass
die Schalen ganz lose in einander oder nur auf wenigen
Punkten zusammengewachsen liegen. Da die Zwischenräume
bei der Heraufholung des Erzes mit Wasser gefüllt sind, so fallen
die dunnen Schalen oft zusammen, sobald das Wasser ver-
dunstet. Solche Erze stimmen mit den sogenannten „Adler-
steinen* (Aetites Aquilini) überein, welche die Aufmerksamkeit
älterer Mineralogen in hohem Grade erregten. Wenn man er-
wagt, dass Lmxse vor 100 Jahren die Entstehung der sphäri-
schen Struktur der kugelförmigen Seeerze (Tophus globosus)
ganz richtig erklärt hat (natus e ferro in arena, a centro multi-
plicatus versus peripheriam), so muss "es Erstaunen erwecken,
dass man noch in ‘der neuesten Zeit wahrscheinlich machen
wollte, dass kleine Thiere die Schalen von aussen nach ein-
wärts „spinnen“ sollen.
Haben die kugel- oder „penning*-förmigen Erze eine ge-
wisse Grösse erreicht, so wachsen sie nicht mehr regelmässig,
sondern sie werden unter sich zu dunnen, rauhen Krusten zu-
sammengekittet. Diese liefern einen Theil des sogenannten
Skraggerzes. Andere Skraggerzarten sind aber krustenartige
Ockerabsetzungen und Ueberzuge ohne inneliegende Perlen-
und „Penning*-Erze; durch zwischenliegende, dunne Sandlager
können sie eine Art Schichtung annehmen. |
Chemische Zusammensetzung von Seeerzen.
Von schwedischen Seeerzen hat man sehr viele Analysen;
dass diese zu keinen stöchiometrischen Formeln korrekt fuhren,
ist nicht auffällig, da sie nicht mit der harten, harzigen Masse
109
für sich angestellt worden sind, sondern mit der ganzen Masse
nebst deren Verunreinigung durch Sand, Pflanzenüberreste etc.
Lipsäck’s Analysen von geglühtem Seeerz von Kronobergs
län, Gelserum und Ryp:
Sand und Kieselsäure 10,60 24,2 30,0
Thonerde 2,80 1,& 1,6
Manganoxyd 4,40 12,9 0,8
Eisenoxydphosphat 1,00 6,4. 4,0
Eisenoxyd 18,72 67,0 61,0
Schwefel 0,01 — —-
Summe 97,53 100,9 97,4
Aus SrtarL v. Housteı’s Analyse von Pulvererz aus
Särna:
Phosphorsäure 0,119
Kieselsäure 4,318
Thonerde 0320,43]
Kalkerde 0,091 -
Talkerde ir .05334
Manganoxyd 19,297
Eisenoxyd ‚1262,322:
Wasser 12,056 °
Summe 99,168.
SVANBERG’S 30 Analysen von Seeerzen, nebst zweien von
Wiesenerzen aus Smaland, Wermland, Dalarne, Helsingland
geben:
Phosphorsäure 0,051 bis 1,213; im Durchschnitt 0,476
Schwefelsäure Spuren „ 0,430 5 0,070
Kalkerde 0.266 4.5095 “ 1,366
Talkerde 0,0211..0,2.0,731 u 0.192
Thonerde 232.1... 14.894 & 3,981
Kieselsäure 9,438 „41,258 a 12,639
. Eisenoxyd 43,225 „715,685 A 62,966
Manganoxyd 0,463: .. .. 84,745 = 5,978
Wasser (inel. Or-
ganisches) 1,816 m, 17.814 n 13,532
Summe .100,00.
N
110
und deuten auf die Formel:
R’Ssi - 6H.
Wiewohl weder diese, noch andere Analysen von aus-
ländischen Wiesenerzen einen Gehalt an Eisenoxydul an-
geben, so lässt sich doch ein solcher in den meisten mangan-
armen Erzarten nachweisen; es dürfte auch in den mangan-
reichen vorkommen; da aber das Manganoxyd bei Lösung des
Erzes in warmer Säure Sauerstoffgas entwickelt, welches das
anwesende Eisenoxydul zu Oxyd oxydiren wird, so kann in
solchen Erzen die Anwesenheit des Oxyduls weniger leicht
nachgewiesen werden. Auf der anderen Seite veranlassen
organische Substanzen bei .der Auflösung des Erzes eine Re-
duktion von Eisenoxyd, so dass Eisenoxydul in der Lösung
vorkommen kann, ohne in dem Erze selbst zu existiren.
Dass der harzähnliche Theil der See- und Wiesenerze ein
Silieat ist (oder eine Mischung von mehreren solchen), folgt
nicht nur aus seiner Homogenität und anderen äusseren
Kennzeichen, sondern besonders auch aus dem Umstande, dass
er bei der Auflösung gelatinöse Kieselsäure giebt. Dieses
Silicat ist sehr basisch, dürfte aber in vielen bekannten basisch
schwefel-, arsenik- und phosphorsauren Eisenoxyd- (und Oxy-
duloxyd-) Salzen Analogieen haben. Dass der ockerige Theil
des Seeerzes eine mechanische ‚Mischung ist, kann man mit
Hulfe des Mikroskops wahrnehmen.
Die Schwefelsäure und besonders die Phosphor-
säure sind an Eisenoxyd gebunden. Man hört bisweilen
Eisenhüttenleute behaupten, dass die Wiesenerze gewöhnlich
schwefelhaltiger als Seeerze seien, aber die bekannten Analysen
sprechen nicht für diese Behauptung, die jedoch nicht unwahr-
scheinlich sein dürfte hinsichtlich der Verhältnisse, unter
welchen beide Erze entstehen. Auch- hält nicht die Ansicht
Stich, dass schwefelhaltige Seeerze phosphorarm seien und
vice versa, oder dass der Phosphorgehalt mit dem Eisengehalt
steigt. Die Kalk- und Talkerde kommen immer nur in
sehr kleinen Quantitäten vor; sie durften meistentheils an
Kieselsäure gebunden sein, in den ockerigen Erzen theils auch
an organische Säuren und Kohlensäure. Nicht alle schwe-
dischen See- und Wiesenerze enthalten letztere; sie kann mit-
unter nicht entdeckt werden, wenn man frisch heraufgeholte Erze
untersucht, zeigt sich aber oft, wenn die Erze mehrere Jahre
111
in der Luft gelegen haben. Ohne Zweifel ist sie da durch
Verwesung organischer Substanzen entstanden. Da der Talk-
und Kalkgehalt.bisweilen zu der Sättigung der gefundenen
Kohlensäure nicht hinreichend erscheint, so- darf man mit
Wartav annehmen, dass Verbindungen wie: Al? CO? 4H,
FeC + 6H; Fe°C == 12H existiren können. j
Die Thonerde, insofern sie nicht von mechanisch ein-
gemichtem Thon herrührt, folgt ohne Zweifel dem Eisenoxyd.
Ockerschlämme enthalten sie als basisch quellsaures und quell-
salzsaures Salz, welches unlöslich ist und Reagentien kräftig
widersteht.. Das Manganoxyd kommt am meisten in den
weniger zusammenhängenden, körnig-ockerigen, schwarzen
Erzarten (Pulvererz) vor und scheint sogar zu verursachen,
dass diese zu kompakten und homogenen Massen weniger leicht
erhärten. Gelbe, ockerige Erze sind bisweilen von Mangan-
oxydhydrat schwarz gefleckt. Ausser den nach obigen Ana-
lysen gewöhnlich vorkommenden Bestandtheilen enthalten viele
See- und Wiesenerze einige andere Stoffe, allerdings nur als
Spuren, welche aber über die Bildungsart dieser Erze Finger-
zeige geben können. Hierher gehösen: Chlor, Arsenik-
säure, Titan, Molybdän, Chrom, Vanadin, Kupfer
Nickel. Kobalt, Zink. Unter ihnen habe ich in den
Seeerzen Smalands Chrom*), Kupfer und Nickel gefunden,
des Vorkommens von Vanadin aber bin ich nicht sicher.
Im Erz aus Amungen kommen Spuren von Zink vor. Da
Spuren von Chrom und Vanadin in den smaländischen
Grünsteinen vorkommen, so deutet ihre Anwesenheit in See-
und Wiesenerzen an, wovon die resp. Eisenlösungen gekommen
sind; Niekel, Kupfer und Schwefelsäure deuten auf zer-
setzte Kiese. Titan in Wiesenerzen von WALCHNER, BER-
THIER und FORCHHANNMER (von letzterem in den dänischen
Erzen) gefunden, habe ich vergebens in Smaländischen See-
erzen gesucht, wo es doch aus guten Gründen vermuthet
werden könnte, da titanhaltige Eisenerze die dortigen Grünsteine
reichlich imprägniren.
=) Lipsaeck hat {schon 1811) in Seeerzen von Gelserum, Lilla
Ryd und Kronobergs Län (der Ort nicht näher bestimmt) Chrom ge-
sucht.
112
Alle ockerartigen See- und Wiesenerze enthalten kleine
Quantitäten von Ammoniak, welches in frisch heraufgeholten
Erzen sich bisweilen nur dann zu erkennen giebt, wenn sie
mit kaustischem Kali erhitzt werden; aber aus Seeerzen, welche
mehrere Jahre der Luft ausgesetzt gewesen sind, kann 'kohlen-
saures Ammoniak durch Wasser ausgezogen werden. Da alle
Eisenerze (sogar die stahldichten Dannemora-Steine) absorbirtes
Ammoniak enthalten, so kann seine Anwesenheit in See- und
Wiesenerzen keine Verwunderung- erregen; wir werden aber
finden, dass es bei der Entstehung dieser Erze keine unbedeu-
tende Rolle spielt. |
Ich will hier nicht unerwähnt lassen, dass schon: SvEn
Rınman bei der trockenen Destillation der Seeerze ein flüch-
tiges, urinöses Salz „und den Geruch von Spiritus fuliginis‘“
bemerkte. Er fand auch, dass kohlensäurehaltiges, gelbliches
Wasser mit einer schwarzen, fetten, bituminösen Materie über-
ging, so dass die condensirte Flussigkeit (252 von dem Ge-
wicht des Erzes) dick, stinkend, von stiptischem Geschmak
war; an den Wänden des Recipienten sublimirten. weisse
Krystalle, wahrscheinlich, kohlensaures Ammoniak (vielleicht
Pyrogallussäure?). Von Interesse ist auch ein anderer
Versuch Rınman’s, nach welchem aus Seeerzen durch Glühen
ohne Kohlenzusatz in lutirtem Tiegel metallisches Eisen redu-
eirt wurde. Die genannten theerartigen Produkte können
allerdings durch die trockene Destillation der Pflanzenüberreste
entstehen; aber in See- und Wiesenerzen kommen auch fertige
harz-, wachs- und talgähnliche Verbindungen vor, wovon
kleine Quantäten durch Alkohol, Aether und Naphta ausge-
zogen werden können. Uebrigens giebt die trockene Destilla-
tion zuerst eine ammoniakalische, aber später eine von Holz-
essigsäure und Ameisensäure saure Flussigkeit; beide
Säuren dürften kaum in dem Erze fertig sich vorfinden;
sie sind vielmehr Zersetzungsprodukte von darin vorkommen-
den Humussäuren. f
BerzeLivs fand den Lokaocker zusammengesetzt aus:
A
113
basisch quellsaurem Eisen-
Eisenoxyd , . 42,343
Quellsäure 33,860
oxyd 90,54 wi 14.340
90,543
Kohlensaurem Kalk . . . . .. 3,54
Phosphorsaurer Thonerde, Spuren
von Talkerde und a 0,38
Kieselerde . . . 190, Bde
Sum: 100,00.
Hierbei ist zu bemerken, dass das basisch quellsaure
Eisenoxyd Ammoniak enthält, was aus der Analyse nicht er-
sehen werden kann, weil Brrzeuıus die Quellsäuren für stick-
stoffhaltig ansah, als er sie in dem Lokawasser entdeckte.
Nach Nöc6kErATH ‘und MonHr besteht Wiesenerz von Ma-
rienbad aus;
Eisenoxyd .. . aaa an 21 al, a1, 91103558
Humwssaureni usie worgie. mlsalnspın 985120540
Wasser ... win 36,42
Sulphare von Eisenoxydul, "Talkerde, Verlust _ 3,60
ii 100,00
Be fand die Zusammensetzung des Limonits von
Braunschweig |
Eisenoxydul .. 66 68,5 60
Phosphorsäure . 7 7,0 8
Humussäure. 14 12,3... ..319
Wasser .. :::,>19 10,5 4,25
Manganoxydull . — 15 1,5
Kieselsäuvre . . — — 22, 5
Ä 100 100,0 100,00.
SENFT giebt im Wiesenerz von Lingen (Hannover) 9 pCt.,
in solchem von Lithwinsk (Ural) 15,8 pCt., und von Mecklen-
burg 4,56 pCt. Humussäure und Quellsatzsäure an;
GRÄGER in Ortstein von der Lüneburger Haide und Mecklenburg
Quellsäuren - 3,128 pCt. 2,817 pCt.
Humussäure . 2,780 ,, 15502. - ,,
Ulminsaure. ..3,182:;,, 3393L-- 5;
Summe: Humussäuren 9,690 pCt. 7,850 pCt.
Im Allgemeinen ist jedoch die Quantität dieser Säuren ge-
ringer als in den eben genannten Erzarten.
Nach Hermann enthält das Wiesenerz aus Nischnei-Nowgo-
rod 1,08 und 2,50 Quellsäuren, "nach GoTTLIEB das aus
Ölonetz 1,54, aus Buzias 1,72, Seeerz aus dem Santeefluss
Zeits.d.d.geol.Ges. XVII. 1 ö Br
114 :
(Carolina) 1,64 pCt. Quellsäuren (inel. ein wenig, Kalk,
und Talk; das letztgenannte ausserdem 0,37: pCt. Chlor). In
Erz aus dem Helgasiä fand ich (1857) 3,08 pCt. organische
Säuren, welche durch kaustisches Kali ausgezogen wurden.
Von allen den vorstehenden Analysen gilt auch, dass der
Gehalt der Humussäuren zu niedrig angegeben ist, sofern sie
durch kohlensaures -oder kaustisches Kali ausgezogen worden
sind; denn keins von. beiden Reagentien extrahirt sie völlig.
‚ Ausser den, genannten organischen Säuren findet) | man
Spuren von Ger’bsäuren verschiedener Pflanzen ‚in .manchen
Seeerzen, besonders in. denjenigen, welche Theile von Calluna
vulgaris und andere Pflanzen‘ imprägniren und inkrustiren;;
siei, geben sich oft durch die schwarzblaue Farbe des Erzes
zu erkennen. Auch ist die Einmischung von sogenannter
Humwuskohle in dem Erz nicht selten.
. Alle’ diese organischen Säuren sind nur in den £risch ge-
fällten, ockerartigen Erzarten wesentlich; in den harzähnlichen
Silikaten kommen nur Spuren davon vor. Sie verwesen, und
wenn das Oxyd, an welches sie gebunden sind, dabei nicht
aufgelöst wird, so wird es mit Wasser, Kieselsäure und Kohlen-
saure, welche eines der Verwesungsprodukte ist, vereinigt; da-
durch dürfte erklärlich sein, dass kohlensaures Ammoniak aus
Erzen extrahirt werden kann, die dem Zutritt der Luft, lange
ausgesetzt gewesen sind.
Was endlich den een der See- und Wiesen-
erze betrifft, so gehört er theils dem oft genannten Eisensilicate,
theils den basisch humussauren Oxydsalzen an; es soll aber.
nicht. bestritten werden, dass viele ockerartige Erze hauptsäch-
lich aus Eisenoxydhydraten bestehen. Hermann berechnet die
Zusammensetzung von Quellerz aus Nischnei-Nowgorod zu
Fe H°;, REDTENBACHER’S Analysen von Sumpferz von Ivan führen
zu (Fe, Al, Mn) H°, GortLiie’s von Seeerz vom Santeefluss
zu R’H°; die in Brauneisenstein etc. vorkommenden
Hydrate haben gewöhnlich | die Zusammensetzung: Fe A >
Fe?’H:, FeH: aber auchFe’ H und 2 (Fe, Fe) 43 H exi-
stiren, ad alle diese Hydrate können Rahme in See-,
und Sumpferzen auftreten.
Von geologischem Interesse ist die Existenz. von wasser-
freien Wiesenerzen. PFAFF analysirte zwei solche aus Schleswig;
ich habe eines dergleichen aus Oekna Locken gesehen, welches
115 ‘
der Rothfarbe (gebrannter Eisenocker) glich. Die gewöhnli-
chen See- und Wiesenerze werden nur in gebranntem Zustande
_ von dem Magnet angezogen, die genannten wasserfreien dage-
gen ungebrannt, wenn auch in geringerem Grade. Prarr fand
das specifische Gewicht des wasserfreien Wiesenerzes 4,021,
während gewöhnliche See- und Wiesenerze 34 bis 34 wiegen,
sehr verunreinigte sogar nur 24. ”
Aus dem gewöhnlichen Auftreten der See- und Wiesenerze
in torf- und waldreichen Gegenden, aus der Art des Vorkom-
mens des ersteren, aus den zahlreichen organischen Ueberresten,
welche sie enthalten, konnte man schliessen, dass lebende und
todte Organismen bei ihrer Entstehung wirkend sind; die
Existenz der eben genannten organischen Säuren in diesen
Erzen rechtfertigt eine solche Vermuthung, welche schon lange,
ehe man die Existenz, die Zusammensetzung, Entstehung und
Reaktionen dieser Säuren kannte, wie eine Ahnung ausgespro-
chen wurde. m |
Wir finden z. B. bei Ursan Hsirse (1702) Folgendes:
„Weiter ist nicht zu vergessen, was fur eine grosse, reichliche
Fettigkeit sich in den Morästen zu erkennen giebt, ‘besonders
in Roth- (Rödmyror) und Squacker-Mooren; denn, wenn das
Wasser ruhig steht und nirgends fliesst, extrahirt, saugt und
zieht es die innere Fettigkeit und Oelhaftigkeit aus dem Bo-
den, welche dann von dem Zutritt der Sonnenstrahlen und der
Kraft des Mondes unter dem Sommer sehr zunimmt, und end-
lieh entsteht solche Fettigkeit in dem Grade, dass schwefelhal-
tige Erze und Mineralien, gemeiner Schwefel, Feuerstein und
Eisen, ja mitunter wohl sogar Kupfer an solchen Orten von
der Natur hervorgebracht werden. Wie man hier in Schweden
an sehr vielen Stellen, auch in Finnland, ganze Gegenden von
mehreren Meilen, besonders in Savolax und Korelen und dann
an der russischen Grenze in Ingermanland u. s. w., sieht, was
für eine Menge von Mooreisen und Rothschlamm da zu finden
ist. Ja, alle röthlich gefärbte Moore sind schon mineralisch,
schwefel- und eisenhaltig;‘wie Proben sowohl im Niederschlag,
als im Feuer zeigen. Man hat auch Exempel davon, dass,
wenn solche Eisenerde ganz weggenommen wird, wächst sie mit
der Zeit von Neuem 'nach, hier geschwinder, da langsamer,
je riachdem ‚der Ort grössere oder geringere Menge von Fettig-
keit in sich hat, was ich selbst bei Medevi Hochbrunnen un-
g*
116
weit der Einfassung im Rasen und bei Baggeby daselbst alnige-
Jahre mit Fleiss beobachtet habe.“ u. s. w.
Ein wenig deutlicher sind die Ansichten, welche SweDsx-
BORG (1754) in dieser Hinsicht an mehreren Stellen ausspricht,
2. B. „Genesin et natales suos debere videtur succo illo paludi-
noso. ferreo, unde etiam, conspieue admodum aliquibus in locis
derivare a paludine vicina videtur „.... Ferrum enim sensim
generari videtur in aquis stagnantibus etiam humo palustri com-
miztis, et quasi. fermentatis, praecipue cum etiam igni solari et
Jrigori brumali expositae sint ...... Hoc etiam indicat matricem
esse ipsam. paludem, ex qua continuo in undas fluit suecus in
ipsa palude exclusus.“ etc. |
Deutlich ist die Erklärung S. Rınmass (1782): „Diese zu-
sammengeballten Ockerarten sind wahrscheinlich aus einem mit
Schwefel oder. dessen Säure mineralisirtem Eisenerz oder
Schwefelkies entstanden, das durch den Zutritt der Luft zu
Eisenerde verzehrt oder zersetzt worden ist; oder auch ist das
Eisen durch vegetabilische Säuren aufgelöst und daraus auf
verschiedene Weise ausgefällt worden.“
Die. Erklärung Werxer’s (1780, in der Uebersetzung von
UroxsteprT's Mineralogie) ‚entbehrt nur des Wortes Humussäure,
um noch heute als ganz richtig gelten zu können. Nach ihm
enthält: das Moorwasser eine aus organischen Substanzen ent-
standene Säure; es nimmt ‚das Eisen aus Erde und Steinen
auf. und lässt es bei Verdunstung, fallen; beim Austrocknen
des, Platzes erhärtet der so entstandene Ocker zu Sumpferz
(bei dessen Bildung Schwefelkies nicht mitwirkend sein soll),
In . der ‚neueren Zeit haben besonders Wırenann (1835),
KınpuLer (1837) und Sexet (1862) durch Hülfe der Humus-
säuren die Entstehung der Moorerze auf eine genügende Weise
zu erklären gesucht.
Aber nicht nur durch ihre Verwesung dürften organische
Stoffe, in diesem Falle mitwirkend sein, sondern auch durch
ihren Lebensprozess, wenn auch vielleicht weniger dadurch,
dass Gaillonellen etc. ihre Panzer von Eisenoxyd. bauen
(EHRENBERG), als auf eine mehr indirekte Weise, wie wir weiter
unten Gelegenheit haben werden näher zu betrachten. |
Es wäre jedoch sehr einseitig, nur der werdenden oder ster-,
benden organischen Natur: die Entstehung dieser Erze zuschrei-,
117
ben zu wollen, mit welehen wir Erscheinungen nahe verknüpft
sehen, welche der. unorganischen Natur angehören.
- Quellen, welche kohlensaures Eisenoxydul enthalten, setzen
täglich Massen von Eisenocker ab, welcher sich nicht wesent-
lich von gewissen Moorerzen unterscheidet, und nicht alle
Kohlensäure leitet ihre Entstehung von verfaulten Pflanzensub-
stanzen her. Das Wasser aus Schwefelkies- und Kupfergruben
lässt eine Menge von Eisenocker fallen; dieser ist wohl von
gewöhnlichen See- ‘und Wiesenerzen ein wenig verschieden,
aber wir werden einige sehr einfache Prozesse kennen lernen,
wodurch er in die letzteren verwandelt wird.
Bildungsweise der See- und Sumpferze.
Die Bildung der See- und Wiesenerze hängt, kurz gesagt,
davon ab, dass Eisenpartikel, welche in einer grossen Masse
‚Berg- und Erdarten zerstreut sind, auf dem nassen Wege auf
einem Punkt concentrirt werden. Sie müssen also in lösliche
Form versetzt werden; aber dabei werden auch gleichzeitig
andere Substanzen, je nach der Natur des Lösungsmittels und
der angegriffenen Bergart, in grösserer oder geringerer Menge
als das Eisen aufgelöst. Werden also aus einer solchen, viel-
leicht innerhalb eines grossen Areales gesammelten, aber auf
einem Punkte hervortretenden Lösung, alle mineralischen Be-
standtheile auf einmal gefällt, so kann die Fällung in eini-
‘gen Fällen reicher, in anderen auch ärmer an Eisen sein als
die Bergart, wovon die mineralischen Substanzen genommen
worden sind, und eine Concentration des Eisens findet nur
da statt, wo entweder die Lösungsmittel solche sind, dass sie
das Eisen wegführen, aber gleichzeitig keine andere Substan-
zen, oder die Ausfällungsmittel solche, dass sie aus einer zu-
sammengesetzten Lösung nur das Eisen ausfällen.
In der Natur kommt weder das eine noch das andere mit
mathematischer Genauigkeit vor, aber in- vielen Fällen sind die
Verhältnisse solche, dass sie sich den Bedingungen der hier
gesetzten Extreme nähern, und nicht selten helfen sich diese
beiden Concentrationsarten in der Weise, dass sie als Schluss-
resultat eine sehr reine Eisenfaällung hervorbringen.
Wir- werden zuerst einige der wesentlichsten Mittel be-
trachten, welche die Natur anwendet, um die sparsam und weit
vertheilten Eisenpartikel zu lösen und in Einem gemeinsamen
118
Wasserlauf zu sammeln, . aber: wir müssen einige allgemeine
Bemerkungen über schwedische Quellen. vorausschieken.
Tiefe, aus welcher die Quellen ' kommen.‘ Aus
Hısınger’s Zusammenstellung. der Temperatur verschiedener
schwedischen Quellen folgt, dass letztere in höherem, Grade
und öfter als anderswo von. der. mittleren Lufttemperatur der
Gegend, _ wo sie hervortreten, abhängt; die Temperatur der
Quellen drückt hier im Allgemeinen recht wohl die konstante
Mitteltemperatur der Erdkruste aus;’also können diese Quellen
nicht aus einer sehr bedeutenden Tiefe kommen: Da die mei-
sten schwedischen Mineralquellen (siehe die Analysen weiter
unten) Kali in einer viel grösseren Proportion gegen Natron
‘enthalten, als es: bei den Mineralquellen des Auslandes ge-
wöhnlich ist, und da bei Wässern, welche feste Silikatgesteine
durchdringen, ein entgegengesetztes Verhältniss stattfinden
sollte in Folge der schwereren Zersetzbarkeit .der: kalihaltigen
Mineralien, der leichteren aber der natronhaltigen, so hat man
allen Grund zu vermuthen, dass dieser grosse Kaligehalt nicht
aus dem anstehenden Gestein, sondern aus verfaulten Pflanzen-
resten aufgenommen worden ist; die fraglichen Mineralquellen
scheinen also nicht aus Klüften in dem festen Gestein zu
kommen, sondern sie können schlechthin Moorwasser sein, wel-
ches durch lose Erdschichten filtrirt worden ist. Diese Folge-
rung wurde hinsichtlich des Adolfsbergswassers vor vielen
Jahren von BiscHor gemacht. BerzeLıus dagegen schliesst
aus der konstanten Temperatur der Loka-Quelle (7 Grad), dass
dieses Wasser aus einer grösseren Tiefe kommt. Da die Mittel-
temperatur bei Loka etwa 5! Grad ist, so braucht jedoch diese
‚ Tiefe nicht grösser als ca. 150 Fuss zu sein, wenn die Erd-
temperatur mit 1 Grad auf je 100 Fuss zunimmt. -
Falu Surbrunn hatte nach HerLepaY im Mai 1855 eine
. Temperatur von 5 Grad; 1865 den 27. Januar fand ich die
Temperatur dieser Quelle ‘-+-4,2 Grad. Die Differenz von
0,8 Grad, die doch nicht der Unterschied zwischen dem Tem-
peratur-Minimum und Maximum ist, da letzteres erst im Nach-
sommer einzutreten pflegt, giebt zu erkennen, dass die fragliche
Mineralquelle aus einer geringeren Tiefe kommt als der, wel-
che der konstanten Erdwärme entspricht.
Aus allem Diesem dürfen wir schliessen, dass die schwe-
dischen Mineralquellen im Allgemeinen nicht aus tiefen Klüften in
119
dem festen Gestein kommen, sondern, dass sie sich zwischen
letzterem und den losen Erdlagern. sammeln oder nur zwischen
den letzteren, von welchen. also auch ihre; Mineralsubstanzen
grösstentheils herrühren mussen.
Lösungsmittel. Die Auflösung der unorganischen Sub-
stanzen kann vorzugsweise geschehen
‚1), durch reines Wasser,
2) durch Zersetzung von Kiesen und der dabei.
. „gebildeten Schwefelsäure und
'3) durch Kohlensäure _ Ra Wasser.
4) durch organische Säuren
"Da man weiss, dass reines: Wasser 0,013 pro mille von
seinem Gewichte Glas aus Gefässen löst, worin es gekocht
wird (FR#senıus), dass pulverisirtes Glas‘ von reinem Wasser
so rasch angegriffen wird, dass ein mit feuchtem Glaspulver
bedecktes. Lackmuspapier blau gefärbt wird, so durfte wohl
niemand bestreiten wollen, dass auch in der Natur vorkom-
mende Silikate in höherem oder geringerem Grade von reinem
Wasser mit oder ohne ‘vorhergehende Zersetzung aufgelöst
werden können. In dieser Hinsicht mit Feldspath angestellte
Versuche beweisen die Behauptung ebensowohl als Islands
kieselsäurehaltige Quellen.
Nach BiıscHhor wird kieselsaures Eisenoxyd von 105,000
Theilen Wasser gelöst, Magneteisenstein von 280,000 bis
300,000 Theilen, nach Biweau Dolomit von 10, 000 Theilen,
kohlensaurer Kalk von 200,000 bis 300,000, Eisenoxydul von
150,000 Theilen. Auch Kalk- und Talksilikate sind nach
PAGENSTECHER, MÜLLER und Löwıc in reinem Wasser löslich.
Von viel grösserem Gewicht als die Lösbarkeit der Mine-
ralien in reinem Wasser ist ihr Verhalten zu lufthaltigem
und saurem, da solches beinahe ausschliesslich in der Natur
vorkommt und wirkt.
Verwitternde Kiese. Nicht alles Schwefeleisen ver-
wittert gleich leicht, wenn es der Einwirkung feuchter Luft
ausgesetzt ist, am leichtesten der Wasserkies, demnächst der
Magnetkies, am schwersten der gewöhnliche tesserale Schwefel-
kies, dieser aber in verschiedenem Grade, je nach seiner Dich-
tigkeit und inneren Struktur. Kiese, die mit anderen Schwefel-
metallen oder mit Gold gemischt sind, verwittern leichter als
chemisch reine. Daraus entstand die Ansicht der alten Me-
120
tallurgen, dass Gold vorzugsweise in rostigen, angefressenem
oder wurmstichigem Kiese zu Hause sei, dass solche. Kies-
gänge die silberreichsten seien, deren Ausgehendes zu Braun-
eisenerz oder Ocker (Colorados, Gossan, Eiserner Hut) ver-
wittert ist. Kies, der in dünnen Lagen mit Blättern von
Glimmerschiefer, Thonschiefer, Talk wechselt, verwittert leich-
ter als solcher, der in derben Massen oder feinen Körnern in
krystallinisch körnigen Bergarten sitzt; je leichter die umge-
bende Bergart durch Schwefelsäure zersetzt wird, desto leich-
ter scheint auch der eingeschlossene Kies zu verwittern. Wie
man in Kiesgruben sieht, beschleunigt eine gewisse gleichför-
mige Temperatur in hohem Grade die Verwitterung.
In Mineraliensammlungen kann man oft wahrnehmen, dass
. das erste Produkt von verwitterndem Schwefelkies Eisenoxy-
dulsulphat ist. Dies setzt voraus, dass gegen 1 Atom Eisen-
vitriol 1 Atom Schwefel frei wird, oder dass 1 Atom freie
Schwefelsäure entsteht. Die Bildung letzterer zeigt die Zer-
störung des Papiers an, auf welchem die Kiesstufe liegt.
Findet dieser Prozess mit eingewachsenem Schwefelkies
statt, so muss die frei gewordene Schwefelsäure auf umliegende
Mineralien auflösend. wirken; die Vitriollösung wird in Folge
davon von anderen Sulphaten verunreinigt.
Aus Eisenoxydulsulphatlösung entsteht bei Zutritt der Luft
ein neutrales Eisenoxydsulphat, aber gleichzeitig wird auch ein
basisches Sulphat ausgefällt; beider (und in gewissen Fällen
auch Eisenvitriol-) Lösungen zersetzen umliegende Silikate, in
Folge wovon wiederum andere Sulphate zu dem Eisensulphate
kommen. Eine Quelle, die Wasser führt, welches mit einge-
wachsenem, verwittertem Kies in Beruhrung gewesen ist, kann.
also nebst den Metallen der Schwefelverbindung eine Menge
anderer Basen enthalten, welche durch die Einwirkung der
Schwefelsäure auf Mineralien entstanden sind, womit das Wasser
in Berührung gewesen ist.
Als ein hierhergehörendes Beispiel kann die Ronneby-
Quelle angeführt werden, welche nach BERZELIUS und WAcHT-
MEISTER in 1000 Theilen Wasser enthält;
; 121
Eisenvitrior . . . .” 1,0686
Zinkvitriöl®..- 2.2 2.00183-
Manganvitriol . . . 0,0260
Kalksulphat . . . . 0,3705 ,
Talksulphat.‘! . . . 0,1716
Ammoniakalaun . . 0,2126
Natronalaun . . „ . 0,4790
Kalialaun ... .:.0..0,0433
Chloraluminium . . . 0,0230
Kieselsaure . . . 0,1150
Extractivsubstanzen nieht bestimmt
Summe: 2,5229; -
spec. Gewicht: 1,00255.
Es ist begreiflich, dass aus einem Eisenoxydulsulphat-
haltigen Wasser, welches auf einem langen Wege mit leicht
zersetzbaren Silikaten, besonders aber mit Carbonaten in Be- .
rüuhrung kommt, der Eisenoxydgehalt von anderen Basen, (Kalk,
Talk, Alkali) ausgefällt werden kann; rühren diese von Car-
bonaten her, so kann die frei:werdende Kohlensäure einen an-
deren Theil von Carbonat in Bicarbonat verwandeln, welches
in Wasser löslich ist; auch Eisenoxydulsulphat kann in ge-
wissen Fällen mit Carbonaten in Eisenoxydulcarbonat und Sul-
phat von z. B. Alkali zersetzt werden. Also kann ein ur-
sprünglich rein vitriolisches Wasser nach längerer Berührung
mit z.B. kalkhaltigem Thon oder Mergel seinen ganzen Eisen-
oxydgehalt (und wenn es nur Eisenoxyd und nicht Oxydul
‘ enthielt, seinen ganzen Eisengehalt) verlieren und Eisenoxydul-
carbonat, Kalkcarbonat aufnehmen. Wir können als Beispiel
das Medevi- Wasser anführen, welches nach. BERZELIUS auf
16 Unzen enthält:
Kohlensäure und Schwefelwasserstoffgas 1,09 Volumproc.
Natronsulphat . . 0,01 Gran
T Kalksulphat . . 0,46 „,
»Chlornatrium : . :,0,32 ° ,,
Kalkcarbonat . . 0,31 „,
Talkearbonat . .:,.. 0,10. ,
Eisenoxydulcarbonat 0,25 ,,
Extractivsubstanzen 0,01
S Summe: 1,46 Er)
122 S
und Falu Surbrunn, in welchem HELLEDAY fand:
Kalisulphat. . . . 0,048 Gran
Natronsulphat. . ." 0,031, #W
Kalksulphat - . - . 0,3691,
Chlornatrium . . . 0,060
Kalkcarbonat . .- .:10,102::;;
Talkearbanat ; . .:0,09Blau5
Eisenoxydulcarbonat 0,030,
Kieselsäure . . . 60,097 5
Extractivsubstanzen . 0,129
Summe: 0,965 Gran ee pro 16 Unzen.
Wird ein vitriolisches Wasser auf och angegebene Weise
verändert, so muss dann auf jedes Atom darin befindlicher
Schwefelsäure 1l-Atom Kohlensäure (ganz gebundene) sich
finden.
Im Falu-Wasser wurde gegen 0,251 Schwefelsäure 0,107
Kohlensäure gefunden, während davon doch 0,137 hätten sein
sollen; im Medevi-Wasser verhält sich die Schwefelsäure zu der
gebundenen Kohlensäure wie 0,272: 0,283, während die Propor-
tion 0,272:0,156 sein müsste. Also ist aus dem Medevi-
Wasser Schwefelsäure verschwunden, und die 1,09 pCt.“Schwe-
felwasserstoff (und Kohlensäuregas) dieses Brunnens deuten
darauf hin, dass Schwefelsäure (durch organische Substanzen)
reducirt worden ist. Aehnliches findet mit vielen smaländi-
schen Mineralquellen statt.
Eine vitriolische Wasserader setzt während ihres ganzen
Laufs durch z. B. kalkhaltige Bergarten basisches Salz als
Ocker ab, was auch deutlich durch die rostfarbigen Klufte in
' vielen Gesteinen bestätigt wird. Die Behauptung, dass See- und
Wiesenerze in kalk- und thonreichen Gegenden gewöhnlich
nicht vorkommen, kann also nicht weiter als unbegründet be-
trachtet werden; denn ‘der Eisengehalt kann in solchen Ge-
genden hauptsächlich ausgefällt sein, ehe die Quellen an den
Tag treten. ;
SCHEERER fand als Verwitterungsprodukte von Schwefel-
kies im Alaunschiefer bei Modum Gyps, 2Fe’S + 21H,
NaS + 4EeS 1 94H.
Alles Eisen kommt also darin in der Form eines unlös-
123
lichen basischen Salzes*) vor, welches schwerlich. vom. Wasser
weggeführt werden dürfte. Der grosse Schwefelkiesgehalt des
Alaunschiefers konnte dann nicht bei der Verwitterung die Ent-
stehung vitriolischer Quellen oder Absetzungen von See- und
Wiesenerzen veranlassen. In den Alaunschiefer-reichen Ge-
genden von Nerike, Westergötland und Oeland kommen auch
nach dem, was man darüber weiss, keine solche Erze vor.
Kohlensäurehaltiges Wasser. Quellen, die an freier
Kohlensäure reich sind, gehören. vorzugsweise vulkanischen
Gegenden an, wo Emanationen von Kohlensäure die Imprägni-
rung des Wassers mit diesem Gas leicht erklären. Die in nicht-
vulkanischen Gegenden vorkommenden Kohlensäure - haltigen
Quellen, deren hohe Temperatur auf tiefer gehende Quelladern
schliessen lässt, werden nach BıscHor mit Kohlensäure gesät-
tigt, dadurch dass in Wasser gelöste Kieselsäure bei höherer
Temperatur auf kohlensauren Kalk, Talk u. s. w. reagirt.
In Schweden sind keine Quellen bekannt, die zu einer
der genannten Klassen gezählt werden können. Die kleine
Quantität freier Kohlensäure, welche in den meisten vorkommt,
ist zum Theil aus der Luft absorbirt, grösstentheils aber aus
verfaulten Pflanzenüberresten aufgenommen, deren Menge in
Proportion zu den Wäldern und Torfmooren einer Gegend steht.
Wasser,.welches nicht tief geht, kann nur unter geringem Druck
Kohlensäure absorbiren. Unsere Quellen sind also arm an
Kohlensäure, obwohl ihr Wasser in Berührung mit grossen
Quantitäten dieses Gases sein kann.
Kohlensäure-haltiges Wasser löst alle Mineralien auf, wel-
che auch von reinem Wasser aufgelöst werden., Einige aber
werden viel leichter von ersterem als von letzterem aufgelöst.
Alle in einer Quelle vorkommenden einatomigen Basen, die nicht
mit Chlor, Schwefelsäure verbunden sind, brauchen also nicht
nothweüdigerweise an Kohlensäure gebunden zu sein, sondern
sind wohl zum Theil an die Kieselsäure gebunden, welche bei
Analysen von Quellwassern gewöhnlich getroffen wird.
STRUCKMANN und LupwiG haben gezeigt, dass die in Was-
*) Ich will hier nicht unerwähnt lassen, dass Eisenvitriol-Efflorescenzen
auf schwedischen Alaunschiefern nicht selten vorkommen. Es ist jedoch
ungewiss, ob viel löslicher Eisenvitriol in einem Wasser nach dessen
Filtrirung durch Alaunschiefer zurückbleibe.
124
-
ser lösbare a einem sehr sauren, alkalischen Silikat
angehört.
ar Talksilikat, (auch Kalksilikat) kommen
nach Bıscnor in Kohlensäure-haltigem Wasser gelöst vor.
Die Losbarkeit der Kieselsäure wird durch einen Kohlen.
säuregehalt des Wassers nicht vergrössert.
100 Theile reines Wasser lösen 'nach STRUCKMANN
0,021 Si, 0,09 nach Lupwig, |
100 Theile Kohlensäure - ‚haltiges Wasser lösen nach
Smruckmann 0,0136 Si, 0,078 nach Lupwıs,
100 Theile Salzsäure-haltiges Wasser lösen nach SER
MANN 0,0172 Si;
dagegen nimmt die Lösbarkeit durch Zusatz von ein wenig
Alkali (so dass ein 'saures Silikat gebildet werden kann) zu.
100 Theile Ammoniak- und kohlensaures Ammoniak-
haltiges Wasser lösen nach Lupwıc 0,02 bis 0,062 Si,
100 Theile Ammoniak- und kohlensaures Ammoniak-
haltiges Wasser lösen nach STRUCKMAnN 0,091 bis
0,0986 Si. 5 |
Nach Lissie“ wird die Kieselsäure am leichtesten gelöst,
wenn sie in statu nascente eine hinlängliche Quantität Wasser -
trifft, und dieses findet in den meisten Fällen statt, wenn
Kohlensäure-haltiges Wasser auf Silikate wirkt.
‘ Weiter löst Kohlensäure - haltiges Wasser alle Carbonate
auf, dadurch dass sie dieselben in Biearbonate verwandelt. Auf
diese Weise wird der bei weitem grösste Theil des Kalkge-
halts der Quellen aufgenommen, wie auch des Eisenoxyduls,
wenn das Wasser in Berührung mit Eisenspath gewesen ist.
Am wirksamsten ist jedoch wohl das Kohlensäure-haltige Wasser
durch sein Vermögen, Silikate zu zersetzen, ebenso wohl wie
z. B. verdünnte Salzsäure. Am leichtesten werden Kalk- und
Natron -haltige Feldspatharten. und eisenreiche Augite ange-
griffen.
Neben ae Silikaten enthält die Lösung Alkali-
carbonat, welches wiederum auf eine grosse Menge Silikate
(nicht Talksilikate) zersetzend wirkt. Der Eisenoxydul- und
_ Mangangehalt der Mineralien wird als Bicarbonat aufgenommen.
125
Die Thonerde des Feldspaths bleibt nach der Zersetzung des-
selben hauptsächlich in einem kaolinartigen Minerale zurück.
Hier mag an WarLack’s obengenannte Eisenoxyd- und Thonerde-
Carbonate erinnert werden, wie auch an die Behauptung Orun’'s,
dass Al 2H (in einer eigenthümlichen Modifikation der
Thonerde) in Wasser lösbar sei, womit ein Erklärungsgrund
der Erscheinung geliefert werden mag, dass Thonerde in eini-
gen Wässern vorkommen kann, welche keine andere Säure als
Kohlensäure enthalten. In dieser Hinsicht ist es jedoch von
grösserem Gewicht, dass kiesel- und kohlensaure Alkalien
aus Silikaten Thonerde ausziehen können. Kommt Kohlensäure-
haltiges Wasser, welches die hier genannten Substanzen auf-
genommen hatte, in Berührung mit vitriolischem Wasser, so
treten viele Reaktionen ein, von welchen hier angeführt wer-
den mag, dass Kalkbiearbonat und Eisenvitriol sich in Gyps
und Eisenoxydulbicarbonat zersetzen. Je nach der Beschaffen-
heit der Mineralien, mit welchen Carbonat-haltiges Wasser auf
seinem Wege in Berührung kommt, ist seine ursprüngliche Zu-
.sammensetzung vielen Veränderungen ausgesetzt. Von beson-
derem Interesse für den hier zu behandelnden Gegenstand ist,
dass Eisenoxydulcarbonat ausgefällt wird, wenn eine Lösung
von Eisenoxydulbicarbonat auf kohlensauren Kalk reagirt; ein
sehr eisenreiches Wasser kann also in höherem oder geringe-
rem Grade den Eisengehalt verlieren, wenn es einen langen
Weg durch Mergel, Kalkstein oder kalkhaltigen Thon passirt,
und dadurch ohne Einfluss auf die Bildung der See- und
Wiesenerze werden.
Die Quellen, von deren Wasser Analysen hier unten mit-
getheilt werden, dürften vorzugsweise der Kohlensäure ihre
mineralischen Bestandtheile verdanken; aber auch verwitternder
Schwefelkies hat dazu beigetragen, und organische Säuren sind
ohne Zweifel gleichzeitig mit der Kohlensäure wirksam ge-
wesen.
126
Adolfsberg Lund Loka Ramlösa
(Berzerus) (LyensenL) (Berzeuis) | (Bertıs)
Kohlensäuregas . ... . 0,23pCt. = — er
Stickstoffgas ..... 0,41. 1; » „0,04 p@t. simıhı
Schwefelwasserstoffgas — ;, — — =
Kalsulphat. =... . 0,03Gran0,03Gran — 0,198Gran
Kalesulphat ..n . 000 — 0,029Granı er
Chlerkalum ..... 0,03 3 Ule 0,030 ,,
Chlornairmum.. — 0.06 ,„, 0,008, ee
Köhlens.Kalı. .., .20.10., 0.20 (Na0)— Mi
»: Lions 0,04 ,, —
rc a le ee 0,90... 0,2%... „0.051 027225
Si all — 0,09... .. 0.048 Da
„.. ‚Bisenoxydul-. 0.11. 0.19, —- 0127...
»» . Manganoxydul 0,03 ,, Spuren _ 0,018 ,,
Khonerde 2 2. 0. 7. = — — ON
Kieselsäure ...... 0,24 „ 0,12 „ ‚late, WalsDer
Extractivsubstanz.... . 0,13 ,„ — 0.0172, —
Summa: 1,17Gran1,05Gran 0,339Gran1,310Grau
pr.16Unz. pr.16Unz. pr. 16Unz. pr.16Unz.
Alle die vorstehenden Analysen geben einen Chlor-
gehalt an, dessen Entstehung hier nicht, wie an vielen Orten
im Auslande, aus Steinsalzlagern abgeleitet werden kann.
Wird er durch den Chlorgehalt verfaulter Pflanzentheile
erklärt, so muss nachgewiesen werden, woher die Pflanzen
das Chlor genommen haben. Unter allen Chlor-haltigen Mine-
ralien kommt hier im Lande keines so oft vor, als der Apatit,
dessen Ohlorgehalt bis 6,8 pCt. gehen kann. Er ist in Grün-
steinen und auf Eisenerzlagerstätten sehr gewöhnlich und wird
leicht von Kohlensäure-haltigem Wasser aufgelöst, er wird auch
von Alkalisilikaten in, Alkaliphosphat, Kalksilikat und Chlor-
kalium zersetzt. Wird auf diese Weise durch Apatit der Chlor-
gehalt des Wassers (und der Pflanzen) erklärbar, so kann man
Ks: wohin der Phosphorsäuregehalt des Apatits gerathen
‚ da in keiner von den obigen Analysen Phosphorsäure an-
a ist. Um eine Antwort auf diese Frage zu finden,
braucht man jedoch nur daran zu denken, dass Eisenfällungen
aus allen diesen Wässern stattgefunden haben durften, ehe sie
als Quellen hervortraten, und dass Eisenoxyd, aus Phosphor-
127
säure-haltiger Lösung gefällt, den ganzen Phosphorsäuregehalt
letzterer mitnimmt.
Endlich muss bemerkt werden, dass Chloralkalien in gerin-
gerer Menge allen aus Salzwassern abgesetzten losen Erd-
lagern anhängen, aus welchen sie nach und nach ausgelaugt
- werden. In Bohus Län kommen mehrere Salzquellen vor, wel-
che ihren Gehalt an Chlorkalium u. s. w. dem schwarzblauen
Fucus-Thon verdanken dürften. Zwei solche Quellen in Elfs-
bergs Län enthalten nach Analysen von OLBERS und SVANBERG:
Torpa Q. (Flundre Socken). Torps Q. (Hjertums Socken).
Temperatur = 11 Grad 10 Grad.
Spec. Gewicht = 1,0084 1,008.
Jodnatrium . 1.8058 0,4373
Chlornatrium 8,3605 8,3350
Chlormagnesium 0,3090 0,4487
Talkbicarbonat 1,2772 0,7780
Kalk. 0,1591 0,3063
Eisenoxydul ° . 0,0186 ==
Eisenoxydphosphat 0,0186 Spuren
Kieselsäure . _.. 0,0290 0,0339
Summa: 11,9441 (in 1000 Theil.) 10,3392.
Freie Kohlensäure = 0,1962.
Organische Säuren. Die meisten von den oben mit
getheilten Analysen geben in‘ den Quellen einen Gehalt an
Extractivstoff-an, von welchem man nicht glauben darf,
dass er ganz indifferent neben den unorganischen Bestandthei-
len vorkomme. Diese Extractivstoffe sind Humussäuren, mit
einem Theil der Basen verbunden, welche in den Analysen
als an Kohlensäure gebunden angegeben sind.*) Die Humus-
sauren entstehen bei Verwesung von Pflanzenuberresten z. B.
_ in Torfmooren. Eine Folge ihrer Bildung ist die Reduktion
von in vielen Sauren unlöslichem Eisenoxyd zu löslichem Eisen-
oxydul, und ein Produkt ihrer Zerstörung ist die Kohlensäure,
deren Lösungsvermögen soeben erwähnt worden ist. Ihr Ein-
*) Die Quantität von gebundener Kohlensäure dürfte kaum in einem
der analysirten Wässer direkt bestimmt worden sein; sie ist nach der
Quantität der Basen berechnet, zu dessen Sättigung hinlänglicher Vor-
rath an Chlor oder Schwefelsäure nicht vorhanden war,
128
fluss auf die See-..und Wiesenerzbildung muss deswegen ein
sehr grosser sein, und dasselbe gilt von den Torfmooren, den
Werkstätten der Bildung der Humussäuren.*) Bei der Fäul-
niss von vegetabilischen Stoffen unter einer gewissen niederen
-Temperatur und bei mässigem Zutritt von Luft und Wasser
entsteht sogenannter Humus, eine Mischung von namentlich
sieben mit einiger, Genauigkeit untersuchten Stoffen: Ulmin,
Humin, Ulminsäure, Huminsäure, G&öinsäure, Quell-
säure, Quellsatzsäure, welche theils direkte Fäulnisspro-
dukte sind, theils der eine aus dem anderen durch weitere
Zersetzung entstehen können. Findet keine weitere Zersetzung
‘ statt, so heisst die betreffende unveränderliche Substanz Hu-
muskohle oder auch todte Humuskohle.
Bei der Entstehung der genannten Säuren aus Ulmin und
Humin sind Alkalien sehr wirksam, namentlich Ammoniak.
Schon 1747 giebt WALLERIUS „Hirschhornspiritus® als eines der
Destillationsprodukte des Torfes an. Die Alkalien verbinden
sich mit den entstehenden Humussäuren in statu nascente. Nach
MULDER giebt bei derartigen Fäulnissprozessen das Wasser
Veranlassung zur Bildung von Salpetersäure. Wir dürfen uns
da nicht wundern, dass Quellen, welche durch humushaltige
Erdlager geflossen ‘sind, salpetersaure Salze enthalten. So
fand Baur in 10000, Theilen. Wasser aus einem Brunnen in
Stockholm (Drottningzaten No. 66)
Kieselsäure. ... 0,149
Bas. een Kalk 0,053
Schwefelsauren Kalk . .. 0,602
Kohlensauren Kalk . . . 3,648
Talkı-., 2.5-,.20,820
99
Chlognatrium., as sohrudse 9,018
Schwefelsaures Natron . . 1,554
= Kali aut. -.124090
Salpetersauren Kalk . .. 6,686
ne Ballen le
Eisen. 2, lan neun
Summe: 26,285.
"1.18 der schwedischen Publikation dieses Aufsatzes ist die Humi-
fikation ausführlich erörtert, hier nur das EnssieN für den vorliegenden
Fall darüber Nöthigste mitgetheilt.
129
»Die letzten Zersetzungsprodukte aller dieser Säuren sind
Wasser, Kohlensäure und, wenn sie mit Ammoniak ver-
bunden gewesen sind, kohlensaures (und salpetersaures) Arimo-
niak. | -
Geschieht ein solcher Verwesungsprozess ohne Zuführung
von Sauerstoff von aussen, so wird dazu ein grösserer Theil
des Sauerstoffgehaltes der Pflanzensubstanz verbraucht, und
die Folge ist, dass eine gewisse Portion Wasserstoff frei wird,
welcher theils mit Stickstoff zu dem schon erwähnten Ammoniak
zusammentritt, theils mit Kohlenstoff, Phosphor und Schwefel
zu dem übel riechenden Wasserstoffgas, das sich oft aus Wasser
entwickelt, auf dessen Boden Pflanzen verwesen. Solches Gas aus
dem See Rälängen in Smaland fand Baur zusammengesetzt
aus:*) :
Kohlensäure . 6,324
Stickstoff . . 43,235
Grubengas . 49,588
Wasserstoff . 0,853
Sauerstoff . 0,000
Kohlenoxyd . 0,000
: 100,000
. Es ist gar nicht unwahrscheinlich, dass neben diesen
gasförmigen auch feste oder fliessende Kohlenwasserstoffverbin-
dungen durch Verwesung von Pflanzensubstanzen unter dem
Wasser gebildet werden können. Aber nicht alle wachs-,
harz-, talg- oder asphaltähnlichen Substanzen, welche oft
genug in Torfmooren gefunden werden, müssen als auf diese
Weise entstanden betrachtet werden, weil sie hauptsächlich in
den Pflanzensubstanzen fertig gebildet vorkommen können, ehe
diese zu verwesen anfingen (Chlorophyll,Harz, Terpen-
tin). Das sogenannte „Pysslingebrödet“ (mit Bernstein ge-
mischte Asphaltkrusten, die in den Torfmooren Skänes vor-
"kommen) dürfte wohl ein Kunstprodukt sein,- das von den
Alten benutzt wurde, um Steinwaffen an Holzstielen zu be-
festigen.
*) Als man 1864 Solstads Grube (unweit Westerwik) gewältigte,
auf deren. Boden altes Grubenholz unter Wasser verfaulte, entwickelte _
sich Kohlenwasserstoffgas in so grosser Quantität, dass es über dem
Wasser angezündet werden konnte und danach zu brennen fortfuhr, ganz
wie auf Wasser gegossenes Oel.
Zeits.d.d.geol.Ges.XVIII 1. 5)
130
Der zu der 'Humifikation nöthige Sauerstoff‘ wird 'dem-
nächst aus Oxyden aufgenommen, welche zu Oxydulen reducirt
werden können, wie aus Eisenoxyd und Manganoxyd. Den
auffallendsten Beweis für diese Behauptung giebt die Acker-
erde, deren Eisenoxydulgehalt nach Versuchen von PEpys, Lewis,
Parivnıps u. a. von durchströmendem Sauerstoffgas in Oxyd
nicht verwandelt ‘wird, so lange Humus in der Erde zu
finden ist.
“ Das Reduktionsvermögen verwesender Pflanzensubstanzen
kann so weit gehen, dass schwefelsaure Metalloxyde in Torf-
schlamm; Fucus- Thon .u. a. in Schwefelmetalle verwandelt
werden. In der Sammlung der Wissenschaftsakademie in Stock-
holm befindet sich ein Stuck metallisches Eisen mit ganz deut-
licher Holzstruktur, welches auf der schwimmenden Insel des
Seees Rälänugen gefunden wurde. Es ist jedoch fraglich, ob-
dies Eisenstück aus Oxyd auf nassem Wege reducirt oder nicht
wahrscheinlicher Roheisen ist, das im Hohofen ein Stuck
Holzkohle durchdrungen und deren Gefüge angenommen hat. Die
Sammlung der Bergschule in Falun besitzt ein Stuck Gusseisen,
welches auf die Weise die deutlichste Holzstruktur angenommen
hat, dass es beim Giessen mit Tannenholz in ‘Berührung ge-
kommen ist, dasselbe verbrannt, aber seine vegetabilische
Struktur bewahrt hat. Ebenso habe ich öfters beobachtet, dass
die Holzpflöcke, womit man die Stichöffnungen schwedischer
Rohöfen. schliesst, vom Rohstein (im Heerde) $anz verbrannt
waren, und an ihrer Stelle befand sich ‘ein Pfropfen Rohstein
mit deutlicher Holzstruktur.
Unter Torfmooren entwickelt sich sehr oft auf einer Unter-
lage von Sand oder Silikat - Bergarten ein Leben von. kiesel-
bepanzerten ‚Diatomeen, welche da alle Bedingungen für ihre
Entwiekelung finden. ‚Ihr Lebensprozess bedingt das Aus-
athmen von Sauerstoff, wodurch wiederum eine schnell
fortschreitende Humifikation bewirkt wird, deren Produkte. die’
mikroskopischen Algen nähren. j
Endlich darf man nicht vergessen, dass verwesende Pflan-
zensubstanzen den Sauerstoff ozonisiren, welcher dadurch um
so schicklicher wird, die Humification zu beschleunigen.
Die Produkte der Verwesung der Pflanzen, z. B. in einem
Torfmoore, sind theils in Wasser unlösbar (Humuskohle, Ulmin,
Humin, auch die resp. Säuren, da das Wasser wenig sauer ist),
131
theils löslich (Quellsaäure, Quellsatzsäure). "Anwesenheit von
Alkalien vergrössert in hohem Grade die Lösbarkeit. 3857 Theile
Wasser ziehen aus Torfschlamm 1 Theil Humussäuren, wovon
der sogenannte Humusextrakt seine gelbe oder braune
Farbe bekommt, die den meisten: Wasserströmen Smälands
und Norrlands so allgemein ist. Ä
Neben den jetzt erwähnten Humussäuren mussen wir auch
an die Gerbsäuren denken, die in vielen sehr gewöhnlichen
Pflanzen vorkommen, z. B. in. Calluna vulgaris, Ledum palustre,
. Pinus 'sylvestris ete., an einen durch Säuren coagulirenden
Körper gebunden, nach dessen Verwesung ihre Reaktionen
hervortreten. Die Gerbsäuren aus verschiedenen Pflanzen be-
sitzen gewiss verschiedene Zusammensetzung und Eigenschaften,
alle aber können Eisenoxyd zu Oxydul reduciren und unlös-
liche, schwarzblaue, grünliche oder bräunliche Eisenoxydul-
oxydsalze geben. Aus einigen entsteht Gallussäure durch Ein-
wirkung verdünnter Schwefelsäure oder durch Gährung. Weitere
Zersetzungsprodukte sind die Pyrogallussäure und eine
eigene Art von Humussäuren.
Von Interesse ist für uns die Erscheinung, dass Gerbsäuren
Eisenoxyd reduciren, dass gerbsaures Eisenoxydul in Wasser
löslich, gerbsaures Eisenoxyduloxyd unlöslich ist. Gerbsaure
Alkalien sind löslich, gerbsaurer Kalk und Talk (basische Salze)
unlöslich. 3. ham
Auch die Gallussäure reducirt Eisenoxyd zu Oxydul,
gallussaures Eisenoxyduloxyd ist unlöslich, das Oxydulsalz da-
gegen in Wasser löslich. Gallussaure Alkalien sind leicht
löslich, die Kalk- und Talksalze schwer löslich, gallussaure
Thonerde ist unlöslich.
Thonerde (auch Kohle) absorbirt und hält grosse Quan-
titäten Gerb- und Gallussäure fest. : In Smäland findet man
öfters im Walde Wasserlöcher, die mit einem schwarzen Schlamm
angefullt sind, welcher von ‘den Bauern unter dem Namen |
„Swartjord* zum Schwarzfärben von Zeugen gebraucht wird.
Er ist nichts als eine Mischung von Sand und dergleichen mit
Thonerde, welche Gerb- und Gallussäuren absorbirt hat und ihre
schwarze Farbe einem wenig Eisenoxyduloxyd verdankt.
Ihr ‘Auftreten in nicht geringen Quantitäten giebt zu der
Schlussfolge Veranlassung, dass die fraglichen Säuren an
n ga
132
manchen Orten eine nicht unbedeutende Rolle bei der Sees und
Wiesenerzbildung spielen müssen. |
Nicht nur dadurch, dass während des Humusbildungs-
prozesses das Eisenoxyd in den losen Erdlagern (z. B. unter
einem Torfmoore) zu Oxydul reducirt wird, welches in kohlen-
säurehaltigem Wasser löslich ist, wirken die Verwesungspro-
dukte kräftig bei der See- und Wiesenerzbildung. Ihr. haupt-
sächlichster Einfluss hängt davon ab, dass sie selbst unter
gewissen Bedingungen ‚Eisen etc. auflösen, und dass sie unter
anderen Verhältnissen Eisenfällungen verursachen können.
Halten wir uns nun zuerst an ihr Vermögen, aus der
Erde Eisen zu lösen, so wird dieses in einem jeden ockerigen
Sandlager, wo Pflanzenwurzeln verwesen, bestätigt. Rund um
die Wurzel ist nämlich das Eisen weggefüuhrt und der Sand
gebleicht, oft 1 bis 2 Zoll weit von einer ] Linie dieken Wurzel.
Auf diese Beobachtung gründete KınpLer seine Theorie über
die Wiesenerzbildung.
‘ Eisenoxyd, Manganoxyd und Thonerde geben mit den
Humussäuren unlösliche Salze (nach SPRENGEL wird jedoch
huminsaures Eisenoxyd in 2300 Theilen Wasser, humin- und
geinsaure Thonerde in 4200 Theilen gelöst); aber die mehr-
basischen Säuren mit den genannten Oxyden und mit Ammo-
niak sind leicht löslich. In der Natur ist ein jeder Humus-
extrakt ammoniakhaltig und kann also hummussaures Eisen-
oxyd etc. aus den Erd- und Bergarten auflösen, mit welchen
er in Berührung kommt. In den meisten Fällen ist jedoch so
gute Gelegenheit zur Reduktion des Eisenoxydes an allen .den
Orten gegeben, wo Humussäuren gebildet werden und wirken,
dass man in allen den entstehenden Lösungen das Eisen als
Oxydul voraussetzen kann. Humussaure Eisenoxydulsalze sind
in reinem und ammoniakhaltigem Wasser leicht löslich. Humus-
saurer Kalk wird von 2000 Theilen Wasser, huminsaurer Talk
. von :160 gelöst; auch quellsaure Talkerde ist leicht löslich.
Quellsaurer Kalk dagegen ist schwer löslich, quellsatzsaurer
Kalk und Talk sind in reinem Wasser unlöslich, in ammonia-
kalischem aber löslich. | | gi
Torfextrakt, der durch lose Erdlager oder Ritzen in Gesteine
'eindringt, kann also auch ohne Beihulfe der Kohlensäure aus der
Erde als ein Mineralwasser hervorkommen. Dass das Torf-
wasser wirklich Mineralsubstanzen und besonders Eisen auf-
Be 133
löst, -wird z. B. dadurch bewiesen, dass Grünsteine, welche
unter Torfmooren liegen, gebleicht und sogar kaolinisirt werden,
wie auch durch die Kaolinisation des Smäländischen Glaeier-
Gruses zu der oben erwähnten „‚Hoitlera‘“. Verschiedene Er-
scheinungen deuten an, dass diese Auslaugung verhältnissmässig
sehr rasch geschieht. |
In einem Torfmoore Skänes wurde ein Messer von Feuer-
stein gefunden, das mehrere Linien tief weiss und undurch-
sichtig war. DBerzELıus fand in der äusseren, verwitterten
Schale: Kali 3,2 pCt., Kalk 3,2 pCt., aber kein Eisenoxyd
und keine Thonerde. Dagegen wurdein der inneren, beinahe un-
veränderten Masse: Kali 1,34 pCt., Kalk 5,74 pCt., Eisenoxyd und
Thonerde 1,20 pCt. gefunden. Also hatte der Feuerstein aus dem
umgebenden Torfwasser Kali aufgenommen, gleichzeitig aber
den ganzen Eisenoxyd- und Thonerdegehalt und einen Theil
des Kalkgehaltes an dasselbe abgegeben.
Auf einem Torfmoore nahe Carlsjö in Smaland fand ich
viele lose Fragmente von einem labradorreichen Diorit, welche
das Ansehn dicker Nägel hatten. Ueber dem Moore traten
namlich rundliche Köpfe hervor, die alle mit‘ in den Torf
versenkten Spitzen versehen waren, welche von der ringsum
weggelösten Steinmasse zurückgeblieben sind.
An dem Meeresufer kann man oft wahrnehmen, dass
Muschelschalen, die zur Hälfte in Schlamm (an verfaulten
Pflanzensubstanzen reich) stecken, wohlerhalten sind. so
. weit sie frei liegen, während der versenkte Theil ganz auf-
gelöst ist. Der Kalkgehalt der Schalen ist hier wahrscheinlich
von den humusartigen Säuren des Schlammes weggefuhrt.
." Feuersteingerölle, welche in ungeheuren Massen an der
Meeresküste unweit Brighton vorkommen, sind glatt und
glänzend, wenn sie frei liegen; solche aber, die in verfaulten
Meertang gebettet sind, zeigen oft eine rauhe, gewissermaassen
.geätzte Oberfläche. Bei dieser beginnt eine Auslaugung, die
dann auf eine Weise fortschreitet, worüber das oben erwähnte
Feuersteinmesser Aufschluss giebt. 1eR
Es ist natürlich, dass Wiesenerz unter einem Torfmoore,
wo die Humifikation fortgeht, nicht existiren kann; es wird
eben so leicht und vielleicht leichter als die Eisenoxydtheile im
Grus, Thon etc. aufgelöst. Aus diesem Grunde kann Wiesenerz,
134
das unter Torfmöoren vorkommt, nicht daselbst gebildet
worden sein.
Es darf mit grösserer Wahrscheinlichkeit als Seeerz be-
trachtet werden, welches durch das Verschwinden des Sees
auf’s Trockne gerathen und vielleicht grade im Begriff ist,
aufgelöst und weggeführt zu werden. 'Anders ist das Ver-
hältniss, ‘wenn „‚todte“ Humuskohle über dem Wiesenerze
liegen sollte.
Obschon die Möglichkeit gegeben ist, dass Mineral-
quellen 'nur humussaure Salze enthalten, so dürfte doch dies
in der Wirklichkeit selten oder niemals vorkommen. Da bei
dem Verwesungsprozess immer Kohlensäure entsteht,‘so folgt
ein Theil davon dem Humusextrakte und wirkt auf Mineral-
substanzen auf die Weise, welche oben, wo von dem Lösungsver-
mögen kohlensäurehaltigen Wassers die Rede war, angegeben
wurde. Kommt Wasser, welches Bicarbonate aufgelöst enthält, in
Berührung mit humussäurehaltigen Lösungen, so wird ein Theil
der Bicarbonate in Humate verwandelt, und das Resultat ist
eine Mischung von kohlensauren und humussauren Salzen, in
Wasser gelöst. Freier Sauerstoff, der vielleicht in einem mine-
ralischen Wasser vorkommen kann, wird von den Humussäuren
absorbirt, sobald diese mit dem Wasser in Berührung kommen.
In den schwedischen Mineralwässern, deren Luftgehalt
bestimmt worden ist, werden nur Kohlensäure, Stickstoff und
Schwefelwasserstoffgas angegeben, aber nicht Sauerstoffgas,
und doch absorbirt Wasser bei 5 Grad C. (nach Bunsex) aus
der Atmosphäre eine Luft mit 63,35 pCt. Stickstoff, 2,68 pCt.
Kohlensäure und 33,97 pCt. Sauerstoff, welche also den Sauer-
stoff in reicherem Maass als die Atmosphäre enthält. Auch die
Sulphate werden von den Humussäuren redueirt; der Schwefel
wasserstoff in Medevi und anderen Wassern ist davon eine Folge.
Mehrere der Quellen, von denen Analysen oben mitgetheilt
sind, dürften ebensowohl den Humussäuren als der Kohlen-
säure ihre mineralischen Bestandtheile verdanken. Als ein
Beispiel von Wasser, dessen mineralische Bestandtheile haupt-
sächlich durch Humussäuren gelöst worden sind, mag die
Porla-Quelle gelten, welche nach BerzeLius in 100,000 Theilen
enthält:
135
Chlorkalum ladiaa „swb. 9398
Chlörnatelum 41%. nasion. elle OLABT
Quellsaures Natron . . «0,6413
Quellsaures und Kohlen ante
Ammoniak rs. alsır. Jikoire1270,8608
Kalkbiearbonat NS TEN INES
Talkbicarbonat .... ..° 2... 1,9108.
Manganoxydulbicarbonat . . 0,0307
Eisenoxydulbicarbonat . . . 6,6109
Phosphorsaure Thonerde . . 0,0110
Kieselsanke uosior. noaulait- 051185892060
Quellsäuren .... ...: 5.2539
een 29,4058.
In „Porla Drängstugukälla“ fand Berzeuius 10: Volum-
procent Kohlensäure und ausserdem Stickstoff und Kohlen-
wasserstoft. ;
Die meisten smäländischen Mineralquellen dürften in ihrer
Zusammensetzung dem Porla-Wasser nahe kommen.
. Im Hotsby-Wasser (Temperatur am 26. Juli 1857 7,2 Grad;
die Lufttemperatnr 20 Grad) fand ich 1858: Quellsäuren,
Kohlensäure, Schwefelsäure, Chlor, Kieselsäure,
Eisenoxydul, Kalkerde, Talkerde, Manganoxydul,
Alkalien, Ammoniak. Der Eisengehalt war: 0,0043 pCt.
Eisen oder 0,0055 pCt. Eisenoxydul. Die von dem Wasser
absorbirte Luft bestand aus Kohlensäure, Stickstoff
nebst Kohlenwasserstoff und Schwefelwasserstoff-
gas.
Der Mineralquelle von Hotsby ganz ähnlich ist jene von
Lannaskede, gleichfalls in Smaland, worin Hauserg fand:
In der kleinen Quelle: Feuerbeständiges 1,512; Or-
ganisches 0,188; Summe 1,700, A \
in der grossen Quelle: Feuerbeständiges 1,133; Or-
‚ganisches 0,293; Summe 1,426
in 10000 Theilen Wasser. :
Das Feuerbeständige bestand aus: kohlensauremEisen-
oxydul, kohlensaurem Kalk, kohlensaurem Talk,
Chlornatrium, Kieselsäure. -
Fällungsmittel. Wir haben keine Ursache zu vermuthen
dass die Wässer, aus welchen See- und Wiesenerze abgesetzt
werden, ihre mineralischen Bestandtheile in wesentlich anderen
136
Proportionen oder Verbindungen enthalten, als obige Analysen
von eisenhaltigen Quellen zeigen. Wir sehen, dass die meisten
von ihnen wiesenerzartige Ocker absetzen, und wir können
also nicht daran zweifeln, dass ein Theil der Wiesenerze von
- ihnen herrührt. Ebenscwohl wie an dem Seestrande können
solche Quellen auch auf dem Seeboden selbst hervortreten (dass
Quellen auf dem Boden aller grösseren Erzseen hervordringen,
wird durch Luhme in dem neugebildeten Eis bestätigt), und
gegen Absetzungen von Ocker unter dem Wasser giebt es keine
chemische Grunde.
Die mitgetheilten Analysen zeigen, dass unter den mine-
ralischen Bestandtheilen in einem Wasser das Eisen oft einen
sehr unbedeutenden Theil ausmacht. Von den in den Erd-
lagern zerstreuten Eisenpartikeln hat also bei der Lösung
keine absehbare Concentration im Quellwasser stattgefunden,
und wenn durch eine einfache Verdampfung die mineralischen
Bestandtheile ausgefällt wurden, so würde die Fällung in den
meisten Fällen so arm an Eisen sein, dass sie als ein Eisen-
erz nicht betrachtet werden könnte. Wenn aus diesen Quellen
eine Eisen-Erzbildung stattfinden soll, muss die Concen-
tration des Eisens also hauptsächlich den auf das Mineral-
wasser reagirenden Fällungsmitteln zugeschrieben werden,
welche vorzugsweise Eisenoxyd präcipitiren, während sie andere
Bestandtheile gelöst lassen.
Fällung aus vitriolischem Wasser. Alles schwefel-
saure Eisenoxydul, dessen Lösung mit der Luft in Berührung
kommt, wird allmälig zu schwefelsaurem Eisenoxyd oxydirt;
ist die Lösung neutral, so wird eine solche Oxydirung immer
von der Ausfällung eines basisch schwefelsauren Eisenoxyd-
salzes begleitet.
Aus einer Lösung von neutralem Eisenoxydsulphat wird
basisches Eisensulphat durch die Verdünnung der Lösung mit
Wasser ausgefäll. Nach SCHEERER trüben sich (bei 14 Grad)
10,000 Theile Wasser, worin ein Theil neutrales Eisenoxyd-
sulphat gelöst worden ist; die Ausfällung geschieht um so
vollständiger, je mehr die Lösung verdunnt und je mehr sie er-
hitzt wird. Von 1 Theil Salz, in 1000 Theilen‘ Wasser ge-
löst, wird bei gewöhnlicher Temperatur 0,9 ausgefällt. Die
Fällung hat die Zusammensetzung 5 Fe’ S + 9 H, enthält
12,4 pCt. S und ist ockergelb, wird aber um so dunkler, je
.
137
mehr die Lösung verdünnt wird. Es ist unstreitig, dass eine
solche Fällung in einem Seebassin ebensowohl als in einem
Glasbecher stattfinden kann, aber vollständiger geschieht sie in
ersterem in Folge von der grösseren Verdünnung. Uebrigens haben
die Vitriolsieder lange dieses Fällungmittel gebraucht, um eine
Vitriollösung von Eisenoxydsulphat zu befreien, welches die
‘grüne Farbe des Vitriols verdecken und ihn für gewisse Zwecke
weniger passend machen wurde. In Falun wurde das vitrioli-
sche Grubenwasser in grosse Teiche geleitet, wo es vom Regen
(auch durch dahin geleitetes süsses Wasser) verdünnt wird;
nach einiger Zeit hat die Eisenoxydfällung stattgefunden, und
die klar gewordene Lösung wird gradirt.
Da andere Sulphate durch die Verdünnung der Lösung
nicht ausgefällt werden, so kann aus einer vitriolischen Quelle
(z. B. der Ronneby-Quelle), die in einem See ausrinnt, eine Ab-
setzung von beinahe reinem basisch schwefelsauren Eisen-
oxyd entstehen und mit der Zeit bedeutend wachsen, wie man
von dem, was oben hinsichtlich des Tisken bei Falun angeführt
worden ist, ersehen kann.
Liefert die Ronneby-Quelle z. B. jährlich 5 Kubikfuss
Wasser pro Minute, so würde sie jährlich in einem See 631 Otr.
Eisen als Ocker absetzen. Diese Eisenmasse entspricht etwa
1470 Ctr. gewöhnlichem Seeerz. Eine Eisenoxydfällung nimmt
jedoch immer aus der Lösung, worin sie stattfindet, kleine
Quantitäten von anderen Substanzen (Kieselsäure, Kalk, Talk,
Thonerde te.) mit, welche also einen auf diese Weise ge-
bildeten Ocker verunreinigen.
Demnächst entsteht die Frage, auf welche Weise das aus-
gefällte Eisenoxydsulphat von der Schwefelsäure befreit wird,
da die See- und Wiesenerze gewöhnlich nur Spuren dieser
Säure enthalten. Es ist möglich, dass Wasser durch lange
Berührung einen Theil davon auszuziehen vermag, aber schnell
und vollständig geschieht die Extraktion durch Alkalien (z. B.
Ammoniak) und alkalische Erdarten, frei oder an Kohlensäure
oder Humussäuren gebunden, so wie sie in allen Torfwässern
vorkommen. In dieser Hinsicht stellte ich einige Versuche mit
Ockern an, die sich aus dem Grubenwasser bei Falun abge-
setzt haben.
Der Ocker aus dem Bach gleich unterhalb des „Drott-
ningschachtes“ enthielt, auf dem Wasserbad getrocknet: |
138
In Säuren Unlösliches . 372 ı
Eisenoxyd mit ein wenig
Thonerde ... 2. .40,8
Küpferoxyd:: Niet eisen Biiknar a :
Schwefelsäure u 34...1..s115 SC sr
Bhosphoteäiure ne seen
Wasser ra. De el
Organischesiulu dl...
Kalk, Talk, Manganoxy-
aul,. Verlust. -.24+222.058
> +6:R1N0
2- Gramm von diesem Ocker wurden 16 Stunden lang mit
humussaurem Ammoniak digerirt, welches durch Extraktion von
Torf mit Ammoniak und die Neutralisation des Extrakts durch
Salzsaure bereitet war. Bei der Neutralisation entstand -eine
dunkelbraune Fällung,, welche von der gelben Lösung nicht
filtrirt wurde; also wurde eigentlich zum Experiment humus-
saures Ammoniak + Hunussäuren angewendet. In kurzer
Zeit wurden die aufgeschlämmten Humussäuren von dem
Eisenocker vollständig ausgefällt, und die Lösung wurde bei-
nahe wasserklar. Die wohl gewaschene und auf dem Wasser-
bad getrocknete ‚Fällung wog 2,67 Gramm und war zusammen-
gesetzt aus:
Humussäuren, Wasser, Spuren von Ammoniak (wovon
etwa 16,£ pCt. Humussäuren) . . 23,7
In Säuren Unlösliches 34,8
Schwefelsäure . . 15
Kupferexyd x. u%..1247
Eisenoxyd und ein
wenig Thonerde 37,9
Summe 99,6. -
Dieselben Reaktionen, welche concentrirte und erhitzte
Lösungen hier binnen Kurzem bewirkten, müssen sich in der
-
Natur einfinden, sobald verdunnte Lösungen bei niedriger Tem-
peratur lange auf schwefelsäurehaltigen Eisenocker wirken.
Um die Richtigkeit dieser Behauptung zu prüfen, wurde
der Ocker analysirt, welcher sich aus dem Grubenwasser in
dem See Tisken (nahe an seinem westlichen Strande Daglös- '
dägten) abgesetzt hatte. Er enthielt, auf dem Wasserbad ge-
trocknet: - |
139
In Säuren Unlösliches = 7
" Humussäuren ...... ren nem
Masser mine ar: ei
Eisenoxyd u. Thonerde 44,1
Kupteröoxyd 2... .1..7*0,2
Schwefelsäure . . .. 5,5
Phosphorsäure . . . Spuren.
Kalk, Talk, Mangan-
‘oxydul, Verlust . 0,9
100,0.
Vergleicht man diese Analyse mit der obigen von Ocker
nahe dem „Drottningschachte* genommen, welcher nur 0,8 pCi.
organische Substanzen, aber 11,5 Schwefelsäure enthielt, so
erscheint es unstreitig, dass die Verminderung des Schwefel-
säuregehalts auf 5,5 pÜt. keinen anderen Ursachen zuzu-
schreiben ist als den Salzen der im Tisken gelösten organi-
schen Säuren, von welchen im Ocker 7,4 pCt. Humussäuren
wieder gefunden werden.
Humussaures Ammoniak nimmt jedoch nicht allein die Schwe-
felsäure aus schon gefällten Ockern weg, sondern vermag auch
in Eisenvitriollösungen Eisenfällungen zu bewirken. Eine con-
centrirte Eisenvitriollösung wurde mit einer Lösung von aus
Torf bereitetem, humussaurem Ammoniak, in welchem Humus-
sauren aufgeschlammt waren, digerirt. Diese wurden bald nach
_ der Vereinigung beider Lösungen ausgefällt, und die Lösung
über der Fällung wurde klar. Die Fällung hatte nach dem
Auswaschen und Trocknen auf dem Wasserbad eine dunkle
Farbe, gab einen grünlichen Strich und zeigte sich zusammen-
gesetzt aus:
Wasser, organische Substanzen (Ammoniak) 93,08
Schwefelsäure . . N 0,04
Eisenoxyd (in der Fällung Kherkäiee wm 6,88
- 100,00.
Das ausgefällte Eisen kann grösstentheils wieder gelost
werden, wenn man die frische Fällung mit einem Ueberschuss
des Fällungsmittels digerirt. Enthält der Eisenvitriol Eisen-
oxyd, so gelingt das Ausziehen des Eisens aus der Fällung
nicht vollständig, auch nicht, wenn die Fällung vor der Diges-
tion getrocknet worden ist.
Diese Versuche geben Erklärung über eine Bildungsart
140
von sogenanntem „Grönörke‘ (grünes eisenoxydulhaltiges
Seeerz), aber sie zeigen auch, dass je nach dem Ueberwiegen
von Vitriollosung oder Humuslösung in einem See Erz ausge-
fallt oder schon abgesetztes Erz vielleicht wieder aufgelöst
werden kann.
Es wurde oben eine Analyse von Ockerschlamm aus dem
Tisken mitgetheilt, welcher unterhalb der Bergschule an der
östlichen Seite des Sees aufgenommen wurde. Da Falu &
durch den See Tisken rinnt, so ist wenig wahrscheinlich, dass
eine absehbare Quantität des Ockers, der aus dem Graben-
bach auf der entgegensetzten westlichen Seite des Sees ab-
gesetzt wird, jenseits des Stromlaufes zur Ausfällung gekommen
sei. Der dortige Schlamm muss also hauptsächlich als eine
Fällung der aus umliegenden Schlackenhalden gelösten mine-
ralischen Substanzen durch die organischen Säuren, die Falu a
mit sich fuhrt, betrachtet werden.
Oberhalb der Stadt enthält dieser Strom neben ein wenig
Kieselsäure nur organische Substanzen (nach GAuns Analyse),
während des Laufs durch die Stadt wird er durch Abfälle von
‚Färbereien, Gerbereien etc. verunreinigt. Die Zusammensetzung
des fraglichen Ockers war:
Kieselsäure . . . 39,9
Wasser». ni. dalnsin #952 Ninck rein went
Organisches . . . 27,85 ° Ammoniak
Eisenoxyd u. Thon-
erde '2nir al, 9033
Kupferosydr aa 0,5
Schwefelsäure . . 0,4
Posphorsaure« . 7290377
Kalk, Talk, Mangan-
oxyd, Verlust . . 08
Summe: 100,0.*) 2
Diese Analyse zeigt einen Schwefelsäuregehalt, der nicht
grösser ist als jener in vielen Wiesenerzen , und doch dürfte
die Lösung der Mineralsubstanzen hauptsächlich durch Schwefel-
säure geschehen- sein, die bei der Verwitterung der’ in der
Schlacke sitzenden Rohsteinpartikeln entsteht.
*) Die angegebenen Zahlen ergeben die Summe 105,2.
Anm. d. Redaktion.
141
Kupferoxyd wird nach FORCHHAMMER aus neutraler Kupfer-
vitriollösung durch Humussäuren gefällt.
Die Analyse zeigt auch einen Phosphorsäuregehalt, der in
dem Ocker an der anderen. Seite des Sees nicht zu finden ist.
Ich kochte Ocker aus dem Bache nahe dem „Drottning-
schachte‘‘ mit humussaurem Ammoniak und’ Phosphorsalz, aber
wiewohl der Ocker die Humusssäure ausfällte und von seinem
Schwefelsäuregehalt befreit wurde, so nahm er doch keine
Phosphorsäure auf. Als.hingegen Eisenvitriol mit einer neu-
tralen Lösung von humussaurem Ammoniak und Phosphorsalz
gekocht wurde, entstand eine phosphorhaltige Fällung
von humussaurem Eisenoxydul (Oxyd?). Wir haben daher alle
Ursache zu glauben, dass ein ausgefällter Ocker (Seeerz)
keinen Phosphor aus den phosphorsäurehaltigen Lösungen auf-
nimmt, die mit dem Ocker nach seiner Präcipitation in Be-
rührung kommen, aber dass phosphorsäurehaltiges Seeerz ent-
steht, wenn die Fällung des Ockers aus einer phosphor-
säurehaltigen Lösung geschieht, oder wenn der Ocker auf
Pflanzenuberresten mit phosporsäurehaltiger Asche ausgefällt
wird. Dass das Eisenoxydul eben so gut als das Eisenoxyd
bei der Fällung Phosphorsäure mitnimmt, wird durch die eben
angefuhrten Versuche angedeutet, wie auch durch die Erschei-
nung, dass der Vivianit in Wiesenerzen und Torfmooren ge-
wöhnlich mit weisser Farbe vorkommt (phosphorsaures Eisen-
oxydul), die erst bei dem. Zutritt der Luft in Blau (phosphor
saures Eisenoxyduloxyd) verwandelt wird.
Kommen Gerb- oder Gallussäurelösungen mit Eisenvitriol-
lösungen zusammen, so wird, wenn die Luft Zutritt hat, ein tinten-
schwarzes Oxyduloxydsalz ausgefällt.e. Dieselbe Präcipitation
findet auch in gerbsäurehaltigen Pflanzensubstanzen statt, welche
Eisenlösungen aufsaugen. Man sieht oft genug steinharte und
tintenschwarze Heidekrautstengel, welche auf diese Weise mine-
ralisirt worden sind.
Dass kohlensaure Alkalien und alkalische Erdarten Eisen-
oxyd (in gewissen Fällen auch Oxydul) auszufällen vermögen,
ist eine bekannte Sache. Ich will deswegen hier nur an den
Gehalt an kohlensauren Alkalien und alkalischen Erden in
Torfwasser und in Quellen erinnern, wie ihn die meisten mit-
getheilten Analysen anzeigen.
Von besonderem . Interesse ist hierbei die Beobachtung
142
Yorkzs’, dass Eisenoxydhydrat, aus einer Sulphatlösung durch
kohlensaures Natron gefällt, die Zusammensetzung F? H° oder
dieselbe wie die meisten Brauneisensteine hat.. |
Dass bei der Präcipitation von Eisenoxyd auch andere
gelöste Substanzen mit zur Fällung kommen, ist sehon be-
merkt worden, und dadurch dürfte der Gehalt der Seeerze an
Kalk- und Talkerde, wie auch an Kieselsäure erklärt werden
können. Alle mitgetheilten Analysen von Quellen geben eine
Quantität Kieselsäure an, welche, mit dem Kieselsäuregehalt
des Quellwassers verglichen, relativ-grösser als in den See-
erzen ist; also braucht das Eisenoxyd keineswegs den ganzen
Kieselsäuregehalt des Wassers mitzunehmen, um von Kiesel-
säure so verunreinigt zu werden, wie die Seeerze zu sein pflegen.
Es ist ziemlich allgemein angenommen, dass verwesende orga-
nische Substanzen gelöste Kieselsäure begierig aufnehmen.
L. v. Buch hat gezeigt, dass bei der Silifikation von Muschel-
schalen nicht der Kalk, sondern die zwischen den Kalklamellen
liegenden thierischen Membranen zuerst und hauptsächlich
die Kieselsäure absorbiren. Die meisten fossilen Bäume sind
silifieirt. Pfeiler der Brücke, die Trajanus über die Donau
unterhalb Belgrad schlagen liess, sind durch das Wasser der
Donau auf eine Tiefe von mehreren Zollen mit Kieselsäure
imprägnirt. Papier, das in eine Wasserglaslösung getaucht
und danach gewaschen wird, hält einen grossen Theil der
Kieselsäure des Wasserglases fest; alles dieses deutet auf das
Vermögen organischer Substanzen hin, die Kieselsäure zu ab-
sorbiren und festzuhalten. Findet eine Fällung von Eisenoxyd
gleichzeitig mit eimer solchen von organischen Substanzen oder
“mit deren Hilfe statt, so kann eine gleichzeitige Ausfällung
von Kieselsäure in grösserer Menge, als vielleicht die Eisen-
.oxyde allein mitzunehmen vermögen, kein Erstaunen erregen.
Ich will jedoch hier nicht unerwähnt lassen, dass Lissie’ bei
agrieulturchemischen Versuchen zu dem Resultat gelangte, dass
gebrannter Thon grosse Quantitäten gelöster Kieselsäureabsorbirt,
aber dass dies nicht mit humusreicher Erde derFall ist,
weil nach seiner Ansicht die Kieselsäaure humussaure Salze zu
zersetzen nicht vermag. Weiter unten werden "wir sehen, dass
eine Menge von Kieselsäure durch den Lebensprozess der so-
genannten Infusionsthiere aus Lösungen ausgefällt wird, woraus
- auch gleichzeitig Secerze ausgefällt werden.
143
Hier will ich als eine weitere Art der Ausfällung der
Kieselsäure nur noch anführen, dass aus verdunnten Wasser-
glaslösungen im Lauf der Zeit eine harte Kruste von beinahe
reiner Kieselsäure auf dem Boden des Gefässes abgesetzt wird,
und die erwähnten Reaktionen dürften hinreichend sein, um
den Kieselsäuregehalt des Seeerzes zu erklären, wenn sie auch
nicht alle gleichzeitig wirkend sind.
Den Thonerdegehalt der Seeerze zu erklären, ist in vielen
Fällen nicht so leicht, da nach den meisten oben mitgetheilten
Analysen von Wässern die Quellen keine Thonerde ent-
halten. Nach Bıscnor werden jedoch Spuren von Thonerde in
beinahe allen Quellen gefunden, wenn sie bei dem bei der
Analyse ausgefällten Eisenoxyd aufgesucht werden. Dass die
Thonerde aus quell- und quellsatzsaurer Ammoniak - Thonerde
(die gewiss in manchem Torfwasser enthalten ist) ausgefallt
wird, soll weiter unten. erwähnt werden. Hier mag nur be-
merkt werden, dass thoniger Schlamm einen bedeutenden Theil
des Thonerdegehalts: der Seeerze und vielleicht auch ihres
Kieselsäuregehalts liefern dürfte: nicht nur durch mechanische
Einmischung, sondern auch dadurch, dass Eisenoxydhydrat Si-
likate zersetzt, mit welchen es sich im nassen Zustande in
langer Berührung. befindet. :
Mündet eine vitriolische Quelle nicht auf dem Seeboden,
sondern auf dem trockenen Lande aus, so finden auch da Eisen-
fällungen von basisch schwefelsaurem Eisenoxyd statt, welches
durch die Oxydation des Oxydulsulphats zu Oxydsulphat ge-
bildet wird. Das gleichzeitig damit entstehende neutrale Oxyd-
sulphat kann jedoch in diesem Falle nur durch zutretende Basen
oder‘ Alkali- und andere Salze mit schwachen Säuren ausge-
fällt werden, welche gleichzeitig mit dem Eisenoxyd auch
andere im Wasser gelöste Oxyde präcipitiren, so dass eine
solche Fällung (Wiesenerz) mehr durch fremde Substanzen
verunreinigt wird als ein analoges Seeerz. Diese Fällungen
können sich auf oder nahe an der Erdoberfläche absetzen, in
compakten Massen oder mit Sand gemischt, welcher von ihnen
zu einem ockerigen Sandstein zusammengekittet wird („Ort-
stein“).
Die Schwefelsäure dürfte auch in diesem Falle aus dem
Ocker dureh Lösungen von humussaurem Ammoniak (Torfwasser)
entfernt werden, welche durch die Eisenfällungen ihren Weg
144
nehmen. Es ist leicht zu begreifen, dass diese Extraction der
Schwefelsäure unter übrigens ähnlichen Verhältnissen in be-.
deutendem Grade durch die Einwirkung der Sonne befördert
werden muss. Eine Beobachtung von SWEDENBORG dürfte für
diese Behauptung als ein Beweis gelten, aber:ich weiss nicht,
ob .die Erfahrung der Neuzeit in dieser Hinsicht die Aussage
SWEDENBOR@’S bestätigt: „Paludes hujus generis prostant, 'quae
devexo et declive solem meridianum prospiciunt, humus ibi melioris
sanguinis venam sive ochram recondit: sed si solem decliwe boream
spectat, datur vena vilioris pretü. —“ |
Da nach oben mitgetheilten Versuchen Ocker keine Phos-
phorsäure aus Lösungen aufnimmt, welche mit demselben in
Berührung kommen, und da auf der anderen Seite die Aus-
laugung der Schwefelsäure aus compakten Ockermassen weniger -
vollständig geschehen muss, als wenn die verschiedenen Humus-
lösungen mit dem Ocker bei dessen Ausfällung in einem See
in Berührung kommen, so würde es nicht sonderbar erscheinen,
wenn aus vitriolischen I,ösungen entstandene Wiesenerze ge-
wöhnlich mehr Schwefel und: weniger Phosphor enthielten als
die entsprechenden Seeerze, was auch mit der älteren Er-
fahrung übereinstimmt.
Rinnt vitriolisches Wasser durch ein Torfmoor, so muss
dadurch die Humifikation verzögert oder verhindert werden, da
die Schwefelsäure die Alkalien absorbirt, welche die Entstehung
der Humussäuren beschleunigen. Damit ist die‘ Ausfällung
eines basischen Eisensulphates verbunden, welche jedoch auf-
hört, sobald die ganze Torfmasse mit Vitriol getränkt ist. Wir
können es daher nicht sonderbar finden, dass der Vitriolgehalt
vieler Torfmoore so bedeutend ist, dass er nutzbar gemacht
werden kann (wie in Böhmen), auch nicht, dass Efflorescenzen
von Alaun, Bittersalz ete. in vielen Torfmooren vorkommen,
oder dass eine beträchtlichere Ablagerung von Wiesenerz in
Torfmooren nicht stattfinden kann, obschon’vitriolisches Wasser
durch dieselben seinen Weg nimmt, und obschon nicht nur
humussaure Alkalien, sondern auch die Humuskohle Eisen-
oxyde aus der Lösung auszufällen vermögen. Hkuımann,
WEPPEN, CHEVALLIER, Wassington u. a. haben Versuche uber
die Ausfällung von Metalloxyden aus ihren Salzen durch nicht
vollständig‘ gebrannte -organische Substanzen angestellt, von
welchen Versuchen hier nur angeführt werden mag, dass aus
145
Lösungen von Kupfervitriol, essigsaurem Eisenoxyd, Eisen-
chlorid, Zinkvitriol, Eisenvitrio)l und Chromvitriol basische
Salze ausgefällt wurden; Alkalien, Gyps, Alaun, Kalk (aus
Kalkwasser) wurden dagegen nicht gefällt. In Frankreich und
Deutschland wird Lignit anstatt Knochenkohle zum Klären von
. Zuckerlösungen gebraucht, in Indien sogenanntes Ulmin (der
braun gewordene Saft von Acer-Arten) zu demselben Zweck.
Thonerdehydrat hält die Humussäure fest, und dasselbe gilt
(wie es scheint) von ganz indifferenten Substanzen, wie Gyps
und schwefelsaurem Baryt. Es lag daher, mit Hinsicht auf
alle diese Thatsachen, nahe, das Verhalten der Humus-
kohle zu Eisenlösungen zu prüfen. Schlamm aus dem öst-
lichen Tisken wurde mit Salzsäure ausgekocht und danach
gewaschen, bis das Waschwasser Humussäuren zu lösen an-
fing. Eine grössere Menge kochende, concentrirte Eisenvitriol-
lösung wurde ‘durch diesen Schlamm filtrirt, wobei eine klare,
braune Lösung durch das Filtrum ging. Während des Waschens
mit heissem Wasser wurde das Filtrat von einem basischen
Salze getrubt. |
Der vorher dunkelbraune Schlamm hatte nach dem Trocknen
eine schmuzig ockerbraune Farbe. 0,493 Gramm von dem mit
Säure ausgelaugten Schlamm, 0,146 Gramm Wasser und orga-
nische Substanzen (nach dem Trocknen auf dem Wasserbad)
enthaltend , hatte aus der Eisenvitriollösung 0,010 Gramm
Eisenoxyd (als Oxydul in der Fällung?) ausgefällt, d. i. etwa
7 pCt. von dem Gehalt des Schlammes an organischen Sub-
stanzen und Wasser. Dieser Versuch zeigt, dass nicht allein
die humussauren Alkalien in einem Torfmoore, sondern auch
die Humuskohle (und freien Humussäuren) aus Vitriollösungen
Eisen auszufällen vermögen. Die geringe Quantität des ge-
fällten Eisens sagt jedoch zugleich, dass eine solche Präeipita-
tion aufhören muss, sobald eine relativ so unbedeutende Eisen-
quantität zur Ausfällung gelangt ist, dass sie wohl den grossen
Eisengehalt in der Asche vieler Toorfarten, nicht aber eine ab-
sehbare Wiesenerzbildung in einem Torfmoore erklären kann.
Sobald die Torfsubstanz so viel Eisen ausgefällt hat, als sie
vermag, kann naturlicherweise die Eisenvitriollösung dieselbe
ohne weitere Zersetzung passiren. Dass die Gerb- und Gallus-
. säuren in verfaulenden Wurzeln, Stammenden ete. aus einge-
saugten Lösungen Eisenoxyd ausfällen, wurde schon erwähnt,
Leits. d.d. geol Ges. XVII. 1. 10
146
und wir können aus den jetzt angeführten Versuchen schliessen,
dass Fällungen ausserdem durch die Humuskohle und Humus-
säuren bewirkt wurden, welche in verfaulenden Bäumen vor-
kommen. Da Schwefelsäure die Holzsubstanz kohlt, so ist
natürlich, dass solche in Erz verwandelte Holztheile meisten-
theils eckohle worden sind, da vitriolische Lösungen die Eisen-
imprägnation bewirkten. |
Ueberall, wo sich schwefelkieshaltige Gesteine, Luft und
Wasser (am liebsten kohlensäurehaltiges) finden, können auch
vitriolische Quellen gebildet werden, welche durch eben er-.
wähnte Reaktionen die Veranlassung zur Entstehung der See-
und Wiesenerze geben. Diese Verhältnisse kommen in den
limonitreichsten Gegenden Schwedens vor, und man dürfte
daher nicht bezweifeln können, dass ein Theil der See- und
Wiesenerze aus vitriolischem Wasser auf die hier angegebenen
Weisen gebildet wird, welche hier etwas weitläufig behandelt
worden, weil sie wenig oder gar nicht von den neueren
Verfassern über diese Gegenstände, wie KINDLER, WIEGMANN,
BiscHor, SENFT berührt worden sind. |
Fällung aus kohlensauren Lösungen. Kommt
. eine Quelle, welche freie Kohlensäure und Bicarbonate von
Kalk, Eisenoxydul, Manganoxydul etc. enthält, in Berührung
mit der Luft, so verschwindet zuerst die freie Kohlensäure,
demnächst die an Eisenoxydul- (und Manganoxydul-) Carbo-
nate halb gebundene und zuletzt die an Kalkcarbonat halb
gebundene. Die Folge davon ist, dass aus 'einem solchen
Wasser zuerst Eisenoxydul- (und Manganoxydul-) Carbonat
ausgefällt wird, also eine fractionirte Präeipitation, durch welche
aus einem eisenarmen kohlensauren Wasser nahe an der Mün-
dung der Quelle ein eisenreicher Niederschlag bewirkt werden
kann. In der zuerst entstehenden Fällung wird die Präeipita-
tion des Eisens durch die grosse Neigung des Eisenöxyduls,
sich höher zu oxydiren, in hohem Grade begünstigt.
Aus einer Lösung von Eisenoxydul-Bicarbonat wird nämlich
bei dem Zutritt der Luft nicht nur Eisenoydulcarbonat, sondern
gleichzeitig auch eine gewisse Menge Eisenoxydhydrat ausge-
fällt, während sich Kalkbicarbonate etc. gelöst halten, je mehr,
je niedriger die . Temperatur ist.
Um die Richtigkeit dieser Behauptung zu beweisen, dürfte
es hinreichend sein, einige der Analysen Lupwig’s von Ocker-
147
fallungen, welche sich in verschiedener Entfernung von der Quell-
öffnung des Nauheimer Sprudels abgesetzt haben, mitzutheilen:
IK II. II.
Kohlensaurer Kalk . . 35,40 83,58 87,81
Kohlensaurer Talk . . — 2,49 9,05
Bugenosydar.r. ... 7, 44.28 2,07 | 9.05
Aemsanosyd .'... .. 211 5,49 [ k
Bmeschsaure. % ..,. . 2,09 3,09 Spuren
emsenikeaurer . 2... ,. 1.09 — —
Geaanisches . . 7... .— _ 0,12
ae nun, 14,92
eins ee Se 3,28 0,97
I. ist der Ockerabsatz bei der Quellenmundung.
II. ist der Ockerabsatz 220 Meter von der Quellen-
mündung.
Ill. ist der Ockerabsatz 400 Meter von der Quellen-
mündung. }
Es leuchtet aus diesen Analysen nicht nur ein, dass der
Gehalt des Absatzes an kohlensaurem Kalk und Talk mit der
Entfernung von der Quellöffnung zunimmt, und dass in demselben
Maasse der Eisen- und Manganoxydgehalt (der unmittelbar bei
der Quellöffnung am grössten ist) abnimmt, sondern auch dass
die Kiesel- und Arseniksäure hauptsächlich mit dem Eisen
ausgefällt werden. Man weiss, dass die Phosphorsäure sich
gegen Eisenoxyd analog der Arseniksäure verhält, und es darf
daher nicht überraschen, dass Seeerze, welche sich aus kohlen-
säurehaltigem Wasser absetzen, den ganzen Phosphorsäurege-
halt der Lösung, woraus die Fällung geschieht, mitnehmen.
Das Verhältniss zwischen Kieselsäure auf der einen und
Eisen- und Manganoxyd auf der anderen Seite ist nach I und
U im Durchschnitt wie 2,87 :26,97 — 1:9,4 und im Durch-
schnitt bei schwedischen Seeerzen, nach SvAnBERG’s Analysen,
wie 12,64:68,14 = 1:5,4. Ich mache diesen Vergleich nur,
um zu zeigen, wie Ocker, dessen Absatz aus Quellen vor dem
Auge liegt, relativ gegen den Eisengehalt nicht viel weniger
Kieselsäure enthalten als die Seeerze, deren Absetzung, unserer
Meinung nach, aus ähnlichen Quellen geschehen ist. In dem
vorliegenden Fall wirkt jedoch nur ein Factor zu der Präcipita-
10*
%
148
‚tion der Kieselsäure (namlich das fallende Eisenoxyd), während
wir dagegen oben gesehen haben, dass bei der Seeerzbildung
mehrere andere gleichzeitig zur Kieselsäurefällung mitwirkend
sein können.
Der nicht so ungewöhnliche Kohlensäuregehalt der Seeerze,
welcher oft grösser zu sein scheint, als dem Kalk- und Talk-
gehalt des Erzes entspricht, kann durch die. Annahme . leicht
‘erklärt werden, dass aus kohlensäurehaltigem Wasser gefällte-
Ocker Eisenoxydulcarbonat enthalten, welches nicht zur
Verwandlung in Eisenoxydhydrat gelangt ist. Hier mag auch
an die mögliche Existenz von Eisenoxyd- und Thonerdecarbo-
naten erinnert werden, nach Angaben von Waruack (siehe
oben) und SoUBEIRAN, welcher letztere beobachtete, dass Crocus
Martis aperitivus in feuchter Luft zu einem Kohlensäurehaltigen
Eisenoxydhydrat verwandelt wird, vielleicht von der Zusammen-
setzung FC’ --6F H°. In allen Seeerzen, welche Eisenoxydul
neben mehr Kohlensäure enthalten, als der anwesende Kalk
zu binden vermag, hat man jedoch grössere Veranlassung die
Existenz von Eisenoxydulcarbonat zu vermuthen, als jene von
den genannten Oxydearbonaten.
Bei Analysen kann man oft wahrnehmen, ‘wie begierig
Eisenoxyd- und Thonerdehydratfällungen kleine Quantitäten
von Kalkcarbonat, Talk ete. mitnehmen und festhalten. Diese
Erscheinung erklärt den geringen Kalk- und Talkgehalt der
See- und Wiesenerze; denn die Wassermenge in einem See
dürfte hinreichend sein, um das in geringer Quantität mit dem
Eisenocker ausgefällte Kalkcarbonat ganz und gar aufzulösen,
da letzteres (nach Fresenius) von 10,600 Theilen Wasser gelöst
wird, sofern Spuren davon von den Eisenoxydhydraten nicht
festgehalten wurden. *)
Da der geringe Talkgehalt einer Quelle in den meisten
Fällen an Kieselsäure gebunden sein muss, so kann die Talk-
erde natürlicherweise nicht zur Ausfällung gelangen, da die
Quelle mit einem See verdunnt wird, sofern nicht andere
Fällungen kleine Portionen davon mitnehmen.
*) An den Ufern einiger Smaländischen Flüsse (z. B. Emman nahe
Holtsby) kann bisweilen eine lose Kalkfällung beobachtet werden, die sich
vielleicht aus kohlensaurem Wasser abgetzt hat, nachdem daraus die Aus-
fällung ‘des Eisenockers in den Seen stattgefunden hat.
EN ars
149
Von dem Thonerdegehalt in aus kohlensäurehaltigem Wasser
ausgefällten Seeerzen gilt dasselbe, was oben bei den aus
vitriolischen Wässern entstandenen ausgeführt wurde.
Der Mitwirkung des organischen Lebens bei ‘der Seeerz-
bildung aus kohlensäurehaltigem Wasser wird weiter unten er-
wähnt werden.
Münden solche Quellen nicht unter dem Wasser, sondern
auf der Erdoberfläche aus, so verdampft die freie und halb ge-
bundene Kohlensäure schneller, das Eisenoxydul wird leichter
oxydirt, und die Absetzung von Ocker geschieht daher rascher
als in ersterem Falle. Ein solcher Ocker (Wiesenerz) muss
jedoch von Kalkcarbonat ete. mehr verunreinigt sein als das
entsprechende Seeerz; denn unter den gegebenen Verhältnissen
werden auch die übrigen Mineralbestandtheile der Quelle leichter
ausgefällt, und Wasser fehlt zu ihrer Wiederauflösung.
In einem Torfmoore, wo die- Humifikation fortschreitet,
kann aus kohlensäurehaltigem Wasser Eisenoxydhydrat nicht
abgesetzt werden, aber die Ausfällung von einfachem Eisen-
oxydulcarbonat ist da in vielen Fällen möglich; und wenn wir
auch Eisenspath-Sumpferze nichtkennen, welche diese Behauptung
beweisen .könnten, so haben wir doch alle Ursache, eine beinahe
ähnliche Entstehung bei den meisten Sphärosideriten zu ver-
muthen, welche mit Steinkohlen ete. zusammen vorkommen.
Dass organische Säuren, welche Fällungen in Vitriol-
lösungen bewirken (z. B. Gerbsäuren,, Gallussäure etc.) auch
aus Eisenbicarbonatlösungen unter gewissen Verhältnissen Oxy-
duloxydsalze präcipitiren können, leuchtet von selbst ein, und
solche Reaktionen können ebensowohl bei der Bildung von See-
erzen als bei der von Wiesenerz lokal wirkend sein.
Fällung aus humussauren Lösungen. Eisen-
oxyd, Thonerde u. a. Sesquioxyde werden aus humus-
sauren Lösungen nicht durch Alkalien oder kohlensaures Alkali
gefällt; denn die Humussäuren verhindern die Fällung auf die-
selbe Weise, wie Weinsäure und andere nicht flüchtige orga-
nische Säuren. Auch treiben die Humussäuren Kohlensäure
aus Alkalicarbonaten aus, und in Wasser unlösliche, einfache,
humussaure Salze nehmen das Alkali auf, um mehrbasische,
lösliche Salze zu bilden. Es ist daher leicht zu erklären,
dass in Torfmooren oder Seen eine Ockerfällung nicht dadurch
bewirkt werden kann, dass sich alkalinische Quellen mit dem
150
Moor- oder Seewasser mischen, worin humussaure Eisenoxyde
gelöst sind; im Gegentheil, schon gebildete Ocker, welche
Humussäure enthalten (gewisse See- und Wiesenerze), können
durch das Dazwischenkommen von alkalinischen Quellen theil-
weise wieder aufgelöst werden.
Die Ausfällung des Eisengehalts aus humiusaan Lösungen
kann dagegen unter den in der Natur gegebenen Verhältnissen
auf mehrfache Weise geschehen. Wirkt eine freie Säure (z.B.
die Schwefelsäure, die in einem See vorkommt, wo aus neu-
tralem schwefelsaurem Eisenoxydul basisches Eisenoxydsulphat
ausgefällt worden ist) auf ein mehrbasisches, humussaures
Sesquioxydsalz ein, welches durch seinen Ammoniakgehalt
löslich ist, so wird dieser ausgezogen, und das Sesquioxydsalz
wird ausgefällt.
Dieselbe Wirkung übt auch Eisenoxydsulphat aus, und
die dadurch entstehende Fällung besteht theils aus Eisenoxyd-
hydrat (aus dem Sulphate), theils aus humussaurem Sesqui-
oxyd. Enthält das mehrbasische, humussaure Salz nur Mon-
oxyde, so wird sein Ammoniakgehalt ebenfalls von stärkeren
Säuren ausgezogen, aber dabei entsteht keine Fällung, da auch
die einfachen, humussauren Oxydulsalze leicht löslich sind.
In der Lösung der letzteren findet jedoch eine eisenhaltige Fällung
statt, sobald der Oxydulgehalt Gelegenheit hat, sich zu oxy-
diren.
Endlich entstehen Fällungen , hwöh aus einfachen, als
mehrbasischen, humussauren Salzen, durch die Oxydation der
Humussäuren und deren schliessliche Verwandlung in Kohlen-
säure und Wasser. Quellsaures Eisenoxydul ist in Wasser’
leicht löslich; aber sobald die Quellsaure in Quellsatzsäure -
verwandelt wird, und das Eisenoxydul in Oxyd, entsteht ein Ocker,
dem. von Porla ähnlich, von welchem oben eine Analyse mit-
getheilt ist. Diese Verwandlung der Humussäuren sind Oxy-
dationsprozesse. Wenn daher Sauerstoff nicht von aussen zu-
geführt wird, so muss er aus dem Salz selbst genommen werden,
z. B. von einem darin befindlichen Sesquioxyd, welches zu
Oxydul reducirt werden kann. Da aber die resp. Oxydulsalze
löslich sind, so kann keine Fällung entstehen, ehe ein Zu-
schuss von Sauerstoff von aussen möglich macht, dass gleich-
zeitig mit der Oxydation der Humussäuren das Eisenoxydul
zu Oxyd oxydirt werden kann; oder ehe die Humussäuren in -
151
Wasser und Kohlensäure verwandelt sind. Die Kohlensäure
wird dann au die Oxydule des ehemaligen humussauren Salzes
gebunden, und diese werden nach und nach aus der Lösung
_ auf dieselbe Weise ausgefällt, welche wir oben hinsichtlich der
Carbonate andeuteten.
Bei diesen Fällungen spielt daher die Oxydation eine
Hauptrolle, und weiter unten werden wir finden, wie der dazu
nöthige Sauerstoff hauptsächlich durch organisches Leben zu-
geführt wird. Ausserdem würde die Ausfällung äusserst lang-
sam geschehen, wenn sie nicht durch vitriolische Quellen lokal
befördert würde.
Es folgt auch aus dem Angeführten, dass in einem zu-
sammenhängenden System von eisenhaltigem Moorwasser die
Verhältnisse an einem Orte für Eisenfällungen günstiger sein
können als an einem anderen, je nachdem auf der einen Seite
z.B. vitriolische Quellen hervordringen oder lebende Pflanzen Vor-
rath an Sauerstoff etc. liefern, oder auf der anderen Massen von
verfaulenden Pflanzensubstanzen Sauerstoff consumiren und die
Oxydation des Eisenoxyduls verhindern; ferner dass an demselben
Orte zu verschiedenen Zeiten bald Ausfällung, bald Auflösung von
ausgefälltem Ocker stattfinden kann, je nach dem Vorrath an
Sauerstoff, welcher auf humussaure Metallösungen oder auf
verfaulende Pflanzensubstanzen einwirkt. Letztere entziehen
dem Eisenoxyd Sauerstoff, verwandeln sich in Humussäuren
und führen das Eisenoxydul weg. Gewöhnlich dürften unter
übrigens ähnlichen Verhältnissen Oxydation und Ausfällung
während des Sommers, aber Reduktion und Auflösung während des
Winters*) überwiegen. Seeerze sind daher keineswegs sehr
®) Das Gas, welches sich aus einem Teich im Marburger botani-
schen Garten entwickelte, hatte nach Busen die Zusammensetzung:
(im Winter) (im Sommer)
Kohlenwasserstof. . . 47,97 76,61
2. Wohlensaure 2 7... 010 ==
Sanerstoffstein. ac = 0,17 9,36
Stiekstof,.. & san. Jarmunlddhad 18,03
Der Gehalt an freiem Sauerstoff ist hier während des Sommers also
31 Mal grösser als während des Winters; daher ist auch im Sommer
31 Mal grössere Gelegenheit zur Oxydation d. i. Ausfällung von we
aus möglicherweise anwesenden Eisenlösungen.
\
152 .
beständig; sie können Spielbälle eines oft erneuerten Streits
zwischen Oxydations- und Reductions-Prozessen (oder Aus-
fallung und Wiederauflösung) sein, besonders so lange sie noch
in dem Zustande von ockerigem Schlamm vorkommen.
Einige Verhältnisse tragen jedoch dazu bei, dass Eisen-
oxydhydratfällungen, welche noch nicht in compakte Massen
verwandelt sind, besser der Wiederauflösung widerstehen kön-
nen. Nach OrpwaAy werden lösliche basische Salze nach der
Ausfällung oft unlöslich.: Linperg und Wirtstein fanden, dass
Eisenoxydhydrat durch ein längeres Verweilen unter Wasser
in Säuren schwer löslich wird. Bei gewöhnlicher Temperatur
bekommt es dabei die Zusammensetzung Fe? H°, aber bei
gleichzeitiger Einwirkung von Kälte FH’. Die Kälte soll in
hohem Grade dazu beitragen, dass Eisenoxydhydrat unter Was- _
ser schwer löslich. wird; man mag daher nicht uber SvEpEn-
Borg lächeln, welcher die Hitze der Sonne und die Kälte des
Herbstes als bei der Seeerzbildung wirkende Factoren (siehe
obiges Citat) anführt.*)
*) Hinsichtlich der Einwirkung von Kälte auf Eisenoxydhydrat habe
ich einige Versuche angestellt, welche Folgendes ergaben:
Eisenoxydhydrat in der Kälte gefällt, mit kaltem Wasser gewaschen
und im Exsiccator in Laboratoriumtemperatur getrocknet, enthielt 80,65 Pro-
cent Fe und 19,35 H, der Formel FH: entsprechend, welche 81,68 Ps
und 18,37 H fordert. Ein Theil des frischgefällten und gewaschenen, vo-
luminösen Niederschlages wurde mit Wasser begossen und das Wasser
gefrieren Selnesen, worauf der Eisklumpen sammt .dem inneliegenden Ball
Eisenoxydhydrat 4 Tage lang einer Temperatur von — 6bis— 10% aus-
gesetzt blieb. Während des Gefrierens hatte das voluminöse Eisenoxyd-
hydrat sich zu einem kleinen Ball von concentrisch schaliger Structur
zusammengezogen, der mitten im Eis lag, und von welchem aus durch
das Eis zahlreiche dünne Luftröhrchen sich verbreiteten. Nach dem Auf-
thauen des Eises zerfiel das Eisenoxydhydrat zu einer wenig voluminösen,
wenig zusammenhängenden, rothbratinen, pulverigen Masse, welche
nach dem Trocknen im Exsiccator 80,696 F, und 19,304 H enthielt,
also nach der Formel Fo H’ (wie das nicht gefrorene Hydrat) zusam-
mengesetzt war. Dies ist die Formel des Xanthosiderites. Eine
Portion des Eisenoxydhydrates endlich wurde mit Wasser begossen und
eine Woche lang einer Temperatur von 85 bis 90 Grad ausgesetzt. Schon
nach !4 Tagen hatte dieses Hydrat eine blutrothe Farbe, geringes Volu-
men und pulverige Structur angenommen. Es enthielt aber noch einzelne
Partieen gelatinösen, braunen Hydrates, die sich unter dem Mikroskop
Er 153
Die oben angegebenen Reactionen geben in erster Hand
nur die Eisenoxyde an, aber die Reactionen der Manganoxyde
sind denselben so ähnlich, dass ein Mangangehalt in Eisen-
ocker, der aus einer von Mangan verunreinigten Lösung abge-
setzt wird, keine Verwunderung erregen kann.*)
Dasselbe dürfte auch von Chrom und Vanadin gelten.
Die Thonerde ist in Huminsäuren (besonders (uellsaäuren)
loslich, da gleichzeitig Ammoniak als Base auftritt, aber nach
der Entfernung des Ammoniaks fällt die Thonerde in einem
basischen, unlöslichen, quellsauren und quellsatzsauren Salz,
welches den Reagentien kräftig widersteht. Ist die Thonerde-
fällung mit Eisenocker gemischt, welcher theilweise wieder
aufgelöst werden kann (siehe oben), so wird der relative Thon-
erdegehalt des Rückstandes vergrössert, und ganz unbedeutende
Spuren von Thonerde in einem Wasser können dadurch im
Ocker hervortreten. Uebrigens gilt auch hier, - was schon
oben von der Verunreinigung der Seeerze mit 'Thonschlamm
angeführt wurde.
Die Kieselsäure folgt der Fällung von Eisenoxyd etc. aus
demselben Grunde, der schon an einer andern Stelle angege-
ben ist, aber bei den aus humussauren Salzen gefällten Ockern
hat wohl die Ausfällung der Kieselsäure durch organische Sub-
stanzen mehr Bedeutung als bei allen andern Ockern. Von
entdecken liessen, und welche nach 4 bis 5 Tagen völlig verschwunden
waren. Im Exsiccator getrocknet, bis das Gewicht konstant blieb, bestand
das pulverisirtem Rotheisenstein gleiche Pulver aus 96,675 F., 3,929 H,
entsprechend der Formel But H°. Dann auf dem Wasserbad getrock-
net, war die Zusammensetzung: Fe 97,202, H 2,798, entsprechend der
Formel e° H. Unmagnetisch. Unter dem Mikroskop konnte in kei-
nem dieser Hydrate krystallinische Structur entdeckt werden; mit Aus-
nahme der Farbe waren sie einander gleich, von splittrigem Bruch, Bern-
stein oder Kolophonium ähnlich. Das rothe Hydrat erinnert an die oben
erwähnten wasserfreien Sumpferze. Ich sollte meinen, dass viele blutroth
gefärbte Sedimentärgesteine weniger von Eisenoxyd als von einem dem
dargestellten ähnlichen Eisenoxydhydrat gefärbt seien. In der Jurafor-
mation hört die blutrothe Farbe auf, die herrschende eisenhaltiger
Sedimentbildungen zu sein. Mag die höhere Temperatur des Wassers,
aus welchem ältere, die niedrigere des Wassers, aus welchem jüngere
Schichten abgesetzt wurden, hierbei eine Rolle spielen?
*) In Neu-England setzen, nach Weııs, viele Bäche und Flüss-
chen Manganoxyd ab, besonders unterhalb Wasserfällen und Strömungen.
154
Interesse sind in dieser Hinsicht die oben mitgetheilten mikro-
skopischen Untersuchungen, die einen nahen Zusammenhang.
zwischen Infusorienpanzern und Kieselsäure auf der einen Seite
und humushaltigen Eisenockern auf der andern zeigen. \
Die Phosphorsäure folgt hier dem ausfallenden Eisenoxyd
eben so gut, als wenn dieses Oxyd aus der Lösung in anderen
Säuren ausgefällt wird. Was endlich den Kalk und Talk be-
trifft, so sind ihre humussauren Salze so leicht löslich , dass
sie nicht wesentlich mit dem Eisenocker ausgefällt werden;
kämen aber diese Basen durch die Zersetzung der Humus-
säuren auch mit Kohlensäure in Verbindung, so wurden ihre
Carbonate gewiss durch einen See wieder aufgelöst werden,
mit Ausnahme der geringen Spuren, welche von dem Eisen-
oxyde etc. festgehalten werden.
Rinnt eisenhaltiger Torfextrakt aus einem Moore in ein
anderes aus, so ist klar, dass in diesem letzteren nicht abge-
setzt werden kanı', was in ersterem gelöst worden ist. Man
sieht oft, dass Wassergräben in und aus Torfmooren mit Eisen-
ocker gefüllt sind, obschon keine Spur des letzteren in und
unter dem Moore selbst vorkommt, -und man wird also auch
erklärlich finden, dass Wiesenerze unterhalb eines Moores,
zwischen zwei Mooren oder in den. sogenannten Moorhälsen
abgesetzt werden, obgleich in den Mooren selbst keine Erz-
ablagerung vorkommt. Bei solchen Wiesenerzfällungen aus
Moorwasser machen sich dieselben Reactionen geltend, welche
die resp. Seeerzbildungen bedingen; aber in vielen Fällen kön-
nen sie schneller wirken, da der Zutritt der Luft freier ist.
Die erwähnten verschiedenen Fällungsarten von See- und
Wiesenerzen haben wir hier gesondert betrachtet, um die Dar-
stellung nicht allzu verwickelt zu machen. Es folgt jedach schon
aus dem Angeführten, dass sie in der Natur gewöhnlich nicht
isolirt, sondern in zufälligem, aber nothwendigem Zusammen-
hange mit einander wirken. |
Mitwirkung des organischen Lebens bei der
Seeerzbildung. Wir haben gesehen, dass die organische
Natur bei der Entstehung dieser Erze eine bedeutende Rolle
spielt, nicht durch den Lebensprozess als Organismen, sondern
durch ihren Verwesungsprozess, besonders bei der Auflösung
der mineralischen Bestandtheile. Wir werden jetzt untersuchen,
ob nicht auch der Lebensprozess höherer oder niedriger Pflan-
155
zen zur Seeerzbildung wirkend sein kann, was durch einige
schon mitgetheilte Erscheinungen angedeutet und von mehreren
Verfassern angegeben wird. Wir brauchen jedoch nicht bei
Hypothesen uns aufzuhalten, welche annehmen, dass kleine
Würmer und andere Wasserthiere, wovon der Seeerzschlamm
oft zu wimmeln scheint, das Seeerz spinnen, etwa wie die
Seidenraupe die Seide; diese Thiere gedeihen im Schlamm, an
dessen Entstehung sie gewiss eben so unschuldig sind, wie ge-
‚wisse Käfer an der Entstehung der Excremente, worin sie
schwelgen. Auch fabrieiren die Larven von Phryganea-Arten
kein Seeerz, obschon sie aus vorhandenen Erzkörnern bisweilen
ihre röhrenformigen Häuser bauen.
EHRENBERG schreibt der Gaillonella ferruginea einen wesent-
lichen Einfluss bei der Entstehung der Wiesenerze zu, da die
Panzer dieser mikroskopischen Oscillatorien hauptsächlich aus
“ Eisenoxyd und Kieselsäure bestehen. Wir dürfen jedoch hierbei
nicht eine andere Anschauungsweise der Sache vergessen, welche
z.B. von LieBiG geltend gemacht wird, indem er sagt:*) „Man
hat sich damit amuüsirt, von den Infusionsthieren der Urwelt
die unerhörten Lager von Kieselerde, Kalk und Eisenoxyd in
Kieselguhr, Polirschiefer, Trippel, Kreide, Sumpferz abzuleiten
und ihrem Lebensverlauf die Bildung aller dieser Berglager zu-
zuschreiben; aber dabei bedachte man nicht, dass Kreide, Kie-
selerde und Eisenoxyd, die nothwendigen Bedingungen für ihren
Lebensverlauf, vorher’ und ehe die aus diesen Stoffen gebilde-
ten thierischen Körper sich entwickeln konnten, vorhanden sein
mussten, und dass diese Bestandtheile niemals in den Meeren,
Seen und Sumpfen fehlen, wo diese Thierklassen vorkommen,
Die Gewässer, in denen diese Infusionsthiere der Urwelt leb-
ten, enthielten die Kieselerde und Kreide in einer Auflösung,
vollig geeignet zum Absatz durch Verdunstung in Form von
Marmor, Quarz und ähnlichen Steinarten.
Diese Fällung würde ohne Zweifel auf gewöhnliche Weise
stattgefunden haben, auch wenn das Wasser nicht gleichzeitig
die dem Vergängniss unterworfenen Ueberreste todter Thiere
*) Dasfolgende Citat aus Lıiesıe’s „chemischen Briefen“ ist hier aus
der schwedischen Uebersetzung von Scheurz in’s Deutsche übertragen,
daher etwaige Unterschiede von dem Ausdrucke im deutschen Original
zu entschuldigen sind.
156
enthalten hätte und damit die übrigen Bedingungen für das
Leben der Kalk- und Infusionsthiere.“
Vielleicht unterschätzt Liesıg hier den Einfluss, welchen
sogenannte Infusionsthiere durch ihren Lebensprozess auf die
Seeerzbildung ausüben; denn wenn wir auch kennen gelernt
‘haben, dass Eisenocker auf mannichfaltige Weise durch gewöhn-
liche chemische Reactionen ohne Zuhülfe lebender Organismen
ausgefällt werden kann, so muss doch zugegeben werden, dass
der Lebensverlauf der Pflanzen mehrere Erscheinungen bedingt,
welche auf eine kräftige Weise (wenn auch indirect) die Erz-
‚bildung befördern müssen. =
Es wurde oben erwähnt, wie Pflanzen Eisenlosungen be-
gierig aufsaugen, deren Metallgehalt in sich fixiren. Dies
scheint jedoch hauptsächlich erst dann stattzufinden, wenn die
Wurzeln verletzt worden sind, oder wenn die endosmotische
Kraft der Zellmembranen durch Kränklichkeit ‘oder Tod der.
Pflanze hinsichtlich gewisser (besonders metallischer) Lösun-
gen gesteigert worden ist. |
Denn so wenig übereinstimmend die Resultate der vielen
Versuche auch sind, welche angestellt wurden, um zu ermitteln,
ob Pflanzenwurzeln mit oder ohne Auswahl die ihnen dargebo-
tenen, organischen und unorganischen Substanzen aufnehmen,
so scheint man doch aus diesen Versuchen schliessen zu ken-
nen, dass gewöhnlich nur kranke oder in den Wurzeln verletzte
Exemplare Lösungen aufsaugen, die für die Pflanzen giftig sind.
Algen, die in Kupfervitriollösung gewachsen sind, enthalten kein
Kupfer; auch enthält Schimmel, der sich auf arsenikhaltigem
Kleister gebildet, kein Arsenik.
Verschiedene Pflanzen nehmen mineralische Bestandtheile
in. verschiedenen Proportionen auf, so, dass die Zusammen-
setzung der Asche ein und derselben Pflanze in der Hauptsache die-
selbe ist, auf welchem Erdboden sie auch gewachsen sein mag.
Daraus folgt, dass die Pflanzen solche Mineralsubstanzen in
sich concentriren können, welche rings um dieselben im Boden
weit zerstreut sein können. Dies ist auch der Fall mit Eisen-
oxyd und Manganoxyd, wovon einige Land-, aber besonders
Wasserpflanzen relativ grosse Quantitäten enthalten, z. B.
4
157 .
die Asche von Erica carnea ..... 3,44 Proc. Mn und Ee,
| Eriophorum vaginatum 460 U » nn nn»
Garen 008 pu0Ssar >. W204 9 on
Erica vulgaris . =
Sphagnum palustre . 16,9 I
Peomna misuUlca ..,. .. (s86, = Fe,
Traama natans.. 0. 19:69... Fe, 13,85
j Proc: (Mn, Mn) und 6,01 - „ Ee P.
Ist eine Vegetation solcher eisenreicher Pflanzen der
Fäulniss- an Ort und Stelle unterworfen, so kann der Eisengehalt
durch die humusartigen Verwesungsprodukte wieder aufgelöst
und durch Wasser weggeführt werden, und da dieselbe Sache
jedes Jahr erneuert wird, so können auf diese Weise unbedeu-
tende, in dem Boden zerstreute Eisenpartikel nach und nach
zusammengeführt, gelöst und an anderen Orten aus der Lösung
als Ocker abgesetzt werden. ‘
Wird der Eisengehalt von Wasserpflanzen (wie Sphagnum,
Lemna, 'Trapa) aus dem umgebenden Wasser aufgenommen, so
wird er entweder demselben durch Verwesung der Pflanzen
zurückgegeben, oder er kann in gewissen Fällen (zum Theil
wenigstens) ungelöst und gesammelt bleiben, obschon die orga-
nischen Bestandtheile der Pflanzen und mit ihnen einige der
unorganischen mit der Zeit verschwinden.
Sinkt ;die jährliche Vegetation in einem See zu Bodenl
so kann daselbst also im Laufe der Zeit aus der Pflanzenasche
ein eisenoxydreiches Lager oder ein Seeerz entstehen.
Eben derselbe Prozess muss natürlicherweise eben so
gut wie mit grösseren und höher organisirten Pflanzen auch
mit mikroskopischen Algen (oder einigen der sogenannten In-
fusionsthiere, z. B. Gaillonella ferruginea) stattfinden kön-
nen, sofern diese als Nahrung so viel Eisen aufnehmen, dass
sie ein eisenoxydreiches Skelett oder einen solchen Panzer be-
kommen.
Nimmt eine gesunde Pflanze nur solche unorganische Sub-
stanzen auf, welche derselben nützlich sind, so scheint sie auch
nicht durch die Wurzel schädliche Mineralsubstanzen äls eine
Art Excrement abzusondern genöthigt zu sein, welche sie wie
durch Missgriff neben den nützlichen aufgenommen haben sollte.*)
*) Nach den-Versuchen von Macaırz-Pnincers nehmen nämlich ve
158
Dagegen wird von einigen Pflanzen behauptet, dass sie durch
die Wurzel Substanzen absondern , welche in ihnen während
des Lebensprozesses gebildet worden sind, z. B. Gerbsäure,
Weinsäure, Oxalsäure u. a., und diese Excremente
haben für uns ein Interesse, da sie bei der See- und Wiesen-
erzbildung auf eine indireete Weise wirkend sein können,
z. B. dadurch, dass die Oxalsäure und die Weinsäure, welche
aus auf kalksilikathaltigen Bergen wachsenden Flechten abge-
sondert werden, die Verwitterung der Bergart, d. i. auch die
Auflösung-des darin befindliehen Eisens, kräftig einleiten. (Nach
BayLey kommt oxalsaurer Kalk in den meisten Pflanzen vor,
ausgenommen die Compositae, Labiatae, Gramineae, Filices, Musci,
Algae.) In blauem und graugrünem Alluvialthon (in Schweden)
sieht man Pflanzenwurzeln sehr oft von erhärtetem und ge-
wöhnlich ockrigem Thon gewissermaassen inkrustirt, und diese
Morpholithe durften ebenfalls indirect von Pflanzenexerementen
herrühren.
Auch die Nothwendigkeit er Substanzen zur
Unterhaltung des Pflauzenlebens ist ein bei der Erzfällung
wirkender Factor. Es ist hier ganz gleichgültig, ob die Pflan-
‘zen die Humussäuren oder ihre Zersetzungs- Producte aufneh-
men; jedenfalls müssen wurzellose Wasserpflanzen, z. B. Algen,
die umgebenden humussauren Metalloxydammoniaksalze zer-
setzen können, wenn sie deren Stickstoff, Kohle ete. zu ihrem
Unterhalt brauchen. Diese Zersetzung .der Salze bedingt
unmittelbar die Ausfällung eines eisenoxydreichen Ockers
(Grönöcke), welcher den Seeboden oder die Algen inkrustirt und
dann durch Oxydation in Eisenoxydhydrat verwandelt wird. *)
CANDOLLE, Lies u. a. an, dass die Pflanzenwurzeln mehr dem Pflanzen-
leben schädliche Substanzen aufsaugen, welche darnach durch die-Wurzel
wieder abgesondert würden; dieses wird von Boussis@auLT u. a. be-
stritten.
*) Dass Pflanzen begierig auch die geringen Quantitäten von Humus-
säuren aufnehmen, welche in gewöhnlichem Seeerz zurückbleiben, wird
durch das kräftige Grün bewiesen, womit die Erzhaufen auf den Hütten-
höfen der Eisenwerke schon im ersten Sommer nach der Aufholung des
Erzes sich bedecken. Diese Vegetation absorbirt ohne Zweifel auch
Phosphorsäure aus dem Erze, und es wäre vielleieht von wissenschaft-
lichem Interesse, experimentell zu ermitteln, wie viel Phosphorsäure aus
einem Seeerz dadurch entfernt werden kann, dass man in dasselbe Pflanzen
mit phosphorreicher Asche wiederholte Male, nnd so lange das Erz die
r
159
Die Richtigkeit der Behauptung Drarer’s, dass die Blätter
frischer Pflanzen Alkalicarbonate zersetzen, mit deren Lösung
sie im Sonnenschein in Berührung kommen, ist mit Recht bestrit-
ten worden; dagegen bestätigen vielfache Beobachtungen (be-
sonders von LupwIG und THEOBALD), dass lebende Pflanzen
Bicarbonate von Kalk, Eisenoxydul ete. zu zersetzen vermögen,
wenn sie im Licht von deren Lösungen umgeben sind. Sie
nehmen aus dem Bicarbonate 1 Atom Kohlensäure zu ihrem
Unterhalt und das übrigbleibende, unlösliche, einfache Carbonat
inkrustirt die Pflanze, welche dessenungeachtet zu leben und
frische Schösslinge zu treiben fortfährt. Nicht allein aus koh-
lensauren Mineralwässern findet in Wassergräben diese Aus-
fällung durch Chara, Hypnum,*) Algen etc. statt, sondern auch
in sogenanntem sussem Wasser, das von gelösten Bicarbonaten
nur Spuren enthält, werden Stängel und Blätter der erst er-
wähnten und auch höher organisirten Mann, wie Nymphaea, .
Typha, Hottonia ete. inkrustirt.
Da das Eisenoxydulcarbonat gewöhnlich leichter als das
Kalbcarbonat zersetzt wird, so kann man voraussetzen, dass
lebende Wasserpflanzen, wenn sie mit einer gemischten Lösung
von diesen beiden Bicarbonaten in Berührung kommen, vor-
zugsweise das Eisen ausfällen. Die Analyse zeigt auch einen
relativ grösseren Eisengehalt in solchen Incrustationen als in
den resp. Lösungen. Daher trägt das Pflanzenleben hier nicht
allein zur Ausfällung des Eisengehalts eines Wassers bei, son-
dern gleichzeitig auch zu der relativen Concentration des letz-
teren im Ocker. Diese Concentration wird dadurch fortgesetzt,
dass das ausgefällte Eisenoxydulcarbonat bald in Eisenoxyd-
hydrat verwandelt wird, von welchem das verhältnissmässig
leicht lösliche Kalkcarbonat bald und beinahe vollständig von
gewöhnlichem Wasser wieder weggelöst werden kann.
-Von grösstem Einfluss auf die Seeerzbildung wird jedoch
das Pflanzenleben dadurch, dass höhere und niedrigere Pflan-
Vegetation zu wnterhalten vermag, säet. Die zur Reife gekommenen
Pflanzen müssten bei einem Versuch dieser Art von dem Erze entfernt
werden, ehe eine neue Aussaat geschieht.
*) Horrmann behauptet jedoch, dass Hypnum auch im Sonnenlicht
Kohlensäure ausathmet. Ist dieses richtig, so würden lebende Exemplare
dieser Pflanze inkrustirtes Kalk-Carbonat leichter wiederauflösen können
als aus Bicarbonaten solches auf sich ausfällen.
160
zen, besonders mikroskopisch kleine Algen (Oscillatorien),
welche wegen eines gewissen freiwilligen Bewegungsvermögens
theilweise zu den sogenannten Infusionsthieren gezählt werden,
während des Lebensverlaufs Sauerstoff ausathmen; denn wir
haben gesehen, dass die Ockerfällung in den meisten Fällen
von der Oxydation des Eisenoxyduls bedingt wird; für den
dazu nöthigen Sauerstoff haben wir bisher keine andere Quelle
kennen gelernt als die Atmosphäre, da alle mit der Seebildung
in Verbindung stehenden Verwesungsprozesse reducirend wirken.
Nach Scauutz entwickelte ] bis 2 Loth frische Pflanzen-
substanz, welche in einer verdunnten Salzlösung oder in
Humusextrakt während 8 bis 10 Stunden dem Sonnenlicht
ausgesetzt steht, 4 bis 9 Kubikzoll Sauerstoffgas. Wir können
hier an allen Bemerkungen und Experimenten vorbeigehen,
welche die Versuche Scuuutz’s veranlassten, da aus ihnen
als summarisches Resultat folgt, dass alle grünen Phanerogamen
und die meisten Kryptogamen sowohl Kohlensäure, als Sauer-
stoff ein- und ausathmen, und dass die erstere vorzugsweise
des Nachts, der letztere während des Tages ausgeathmet wird,
wenn sich die Pflanzen unter natürlichen Verhältnissen befinden.
Werden die Quantitäten der während der ganzen Lebenszeit
der Pflanzen ausgeathmeten Kohlensäure und des Sauerstoffgases
mit einander verglichen , so dürfte letzteres beträchtlich über-
wiegen. Die intensivste Entwickelung von Sauerstoffgas scheint
jedoch von dem Lebensprozess der kleinsten Algen (sogenannten
Infusionsthiere) bedingt zu werden.
Grüne Infusionsthiere (z.B. Monadina virescens subsphaerica)
entwickeln nach MORREN Sauerstoffgas in Menge, wenn sie in
kohlensäurehaltigem Wasser dem Sonnenlicht ausgesetzt werden;
grössere Algen athmen während der Nacht Luft von gewöhn-
licher Zusammensetzung, im Sonnenschein dagegen Luft mit -
54 pCt. Sauerstoff‘ aus. Blätter von phanerogamen Pflanzen
entwickeln in der Nacht Luft mit 17 er BEE des Tages Luft
mit 36 pCt. Sauerstoff.
Woönter fand in Wasserrinnen bei dem Salawerke Rodern-
berg in Hessen 51 pCt. Sauerstoff und 49 pCt. Stickstoff in
dem Gase,- welches von Frustula salina und anderen zu den
Bacillarien gezählten Infusionsthieren in solcher Menge entwickelt
wurde, dass in Kurzem mit demselben Hunderte von Flaschen
hätten gefüllt werden können. |
161
Etwas Aehnliches wurde auch bei dem Salzwerke Duürren-
berg und an mehreren anderen Stellen beobachtet.
In See- und Wiesenerzen kommen nicht wenige Panzer
von Baeillarien vor, unter ihnen auch Frustulina-Arten (siehe
Figuren) und Theile von anderen mikroskopischen Conferven. So
lange sie in dem eisenhaltigen Wasser lebten , woraus diese
Erze ausgefällt wurden, mussten sie Sauerstoff ausgeathmet
haben, welcher das umgebende, gelöste Eisenoxydul nothwendig
oxydiren*) und dadurch die Ausfällung von Eisenoxydocker
eben so gut aus vitriolischen wie aus kohlen- oder humussauren
Lösungen bedingen musste. |
Die sogenannten Infusionsthiere, die in Be Seeerze be-
graben liegen, dürfen daher nicht als ein Appendix betrachtet
werden, welcher aller Bedeutung entbehrt; man darf nicht ver-
gessen, dass ein jedes von ihnen während seiner Me euszeH
Erde für seinen Grabhügel bereitet hat.
Grosse und kleine Algen werden in eisenhaltigem Wasser
oft von einem Ocker- Ueberzug umgeben, welcher von dem
Sauerstoff, den sie ausathmen, bedingt wird. Unter dem
Mikroskop zeigt er sich aus nahe an einander liegenden Ocker-
körnern bestehend, welche jedoch auch in das Kieselskelett selbst
eindringen und dieses ockergelb färben. Mögen nicht die
Gaillonella ferruginea auf dieselbe Weise mit Eisen getränkt
sein? Die Ockerpfropfen in den Internodien der auf Fig. 9 a
abgezeichneten Alge sind wohl auch nur eine Folge der Re--
. spiration, welche sich vielleicht lebhafter zwischen zwei Zellen
als auf ihrer Oberfläche äussert, und auf dieselbe Weise dürften
auch die Pfropfen, mit welchen offne Zellen oft zugestopft
sind, erklärt werden können (Fig. 8, h, i). Die Ockerkörner
in geschlossenen Zellen sind dagegen wahrscheinlich inkrustirte
Chlorophylikugeln.
Wenn die Ockerbekleidung auf den kleinen Algen zu
schwer wird, um von ihnen länger getragen werden zu können,
so sinken die Algen zu Boden, verwesen und steigen darnach (wahr-
scheinlich von entwickelten Gasen gehoben) wieder zur Wasser-
oberfläche. Durch die Verwesung wird das Eisenoxydhydrat
in ihrer Kruste theilweise zu Oxydul reducirt, wovon sie eine
*) Besonders, da der Sauerstoff von umgebenden, verfaulenden Sub-
stanzen ozonisirt wurde.
Zeits. d.d. geol. Ges. XVIII. 1. 11
. 162
graugrune Farbe annehmen. Nach dem Ende des Verwesungs-
prozesses wird wieder das Oxydul oxydirt, und das Skelett sinkt
mit seinem gelbbraunen Ockerpanzer nieder.
Die allermeisten von den fraglichen Algen haben einen
Kieselpanzer, wozu das Material aus dem umgebenden Wasser
genommen wurde. Auf diese Weise wird ein nicht unbedeu-
tender Theil der Seeerze ausgefällt.
Da diese Organismen zu ihrer Nahrung verfaulte orga-
nische Substanzen brauchen, und da sie während des Lebens-
prozesses Kieselsäure und Eisenoxydhydrati ausfällen, so
ist leicht erklärlich, warum die drei genannten Substanzen in.
dem nahen wechselseitigen Zusammenhang vorkommen, der
sich so deutlich bei der mikroskopischen Untersuchung des
Seeerzschlammes zu erkennen gab.’ Es mag gestattet sein, eine
approximative Berechnung über die Wirkungskraft dieser In-
fusorien b&i der Erzbildung anzustellen.
Die Infusorienerde von Degernäs enthält nach Traız
72 pCt. Kieselsäure und 22 pCt. organische Bestandtheile. *)
Berechnen wir mit Liegig, dass Kohle im Durchschnitt 56 pCt.
von dem. Gewicht der Pflanzensubstanzen ausmacht, so’ ist der
Kohlegehalt dieser Infusorienerde 12,3 pCt. oder ungefähr 2.
Diese Kohle ist unstreitig aus einer sauerstoffhaltigen Ver-
bindung aufgenommen worden, welche wir der Einfachheit
wegen als Kohlensäure ansehen wollen. Würde diese durch
den Lebensprozess vollständig zersetzt, so müssten die Infu-
sorien „— von ihrem Gewicht Sauerstoff ausgeathmet haben.
Wäre dieser Sauerstoff zur Oxydation von Eisenoxydul ganz
und gar verbraucht worden, so hätte das dreifache Gewicht
der Infusorien Eisenoxydul dadurch oxydirt oder ihr '31faches
Gewicht Eisenoxyd ausgefällt werden müssen. Ist dieses
letztere mit Kieselpanzern vermischt, so würde die Mischung
ungefähr 0,72 Kieselsäure auf 34 Eisenoxyd oder etwa 1Kiesel-
saure auf 4,6 Eisenoxyd enthalten. SvAnBERG’s oben 'mitge-
theilte Analysen von schwedischen Seeerzen geben im Durch-
schnitt 12,6 Kieselsäure auf 62,5 Eisenoxyd oder 1 Kiesel-
saure auf 4,9 Eisenoxyd.
*) Infusorienerde von Kalfvola gab 10,7 pCt. Glühverlust, 6 pCt.
Kohle entsprechend, aber diese Erde hatte mehrere Jahre lang in der
Sammlung der Bergschule gelegen.
163
Die Uebereinstimmung zwischen dieser Proportion und der
soeben berechneten ist so überraschend, dass man verleitet
werden könnte, ausschliesslich dem für das unbewaffnete
Auge unsichtbaren organischen Leben die Ausfällung von dem
Eisenocker und der Kieselsäure der Seeerze zuzuschreiben;
aber wir dürfen nicht vergessen, dass einige Annahmen in der
Berechnung arbiträr sind. Wir wissen nämlich nicht, ob die
Infusorien Humussäuren oder die aus ihnen entstandene Kohlen-
säure aufnehmen; wir wissen auch nicht, ob nur der Kohle-
gehalt oder gleichzeitig auch ein Theil des Sauerstoffgehalts
der Kohlensäure im Organismus zurückgehalten werde; wir
können endlich nicht behaupten, dass die ganze ausgeathmete
Sauerstoffquantität zur Oxydation von Eisenoxydul verbraucht
worden sei, weil ein Theil davon möglicherweise zu.der Oxy-
dation der umgebenden organischen Substanzen verwendet
worden ist (welche letztere Oxydation jedoch ebenfalls indirekt
von Okerausfällung begleitet sein muss). Noch mehrere Be-
merkungen könnten gemacht werden, aber es mag hinreichend
sein, die Anzahl der Infusorien, welche nach oben gemachter
Berechnung zur Hervorbringung von einem gegebenen Gewicht
Seeerz nöthig ist, mit der Anzahl zu vergleichen , welche.
unter dem ne beobachtet werden kann.
Diein den Seeerzen gewöhnlichst vorkommenden Formensind:
Synedra (Err.)Fig.]5undSpongolithis (Eur.)Fig.11. Ich habe ver-
schiedene Exemplare von Synedra gemessen, und im Durchschnitt
‚die Länge . . . .. 0,08 Millimeter
a Bieke 2..0,0.:.. 0.0075 .
„ Dicke des Kanals 0,0020 = gefunden.
Das Volum des Panzers ist mithin 0,0000033 Kubikmillim.
und das Gewicht 0,0000066 -Milligramm (das specifische Ge-
wicht der Kieselsäure des Panzers gleich dem: des Opales an-
genommen, oder in runder Zahl = 2).
Macht der Kieselsäuregehalt 0,72 von den Panzern der
_ Fragillarien aus (siehe obige Analyse von TraAıL), so würden
zu 0,126 Milligramm Kieselsäure, die in 1 Milligramm Seeerz
enthalten sind, 26,809 Individuen Synedra nöthig gewesen sein
oder 2681 Stück zu — Milligramm Erz. Die Kieselsäure von
‚dieser letzteren Quantität kann, über das Gesichtsfeld des
Mikroskops ausgebreitet, leicht auf einmal überschaut werden,
aber ich habe niemals in der Kieselsäure aus Seeerz eine
IR*
164
Anzahl Infusorien auf einmal beobachten Ba, die sich nur
entfernt jener Ziffer näherte. 4
Ein grösseres, massives Exemplar von Spongolithis zeigte
sich 0,32 Mm. lang und (im Durchschnitt) 0,015 Mm. dick:
sein Volumen ist also 0000056 Kubikmillim. und das Ge-
wicht 0,000112 Milligramm. -- Milligramm Seeerz müsste daher
hiervon 157 Stück enthalten, welche Ziffer jedoch augenscheinlich
ebenfalls zu hoch ist. Die meisten Spongolithe sind jedoch _
viel kleiner, viele kaum -- go gross als das gemessene
Exemplar. Von diesen letzteren würden daher 157000 St.
zu -- Milligramm Seeerz nöthig sein.
Viele Infusorienpanzer sind wohl durch Auflösung in dem |
harzähnlichen Eisenoxydsilikate für die Observation verschwun-
den, und darin könnte daher eine Ursache gefunden werden,
dass die im Erze sichtbare Anzahl von ihnen so viel geringer
ist als die berechnete; aber nebst Kieselsäure in Panzerform
wird auch in allen Seeerzen solche gefunden, welche ohne Bei-
hülfe des organischen Lebens ausgefällt worden ist, und
daraus folgt, dass nicht alles Eisenoxyd- durch den Lebens-
prozess der Infusorien ausgefällt sein kann; denn die oben
angeführte Berechnung setzt gegen 62,5 pCt. Eisenoxyd 13,6
pCt. Kieselsäure voraus, welche ausschliesslich von In-
fusorienpanzern herrühren sollte. Wenn wir daher dem Lebens-
prozess der Infusorien eine wesentliche Rolle bei der Seeerz-
bildung einräumen, so sind wir doch weit entfernt, demselben
ausschliesslich die Entstehung der Seeerze zuzuschreiben,
"welche so leicht durch einfache, rein chemische Prozesse er-
klärt werden kann. Die Bedingungen für diese sind auch
grösstentheils Bedingungen für die Entstehung von Infusions-
thieren, und letztere finden sich deswegen an vielen Orten ein,
wo Seeerzbildung stattfindet, und befördern dieselbe in hohem
Grade durch ihren Lebensprozess. |
Viele der Erscheinungen, welche erwähnt wurden, als von
der Art des Vorkommens der Seeerze die Rede war, und
welche einen Zusammenhang zwischen Pflanzenleben und See-
erzbildung andeuten, finden daher eine ganz einfache Erklärung.
Der Einfluss der Infusionsthiere wird hier von dem Sonnen-
licht bedingt; wird dieses von tiefem Wasser absorbirt, oder
wird sein Zutritt auf eine andere Weise gehindert, so ge-
schieht keine solche Erzbildung, zu welcher die Wirksamkeit
165
der Infusionsthiere in Anspruch genommen wird. Wir wollen
nicht weiter gehen und z. B. die langen, hellen Sommertage
des Nordens in Verbindung mit seinem Reichthum an Seeerz
bringen, um nicht Gefahr zu laufen, zu den Grübeleien der
alten Naturforscher über den Zusammenhang zwischen den
Constellationen der- Himmelskörper und der Erzbildung und
endlich vielleicht zu der Behauptung des PArRACELSUS verleitet
zu werden, dass der grösste Erzreichthum der Erde zwischen
dem 60. und 70. Grad nördlicher Breite zu finden sei. |
Wie Seeerze fest werden. Nur ein Theil der See-
erze kommt in der Form von losem Ocker oder Schlamm vor,
welcher jedoch selten oder niemals zu den Eisenhütten geführt
wird; die gewöhnlich so genannten See- und Wiesenerze da-
gegen haben einen gewissen Zusammenhang, oft eine bedeu-
tende Festigkeit und Härte. Es entsteht daher die Frage, wie
die losen Ockerfällungen, deren Entstehung beschriehen worden
ist, unter dem Wasser theilweise zu homogenen, amorphen,
harten und zähen compacten Massen erhärten können.
Nach Horsrorp erhärten Corallenkalksteine in Folge der
Verwesung der Corallenthiere; nach Dana kittet Kalksinter
Corallenfragmente zusammen. Im vorliegenden Fall dürfte
jedoch die Verwesung der im Erzocker befindlichen organischen
Substanzen keine direkte Veranlassung zur Erhärtung desselben
geben, und der Kalkgehalt der Seeerze ist so unbedeutend,
dass dieser auch kein hinreichendes Bindemittel sein kann.
Vergleicht man die Analysen von losen: Eisenockern und
festen (oft stalaktitischen) basischen Eisenoxydsalzen (z. B
Pissophan, Delvauxit, Pittieit, Misy und anderen), welche aus
demselben Grubenwasser abgesetzt worden sind, so zeigt sich
gewöhnlich, dass die losen Ocker eine geringere Menge Säure
als die festen enthalten. So z.B. wird im Bach, welcher Falu-
Grubenwasser zum Vitriolwerke nahe an der Grube leitet, ein
Ocker in festen zusammenhängenden Krusten abgesetzt; in
dem weiter unten liegenden See Tisken dagegen setzt dasselbe
Wasser einen losen, erdigen Ocker ab. Der erstere enthält
115 pCt., der letztere 54 pCt. Schwefelsäure.
- In den fertigen on kommt jedoch weder Schwefel-
saure, noch Phosphorsäure in einer sdlchen Menge vor, dass
ihr Hartwerden dadurch erklärt werden dürfte, aber sie ent-
halten Kieselsäure chemisch mit den Eisenoxyden verbunden,
166
“ und die Vermuythung liegt daher nahe, dass die Kieselsäure
hier denselben Einfluss ausübt, wie die Arseniksäure, Pbos-
phorsäure oder die Schwefelsäure in den genannten Mineralien.
Gelatinöse Kieselsaure in Wasser in intimer Berührung
mit Eisenoxydhydrat verbindet sich mit diesem; denn nach
Bischor vermag das Eisenoxydhydrat sogar Silikate zu zer-
setzen, mit welchen es bei gewöhnlicher Temperatur in langer
unmittelbarer Berührung ist. Für die Richtigkeit dieser Be-
hauptung finden wir einen Beweis in vielen Erzseen, wo Frag-
mente von Granit und anderen Silikatgesteinen oft mit einer.
so fest angewachsenen Öckerkruste überzogen sind, dass sie
auf mechanischem Wege von dem Stein nicht getrennt werden
kann, zwischen welchem und dem Ocker sich ein wasserhaltiges
Eisenoxydsilikat gebildet hat. Die Verbindung der Kieselsäure
mit dem Eisenocker kann jedoch nicht beständig werden, ehe
die organischen Bestandtheile des Ockers zersetzt worden sind,
denn wie wir gesehen haben, wirkt der Verwesungsprozess
auf Eisensilikate zersetzend ein.
.Es wird also erklärlich, dass wir im Ockerschlamm Kiesel-
saure, Humussubstanzen und Eisenoxydhydrat lose nebenein-
ander liegend finden, und dass wir in dem homogenen, harz-
artigen Erze mit dem Mikroskope keine absehbare Quantität
von organischen Substanzen entdecken können. Spuren von
solchen ,* welche auf chemischem Wege darin entdeckt werden
können, sind wahrscheinlich harz-, wachs- oder talgartige Ver-
'wesungsprodukte, welche unter- den gegebenen Verhältnissen.
keiner weiteren Zersetzung ausgesetzt sind.
Durch die Verwesung der mit. dem ÖOcker ausgefällten
organischen Substanzen wird immer Eisenoxyd zu Oxydul
redueirt. Wird dieses letztere von den Humussäuren etc. nicht
vollständig gelöst, so wird es mit der Kieselsäure verbunden,
und gewiss noch leichter als das Eisenoxyd. Daher muss das
durch die Einwirkung der Kieselsäure auf den Ocker enstandene
Silikat in vielen Fällen Eisenoxydul enthalten.
Dass die Kieselsaäure der Infusionspanzer sich auf dieselbe
Weise mit dem Eisenoxydhydrat verbindet, wie die nicht orga-
nische, “ gelatinöose Kieselsäure, geht aus den oben mitge-
theilten, mikroskopischen Beobachtungen hervor. Sandkörner
werden von dem Eisenocker zu einem rostigen Sandstein zu-
167
sammengekittet, dessen eigentliches Cäment in vielen Fällen
gewiss nichts Anderes als Eisenoxydsilikat ist.
Das Mikroskop zeigte im Ockerschlamm aus dem Tisken
auch nicht erhärtetes Kieselgel&e; aber dagegen waren alle
harzähnlichen Eisenoxydsilikatstucke fest. Wir können nun
eben so wenig daran zweifeln, dass das Erz nach der Aus-
fällung des Ockers durch die Reaktion der Kieselsäure auf
denselben harzig wird, als dass diese Reaktion (Silikatbildung)
das Erhärten sowohl des Eisenoxydhydrats, als des Kiesel-
gelees bedingt, da diese in Verbindung mit einander treten.
Es bleibt noch übrig, durch Analysen zu zeigen, in wie-
fern dieses Silikat eine konstante stöchiometrische Zusammen-
setzung hat oder eine regellose Mischung von verschiedenen
Silikaten ausmacht. Da wir in dem centrisch zusammengesetzten
Perlenerzen u. a. oft wechselnde Silikat- und Ockerschalen
sehen, so hat man Veranlassung zu der Vermuthung, dass die
Silikatbildung oft mit Concretion verbunden ist, welche ent-
weder von dem Streben gleichartiger Massen, sich zu consoli-
diren, oder von jenem ungleichartiger Substanzen, in chemische
Verbindung mit einander zu treten, bedingt wird. Das letztere
‘gilt wohl hauptsächlich im vorliegenden Fall. Die ’Ocker-
lagen enthalten sowohl lose Kieselsäure als loses Eisenoxyd-
hydrat, welche ein festwerdendes Silikat eingehen würden, um es zu
einer stöchiometrischen Zusammensetzung zu bringen, sofern in
dem letzteren Basen und Säure nicht schon in einem für die gege-
benen Verhältnisse passenden Sättigungsgrade vorhanden wären.
Endlich mag man nicht vergessen, dass Eisenoxydhydrate
erhärten, sogar krystallisiren können, ohne sich mit Kiesel-
saure zu verbinden. Göthit, Stilpnosiderit, Brauneisenstein
und andere Mineralien liefern dazu einen Beweis, aber wir
vermögen nicht die Bedingungen anzugeben, welche die Ver-
wandlung der erdigen Modifikation des Eisenoxydhydrats in die
amorphe oder krystallinische und feste bedingen; wahrscheinlich-
ist der Temperaturgrad dabei nicht ohne Einfluss.
: WieSeeerzeKugel-undandereFormen annehmen.
Auf einem Seeboden gleichförmig ausgefällter Ocker wird durch
das Erhärten krustenähnlich, und durch zwischenliegende
Schlamm-, Sand- und (nicht erhärtete) Ockerschichten bekommt
er eine Art Parallelstruktur; diese Ockerkrusten werden nach
dem Zerbrechen Skragg-Erz genannt. |
168
Bei der Absetzung von Ocker zwischen Sand scheint er
durch Concretion in dünnere, eisenreichere Lager zusammen-
geführt werden zu können, welche die Schichtung einiger
ockeriger Sandsteine bedingen. Auch massige,. unförmliche
Klumpen von Wiesenerz haben sich wohl aus der sandigen
Umgebung congregirt, sofern sie nicht überdeckte Ueberreste
ehemaliger Seeerze sind; denn wir haben gesehen, wie Seeerze
durch den Einfluss verfaulender Pflanzensubstanzen wieder auf-
gelöst werden können, besonders wenn sie im Lauf der Zeit
‘von Torfmooren überwachsen werden.‘ Das noch nicht Gelöste
bleibt in Klumpen ubrig, deren schlackige, angefressene Ober-
fläche ein Merkmal des ringsum zehrenden Lösungsmittels trägt,
welches durch Ritzen auch in die Masse selbst dringen kann.
Einige kugelförmige Seeerze, die ganz homogen und ohne Spuren
einer concentrisch-schaligen Structur sind, können auch als Ueber-
reste von Seeerzstucken betrachtet werden, deren Ecken und
Kanten abgerieben oder weggelöst worden sind. Man darf hier-
bei an die Neigung der meisten massigen Bergarten denken, bei
der Verwitterung in kugelförmigen Grus zu zerfallen. Die fein-
körnigen, schwarzen, manganreichen Pulvererze scheinen da-
gegen hauptsächlich in der Form eines körnigen Ockers ausge-
fällt worden zu sein, der späteren Verwandlungen weniger aus-
gesetzt gewesen ist als der manganarme Eisenocker.
Erz, welches Wurzelstöcke und Stammenden inkrustirt und
petrificirt hat, kommt in der Form derselben vor, auch nach-
dem ihre Holzsubstanz im Verlauf der Zeit beinahe ganz ver-
schwunden ist. Hierher gehört das Pipmalm, welches sich
zwischen stehenden oder umgefallenen Schilfröhren und deren
Wurzeln abgesetzt hat, und hierher könnte auch alles Erz’ ge-
rechnet werden, das Infusionsthiere inkrustirt, oder dessen Masse
Panzer von solchen enthält.
Diese Ueberreste mikroskopischer Organismen können in
einigen Fällen die innere, feinste Textur des Erzes bedingen;
sie sind jedoch ohne allen Einfluss auf die äussere, kugelartige
Form desselben , zu. welcher die kleinen Erzpartikeln auf me-
chanischem Wege vereinigt worden sind. Die reguläre Form
der Erbsen-, Perlen- und anderer Erzarten in Zusammenhang
mit Süsswassercorallen oder dergleichen zu bringen, ist gewiss
eben so unrichtig, als sogenannte Marlekör und andere Mor-
pholithen als versteinerte Amorphozoen zu betrachten.
169
Bei kalkhaltigen Quellen, welche mit einer gewissen Hef-
tigkeit hervordringen, kann man bisweilen bemerken, wie Kalk-
sinter (Erbsenstein, Rogenstein und auch zum Theil Sprudel-
stein) eine oolithische oder concentrisch-schalige Structur da-
durch bekommen, dass die Kalklagen rings um Sandkörner ab-
gesetzt werden, welche von dem aufsteigenden Wasserstrome
schwebend und-in einer rotirenden Bewegung gehalten werden.
Die Structur der kugelförmigen Seeerze ist ganz und gar
oolithisch. Die Ausfällung des Eisenockers wird in einigen
Fällen von ähnlichen chemischen Prozessen bedingt wie die des
Kalks, und der mechanische Verlauf ist in beiden Fällen der-
selbe; wir können daher mit Grund annehmen, dass Perlen-,
Erbsen-, Bohn- und andere Erze Structur und Form auf einer-
lei Art wie die Kalkoolithe bekonimen haben. so
Ein im Wasser tanzendes Korn, gleichgültig von welcher
Materie, wird vom Eisenocker gleichförmig ringsum inkrustirt,
da die Rotation in Kurzem alle Punkte der Oberfläche des
Kornes in die für die Inkrustirung passendste Lage bringt.
Erst wenn die Ockerabsetzung so zugenommen hat, dass der
Wasserstrom nicht länger das Korn frei schwebend zu halten
vermag, hört die gleichförmige und allseitige Inkrustirung
auf, und die Erzkugel wächst mehr in der einen Richtung als
in der andern, wodurch sie eine unregelmässige Form erhält.
Dasselbe findet statt, wenn mehrere Erzkörner zusammenwach-
sen und dann von den folgenden Ockerschalen gemeinsam
überzogen werden. In vielen Fällen hört die shpärische,
gleichförmige Inkrustirung auf, sobald die Körner +— 1; Linie
diek geworden sind, aber der weitere Zuwachs geschieht in
regulären, in einem gemeinsamen Plan liegenden Ringen,
welche zusammen die scheibenartige Form des „Penning*-
Erzes hervorbringen. Die ringförmige Ockerabsetzung wird
wahrscheinlich durch Wasserströme hervorgerufen, welche ver-
tikal gegen die Ebene des entstehenden „Penning*-Erzes ge-
richtet sind (Fig. 21). Der Strom muss da symmetrisch um
die Kante der Scheibe gebogen werden, wodurch ein ringför-
miger Wirbel entsteht, in welchem vorzugsweise der Ocker ab-
gesetzt wird. Die Bedingungen fur diesen Prozess werden
erfüllt, sobald z. B. Perlenerzkörner uber einer vertikal auf-
steigenden Wasserader schwebend, aber doch fest genug liegen,
dass sie von dem Wasserstrome nicht weiter gewältzt werden
170
können. “Mit dieser Erklärung stimmt die Erscheinung recht
wohl überein, dass „Penning*-Erze durch weiteren Zuwachs
oft ein gewölbtes oder tellerähnliches Aussehen bekommen
(Fig. 21 b). Ihre convexe Seite muss gegen die Stromrich-
tung gewendet gewesen sein.
Ungleich grosse, einander nahe liegende Erzkörner müs-
sen durch fortschreitendes Zuwachsen oder Otkerabsetzungen
endlich unter sich zu einer Art von „Skragg*-Erz verbunden
werden, das mit Rogenstein - Conglomerat Aehnlichkeit hat.
| Wird Ocker von gleicher Zusammensetzung ununterbrochen
ausgefällt, so muss das Erz unter den gegebenen Verhältnissen
die beschriebenen Formen annehmen, ohne dass jedoch eine
concentrisch-schalige'Structur bervorzutreten braucht.*) . Diese
letztere wird durch den Wechsel verschiedenartiger Lager
oder durch Structurflächen zwischen gleichartigen Lagern sicht-
bar. Wie durch Concretion in einer ockerigen Fällung harz-
ähnliche oder ockerige Lager entstehen können, wurde oben
angedeutet, und in einigen Fällen ist wohl durch diesen se-
cundären Prozess die schalige Structur der Erbsen- und anderer
Erze entstanden. In den meisten Fällen deuten jedoch die
Structuroberflächen eine Unterbrechung in der Ausfällung des
Ockers an, und verschiedenartige Schalen zeigen Verschieden-
heiten in der Fällungsart oder eine veränderte Beschaffenheit
des Seewassers an, in welchem die Präcipitation stattgefunden
hat. Eine Fällung aus unklarem Wasser muss von Sand und
Thon verunreinigt sein. Im Winter, wo das organische Leben
bei der Ockerbildung nicht mitwirkt, muss diese langsamer ge-
schehen als im Sommer und ein etwas abweichendes Resultat
geben. Humussaure Eisenlösungen, die aus Torfmooren kom-
men, können in verschiedenen Jahreszeiten ebenfalls von ver-
schiedener Beschaffenheit sein u. s. w.
Alle diese Verhältnisse bedingen etwas verschiedene Fäl-
lungen, welche mit einander in derselben Ordnung wechseln
wie die Erscheinungen, durch welche die Verschiedenheiten
hervorgebracht werden; und da diese hauptsächlich von den
Jahreszeiten abhängen, so dürfte ein näheres Studium über die
*) Die oben mitgetheilten Versuche deuten an, dass Eisenoxydhydrat
durch blosses Gefrieren unter Wasser eine concentrisch-schalige Struetur
annehmen könne.
171
schalige Zusammensetzung der Perlenerze einen Leitfäden .zur
Bezeichnung der Zeit abgeben, welche zur Bildung eines Erz-
kornes nöthig war.
Oft ist der Zusammenhang zwischen aufeinanderliegenden
Lagern sehr unbedeutend, und nicht selten verschwindet er ganz
und gar, so dass die Schalen lose in einander liegen, ungefähr
wie die Kugeln in den bekannten chinesischen Elfenbein-Drech-
'seleien. So lange solches Erz im See liegt, sind die Zwischen-
räume zwischen den einzelnen Schalen mit Wasser gefüllt,
welches nach dem Aufholen des Erzes verdampft. Düune
Schalen fallen demnach oft zusammen, und das Erz bekommt
das Ansehen von „Penning*-Erz. Es ist möglich, dass durch
das Zusammensinken solcher hohler Erzkörner (während sie
auf dem Seeboden liegen) ein Theil des „Penning*-Erzes wirk-
lich entstanden ist.
Die erwähnten Zwischenräume dürften überhaupt dadurch
entstanden sein, dass Erzkörner von organischen Substanzen
überzogen worden sind, welche von Ocker inkrustirt wurden
und später verfault sind, so dass zwischen dem innern Korn
und der äusseren Ockerkruste ein Zwischenraum entstanden ist.
Esist klar, dass derselbe Prozess mehrere Male um die äussere
Ockerkruste herum wiederholt werden konnte.
Die Wasserströme, welche die sphäroidale Form und Struc-
tur des Seeerzes bedingen, dürften in den meisten Fällen von
‚unterseeischen Quellen herrühren, und dies lässt darauf schliessen,
dass perlen- und andere kugelförmige Erzarten vorzugsweise an
solchen Orten vorkommen müssen, wo Löcher in dem neu ge-
bildeten Eis hervortretende Quellen andeuten. Ich weiss jedoch
nicht, in wie fern die Erfahrung der Erzfischer diese theore-
tische Schlussfolge bestätigt. Die hervorbrechenden Quellen
brauchen keineswegs das Material des Erzes mitzufüuhren, des-
sen Kugelform sie bewirken, wenn das Seewasser selbst Eisen
in einer unter den gegebenen Verhältnissen fällbaren Form
enthält.
Die Erzablagerungen mussen endlich die Mündung einer
Quelle verstopfen können, so dass sie dadurch nach einem an-
dern Punkt verlegt wird entweder in demselben See oder in
der umliegenden Gegend. Dadurch kann in gewissen. Fällen
die Erzbildung in einem See unterbrochen werden, um vielleicht
in einem nahe liegenden zu beginnen.
172
‚. Auch andere Strome als die von unterseeischen Quellen
kommenden können Kugelform bei Seeerzabsetzungen bedingen.
Ein horizontaler Strom braucht nur gegen einen Stein zu stossen,
um Wirbel zu veranlassen, welche Sandkörner etc. frei schwe-
bend halten, so dass sie gleichförmig und allseitig inkrustirt
werden, wodurch endlich Perlenerz entsteht. Viele Wirbel ent-
halten vertikal aufwärts oder abwärts gerichtete Wasserstrahlen,
welche zu der scheibenähnlichen Form des „Penning“-Erzes
Veranlassung geben. Es ist daher nicht unerklärlich, dass
Kugel-, Erbsen-, Perlen-, Penning- und andere ähnliche Erz-
arten nicht allein auf dem Boden von Seen, sondern auch in
rinnenden Wassern vorkommen und daselbst ausgebildet wer-
den können, wie auch unterhalb kleiner Wasserfälle hinter
Steinen und anderen Hindernissen in einem Strom; vorausge-
setzt, dass die Schnelligkeit des Wassers nicht so gross ist,
dass der Ocker in demselben Augenblicke weggespült wird, wo
er zur Ausfällung kommt. re
Aus mehr concentrischen, vitriolischen Eisenlösungen, wie
z. B. aus Falu-Grubenwasser, wird basisches schwefelsaures
Eisenoxyd auch in reissenden Bächen abgesetzt, nicht als loser
Ocker, sondern in der Form harter, auf vielfache Art geboge-
ner Krusten mit glatter Oberfläche. Zerbrochen gleichen diese
Krusten gewissen „Skragg*-Erzen. In ruhigem Wasser da-
gegen scheint die Entstehung festerer, regelmässig construirter
Erze leichter aus verdünnten als aus concentrirten Lösungen
stattzufinden. |
Auf welche Weise das Auftreten der Wiesenerze in Klum-
pen verschiedener Form erklärt werden könne, ist schon oben
mitgetheilt worden. Ich will hier nur anführen, dass Eisen-
fällungen, die zwischen Sand abgesetzt werden, bisweilen eine
sphäroidale Structur zeigen, indem sich eisenreichere und eisen-
ärmere, sandgemischte, concentrische Ockerschalen zu kugel- .
förmigen Körpern zusammensetzten. Bisweilen liegt ein Korn
lose in einer ringsum geschlossenen Schale; Farbe und Zusam-
mensetzung bei Kern und Schale sind dann gewöhnlich etwas
verschieden. Die Structur dieser sogenannten „Adlersteine“
hängt wohl hauptsächlich von Concretion ab. SEnrt erzählt
jedoch, dass in einigen Fällen inkrustirte, aber später verfaulte
Kartoffeln die Entstehung von Adlersteinen verursacht haben,
und KınpLer glaubt, dass einige von den Adlersteinen, aber
ä 173 .
besonders ihre schaligen Fragmente, von oberflächlichen, dün-
nen Ockerabsetzungen herrühren, welche beim Trocknen in
Stücke zerborsten sind. Diese Stücke sollen durch weiteres
Austrocknen aufwärts gebogene Kanten und durch Rollen vor
dem Winde eine mehr abgerundete Form erhalten haben.
Diese Erklärung scheint jedoch wenig befriedigend.
Schluss. In dem Vorliegenden habe ich einige wesent-
lichere Momente aufzuführen gesucht, welche sich bei der
Entstehung der See- und Wiesenerze geltend machen müssen,
wiewohl nicht alle angeführten Prozesse gleichzeitig stattzu-
finden brauchen. Dieser Bildungsprozess, welcher vor unse-
ren Augen stattfindet und einer der, einfachsten zu sein scheint,
nimmt eine Menge gleichzeitig wirkender Kräfte in Anspruch,
und er kann dadurch in speciellen Fällen sehr complieirt wer-
den. Ebenso muss auch "die Erklärung geologischer Er-
scheinungen , auch wenn sie durch Berufung auf in der Natur
beobachtete oder experimentell ermittelte Prozesse (und nicht
durch leere Hypothesen) erklärt werden, doch in den meisten
Fällen einseitig und unvollständig ausfallen; denn viele Eigen-
schaften der ursprünglichen Producte, welche zu den bei
ihrer Bildung wirkenden Mitteln Fingerzeige geben könnten, sind
jetzt verschwunden, und die Zahl der auf einmal wirksamen
Reactionen kann in Folge davon leicht zu niedrig angeschla-
gen werden.
Die soeben beschriebenen See- und Wiesenerze haben viel
Aehnlichkeit mit sogenannten Bohnerzen und gewissen Braun-
eisensteinen. Die letzteren stehen oft in einem deutlichen
genetischen Zusammenhang mit gewissen Spatheisensteinen und
diese und Brauneisensteine wiederum mit Magneteisensteinen
und Rotheisensteinen. Eine Reihe von Schlussfolgerungen führt
zu dem Resultat, dass auch diese letzteren in sehr vielen Fäl-
len ursprünglich nichts Anderes gewesen sein können als See-
und Wiesenerz-artige Ausfällungen, deren Natur und Lage durch
spätere Einwirkungen verändert worden sind.
Ich hatte gedacht, am Ende dieser Abhandlung diese Be-
hauptung näher zu beweisen, breche aber ab, weil ich vielleicht
schon zu lange die Aufmerksamkeit des Lesers in Anspruch
genommen habe.
174
8, Marine Diluvial-Fauna in West-Preussen.
- Von Herrn G. Berenpr ın Königsberg.
(Auszug aus den Schriften der Königl. physik. Gesellsch. zu Königsberg .”)
Noch vor Kurzem schloss Ferp. RoEMER in diesen Blättern
(Bd. XVI. 1864. S. 611 ff.) eine „‚Notiz über das Vorkommen
von Cardium edule und Buccinum reticulatum im Diluvial- Kies
bei Bromberg‘“ mit den Worten:
„In jedem Falle ist die Auffindung von Meeresconchylien
„in dem Diluvium bei Bromberg eine bemerkenswerthe
„Lhatsache, weil sie den Anfang zu der Auffindung der
„bisher ganz unbekannten marinen Fauna des norddeut-
„schen Diluviums bildet, deren vollständigere Kenntniss
„allein uns eine genauere Einsicht in die Bedingungen,
„unter welchen der Absatz jener ausgedehnten und mäch-
„tigen Ablagerungen erfolgte, gewähren wird.‘
In Folge einer im Juni vorigen Jahres unternommenen Be-
reisung der Provinz Westpreussen oder vielmehr hauptsächlich
des Aufschlüsse über den geognostischen Charakter des Lan-
des am meisten versprechenden, breiten und tiefen Einschnittes
des Weichselthales ist es mir möglich, schon jetzt eine kleine
Reihe dieser „bisher ganz unbekannten“, marinen Diluvial-Fauna
. geben zu können.
Einige zur Zeit in ihrer Vereinzelung noch unbestimmbare
kleine Schaalreste abgerechnet, besteht dieselbe aus:
Cardium edule L. (C. rusticum Lam.)
Tellina solidula Lau. (T. solidula Puur.)
Venus (stets in Bruchstücken), unter den lebenden am
meisten V. pullastra Mont. entsprechend.
Buceinum (Nassa) reticulatum L.
Cerithium lima Bruc. (C. reticulatum Lov.), und zwar am
meisten entsprechend var. afrum.
*) Separat- "Abdrücke mit Tafel in Commission. bei Wırn. Rs in
Königsberg
175
Nur zum Theil (Cardium, Tellina) gehören dieselben noch
heute der Ostsee an. Das Buceinum ist von der Nordsee her
nur bis zur Kieler Bucht hin beobachtet worden.*) Die Venus
und das Cerithium gehören vollig der Nordsee an, sind aller-
dings auch die selteneren unter den Diluvialformen. Eine weit:
grössere Dickschaligkeit unterscheidet die gefundenen Schalen
sämmtlicher genannten Mollusken von den lebenden auffällig
und deutet gleichfalls auf ein salzigeres und bewegteres Dilu-
vialgewässer, als das Brackwasser der heutigen Ostsee ist, hin.
Was nun die Verbreitung dieser Diluvial-Fauna betrifft,
wie solche in einem Abbildungen der gefundenen Formen und
ein Uebersichtskärtehen enthaltenden Aufsatze in den Schriften
der Königl. physikalischen Gesellschaft zu Königsberg des Weite-
ren nachgewiesen ist, so sind die Spuren derselben von Meve,
ca. 2 Meilen oberhalb des Weichseldeltas, mit kurzen Unter-
brechungen bis zur russisch-polnischen Grenze oberhalb Thorn
‚mannichfach. in den Gehängen des Weichselthales beobachtet
worden. In der Regel finden sich die Schalen in den liegend-
sten 9—12 Zoll einer 5—15 und 20 Fuss mächtigen Schicht
unteren Sandmergels unmittelbar über nordischem oder Spath-
sand und finden sich oft ausgewittert und, durch langsames
Abtrocknen sehr gut erhalten, lose in und auf diesem die Dos-
sirung der Thalgehänge bildenden Sande. 2
In dem oberen Theile der genannten Stromstrecke, südlich
des preussischen Höhenzuges, in der Bromberger und Thorner
Gegend liegen die Muschelreste jedoch innerhalb einer Grand-
‚schicht des Diluviums, deren genaue Stellung zu dem eben be-
zeichneten Niveau noch nicht hinlänglich festgestellt werden
konnte.
Auffällig ist es, dass zu den Seiten des Weichseldeltas in der
Danziger Gegend und auch später in dem bereits näher unter-
suchten Samlande sich bis jetzt auch nicht die mindesten Spu-
ren der beschriebenen Mollusken-Fauna finden liessen. _
Innerhalb wie südlich des preussischen Höhenzuges ist
aber somit im Bereiche des Weichselthales die Verbreitung einer
marinen Fauna des Diluviums nachgewiesen. Der scheinbare
Widerspruch dieser mit der ebenso unläugbar dastehenden
*) Meyer und Mösıvs, Fauna der Kieler Bucht. 1865. Bd. I. Ein-
leitung pag. XIII. .
176
Thatsache einer bis jetzt ausschliesslich nur Susswasserformen.
zeigenden Molluskenfauna in den ihrer Lagerung und Structur
nach auffallend gleichen Diluvialschichten der Gegend zwischen
Elbe und Oder*) und insbesondere der Potsdamer Gegend **)
wird durch die jetzt schon allgemeineres Interesse und Be-
achtung findende weitere Untersuchung des norddeutschen D’lu-
viums, die auch endlich eine genauere Kenntuiss der ‘alten
Meeres-, wie Süsswasser-Strombetten und Seebecken innerhalb
desselben zur Folge haben muss, sicher bald seine Lösung
finden.
> BeyricH. Bd. IV. 1852. S. 498 dieser Zeitschr.
”*) Die Diluvial- Ablagerungen der Mark Brandenburg. Berlin. Bei
S. M. Mittler.
Druck von J. F. Starcke in Berlin.
CH dh) 1% &
SEPT. 3 a 5 &
0028]
Zeitschrift
der
Deutschen geologischen Gesellschaft.
2. Heft (Februar, März und April 1866).
A. Verhandlungen der Gesellschaft.
l. Protokoll der Februar - Sitzung.
Verhandelt Berlin, den 7. Februar 1866,
Vorsitzender: Herr G. Rosn.
Das Protokoll der POSTS ZUNG wurde verlesen und ge-
nehmigt.
Der Gesellschaft sind als Mitglieder beigetreten:
Herr J. GrotH, Stud. phil., zur Zeit in Berlin,
vorgeschlagen durch die Herren Bryrich, Rosr und
Taunav.
Herr F. NırscHe, Stud. phil., zur Zeit in Berlin,
vorgeschlagen durch die Herren Berrıch, v. KÖNEN
und Kuntn.
Für die Bibliothek sind eingegangen:
A. Als Geschenke:
G. Lavse: Die Schichten von St. Cassian. 2. Abtheilung.
Brachiopoden und Bivalven. Wien 1865.
H. AsıchH: Beiträge zur geologischen Kenntniss der Ther-
malquellen in den Kaukasischen Ländern. Tiflis 1865.
H. Cocmivs: Untersuchungen über die chemische Zu-
sammensetzung der wichtigsten vulkanischen Gesteine von
Madeira und Porto-Santo. — Separatabdruck aus dem Journal
für prakt. Chemie. XCIM. 3.
A. Favre: Sur la structure en eventail du Mont-Blanc. —
Aus der Bibliotheque universelle et Revue Swisse (Archives des
sc. phys. et nat.), Livr. de Novembre 1865.
DELESSE: Carte agronomique des environs de Paris. 2 Blätter.
GIEBEL: u auf die in der Abhandlung des Herrn
Zeits.d.d. seul. Ges. XVUOI 2 ö 12
178
v. Könexn: „Die Fauna der unteroligocänen Tertiärschichten
von Helmstädt bei Braunschweig“ enthaltene Kritik der Arbeit
des Herrn GiEBEL: „Die Fauna der Braunkohlenformation von
Lattorf.“ — Separatabdruck aus der Zeitschrift für die ge-
sammten Naturwissenschaften, herausgegeben von GIEBEL und
Sırwert. 1866. Bd. XXVIl..
B. Im Austausch:
Correspondenz des zoologisch-mineralogischen Vereins in
Regensburg. Jahrg. 19. Regensburg 1865.
Jahrbücher des Vereins für Naturkunde im Herzogthum
Nassau. Heft 17 und 18. Wiesbaden 1862 und 1863.
Bulletin de la societe geologique de France. 2. Ser. Tome 22.
Jewilles 17—26. Paris 1864 und 1865. ;
Bulletin de la societe imperiale des naturalistes de Moscou.
N. III. Moscow 1865. ER "
Annales des mines. Sixieme Serie. Tome VITI. Livr. 4.
Paris 1865. |
Acta universitatis Lundensis. 1864. Abtheilung für Philo-
sophie und Abtheilung für Naturwissenschaften.. Lund 18.
The Canadian naturalist and geologist. New. Ser. Vol. IT.
Nr. 3 und 4. 1865. Montreal.
Report on the commissioner of Patents for the year 1862.
Arts and manufactures. Vol. I. Washington 1864. Vol. II.
‘1865. |
i Transactions of the royal Irish academy. Vol. 24. Anti-
. quities Part II, III, IV. Seienee Part IV, VI. Dublin 1865.
Proceedings of the royal Irish academy. Vol. VII. Dublin
1862..:iV’ol,. .VIIL2=1864.27 Vol. IX Port. 1,1865:
The quarterly Journal of the geological society. London.
Vol.\21. Paris: 4:. N.:84:51865:
Verhandlungen der: k. k. geol. Reichsanstalt. Sitzungs-
berichte vom: 19. December 1865 und: 16. Januar 1866.
Der Vorsitzende gab der Gesellschaft Kenntniss von dem
in der Anlage zu diesem Protokoll abgedruckten Schreiben des
Herrn Dr. Mryn zu Uetersen in Holstein an den Vorstand
der Gesellschaft, betreffend die Berücksichtigung von Schleswig-
Holstein bei der Entwerfung der Bodenkarten des preussischen
Staates. Den darin niedergelegten Ansichten beistimmend
schlug der Vorsitzende vor, eine Abschrift dieses Schreibens
anfertigen zu lassen und dem Minister für landwirthschaftliche
179
Angelegenheiten zur geneigten Berücksichtigung zu überreichen,
‚welchem Vorschlage die Gesellschaft zustimmte.
Herr Eck legte hierauf aus den zwischen Piekar und Kos-
lawagura in Oberschlesien aufgeschlossenen Sandsteinen (welchen
die in seiner Abhandlung uber die Formationen des bunten Sand-
"steins und des Muschelkalks in Oberschlesien pag. 39 und in
dieser Zeitschrift Bd. 17 pag. 255 erwähnte Lingula und ein
Pecten entstammen) einen weiteren Erfund vor, nämlich Ab-
drücke und Steinkerne von Brachiopoden, welche wegen ihres
langen geraden Sehlossrandes , der gestreiften Oberfläche und
ihrer allgemeinen Form der Familie der Strophomeniden (viel-
Jeicht der Gattung Leptaena) zuzurechnen sind *).
Bezug nehmend auf die in der vorigen Sitzung von Herrn
F. RoEMER ausgesprochene Ansicht, dass die vorgezeigten In-
erustationen von Galmei auf dem Skelett einer Fledermaus der
Jetztzeit ein sehr jugendliches Bildungsalter des oberschlesischen
Galmeis beweisen, bemerkte der Redner ferner, dass die an
vielen Punkten und neuerdings namentlich in den Schächten
im Felde der Gottes-Segen-Galmeigrube bei Beuthen beobachtete
Auflagerung mariner, miocäne Versteinerungen einschliessender
Thone auf die oberschlesischen Erzlager zu der Annahme nöthige,
die oberschlesischen Erzlager seien vor der miocänen Tertiär-
zeit bereits vorhanden gewesen, und dass die Incrustationen
von Galmei anf Ueberresten von Thieren der gegenwärtigen
Schöpfungsperiode, ferner auf Baumblättern und auf alter
Grubenzimmerung, wie man sie in den Bauen der Eleonore-
galmeigrube beobachtet hat, nur die Löslichkeit des bereits
vorhandenen Galmeis in den durchsickernden, kohlensäure-
haltigen Tagewassern überhaupt zu beweisen scheinen.
Herr RorH legte zur Ansicht vor H. Ls Hon, Histoire
“complete de la grande eruption du Vesuve de 1631, Brusxelles,
Mugenot 1866. _ Diese.aus den Quellen höchst sorgfältig zu-
sammengetragene und durch die Ortskenntniss des Verfassers
höchst lebendige Beschreibung des grossen Vesuvausbruches
von 1631 ist begleitet von einer Karte im Maassstab von
1:25000, welche in farbiger Darstellung sämmtliche seit 1631
”) Bestätigt sich die nach einer neueren Mittheilung dem Herrn
DEGENBARDT geglückte Auffindung von Pflanzen der Steinkohlenformation,
in diesen Schichten, so würden dieselben ungeachtet ihrer abweichenden
Beschaffenheit der letzteren Formation zugerechnet werden müssen,
12*
| | 180
ergossene Lavaströme -enthält. - Mühsame . während längerer
Zeit an Ort und Stelle angestellte Untersuchungen haben es
den Verfasser möglich gemacht, eine geographische Darstellung
zu liefern, welche in einzelnen Punkten, namentlich in Bezug
auf die Lava von 1631, von den bisherigen traditionellen An-
gaben abweichend, zum ersten Male ein genaues Bild der seit
jener Zeit ergossenen Laven giebt.
Derselbe erinnerte bei Gelegenheit des Aeginetischen, kürz-
lich von Damour analysirten Vorkommens von Bauxit an die
zuerst von SCHEERER, später auch von SAEMAnN und Pısant be-
obachtete Thatsache, dass Nephelin (und also wahrscheinlich auch
ähnlich Silikate mit hohem Tihonerdegehalt, wie namentlich Anor-
thit) bei der Verwitterung zerfallen können in gewisseZeolithe und
in Thonerdehydrat, das wie es scheint noch etwasKieselsäure ent-
hält. Mögen sich nicht alle Vorkommen von Bauxit durch
diese Beobachtung erklären, so kann sie doch als Fingerzeig
dienen für die Theorien, welche man über die Entstehung dieses
merkwürdigen Minerals aufzustellen versucht.
Derselbe legte ferner zur Ansicht vor die von ihm im
Auftrage der Königlichen Akademie der Wissenschaften aus
dem Nachlass von E. MiTscHErLich herausgegebene Arbeit über
die vulkanischen Erscheinungen in der Eifel. Aus dem längeren
Vortrage, der den geologischen Bau der Eifel erörterte, soll
hier nur hervorgehoben werden der Nachweis über die Ver-
wandtschaft und Stellung der Eruptivgesteine der Tertiär- und
Jetztzeit. Die Trachyte, Phonolithe und Basalte. stellen eine
Reihe dar. Im Trachyt findet sich neben dem überwiegenden
Sanidin nicht selten Oligoklas ein, der in andern, hier nicht
weiter zu berücksichtigenden Trachyten ohne Begleitung des
Sanidins auftritt; im Phonolith gesellt sich zu dem Sanidin in
geringerer oder grösserer Menge Nephelin, so dass die Grenzen
zwischen gewissen Sanidintrachyten und gewissen Phonolithen
sehr schwer zu ziehen sind. Die als Basalt bezeichneten Ge-
steine bestehen dem bei weitem überwiegenden Theile nach
aus Nephelingesteinen und Nepheliniten, zum viel geringeren
aus Gesteinen mit Kalkfeldspathen.
In der Eifel sind Trachyte, Phonolithe und Nephelin-Basalt
‚vorhanden, und der letztere übertrifft an Quantität hier Trachyt
“und Phonolith bei weitem. Wird demnach der Phonolith das Mittel- -
glied zwischen (Sanidin-) Trachyt und (Nephelin-) Basalt, so muss
-
181
man in nächste Nahe des Phonolithes die Leueitgesteine stellen,
in welchen neben dem Leucit nicht selten Nephelimund Sanidin
nachgewiesen wurden. 7
Herr Weppise legte eine Probe von Bauxit vor, welcher
ihm von dem Entdecker desselben, Herrn Direktor A. FLECKNER
aus Feistritz in der Wochein zugegangen war. Das Mineral
hat sich auf den bereits schon früher vom Vortragenden
genannten Lagerstätten an der Grenze des Trias- und Jura-
Kalkes am linken Ufer der Wocheiner Sava gefunden und
zeichnete sich durch seine grosse Reinheit vor allen bisher
bekannten Vorkommnissen aus. Nach einer in dem Laboratorium
der k. k. geologischen Reichsanstalt ausgeführten Analyse ent-
hält derselbe 64,24 pCt. Thonerde (mit sehr geringer Menge
Titansäure), 2,40 pCt. Eisenoxyd und 6,29 pCt. Kieselsäure;
ausserdem 0,35 Kalkerde, 0,358 Magnesia, 0,20 Schwefelsäure,
0,46 Phosphorsäure, Spuren von Manganoxyd, Kali, Natron,
Lithion und 25,47 pCt. Wasser. Das specifische Gewicht ist
= 2,551. Die Farbe ist ein helles Röthlich-Gelb. Seine
Struktur vollkommen dieht mit muschlichem Bruch. Er fühlt
sich fettig an. Diese grossen Unterschiede von dem franzö-
sischen und irischen conglomeratartigen Bauxit haben den
Entdecker veranlasst, dem Mineral den Namen Wocheinit zu-
zulegen. Die rothen, das Vorkommen durchziehenden Adern
sind eisenreicherer Bauxit. Das Lager hat, wo es aufgeschlossen
ist, 2 Lachter Mächtigkeit und fällt unter 30 Grad ein.
Hierauf ward die Sitzung geschlossen.
er? w. 0.
G. Rose. DBeysıch. Eck.
>
>
Anlage zun Protokoll der Februar-Sitzung.
An den Vorstand der deutschen geologischen Gesellschaft
in Berlin!
Die Zeitungen der letzten Tage bringen die Nachricht, dass
das Königlich Preussische Landes-Oeconomie-Üollegium beschlos-
sen hat, den Herrn Minister zu bitten, er möge für das
Schwemmland der preussischen Monarchie geognostisch-
petrographische Karten in Angriff nehmen lassen und die Auf-
nahme wo möglich im Maassstabe von 1:25000 anordnen;
182
ferner den Herrn Minister zu bitten, er möge zur sofor-
tigen Inangriffnahme die Summe von 8000 Thalern für die
ersten Localaufnahmen jährlich bewilligen, um damit unter vier
Dirigenten eirca 8 bis 12 Aufnahmen schon 1866 beginnen zu
lassen;
schliesslich, in Erwägung, dass für die ersten Aufnahmen
die Nähe von Universitäten und landwirthschaftlichen Akade-
mien Berücksichtigung verdient, zu Dirigenten und zu Locali-
täten für den Anfang dem Herrn Minister vorzuschlagen: «
a) den Herrn v. BENNInGSEn-FORDER für die Umgegend von
Berlin,
b) den Dr. Brrenpt für die Umgegend von Könienbareni in
Preussen,
c) den Professor GIRARD für die Umgegend von Breit,
- d) den Oberberghauptmann v. DECHEN für die ee
von Bonn.
Die deutsche geologische Gesellschaft wird diese Bestre-
bungen des Landes-Oeconomie-Collegiums mit Freuden begrüssen
und eine gewährende Entscheidung des Ministeriums mit dop-
pelter Freude, da gerade die Forderung der Geognosie des
Schwemmlandes eine Hauptaufgabe der Gegenwart ist, seitdem
die Kenntniss der Flötzgebirge und des älteren Tertiärlandes
einen so hohen Grad von Genauigkeit erlangt hat. — Da die
innigere Verknüpfung der Geognosie mit der praktischen Boden-
kunde zu den erwünschtesten Ereignissen gehört und nur auf
diesem Wege erreicht werden kann, da die bewegenden Fragen
der Geologie, welche das Alter des Menschengeschlechts und -
‘sein Hineinragen in die Zeit der diluvialen Bildungen betreffen,
nur in diesem Gebiete ihrer Lösung harren, und da somit auch
die historischen Wissenschaften ihre Anknüpfungspunkte an
unsern Untersuchungen finden werden, so wird die geologische
Gesellschaft in jener Bitte des Landes-Oeconomie-ÜOollegiums
wahrscheinlich ihren eigensten Wunsch ausgedrückt finden. Allein
die deutsche geologische Gesellschaft, welche durch die freie
Thätigkeit ihrer Mitglieder bereits seit ihrer Gründung zu der
richtigen Würdigung des Schwemmlandes und zur Feststellung
seiner Gliederung nicht unwesentliche Beiträge geliefert hat,
durfte in diesem besonderen Falle ausser der Freude über das
Geschehene auch den Beruf zu einer Initiative haben und sich
183
veranlasst sehen, den Bitten des Landes-Oeconomie-Collegiums
eine weitere Bitte hinzuzufügen.
Wenn auch die deutsche geologische Gesellschaft nicht
unbedingt in die Gliederung des preussischen Staates eingefügt
ist, so steht sie doch zu derselben in mannichfachen innigen
Beziehungen.
Die Vorgeschichte der deutschen Nordfahrt hat gelehrt,
dass das preussische Ministerium sich den wissenschaftlichen
' Anregungen zur That durchaus nicht verschliesst, wenn auch
dieselben nicht auf dem amtlichen Stufengange an dasselbe
gelangen. Da nun wohl alle namhaften Geognosten des preus-
sischen Staates Mitglieder unserer Gesellschaft sind, auch die
oben in Vorschlag gebrachten Dirigenten der Schwemmlands-
Aufnahme derselben angehören und kein zweites Institut zur
Fällung eines wissenschaftlich ebenso competenten Urtheils
in Sachen der norddeutschen Ebene besteht, so habe ich ge-
glaubt, der Gesellschaft einen Schritt der Initiative bei dem
Ministerium vorschlagen zu dürfen.
Die ausgedehnte Fläche des norddeutschen Schwemmlan-
des und der einzelnen, dasselbe zusammensetzenden Schichten-
complexe, das Verschmelzen derselben an den Grenzen, durch
welches bei der Lockerheit der Materialien oft eine beträcht-,
liche horizontale Ausdehnung aller Charaktere entkleidet wird,
der grosse Mangel an Petrefacten auf ursprünglicher Lager-
stätte, das Erscheinen derselben an secundärer Stelle und die
immer noch ungenugende Beschaffenheit der vorhandenen wis-
senschaftlichen Vorarbeiten sind Thatsachen, welche wohl über
jeden Zweifel erhaben sind.
Aus denselben aber entspringt die Gefahr, dass die vier
Dirigenten, welche auf viele Meilen von einander getrennt sind,
je mehr sie als selbstständige Forscher in der vorliegenden Auf-
gabe gelten, üm desto leichter divergirende Bestimmungen tref-
fen können, welche erst später durch Weiterforschen, oder wenn
sich die Grenzen der untersuchten Gebiete zu berühren anfan-
gen, völlig wieder ausgeglichen werden können, bis dahin aber
das Verwickelte leicht noch mehr verwickeln, das Schwierige
leicht noch mehr erschweren.
Die Geschichte der Erkenntniss des Flötzgebirges, von
verschiedenen Mittelpunkten ausgehend , kann nicht als eine
Warnung bezeichnet werden, welche genügt, um die Dirigenten
184
der ‚Aufnahme gegen einen solchen Erfolg ihrer Arbeiten un-
bedingt zu schützen; denn bei vollständiger Beherrschung des
Materiales und grosser, vorher- gesicherter Einstimmigkeit der
Forscher in ihren Bestrebungen ist dech der Mangel an un-
umstösslich sicheren Haltpunkten die Klippe, an der die Coin-
cidenz und Vergleichbarkeit ihrer Arbeiten unbedingt schei-
tern muss.
Unterdiesen Umständen müsstees sehr wunschenswerth sein,
ein beschränktes Gebiet zu haben, auf welchem die vier berufenen
Forscher vorweg gemeinsam die Charaktere der Hauptabthei-
lungen feststellen könnten, deren weitere innere Gliederung an
verschiedenen Stellen dann nicht mehr irre führen kann, und
deren Charakteristik uns dann auch mit Sicherheit gegen Täu-
schungen durch die in der norddeutschen Ebene oft sehr aus-
. gedehnten und durch keine Contouren der Oberfläche bezeich-
neten Localbildungen schützen würde. |
Zu einem solchen Vorbereitungsfelde sind die Herzogthü-
mer Schleswig-Holstein und Lauenburg unbedingt der richtige
Platz. Schon im Jahre 1846 habe ich bei Gelegenheit der
Versammlung deutscher Landwirthe durch eine von den Schich-
tenmustern begleitete, kleine Denkschrift nachgewiesen, dass in
diesem schmalen Landstriche ein zusammengedrängtes Abbild
der grossen norddeutschen Ebene gefunden wird. ,
Die schmale Ostküste entspricht in ihren Bildungen der
weitgedehnten Seenplatte der mecklenburgisch-preussischen Ost-
seekuste und dem Lande östlich der Elbe; die Westküste ent-
spricht den Gestaltungen am Niederrhein, in Holland und Olden-
burg, das Mittelland trägt den Charakter des hannöverschen
und westiphälischen Schwemmlandes. Was also in der nord-
deutschen Ebene auf eine Erstreckung von mindestens zwanzig
Längengraden auseinandergelegt ist, das liegt hier in einer
schmalen Halbinsel nebeneinander. die höchstens zwei, oftmals
kaum einen Grad westöstliche Ausdehnung hat und, durch keine
Zerrüttungen verwirrt, die verschiedenen Formationen des
Schwemmlandes im Parallelismus der Erstreckung von Norden
nach Süden, stellenweise sogar mit mehrfacher Wiederholung
neben einander, aufweiset. biigt
Durch theilweise sehr deutliche Terrassenbildung an den
Formationsgrenzen erläutern sich leicht‘ andere verwischtere
Grenzlinien, während durch diese Terrassen, wie durch die
185
augenscheinliche Nähe beider Meere, durch die schon von
LeopoLp von Buch gewürdigten Muschelbänke, die Hebungen
und Senkungen des Landes, von denen die Bildungen abhängig
waren, leichter zu verfolgen ‚sind als in irgend einem anderen
Theile der norddeutschen Ebene.
Dazu kommt, dass eine in Halbinseln und Inseln vielfach
zerrissene Küste überall einen tiefern und reinlichen Einblick
in die Lagerungen gestattet, was schon an der Elbküste bei
Lauenburg und an der Ostseeküste bei Travemünde, also gleich
dort beginnt, wo das Land mit dem grösseren Massiv der
norddeutschen Ebene zusammengewachsen ist. Es dürfte
auch für das Interesse des Ministeriums an der Sache nicht
unwichtig sein, dass weiter gegen Norden die hauptsächlichsten
Aufschlusspunkte über die Lagerung sich meistens an den-
jenigen Stellen finden, welche für Preussens maritime Aufgaben
so wichtig geworden sind und der Untersuchung nach jeder
Richtung des menschlichen Erkennens hin werthgehalten werden
sollten, Fehmarn, Kiel, Eckernförde, Duppel-Alsen, Sylt u.s. w.
Bei dem verhältnissmässig grossen Mangel an originalen Or-
ganismen in den Schichten des norddeutschen Schwemmlandes,
welche älter sind als das Alluvium, ist es ebenfalls von Be-
deutung, dass in den Herzogthumern noch ein relativ grösserer
Reichthum auf kleinerem Raume gewahrt wird. Ich brauche
nur zu erinnern an die Cyprinenthone von Alsen, die Muschel-
krebsthone von Tarbek, die petrefactenreichen Schichten von
Fahrenkrug, an die diversen Austernbanke des Hochlandes und
die merkwürdigen Ziegelthone von Glinde, in denen Coniferen-
zapfen und Delphinknochen neben einander vorkommen, wie denn
auch ächt diluviale Ablagerungen eines zwischen Braunkohle
und Torf mitten inne stehenden Pflanzenresiduums nicht
selten sind.
Ferner kommt ganz wesentlich in Betracht, dass das Land
- der Ursprungstätte des Materiales, der skandinavischen Halbinsel
viel näher liegt, dass die Gletscherspuren — wenn man sie als
solche will gelten lassen —, jedenfalls aber die Bewegungsspuren
hier weit ersichtlicher sind als weiter sudwärts, dass die Aufein-
anderfolge mehrerer Eiszeiten, wie sie in anderen Ländern
als erwiesen gilt, wenn sie für Norddeutschland ebenfalls giltig
sein sollte, hier in den Herzogthümern zuerst und am leichtesten,
ja vielleicht nur hier festgestellt werden kann. .
186
‚Die grosse praktische Bedeutung dieser scheinbar rein
geologischen Frage ergiebt sich daraus, dass alle Thone,
welche von Gletscherschlamm herrühren, ihren Kaligehalt aus den
Feldspathen conservirt haben, während die aus Verwitterung
entstandenen Thone vorher stets halb oder ganz kaolinisirt
worden sind.
Von grosser Bedeutung für die gestellten Aufgaben ist er
dass auch die Berührung mit älteren Schichten und die Auf-
lagerung auf dieselben hier zu verfolgen sein wird. Wenn
auch nicht alle Abtheilungen der norddeutschen Tertiärforma-
tion hier vorhanden sind, so trifft man doch einen wichtigen
Theil derselben an immer zahlreicheren Punkten auftauchend
und in mannichfaltigster Weise mit Diluvium und Alluvium zu-
sammengreifend, wie denn auch ein Tertiärgebirge, dessen
Conecretionen durch die herrlichsten Petrefaeten bezeichnet sind,
fast gänzlich in das Diluvium aufgenommen ist und an den
classischen Fundstätten in der Nähe von Segeberg, Plöen und
Mölln Aufschlüsse über die Herkunft mancher Sandmassen des
Diluviums geben wird, während an den Küsten die exac-
teren Rerührunkefeiiveht zwischen se Formationen zu ge-
winnen sind..
Ebenso ist die Kreide in mehreren Stufen im Lande vor-
handen, und künstlich oder natürlich aufgeschlossen. An einer.
Stelle ist die seltsamste Verschlingung der turonischen Ab-
“theilung mit dem Diluvium festzustellen, durch welche die Ent-
stehung mancher grünlichen Thone der norddeutschen Ebene
verständlicher wird.
Es genügt nicht, die Herkunft der löslichen Kieselsäure
und des Kalkgehaltes in den mannichfaltigen Bodenarten Nord-
deutschlands auf die Kreideformation zurückzuführen, in vielen
Fällen ist auch der Kaligehalt ihr zu verdanken, und die Kennt-
lichkeit des Glaukonites auch in dem kleinsten zerriebenen
Körnlein giebt hier ein wundervolles Hülfsmittel sowohl für
die geologische, als für die agronomische Untersuchung ab.
Weniger bedeutsam für die allgemeine Kunde des Schwemm-
jandes und doch noch von hohem Interesse ist der Umstand,
dass an bestimmter Localität dasselbe mit Petroleum durch-
drungen ist und eine reichliche Ausbeute gewährt, und dass
dieses Petroleum einem Gebirge von weisser Kreide entstammt,
welches in einer Mächtigkeit von 130 Fuss davon getränkt
187
uud durchdrungen ist, so dass es die überliegenden Diluvial-
schichten in wahre Pechlager verwandelte.
Es ist bekannt, dass der Segeberger Gypsstock mit seinen
Umgebungen viele Actenstücke zur Lösung der Frage über das Vor-
kommen der Salzquellen in Norddeutschland liefert, dass durch
Vergleichung der Punkte Segeberg, Stade, Lieth, Schobull viel-
leicht die Stellung dieses Salzes und Gypses im Flötzgebirge
zu entscheiden ist, da die gänzlich im Diluyium verschwemmten,
ziegelrothen Flötzgebirgsmassen, begleitet von Gyps, Stinkstein
und Asche, mit allen Charaeteren der Zechsteingesteine gleicher
Art, noch immer der Deutung harren und jedenfalls die Mit-
wirkung eines Factors bei der Materialgewinnung des Diluviums
erläutern werden, der bisher gar nicht beachtet wurde.
Endlich ist zu erwähnen, dass in Holstein ausser den Bruch-
stucken zerstörter Juragesteine, welche jetzt fast überall ge-
troffen ‘worden, sich bei Ahrensburg der Jura auch durch
wahrhafte Concretionen und Septarien (keine Schichtenbruch-
stücke) verräth, mithin auch die Einwirkung seiner in das
Diluvium verschwemmten Thonlagen auf deren Gehalt fest-
stellen lässt.
Hier in den Herzogthumern ist ar ausser der leichteren
Sondirung der verschiedenen Abtheilungen des Diluviums an
der Oberfläche und in natürlichen Durchschnitter, auch die
Beziehung zu dem unterliegenden Flötzgestein am leichtesten
festzustellen; denn wo dasselbe an die südlichen Flötzgebirge
reicht, ist es oftmals zu sehr durch locale Ursachen verändert,
während über unser Land hinweg nur die allgemeine Nord-
bewegung des Materiales geschah, und das ist doch wohl aus-
gemacht, dass, wenn auch aus dem Sande noch in entfernten
Gegenden festzustellen ist, welche Schichten sein Material
lieferten, der Antheil der Flötzgebirge an der Entstehung thoniger
und mergeliger Diluvien doch nur am Orte der Verwaschung
unzweifelhaft klar gemacht werden kann.
Was endlich die jüngsten Schichten des Alluviums betrifft,
so behaupte ich, auf Thatsachen gestützt, dass kein einziges
Land auf so zusammengedrängtem Raume so vielfache und
verschiedenartige Meeres- und Süsswasserbildungen neben ein-
ander beherbergt und deren relatives Alter festzustellen ge-
stattet als gerade Schleswig-Holstein. Und hier ist auch der
Punkt, wo die moderne geologische Frage vom Alter des
188
- Menschengeschlechts neue Thatsachen erwarten kann. Kein
Theil von Deutschland ist s6 reich an Ueberbleibseln aus’ dem
Steinzeitalter der Menschheit, und noch an’keiner Stelle des
Landes sind sie mit Rücksicht auf ihre Fundstätte in den
Schichten gesammelt. Der Fund aus einem einzigen Torf-
moore in Angeln hat genügt, ein ganzes Museum zu gründen,
um dessen Besitz noch heute diplomatisch gekämpft wird, und
die einzige von FORCHHANMMER constatirte T’hatsache, dass ein
heidnisches Begräbniss unter den Spiegel des Meeres bei Husum
hinabreicht, ist Beweis genug dass hier ein Zusammenspiel
geologischer und archäologischer Entdeckungen zu erwarten
steht, wenn die geeigneten Kräfte das Object anfassen.
Eine gewiss verzeihliche Vorliebe für meine engere Heimath
und für die Studien, denen ein angespannter technischer und kauf-
männischer Beruf mich entzogen hat, erweckt in mir den Wunsch,
eine geognostische Generalkarte der Herzogthumer zur Grund-
lage und zum Ausgangspunkt der geognostischen Specialkarten
der norddeutschen Ebene erhoben zu sehen, aber dieser Wunsch
hat mich nicht verführt, Etwas vorzuschlagen, was ich nicht
zugleich aus vollster Ueberzeugung für praktisch richtig hielte,
und was nicht voraussichtlich auch der deutschen geologischen
Gesellschaft: so erscheinen sollte.
Wenn+aber in der Thatin den Herzogthümern der Schlüssel
‘für die Deutung des Ganzen liegt, so würde sich für die Lö-
sung.der von dem Landes-Oekonomie-Collegium angebahnten Auf-
gaben empfehlen, eine vorläufige generelle Aufnahme dieses
Landes oder eine Reihe von Durchschnitten quer durch das-
selbe zur Grundlage für die weiteren Aufnahmen zu machen.
Da das Herzogthum Lauenburg den König von Preussen
als seinen Landesherrn erkennt, und da die Beziehungen
Preussens zu den anderen beiden Herzogthümern jetzt der
allerinnigsten Art sind, ja in dem einen Herzogthum preussische
Autoritäten ganz allein verfügen, und da, wie früher her-
vorgehoben, ein grosser Theil der wichtigsten Localitäten für
die Geognosie zugleich für andere, namentlich maritime In-
teressen Preussens von hervorragender Wichtigkeit sind, so
liegt in der Zumuthung, diese Generalaufnahme jenen Speecial-
aufnahmen vorhergehen zu lassen, auch nicht einmal eine Auf
förderung, das Fremde dem Heimischen voranzustellen, und be
der eigenthümlichen Stellung der deutschen geologischen Ge
\
189
sellschaft als eine völlig freie, rein wissenschaftliche Ver-
einigung der Fachmänner scheint gerade sie berufen zu sein,
den aus rein wissenschaftlichen Gründen motivirten, hierauf-
abzielenden Antrag bei dem Ministerium einzubringen.
Ich richte daher als Mitglied der deutschen geologischen
Gesellschaft an den Vorstand derselben die ergebene Bitte,
derselbe möge diesen meinen Vorschlag in seiner Februar-
Sitzung diseutiren, alsdann einem Comit& von in Berlin leben-
den Mitgliedern, welche mit der Anfertigung geognostischer
‚Karten vertraut sind, zur Prüfung übergeben, und wenn diese
rein wissenschaftliche Prüfung günstig für den Vorschlag
ausfällt, dann denselben sich zu eigen machen und im Interesse
der guten Sache zur Ersparung von Zeit, Kosten, Weitläufig-
keiten und Irrthumern ungeachtet der mangelnden amtlichen Be-
ziehung zum Ministerium demselben vertrauensvoll diese Bitte im
Anschlusse an die Bitte des Landes - Oekonomie- Collegiums
aussprechen.
Uetersen in Holstein, den 28. Januar 1866.
Dr. L. Meyn.
2. Protokoll der März-Sıtzung.
Verhandelt Berlin. den 7. März 1866.
Vorsitzender: Herr Ewarn.
Das Protokoll der Februarsitzung wurde verlesen und ge-
nehmigt.
Für die Bibliothek sind eingegangen:
A. Als Geschenke:
C. W. Gümsen: Geognostische Verhältnisse der Pfalz.
München 1865. — Separatabdruck aus Bavaria, 4. Band,
2. Abtheilung.
B. Im Austausch:
Zeitschrift des Architeeten- und Ingenieurvereins für das
Königreich Hannover. Bd. 11. Heft 4. Jahrg. 1865. Hannover.
Archiv des Vereins der Freunde der Naturgeschichte in
Meklenburg. 19. Jahrg. Herausgegeben von Borz. Neu-
brandenburg 1865. |
190
Neunter, zehnter und elfter Bericht der oberhessischen
Gesellschaft für Natur- und Heilkunde. 1862—1865. Giessen.
Der zoologische Garten. 6. Ah NR E Frank-
furt a. M. 1865.
Sechster Bericht des Offenbacher Vereins für Naturkunde.
Offenbach a. M. 1865.
Neues Lausitzisches Magazin. Bd. 42. 1. u. 2. Hälfte.
Görlitz 1865. : Ya:
Metrische Uebersetzung einiger Psalmen. Herausgegeben
von der oberlausitzischen Gesellschaft der Wissenschaften als
Jubiläumsschrift. Görlitz 1865.
Notizblatt des Vereins für Erdkunde zu Darmstadt und
des mittelrheinischen geologischen Vereins. III. Folge. 4. Heft.
N. 37—48. Darmstadt 1865.
Verhandlungen der k. k. geologischen Reichsanstalt in
Wien. Sitzung vom 20. Februar 1866. T
Sveriges geologistka undersökning, pa offentlig bekostnad
uförd under ledning af A. Erpmann. N. 14—18. Nebst den
Sectionen: Lindsbro, Skattmansö , Sigtuna, Malmköping,
Strengnäs.
Herr von DER MARCK she über die Entwickelung der
Jüngsten Kreideschichten in Westphalen. Sie nehmen den
Mittelpunkt des Beckens von Münster und Paderborn ein,
dessen nördlicher Rand durch ältere Kreidebildungen, nämlich
hellbraune Neocomsandsteine und theils thonige, theils sandige,
theils als Flammenmergel entwickelte Gaultablagerungen ge-
bildet wird; ihnen lagern sich nach Süden hin immer jüngere
Schichten auf, von denen die oberste Kreide, namentlich das
ältere Senon mit Belemnitella quadrata den grössten Theil des
genannten Beckens einnimmt. Weniger mächtig sind die
Schichten’ mit Belemnitella mucronata entwickelt, welche die
Baumberge und das Plateau von Beckum umfassen und mit
einer oolithischen Schicht mit Fischzähnen, Haifischwirbeln
und Belemnitella mucronata abschliessen. Ueberlagert werden
dieselben von einer 6—8 Fuss mächtigen, durch zahlreiche
Fischreste ausgezeichneten Schicht, in welche die Belemnitella
mucronata nicht hineingeht. Von Fischen sind in derselben etwa
40 Species beobachtet worden, von denen 5 in ausserordent-
licher Häufigkeit vorkommen. Die meisten gehören der Ab-
theilung der abdominalen Weichflosser an, 10 den Stachel-
191
flossern, 4 den Ganoiden, welche denen der älteren Formationen
nicht ähnlich sind; endlich fanden sich auch Haifischreste,
welche dem Hundshai nahe stehen. Alle, besonders die
Stachelflosser und Ganoiden, finden ihre nächsten Verwandten
in den Fischen der tertiären Ablagerungen des Monte Bolca
und des Libanon. Ebenso die Krebse, welche von denen der
Kreideformation erheblich abweichen. Leider war der einzige
aufgefundene Echinid von zu unvollkommener Erhaltung, um
eine Vergleichung mit Ananchytes ovata zu gestatten. Ausserdem
wurden Reste eines nakten Cephalopoden, dicotyledone Baum-
blätter und Fucoiden bei Stromberg und Sendenhorst beobachtet.
Alle organischen Reste scheinen ‘den Schluss zu rechtfertigen,
die in Rede stehenden Schichten als ein Mittelglied zwischen
den: Ablagerungen der Kreide und des Tertiärgebirges aufzu-
fassen; jedenfalls wird ihnen ein noch jüngeres Alter als den "
Mastrichter Kreidebildungen zuzuweisen sein.
Herr Laspryres legte eine Reihe von Handstücken des
Eruptivgesteines vor, welches in den oberen Schichten des
Unterrothliegenden nicht weit im Hangenden des quarzführenden
Porphyrs der Rothenfelsen bei Münster‘ a. Stein ein concor-
‘ dantes, intrusives Lager bildet, das von dem Norheimer-
Tunnel der Rhein- Nahe-Eisenbahn durchfahren worden ist.
"Dieses Gestein, das man bisher mit den Namen Grünstein,
Trappdiorit und Melaphyr belegt hat, ist für die Chemie, Pe-
trographie und Geologie von mehrfachem Interesse.
| Einmal bildet es den Schlüssel zur Kenntniss der pfäl-
zischen, bisher Melaphyr genannten Eruptiv-Gesteine, weil es
ein ganz frisches Gestein ist von so grobkörnigem Gefüge, dass
es dem Vortragenden möglich war, die einzelnen Gemengtheile
zu einer Analyse rein auszulesen. Nach den chemischen undmine-
ralogischen Untersuchungen besteht das Gestein aus 75,313 pCt.
eines eingliederigen Feldspathes von der Zusammensetzung des La-
bradors, vielleicht verwachsen mit etwas Anorthit und Oligoklas,
ferner aus 22,167 pCt. eines normalen Diallages (Bisilikat von
Eisenoxydul, Kalkerde, Magnesia), weiter aus Spuren von Prehnit,
1,027 pCt. Apatit, 1,241 pC:. Magneteisen, 0,602 pCt. Titan-
eisen, 0,343 pCt. Kupferkies, 0,066 pCt. Kalkspath und
0,060 pCt. in Wasser löslicher Chlorverbindungen.
- Somit hat es sich unzweifelhaft herausgestellt, dass das
vorgelegte Eruptivgestein ein normaler Gabbro ist. Derselbe
192
bildet den Ausgangspunkt einer petrographischen Arbeit über
die pfälzischen Melaphyre, denen sich der Vortragende seit
einem Jahre zugewendet hat. Ein grosser Theil dieser Mela-
phyre ist ebenfalls Gabbro; was der andere Theil ist, daruber
sind die chemischen und mineralogischen Untersuchungen des
Vortragenden noch nicht ganz zum definitiven Abschluss ge-
langt; vermuthlich sind diese sogenannten Melaphyre und Mandel-
steine Mischungsgesteine von Gabbro und quarzführendem Por-
phyr, welche zum Theil die sogenannten Porphyrite bilden.
Ein zweites, vorzugsweise chemisches Interesse hat das
. vorgelegte Gestein dadurch erlangt, dass es das erste Silikat-
eruptivgestein ist, in welchem die beiden jüngsten Alkalimetalle,
das Cäsium und Rubidium, vom Vortragenden schon , vor
Jahresfrist nachgewiesen und annähernd quantitativ bestimmt
worden sind. Seitdem hat man das Rubidium noch in mehreren”
anderen plutonischen Gesteinen nachgewiesen, in Bezug auf
das Cäsium ist der Norheimer Gabbro noch alleinstehend.
Ein drittes, chemisches und vor Allem geologisches In-
teresse beansprucht der vorgelegte Gabbro noch deshalb, weil
in ihm vom Vortragenden alle die chemischen Elemente nach-
gewiesen sind, welche sich in den heilkräftigen, chemisch einzig
dastehenden Soolquellen von Münster am Stein und Kreuznach
an der Nahe und von Dürkheim an der Hardt in Rheinbayern‘
wiederfinden. Diese Beobachtungen, gestützt auf 'viele geolo-
gische, mineralogische und topographische Thatsachen haben
den Vortragenden zu einer neuen Theorie über den bisher so
zweifelhaften und mystischen Ursprung und das Alter der ge-
nannten Soolquellen geführt, welche unzweifelhaft alle ihre
Salze aus den bisher Melaphyr genannten Eruptivgesteinen der
Pfalz entnehmen. ;
Eine vorläufige Mittheilung über einen Theil dieser Unter-
suchungen hat der Vortragende schon im Vorjahre in den
Annalen der Chemie und Pharmacie (Bd. CXXXIV. S. 349 ff.)
gegeben. Der Abschluss dieser Untersuchungen erscheint in einem
der nächsten Hefte derselben Zeitschrift und in den Verhandlungen.
des naturhistorischen Vereins für Rheinland und Westfalen.
Derselbe legte ferner ‘die von ihm in dieser Zeitschrift
Band XVI. S. 453 beschriebenen, in der Porzellanerde von
Dölau bei Halle a. S. befindlichen, sekundär gebildeten Anatas-
Krystalle vor, sowie eine Concretion eines. gestreiften Feld-
193
spathes mit Augitin der Nephelinlava von Niedermendig und Mayen
in der Rheinprovinz. Der Vortragende hat den Feldspath im
Laboratorium der Bergakademie zu Berlin analysirt und folgende
Zusammensetzung gefunden:
Kieselsäure . 57,287
Thonerde . 26,783
Eisenoxyd . Spur
Kalkerde . 8,009
Magnesia . 0,284
Natron . .. 6,842 (aus der Sauerstoffmenge der
Kali ii a2) 8pur Thonerde berechnet)
Lithion . . Spur
99,205.
Der Feldspath ist mithin ein Labrador, den man wegen seines
Sauerstoffverhältnisses 1:3:7 Andesin genannt hat, oder nach
der Auffassungsweise des Herrn TscHERMAR ein Gemenge von
einem Kalk- (Magnesia) Anorthit (1:3:4) und einem Natron-
Albit (1:3:11, 89).
Schliesslich verlas der Redner folgende Erklärung:
Nachträglich bemerke ich auf Wunsch des Herren ©. Lossen in
Kreuznach zu meinem Vortrage in der Sitzung unserer Gesellschaft
am 6. December v. J. und zu meinem in dem 4. Hefte des Jahr-
ganges 1865 der Zeitschrift unserer Gesellschaft abgedrukten
Aufsatze über die hohlen Kalksteingeschiebe im Rothliegenden
nördlich von Kreuznach an der Nahe, dass die von Herrn
Burkart als „Hohlkugeln“ im Conglomerate mit Kalkstein-
geschieben beschriebenen Hohlgeschiebe als solche letztere
zuerst von Herrn C. Lossen erkannt und mir genannt worden
sind, noch ehe ich den Steinbruch bei Heddesheim besucht
hatte. Trotzdem habe ich nach der in gedachtem Aufsatze
abgedruckten Beschreibung der Hohlkugeln durch Herrn
BURKART jene Entdeckung diesem Forscher, nicht Herrn
C. Lossex vindieiren zu müssen geglaubt.
Endlich sprach Herr RAmmELSBERG über die borsäure-
haltigen Dampfexhalationen in der Gegend südlich von Vol-
terra.
Hierauf ward die Sitzung geschlossen.
v. w. Ro:
Ewarpd. Beyrıch. Eck.
Zeits. d,.d. geol. Ges. XVIH. 2. 5\
194
3. Protokoll der Aprıl - Sıtzung.
Verhandelt Berlin, den 4. April 1866.
Vorsitzender: Herr Ewa».
Vor dem Eintritt in die gewöhnlichen Verhandlungen er-
theilte der Vorsitzende dem Herrn Srrro das Wort zu- fol-
gendem '
Nekrolog.
Es ist für mich eine traurige Pflicht, die Gesellschaft an
den herben Verlust zu erinnern, den dieselbe seit ihrem letzten
Zusammensein durch den Tod ihres Archivars, des Königlichen
Bergraths Heınkıch LoTTxer erlitten hat. Gestatten Sie mir,
Ihnen in wenigen Worten den Lebensgang eines Mannes vor-
zuführen, dessen rastlos schaffende Thätigkeit, dessen reicher
Schatz von Kenntnissen und dessen Anspruchslosigkeit Jedermann
Achtung abnöthigte, und den wir auch als herzlich ergebenen
Freund betrauern. Hemrıcu Lorrner wurde am 9. September
1828 in Berlin geboren. Nach kaum vollendetem siebenten
Lebensjahre kam er. in Folge des Todes seines Vaters in das
Haus seines Onkels nach Düsseldorf, wo er die Realschule
besuchte,. die er im Jahre 1844 mit dem Zeugniss der Reife
verliess. Er trat in das Bergfach und legte das Probejahr
auf den Gruben in der Umgegend von Bochum ab. Nach sehr
befriedigend bestandenem Tentamen bezog er im October 1845
_ die Universität in Berlin, wo er bis Ostern 1849 studirte.
Nach vollendeter Universitätszeit kehrte er nach Westphalen
zurück, besuchte die Berg- und Hüttenwerke des Bezirks und
wurde zeitweise zur Aushilfe bei Revierbeamten beschäftigt.
Im December 1853 legte er die Referendariatsprüfung mit sehr
gutem Erfolge ab und wurde als Oberbergamts-Referendar so-.
fort zur selbstständigen Vertretung mehrerer Revierbeamten
verwendet, wobei er sich neben dem schon erlangten Rufe aus-
gezeichneten theoretischen Wissens auch die Anerkennung über
seine praktische Befähigung in hohem Maasse erwarb. Die Er-
kenntniss, dass nur auf dem fruchtbaren Boden erlangter
wissenschaftlicher Resultate ein gedeihlicher Fortschritt in der
industriellen Entwickelung möglich sei, und das daraus folgende
Streben nach möglichster Verbreitung und Nutzbarmachung
der ersteren liessen ihn in der Berufung zum Leiter und ersten
Lehrer an der neugebildeten Bergschule zu Bochum im October
195
1854 ein weites Feld längst erwünschter Thätigkeit sich ihm
öffnen sehen. Er übernahm den Unterricht in der Bergbau-
kunde, Maschinenlehre, Mechanik, Mineralogie, Geognosie,
Physik und Chemie. Daneben gewann er noch Zeit zu viel-
facher amtlicher Thätigkeit bei dem Bergamte zu Bochum, bei
dem er die Angelegenheiten der Bergschule, des Markscheider-
und Kartenwesens bearbeitete. In letzterer Hinsicht hat er
wesentliche Hilfe bei der Herausgabe der Flötzkarte des west-
phälischen Steinkohlengebirges geleistet und dazu die bekannte
Monographie „über die geographischen Verhältnisse des west-
phälischen Steinkohlengebirges“ geschrieben. In die gleiche
Zeit fällt auch die Bearbeitung der „Bergbau- und Hüttenkunde*
für das Werk: die gesammten Naturwissenschaften. Von son-
stigen litterarischen Arbeiten sind diejenigen „uber die Fahr-
kunst auf der Steinkohlengrube Gewalt“, „uber die Anwendung
comprimirter Luft bei Senkarbeiten im schwimmenden Gebirge*
und „über die Grundsätze, welche bei dem Abbau der Stein-
kohlenflötze in Westphalen zu befolgen sind, bei kritischer
Würdigung der Abbaumethoden in Belgien, Frankreich und
England“ besonders hervorzuheben. Nachdem er im’ October
1859 das Berg-Assessor-Examen mit Auszeichnung bestanden,
bewirkten die ausgezeichneten Erfolge seiner bisherigen Lehr-
thätigkeit seine Berufung nach Berlin, um hier für die studiren-
den Bergexspectanten Vorlesungen uber Bergbaukunde zu halten,
woran sich der weitere Auftrag knüpfte, Vorschläge fur die
Errichtung einer Berg- Academie abzugeben. Ich habe nicht
nöthig, Sie auf die Umsicht und rastlose Thätigkeit hinzu-
weisen, mit welcher er sich der Verwirklichung einer seiner
Lieblingsideen unterzog; Sie waren selbst Zeugen davon und
wissen, dass aus ihr das schönste Denkmal hervorging, das
er sich selbst setzen konnte. Er selbst übernahm im October
1860, zum Bergrath ernannt, das Direetorat und die Vorlesungen
über Bergbaukunde an dem neugeschaffenen Institute. Daneben
bearbeitete er in dem Ministerium fur Handel etc. die Ange-
legenheiten, welche sich auf die Einrichtungen der Bergschulen
und auf die geognostische Landesuntersuchung des preussischen
Staates beziehen. Der letzteren besonders hat er das grösste
Interesse zugewendet, wie überhaupt die Geologie diejenige
Wissenschaft war, deren Entwickelung er neben seiner Be-
rufsthätigkeit mit Vorliebe verfolgte. Unserer Gesellschaft hat
13° _
196
“ er seit December 1859 angehört; Sie wissen selbst, wie er
durch öftere Vorträge an unseren Verhandlungen regen Antheil
nahm und durch Uebernahme der Archivarsgeschäfte und in
vielen anderen Hinsichten die Interessen der Gesellschaft wirk-
sam zu fördern suchte. Im August vorigen Jahres wurde er
durch Krankheit in seiner erfolgreichen Thätigkeit unterbrochen,
die wieder aufzunehmen ihm nicht beschieden war. Am 16. März
d. J. erlag er ruhig und ergeben seinen langen Leiden. Sein
Verlust wird auch in weiteren Kreisen gefühlt und betrauert
werden, doch „uns war er mehr.“
Die Versammlung trat nunmehr in die gewöhnlichen Ver-
handlungen ein; es wurde zunächst das Protokoll der März-
sitzung verlesen und genehmigt.
Der Gesellschaft sind als Mitglieder beigetreten:
Herr Bergreferendar Hınıror, z. Z. in Berlin,
vorgeschlagen von den Herren: EwALp, SERLO und
. BEYRICH, |
Herr Bergeleve Schutz, z. Z. in Berlin,
vorgeschlagen von den Herren: BEYRICH, STEIN
und Eck.
Herr Bergeleve ArLT, z. Z. in Berlin,
vorgeschlagen von den Herren: Beyrıch, RorH und
Eck.
Für die Bibliothek sind eingegangen:
A. Als Geschenke:
F. KuArreEr: Ueber das Auftreten von Foraminiferen in den
älteren Schichten des Wiener Sandsteins. — Sep. aus den
Sitzungsberichten d. kais. Acad. d. Wiss. in Wien. Bd. 52.
R. Mvrcnison: on the gmeiss and other arzoie rocks and on
the superjacent palaeozoic formations of Bavaria. and Bohemia. —
Sep. aus dem Quart. Journ. of the geol. Soc. in London 1863.
C. W. GümseL: Ueber ein Vorkommen unterer Trias-
schichten in Hochasien. — Sep. aus d. Sitzungsber. d. k.
Acad. d. Wiss. in München 1865. II. 4. 348.
A.E. Rzvss: Die Foraminiferen und Bryozoen des deutschen
Septarienthons. Wien 1866. — Geschenk des Verfassers.
197
B. Im Austausch:
Dritter und vierter Jahresbericht des Vereins von Freunden
der Erdkunde in Leipzig für 1863 und 1864. Leipzig 18%.
Zeitschrift für die gesammten Naturwissenschaften. Her-
ausgegeben von GIEBEL und Sımwert. Bd. 26. Heft 7—12.
Berlin 1869.
Jahrbuch des österreichischen Alpen-Vereins. Redig. v.
E. v. Mossısovics. Bd. I.. Wien 1865.
Sitzungsberichte der königl. bayer. Academie der Wissen-
schaften zu München. 1865. II. Heft III-und IV. München
1869. | KR |
Verhandlungen der k. k. geol. Reichsanstalt. Sitzungen
vom 6. und 20. März 1866.
_Amtlicher Bericht über die 39. Versammlung deutscher
Naturforscher und Aerzte zu Giessen im September 1864.
Herausges. von WERNHER und LzuckArt. Giessen 1865.
Natuurkundige Verhandelingen van de Hollandsche Maat-
schappi; der Wetenschappen te Haarlem. Tweede Verzameling.
Th. XXI, XXL, XXIII. Hoarlem 18.
| Herr LasArn sprach über die im Suden der Porta West-
phalica bei Hausberge belegenen Diluvialhügel. Ausser den
der jurassischen Weserkette entstammenden Eisensteinen und
Versteinerungen finden sich in denselben Gesteine und Petre-
fakten aus der Wealden- und Kreideformation. Während erstere
wohl hauptsächlich von der Zerstörung der ursprunglich im
Süden der Porta in grösserer Ausdehnung vorhanden gewesenen
Schichten der Weserkette herrühren, ist die Heimath der Wealden-
und Kreideformations-Reste im Norden der Weserkette zu suchen,
von wo sie durch die von Norden kommende Diluvialfluth an
ihre jetzige Lagerstätte gelangten. Die Wealden-Formation ist
noch im Norden der Weserkette in grösserer Ausdehnung vor-
handen; von dem einstigen Vorhandensein der Kreideformation
gaben nur einige schwache Spuren Kenntniss, die beim Bau
eines Festungsgrabens in Minden und des Bückeburger Bahn-
hofes durch einige der unteren Kreideformation angehörige
Petrefakten gefunden sind.
Der Redner gab sodann Kenntniss einiger durch die Be-
mühungen des Major v. BoEnıck in den Porta-Schichten auf-
gefundenen Petrefakten (Chemnitzia, Melania etc.), welche bis-
her aus dieser Localität unbekannt gewesen waren.
198
Herr von Kornen bemerkte hierzu , dass er jene westlich
der Porta gelegenen Kieshügel vor einiger Zeit untersucht
habe und für Alluvial-Ablagerungen halte, da ihre eigenthum-
liche Gestalt und Lage unmittelbar oberhalb des Ausflusses’
der Weser aus dem sogenannten ehemaligen Weserbecken
darauf hinzudeuten scheine, dass ihre Bildung mit dem Durch-
bruch der Weser durch die Weserkette in engstem Zusammen-
hange stehe. h
Hierauf bemerkte Herr Lasarn, dass die Hügel im Süden
gelegen, indem die Weser von Süd gegen Nord das Wesergebirge
durchschneide; die Art der Ablagerung der Eisensteine be-
kunde, dass dieselben nicht alluvialer Natur seien, sondern dass
diese Sphärosiderite an ihrer ursprünglichen Lagerstätte sich
befinden.
Herr v. KorneN theilte ferner das Resultat einer Unter-
suchung der Fauna des norddeutschen Mitteloligocäns mit,
welche er vor einiger Zeit unternahm und vorläufig mit Bear-
beitung der Gastropoden zu einem gewissen Abschlusse ge-
bracht hat. Es finden sich an den verschiedenen Lokalitäten,
besonders Stettin, Hermsdorf, Neustadt, Magdeburg und
Söllingen, im Ganzen 107 Arten von Gastropoden, worunter _
60 Siphonostomen. 27 jener Arten finden sich nur im nord-
deutschen Mitteloligocän, von den übrigen 80 finden sich im
Mainzer Becken 5l, nämlich a. im Meeressande: 40 Arten;
b. im Septarienthon: 23 Arten; im belgischen Thon von Boom,
Bäsele etc.: 25 Arten; bei Kl. Spauwen etc.: 24 Arten; im
Unteroligocän: 39 Arten und im Oberoligocän: 47 Arten. Die
verhältnissmässig geringe Zahl der Arten, die das norddeutsche
Mitteloligocan mit dem Mainzer Becken gemein hat, möchte
wohl zum Theil daraus zu erklären sein, dass bei uns die
brackischen Üerithienformen ganz fehlen und im Mainzer
Becken die siphonostomen Gastropoden gegen die holostomen
mehr zurücktreten. Ausserdem ist aber noch zu beachten,
dass die Fauna des Mainzer Beckens im Ganzen wohl
eine etwas mehr tropische Facies zeigt. Durch die besondere,
nicht genug zu schätzende Güte besonders der Herren Wain-
KAUFF, GROTRIAN, KocH und Benm hatte Redner die sammt-
lichen Vorkommnisse der verschiedenen Lokalitäten direkt ver-
gleichen können und dadurch so manche interessante Identität
199
festgestellt, so war z. B. Borsonia decussata Beyr. — Pleuro-
toma obliquenodosa SANDBG. —= Pl. uniplicata SPEYER.
‘Endlich zeigte der Vorsitzende Exemplare der pechkohlen-
artigen böhmischen Braunkohle von Aussig vor, und es knüpfte
hieran Herr Lasarp die Bemerkung, dass dieser Localität —
namentlich der Umgegend von Teplitz — eine der wenigen
schmelzbaren Braunkohlen angehöre, welche er in seiner
in den Verhandlungen des naturhistorischen Vereins der preussi-
schen Rheinlande und Westphalens befindlichen Arbeit über den
Ursprung der Steinkohlen aufgeführt habe.
Hierauf wurde die Sitzung geschlossen.
ven, w. 0.
Ewınp. DBeyrıch. Eck.
200
| B. Aufsätze.
l. Ueber die chemische Natur der Feldspathe, mit Rück-
sicht auf die neueren Vorstellungen iu der Chemie.
Von Herrn C. Rawmnezıssere ın Berlin.
Im Verlaufe der letztverflossenen zwanzig Jahre hat sich
in der Chemie eine Reform der Ansichten vorbereitet und ent-
wickelt, welche in dem organischen Gebiet ihren Ausgang ge-
nommen hat. Anfangs von der Mehrzahl der älteren Chemiker,
BerzeLıus an der Spitze, als phantastisch und extravagant be-
trachtet, haben diese Ansichten im Laufe der Zeit immer mehr
Anhänger gewonnen; sie beherrschen heute die organische
Chemie, in deren unglaublich erweitertem Gebiet sie als Füh-
rer dienen; denn ihnen ist es zuzuschreiben, dass das Chaos
der Thatsachen klar und übersichtlich geworden ist.
Wenn die Gesammtheit der theoretischen Anschauungen,
welche das Wesen der modernen Chemie ausmachen, in dem
einen grossen Gebiet der Wissenschaft nach langem und hef-
tigem Kampfe siegreich geblieben ist, und Niemand es heute
unternehmen möchte, die organische Chemie im alten Gewande
darzustellen, so muss in diesen theoretischen Formen ein Fort-
schritt enthalten sein; sie müssen nothwendig als ein solcher
im Streben nach der Wahrheit betrachtet werden. Allein es
bedarf keines Beweises, dass sie im ganzen Gebiet der
Chemie zur Herrschaft gelangen, auch in dem unorganischen
Theile eine Läuterung der bisherigen Ansichten herbeiführen
müssen.
Es ist zunächst ein charakteristischer und wesentlicher
Grundzug der modernen Chemie, dass sie den Gasvolumver-
hältnissen bei der Verbindung der Körper vollständig Rechnung
trägt. Gay-Lussac’s schönes Gesetz, wonach die Verbindung
stets nach einfachen Volumen erfolgt, und das von WENZEL
201
und RicHter begründete, nicht minder wichtige Gesetz der be-
stimmten Gewichtsverhältnisse (der chemischen Proportionen)
sind anerkannt die Grundpfeiler aller theoretischen Vorstellun-
gen in der Chemie. Der Scharfsinn Jonn Darrton’s hatte: die
Atomistik in das Gebiet der Wissenschaft gezogen; von ihr
geleitet, hatte er das Gesetz der Vielfachen aus den Arbeiten
seiner Zeitgenossen entwickelt, und heute giebt es keinen
Chemiker, vielleicht keinen Physiker, welcher nicht Atomistiker
wäre, d. h. die Nothwendigkeit discreter Massentheilchen der
Körper nicht behauptete; denn man darf dreist sagen, die ato-
mistische Vorstellung allein gestattet chemische Begriffe, che-
mische Theorien.
Gay-Lussac’s Volumgesetz führt uns nun zu der Annahme,
dass gleiche Volume der Gase eine gleiche Anzahl kleinster
Massentheilchen enthalten. Ä
Die Physik lehrt, dass die Volume aller Gase durch die
Wärme um eine gleiche Grösse sich ändern; sie lehrt im
MaArıorrp’schen Gesetz, dass das Volum der Gase sich umge-
kehrt verhält, wie ihre Dichte oder Spannkraft. Die mecha-
nische Wärmetheorie erblickt in der Wärme nichts als die
Bewegung der kleinsten Massentheilchen der Körper. Sie lehrt:
In gleichen Volumen verschiedener Gaseist (bei gleichem Druck
und gleicher Temperatur) die gesammte lebendige Kraft der
geradlinigen Bewegung der Moleküle gleich gross. Oder: Zwei
Gase haben gleiche Temperatur, wenn der mittlere Werth der
lebendigen Kraft, mit welcher sich die Moleküle in beiden
geradlinig fortbewegen, gleich ist. Daraus folgt mit Noth>
wendigkeit, dass die Anzahl dieser Theilchen oder
Moleküle in gleichen Volumen aller Gase eine
gleiche sei.
Diese einfache Ansicht ist bereits im Jahre «1811 von
AMADEO AvoGADRO entwickelt, später auch von AMPERE ange-
nommen worden. Dass sie in der Chemie nicht allgemeine
Annahme fand (BerzeLıus hat für ihre theilweise Annahme
hinsichtlich der Mehrzahl der elementaren Gase das Meiste
gethan), lag darin, dass man die Moleküle mit den chemi-
schen Atomen verwechselte, die Avocapro schon vollkom-
men unterschieden hatte. Denn da -es einfache wie zu-
sammengesetzte Gase, deren Moleküle den physikalischen Ge-
setzen gleichmässig gehorchen, giebt, so mussen die Moleküle
202
der sogenannten zusammengesetzten Gase durch chemische
Kräfte theilbar sein und mindestens aus zwei noch kleineren
elementaren Theilchen bestehen. Dies sind die Atome. In
einem Gemenge von Chlor und Wasserstoff befinden sich Chlor-
moleküle und Wasserstoffmoleküle; ist dieses Gemenge aber der
Wirkung des Lichts ausgesetzt, so verschwinden beide, und an
ihrer Stelle findet man Chlorwasserstoffmoleküle. Das Volum-
gesetz aber, gleichwie die mechanische Wärmetheorie verlan-
gen, dass auch die sogenannten elementaren Moleküle Com-
plexe von zwei Atomen seien, und so hat sich endlich die De-
finition der heutigen Chemie ergeben: ein Molekul ist die
kleinste Menge eines Körpers im freien Zustande;
ein Atom ist die kleinste Menge eines einfachen
Körpersin Verbindungen
Die Hypothese von AvocAnro, jetzt ohne Beschränkung
angenommen, enthält demnach den Schluss: die Volumgewichte
aller Gase verhalten sich wie die Molekulargewichte; die Vo-
lumgewichte einfacher Gase verhalten sich auch wie die Atom-
gewichte (Verbindungsgewichte) der Körper. Für die Volum-
gewichte und die Atomgewichte ist der Wasserstoff die Ein-
heit; da aber in allen Fällen ein Mol. = 2 Atomen ist, so ist
die Mol. Einheit des Wasserstoffs = 2. 1 Mol. eines Körpers
ist diejenige Menge, welche in Gasform den Raum von 2 Vol.
Wasserstoff erfüllt. Wir sagen gewöhnlich: 1 Mol. ist=2Vol.
"Gas; das Molekulargewicht ist das Doppelte des Gasyelumes;
wichts.
Allerdings lässt sich nur bei Be Elementen das
Atomgewicht und Molekulargewicht bestimmen. Für die übrigen
- muss man sich auf das auf chemischem Wege gefundene Atom-
gewicht beschränken und dasselbe durch das Dunong-Perir’sche
Gesetz controliren; kaum dürfte die Isomorphie ein Mittel sein,
für die Atomgewichte der Körper eine Entscheidung herbeizu-
führen.
Die Erfahrung lehrt tigliahs dass die chemischen Meta-
morphosen, die Verbindungs- und Zersetzungserscheinungen mit
Hilfe der aus AvocApro’s Hypothese folgenden Atomgewichte
die einfachste Form annehmen. Diese Hypothese hat: in die
atomistische Constitution der Körper einen Blick erlaubt, wel-
cher zu der Hoffnung berechtigt, dereinst zu einer chemischen
"Statik der Atome zu gelangen.
-
203 -
Schon längst hatte man bemerkt, dass die Wasserstoffver-
“bindungen in vier grosse Kategorien zerfallen, dass die gleich
zusammengesetzten Glieder aus jeder solcher Kategorie die
grösste chemische Aehnlichkeit haben. Chlor, Brom, Jod, Fluor
verbinden sich mit einem Atom Wasserstoff; alle diese Ver-
bindungen sind physikalisch kaum verschieden, sind chemisch
höchst ähnlich, enthalten die Bestandtheile in gleichem Grade
verdichtet. Sauerstoff, Schwefel, Selen verbinden sich mit zwei
Atomen Wasserstoff, und es bestehen nicht weniger Analogien
zwischen den einzelnen Verbindungen. Stickstoff, Phosphor,
Arsen verbinden sich mit drei Atomen Wasserstoff, und die
Verbindungen, grossentheils den organischen angehörend, be-
wahren mit wunderbarer Oonsequenz ihren gemeinsamen Cha-
rakter. Kohlenstoff nimmt im Maximo vier Atome Wasser-
stoff auf, und das Grubengas ist der Ausgangspunkt für ein
ganzes Heer ähnlicher Körper. Die Elemente sind daher ver-
schieden, je nachdem sie sich mit ein, zwei, drei, vier etc.
Atomen Wasserstoff verbinden, und daraus entstand ihre Be-
zeichnung als ein-, zwei-, drei-, vierwerthige Elemente, daraus
entsprang der Begriff der Typen, indem man als Muster der
Verbindungen. einwerthiger Elemente den Chlorwasserstoff, als
Muster derer von zweiwerthigen das Wasser, als Muster derer
von dreiwerthigen das Ammoniak hinstellte.
‚Eine Verbindung vom Typus Chlorwasserstoff ist au, die
Verbindung je eines Atoms zweier einwerthiger Elemente, und
da das Wasserstoffmolekul oder das Chlormolekuül selbst solche
Verbindungen sind, so kann man auch Wasserstofftypus oder
Chlortypus sagen. Ein Körper vom Typus Wasser ist die
Verbindung von zwei Atomen Wasserstoff oder von zwei Ato-
men eines anderen einwerthigen Elements mit einem Atom
eines zweiwerthigen, wie Sauerstoff, Schwefel, Selen u. s. w.
Kohlenstoff, Silieium, Titan, Zinn‘, Zirkonium sind vierwerthige
Elemente; denn ein Atom von ihnen bindet im Maximo vier
Atome Chlor oder eines anderen einwerthigen Elements.
Diese Vorstellungen haben den grössten Einfluss, zunächst
auf die Entwiekelung der organischen Chemie, ausgeübt. In-
dem man bemerkte, dass in den organischen Verbindungen
gewisse Atomgruppen — längst schon als zusammengesetzte
Radikale bezeichnet — die. Function von Elementen haben,
dass es unter ihnen ein- und mehrwerthige giebt, gab die
204
typische Betrachtungsweise den Schlussel für den ähnlichen
Verlauf gewisser Metamorphosen, selbst bei scheinbar sehr
verschiedenen Körpern. So sind wir dahin gelangt, Wasser,
Salpetersäure, Kalihydrat, Alkohol, Essigsäure ete. als Körper
von dem nämlichen Typus zu betrachten; gewisse Reactionen
verlaufen bei allen in analoger Art.
Wenn ein mehrwerthiges Radikal, ein einfaches oder zu-
sammengesetztes, auf Körper von irgend einem Typus wirkt, so
‚werden häufig zwei oder mehrere Moleküle des letzteren von ihm
ergriffen, und indem es aus jedem derselben ein Wasserstoff-
atom ausscheidet, schweisst es so zu sagen die mehreren Mole-
kule zu einem einzigen neuen zusammen. Dies sind die viel-
fachen oder verdichteten Typen. So schreiben wir dem
Sulfuryl SO? und dem Aethylen C’H*, welche zweiwerthige
Radikale sind, die Fähigkeit zu, zwei Moleküle Wasser dadurch
zu vereinigen, dass sie aus jedem ein Wasserstoffatom entfernen,
sich an die Stelle beider setzen, und nennen das neue Molekül,
welches zwei Molekülen Wasser entspricht, im einen Fall
Schwefelsäure, im andern Glykol.
Verbindungserscheinungeu erklären wir jetzt fast dire:
gängig durch Wechselzersetzung, d. h. durch Veränderung in
der Stellung der Atome und Moleküle. Zwei einwerthige Atome
werden durch ein zweiwerthiges, drei einwerthige durch ein
dreiwerthiges oder durch ein zweiwerthiges und ein einwerthiges
ersetzt u. S. w. |
So ist der Wasserstoff gleichsam auch die Einheit für die
Grösse der chemischen Anziehung der Körper (Verwandtschaft)
geworden. Es ist üblich geworden, zu sagen, der Wasserstoff,
das Chlor u. s. w. hätten eine Verwandtschaftseinheit, Sauer-
stoff, Schwefel hätten deren zwei, Stickstoff, Phosphor, Arsen
drei, Kohlenstoff, Kiesel, Zinn, Titan vier u. s. w.
Eine unmittelbare und nothwendige Folge der neuen An-
schauungen ist die Aenderung der Werthe gewisser Atomge-
wichte; O0 ist nicht mehr = 8, sondern = 16; S nicht 16,
sondern 32, insbesondere aber sind die Atomgewichte von
Ba, Sr, Ca, Mg und den meisten Metallen jetzt doppelt so gross
wie früher, denn diese Metalle sind zweiwerthig, während Ka-
lium, Natrium, Lithium, Silber als einwerthige Metalle ihren
alten Werth haben. Eine gleiche Verdoppelung haben die
Atomgewichte C, Si, Ti, Sn u. s. w. erlitten.
205
Die Formeln entsprechender Chloride und Oxyde sind dem-
gemäss z. B.:
KCl AgCl Ca0l? PCI’ SiCl'
K’0 Ag’0 CaO 270: Si0°
U:.84,W:
In der Chemie Lavoısıer’s waren die Begriffe Säure, Basis,
Salz sehr einfach; eine Säure war eine Sauerstoffverbindung;
eine Basis war gleichfalls eine solche; ein Salz war eine Ver-
bindung beider. Aber schon BERTHOLLET lehrte die Wasserstoff-
säurenkennen; GaY-Lussac’s und TuxnaArp’s Idee der elementaren
Natur des Chlors fand durch Davy allgemeinen Eingang, und
selbst BERZELIUS trat ihr endlich bei. Dadurch entstand eine
neue Klasse von Salzen, die Haloidsalze, worin keine Säure
und keine Basis. Der Begriff Salz wurde nun auf Körper von
ganz verschiedener Constitution bezogen, und man verstiess
damit gewaltig gegen das sonst stets giltige logische Priueip,
dass Körper von ähnlichen Eigenschaften und ähnlichem Ver-
halten, wie Säuren oder Salze, auch ähnliche chemische Natur
haben müssen. Man musste zu den unwahrscheinlichsten An-
nahmen seine Zuflucht nehmen, um die allereinfachsten chemi-
schen Vorgänge zu erklären (Wasserstoff aus Zink und Schwefel-
saure oder Chlorwasserstoffsäure. Zersetzung des chlorsauren
Kalis in der Hitze). Dieser Uebelstand rief längst Versuche
hervor, ihn zu beseitigen, und insbesondere stellten DuLone
und Davr eine Theorie auf, wonach alle Säuren Wasserstoff-
säuren, alle Salze gleichsam Haloidsalze sind. Die moderne
Chemie hat diese Idee durchgeführt und die Harmonie. aller
Sauren, Basen und Salze wiederhergestellt.
Wasser, Salpetersäure, Kalihydrat sind für uns Körper von
demselben Typus; die beiden letzteren unterscheiden sich vom
Wasser dadurch, dass in der Salpetersäure das eine Wasser-
stoffatom des Wassers durch Nitrodioxyl (Untersalpetersäure),
in dem Kalihydrat durch Kalium ersetzt ist, durch Körper, die
gleich dem Wasserstoff selbst einwerthig sind:
H H H
0 Nor) O =)
Und wenn ein Molekül Salpetersäure und ein Molekül
Kalihydrat aufeinander wirken, so findet ein wechselseitiger
Austausch des Wasserstoffs der Saure durch Kalium und des
0.
Wasserstoffs der Basis durch NO? statt; das neue Molekul,
206
welches den Typus des Wassers bewahrt, ist ein Salzmolekül,
sogenanntes salpetersaures Kali. Der Wasserstoff beider Mole-
küle tritt natürlich mit einem Sauerstoffatom zusammen als
Wasser aus.
Jede sogenannte Sauerstoffsäure ist also Wasser, dessen
Wasserstoff zur Hälfte durch ein einfaches oder zusammenge-
setztes electronegatives Radikal vertreten wird. Jede Basis ist
Wasser, dessen Wasserstoff zur Hälfte durch ein electropositi-
ves Metall vertreten wird. Ein jedes Salz ist Wasser, dessen
beide Wasserstoffatome durch -zwei solche Radikale vertreten
werden.
Sauren sind also die früheren Säurehydrate, Basen die
früheren Basishydrate. Aber Wasser präexistirt nicht in ihnen,
und eben so wie es beim Entstehen eines Salzes sich erst
bildet, bildet es sich auch, wenn Säuren oder Basen sich in
Anhydride verwandeln: (wasserfreie Säuren und Basen der
fruheren Chemie), welche an und für sich weder Säuren noch
Basen sind.
Aber die chemische Nomenclatur, zu Ende des vorigen
Jahrhunderts begründet, ist der wörtliche Ausdruck der älteren
Ansichten. Sie entspricht durchaus nicht den modernen Ideen,
und die Bezeichnungen: Kalihydrat, Untersalpetersäure, salpeter-
saures Kali u. s. w. widerstreiten den Begriffen, die wir jetzt
damit verbinden. Dessenungeachtet haben sie sich bis jetzt
nicht ändern lassen.
Salpetersäure HNO’ und
das Anhydrid N’O°, N
Kalihyjdrat HKO (besser vielleicht Kaliumoxyhydrüur
oder Kaliumhydroxyd)
und Kali K°’O
mussen ganz verschieden bezeichnet werden.
Eine Säure oder eine Basis, welche ein Atom ersetzbaren
Wasserstoff enthalt, ist eine monohydrische Säure oder
Basis.
Die übrigen Säuren und Basen sind polyhydrisch,
dihydrisch, trihydrisch u. s. w. Sie enthalten dann
zwei, drei Atome Wasserstoff, welche in ihren Salzen ersetz-
bar sind.
Zu den monohydrischen Säuren gehören : Chlorwasserstoff-
säure, Salpetersäure, Chlorsäure, Metaphosphorsäure, Essigsäure.
207
Zu den dihydrischen: Schwefelsäure, schweflige Säure, phos-
phorige Säure, Chromsäure. Zu den trihydrischen: Phosphor-
saure, Arsensäure.
Monohydrische Basen bilden Kalium , Natrium, Lithium,
Silber; dihydrische die meisten Erd- und eigentlichen Metalle;
trihydrische bilden Chrom, Mangan, Eisen, Aluminium.
Normale Salze heissen diejenigen, in welchen der ge-
rammte typische Wasserstoff der Säure oder Basis vertreten
sst. Findet dies bei polyhydrischen Säuren nur zum Theil statt,
so entsteht ein saures Salz; bei polyhydrischen Basen ein
basisches Salz.
“Es bedarf kaum der Bemerkung, dass das Verhalten der
Salze bei der Electrolyse eine wesentliche Stütze für die neue-
ren Ansichten abgiebt.
Unter den organischen Verbindungen lernte man zuerst
solche kennen, die bei gleicher Zusammensetzung im Moleku-
largewicht sich = 1:2:3... verhalten, und hat dieselben
polymere Körper genannt; die Ursache ist die, dass sie ver-
schieden verdichteten Typen angehören. Die Polyäthylenver-
bindungen, die Polyamine und Polyammoniake sind schöne
Beispiele. Ohne Zweifel ist die Polymerie auch bei unorga-
nischen Verbindungen nichts Seltenes. Die Submodificationen
der Metaphosphate sind längst auf Säuren HPO und H"PrO»
bezogen worden, und wir werden sogleich sehen, dass die
Silikate des Mineralreichs in gleicher Weise betrachtet werden
müssen.
"Die Constitution der chemischen Verbindungen, welche als
Mineralien vorkommen, muss im modernen Sinn oft eine an-
dere sein wie bisher. Hier sei zunächst ausschliesslich von
den Silikaten die Rede.
Bisher erblickte man in ihnen Verbindungen von söge-
nannten Basen, d. h. den Oxyden von K, Na, Li, Ca, bin Sr,
Mg, Al, Fe, Mn u. s. w. mit Kieselsäure.
Wir wussten sehr wohl, dass weder synthetisch, noch
analytisch der Beweis geführt werden kann, dass dem so sei.
Aber man begnügte sich nicht mit der empirischen Formel;
208
man musste, den herrschenden Ansichten gemäss, eine Con-
stitutionsformel, besonders für sogenannte Doppelsilikate, haben,
und so entstanden, es darf dies wohl behauptet werden, die
willkürlichsten Formeln. Ich will beispielsweise bloss an den
Labrador erinnern, der als eine Verbindung von Kalk- und
Natrontrisilikat mit Thonerdesingulosilikat bezeichnet wurde.
Die modernen Ansichten zwingen uns, Säuren, Basen und
Salze als ähnlich constituirte Körper anzusehen; ein Salzmole-
kul ist hinfort ein Wassermolekul oder ein Complex von meh-
ren Wassermolekülen, deren Wasserstoff ganz oder theilweise
durch zwei verschiedene Radikale ersetzt ist, von welchen eins
nothwendig ein Metall ist. Die Basen, welche zur Bildung der
Silikate beitragen, sind theils monohydrische, wie
HKO = Kaliumhydroxyd,
HNaO = Natriumhydroxyd,
HLiO = Lithiumhydroxyd,
theils dihydrische, wie z. B.:
H’Ca0° = Caleciumhydroxyd,
H°’Mg0° = Magnesiumhydroxyd,
. „ H?’FeO?° = Eisenhydroxydul,
theils trihydrische, wie
H°’AIO?’ — Aluminiumhydroxyd,
H’Fe0° u.s. w. = Eisenhydroxyd.
Aus mehrfachen Grunden betrachtet man diese beiden als
hexahydrisch, den Complex von zwei Atomen Aluminium oder
Eisen, Al oder Fe, als sechswerthig. Die Basen also
— Hr. Al,0°
—. HH Be-0%,
Die Kieselsäure, die wirkliche Säure, ist, da ihr Radikal
vierwerthigist, H? SiO*. Sie ist eine tetrahydrische Säure.
Unter dem Einfluss der Wärme spaltet sie. sich in H?’SiO’
und H’O und sodann in SiO° (Kieselsäureanhydrid) und
H°O, eine Eigenschaft, die sie mit ähnlichen Säuren, ins-
besondere mit der Zinnsäure und Titansäure, theilt.
Eine andere Eigenthumlichkeit der Säuren, an der Phos-
phorsäure zuerst bemerkt, kommt auch der Kieselsäure zu.
Wenn zwei Moleküle Phosphorsäure sich vereinigen, und es
tritt ein Molekül Wasser aus, so entsteht die Pyrophosphorsäure;
wenn aber aus einem Molekül der Säure ein Molekul Wasser,
oder wenn aus n Molekülen Säure n Moleküle Wasser
209
sich abscheiden, so entsteht die Gruppe der Metaphosphor-
sauren. Aehnlich ist es bei sehr vielen Säuren, und so auch
bei der Kieselsäure. Freilich kennen wir diese Modificationen
nicht als solche, sondern nur in Form von Salzen, den Sili-
katen. ai
Aus dem Molekül der ursprünglichen Kieselsäure H? SiO*
kann nur ein Molekül’ Wasser austreten, um die Säure H’SiO’
zu bilden (welche auch für sich bekannt ist). Wenn aber eine
polymere Kieselsäure, d. h. ein Complex von n Molekülen
H* SiO* ein odermehrere Moleküle Wasser abgiebt, so entstehen
vielfache Modificationen.
Bei der Umgestaltung der früheren Silikatformeln muss
man sich erinnern, dass folgende Atomgewichte sich geändert
haben.
Es ist jetzt (H=]):
O = 16, früher = 8
Si —=:28 a ©:
Ca= 40 „3520
Ms= 24 7)
Be 561,05 4128
Al, 27,8. 12,4. 28565:
Wir stellen hier die alten und neuen Formeln der Feld-
spathe gegenüber, welche im Wesentlichen nur ein Alkali- oder
ein Erdmetall enthalten:
Alte Formel: Neue Formel:
Anorthit (Kalkfeldspath) CaAılSi? Ca AISi?O°
Albit (Natronfeldspath) Na AlSi‘ Na? AlSi° O'°
Orthoklas (Kalifeldspath) K Ä1Si‘ K: AlSie O'°,
und bemerken, dass aus theoretischen Gründen 54,6 Theile -
Aluminium — Al und nicht Al? geschrieben sind.
Die typischen Ausdrücke sind demnach:
Anorthit entsprechend der Kieselsäure
C .
los 10° = si?o® = 2Mol. m+ sio‘
Si? gi? (Dikieselsäure),
Albit Orthoklas entsprechend der Säure _
Na’ K’ H?
Al jo“ Al jo“ H® jr =mraon
‚Si‘ Si‘ Sit
Zeits.d.d.geol.Ges. XVII. 1 14
210
Sn
Diese Polykieselsäure ist eine Hexasäure, d. h. = 6 Mol.
H*!SiO', aus welchen 8 Mol. Wasser ausgetreten sind.
Nun giebt es bekanntlich eine Reihe von Feldspathen,
welche, dem Anorthit und Albit in der Form gleich, den Kalk
des einen und das Natron des andern gleichzeitig enthalten,
Labrador, Andesin, Oligoklas. Lange Zeit glaubte man, die-
selben hätten eine constante Zusammensetzung, also dasselbe
Atomverhältniss Al:Si, welches auch das Verhältniss des ein.
werthigen Na zum zweiwerthigen Ca sei. So z.B. nahm man
an, im Labrador sei Al:Si=2:6=1:3, im Oligoklas =2:9
Atomen.
Denn
Alte Formel: - Neue Formel:
Labrador (natronfrei) Ca Al Si? Ca Al Si®0!°,
Oligoklas (kalkfrei) Na’Al?Si? NatAarsi?0r°®.
TScHERMAK ist dieser Ansicht zuerst entgegengetreten; er
hat behauptet: das Verhältniss Al: Si”in diesen Feldspathen
hänge von dem Verhältniss Na:Ca ab; sie alle seien Mischun-
gen von Anorthit und Albit, und mit der Zunahme des Na
stehe auch die des Si im Verhältniss.
Ich habe durch eine Berechnung der-brauchbaren unter den
vorhandenen Analysen gefunden,*) dass in diesen Mineralien
in. der That die relative Menge des Si mit der des Na wächst,
wenn sich auch Ausnahmen finden, die auf Rechnung des Ma-
terials oder der Analyse kommen dürften. Auch habe ich bei
dieser Gelegenheit erörtert, dass TSCHERMAR’s Ansicht, welche
sich durch die Thatsachen prüfen lässt, ganz verschieden sei
von früheren Hypothesen SARTORIUS v. WALTERSHAUSEN’s und
Heruann’s über diesen Gegenstand.
In einem sehr interessanten Aufsatz (N. Jahrb. f. Mine-
ralogie, 1865) sucht Prof. STRENG in Clausthal zu zeigen, dass
die von TScHERMAK behauptete Relation des Atomverhältnisses
Na:Ca und desjenigen von Al:Si nicht existire; er sagt: die
gefundenen Mengen Na und Ca entsprechen in den meisten
Fällen der Rechnung nicht vollkommen; er kommt zu dem
Schluss: die Kalknatronfeldspathe sind nicht isomorphe Mischun-
gen der Endglieder Anorthit und Albit, sondern es sind inter-
mediäre Mischungen, in welchen 1 At. Ca (40) durch 2 At. Na
*) Vgl. auch meinen früheren Aufsatz inPoscex». Ann. Bd. 126, S. 39,
-
211
(2.2346) ersetzt wird, d. h. im älteren Sinne 1 At. CaO
durch 1 At. NaO.
STRENG zeigt an Beispielen, wie in isomorphen Verbin-
dungen gleiche Atome gleichwerthiger Elemente sich vertreten,
wie aber noch häufiger die Vertretung verschiedener Atome
ungleichwerthiger Elemente stattfindet, und dabei meistens
die Summe der Verwandtschaftseinheiten der Vertreter gleich
gross ist. Hierher rechnet er Na’ = Ca, Al’—=S$i?, wo
AI —= 54,6, sechswerthig, R’ (R ein zweiwerthiges Metall,
Fe, Ca, Mn etc.) = Fe (d. h. einem Complex von zwei drei-
werthigen Eisenatomen), O=Fl’. Er stellt demnach den Satz
auf: In isomorphen Verbindungen ersetzen sich die Bestand-
theile theils zu gleichen Atomen (monomere Isomorphie), theils
zu ungleichen Atomen, die dann aber gleichwerthig, d.h. äqui-
valent sind (polymere Isomorphie).
Indem er das Molekulargewicht des Anorthits verdoppelt
_ und denselben mit dem Albit vergleicht,
Anoriiit — Ca’ Al?’Sı O'°
Albit —. Na Als Or,
wo Ca = Na? ist, findet er den Grund der Isomorphie beider
Verbindungen darin, dass 2 Atome Si = 8 Verwandtschafts-
einheiten im Albit die Vertreter der Gruppe Ca Al = 8 Ver-
wandtschaftseinheiten im Anorthit sind, und er sieht in allen
Kalk-Natronfeldspathen Verbindungen der nämlichen Art, worin
diese Vertretung (natürlich auch Na’ Al für Ca Al) in der ver-
schiedensten Art erfolgt sei.
Es ist vollkommen begrundet, dass die Wechselwirkung,
welche Moleküle verschiedener Körper auf einander ausüben,
im Allgemeinen so erfolgt, dass die ihren Platz wechselnden
Atome oder Atomgruppen, wenn sie gleichwerthig sind, auch
gleich, wenn sie ungleichwerthig sind, in-der Anzahl auftreten,
wie es ihre Aequivalenz d. h. die Gleichheit ihrer Verwandt-
schaftseinheiten fordert. Allein diese Erscheinung steht mit
der Isomorphie, nach meiner Ansicht, in gar keinem Zusam-
menhange. Ich habe es schon mehrfach ausgesprochen, dass
die chemische Constitution und die Isomorphie unmöglich wie
Grund und Folge zu einander stehen können, dass die geome-
trische Form das Resultat der Anordnung der -Moleküle, nicht
aber der chemischen (elementaren) Atome sei, dass die an-
erkannte Isomorphie von Elementen, sowie die von Verbindun-
14 *
212
gen, die nicht analog constituirt sind, ganz see diese
Auffassung bestätigen, und ich kann in dem gewöhnlichen und
wichtigsten Fall, wo Isomorphie mit gleicher Constitution ver-
einigt ist, nur ein paralleles, nicht ein causales Verhältniss
erblicken.
Die schiefe Auffassung dieses Gegenstandes rührt, wie es
scheint, von dem Begriff her, den man mit „Vertretung“ ver-
bindet, und den man wörtlich statt bildlich gebraucht hat.
Wenn ich sage: der Dolomit ist kohlensaurer Kalk, in wel-
chem Kalk durch Magnesia vertreten ist, so ist dies Nichts als
ein Bild; denn eine solche isomorphe Mischung entstand doch
nicht dadurch, dass die einzelnen Moleküle des kohlensauren
Kalks einen Theil Kalk verloren und die entstandenen Lücken
sich mit Magnesia fullten, sondern dadurch, dass die fertigen
Moleküle von kohlensaurem Kalk und die Moleküle von koh-
lensaurer Magnesia, da sie beim Aufbau eines Krystalls gleich
anwendbar waren, sich aneinander legten und so den Dolomit-
krystall bildeten. e
Cu?S und Ag?S sind isomorph in ihren regulären, gleich-
wie in ihren zweigliedrigen Formen; aber Cu? S ist auch iso-
morph mit FeS, dies mit PbS, mit ZnS.
Welchen Sinn könnte es haben, wenn man sagen re
Silber ist mit Blei ED nur in dem Verhältniss von 2 At.
mit 1 Atom?
Wenn KC10* (überchlorsaures Kali) mit KMnO' (über-
mangansaurem Kali) isomorph ist, so beweist dies, dass Iso-
morphie stattfindet zwischen Molekülen, welche aus gleich vie-
len Atomen bestehen, nicht aber aus gleichwerthigen, da Cl
einwerthig, Mn zweiwerthig ist. Dieser Umstand steht zu der
Isomorphie beider Salze in keiner Beziehung.
Ich habe schon fruher zu zeigen gesucht, dass die Mon-
oxyde und Sesquioxyde isomorph, dass die Glieder der Spinell-
gruppe isomorphe Mischungen Rede: Aeieh, Mit Bezeichnung
LIT
der Werthigkeit der es also R © isomorph R: 0: s So
11,0
wird eigentlich besser als R genommen), FeO isomorph Fe: 0°.
Ich Aue, aber nicht, nn man dadurch en könne,
II
dass R: 0° isomorph R? 0 oder R’ isomorph R: sei.
Aus einer Reihe von Untersuchungen über Augite und
213
Bm: ‚ae ich den Schluss: R Si ist isomorph
11
FeSi’, d.h. RSIO: — — Fe’ Si? O°’. Auch hier wiederholt sich
bloss die Erscheinung, dass die Zweiwerthigkeit des Eisen-
atoms (56) in den sogenannten Oxydulverbindungen in eine
Dreiwerthigkeit übergeht, wenn sich zwei Eisenatome aneinan-
der reihen. Es ist wohl das Einfachste, anzunehmen, dass in
den sogenannten Eisenoxydulverbindungen das Metall nur
unvollständig gesättigt sei, ein Theil seiner Verwandtschafts-
grösse so zu sagen ruhe.
Die Untersuchung der Titaneisen hatte schon MOSANDER
zu der Annahme geführt, FeTi sei isomorph Ee, d. h. Fe TiO?°
isomorph FeFeO°; ich habe später gefunden, dass dasselbe
von Mg TiO?’ gilt. Da Titan vierwerthig, gleich Si, so ist auch
hier Fe oder Mg zweiwerthig, FeFe= Fe aber sechswerthig.
Vor Kurzem zeigte ich, dass der Braunit aus MnS$i und
Mn bestehe, d. h. aus MnSiO° und MnMnO’; hier gilt für
das Mangan, was vorher für das Eisen.
‚Ferner will ich bemerken, dass solche Glieder der Spinell-
gruppe, welche der Formel RuRn» entsprechen, jetzt elsichfalls
sehr einfache Formeln erhalten.
Magnoferrit ist Franklinit ist
Mg Mn
Ber\0 Zn‘
Fe?’ Ä Fe’ (0°;
Fe’
während
Magneteisen Spinell
Felna x 4
rel" a
sind, wo Al= AlAl = 54,6 Theile Aluminium 6 Vandi.
schaftseinheiten repräsentiren.
Nach diesem Allem kann ich der Annahme von STRENG
nicht beitreten, dass in den Feldspathen Na’ Al die Stelle von
CaAl und von Si” einnehmen könne. Es ist ja diese An-
nahme überhaupt nur aus der Behauptung entsprungen, die
kalk- und natronhaltigen Glieder seien, den Analysen gemäss,
nicht als Mischungen von Anorthit und Albit zu deuten.
Es ist daher zuvörderst dieser Punkt genau zu unter-
suchen.
214
Wenn alle Kalk-Natronfeldspathe (Anorthit zum Theil,
Labrador, Andesit, Oligoklas, Albit zum Theil) isomorphe
Mischungen zweier Endglieder sind, namlich des Anorthits
oder des reinen Kalkfeldspaths und des Albits oder des. reinen
Natronfeldspaths, so muss ihre Zusammensetzung eine mittlere
sein, und es muss eine jede solche intermediäre Mischung ge-
wisse und ganz bestimmte Beziehungen zu den beiden End-
gliedern oder Grundverbindungen nachweisen lassen.
Betrachten wir zuvörderst die Zusammensetzung dieser
letzteren, und setzen wir, den unabweislichen Forderungen der
neueren Chemie entsprechend,
Na = 23 Al = 54,6, O= 16
Ga:= 40. 8 28
so ist
Anorthit Albit
CaAlSi? O° Na? AlSi? O'*®
Ga 40. — 1456 :2Na = 46 2g0E
Al 54.6: 19.60..,Al= 54.6 3047
2Sı 56 20,10.:'681: =168, \ 3200
80 123 45,94 160 =256 48,80.
278,6 100. 524,6 100.
Da Ca : Si im, Anorthit = 1: 2
a. Sıım Albit == 1:5,
so muss in jeder Mischung beider Verbindungen
1) R:Si zwischen 1:2 und 1:3 liegen.
Da ferner
|
1: Si im Anorthit = 1: 2
Al > Si im Albit 1:6
so muss in jeder Mischung
32) Al:Si zwischen 1:2 und e 6 liegen.
Da endlich
Ca : Alim Anortht = 1:1
Na: Al im Albit — ER
so muss in jeder Mischung
3) R:Al zwischen 1:1 und 2:1 liegen.
Aus dem Atomverhältniss von R:Si eines Kalk-Natron-
feldspaths muss sich das Verhältniss Ca: Na berechnen lassen; »
ebenso muss dies aus dem Verhältniss Al: Si möglich sein.
Ist die Mischung des Ganzen aus Anorthit und Albit hervor-
9
215
gegangen, und ist die Analyse richtig, so müssen beide Rech-
nungen zu demselben Resultat fuhren.
Gesetzt, die Analyse hätte R:Si=1:2,5=2:5 gegeben,
so ist dies 1:2 +.1:3, mithin ist Ca: Na= 1:1 Atom vor-
handen. Dieselbe Analyse muss dann aber auch Al:Si=1:3,33...
ergeben, weil
Anorthit = Ca” Al? Si’
Albit Na? Al Si‘
ALS, = 1 29.00...
Die nachstehende Tabelle enthält die Berechnung einiger
einfacheren Mischungen der beiden Endglieder
Ca Al Si? 0° = An
Na?AlSsı? O =Al,
betreffend das Atomverhältniss Ca: Na, R:Sı, Al: Si, R: Al
und den Procentgehalt an Natrium und Caleium:
\
: | & “ia Procentgehalt
Mischung | Na:Ca| R:Si | Al:Si | R:Al| | Ca
Ant2Al 1:6 |1:2,14..11:2,308. .1:0,928..| 1,19 | 12,41
An® Al 1:3 2,25 2,97... 0,875 2,09 | 10,93
An* Al 222 2,33 2,8 0,833..| 2,81 9,76
Ana Al DE 2,4 3 08 3,38 | 882
Ans Al? 4:9 2,44..|.:3,14. 2.110,77 2221 03577 8,19
An? Al er 2,5 339...| 0,75 4,29 7,40
An Al> 4:8 2,57..| 3,6 0,71...| 4,88 6,37
Anı AB | 3:2 2,6 371,...%..07 5,13 | 5,9
An Al 2:1 2,66..| 4 0,66...| 5,73 | 4,98
Ant A] 5:2 2,71 422...| 064...) 615 | 48
Ans At | 8:3 2,73. 308 0,63...| 627 | 409
Anz AB | 3:1 275 1 44 065 | 648 | 35
Ans Ab | 10:3 9,77::1-45 0,615 6,65 | 3,47
An Alilkdesid 2,8 4,66...| 0,6 6,93 | 3,01
Anz AS | 5:1 2,83..| 4,86...| 0,58...| 7,23 | 2,52
An AB | 6:1 2,86..| 5 057...| 7,45 | 216
An Als | 12:1 9:99..|° 543...| 052... 8,06:.542
Um nun die Frage von der Natur der Kalk - Natron-
feldspathe zu prüfen, ist das atomistische Verhältniss von
Na:Ca:Al:Si zu berechnen. Dabei muss manK in sein Aecg.
Na, Mg in sein Aeq. Ca verwandeln. Schwerer ist es zu ent-
scheiden, ob das fast nie fehlende Eisen als Fe (= 56) in das
Aeq. von Ca, oder ob es als Fe (= 112) in das von Al zu
216
verwandeln sei. In. den nachfolgenden Rechnungen ist das
letztere geschehen, weil dies nach sllgenieinenb Ansicht das
Wahrscheinlichste ist.
Die nothwendig gewordene Verdoppelung der Atom-
gewichte von Ca, Al und Si ist der Grund, weshalb das Atom-
verhältniss R:Al, welches früher bei allen Feldspathen gleich
—1:1 war,jetztnurbeim Kalkfeldspath (Anorthit)=1:1, bei den
Alkalifeldspathen (Albit und Orthoklas) aber =2 : 1 ist, im
Labrador, Oligoklas ete. also zwischen beiden Verhältnissen
liegt. Man kann indessen für alle das alte Verhältniss 1: 1
wieder herstellen, wenn man in dem Atomverhältniss Na: Ca:
A] die Atomenzahl des Na halbirt. So ist in der vorher-
gehenden Tabelle ein aus gleichen Mol. Anorthit und Albit ge-
mischter Feldspath durch das Atomverhältniss Na: Ca= 2:1,
R:M=3:2, als Na:Ca:Al=2:1:2 charakterisirt, welches
dem früheren 1 :1:2=2:2=1;1 entspricht.
Da dieses Verhältniss oder eine möglichst grosse Annähe-
rung an dasselbe bekanntlich ein Kennzeichen für die unzer-
setzte Natur des analysirten Feldspaths und für die Richtigkeit
der Analyse bildet, so sind hier zuvörderst nur solche Analysen
zu berücksichtigen, -welche diese Bedingung erfüllen, d. h. bei
welchen jenes ältere Atomverhältniss zwischen 0,9 : 1 und
1,1 :1 liegt. Mit einem Stern sind- solche bezeichnet, welche
hierin abweichen , zur Vergleichung jedoch benutzt werden
sollten.
Tabelle I
Atomverhältniss
Na: Ca| R:Al _|R: : SijA1:Si
Anoıthit IRST TIRT
Meteorit von Juvenas |RAmmetsBeng |1 82 11,07:1 L: :2,0 1:2,12
Radauthal STRENG 5,7 11,08 2 03 2, 2
Thjorsa-Lava Damour 5,1 11,18 (1,09)! 1 96 2,3
Aetna (Serra Gian-
nicola S. v. WALr. 3351,13 (1,0)| 2,07, 30
Neurode (a. d. Fo- =
rellenstein) _ vom Rıta 31 11,13 (1,0)| 2,27) 2,6
Labrador i
Havnefjord (Kalk- -
Oligoklas) Forcun.* | 230 11,0 (086)| 41 | 42
Berufjord Damovur | 7.20 11,16: (0,97))| 51.2393
217
|
No
| Atomverhältniss
| Na:Ca| R:Al |R:SilAl:Si
Guadelupe DevırLe 1 :1,7411,17:1(0,86)11:2,6611: 3,1
Glasgow Le Hunte 1,6 11,18 (0,95) ‚„o 2,94
Färöer FoncHBAaMmMeR. 1,5811,23 (1,0 Be 2,9
Aetna-Lava (b 1,58]1,32 - (1,0°)| 2,47) 3,27
& (e) SI Deh 1571,25 (1,0) 2,761 3,46
N ABICH 1,5511, 35 (1,05))| 2,59] 3,33
Labrador KLaprortH 1,5 1,23 «(1,0)| 2,84 3,49
Egersund (ec) Kersten 155° 127 (1.02) 2399 0
Kiew SEGETH 1,4711,23 (0,98)| 2,77) 3,4
Baste (Radauthal) |RAMmMELSBERG 1,4311,23 (0,98) 2,4 2,96
Neurode \a. Hyper-
sthenf.) v. RatH 1,3711,3 (723720
Nord. Geschiebe Dvrk 8,2144 (1,0), 383° 335
Campsie Le Huste 1,12|1,34 (1,02)| 2,48) 3,32
Neurode (a. Gabbro) |v. Rır# 1,1 11,43 (1,09)| 2,11) 3,0
Labrador 'TSCHERMAK 1,0811,3 (0,99)| 2,651 3,4
Lund !BLOMSTRAND 1,0811,45 (1,08)| 2,27) 3,3
Dalarne ISVANBERG 1,0 1,4 (1,05) 23 | 32
Mombächler Höfe Scanın 1;0 11,3 (0,99)| 2347| 3,2
Marmorera v. Rıtu * 107: "19 "19) - 217.42
Morea DELESSE 1,11 1,3 (0,96)| 2,5 3,2
Hitteröe Waase 1,15 1,26 (0,92)| 2,24] 2,8
Nord. Geschiebe S. v. Warr. |1 17 13 (9) 23,5 3,28
Lavaldens (Olig.) Lorxv 1,18 1,3 ’(0,96)| 3,17| 4,2
Ilfeld STRENG * 1,2 1,2 (0,89)| 2,58] 3,15
Oberstein Deıesse * 126 12.@0,8594227.2| 2283.26
Pont Iean uch; 1,28 1,2 208% %2,571° 31
Ojamo 'LAURELL 1,33 1,36. 0,9) 2,74 3,7
Piz Rosag iv. Rartu 1,35 1,45-. (1,03)| 2,67| 3,87
Odern Deıesse 11,4 1.96. "(2.17 24.7 38
Botzen BE 1,45 1,44 (1,02)| 2,2 | 3,18
Esterrel Geb. RANMELSBERG 11,48 1,43-5 (1.0) 42,6. |: 9,26
Marmato Asıch 1,8 1,48 (1,0) 2,7 4,0
Pitkäranta JEWREINOwW 11,8 1,4 (0,94)| 2,96) 41
La Bresse 'DELESSE 1,96 1,46. .(0,97)) .2,7 | 3,9
Frankenstein SCHMIDT 2,09 1,5 (0,99) 2328| 42
Marmato RANMELSBERG |2,19 1,0102) 2353: 41
Sala SVANBERG 2,15 113735409: 3,121 74%
Baumgarten |VARRENTRAPP * 2,4 1,75 (1,13)| 2.97 3,96
Pikruki StauvE 12,4 1,8 -(0,97))| 282: 483 °
Belfahy DELESSE 12,4 1,4 (0,9) 2,3 | 3,2
Puy de Döme IKossmann %7 1,5. (0,97)| 3,2 14,86
Tyveholmen (F. des | |
Rhombenporphyr' IDELESSE 2,85 1,6 (1,0) 2,27] 3,0
Servance 2 2,96 1,5 0,95) 2,06 4,0
Oligoklas | |
Elba 'Damour 3,3 17 (1,06) 28.) 48 -
Arendal RosaLes 3,4 1,1. (0,9%) 2391| 44
Albula iv. RaTtH 3,45 1,66 (1,01)) 23,8 | 4,66
Tvedestrand SCHEERER 3,04 1,66- (1,01)j: 2,6 .| 4,37
Coravillers _ "DELESSE 3,7 1,55 (0,94)| 2,581 4,0
Schaitansk BoDEMAnN 3,8 16 (0,97)) 3,0 | 4,87
\ Atomenverhältniss
Behind Nasa | RAT EA
Flensburg |Worrr 4,0 :1 It,
7 aonl1:3,9 |1:5,0
Gaggenau SENECA 40 t,5 (1,09), 2.63124,9
Ytterby Berzerıus 4,17 1,7 (1,02)| 2,581 4,4
Katharinenburg Francıs 5,0 1,8 «(1,05)| 2,6 | 4,7
Stockholm Berzeuıus * 5,0 1,34 (0,78)| 3,33] 4,9
Freiberg Kersten ® 5,0 1,45 (0,86)| 3,07| 4,5
Hitteröe TscBERMAK 5,0 1,8 (1,05)| 2,751 5,0
Arendal HAGEN 5,0 1,85 (1,05))| 23,57| 4,7
Röttchen Borse * 5,0 15 (0,86)}| 3,0-| 4,5
Halle LasPpEYRES 5,8 1,66 «0,96)!| 2,71 4,5
Marienbad Kersten * 5,8 1,46 (0,84)| 31 4,9
Warmbrunn RANMELSBERG* 6,5 1,47 (0,83)| 31 | 4,6
Tenerife DeviLte 7,0 1,85 (1,04)| 23,6 | 4,8
Laacher See Forous 7,2 1,9 (1,07)| 2,571 4,9
Haddam Smitn, Brusu| 8,6 1,75 (0,96)| 2,9 | 5,0
Unionville , 13,2 2,0 (1,07) 23,6 | 5,2
M. Somma (Eis- |
spath) S. v. War. 115,2 1,9 (1,0)] 1,98] 3,76
Die Analyse eines Feldspaths wird das Verhältniss Al: Si
relativ am genauesten liefern, und deswegen ist von ihm zu-
vörderst auszugehen, um so mehr, als die Grenzen desselben,
1:2 bis 1:6, die relativ grössten sind. Diesem Verhältniss
Al : Si muss dasjenige Na: Ca in der Weise entsprechen, wie
es eine Mischung von Anorthit und Albit verlangt; letzteres,
aus jenem berechnet, muss durch die Analyse bestätigt werden,
wenn die Ansicht von der Natur dieser Feldspathe richtig ist.
In der nachfolgenden Tabelle II. ist diese Berechnung
durchgeführt. Sie enthält, ohne die besternten, 61 Analysen,
und von diesen entsprechen etwa zwei Drittel der
Voraussetzung.
Tabelle II.
M:$i x Berechnet Gefunden
a Na: Ca Na: Ca
1:2 Anorthit, |
2,12 | Juvenas RAMMELSBERG 1:16 1:8,2
2,2 Radauthal STRENG 9,9 9,7
2,3 Thjorsa-Lava Damour 6 - 5,1
2,6 Neurode v. RaTH 2,8 2;1
2,8 Hitteröe WaAcE 2 0,87
2,9 Färöer FORCHHAMMER 1,72 1,58
2,93- | Berufjord Damour 2,0
2,94 | Glasgow Le Hunte 1,6
2,96 | Baste RAMMELSBERG 1,58 1,43
| Na: Ca
Berechnet | Gefunden
| Na: Ca
:3,0 Aetna (S. Giamie.) |S. v. Waır. | 1:3,35
3,0 Egersund (ec) Keßsten 1:1,5 1,5
30 Neurode (a. Gabbro) |v. Raru 2,1
3,1 Guadelupe DevıLıe 1.32 1,74
3,1 Pont lean DeLesse 2 0,78
3,15 | Ilefeld STRENG 1,25 0,83
3,18 | Botzen DaLesse 0,7
3,2 Dalarne SVANBERG 1.167 1,0
3,2 Belfahy DeLESsSE : 0,4
Mombächler Hofe SCHMID 1,0
Morea Deuesse 1,09 0,9
Oberstein Deuesse 0,8
Aetna-Lava (b) S. v. Warr. 1,58
Märkisches Geschiebe |S. v. Waur, 0,86
Lund | BLOMSTRAND 1,08
3,3 Aetna-Lava AsıcH 1,99
3,3 | Campsie Le Huxte 1:1 1,12
3,3 Nordisches Geschiebe | Durk 1,22
3,4 Kiew SEGETH 1,47
3,4 Labrador TsCHERMAK 0,9 1,08
3,46 | Aetna-Lava (ec) S. v. War. 1,97
3,5 Labrador KLaprota 12:1 | 0,67:1
3,6 Tyveholmen DELESSE 1,33 2,85
3,7 Ojamo LAURELL 1,56 1,33
3,76 | Esterrel Gb. Re. - 1,48
3,76 | M. Somma S. v. War 11,57 ı 15,2
3,8 Odern Detesse 1,67 1,4
3,87 | Piz Rosag v. RATH -1,75 1,35
3,9 La Bresse Deıesse 1,96
3,96 |, Baumgarten VARENTRAPP * 2,4
4,0 Marmato ABıcH 1,8
4,0 Servance DeLesse 2 2,96
4,0 Coravillers DeLEsSsE : 3,7
4,1 Pitkäranta JEWREINOW 1,8
41 Marmato Re. 21
4,2 Havnefjord Forchu.* 0,5
4,2 ° | Lavaldens Lorr 25 1,18
42 Sala SYANBERG ? 2,15
4,2 Frankenstein | SCHMIDT 2,1
4,24 | Marmorera v. RATa 1,07
4,3 Pikruki STRUVE 2,67 2,43
4,37 | Tvedestrand SCHEERER 30;
4,4 Arendal RosaLes 3 3,4
4,4 Ytterby BERZELIUS 4,17
4,5 Stockholm BerzeLıus 9,0
45 Freiberg Kersten 3.33 9,0
4,5 Röttehen BoTBE - 9,0
4,5 Halle Lasp£EvREs 3,8
4,6 Warmbrunn RAMMELSBERG |
4,66 | Albula v. RatH 4 3,45
4,7 Katharinenburg Francıs } 4.671 | 5,0
4,7 Arendal Hasen H6B? 5,0
Na:Ca | Na:Ca
Elba Damoovr
|
|
£; Sa
:4 30:1
4,8 Tenerife DeviLLe h an | 70
4,86 | Puy de Döme Kossmann h) 2 27
4,87 | Schaitansk BODEMANN 3,8
4,9° | Gaggenau SENECA 4,0
4,9 | Laacher See Fovguz 7,2
5,0 Flensburg WOLFF 4,0
-5,0 Hitteröe TSCHERMAK N Ö 9,0
5,0 , Haddam Smit#, Bauen 8,6
5,2 Unionville Smitn, Brusu 8 13,2
6 Albit,
Von besonderem Interesse ist der Vergleich solcher Ana-
lysen, die bei demselben Verhältniss von Al:Si in den rela-
tiven Mengen von Na:Ca sehr abweichen. Dies gilt z. B. für
folgende Labrador-Analysen, bei denen auf 1 At. Al fast
genau 3 At. Si kommen, woraus folgt, dass sie 2At. Na gegen
3 At. Ca enthalten müssten: Gefunden
Na : Ca
A. d. Gabbro der Baste Re. 2 : 2,86
Egersund (ce) KEersteN . . 2:8
Guadelupe DevmiE, ı» 2 2° 38
Aetna (S. Giann.) S.v. Wat. 2: 6,7
Mithin entsprechen bloss die beiden ersten der gestellten
Forderung, die letzte Analyse weicht aber dermaassen ab, dass
in diesem. Labrador Al: Si nicht = 1:3, sondern = 1: 2,5
sein müsste, und auch wenn man das Eisen ausser Berechnung
lässt, ändert sich im Wesentlichen Nichts.
Bei den Labradoren von Lund, Campsie, aus dem Norden
und vom Aetna (nach Asıch) ist Al:Si=1:34; alle sollten
demnach 1 At. Na gegen 1 At. Ca enthalten: in der That ist
dies auch bei allen annähernd der Fall, nur der letzte enthält
2 Na: 30Ca. Im eisenfreien Zustande würde er Al: Si =
1:3,46, und demgemäss Na:Ca=7:6=2:1,7 haben müssen.
Diejenigen Feldspathe, bei welchen Al:Si=1:4ist, sollten
2 At. Na gegen 1 At. Ca enthalten, was auch wirklich bei
denen von Marmato, Pitkäranta, Sala und Frankenstein zu-
trifft, nicht aber bei denen von Servance, Coravillers nnd
Lavaldens.
Man darf indessen an die Analysen, namentlich an die
Natronbestimmung, nicht zu hohe Forderungen machen und
muss bedenken, dass etwa die Hälfte jenes nicht stimmenden
221
Drittels auch nicht das normale Atomverhältniss R:Al zeigt.
Wo die Abweichung von letzterem noch grösser ist, d. h. in
den besternten Analysen, zeigt sich auch das geforderte Atom-
verhältniss Na : Ca niemals. ‘Und dann dürfte, auch wenn
R:Al der Forderung entspricht, mitunter die Bestimmung von
Na und Ca nicht der Wahrheit entsprechen, namentlich in
älteren Analysen (Labrador, Krarrorm.) Und wenn die Kry-
stalle des Rhombenporphyrs (von Tyveholmen) oder der so-
genannte Eisspath vom Vesuv zu den sehr abweichenden ge-
hören, so muss daran erinnert werden, dass diese Substanzen
ihrer Form und Struktur nach gar nicht hierher, sondern zum
Kalifeldspath gehören.
Ich habe diese Betrachtungen hervorgehoben, weil der Aus-
spruch STREng’s: „die gefundenen Mengen Na und Ca ent-
sprechen in den meisten Fällen der Itechnnng nicht voll-
kommen“ allerdings der Wahrheit gemäss ist, weil ich aber
glaube, man dürfe von den Analysen auch nicht mehr erwarten,
und es für vollkommen genügend halte, wenn aus zwei Dritteln
von allen sich ergiebt: das Atomenverhältniss Al: Si be-
stimmt dasjenige Na: Ca.
Im gegenseitigen Austausch unserer Ansichten äussert STRENG,
dass auch er die Zunahme des Si mit dem Gehalt an Na an-
erkenne, dass sich aber aus den Analysen die bestimmte Re-
lation nicht mit der Genauigkeit ergebe, wie dies nöthig sei,
wenn TSsCHERMAK’s und meine Ansicht richtig wären. Er er-
wartet eine klare Entscheidung von neuen Untersuchungen, die
mit grösster Sorgfalt das beste Material verwenden.
Kennen wir aber den reinen Kalkfeldspath Ca AlSi?’ 0°?
Giebt nicht jede Anorthitanalyse ein wenig Alkali an?
Und wenn dies der Fall, kann die Analyse nicht Aufschluss
* darüber geben, ob dieser Anorthit eine isomorphe Mischung
von -Anorthit und Albit oder von Kalk-Anorthit und. Natron-
Anorthit ist? -
Gesetzt das Mineral enthält gegen sechs At. Ca einAt. Na,
so ist es im ersten Fall eine Mischung
(1.) Na? Al Si’ O'' = 1 Mol. Albit
12(CaAl Si? 0°) = 12 „ Anorthit.
Im zweiten Fall aber:
(I.) Na’ Al Si”? 0° = 1 Mol. Natron - Anorthit
12(CaAl Si” O°)= 12 „ Kalk-Anorthit.
Berechnet man diese Mischungen, so erhält man:
222
T;
2Na= 46 — 1,19 = 1,60 Natron
12 Ca = 480 12,41 17,37 Kalk
=: 710 18,35 34,48 Thonerde
30 Si = 840 21,72. 46,55 Kieselsäure
112.0: =1792 46,33
3868 100.
II.
2 Na 46 = 1267/11 Napras
12 Ca = 480 _ 13,27 18,58 Kalk
13.41 == 710... 19,62 36,88 Thonerde
— 118 1984 42,83 Kieselsäure
104 O =1664 46,00
3618 100.
Der Unterschied ist einleuchtend; er liegt darin, dass
das Atomverhältniss
I. 1.
R:Si 7:15 102,148... 1 000
Al:Si= 1: 2,3077 1:2
R, Al!’S1=9:10=1: 1111 27:26= 1: 0,963
Prüfen wir nun eine Anorthitanalyse, in welcher Na : Ca
—=1:6. ist Dieses Verhältniss (1: 5,7) findet sich nach STRENG
im Anorthit des Radauthals, und die Analyse ergiebt (s. Tab. I.)
R:Si=1:2,03
Al:Sie 1:2,2
R, Al:Si=1:1,06
Dieser Anorthit entspricht also der Formel I. mehr als
der Formel II; denn die Differenzen der Atomverhältnisse sind
gegen 1. gegen II.
R:Si — 011 + 0,17
Al:Si 3 — 0,1077 +4 0,2
R, Al:Si — 0,05 —+- 0,097
Es musste dieser Punkt hier zur Sprache kommen, weil
STRENG zugiebt, dass die Kalknatronfeldspathe zwar Mischun-
gen zweier Endglieder sein können, dass diese selbst aber
Mischungen seien von entsprechend zusammengesetzten Grund-
verbindungen. Gleich wie er als Anorthit Mischungen aus
nMol. Ca Al Si? O°
— Na? Al Si? O° (Natron - Anorthit)
voraussetzt, so auch als Albit Mischungen aus
223
n Mol. Na? Al Si? O'®
+ Ca Al Si? O'° (Kalk-Albit),
so nimmt er Labrador, Andesin, Oligoklas für Mischungen aus
solchen selbst schon Kalk und Natron enthaltenden molekularen
Gemischen. s
Es ist aber, wie es scheint, kein Bedurfniss zur Annahme
solcher hypothetischen Verbindungen, wie Natron-Anorthit und
Kalk-Albit, vorhanden, die man früher schon zu Hilfe gerufen
hat. Aber es wird auch, und hierauf möchte ich besonderes
Gewicht legen, eine thatsächliche Prüfung und Entscheidung
der Frage unmöglich, wenn in einem solchen Feldspath das
Ca und das Na gleichzeitig zwei verschiedenen Grundverbin-
dungen angehören.
Ich wiederhole daher schliesslich meine Ansicht: die
besseren Analysen beweisen, dass die Kalknatronfeldspathe
isomorphe Mischungen von reinem Kalkfeldspath (Anorthit)
und reinem Natronfeldspath (Albit) sind, deren Isomorphie als
Ganze weder auf der Zahl noch der Gleichwerthigkeit (Aequi-
valenz) der sie bildenden Elementar-Atome beruht.
Im Vorhergehender wurde ein natronarmer Kalkfeldspath,
ein sogenannter Anorthit, zur Prüfung der Frage benutzt, ob
er aus Anorthit (reinem Kalkfeldspath) und Albit (reinem Na-
tronfeldspath) oder aus Anorthit und einer entsprechenden
Natronverbindung (Natron-Anorthit) bestehe. Die Berechnung
der Analyse dieses Minerals (aus dem Radauthal) sprach ent-
schieden fur die erste Annahme.
Es ist gewiss von Interesse, auch andere natronarme
Kalkfeldspathe (Anorthit), gleichwie kalkarme Natronfeld-
spathe (theils Oligoklas, theils Albit genannt) in gleicher Art
zu discutiren.
Anorthitvom Vesuv.
Analyse von ABIcH.
Wenn die in der Analyse enthältenen 0,44 Eisen =
0,215 Al, die 0,27 Magnesium = 0,16 Ca und die 0,324 Ka-
lıum = 0,191 Na genommen werden, so enthält dieser Anorthit:
224
Si ‘20,515
Al 18,995 -
Ca 13,717
-Na 0,541
O 46,232
100.
Und es ist das Atomverhältniss:
NasCa = 1: 14,6
1,05:1
Rare
=. 0,95
Al:Si k.: : 2,106
Angenommen Na:Ca=1:14,5, dann ist die Mischung,
je nachdem sie aus Albit und Anorthit we oder aus Natron-
und Kalk-Anorthit (IL.) besteht:
T. II.
Na? Al Si? O'*® Na’ A] Sı ©:
29 (Ca Al Si’ O°) 29(Ca Al Si? O°)
64 Sı = 1192 — 20,83 60 Si = 1680 = 20,09
30 Al 1638 19,04 30 Al 1638 19,58
29 Ca 1160 13,48 29 Ca 1160 13,87
2Na 46 0,53 2 Na 46 0,55
248 O 3968 46,12 240 O 3840 45,91
| 8604 100 8364 100.
Hier ist das Atomenhältniss:
1. ER
1,033:1 1.033:1
SAL, rn? ’
H = N :0,97 1 :0,97
AN. Se=eilet 22183 1 :2
Bis Sit —d :2,0645 1 :1,9355
Vergleicht man hiermit die aus der Analyse berechneten
Atomverhältnisse, so sind die Differenzen :
für 1. für I.
Al: Si = — 0,027 = + 0,106
R :Si = — 0,0645 —= 4 0,0645;
die Analyse spricht also für I.
225
Anorthit aus Heklalava.
Analyse von Dauour.
Dass der in der älteren Lava des Hekla, die man Thjorsa-
Lava nennt, enthaltene und von GENTH zuerst Thorsait ge-
nannte Feldspath Anorthit sei, habe ich schon vor längerer
Zeit behauptet. Dauour’s Analyse hat dies bestätigt.
Wenn in derselben 0,784 Fe = 0,382 Al berechnet
werden, so ist das Resultat:
Si 21,453
Al 18,087
Ca 13,386
Na 1,373
O . 45,701
100.
Hier ist Na:Ca = .1:5,6. Nimmt man 1:5,66 = 5:17
an, so ist das Ganze
| E | II.
Na? Al Si 0'° Na? Al Si? O0:
114(Ca Al Si? O°) 111(Ca Al Si? 0°)
282 Si = 802,66 = 21,33 242'Si= 690,66 = 19,94
12: Al 69,6 1848 124 Al 695,6 20,08
114 Ca 453,33 12,04 114 Ca 453,33 13,08
DANa. 46 1522 9E.Na 46 1,33
106: O 1776,66 46,93 982 O 1578,66 45,57
3764,25 100. 3464,25 100.
Atomverhältniss
berechnet gefunden
E IH,
BB SAP 1.08:1 1,08:1 1,19: 1
Al:Si.—= Tr. :2,524 I. 352 1.7230
280 —: 1 ‚22.19 Tu: ,55 1; :. 31594
Und die Differenzen
für 1. für U.
Al:Si — 0,313 + 0,011
R :Si — 0,207 + 0,09
Die Analyse spricht also mehr für Il.
Zeits. d.d. geol. Ges. XVII. 2. 15
| 226
Anorthit von Bogoslowsk.
De: Feldspath ist von Poryka und von Scorr analysirt
worden.
In den Analysen ist
Fe 0,213 = Al 0,104 P.
Fe 0,497 = Al 0,24 Se.
Mg 008 = Ca 0,133 Se.
SRVNA6? Nam IT TB
0,75. = EEE
Tr. Se.
Si 21,835 21,145
Al 17,744 18,610
Ca 12,420 13,185
Na 1,220 2,360
Das Atomyerhältniss Na:Ca ist
bei Poryvks = 1:6
RSS EN EN 7
Diese grosse Abweichung liegt entweder in dem Material
oder in den Analysen; sie vermindert aber jedenfalls den Werth
der Berechnung in hohem Grade.
A. Analyse von Porrkı. Na:Ca = 1:6
T. 1.
Na’ var Sı? IQ" Na’ Al Si?” O°
12 (028 Al Si?” 0°) .12(Ca Al Si’ O?°)
Atomverhältniss
berechnet gefunden
1.
07721: 1,0704 1924
1 2,308. 1 :2 1
ee | Sn En | 113897. 1722235
B. Analyse von Scott. Na:Ca=1:3.
ae
I: 1.
Na”. A181? 0° Na’ Al Sı?
6 (Ca Al Si” O°) 6 (Ca Al Si” O°)
Atomverhältniss
berechnet gefunden
1. I.
R :Al = 1,4361 1,145:1 1,5:1
Al: Si 1 DIR al :2 1 ; :2,216
R :Sie®=1 734 9 1,892 4: 5638
227
Beide Analysen geben das entgegengesetzte Resultat; die
von PorykA spricht für I., die von Scorr für II.
Albit (Oligoklas) von Haddam.
Analyse von SmitH und -Brusn.
Gefunden: At. Verh.
Si 29,98
Al 11,65
NaN#7,66 8,0. 19. = .20
Ca 1,54 1 1 3
T. | II.
8: (Na* Al Si’ 0-3 8% (Na? Al Si® O'°)
2 (€ ‚Al Si,0°) 2..(C3°, 41 51° 01°)
56 Ss = 1568 395 64 Si = 1792 — 32,10
10° Al 582 19,01 102 Al 582 10,42
17 Na 398,6 8,292 171 Na 39,6 TU
Bir Bun 108003, gg. 4
13820 218,5 45,76 1702 0 2730,5 48,91
4847,1 100. 5583,1 100.
Atomverhältniss
berechnet gefunden
T. 118% |
R :Al = 1,844:1 1,844:1 ea!
Al:Sı = 1 3.298 1 :6 1 :5.02
ws] :2,847 1 3.294. 7.1 :2,88
Die Analyse spricht entschieden für I.
Albit (Oligoklas) von Unionville.
Analyse von SımirH und BRrUSsH.
Gefunden: At. Verh.
Sı..29.99 ;
AI 114528
Na. :8,@ 9.2.19
315,16 1 I i
L. I.
13 (Na? Al Si® O'°) 13 (Na? Al Si? O'°)
2 (Ca Al Si” O°) 2 (Ca: AlSi® O'°)
14°
228 S
82 Si = 2296 = 31,12 9 Si = 2520 = 32,08
15-31 819% 3 IE108 Ss 819 10,42
DE Na 598 810. 2 Na Ba
2 Ca 80 1,09 9>-Ca' 80: :. 1,02
394:0 . : 3984.04. 45.59 240 O 3840 48,87
1911.-2.300. 7857. 100.
2 Atomverhältniss
berechnet . „gefunden
1; IE
BR A119 2801 1,867 :1 BA
ArSPe4 :9,467 1 :6 1:18
R :Si =311 :2,928 1 :3,214 1:2,6
Auch diese Analyse spricht für L: |
Barytfeldspath.
Dass im Orthoklas eine geringe Menge Baryt vor-
komme, der bei vielen Untersuchungen unbeachtet geblieben
sein mag, ist von A. MITSCHERLICH nachgewiesen und von mir
mehrfach bestätigt, worden. Allein es giebt, neueren Erfah-
rungen zufolge, auch Feldspathe mit grösserem Barytgehalt,
und diese haben die zwei- und eingliedrige Form des Ortho-
klases, der Hyalophan aus dem Binnenthal und der Feldspath
des en von Meiches.
Hyalophan.
Wenn in der Analyse Srockar - EscHer’s, welche mit
reinem schwerspathfreiem Material angestellt ist, Ca und Mg
—= Ba, Na =,K berechnet wird, so hat man:
gefunden berechnet At. Verh.
Si 24,58 Si 24,58 |
Al 11,236 Al 11,236
Ba 13,476 Ba 14,872 1 „4
Ca 0,358 R: 9,19 2,1 2
Mg 0,03
K 6,49
Na’ 4,99
Die Mischung kann sein:
I. Baryt-Anorthit und Kali-Orthoklas,
Il. Baryt-Orthoklas und Kali-Orthoklas,
III. Baryt-Anorthit und Kali-Anorthit.
229
Die letzte Annahme zu discutiren, ist unnutz, da Al:Si
nicht = 1:2 sondern 1:4 ist.
I. 1.
Ba Al Si?’ O° Ba Al Si? O'%
KR? Al sie 0% K’ Al Si? 0'%
8 Si = 224 = 24,03 12 Si,=,336: = 28,66
2A 109: anallstl 2: Al .109 9,31
Ba 197 14,69 Ba 137 11,69
2K 718 8,37 2K 78 6,66
24.0 334 4120 32 0: 512 43,68
932. 100. 172° 700°
Wie man sieht, ist nur die erste Formel zulässig.
” Atomverhältniss
berechnet gefunden
1. II.
Br ARE]: 1,9-1 1,67 :1
Al :Si = Ki r4 1:6 l: 744,26
yon | 1 2,99
Barytfeldspath von Meiches im Vogelsgebirge.
In dem schönen Nephelinit dieses Fundorts, welcher vor-
herrschend aus Nephelin, Augit und titanhaltigem oktaedrischen
Magneteisen besteht, und welcher von Knop in einer interessan-
ten Arbeit genau beschrieben und untersucht ist (Jahrb. fur
Min. 1865 S. 674), finden sich Sodalith, Leueit, Titanit und
ein Feldspath, den schon KLipstEin seiner Struktur wegen für
Orthoklas hielt. Kmor hat bei der Analyse 2,27 pCt. Baryt,
8,61 Kali und 6,55 Natron sowie 2,27 Eisenoxydul erhalten und
erklärt ihn für einen Feldspath vom Typus des Oligoklases.
Die Analyse gab:
| Atomverhältniss
Si 21,89... 95 =145 = 14
Al 11,19 20,5 h) b)
Re. 1.04 8,16
Ba 2,04 1,50
Sr 0,30 0,34
Ca 0,68 1,70
x. 61900198
Na 2,04 9,0 u =. s
O (46,98) 29,0 43,8 40
100. |
6,7 0,98 1
230
Man wird diesen Feldspath mithin durch
Rs
u pi
R .\ 09%
Al? |
Bi: ®
bezeichnen können, d. h. als eine Mischung
| u
R Al Si? O°
ZiRFIAI Si”, 02°): e
Das erste Glied, dem Anorthit oder vielmehr dem ersten
Glied in der Hs lapkärttesnäl entsprechend, enthält die zwei-
werthigen Metalle Ba, Ca und Fe in dem Verhältniss von
1:1:2 Atomen; das zweite Glied ist ein Kali-Natron-Orthoklas,
in welchem Na:K = 1:2 At. ist. Eine hierauf ‚gegründete
Berechnung ergiebt:
14 : -S1’=1992 20
3 2: ‚263,8 116%
0,5, Be... 28 . 1,99
0,25 Ca 10 0,72
0,25 Ba 34,25 2,44
2,66 K 104 7,42
1,33 Na 30,66 2,19
40 © 640 45,62
1402,71 100.
Demnach ist das Atomverhaltniss
berechnet gefunden
R :Al = 1,66:1 1,69:1
Al»Si-=.l 14,66 1: :4,85
R.:S82.— 1 7:28 11.2
R,Al:Sı = 18a l 1588
Die im Vorstehenden mitgetheilten Berechnungen von Feld-
- spathen, welche theils viel Kalk und wenig Natron, theils viel
Natron und wenig Kalk, theils Baryt und Kali (Natron) ent-
halten, bestätigen den Satz, dass die Glieder der Feldspath-
gruppe theils Grundverbindungen, theils isomorphe Mischungen
derselben sind. Jene sind
231
eingliedrig zwei- und eingliedrig
R ein‘ einwerthiges Metall
A. Natronfeldspath = Albit C. Kalifeldspath = Orthoklas
— Na?Al Si: O!*® — K?Al Si! 0'%
R ein zweiwerthiges Metall |
B. Kalkfeldspath = Anorthit D. Barytfeldspath (hypothetisch)
= CGa:Al Si? 0° = Ba), A781. 0°
Wenn der Kaligehalt im Albit und der Natrongehalt im
Orthoklas nur in seltenen Fällen von einer Verwachsung beider
Mineralien herrührt, so ist auch das Vorhandensein eines ein-
gliedrigen Kalifeldspaths und eines zwei- und eingliedrigen
Natronfeldspaths anzunehmen.
Andererseits lehrt die Analyse des barythaltigen Feld-
spaths aus dem Nephelinit, dass es auch einen urn
Fe Al Si?O° geben müsse.
Die Berechnungen zeigen deutlich, dansk die eingliedrigen
Kalk-Natronfeldspathe isomorphe Mischungen von A und B
sind, während die zwei- und eingliedrigen Baryt- (Kalk-Eisen-)
Kali- (Natron-) Feldspathe ähnliche Mischungen aus C und D
sind.
232
%, Ueber die rothen und bunten Thone und die ihnen
untergeordneten Glieder im südwestlichen Polen.
Von Herrn L. Zzuschxer in Warschau.
Die blutrothen und bunten: Thone von Lublinitz und
Woischnik in Oberschlesien und von Olkusz, Poremba, Mrzy-
glod, Pinezyce, Kozieglowy im südwestlichen Polen haben
OEYNHAUSEN, PuscH, v. CARNALL als eine Abtheilung der Jura-
formation betrachtet. Mit den rothbunten Thonen verbinden
sich in Polen und Schlesien verschiedene untergeordnete Fels-
arten, deren Verhältnisse aber von Pvsc# irrthümlich beurtheilt
wurden. Die meisten derben Kalksteine, die auf das Engste
mit den rothen Thonen verbunden sind, hat Pusch mit dem
weissen Jura von Krakau, also mit dem Spongitenkalke, identi-
fieirt, die rothbunten Thone aber als Cornbrash oder Forest-.
marble und die Lager von sogenannter Moorkohle, die in
grauem Thone eingebettet sind, als oberstes Glied der Jura-
formation betrachtet. Alle sind daher Glieder der rothen Thone.
FERDINAND ROEMER hat in zwei Aufsätzen in der Zeitschrift der
deutschen geologischen Gesellschaft Bd. XIV. und XV. be-
wiesen, dass die rothbunten Thone mit den weissen Kalk-
steinen, den breccienartigen Kalksteinen, feinkörnigen Sand-
steinen, wie auch losen Sanden dem Keuper angehören. Im
Durchschnitt des Zogelberges bei Woischnik sind diese Ver-
hältnisse klar zu beobachten. Im Kalkstein finden sich cha-
rakteristische Versteinerungen, und zwar Rippen von Notho-
saurus mirabilis; im Thoneisensteine, der untergeordnete Lager
im rothen Thone bildet, Estheria minuta; bei Ludwigsdorf eben-
falls im Thoneisensteine hat GöPPERT mehrere Keuper-Pflan-
zen erkannt, wie Pterophyllum Oeynhausiannm Göpp., Pt. pro-
pinguum G., Pt. longifolium An. Brone. Somit ist das Alter
der rothbunten Thone und ihrer untergeordneten Glieder als
Keuper bestimmt. In Betreff der eigenthumlichen weissen
Kalksteine und breccienartigen Gesteine, welche die Erkennung
dieser Formation erschwert haben, macht RoEMER darauf auf-
233
merksam, dass dieselben sich weder in Frankreich, noch in
Deutschland finden, und ich kann weiter bemerken, dass sie
auch in dem rothen Keuper des Sandomirer Gebirges bei
Kunow, Nietalisko und Ruda-Maleniecka fehlen. In den bei-
den verflossenen Sommern habe ich mich viel mit den geolo-
gischen Verhältnissen des südwestlichen Polens beschäftigt
und habe die Roemer’schen Beobachtungen bestätigt gefunden.
Dieselben untergeordneten Lager, die Ronmer beschreibt, sind
auch in Polen entwickelt, aber es finden sich noch andere Ge-
steine, die in Oberschlesien nicht beobachtet wurden, und zwar
1) braune, derbe, sehr feste Kalksteine, die einen schönen
Glanz annehmen und als Marmor verwendet werden;
2) krystallinisch körniger Dolomit;
3) Lager von einer eigenthümlichen Braunkohle, die Pusch
Moorkohle benannte.
Die rothen Thone umgrenzen an vielen Punkten in Polen
den erwiesenen Muschelkalk, wie bei Olkusz und Mazaniec,
dann bei Slawköw, Chroszobrod unfern der Eisenbahnstation
Lazy; ostwärts werden sie von dunkelgrauem Thone des
Inferior-Oolite begrenzt, beı Blanowiec, Rudniki, WlNodowice,
Nowa-Wies. Ye
Bei meinen Untersuchungen in Polen habe ich ganz ähn-
liche Durchschnitte, wie der von Woischnik, gefunden. Einer
der interessantesten ist bei dem Dorfe Nowa-Wies, nahe der
Eisenbahnstation Myszkow; folgende Schichtenfolge ist in dem
Steinbruche aufgedeckt. Zu oberst ist
ag blutrother und braunrother Thon, der eine 3 bis 4 Fuss
mächtige Decke bildet, die in der Richtung 'gegen das
Dorf bedeutender wird und mit Flugsand bedeckt ist.
2) Derber Kalkstein von weisser, etwas in’s Grauliche fallen-
der Farbe; einige Schichten sind dunkel-, seltener licht-
roth, andere wieder hell braungelb. Ausser Kalkspath, der
stellenweise sehr angehäuft ist, finden sich keine fremden
Beimengungen, auch keine Versteinerungen. Schon der mine-
ralogische Charakter dieses Kalksteins unterscheidet den-
selben vom Spongiten-Kalk, der niemals so homogen ist,
und die Tendenz zum Kreideartigen. Dieser Kalkstein
sondert sich in deutliche Schichten ab, die 1 bis 4 Fuss
dick werden. Das ganze Lager ist 12 bis 18 Fuss
mächtig.
234
3) Seladongrüner, grobschiefriger Thon, 4 Fuss mächtig.
4) Blutrother Thon, der theilweise eine grobschiefrige Struc-
tur hat oder in krummkantige Stücke zerfällt, 10 Fuss
mächtig.
5) Kalkbreccie von grauer Farbe, in den oberen Theilen dsieh
eingemengten Thon roth gefärbt. Stellenweise durchziehen
das Gestein unzählige Adern von weissem Kalkspath, die
sich öfters ausbreiten und kleine Drusen bilden. Schich-
tenabsonderungen sind in diesem Lager nicht wahrnehm-
bar. 5 Fuss mächtig.
6) Blutrother Thon, ähnlich Nr. 4, sehr mächtig; ein in der
Nähe des Kalkofens gegrabener Brunnen, ‘72 Fuss tief,
hatte den Thon nicht durchsunken.
Ein ganz ähnlicher Durchschnitt findet sich im Dorfe Pinezyce.
Mächtig entwickelt ist blutrother Thon, aus dem eine ziemlich
fruchtbare Ackerkrume gebildet ist; darunter folgt weisser, der-
ber Kalkstein, in 1 bis 2 Fuss dicke Schichten abgesondert;
darunter wieder rother und bunter Thon; dann röthlichgraue -
Kalkbreceie, ziemlich mürbe durch den überhandnehmenden
Thon, der die Bruchstücke des Kalksteins verkittet; dann zum
dritten Mal rother Thon, der sich bis zum Fusse des Berges
herabsenkt und bei Nowa- Wioska mit mächtig entwickeltem
Dolomit-Gebirge in Berührung steht.
Mitten im rothbunten Thon brechen an sehr BR Punk-
ten die grauen und rothen Kalkbreceien hervor, wie bei Po-
remba, Zawiercie, Bendysz u. s. w. Bei Stara-Hutta unfern
Pinczyce erhält die Breccie eine fast homogene Structur durch das
Verschwimmen der selten mehr als zollgrossen Kalksteinbrocken
mit dem dichten, kalkigen Bindemittel, dessen Farbe in’s Braune
geht. Hier und da finden sich darin Drusen von weissem Kalk-
spath, seltener ausgefullt mit deutlichen, schön ausgebildeten
Zwillingen von Wasserkies; sehr selten erscheinen erbsengrosse
Körner von blättrigem Bleiglanz. Dieser eigenthümliche Kalk-
stein sondert sich in mächtige Schichten ab, die gewöhnlich 4
bis 6 Fuss dick sind. Auf den Schichtenflächen zeigen sich
gewöhnlich eckige Bruchstücke des eingeschlossenen Kalksteins
und fasrige, braune oder homogene, schwarze Braunkohle; öfters
finden sich lange, schmale Stengel in glänzende Braunkohle
umgewandelt, bis 5 Fuss lang, die von weissem Kalkspath in
die Quere getheilt werden. Da das Gestein sehr fest ist, so
235
wird es als Marmor polirt und benutzt. Auf den Feldern von
Nierada oberhalb Mrzyglod ist ein Eisenbahneinschnitt in
einem hellgrauen, krystallinisch körnigen Kalkstein, der stellen-
weise sehr viele Bruchstücke von schwarzer, glänzender Braun-
kohle enthält und ebenfalls den Breccien angehört.
Ein ausgezeichnet krystallinischer Dolomit findet sich mit-
ten im rothen Thone an der Eisenbahnstation Zawiercie. Ge-
genüuber dem Postgebäude ragen im Bache mächtige Felsen von
Dolomit von rauchgrauer Farbe hervor; die deutlichen Körner
haben etwas gekrummte Blätter mit einem lebhaften Glasglanz,
der sich dem Demantglanze nähert; in seiner dunklen Grund-
masse sind etwas grössere Körner oder Schnure von ocker-
selbem Dolomit eingesprengt. Wie sich dieser Dolomit zum
umgrenzenden rothen Thone verhält, ist nicht klar; so viel ist
‚nur bestimmt, dass diese beiden Gesteine auf das Engste ver-
bunden sind. Ein ganz ähnlicher Dolomit bildet ein kleines
Gebirge bei Nowa-Wioska unfern des öfters erwähnten Pin-
czyce, wo noch vor wenigen Jahren im Dolomit Bergbau auf
Bleiglanz betrieben wurde. Viel bestimmter ist das Verhält-
niss des Dolomits zum rothen Thon im Orte Sklanna Hutta,
wo Bergbau auf Eisenstein eine Schichtenfolge kennen lehrte.
In einem Schachte wurde als obere Decke ein mächtiges La-
ger von rothem Thon durchsunken, darunter ein wenige Fuss
dickes Lager von weissem, körnigem Dolomit, dessen Körner
lose verbunden sind, darunter ein Lager von dichtem Braun-
eisenstein mit sehr wenig beigemengtem Thon.
Zwischen Blanowiec, Nierada, Wllodowice und Myszkow
berühren sich die rothen Thone. mit den grauen Thonen des
Inferior-Oolite, die durch Ammonites Parkinsoni und Belemnites
giganteus charakterisirt sind. Wo die rothen Keuper- Thone
Lager von Moorkohle einschliessen, da werden dieselben grau
und sind von den Thonen des Inferior-Oolite nicht zu unter-
scheiden. Wenn diese beiden Gebilde zusammenstossen, so ist
deshalb schwer zu bestimmen, wohin die Kohle gehört. Aber
Bohrungen auf Kohle, von Herrn Syerrynskı in Blanowiec im.
Jahre 1863 ausgeführt, haben die Sache dahin entschieden, dass
die Moorkohlen - Flötze ohne Zweifel dem rothen Thone an-
gehören. Die beiden folgenden Bohrregister, die mir Herr
.SYGETYNSKI mittheilte, liefern dafür den Beweis. Das erste Bohr-
loch hat 140 Fuss rhein. Maass, das zweite 82 Fuss durchbohrt.
236
Erstes Bohrloch, von oben angefangen
1. Grauer Thon . - . . . ........ 40: Busse zoll
2. Braunschwarzer Thon ... ... .z..02 8.
3. Kohlenschiefer .. .- . 2... „. .oo nn
4. Blaulichgrauer Thon | ey
5. Braunkohle. . . . NN Gy
“6. -Kohlenschiefer i ne,
7. Gelblicher Thon mit en Sand 12... 00,
8. Kohlenschiefer I =, ,0,
9. Gelber Thon a 2.00,
10. Feinkörniger, grauer Sri ; 4...
11. Blaulichgrauer Thon Nora,
12. Rother Thon Dan
13. -Blaulichgrauer Thon a0,
14. Rother Thon . 19:05 2
15. Feinkörniger, grauer in ll. 0,
16. Braunkohle. .
17. Feinkörniger, grauer S Kandeiein : Icio dr
18.. Kohlenschiefer LE 0 >
19. Rother Thon 4A an
Das zweite Bohrloch, 44 Lachter weiter nördlich vom
ersten gestossen, hat folgende Schichten durchsunken:
1. , Flugsand :... ee urn Mo
2. Blaulichgrauer Thon DE
3. Braunkohlenflötz . ee
4. Gelber, loser Sand . Tara,
5. Braunkohle Hl, in
6. Gelber, loser Sand . 18. nA
7. Blaulichgrauer Thon Ta, A,
8. Grobkörniger Sandstein EN
9. Feinkörniger Sandstein 1, 855
10. Blaulichgrauer Thon Tal Se
11. Rother Thon es
12. Blaulichgrauer Thon i Dr ya
13. Grobkörniger Sandstein . 2 ea,
14. Braunkohle BEN I
15. Blaulichgrauer Thon Dis
16. Feinkörniger, grauer Screen DasgeriBnar
17. Blaulichgrauer Thon re
237
18. Feinkörniger Sandstein : . . . . 10Fuss— Zoll
PR Blanliehsrauer Thom fan NE RT,
209° Rother Thon”. 2. a a ee SE
Aus den angeführten beiden Bohrregistern ergiebt sich,
dass die sogenannten Moorkohlenflötze mitten in den rothen
Thonen eingelagert sind und mit denselben ein Ganzes bilden
und somit dem Keuper angehören. In dem grauen Thone des
Inferior-Oolite, der Lager von thonigem Sphärosiderit enthält,
wurde niemals ein Lager von Kohle entdeckt; nur hier und da .
wurden einzelne Kohlenstucke oder Aeste gefunden, wie bei
Dombrowa unfern Wielun und im Eisensteinflötze von Kostrzyna
unfern Krzepicee. An vielen Punkten trifft man mitten im
rothen Thone sich auskeilende Flötze von Braunkohle oder
alten, verlassenen Bergbau auf Braunkohle, wie bei Stara Hutta
unfern Pinezyce, Nierada, in den Wäldern von Kromolow,
bei Wysoka Pilicka u. s. w. Der Mangel an thierischen
Ueberresten ist aber charakteristisch in Polen für den Keuper,
niemals gelang es mir eine thierische Spur zu finden.
Ich kann nicht unterlassen, hier die Beschreibung eines
der interessantesten Durchschnitte in dieser Gegend folgen zu
lassen, des Durchschnittes von Wysoka Pilicka und von Cien-
gawice, .wo einige Juraglieder die Keuperbildungen bedecken.
Wysoka Pilicka und Ciengawice erstrecken sich auf zwei läng-
lichen Rücken, die sich von SW. gegen NO. hinziehen und
durch ein enges, ziemlich tiefes Thal getrennt werden. Der
obere Theil dieser beiden Rucken ist aus 1) weissem, dichten,
geschichteten Jurakalk zusammengesetzt und gehört zu der Ab-
theilung weisser Jura ß von QUENSTEDT; er wird durch aus-
gezeichnete Ammoniten charakterisirt, wie Am. cordatus, cana-
liculatus, perarmatus, biplex, convolutus, Pecten subarmatus GOLDF.,
Rhynchonella lacunosa, Terebratula nucleata. Ob unter dieser
Schicht die merglige « vorkommt, liess sich nicht genau er-
mitteln; soviel ist sicher, dass dieselbe etwas weiter westlich
sehr entwickelt ist, wie bei Niegowoniec, Rodaki, Pomorzany.
Unter dem weissen Jura folgt
°2.. Gelbbrauner Thon mit nicht zusammenhängenden
Lagern von Eisenoolith und bei Ciengawice durch Ammonites
Jason, Am. Orion Op., Terebratula pala, bei Wysoka Pilicka durch
Rhynchonella varians charakterisirt. Diese Formen zeigen, dass
hier. Kelloway sich entwickelt hat. Das Lager ist nicht
238
mächtig, 4 Fuss, höchstens 6 Fuss; anderwärts kann man es
nicht beobachten, aber Grabungen an mehreren Punkten, die
ich ausführen liess, haben die braune Schicht immer aufgedeckt.
3. Grauer Thon folgte unmittelbar unter dem hell-
braunen, etwa 20 Fuss mächtig. Hier und da finden sich im
Thone kleine Knollen von thonigem Sphärosiderit, ganz ähnlich
denen von Wllodowice; sie geben den Beweis, dass dies eine
Schicht des Inferior-Oolite ist, wenn auch keine Versteinerungen
gefunden sind. Ä
4. Weisser Sand, ganz rein, seltener mit eingemeng-
ten Blättern von silberweissem Glimmer. Stellenweise finden
sich darin dunkelbraune Flecken von Brauneisenstein, die manch-
mal einen zusammenhängenden Sandstein ausmachen, wenn das
färbende Mineral sich bedeutender anhäuft; besonders am nörd-
lichen Abhange von Wysoka liessen sich diese Flecken be-
obachten. In den Walduugen von Poremba nahe an den Wirth-
schaftsgebäuden hat sich im losen Sande Brauneisenstein in
solcher Quantität concentrirt, dass er gewonnen und im Hoch-
ofen (1864) verschmolzen wurde.
6. Rother Thon, öfters braunroth oder grünlichgrau
gefleckt, ist mächtig entwickelt und bedeckt die ganze Ebene
bis nach Chroczobrod, wo braune Muschelkalkdolomite ihn
begrenzen. In den Waldungen von Wysoka in der Richtung
gegen Siewierz sind alte, Werlangene Baue auf Moorkohlen
deutlich zu beobachten.
In dem ähnlichen Durchschnitte von Ciengawice kommen
die rothen Thone nicht zu Tage, nur die sandige Schicht er-
scheint. Aus den beiden Durchschnitten von Wysoka .Pilicka
und Ciengawice ergiebt sich klar, dass in Polen der Jura mit
dem Inferior-Oolite anfängt, den mehrere Ammoniten, wie
Am. Parkinsoni, Morrisiü OP., linguiferus charakterisiren, und
dass keine Spur des Lias sich zeigt. Gewöhnlich bedecken diese
Jurathone die rothen Keuperthone , ausnahmsweise in. der
‘Gegend von Krzeszowice den alten Kohlensandstein, bei Sanka
rothe Porphyre. Im ganzen Osten von Europa, von Popielany
in Lithauen und in Kurland angefangen, im ganzen mittleren
europäischen Russland und in seinen östlichen: Grenzen bei
Symbirsk, bei Ileckaja Zaszeryta unfern Oremburg nach den
Untersuchungen von v. EICHWALD, GREWINGK, TRAUTSCHOLD,
Horruans findet sich keine Andeutung von Lias; nur 20.Meilen
239
sudlich von dem oberen Warthathale hat sich im Tatragebirge
ungemein mächtig der Lias entwickelt, dessen Kalksteine und
Dolomite durch Ammonites Waleotti, Bucklandü, serpentinus
charakterisirt sind. Auf dem ganzen nördlichen Abhange der
Tatra sind die Liaskalke von Nummuliten - Dolomit bedeckt,
letzterer aber von eocänem Karpathensandstein, aus dem in 2
bis 3 Meilen weiter Entfernung rothe Kalksteine durch Tere-
bratula diphya, und graue, mergelige Kalksteine, durch Ammo-
nites tatricus charakterisirt, hervorbrechen. Diese gehören den
oberen und mittleren Gliedern des Jura an, stehen aber sonder-
barerweise in keiner Verbindung mit dem polnischen Jura; die
rothen Kalksteine von Czorsztyn, Rogoznik entsprechen wohl
dem Obersten des weissen Jura, die grauen Kalksteine aber
mittleren Abtheilungen des braunen Jura.
Ich habe früher geglaubt, dass die grauen Thone mit
Schichten und Knollen von thonigem Sphärosiderit eine untere
Schicht des Kelloway bilden; einige Formen haben mich dazu
verleitet, wie Belemnites calloviensis Op., den ich von B. bessinus
D’ORB. zu unterscheiden nicht im Stande bin, dann Trochus
bitorquatus H&EBERT, DESLONGCHANPS, der dem von Montrenil
Bellay vollkommen entspricht; aber eine grössere Anzahl von neu
aufgefundenen Versteinerungen und eine sorgfältige Vergleichung
in den Sammlungen der Ecole des Mines und der Sorbonne in
Paris haben ergeben, dass die grauen Thone dem Inferior-
. Oolite, die. Eisen-Oolithe, braunen Kalksteine und Sandsteine,
welche den Thon bedecken, in den unteren Theilen dem Great-
Oolite, in den obern dem Kelloway angehören.
Die grauen, mächtig entwickelten Thone sind hauptsäch-
lich durch charakteristische Cephalopoden bezeichnet. Am
‚häufigsten findet sich Ammonites Parkinsoni, viel seltener Am.
Garantianus D’ORB., dann Am. linguiferus D’ORB., Am. Morrisü
Op., Belemnites bessinus D’Or»., B. BeyrichiOp., B. yiganteus, Pho-
ladomya Murchisoni Sow., Trigonia zonata Ac. (Tr. interlaevigata
Quesst.), Astarte ParkinsoniQuenst. Diese Reihe von Ueberresten
bezeichnet die obere Schicht des Inferior-Oolite. An manchen
Punkten werden diese Thone von einem dünnen, nur 2 bis
3Fuss starken Lager von thonigem Sphärosiderit bedeckt, wie
bei Krzywe Rzeka unfern Wielun, Parkoszewice bei Wllodöwice.
An ersterem Orte enthält der Eisenstein einen sehr grossen
Reichthum an Versteinerungen; alle sind Formen des grauen
240
Thones oder des Inferior-Oolite. Auf dem grauen Thone des‘
Inferior-Oolite folgt eine braune Schicht, die in verschiedenen
Gegenden aus einer verschiedenen Felsart besteht; an ihrem
südlichen Ende ist es ein brauner, krystallinischer Kalkstein,
der ursprünglich bläulichgrau war und durch Umwandlung des
Eisenoxyduls in Eisenoxydhydrat verändert wurde; in der Mitte
sind es braune Eisenoolithe, am nördlichen Ende braune Sand-
steine, die in Quarzfels übergehen. Obgleich diese braune Schicht
nur 6—8 Fuss mächtig ist, so besteht sie doch aus zwei Ab-
theilungen, von denen die untere den unteren Schichten des
Great-Oolite oder der Fullersearth angehört, : die obere aber dem
Kelloway. Obgleich eine Trennung des Gesteines nicht wahr-
nehmbar ist, hauptsächlich in den Eisenoolithen, so entscheiden
dennoch die organischen Ueberreste, diezwei verschiedenen Zonen
angehören. In der unteren Abtheilung oder in der Fullersearth
sind mehrere bezeichnende Ammoniten vorgekommen, wie Am.
Orion Op., Am. fumatus Op., Am. curvicosta Op., Am. fuscus
Op., Am. biflexuosus D’OrB., Belemnites hastatus Bu., B. bessinus
D’OrB., Pholadomya Murchisoni, P. media As., Cardita Luciensis
Des#. (Hippopodium Luciense D’ORB.), Avicula Münsteri BRONN,
Pecten textorius GoLDF., Rhynchonella decorata, Terebratula ca-
rinata Lam., Ter. Phillipsi Morris, Montlivaltia trochoides. In
der oberen Abtheilung sind Formen des eigentlichen Kelloway,
wie Ammonites macrocephalus, 4. hecticus REın., Am. Jason,
Rhynchonella Ferryi DzsL., Glygmus polytypus DEsL.
Ohne dass man eine Veränderung im Eisenoolithe von
Pomorzany bei Olkucz beobachten kann, finden sich in dieser
beiläufig 8 Fuss dieken Schicht zuunterst Formen der Fullers-
earth, darüber des- Kelloway. Dasselbe wiederholt sich im
Eiseubahndurchschnitt von Balin, wo ebenfalls Formen aus
unteren und oberen Zonen gefunden wurden. In Blanowieec,
Rudniki, Ciengawice, Chorun sind Formen des Kelloway be-
kannt; in Zajaczki, Krzepice, Wielun im braunen Sandstein
Formen der Fullersearth; im ähnlichen Sandstein von Klo-
bucko findet sich Ammonites macrocephalus.
Ueber der braunen Schicht haben sich die Glieder des
weissen Jura in der Folge entwickelt, wie sie in dieser Zeit-
schrift Band XVl. S. 574—579 beschrieben wurde.
241
3. Ueber den Enargit aus Mexiko und einen neuen
Fundort des Berthierits.
Von Herrn C. Raımmeısperg ın Berlin.
Im Jahre 1850 beschrieb BrEıtuAupr (POGGENDORFF'S An-
nalen Bd. 80 S. 383) ein neues Erz, welches zweigliedrig
krystallisirt und nach einem Prisma von 98° 11’ sehr
‚ vollkommen spaltbar ist. Er nannte es Enargit und gab als
Fundort den St. Francisco-Gang zu Morococha im District
Jauli der peruanischen Cordillere an, wo es auf Kupfer ver-
hüttet wird. Später hat Dauger (PoGGEnnorFrr’s Annalen Bd. 92,
S. 237) die Krystalle des Enargits genau gemessen, während
PLATtser (a. ob. a. ©.) das chemische Verhalten und die Zu-
sammensetzung ermittelte, wonach Schwefel, Arsen und Kupfer
die Bestandtheile des Minerals sind, dieselben Elemente, welche
auch den begleitenden Tennantit bilden.
| Allein der Enargit ist nicht auf jenen Fundort beschränkt.
BREITHAUPT vermuthet, dass er auch auf der Freiberger Grube
Junge-hohe-Birke vorkomme, von welcher man das als Kupfer-
' blende bezeichnete Arsenfahlerz kennt; später analysirte GevTH
ein prismatisch spaltbares Erz aus Sudcarolina (Brewers-Grube,
Chesterfield Co, Am. J. of Sc. I. Ser. XXXIIH. 420), welches
der Analyse nach Enargit sein muss; TuaAyLorR eins von der
Grube St. Anna in Neu-Granada (ibid. XXVI. 349), FıeLp ein
solches von Guayacana in Chile (ibid.. XXVII. 52) und v. Ko-
BELL ein derbes, nach einem Prisma von 98 Grad spaltbares
Erz von der Grube Hediondas, Coquimbo in Chile (Anz. d.
bayer. Akad. 1865. 161), sämmtlich durch die Analysen als
_ Enargit bezeichnet.
Ich kann noch einen anderen und zwar mexikanischen
Fundort den genannten hinzufügen nach der Mittheilung des Hrn.
Dr. Krantz, dem ich das Material verdanke, nämlich die Halde
einer Grube im Revier Milpillas, sieben Leguas von Cosihui-
rachi (Cosihuiriachic). Es ist derb und blättrig; in Drusen-
Zeits. d.d. geol. Ges. XVIIl. 2. 16 ;
242 _
räumen sitzen kleine, glänzende Krystalle, die zu einigen be-
stätigenden Messungen gedient haben. Es sind flache Ta-
’feln, gebildet aus der Hexaidfläche a, dem Spaltungsprisma
p=a:b:o0c,demzweifach und dreifach stumpferen, p°=a:2b:ooc,
p’=a:3b:ooc, und der Endfläche c. 3
Geht man von Dauser’s Messungen aus, wonach a:b:e
—U); Scl2: 1:0,8248 ist, so hat man:
Berechnet: Beobachtet:
DAvUBER BREITHAUPT Re
P:: pxanıa, = 197°53° 98°11
SEN 27T 7 :81°.50°
bis 82° 15’
p+a= 138° 56 138 55
PDerpareiaide
p?:a >16: 2798 155—158
p*:p = 162.28 | 162° 25
pp" anai=»147.38 ?
pra =,.163249 163 50
pp = :
Das Volumgewicht des Enargits ist
Peru 4,43 — 4,44 BREITHAUPT
. 4,362 KENnnGorTT
Chile 4,39 FiELD
Chile 4,37 ° . v. KoBELL \
Mexiko 4,507 Re.
Das mexikanische Erz ist von Quarz durchwachsen und °
enthält’hier und da etwas Schwefelkies.
Die Resultate der fruhern Analysen sind:
ji» 22. 3. 4. 5:
PLATTNER- GENTH TayLor FiıELD v. KoBELL
Schwefel 32,22 83,18 34.50 31,82 32: Pl..
Arsen 17,60 15,63 16,31 19,14 18,10
Antimon 1,61 — 1529 — 0,05 TELLUR
Kupfer 47,20 50,59 46,62 ,48.50 48,89
Eisen 0,56 — 027 _ 0,47
Zink 0,23 = 7198,99 u 199,46 99562
Silber 0,02 = |
9944 100.
Das mexikanische Erz wurde von Herrn Dr. re (2)
und von mir (b) analysirt.
243
6.
a. b.
Schwefel 31,86 32,45
Arsen 17317 15,88
Kupfer - 50,08 49,21
Eisen 0,09 1,58
99,20 99,12.
Nach Abzug des Eisens als Schwefelkies:
= 2. b.
Schwefel 31,82 31,73
Arsen 17,20 16,45
Kupfer 50,19 50,94
99,21 99,12.
Ist Ss=32, As=T75, Cu= 63,4, so ist das Atomver-
haltniss
as Ge As,Cu: S
2 a N ea
a a 0,37
De a ar: 2 1
2 2 a, 0.92
ed ee > 08
a ee, : 1,04
In allen Abänderungen ist also 1 Kiss (Cu, As) gegen
l Atom S vorhanden.
Die Reinheit des Materials und die Richtigkeit der Ana-
lysen vorausgesetzt, schwankt aber das Verhältniss von As:Cu
eu schemt —- 1:3. (m 1,3, 4,5)
> 7% 3.95 Gn°6)
—AE 4 (In 9).
- Die Formeln
Cu’As'Sı Ca’As” 8° OntAs'S°
geben: Schwefel 32,55 32,66 32,15
Arsen 19,08 17,01 219.38
= Kupfer 48,37 90,33 51,90
ou 722. 0 100.
Die Differenz dieser Formeln liegt wahrscheinlich in dem
wechselnden Verhältniss von CuS und EuS,
Cu‘ Cu’ Cu®
Cu I Cu Is“ Cu je S
As’ As? As?
16°
2a -
Diese Ausdrucke sind jedenfalls denen vorzuziehen, welche
As?’S?’ in- dem Erz voraussetzen, weil nur der erste sich in
5 3
Cu SE
As?
umsetzen lässt, die beiden anderen jedoch auch dann
Cu Cu®
eu! S° und eu
As’ As?
sein würden.
Vielleicht ist der Tennantit lediglich
3
Cu’ Ass > nn Re
Als Boulangerit theilte mir Herr Geh. Bergrath BuRKART
ein derbes, fast dichtes Mineral vom Real San Antonio in
Nieder-Californien mit, welches jedoch Berthierit ist, ein
Volumgewicht = 4,062 hat und aus
Schwefel 29,12
Antimon 56,61
Eisen 10,09 5 =
Mangan 3,56
99,38
besteht, mithin dem von mir früher analysirten von Bräunsdorf
gleich und
Fe 5
I Si 858
jr]
ist.
245
4. Ueber die Neocomschichten Russlands.
Von Herrn Ev. v. Eıcawaın ın St. Petersburg.
Hierzu Tafel I.
Während das Studium der Paläontologie in Deutschland
mit jedem Jahre mehr Anhänger gewinnt, scheint ihre Zahl in
Russland immer geringer zu werden. Die Ursache mag wohl
darin liegen, dass einige der bessern Paläontologen sich ad-
ministrativen Aemtern zuwenden oder Landwirthe werden,
andere die Naturwissenschaften nur nebenbei treiben, und dass
‘Zoologie, Botanik und vergleichende Anatomie nicht mehr in
dem Grade öffentlich gelehrt werden, als es früher der Fall war.
Mit Parras hatten die Naturwissenschaften in Russland
festen Fuss gefasst. Seine vielen Reisen in zoologischer, bo-
tanischer und mineralogischer Hinsicht hatten das grosse Reich
nach allen Richtungen hin kennen gelehrt und es in die Reihe
wissenschaftlich untersuchter Staaten gestellt.
Mit dem Anfange dieses Jahrhunderts erwarb sich nach
Pırvas GOTTHELF FISCHER VON WALDHEIM die grössten Ver-
dienste um die Paläontologie und die Naturwissenschaften
überhaupt durch Stiftung der naturforschenden Gesellschaft in
Moskau, die den Naturforschern Russlands Gelegenheit gab,
ihre Untersuchungen ’ der Oefientlichkeit zu übergeben und sie
zu einem Ganzen zu vereinigen. Die grosse Humanität FıscHEr’s
verschaffte ihm bald allgemeine Liebe und Achtung, und Alt
und Jung bemühte sich, das von ihm ausgehende, wissenschaft-
liehe Streben, Russland in naturwissenschaftlicher Hinsicht
kennen zu lernen, immer mehr zu erweitern. Moskau blieb
das punctum saliens der russischen Naturforschung, so lange
es Fıscuer’s Humanität belebte.
Viele Schüler FıscHEr’s, wie ROUILLIER, FAHRENKOHL, ÄUER-
BACH, Graf Ozapskı, Wossinskı und andere Gelehrte, wie FREARS
und PETER JAzYKow, nahmen Theil an seinen paläontologischen
Untersuchungen und bereisten zu verschiedenen Zeiten Moskau
246
und die nahgelegenen Gouvernements. So entstand die Oryc-
tographie von Moskau, die Fıscher’s Namen als Paläon-
tologen auch in den fernsten Westen hinubertrug.
Durch dies Werk ward bald darauf der ausgezeichnetste
Paläontolog der damaligen Zeit, LEopoLp v. BucH in Berlin,
angeregt, Russland in geologischer Hinsicht kennen zu lernen,
und er wandte sich an das Berginstitut in St. Petersburg mit
der Bitte, ihm Versteinerungen aus den verschiedensten For-
mationen Russlands zu übersenden. Ich erhielt, als Professor
der Paläontologie am Berginstitut, den Auftrag, sie näher zu
bestimmen, und so wurden sie Herrn v. Buca übersandt. Schon
im Jahre 1840 lieferte er in seinen Beiträgen zur Bestimmung
der Gebirgsformationen in Russland eine ausführliche Beschrei-
bung derselben.
In diesen Beiträgen finden wir der Kreidebildung —
Gouvernements Moskau mit grosser Sicherheit gedacht und
bewundern um so mehr den Scharfblick v. Bucn's, da er auf
sie nicht durch Autopsie, sondern nur aus den Beschreibungen
MaArQuART’s und FiscHEr’s zu schliessen angewiesen war.
„Die Oka bestimmt, sagt L. v. BucH 1. c. pag. 68, die
Grenze des Vorkommens und der Verbreitung des Bergkalks.
Südlicher entwickelt sich immer mehr die Kreide, welche sich
endlich fast über alle südlichen Statthalterschaften ausdehnt.
Spuren dieser Formation erscheinen aber schon in der Stadt
Moskau selbst, und von der Moskwa herauf, vorzüglieh bei
Tatarowa (s. FiscHEr pag. 92). Schwarze, sehr kiesige Schiefer
enthalten hier‘ viele Bruchstücke von Ammoniten mit farben-
spielenden Schalen und auch eine grosse Menge von Belem-
niten. Die Ammoniten mögen wohl dem 'grössern Theile nach
zu dem von Dr. MARQUART zuerst bekannt gemachten Ammo-
nites virgatus gehören (s. Reise nach dem Norden durch FiEsie.
1790. pag. 590). Pecten quinquecostatus, welcher für. die For-
mation entscheidend ist, und Terebratula diphya finden sich in
MarquArr’s Werk abgebildet von Choroschöwo; dies ist un-
gefähr die nördlichste Grenze in Russland, in welcher noch
irgend eine Schicht der Kreideformation aufgefunden worden ist.“
„Dass auch Schichten der Juraformation in der Nähe von
Moskau vorkommen sollten, ist nicht erwiesen und bleibt sehr
zweifelhaft.“ |
Und in der That ist der Jurathon an der Moskwa nur in
\
247 °
grosser Tiefe und in geringer Entwicklung sichtbar; er wird-
uberall von zwei andern Formationen ,„ der unteren Neocom-
schicht mit Ammonites virgatus und der oberen mit Aucella
mosquensis überlagert, so dass eine geognostische Karte des
. Gouvernements Moskau in der Nähe der Hauptstadt nur die
untere Kreidebildung, nirgends Juraschichten anzeigen müsste.
Ganz andere Resultate in geologischer Hinsicht lieferte
die bald darauf unternommene Expedition J. R. MurcHıson’s
und seiner Begleiter; er nahm im Gouvernement Moskau nur
Jurabildung an und liess die Kreide überall weg; selbst die
Sandsteine von Tatarowa und Kotelniki, die er früher als
tertiare beschrieben hatte, wurden nunmehr zu den obersten
Schichten der Oxford-Etage gerechnet. *)
Worauf stützte sich jedoch, frage ich, die Annahme Mur-
CHISON’s von dieser Jurabildung im Gouvernement Moskau, in
der Nähe von Choroschöwo ? Auf einige neue Arten von
Muscheln aus der Umgegend von Moskau, die nach Herrn
D’ORBIGNY auch in der Juraformation von Frankreich vor-
kommen, wie z. B. der Astarte Duboisiana D’OrRB., der Pano-
paea peregrina D’OreB., der Perna quadrata Sow., der Rhyncho-
nella oxyoptycha Fıscn., der Terebratula Royeriana D’ORB. u.a.,
die sich jedoch von den französischen Juraarten bei näherer
Vergleichung in mancher Hinsicht unterscheiden.
Zu den die Jurabildung beweisenden Fossilien gehören
nach D’ORBIGNY noch folgende Arten, die er offenbar mit Un-
recht mit bekannten identifieirt:
Ammonites Koenigii Sow.**) aus der Neocomschicht von
Choroschöwo; diese Art- ward von mir im Jahre 1846 in
meiner (in russischer Sprache herausgegebenen) Geognosie
Amm. nodiger genannt, da es nicht Amm. Koenigü ist, der auf
dem Rücken eine tiefe Furche hat, welche die Rippen von ein-
ander trennt. Ich habe aus dem britischen Musum durch eine
paläontologische Freundin, Madame CATTLeY, unlängst den
typischen Amm. Koenigü aus dem englischen Kelloway erhalten
‚und mich vollkommen überzeugt, dass diese Art bei Moskau
nicht vorkommt, und dass aus ihr also bei Moskau auf Kello-
way nicht geschlossen werden kann.
*) Russia and the Ural mountains I. pag. 258.
.*%) s. pe Verneuw, Paleont. de la Russie. pag. 436. Pl. 35.
Fig. 1—6.
248.
Pecten demissus Bean. bei D’ORBIGNY in DE VERNEUIL, Pa-
leont. de la Russie Taf. 41. Fig. 16—19 und ?
Pecten nummularis PsıwL. 1. c. Taf. 41. Fig. 20—23 sind
nicht diese englischen Juraarten, sondern gehören beide zu
Pecten orbicularis Sow. aus der Kreide Englands; die glatte
‚Schale ist die rechte und die concentrisch gefurchte die linke
des Pecten orbicularis, wie dies deutlich durch vollständig er-
haltene und aus beiden Schalen bestehende Exemplare von
Choroschöwo bewiesen wird.
Pecten lens (Sow.) ist nicht die Juraart, sondern eine neue,
die ich Pecten zonarius nenne (s. Lethaea rossica, Periode moyenne
Taf.20. Fig. 10). Der irrig bestimmte Pecten lens D’ORB. bei DE
VerneviL, Paleont. de la Russie ]. c. Taf. 42. Fig. 1—2 hat keine
concentrischen Streifen auf der Oberfläche, sondern feine con-
centrische Leisten, ‘die inwendig röhrenartig hohl sind ‚und
daher beim Abreiben als zwei Blätter oder Streifen erscheinen,
wie sie auch in der Fig. 1--2 der Taf. 42 von D’ORBIGNY deut-
lich angegeben sind. Sie bilden nicht einen Streifen, sondern
zwei, wie dies bei Pecten lens nie vorkommt. Nächstdem hat
diese Art auch ein anderes Ohr, das nie so schmal in die
Länge gezogen und so tief ausgeschnitten ist; auch fehlen der
Art von Choroschöwo die punktirten Furchen.
Exogyra reniformis (GoLpF.) 1. c. Taf. 42 Fig. 9—10 der
Paleontologie de la Russie aus dem Grünsande von Saragul
bei Orenburg ist nicht die Juraart, soudern die Exogyra laciniata
GoLpr. aus der Kreide von Aachen, wie sie von GOLDFUSS
Petref. Germ. Il. Taf. 86 Fig. 12 c abgebildet ist; sie findet
sich auch im Thone von Ssimbirsk, wo sie ebenfalls als Exogyra
reniformis (GoLpF.) bestimmt ist, aber zur laciniata gehört. die -
zur Exogyra conica hinneigt.
Gervillia aviculoides (Sow.) D’ORB. bei DE VERNEUIL, Pa-
leont. de la Russie Taf. 41. Fig. 14—15 aus dem sogenannten
Jura von Isjum ist nicht diese Jura-Art, sondern eine neue
Kreideart, die ich @ervillia volucris nenne, weil sie aus der Mergel-
kreide von Isjum stammt und nicht aus der Juraetage, die tiefer
liegt. Die @ervillia aviculoides (bei GoLprFuss 1. c. Taf. 115 Fig. 8)
ist noch einmal so gross und viel dicker als die kleine Gervillia
. volueris, die etwas nach ‚aufwärts gebogen ist; der vordere
Flügel vereinigt sich unter einem stumpfen Winkel und nicht
249
in gerader Linie mit dem längeren Hinterflügel; auch sind die
Bandgruben noch einmal so zahlreich in der Juraart als in
der volucris aus der Kreide, die nur drei ungleich von einan-
der abstehende Bandgruben besitzt.
Sehon im Jahre 1846 hatte ich in meiner Geognosie von
Russland den Sandstein von Wydkrino und Tatarowo als zur
Kreidebildung gehörig bestimmt und dazu auch den grauen
Sand mit Glaueonitkörnern von Choroschöwo gerechnet; ich
hatte ferner des Kreide - Sandsteins von Klin mit den vielen
Pflanzenresten und des Kreide-Sandsteins von Kotelniki mit
- den fossilen Seemuscheln erwähnt, ohne diese ausführlich zu
beschreiben; ich verschob dies für meine Paläontologie von
Russland- und nannte damals nur ganz kurz die Cucullaea an-
gularis m., Anopaea*) lobata AuERB. sp., Inoceramus antiquus
m. und Plagiostoma Fischeri m., die sich dort als Steinkerne
finden und :bisher nicht im unterliegenden Jura vorgekommen
waren. Ein Herr TRAuTscHoLD, der, mir damals ganz unbe-
kannt, späterhin Lector der deutschen Sprache an der Univer-
sitat Moskwa ward, machte mir im Bulletin des Naturalistes de
Moscou fur 1858 die eben durch Nichts erwiesene Bemerkung,
dass ich Unrecht hätte, die Wealdenbildung (?) von Klin und
Tatarowo mit dem Sandstein von Kotelniki zu vereinigen, und
meinte, ich führe fossile Muscheln auf, die den Gelehrten Mos-
kaus vollig fremd sind; er bäte daher um eine ausführliche
Beschreibung dieser Arten, deren Namen allein nicht im Stande
wären, ihre Neugierde zu befriedigen.
Aus Mangel an Zeit antwortete ich auf diese unfreund-
lichen Bemerkungen erst im Jahre 1861 im Bulletin des Na-
turalistes de Moscou Nr. Ill; ich beschrieb alle jene fossilen
Muscheln ausführlich und fügte noch andere hinzu, vorzüglich
-die fossilen Pflanzen von Klin, von denen ich die Pecopteris
Murchisoniana GoEPpP. mitder Weichselia STIERL. aus dem Quader-
sandsteine des Harzes fur identisch erklärte und daraus auf
eine Kreidebildung zu schliessen mich für berechtigt hielt, da
ich noch ausserdem die Geinitzia cretacea in dem Museites
squamatus BRONGN. zu erkennen glaubte.
*) Als Druckfehler steht dort Panopaea lobata (s. die Geognosie
von Russland pag. 515. St. Petersburg. 1846.); es sollte heissen
Anopaea.
250
| Zugleich erwähnte ich der Radioliten, die ich von Fischer
als Oibieides Rozowi und Enargetes in seiner Orycetographie auf-
geführt und abgebildet*) sah. Ich fügte zu ihnen noch die
Beschreibung eines anderen Fossils, das von H. Rouiuuıer für
ein Antophyllum, von H. TrautscnoL» als Pleurophyllum be-
nannt, von ihnen also fälschlich zu den Korallen gerechnet
wurde. :Ich besass selbst ein schönes Exemplar, das ich hier
in der Abbildung mittheile (s. Tafel II. Fig. 1.) und, durch die
Fıscuer’schen Radioliten verleitet, ebenfalls für einen Rudisten
hielt, da die verkehrt kegelföormige Unterschale mir von einem
Deckel bedeckt zu sein schien. Ich überzeugte mich jedoch
späterhin durch ein Exemplar, das mir Dr. AUERBACH aus
seiner Sammlung in Moskau ubersandte, und das ich hier
(Fig. 3 a—c) abbilden lasse, dass die Aehnlichkeit mit einem
Spongiarien viel grösser sei als mit einem Rudisten und da-
her beschrieb ich in meiner Lethaea rossica, Periode moyenne,
diese beiden Spongiarien als Öephalites und Ventriculites,
d. h. als Gattungen, die eben so gut wie die Rudisten bisher
nur in der Kreide vorgekommen sind und der Jurabildung als
ganz fremd angesehen werden. Ich gebe von beiden Arten
Abbildung und Beschreibung, wie folgt:
Cephalites ventricosus m. Taf. U. Fig. I,4..b
Radiolites (Turrilites) ventricosus Geognosie von Russland.
1846. pag. 490 und Bull. de Mose. 1861. Nr. 3.
Cephalites ventricosus m., Lethaea rossica, vol. I. Stuttgart
1865 und Bull. de Mosc. 1865. Nr. II.
Der verkehrt kegelförmige oder vielmehr trichterförmige
Körper ist in der Mitte verdickt, bauchig und hat auf der
Oberfläche unterbrochene Längsrippen, die sich nach oben hin
am Rande umbiegen und in ein stumpfes Ende übergehen,
das nirgends die innere Höhle deutlich zeigt. Es war daher
wohl: möglich, einen Rudistendeckel da anzunehmen, wo die
Querfurchen in gleicher Hohe die Längsrippen durchsetzen
und undeutlich abtheilen. Die zellige Struktur, von vielfachen
kurzen Kanälen durchsetzt, schien ebenfalls dafür zu sprechen
und so ward die Art von mir mit dem Kadiolites angeiodes Lam.
-*) 8. Oryctographie de Moscou pag. 128, Taf. 14 und pag. 182,
Taf. 29.
251
verglichen, der eine ähnliche Gestalt und ähnliche Längs-
rippen besitzt. Dieser Vergleich schien um so mehr statthaft,
als ich in dem Cibicides Rozowü FıscH. die nächste Verwandt-
schaft mit dem Radiolites agariciformis D’OrB. und in dem
_ Enargetes Fıscn. den Steinkern des Radiolites polycomilites D’ORB:
sah. Jedenfalls war da an keine Koralle zu denken, obgleich H.
TRAUTSCHOLD sagt”), er werde den Beweis fuhren, dass sein
Pleurophyllum eine ächte Koralle sei, und wirklich heisst es
weiter unten, er habe die vollständige Ueberzeugung, dass seine
Ansicht von dem Wesen des Fossils die richtige sei. „Es ist
entschieden eine Koralle. Von der Axe des Fossils gehen
nach dem Umfange Blätter; diese Blätter, welche aus senk-
recht über einander liegenden Rippen bestehen, erleiden keine
Unterbrechung vom Gipfel bis zum Fusse“, und „die Höhlung sei
durch Herausfallen der Axensäule entstanden u. s. w.“ Nun
ist's aber ganz unbezweifelt eine Spongiarie, in der weder Axe,
noch senkrechte Blätter vorhanden sind, folglich ist die An-
nahme einer Koralle eben so unrichtig als die eines Rudisten,
und es bleibt nur übrig, in dem Fossil eine Spongiarie, einen
Cephalites der Kreide zu sehen und dadurch die Annahme
einer Neocomschicht zu erweisen, eben so gut, wie durch die
Anwesenheit eines Rudisten.
Die früheren Abbildungen scheinen sich alle auf diese
Art zu beziehen. H. RovirLier bildete sie im Bulletin de la
societe des naturalistes de Moscou 1849. Nr. II. Pl. K. Fig. 54
als Antophyllum? ab und H. Traurscnorn als Pleurophyllum
argillaceum im Bulletin für 1861. Nr. I. Diese Abbildung
zeigt die Rippen schärfer, als sie in meinem Exemplare be-
merkt werden. Die Wurzelausbreitungen der Cephaliten fehlen
allen bisher entdeckten Exemplaren, die daher stets unvoll-
ständig, unten abgebrochen sind.
Ich gebe hier eine Abbildung von meinem Exemplare, das
eben mit dem vertieften Rande versehen ist und einen Deckel
zu haben scheint; die Abbildung ist ganz genau nach dem Ori-
'ginale, bei a ist die gewölbte Fläche mit der harten Stein-
masse bedeckt. Die Fig. 1b stellt ein Stuck des vergrösserten
Zellgewebes mit den dasselbe durchsetzenden Röhrchen vor;
nirgends werden Nadeln der eigentlichen Spongien beobachtet.
*) Bull. de Moscou ]. c, 1861. Nr. IV. pag. 437 und 448,
252
Die Höhe des Cephaliten beträgt 4 Zoll und seine Breite -
in der obern Hälfte 27 Zoll.
nenne m. Taf. I. Fig. 2 a—d.
Die Oberfläche des trichterformigen Körpers ist langs-
gerippt; die Rippen sind schmäler und stehen gedrängter als
in dem Cephalites ventricosus, wo sie dicker sind und breitere
Furchen zwischen sich lassen. Die ästigen Wurzeln fehlen
auch diesem Exemplare, das, wie die andern alle, unten ab-
gebrochen ist und da selbst mehrere Schichten der kieseligen
Schwammmasse übereinander liegend zeigt. Feine Röhren-
mündungen durchsetzen die ganze Oberfläche und münden an
der innern Wand der Höhle, wo sie ziemlich regelmässige
Querreihen bilden. Der äussere Rand der Mündung dieser
Höhle ist dick und zugerundet. Die Rippen scheinen durch
die Schwammmasse durchzugehn und zeigen sich daher auch
im Innern der Höhle.
Die Fig. 2 a. zeigt den Cephalites in natürlicher Grösse;
er ist 22 Zoll hoch und oben 24 Zoll dick. |
Die Fig. 2 b. stellt die trichterförmige Höhle in natur-
licher Grösse dar; sie ist oben 10 Linien breit, und die Röhren-
mundungen stehen in unregelmässigen Querreihen.
Die Fig. 2 ce. ist ein vergrössertes Stück des Zellgewebes.
mit den Röhrenmundungen bei d.
Die Aehnlichkeit dieses Oephalites mit der Rudistengattung
Barrettia Woopw.*) aus dem Hippuritenkalkstein von Jamaika
ist sehr gross; ihre dicken Wände sind von horizontalen und senk-
rechten Kanälen durchzogen; ihr zelliger Bau und die einfache
eylindrische Höhle vergrössern die Aehnlichkeit beider Gattungen,
so dass die grosse Verwandtschaft der Barrettia mit dem rudisten-
artigen Cephalites ventricosus sofort in die Augen springt.
Vielleicht müssten daher die Rudisten mehr den Spongiarien
als den Brachiopoden genähert werden.
Ventriculites costatus m. Taf. II. Fig. 3 a—c.
Der Schwamm ist breit-trichterförmig, sehr diekwandig,
mit kurzen Längsrippen, die nicht bis zur Grundfläche herab-
*) Barrettia, a new *fossil shell from the Hippurite limestone of
Jamaika by S. P. Woopwaap, s. the Geologist. October 1862. Pl. Tet II.
253
steigen; die Rippen sind ebenfalls unterbrochen, knotig und von
ungleicher Länge; die Grundfläche ist unvollständig und zeigt
keine ästigen Wurzeln, die sonst nicht fehlen durften.
. Die innere Höhle ist sehr gross, und ihre Wand zeichnet
sich durch längliche, meist dichtgedrangt stehende Warzen aus,
die, durchbohrt, die Mündungen der den Schwamm durchsetzen-
den Röhrchen enthalten, wie dies gerade Charakter der Ventri-
culiten is. Der Bau der innern Wand dieses Ventriculiten
gleicht sehr dem Bau des Ventriculites radiatus aus der Kreide
Englands. Das Zellgewebe ist unregelmässig und wird von
vielen Röhrchen nach allen Richtungen durchsetzt.
Das Ganze ist das Segment eines sehr breiten, fast teller-
formigen Schwammes, der sehr dicke Wände besass. Die
Rippen erstrecken sich bis an den obern Rand, ohne über ihn
- hinuberzugehen oder sich im Innern zu zeigen, wie dies beim
Cephalites bemerkt wird, dessen Wände aus den Rippen selbst
gebildet werden. Hier besteht die Wand aus einer dichten,
von Röhren durchzogenen Masse, die keine deutlichen Zellen
zeigt.
Die Dicke der Wand des abgebildeten Bruchsiückes aus
der Sammlung des Dr. Avkreach in Moskau beträgt 1 Zoll;
die Breite des Stuckes 3 Zoll 9 Linien; seine Höhe fast
3 Zoll. Die Breite der Höhle mochte 1 Zoll 9Linien gewesen
sein; oben ist sie breiter als unten, wo sie verschmälert
trichterförmig zuläuft. Das Bruchstück ist etwas kreisföormig
gebogen und deutet einen breit-tmichterförmigen oder teller-
förmigen Körper an. Die 12 Rippen dieses Bruchstückes sind
von verschiedener Länge; die längste beträgt 2 Zoll 5 Linien,
die kurzeste nur 3 Linien. Eine oder zwei Rippen sind unter-
brochen und nehmen die schmälere Grundfläche ein, die je-
doch meist glatt, d. h. ohne Rippen ist. Da die Grundfläche
abgebrochen ist, so fehlen auch hier die wurzelartig aus-
laufenden, ästigen Fortsätze der Ventrieuliten Englands.
Die Fig. 3 a stellt den Ventrieuliten von aussen, die
Fig. 3 b von innen dar, beide in natürlicher Grösse; die
Fig. 5 c zeigt ein vergrössertes Stück der Schwammmasse.
Alle 3 Exemplare fanden sich in dem schwarzen, sand-
artigen Neocom von Choroschöwo bei Moskau, einer Schicht,
die dem Hils von Hannover oder dem englischen Speeton-clay
254
am meisten zu entsprechen scheint und mit Unrecht zur Jura-
formation gerechnet wird.
Die untere Neocomschicht von Choroschöwo enthält ausser
vielen andern Kreidearten auch einen grossen Ammoniten, den
man ebenso wie den Ammonites nodiger verkannt und als
Ammonites biplex aufgeführt hat. Ich nenne ihn Am. Auerbachi
und habe ihn im Jahre 1865 in grosser Menge und in grossen
Exemplaren an dem Flusse Jansa, in der Stadt Moskau eben
so gut wie bei Choroschowo und Mniowniki in der Entfer-
nung einer deutschen Meile von der Hauptstadt, immer jedoch
in dem schwarzen Sandstein neocomischer Bildung gefunden.
Der Ammonites biplex Sow. ist davon ganz und gar verschieden.
Er kommt in der typischen Form, wieihn SoweErgy (Min. conchol.
II. Tab. 293 Fig. 1—2) aus dem Jura von England und
D’ORBIGNY (DE VERNEUL, Paleont. de la Russie Taf. 37.
Fig. 3—4) aus dem Jura von Kineschma an der Wolga ab-
bilden, bei Choroschöwo, Mniowniki und an der Jansa bei
Moskau gar nicht vor. Er ist in der typischen Form nämlich
von den Seiten zusammengedrückt, höher als breit und dicht
am zugerundeten Rücken mit zweitheiligen Rippen versehen;
der Rücken ist eben so breit als der untere Rand der Win-
dungen an der Naht,’ und die zweitheiligen Rippen werden im
breiten Nabel von der nachfolgenden Windung völlig bedeckt.
Alles dies sieht man nicht in dem Am. Auerbachi, wie ich die
Neocomart von Moskwa genannt habe; seine Rippen theilen
sich viel früher, und die zweitheiligen Rippen sind daher auch
im Nabel sichtbar; denn sie werden von der vorhergehenden
-. Windung nicht ganz bedeckt. Der Rücken der Windungen ist
immer schmäler als der untere Rand an der Naht, und die
zweitheiligen Rippen sind auf dem Rücken stark nach vorn ge-
wandt, also nicht grade aufsteigend wie im typischen Am.
biplee. Die Abbildungen im Bull. de la Soc. Nat. de Mose.
1861. I. Taf. VII. Fig. 3 et 4, als Am. biplex truncatus und
als. truncatus var. longifurcatus bezeichnet, gehören dieser
neuen Art an. Sie gleicht auffallend dem Am. versicolor (Bull.
de Mosc. 1865. I. Taf. II. Fig. 5—4) aus derselben Neocom-
schicht von Ssimbirsk, so dass ich beide vereinigen würde,
.
255
wenn nicht der Amm. Auerbachi einzelne verkümmerte Rippen
zwischen den zweitheiligen vollständigen besässe, die dem
versicolor fehlen; die obere Schicht von Ohoroschöwo, die dem
Gault entspricht, enthält ne den Amm. versicolor in deut-
licheren Exemplaren.
Die Art scheint dem Amm. colligatus BınkH.*) aus der
obern Kreide von Limburg sehr nahe zu stehen, so dass sie
mit ihm leicht verwechselt werden könnte. Die Windungen des
Amm. colligatus sind in der Mitte viel breiter als am obern
und untern Rande, und die Loben etwas mehr getheilt als im
Ammoniten von Choroschöwo. Ich habe jedoch an der Jansa
ein grosses Bruchstück eines Ammoniten gefunden, den ich vom
Amm. colligatus nicht gut unterscheiden kann und daher auch
ihn dort annehmen möchte.
Zu den grossen Ammoniten dieser ‚schicht gehört ausser-
dem nöch der Amm. Panderi m., der ebenfalls, obgleich nicht
in dieser Grösse, in der ähnlichen Neocomschicht von Ssimbirsk
vorkommt; er findet sich aber eben so gross und in den äus-
seren oder späteren Umgängen viel breiter als hoch in schö-
nen Exemplaren im Neocom des nördlichen Ural, an. der Ussa,
.von wo ich selbst das- grösste Exemplar dieser Art besitze.
Die obere Schicht von Choroschöwo, die ich dem Gault
vergleiche, enthalt ganz andere Ammoniten, den Ammonites
Beudanti, den catenulatus und nodiger, der, wie oben bemerkt,
als Amm. Koenigi (Sow.) von p’Orgıcny (Paleont. de la Russie
Taf. 35, Fig. 1—6) abgebildet ist und auch im Necomsandsteine
von Kotelniki und Tatarowo vorkommt.
In demselben, Hefte von 1861 Nr. III. des Bulletins der
naturforschenden Gesellschaft von Moskau, worin ich meine
Abhandlung über den Grünsand von Moskau bekannt machte,
hatte auch Herr TrautscHoLp seine Beobachtungen : „Recherches
geologiques aux environs de Moscou. Fossiles de Kharaschovo
et supplement.‘“ mit einer Tafel Abbildungen erscheinen
lassen.
Da es mir bei der Herausgabe meiner Lethaea rossica,
‚ mittlere Periode, sehr daran lag, die Originalexemplare der
*) Biınknonst VAN DEN Binknonst, Monogr. des Gastropodes et Ce--
phalopodes de la craie superieure du Limburg. Bruxelles 1861. Taf. 8 a..
Fig. 1—9.
256 =
neuen, von H. TrAUTscHoLD bestimmten Arten selbst zu sehen
und genauer zu prüfen, so bat ich ihn um Uebersendung der-
selben. Er übersandte mir, wie er jetzt selbst bemerkt,*) in
seiner deutschen Gutmüthigkeit, also nicht, wie ich
glaubte, im Interesse der Wissenschaft, eine fast voll-
ständige Sammlung der Fossilien der oberen Schicht yon Cho-
roschöwo, wofür ich ihm in einem Briefe meinen herzlichsten
° Dank aussprach,, ohne, wie er bemerkt, irgendwo uber seine
(irrigen) Bestimmungen der Fossilien als Juraarten ein Triumph-
geschrei zu erheben. Im Gegentheil machte ich ihm den Vor-
schlag, ehe ich meine weiteren Bemerkungen über
diese mir von ihm übersandten Fossilien dem Pu-
blieum übergab, unsere gegenseitigen Ansichten über sie
in Briefen zu besprechen **) und dann- unser so gewonnenes
Resultat über das relative Alter der Formation bei Choro-
schöwo öffentlich bekannt zu machen. |
Ich glaube nicht, dass darin etwas Anstössiges oder Naives
lag, da es sich hier nur um die genauere wissenschaftliche Be-
stimmung der Fossilien von Choroschöwo handelte, die unsere
weit auseinandergehenden Ansichten vereinigen sollte; denn ich
sah voraus, dass ohne diese vorläufige Besprechung durch Hrn.
TraurscHhoLp ein Scandal zur Belustigung des geologischen
*) Zeitschrift d. deutschen geol. Gesellschaft. Berlin, 1865 pag. 456. -
**) Diese Worte befinden sich ausführlich in meinem Aufsatze über
die Fauna und Flora des Grünsandes von Moskau, Bull. Mosc. 1862, II.
wo sie pag. 357 so tauten: „Da Hr. TraurscuoLp mir bei Uebersendung
seiner reichhaltigen Sammlung die Mittheilung machte, dass er über mei-
nen oben erwähnten Aufsatz, den Grünsand von Moskwa (Bulletin
‘Mose. 1861, III.), eine ausführliche Erörterung schreibe, so machte
ich ihm den Vorschlag, erst in brieflichen Besprechungen unsere gegen-
seitigen Ansichten zu prüfen und dann mit den dadurch gewonnenen,
offenbar geläuterten Ergebnissen vor dem geologischen Publicum aufzu-
treten ; allein Hr. TaaurscuoLn zog es vor, proprio Marte in einer Schrift
pro ara et focis, die Sache der Wissenschaft zu verfechten, und seine
Abhandlung über die Kreideablagerungen im Gouvernement Moskau schon
im A4ten Hefte des Bulletins der Moskauer Gesellschaft der Naturforscher
für 1861 erscheinen %u lassen, in der er zwar neocomische Kreide in
Talitzi und an einigen von ihm hier zuerst aufgeführten Localitäten des
Gouvernements Moskwa annimmt, aber den von mir bei Choroschowo auf-
geführten Grünsand für Jura, den bei Klin angenommenen Kreidesand-
stein für Wealden erklärt und mancherlei Zweifel über meine Bestim-
mungen der fossilen Kreidearten ausspricht.“
257
Publicums entstehen würde. Er lehnte meine friedliche Ver-
mittelung der Extreme ab und zog in der That den öffent-
lichen Scandal. vor, der ein ganz besonderes Licht auf das
Eigenlob der deutschen Gutmüthigkeit wirft, wie sie sich, na-
mentlich in dieser Zeitschrift, wiederholentlich ausgesprochen
hat. Da ich nicht im Stande bin, in demselben gereizten Tone
zu erwidern, aber die wissenschaftliche Erörterung der Frage
mir zu sehr am Herzen liegt, so halte ich es für passend und
anständig, auch nur auf sie Rücksicht zu nehmen und hier in
Folge der vielen gegen mich ausgesprochenen Schmähungen nur
so viel zu bemerken, das Hr. TRAUTSCHoOLD mir nur einmal auf
10 Minuten seinen Besuch schenkte, dass ich ihn seitdem nie
_ persönlich wieder zu sehen Gelegenheit hatte, und er doch in
so kurzer Zeit im Stande war, meinen Charakter so genau
kennen zu lernen. |
* Die Gutmuthigkeit des Herrn TrauTscHoLp hatte also im
Aten Hefte des Bulletin de Moscou für 1861 den Frieden
gebrochen und meine Ansichten über den Grünsand von Mos-
kau und die von mir bestimmten Arten mit allerlei Nebenbe-
merkungen in Zweifel zu ziehen sich bemüht. Er hatte 20 Jura-
thiere in den Aucellenschichten aufgezählt; man weise ihm
nach, sagte er,*) dass dieselbe Schicht 21 Kreidethiere ent-
halte, und er wolle sich gern zum Grunsande be-
kehren. | | /
Dies that ich mit leichter Mühe in einem mir auf diese
Art abgedrungenen Aufsatze im Bulletin de Mosc. 1862. II.
pag. 371 und glaubte dadurch Herrn TraurscuoLp zum Wort-
halten zu bewegen und seine verheissene Bekehrung eintreten
zu sehen. Statt dessen sind diese meine Worte die Ursache
der gewaltigen Explosion geworden, die wir in der Zeitschrift
der deutsch. geol. Gesellschaft für 1865 pag. 452 in so unpas-
sender Art losbrechen sahen!
Die von mir bezweifelten Jura-Arten von Choroschöwo
werden hier auf’s Neue kurz besprochen und die von mir bei
Choroschöwo angenommenen 21 Kreidearten nur zur Hälfte
und ganz kurz in Zweifel gezogen, so dass diese irrige An-
nahme mich nunmehr veranlasst, auch meine Ansicht über die
‘Schichten mit Aucella mosquensis und Ammonites virgatus in
*) Bull. de Mosc. 1861. III. pag. 438.
Zeits.d.d.geol.Ges. XVIII. 2 17
258
dieser Zeitschrift dem Publiecum mitzutheilen. Da ich in Mün-
chen bei Professor OrrEL eine grosse Sammlung der Fossi-
lien von Choroschöwo sah und andere Sammlungen der Art
in Breslau, Berlin und Stuttgart vermuthe, so glaube ich, wer-
den -die Herren Professoren F. RoEMER, BEYRIcH, FRAAs, OPPEL
und verschiedene Andere durch meine Bemerkungen wohl in
den Stand gesetzt sein, über die nähere Bestimmung; der Arten
jener beiden Schichten gehörig urtheilen zu können.
Terebratula ornithocephala.
Zuerst wird pag. 453 dieser Zeitschrift für 1865 der
Terebratula ornithocephala aus der Aucellenschicht gedacht,
die ich in ihr nicht gelten lasse und für die Terebratula
Royeriana »ORB. von 1845 halte. mit der auch D’ORBIGNY
(Paleont. Russ. pag. 484) die ornithocephala vergleicht. Ich
sagte (Bulletin de Moscou 1862. II. p. 372) sehr bestimmt, «dass
die ornithocephala von Moskwa zu der Terebratula scabra FıscH.
(T. striatula Fıscn.), die in der Oryctogr. von Moskau p. 148,
t. 43, f. 6 beschrieben und abgebildet ist, gehört; dert steht
„zu dieserneuen Art‘, also nicht „zu einer neuen Art‘‘, wie
Herr TrAUTscHoLD diese meine Worte nach seiner Art entstellt
hat. Da aber Terebratula Royeriana identisch ist, mit 7. scabra,
die von Fischer als neue Art schon 1837 aufgeführt wird, so
müsste die Terebratula Royeriana der Priorität nach eigentlich
Terebratula scabra heissen; denn die ornithocephala (Sow.) Tr.
ist dieselbe Art. :
Terebratula sella.
Die Terebratula sella wird von mir in der sogenannten mitt-
leren Juraschicht mit Ammonites virgatus von Choroschöwo auf-
geführt; dies ist keine Terebratula perovalis aus dem Uiteroolith
Englands, sondern die fünfeckige Terebratula sella Sow. aus dem
Neocom. Zu ihr gehört auch die grosse Teerebratula Michalkowüi
FıAHr. aus dieser Schicht; Herr FAHRENKOHL hat sie in- den
Verhandlungen der mineralogischen Gesellschaft von St. Peters-
burg für 1856, t. 3. f. 6 abgebildet und beschrieben; sie gleicht
der Abbildung der Terebratula sell«a Sow. aus dem Neocom
bei pD’Orsıcny (Paleont. fr., Terr. eret. t. 510, f. 6— 12) so
sehr, dass an ihrer Identität nicht zu zweifeln ist. Ein viel
kleineres Exemplar mit den beiden Falten auf der undurch-
259
.
bohrten Schale, die fast bis an den Wirbel reichen, besitze ich
aus dem oberen Neocom oder der Gaultschicht von Choroschöwo;
dies ist ebenfalls diese Art und nicht Terebratula perovalis, deren
Falten nur am unteren Rande sichtbar sind, und deren dicke
Schale sich durch eine concentrische, stark ausgesprochene
Lamellenbildung , auszeichnet, wodurch die Ränder stumpf
werden und nicht scharf erscheinen wie in der sella. Die Art
kommt mithin in beiden Schichten von Choroschöwo vor.
Pecten crassitesta A. Ron.
Diesen Pecten von Choroschöwo nahm ich ‘damals und
nehme ihn noch jetzt in einem Pecten an, derim Bull. de Mose.
1861. I. als eine neue Art mit dem Namen Pecten solidus t. 6.
f. 4-- 5 bezeichnet ist. Ich sah darin ein junges Exemplar
des Pecten crassitesta aus dem Hilsconglomerat, um so mehr, als
auch ROUILLIER (s. die Zeitschrift d. deutsch. geol. Gesellschaft
1861. pag. 401) mit Recht vermuthet hatte, dass der Peeten
imperialis KEys., der mit dem crassitesta identisch *) ist, bei
Moskau in der Aucellenschicht vorkomme, da man, heisst es
dort, von Zeit zu Zeit Bruchstücke finde, die auf einen sehr
grossen Pecten schliessen lassen. Der Pecten solidus konnte
demnach sehr wohl die Grösse des Pecten crassitesta erreichen,
dem er in der dicken Schale schon als junges Individuum sehr
nahe kommt. Ich hielt den grossen, als Pecten demissus major
(Bull. Mose. 1. e. t. 7. f. 2) abgebildeten Pecten für einen
Steinkern und daher ebenfalls als zum crassitesta gehörig. Jetzt
erfahre ich, dass er eine dunne Schale hat (s. Zeitschrift der
deutsch. geol. Gesellschaft 1865, pag. 453), und kann ihn des-
halb nur für einen grossen Pecten orbicularis Sow. halten, da
_ der typische Pecten demissus PHıLL.**) aus dem Kelloway Eng-
lands länger ist als breit, einen spitzen Winkel am Wirbel und
weit mehr Querstreifen besitzt als diese Art von Choroschowo,
*) Ich erhielt drei der schönsten und grössten Exemplare des Pecten
erassitesta durch die Güte des Herrn A. v. Stronseek aus dem Hils-
conglomerat des Langenberges bei Harzburg: Prof. Geınırz in Dresden
sah sie und schrieb mir auf meine Anfrage, ob dieser Pecten nicht der
Pecten imperialis Keys. sei. dass dieser von jenem nicht unterschieden
werden könne.
**) Geology of Yorkshire. T. I. t. 6, f. 5.
e 17 *
260
die ganz glatt sein soll, wie die glatte Schale des Pecten orbi-
. cularis. | ;
Pecten orbicularis Sow.
Mit dieser Art ist es Herrn p’OrBIGNY eben so gegangen,
wie mit dem Ammonites Koenigü; er hat ihn verkannt und dar-
aus sogar zwei Arten gemacht, den Pecten demissus BEAN, aus
der glatten und den Pecten nummularis PHILL. aus der concen-
trisch gefurchten Valve des Pecten orbicularis;. davon wird sich
Jeder überzeugen, der mit Aufmerksamkeit seine Abbildungen
ansieht. Der Irrthum ist begreiflich. Da man früher nur lose
Schalen fand und die concentrisch gefurchten (siehe D’ORBIGNY,
DE VERNEUIL, Paleönt. de la Russie t. 41, f. 21) als zusam-
mengehörig ansah, so machte man aus ihnen den Peet. num-
mularis, während die glatten (l. ec. t. 41 f. 17 abgebildeten)
Schalen ebenfalls als zusammengehörig genommen wurden und
den Pecten demissus bilden halfen. Es fand sich aber späterhin,
dass vollständige Muscheln aus einer glatten und einer ge-
furchten Schale bestehen, dass also beide zusammenhängende
Schalen zum Pect. orbicularis Sow. gehören, dessen Charaktere
sie auch genau zur Schau tragen. SOWERBY”) lässt die eine
Schale glatt, die andere concentrisch gestreift sein; die Strei-
fen sind nach ihm zahlreich und stehen eine Linie weit von
einander ab; folglich meinte er unter den Streifen die feinen
Furchen, die zwischen den flachen: und breiten bandartigen
Streifen liegen, wie diese eben so im Pecten orbicularis von
Choroschowo, als auch im Pecten orbicularis aus dem untern
Quader von Sachsen und der Tourtia von Essen in Westphalen
vorkommen; ganz so findet sich Pecten orbicularis auch bei
Iletzkaja saschtshita in der Nähe von Orenburg.
Inoceramus sulcatus Park.
Die Art wird schon sehr richtig zugleich mit Peeten orbicu-
laris als bei Choroschöwo vorkommend von Herrn MURCHISON **)
angeführt; sie ward natürlich nicht von ihm, sondern von Herrn _
DE VERNEUIL, seinem Begleiter und vorzüglichsten Palaeonto-
logen, bestimmt. In dieser Zeitschrift, 1865, pag. 454, wird
S
*) Min. conchol. II. p. 195. t. 186.
‘ *#) Geology of Russia in Europe. I, pag. 230.
261
an dem Vorkommen der Art in der Neocomschicht von Choro-
schöwo, und zwar mit dem Bemerken gezweifelt, die beiden .
Geologen hätten die Art mit einer grossen Rhynchonella ver-
wechselt. Das ist wohl beleidigend für einen Palaeontologen,
_ wie DE VERNEUIL. Ich kann jetzt dem geologischen Publicum
versichern, dass ich den /nnoceramus sulcatus auf meiner Ex-
eursion nach Choroschöwo im Jahre 1865 mit vielen anderen
seltenen Arten selbst gefunden habe. Er muss jedoch dort
sehr selten sein; er ist durch- seine ungleichen Schalen und
durch den längern Wirbel der dickern Valve von einer Lima
leicht zu unterscheiden.
Lima Hoperi Desn.
Die Lima, die am häufigsten in Choroschowo vorkommt,
habe ich fur Lima Hoperi Desn. erklärt und halte sie noch
dafur, weil ihre Oberfläche fein und dicht gestreift ist und die
feinen Furchen in der Mitte der feinen Schale nicht punktirt
sind. Der Schlossrand der Muschel bildet mit dem Vorder-
rande, der das Mondchen und den Byssusausschnitt enthält,
einen stumpfen Winkel, gerade wie es die Fig. 10 t. 424 bei
D’ÖRBIGNY, terr. eret., vol. 3 zeigt. Der kreisförmig gebogene
Unterrand erhebt sich in der Mitte weit höher als in der Lima
Phillipsi.*) Die grosse von Herrn p’OrBIGNY (bei DE VERNEUIL
Paleontologie de la Russie pag. 478. t. 42, f. 8) abgebildete
Lima Phillipsi D’Orp., die im Lias von Scarborough häufig ist,
ist jedenfalls von dieser Lima Hoperi verschieden und gleicht
so sehr der Lima abrupta D’OrRB. aus der Kreide, dass ich beide
für identisch halten möchte, wenn die Lima Phillipsi wirklich
aus einem grauen Neocomsandsteine, und nicht aus dem Jura
von Kineschma an der Wolga stammt. Ich selbst besitze diese
grosse Lima abrupta aus der Neocomschicht von Choroschöwo
und eine kleine, kaum 3 Linien breite Lima Phillipsi D’ORrB.
aus dem Jurathon von Goliowa.
Lima Royeriana D OR».
Herr n’Orsıcny (Paleontologie de la Russie t. 42 f. 5—6)
bildet eine Lima consobrina D’ORB. aus dem schwarzen Neo-
comsandstein von Choroschowo ab, die nichts Anderes ist, als
*, Geology .of Yorkshire. f. 5. t. 10.
262
die Lima Royeriana v’ORB. (Terr. eret. t. 414 f. 5—8) aus
dem Neocom von Frankreich. Auf Tab, 422 f. 4—7 der Terrains
eretaces ist auch eine Lima consobrina D’ORB. aus der Kreide
abgebildet, die aber gar nicht mit der Lima consobrina D’ORB.
in der Paleontologie de la Russie zu vergleichen ist. D’ORBIGNY
hat wahrscheinlich jenen Namen für zwei verschiedene Arten an-
gewandt, und so entstand ein Missverstand, der uns noch jetzt
irre führt. Die Lima consobrina v’ORB. von Choroschowo
muss mithin als Lima Royeriana D’ORB. aufgeführt werden, der
sie in den groben, wenig zahlreichen Rippen und iu ihrer all-
gemeinen Form ganz und gar gleicht, während die Lima con-
sobrina D’ORB. aus der Kreide sich durch ihre feineren, sehr
zahlreichen Rippen und durch concentrische Querstreifung von
der Lima Royeriana als andere Art vollkommen unterscheidet.
D’OrBIGNY hat von ihr auf Tab. 422 f. A—7 der Terrains
erötaces eine sehr gute Abbildung gegeben; er führt aber in
der Paleontologie de la Russie pag. 477 die Lima consobrina (also
die Royeriana) von Choroschowo auch aus der mittleren Schicht
des Jura von Trouville in Frankreich an, und das ist wohl ein
ähnliches Versehen, wie die Annahme von zwei verschiedenen
Limen als Lima consobrina. Ich habe jetzt schöne Exemplare
der Lima Royeriana in Choroschowo selbst gesammelt und
mich überzeugt, dass jene Lima consobrina in der Paleontologie
de la Russie keine junge Abart der Royeriana, wie ich früher
meinte, sondern diese selbst ist.
Astarte mosquensis D’ORB.
Auf pag. 455 dieser Zeitschrift für 1865 ist wieder
die Wahrheit entstellt; ich mache, wird da bemerkt, aus der
Astarte mosquensis zwei Arten Venus; das. ist nicht der Fall,
sondern Herr TRrAUTSCHOLD hatte mir unter dem Namen Astarte
mosquensis D’ORB. nicht diese Art, sondern die Venus obesa und
faba ubersandt, also die Astarte mosquensis nicht: wiederer-
kannt, und dies hatte ich früher angeführt (Bull. de Mose. 1862
p. 27). Es heisst auch in der Zeitschrift der deutschen
geologischen Gesellschaft für 1861, p. 416, ‚‚dass Herr p’Or-
BIGNY die Beschreibung und Abbildung der Astarte mosquensis
liefert, deren Schale fast nie vollkommen erhalten und deren:
Schloss unbekannt ist; sie könnte danach möglicherweise zu
einem andern Genus gehören. Der Kiel, heisst es. weiter, ist
263
mie so deutlich auf der Schale, wie ihn p’ORBIGNY abbildet,
Derselbe verstand es, mit ästhetischem Sinne die Natur zu er-
gänzen.‘‘ Ich erinnere hierbei an das alte Sprüchwort: „,‚de
mortuis mil nisi bene‘ und bemerke zur Rechtfertigung des
Todten, dass die Abbildung der Natur sehr getreu ist, dass der
Kiel auf gut erhaltenen Exemplaren, und die meisten sind gut
erhalten, ganz so deutlich ist, wie ihn D’OrRIGNY darstellt; auch
ist das Astartenschloss sehr deutlich, und gerade diese Bemer-
kung uber D’OrBıcnY’s Astarte zeigt, dass ganz andere Muscheln
für dieselbe genommen wurden. Wir, die wenigen unpar-
teiischen Geologen Russlands, sind Herrn p’Orsıcny trotz
mancherlei irriger Bestimmungen — denn errare humanum —
vielen Dank schuldig, dass er es auf sich nahm, die Jura- und
Kreidefossilien der mittleren Gouvernements von Russland zu
beschreiben und abzubilden; dadurch gewannen wir einen festen
Boden, auf dem wir nur ruhig weiter bauen könnten, wenn die
deutsche Gutmüthigkeit nicht unsern Frieden gestört und eine
unabsehbare Polemik herbeigeführt hätte. Es sind ja jetzt
30 Jahre verflossen, seitdem Herr pE VERNEUML seine Paleon-
tologie de la Russie veröffentlichte, und es kann nicht fehlen,
dass durch eine grössere Zahl von neu aufgefundenen Fossilien
auch die Bestimmungen der Formationen an Genauigkeit ge-
winnen mussten. Das hebt aber unsere Verpflichtung gegen
die Herren DE VERNEUIL und D’ORBIGNY nicht auf.
’
Cardium concinnum Buch.
H. MurcHIson und DE VERNEUIL (s. Pal&ontologie de laRussie
pag. 454 t. 38 f. 11— 13) meinten dies Cardium in Choro-
schöwo beobachtet zu haben. L. v. Buch führte es nur aus
dem Jura von Popilani und andern Gegenden Russlands an;
es könnte daher bei Moskau ebenfalls im Jura vorgekommen
sein, da die Paläontologie von Russland nicht die Schicht an-
giebt, aus der es beschrieben wurde. Jetzt wird ein Cardium
nur aus der höhern Neocomschieht von Choroschöwo ange-
führt, wo ich es selbst in grosser Menge, aber meist ohne
Schale gesammelt habe; die Steinkerne zeigen die strahlige
Streifung sehr deutlich, selten die concentrischen Streifen, die
sehr. fein und gedrängt die Oberfläche der braun gefärbten
Muscheln bedecken. Daraus geht deutlich hervor, dass es eine
Protocardia ist, dieder Protocardia Hillana zunächst steht, wie das
264
schon n’Orsıeny (Paleont. de la Russie pag. 454) bemerkt;
die Protocardia Michelini Lexm. scheint ihr jedoch noch näher
zu stehen. Die concentrischen Streifen oder Querrippen zeigen
sich vorzüglich deutlich am unteren Rande.und sind nach der
‚Mitte hin stärker verwischt.
ı.-., Ammonites Julgens. In
Ich führe unter den Kreidearten von Choroschowo auch
mit grosser Bestimmtheit den Ammonites Beudanti Bronen. auf,
in einem 4 Zoll grossen Exemplare, das mir H. TRAUTSCHOLD
selbst als Am. fulgens mit vielen keinen Abarten desselben aus
dem oberen Neocom von Choroschöwo übersandt hat. Das
grosse Exemplar trägt am deutlichsten die Charaktere der Art
an sich; es ist eben so zusammengedrückt, hat denselben
schmalen Rücken und eine Mündung, die sichelförmig und nach
oben zugespitzt zuläuft, ganz wie die einzelnen Wachsthums-
ringe, die anf den grossen Exemplaren des Deudanti (s. D’ORB.,
terr. eret. t. 34) bemerkt werden. Der Nabel ist ebenfalls
gerade so vertieft wie in der typischen Art und die Schale
dünn und perlmutterartig glänzend. Die kleinen Exemplare
weichen ‚durch ihren etwas mehr zugerundeten Rücken und
ihren trichterförmig vertieften Nabel, in dem bis auf den Grund
alle Umgänge bemerkt werden, von der grösseren und mithin
von dem typischen Am. Beudanti ab und könnten vielleicht
den Namen fulgens behalten, obgleich die Loben denen der
typischen Art gleichen. Das grosse Exemplar ist eben so in-
volut wie die Art aus dem Grunsande Frankreichs und der
Schweiz. Der Ammonites catenulatus FıscH. liegt neben dem
Am. Beudanti in demselben Grünsande und zeigt dadurch, dass
nicht nur der Sandstein von Kotelniki, wo der Amm. catenulatus
ebenfalls vorkommt, sondern dass auch der Gault von Talitzi
und Stepanowa, wo der Amm. Beudanti sich findet (s. Bulletin
de Moscou 1861. IV. t. 12 f. 2.), gleichzeitige Bildungen mit
dem obern Neocom oder Gault von Choroschöwo sind, ohne
dass es nothig ist, hier, wie es pag. 455 dieser Zeitschrift für
1865 heisst, eine gewaltsame Metamorphose zu veranlassen;
auch /noceramus concentricus besitze ich von Choroschöwo eben
so gut als aus dem Grünsande von Talitzi. :
Dies ist also die Kritik meiner Kreidearten von Choro-
schöowo; sie betrifft nur die Hälfte meiner 21 Arten und ist
P2
265
so beschaffen, dass ich sie mit leichter Mühe widerlegen und
ihre Unhaltbarkeit zeigen konnte. Es bleiben aber noch folgende
Kreidearten, die mein gutmuthiger Gegner nicht angegriffen
hat, nämlich:
Terebratula pectoralis Roen.
Pecten striato-punctatus Sow.
Pholadomya Royana D’ORB.
Inoceramus propinquus (GOLDF.
Inoceramus regularis D’OBB.
Cardium ventricosum D’ORB.
Cucullaea glabra Sow.
Arca Matheroniana D’ORB.
Trigonia carinata D’ORB.
Venus obesa, die alle auf dieselbe untere. Kreidebildung
hinweisen und den casus belli bilden helfen.
Da gegen diese Kreidearten meiner Sammlung noch keine
Einrede gemacht worden ist, so füge ich ihnen noch andere 30
Arten hinzu und nehme wieder meine natürliche Magie (wie
es in der Zeitschr. d. deutsch. geol. Gesellsch. 1865. pag. 453
heisst) zu Hülfe, die darin besteht, dass ich die bis jetzt
an den mannichfachsten Arten reichste Sammlung. von Fossi-
lien aus den beiden obern Schichten von Choroschowo besitze.
Den Grund zu ihr legte mein viel zu früh verstorbener Freund,
PETER voN JazYkow, der zu wiederholten Malen Choroschöwo
besucht hatte; eine zweite Sammlung erhielt ich von dem jetzt
ebenfalls verstorbenen H. FAHrEnkont, und zuletzt bekam ich
viele seltene Stücke von Madame CATTLEY, einer eifrigen
Kennerin paläontologischer Schätze, die den Nachlass des ver-
storbenen FreArRs in Moskau kaufte, in dem sich viele Unica
befanden, die H. RoviLLier beschrieben hatte. Endlich uber-
sandte mir noch H. TrAutscHoLp eine schöne Sammlung von
Choroschowo-Fossilien und gab mir dadurch, wie er mir später-
hin schrieb, seine Waffen aus den Händen; denn ich konnte
nur vermittelst dieser Sendung seine Bestimmungen der so-
genannten Juraarten entziffern. Zuletzt machte ich selbst eine
Reise nach Moskau und fand mancherlei Neues, was mir noch
mehr Licht verschaffte, um die Zweifel über die Lagerung der
Schichten zu beseitigen.
Ich glaube daher mit Recht, dass meine Sammlung der
Fossilien von Choroschöwo wohl etwas beitragen könnte, um
266
die streitigen Punkte über Jura oder Grünsand an den Ufern
der Moskwa und Jansa aufzuklären.
\
Zu den bisher noch nicht erwähnten Kreidearten aus der
oberen und unteren Schicht von Choroschöwo gehören folgende,
deren ausführliche Beschreibungen und Abbildungen in- meiner
Lethaea rossica, Periode moyenne, enthalten sind.
Serpula antiquata Sow.
Die eylindrische Kalkröhre ist anfangs spiral gewunden; die
Umgänge. werden nach oben immer breiter; der letzte Umgang
verlängert sich oft sehr weit in grader Richtung, wenn das In-
dividuum vollständig erhalten ist; die Oberfläche der Rohre
ist quergerunzelt und zeigt hin und wieder Ringelwulste. So
findet sich die Art im oberen Neocom von Choroschowo, ganz
so im Hilsthone von Norddeutschland, ferner an der Perte du
Rhöne und im Berge Saleve bei Genf, auch in England.
Serpula uncinella Sow.
Die wenig gebogene Kalkröhre hat einen deutlichen Kiel,
aber keinen Kamm, wodurch sie sich von der Serpula subrugulosa
QUENST. aus dem weissen Jura unterscheidet, fur welche Art
sie bisher genommen worden ist (s. Bull. Mose. 1861. I. t.8.
f. 5). Die feinen Querstreifen laufen in einen Kiel auf
dem Rücken aus, der aber oft fehlt, vorzüglich gegen das
Ende der Röhre. Sie findet sich im unteren Neocom von Mni-
owniki, ganz so wie im Grünsande von Blackdown.
Cidaris arcuata Re&uss.
Die Cidarisarten haben nur Stacheln oder einzelne Schilder
im Neocom von Choroschöwo. hinterlassen und sind daher
schwer unterzubringen. RouisLier hat eine Art als (Cidaris
spinigera (Bulletin de Moscou 1849. 1. t.J. f.52—53 und t.K.
f. 49) beschrieben und abgebildet, die der arcuata aus der
Kreide von Bilin nahe kommt, wenigstens ihr auffallend gleicht.
Auch die Cidaris perornata Forg. aus dem Senon Englands
und Frankreichs hat viele Verwandtschaft mit ihr. Im Bulletin
de Moscou 1846. IV. t. ©. f. 22. ist sie als Cidaris florigemma
Puırr. aus dem Jura: bestimmt.
7 a
Terebratula Moutoniana v’ORB.*)
Die undurchbohrte Schale ist sehr dick nach dem Wirbel
hin, und beide Wirbel stehen von einander ab (s. Davinson,
British ool. and lias. Terebr., Palaeont. soc. 1850 pag. 42
1:7. f. 1-4). Sie ist für Terebratula lagenalis aus dem
Jura erklärt worden -(s. Bulletin de Moscou 1861. 1. t. 5. f. 6),
die am Unterrande nicht ausgebuchtet ist, wie dies bei Mou-
toniana beobachtet wird, während jene da grade abgestutzt und
auf der durchbohrten Schale nicht mit einer deutlichen Ver-
tiefung, wie diese, in ihrer Mitte versehen ist. Die Terebratula
Alfonski FaAur. (Verhandl. d. miner. Gesellsch. zu St. Petersb.
1856. t. 3. f. 1.) gehört auch hierher oder wenigstens in ihre
Nähe.
Terebratula Robertoni D’ArcH.
Diese von p’ArcHıac in der Tourtia an der Grenze von
Frankreich und Belgien beobachtete Art (s. D’ARCHIAC rapport
sur les fossiles du Tourtia in den Mem. de la Soc. geol. de
France. 1846. t. 18. f. 2.) kommt auch von derselben
Form und derselben Grösse im Neocom von Choroschöwo vor.
Ich habe sie t. 18. f. 22 in meiner Lethaea rossica, Periode
moyenne abgebildet und beschrieben; andere Exemplare von
Biassala in. der Krim sind noch einmal so dick als die ab-
gebildete und gleichen noch mehr der Figur bei D’ArcHiAc.
Terebratula depressa Lam.
Die Exemplare dieser bei Choroschöwo von mir aufge-
fundenen Art gleichen am meisten den Figuren 5—7 auf
Tafel 17 bei p’ArcnHıuic a. a. OÖ. aus der Tourtia, wo sie als
T. nerviensis beschrieben und abgebildet sind; ich habe die Art
auf Taf. 18. f. 23 meiner Lethaea rossica, Periode moyenne
‚abgebildet.
Terebratula capillata D’Arch.
Auch sie stammt aus der Tourtia und ist von H. p’ArcHıac
(l. e. t. 20. f. 1—5) abgebildet; es ist die Terebratula Lycetti
(Dav.?) (Bulletin de Moscou 1861. II. t. 7. f. 6) von Choro-
*) p’Orsıexny, Terr. cret. Pl. 510 Fig. 1-5.
268
schöwo. Ich gab von ihr Abbildungen in der Lethaea rossica
Tr. rund t, 18,626.
Terebratula pseudojurensis LEYM.
Diese Art mag im Bulletin de Moscou sowie in dieser Zeit-
schrift für 1861 pag. 386 als T. vicinalis oder cornuta mit-
begriffen sein; sie gleicht jedoch am meisten der T. pseudoju-
rensis LEYM. aus dem mittleren Neocom des Berges Saleve bei
Genf; die Fig. 21. Tafel 15 bei Loriol, Anim. foss. du mont
Saleve. 1861. gleicht ihr ganz und gar. Ich habe sie auf
Tafel 18 Fig. 27 dargestellt und glaube, dass sie nicht in
die cornuta des Lias übergeht; denn ihr Wirbel ist viel dicker
als bei dieser, die Oeffnung viel grösser und der Wirbel selbst
viel weiter abstehend von dem Wirbel der undurchbohrten
Schale, ganz wie bei 7. pseudojurensis.
Terebratula albensis Leym.
Diese aus der Kreide des Aube- Departement in wi
reich herstammende Kreideart kommt auch im Neocom von
Choroschowo vor; sie ist in den Mem. de la Soc. geol. de
France 1846 V. 1. pag. 11. t. 15. f. 2—4 und von mir in
meiner Lethaea rossica, Periode moyenne t. 18. f. 27 abgebildet
und beschrieben worden nnd kann darnach leicht verglichen
werden.
Terebratula biplicata, non plicata.
Dies ist eine interessante, ungefaltete Abart der 7. biplicata
aus dem oberen Neocom von Choroschöwo, gerade von derselben
Grösse und Gestalt, wie sie im oberen Grunsande von Folk-
stone in England vorkommt, s. Davıson 1854. 1. e. t. 6.
f. 19 — 20, 25— 26; der untere Rand ist stets breiter. als
die Mitte, und sie gleicht darin der var. non plicata von Choro-
schöwo, wie sie auch als 7. salevensis LoRrıoL (description
des animaux invertebres fossiles du mont Saleve. Geneve. 1861.
pag. 118. t. 15. f. 11—16) im Grünsande des Berges Sa-
leve vorkommt.
Terebratula revoluta D’ARCH.
Ich führe ferner hier die 7. revoluta aus der Tourtia des
französischen Flanderns aus dem oberen Neocom von Choro-
269
schöwo auf, die als junge jurassische 7. mawillata var. alata
Bulletin de Moscou 1861. I. t.5. f. 7. abgebildet ist. Die grosse
T. masillata erhält erst im ausgewachsenen Zustande eine sehr
bedeutende Breite und faltet sich alsdann, während sie in der
Jugend glatt, ohne Falten und langgezogen ist, wie die Ab-
bildung bei Davınson 1. c. 1850. t. 9. f£6—9 lehrt; da-
gegen ist die kleine 7. rwoluta (p’Arcaıac 1. c. 1846. t. 19.
f.3) aus der Tourtia, grade so wie die Art von Ohoroschöwo,
immer sehr breit gezogen.
Rhynchonella plicatilis Sow.
Diese Rhynchonella aus der unteren Kreide Englands, die der
T. retracta Ros». vollkommen entspricht, findet sich in vielen
Exemplaren im Bessonowschen‘ Thone von Ssimbirsk. Ich
habe sie auf Tafel 18. f. 18 der Lethaea rossica, Periode mo-
yenne abbilden lassen. Sie ist von Choroschowo als R. tetraödra
var. compressa (Sow.) im Bulletin deMoscou 1861.1.t.5. f.9. und
als R. triplicata (Sow.) von RovILLier im Bulletin de Moscou
1847. II. pag. 372 beschrieben und 1848. I. t. F. f. 8 ab-
gebildet worden. Auch die sogenannte Rhynchonella lacunosa
(SchvorH.) Bull. Mosc. 1849. II. t. M. f. 100. gehört hierher
und bestimmt die Juraschicht als deutliche untere Kreide.
Rhynchonella sulcata Park.
‘Dies ist eine andere Kreideart, die viel häufiger im Besso-
nowschen Thone ven Ssimbirsk als in Choroschöwo vorkommt;
ich habe sie auf Tafel 18. Fig. 25 der Lethaea rossica, Per. moy.
abbilden lassen. Sie ist sehr verschieden und bisher immer
als Juraart gedeutet worden, so z. B. als Terebratula concinna
(Sow.) im Bull. Mose. 1849. II. t. L. f. 98 und als Zhyn-
' chonella ®btetraedra (Davıps.) im Bull. Mose. 1861. 1. t. 5.
f. 2. Sie zeichnet sich am meisten durch die Unregelmässig-
keit der gefalteten Schalen aus und ist eine alpine Form, die
an die Rhynch. trigona QuUENST. aus der von H. OPPrEL neu
aufgestellten tithonischen Etage erinnert, wofern sie
‚nicht in sie übergeht.
Rhynchonella pecten »’Or».
Diese Grünsandart findet sich im oberen Neocom bei Cho-
roschöwo in schönen Exemplaren; H. RoviLLıer hat von ihr
270 _
als nn pentatoma (Fıscn.) im Bull. Mosc. 1846. IV.t.B.
f. 14 i, k, 1, m. gute Abbildungen gegeben; sie findet sich
auch im Eraie albien von Petrowskaja im Gouvernement Char-
kow und bei Indersk in der Kirgisensteppe.
Lingula subovalis Dav.
Diese Lingula, die ‚bei Davıpson (Brit. cret. brachiop.
t. 1. f. 293 — 30) aus dem Grünsande von Warminster ab-
gebildet ist, findet sich auch im Neocom ‘von Choroschöwo,
von wo sie (im Bull. Mose. 1861. IV. t. 5. f. 1) als Lin-
gula Beamü (PmınL.) aus dem Jura beschrieben ist.
Ostrea hippopodium Niuss.
Diese Kreideart findet sich im Norden und Suden des
Urals im Neocom, so auch bei Kursk, ferner im unteren Neocom
von Ühoroschöwo, von wo ich sie selbst mitgebracht habe.
Zu ikr gehört auch die Ostrea deltoidea (Lam.) in dieser Zeit-
schrift 1861. pag. 395 und die von Rovinuıer abgebildete Art
im Bull. Mosc. 1849. II. t. N. f. 112 — 113. Ein schönes
Exemplar, von FAHRENKOHL erhalten, bewahrt ‘die Sammlung
der mineralogischen Gesellschaft in Petersburg auf.
Ostrea gibba Reuss.
Eine kleine Auster, die im unteren Neocom von Choro-
schöwo vorkommt und von Revss aus der Kreide von Böhmen
t. 19. f. 6 abgebildet ist, gehört offenbar zu dieser Art, die
auch im Plänermergel von Luschütz vorkommt.
@ryphaea vesicularis Lam. var. uncinella LEyMm.
Ich habe diese kleine Kreideart in ihrer charakteristischen
Abänderung im unteren Neocom von Moskau, an der Jansa,
selbst gefunden und finde keinen Unterschied zwischen ihr und
der pyrenäischen Gryphaea uncinella Leym. (M&m. sur un nouveau
type pyreneen, parallele & la craie proprement dite, in Mem.
de la soc. geol. de France 1851. pag. 199. t. 10. f. 2—3).
Eine grosse sehr gewölbte Schale aus dem unteren Neocom
über dem Jurathon von Goliowa, von FAHRENKOHL gesammelt,
wird in der Sammlung der mineralogischen Gesellschaft zu
St. Petersburg aufbewahrt.
271 Ba
Exogyra pyrenaica Leym.
Diese gleichfalls den Pyrenäen eigenthumliche Art fand
sich in einem Kleinen Exemplare im Neocom von Choroschöwo;
sie gleicht ganz und gar der Abbildung LeYMmErie’s (sur un
nouveau type pyreneen, in den Me&em. de la soc. geol. de Fr.
1851. t. 10. f. 4); etwas grössere Exemplare finden sich im
eisenschussigen Sandsteine von Kursk. |
Exogyra conica Sow.
Die kleine Exogyra conica aus der Kreide findet sich
ebenfalls im Neocom von Choroschöwo. Sie ist hier als Ostrea
acuminata (Sow.) und obscura (Sow.) aus dem Jura abgebildet
und beschrieben worden, s. Bulletin de Moscou 1861. TI. t. 5. f.
10 u. 11. Die Ränder sind im Innern punktirt, wie dies auch
in der Fig. 10 a angegeben ist; die eine Schale ist sehr ver-
tieft (Fig. 10) und die andre ganz flach (Fig. 11 a).
Placuna truncata GEIN.
Diese Art aus dem Quadersandsteine von Böhmen findet
sich in ausgezeichnet guten Exemplaren im unteren Neocom
von Choroschöwo. ROoVvILLIER hat sie im Bulletin de Moscou
1846. IV. t.C. f.26 als Placuna jurensis RoeMm. abgebildet, und
als Anomia gingensis QuENST. ist sie in dieser Zeitschrift 1861.
pag. 396 aufgeführt. Ausser diesen Arten finden sich noch
ein Paar Anomien, ephippiiformis und distracta m.; in dieser
Schicht von Choroschöwo; ich habe sie in der Lethaea rossica,
Periode moyenne beschrieben und abbilden lassen.
.
Plicatula placunea Lam.
Diese Art besitze ich aus dem unteren Neocom von Cho-
roschöwo; sie findet sich auch im Neocom von Frankreich.
Pecten membranaceus NILSS.
Diese Art aus der Kreide des südlichen Schwedens be-
sitze ich aus dem unteren und oberen Neocom von Choroschöwo.
Pecten Cottaldinus D’ORE.
Dieser Pecten, als P. demissus Bran. aus dem Jura Eng-
lands im Bulletin de Moscou 1861. II. t. 7. f.. 3 abgebildet,
272
findet sich nicht selten in dem oberen Neocom von Choro-
schöwo.
Pecten concentrice-punctatus A. Rorm.
Die Art aus der Kreide von Nerddeutschland findet sich
gar nicht selten mit den anderen zahlreichen Pecten-Arten im
oberen Neocom von Choroschöwo. |
Pecten laevis NiLss.
Die Kreideart des südlichen Schwedens findet sich gleich-
falls im oberen Neocom von Choroschöwo, s. das Bulletin de
Moscou 1861. I. t. VI. f.3, wo sie als Pecten subtilis aufgeführt
wird; das eine Ohr ist stumpfwinkelig und kleiner als das andre,
das rechtwinkelig und breiter ist; die eine Schale ist gewölbt,
die andere flacher; beide sind glatt und nur mit leichten An-
wachsstreifen versehen. A
Pecten septemplicatus Nıuss.
Diese Art aus dem Grünsande des Balsberges im süud-
lichen Schweden findet sich in dem Neocomsandsteine von
Kotelniki.
Lima abrupta D’ORr».
Ich habe dieser schönen Art aus dem unteren Turonien
von Mons in Frankreich schon oben gedacht; sie findet sich
auch im unteren Neocom von Choroschöwo und ist wahrschein-
lich als Lima Phillipsü D’ORB. aufgeführt.
Lima Fischeri m.
Diese den Neocomsandstein von Kotelniki bei Moskau
charakterisirende Art kommt auch im oberen Neocom von Cho-
roschöwo vor, wo sie als Lima rigida (Sow.) aufgeführt und
abgebildet ist, s. BulletindeMoscou 1858. IV. t. 5. f. 5. Viel-
leicht findet sie sich auch im unteren Neocom als Lima gigantea
Desn. im Bulletin de Moscou 1861. I. t. 6. f.6. Die Lima rigida
aus dem Jura hat feinere Rippen, die sich bis zum Wirbel er-
strecken. Die Lima Fischeri zeigt dagegen die Gegend um
die Wirbel glatt, ohne Rippen, die nur die Hälfte der Schalen
bedecken. Die sogenannte Lima gigantea hat ähnliche Rippen,
273
wie jene rigida (Sow.) und ist daher identisch mit der Art von
Kotelniki.
Aucella mosquensis.
Alle Aucellen sind sehr bezeichnend fur die Neocom-
bildung von Choroschowo; sie finden sich auch in ähnlichen
Formationen des Kaukasus, im Hochgebirge von Dagestan und
im Norden des Urals.
Myoconcha cretacea D’ORB.
Diese merkwürdige Myoconcha findet sich im Turonien
der unteren Charente in Frankreich; sie kommt auch als My-
oconcha Helmerseniana D’ORB. im Neocomien von Choroschöwo
und Mniowniki, ebenso wie im Grünsande des Berges Saragul
bei Orenburg vor. D’ORBIGNY scheint wieder dieselbe Muschel
mit einem neuen Namen belegt zu haben; er hatte den ältesten
Namen vergessen, als er die Paleontologie de la Russie be-
arbeitete. *)
Pinna Cottae Gem.
Diese Art aus dem Quadersandstein von Sachsen findet sich
in schonen Exemplaren im oberen Neocom von Choroschöwo.
Pinna cretacea SCHLOTH.
Dies ist eine Kreide-Art, die viele Namen erhalten hat;
sie heisst Pinna decussata bei GoLpruss, und ich habe sie
Pinna procera (s. Grünsand von Moskwa im Bull. Mosc. 1861.
IH.) genannt; sie ist von FAHRENKoHL im Sandsteine von
Wydkrino gefunden worden und zeigt zur Genüge, dass dieser
Sandsteirr dem Quadersandsteine von Pirna entspricht.
Pinna Robinaldina D’ORB.
Diese Kreideart findet sich im Quadersandsteine von
Schandau als Pinna quadrangularis GoLpr. und im Sandsteine
von Kotelniki; eine nicht sehr deutliche Abbildung von ihr
sieht man im Bulletin de Moscou 1858. IV. t. 5. f. 6.
u
*) Mit dieser Art vereint findet sich die Myoconcha Strajewskiana im
Neocom von Choroschöwo und des Urals; das ist die Modiola cancellata
An. Rorm. aus dem Neocom von Mniowniki, wie sie D’Orsıgny Paleont.
stratigr. I. pag. 370 aufführt. E
Zeits.d.d.geol.Ges. XVIIL 2. 18
274
Diese von mir hier angeführten, zahlreichen Kreidearten
aus den Neocomschichten von Choroschöwo, Mniowniki, Ta-
tarowa, Kotelniki, Wydkrino und Klin mögen vor der Hand ge-
nügen, meine Ansicht über die Formation zu erläutern und
näher zu beweisen. Ich will nur noch als Stütze für meine
schon im Jahre 1846 ausgesprochene Meinung anführen, dass
Frrp. RoEMER nach eigener Ansicht der Localitäten um Moskau
folgendes Urtheil über den Sandstein von Kotelniki und Wyd-
krino fällte; eben so urtheilte er auch über den eisenschüssigen
Sand, der auf den Worobjewschen Bergen d. h. auf der an
200 Fuss sich erhebenden Thalwand des Moskwaufers ansteht.
F. RoEMeER*) beschreibt nämlich bei Kotelniki zuoberst
einen losen, weissen Quarzsand, unter ihm einen Sand mit ganz
flachen, kuchenförmigen, grossen Nieren von kieseligem Sand-
stein und dann unter ihnen die mächtigen Bänke. des Kotel-
niker Sandsteins selbst. Dieser schliesst den Jnoceramus
(Anopaea) bilobus, nächstdem einen als Natica vulgaris REuss
bestimmten Steinkern, ferner Ammonites catenulatus und Königü
der Geologen von Moskau ein. „Wenn nun TRAUTSCHOLD und
EicHwALD, fährt F. RoEmER fort, früheren Deutungen entgegen,
dem Sandsteine von Kotelniki in der Kreideformation seine
Stelle anweisen, so glaube ich, dass damit das Richtige ge-
troffen ist, meine aber zugleich, dass die beiden Ammoniten
_ für eine nähere Bestimmung des Niveaus, welches der Sand-
stein in der Kreideformation einnimmt, benutzt werden können.“
Nun vergleicht F. RoEMmER den Am. catenulatus FıscH.
mit dem Am. Gevrilianus D’Ors. aus dem Neocom Frankreichs
und dem Hilsthone von Norddeutschland und den von D’ORBIGNY
als Am. Koenigü bestimmten Am. nodiger m. mit ‚dem Am.
Astierianus D’OrpB. aus dem Neocom Frankreichs und der
Schweiz.
„Wenigstens kenne ich, schliesst Herr RoEmER, ähnliche
Ammoniten der Art aus den norddeutschen Hilsbildungen und
andererseits habe ich im Sandstein von Kotelniki ein Bruch-
stück gefunden, welches sich bedeutend mehr der typischen
Form des Amm. Astierianus nähert. Sind wirklich die beiden
Ammoniten-Arten mit den Arten D’OrBIexY’s identisch, so wurde
8. die "Zeitschrift d.- deutsch. geol. Gesellschaft 1861. Bd. XIV.
pag. 231.
275
daraus die Zugehörigkeit des Sandsteins von Kotelniki zur
Neocombildung zu folgern sein, und zugleich würde eine we-
sentlich gleiche Stellung mit dem eisenschussigen Sandstein an
den Worobjewschen Bergen sich ergeben.“
Diese Ansicht RorMmeEr’s ist ohne Zweifel die naturgemäss
richtigste und die einzig statthafte; ich sah in Moskau in der
Sammlung des Dr. AvERBACH unter den Fossilien des Worob-
jewschen Berges den Ammonites Astierianus in einem kleinen
Exemplare und ausserdem noch die T’hetis minor, wie sie auch
im Neocom von Dagestan vorkommt.*) Diese und andere
Fossilien, die ich schon früher aus dem Sandsteine von Ko-
telniki und Wydkrino (Bull. Mosc. 1861. III.) beschrieben
habe, bestimmen den Sandstein als zur Neocombildung gehö-
rig, und zwar als Meeres- oder Küstenbildung, während ich
den Sanüstein von Klin mit seinen vielen Pflanzen, wie z. B.
mit der Weichselia Ludovicae StıeuL. als Landbildung betrachte
und sie mit dem Quadersandsteine von Blankenburg **) paral-
lelisirt habe.
Diese Sandsteine entsprechen mithin auch dem Grüunsande
oder oberen Neocom von Choroschowo, in dem nicht nur Am-
monites catenulatus, Lima Fischeri von Kotelniki, sondern auch
die oben beschriebenen unteren Kreidearten, also fast keine
Juraarten vorkommen, und doch sehen wir, dass Herr TrAuT-
SCHOLD ***) trotz jener von Herrn RoEMER angeführten Gründe
plötzlich seine frühere richtige Meinung uber den Kreidesand-
stein von Kotelniki ändert und ihn nunmehr als Jurabildung
ansieht, und zwar aus folgenden Grunden. Die in demselben
vorkommenden Inoceramen und Natica vulgaris REuss, sagt er,
hätten ihn bewogen, den Sandstein zur Kreidebildung zu stel-
len; Herr Dr. EwArp in Berlin indessen, der selbst eine
hübsche Sammlung der Fossilien von Kotelniki besitzt, neigt
sich der Ansicht zu, heisst es weiter, dass Kotelniki, dem
Gesammtcharakter der Thierreste nach zu urtheilen, eher zum
Jura als zur Kreide zu rechnen sei.
Das heisst doch einen Ruückschritt machen, da wo uns
der Fortschritt so nahe am Herzen liest und Noth thut. Ich.
*) Siehe darüber Bull. de Mosc. 1865. IH. pag. 191.
**) Siehe Grünsand von Moskau im Bull. Mosc, 1861. II.
***) Bull. Mosc. 1862. IV. pag. 358.
18 *
kann dieser Ansicht nicht beistimmen und sehe mit Fer».
RoEnmER in den Ammoniten sowohl, als auch im Peeten septem-
plicatus NiLss., in der Lima Fischeri m., in der Pinna cretacea
SCHLOTH. (als Pinna procera von mir und undulata von GOLDFUSS
beschrieben) und in der Pinna quadrangularis GOLDF., die mit
der Pinna Robinaldina D’Orp. identisch ist, die Rormer’sche
Ansicht für die untere Kreidebildung von Kotelniki hinreichend
erwiesen.
Ueberhaupt hat sich im Gouvernement Moskau in den
letzten Jahren die obere und mittlere Kreidebildung als Kreide-
mergel und Gault in grosser Ausdehnung gezeigt. Ich habe
dieser Entdeckung AurrsacH’s bei Chatkow schon in meiner
Abhandlung über die geognostischen Karten von Russland (im
Bull. de Mosc. 1865. III.) gedacht und will daraus hier nur
so viel bemerken, dass der Kreidemergel von Chatkow bei
Troitza*) ausser vielen Wirbeln von Haifischen, der Lamna
raphiodon, auch zahlreiche Schuppen von Beryx ornatus, die
Abdrücke von Lucina lenticularis, Inoceramus Cuvieri und loba-
tus, die Ceriopora (Reptomulticava) serpens, eine Clione ligata m.
u. a. A. der Kreide enthält. Diese Clione besteht aus einer
Menge kleiner, liniengrosser, sehr unregelmässiger, rundlich-
plattgedrückter, ausgefüllter Kammern oder Kieselkörperchen,
die durch feine Verbindungsröhrchen oder Seitenfäden mit ein-
ander vereinigt sind und dadurch eine Verwandtschaft mit der
Olione Conybeari Morr. aus der Kreide Englands zeigen. Die
Kieselkörperchen sind alle compact; sie werden nach dem
Rande der ziemlich bedeutenden Schwammmasse immer kleiner
und erscheinen da fast nur als feine Fäden. Die so gebildete
poröse Masse hält zwei und mehr Zoll im Durchmesser und
wird ringsumher von Kreidemergel umschlossen. Sie sitzt also
nicht als bohrende Calcispongia in einem Inoceramus, sondern
tritt selbstständig auf und würde dadurch eher eine Gattung
andeuten,, die nicht zu den anbohrenden Schwämmen selbst,
sondern zu einem eigenthümlichen Genus gehört.
*) Die ausführliche Beschreibung dieses Kreidemergels findet sich von
Herrn Auversacn im Bull. Mosc. 1865. III., wo jedoch der Beryx ornatus
als neue Art unter dem Namen Beryx Leuchtenbergensis Taf. V. Fig. 6
und der /noceramus lobatus Muenst. als Inoceramus mytiloides 1. c. Taf. V.
Fig. 18 aufgeführt wird.
277
Die schönsten Abdrücke und Versteinerungen werden dort
in einem grauschwarzen Kalksteine gefunden, der stellenweise
gelblich ist oder in einen grünlichen Mergel übergeht. Er ent-
hält ausser Glauconitkörnern geringe Oalcedonausscheidungen,
und selbst die kleinen Fischwirbel sind in Calcedon umge-
wandelı. Dieser Kreidemergel findet sich im Wladimirschen,
Chorkowschen, Räsanschen und vielen anderen Gouvernements
im Süden von Russland.
Er bildet im Gouvernement Moskau die obere Kreide, die
etwas tiefer viele Coeloptychien enthält,. wie sie G. v. Fıscuer
von den Ufern der Sedunka und Protwa in der Nähe von
Moskwa beschrieben *) hat.
Noch tiefer mag der Sandstein von Tatarowo, Kotelniki,
Wydkrino und Klin anstehen, der als feiner Sand auf den
Worobjewschen Bergen vorkommt, wo er mit dem eisenschuüs-
sigen Sandsteine dieser Anhöhe wechsellagert.
Der Sandstein geht an anderen Orten in den Grünsand
oder das obere Neocom von Choroschöwo über, dem der
Gault von Talitzi, Stepanowo und anderen Orten dem Alter
nach zn entsprechen scheint. :
Die tiefste Schicht bildet endlich das untere Neocom von
Choroschöwo, das an der Moskwa, bei Choroschöwo und
Mniowniki, an der Jansa bei der Stadt Moskwa und bei Go-
liowo an der Moskwa unmittelbar den schwarzen Jurathon
überlagert, eine Schicht, die zu den höheren Oxfordschichten
Deutschlands und Englands gehört und viele Thierreste ent-
hält, die im westlichen Europa in dieser Schicht nicht bekannt
sind. Zu den bekannten Arten gehören Ammonites alternans,
cordatus, Humphriesianus Sow., Pinna radiata Mvenstr., Pecten
spathulatus RoEu., annulatus Sow., fibrosus Sow., subtextorius
Muenst., Ostrea Marshi und sandalina Sow., Rhynchonella fur-
cillata THeonD., Terebratula ornithocephala Sow. (?), Serpula
flagellum Muvenst. , Mespilocrinus macrocephalus QuEnsT., Penta-
crinus basaltiformis MırL. und andere, die dem Jurathon am
meisten seine Stellung in dem mittleren weissen Jura (FrAas),
dem Spongitenlager oder dem Terrain & chailles anweisen, so
dass der Solenhofer Kalk ihm parallel sein könnte.
Das ist nämlich die Juraschicht, die in England den Coral-
*) Bull. de Mose. 1843. IV. t. 15. u. 16.
‚
278
rag auf sich ruhen hat und unter der unmittelbar die Oxford-
etage anfängt. Zu ihr gehört zunächst.das Argovien oder Ter-
rain & chailles mit Ammonites alternans, cordatus und Humphrie-
sianus, mit Rostellaria bispinosa PuiL., Gryphaea dilatata,
Rhynchonella fureillata Tuwov. und anderen Arten.
Das eigentliche Terrain corallien, das Kimmeridien und
das Portlandien mit Ammonites biplex (typieus) und planulatus,
mit Pteroceras Oceani, Pholadomya acuticosta, Exogyra virgula
scheinen bei Moskwa zu fehlen und sind erst weiterhin im
Tambowschen Gouvernement an der Oka oder im Charkow-
schen bei Petrowskaja zu suchen.
Es ist ferner sehr bemerkenswerth , äushi in Russland bis
jetzt nirgends die älteren Juraschichten beobachtet worden sind.
Es fehlt durchweg in Russland der Lias mit Gryphaea arcuata
und mit ihm der ganze schwarze Jura; nur der obere schwarze
Jura mit den Posidonienschiefern scheint als vereinzelte und
mit einer höheren Schicht eng verbundene-Bildung bei Popilani
in Lithauen vorzukommen, da sich hier Posidonomya ornati
Quesst. , Ammonites Castor, Cerithium echinatum, Dentalium
elongatum, Cardium concinnum, Nucula palmae u. a. A. finden,
wodurch diese Schicht mehr zum braunen als zum schwarzen
Jura hinneigt; denn weder Fische, noch Ichthyosauren oder
Plesiosauren sind bei Popilani oder überhaupt im braunen
Jura von Russland gefunden worden.
Die ältesten Juraablagerungen finden sich dagegen mit
Pflanzenresten im Kaukasus, im südlichen Russland bei Pe-
trowskaja in der Nähe ven Isjum und in der Krim; sie ent-
halten Farrnkräuter und Oycadeen, wie sie bei Scarborough in
England, im Upper-moorland-sandstone, der etwas junger ist
als der Gross-Oolith von Bath, vorkommen.
Noch höher zeigt sich der obere braune Jura bei Petrows-
kaja, der auch in den mittleren Gouvernements von Russland
a. v. OÖ. vorkommt, während der eigentliche Korallenkalk als
Coral-rag in der Krim sehr entwickeltist; ich habe ihn soeben
in meiner Lethaea rossica, Periode moyenne, zugleich mit den
fossilen Pflanzen aus dem unteren Jurakalk von Petrowskaja
beschrieben und kann daher auf diese Beschreibung in der
Lethaea verweisen.
Die Nerineenschicht, die dem Coral-rag parallel geht, kenne
ich nur von Petrowskaja bei Isjum,; wo sie ausser Nerineen
279
auch Cidaris Blumenbachi und coronata, sowie andere Arten
dieser Schicht fuhrt. j
Der typische Ammonites biplex Sow. aus dem Kimmeridge-
und Portlandkalke ist von Herrn D’ORBIGNY sehr gut beschrie-
ben und abgebildet in DE VErNEUIL, Pal&ontologie de la Russie,
pag. 445, t. 37, f. 3—4; dort sind drei Fundorte dessel-
ben angeführt: der Berg Saragula bei Orenburg, Kineshma
an der Wolga und Ssimbirsk, ebenfalls an der Wolga. Wir
müssen daher an diesen Localitäten unzweifelhaft einen Kim-
meridge- oder Portlandkalk annehmen, über dem bei Ssimbirsk
und auf dem Berge Saragul unmittelbar die Neocombildung
folgt, . die wir soeben bei Choroschöwo in der Nähe von
Moskau beschrieben haben, wo Kimmeridge und Portland feh-
len und das Neocom unmittelbar auf dem oberen weissen
Jura ruht; denn was dort als Ammonites biplex in vielfachen
Abänderungen aufgeführt wird, ist eine neue, nur da vorkom-
mende Art, die sich vom biplex durch constante Merkmale
unterscheidet. Es ist jedoch möglich, dass der Ammonites
biplex typicus, dessen D’ORBIGNY ]. c. von Ssimbirsk erwähnt,
ebenfalls zu dieser neuen Art von Ohoroschöwo gehört, und
dass mithin auch bei Ssimbirsk kein Kimmeridge oder Port-
land ansteht.
Während die obere Schicht von Choroschöwo mit Aucella
mosquensis und Ammonites catenulatus sich zum Grünsande oder
Gault hinneigt oder ihm vollkommen entspricht, zeigt die un-
tere Schicht mit Ammonites virgatus und Lima abrupta man-
cherlei Verwandtschaft mit dem unterliegenden weissen Jura,
so dass wir fast genöthigt werden, auch in ihr eine Ueber-
gangsbildung zum Jura anzunehmen, durch welche Jura und
Kreide mit einander verbunden werden, eine Bildung, die un-
längst Herr Oppeu als tithonische Etage*) aufgestellt hat.
Ich wurde in diesem Falle in der unteren Neocomschicht von
Choroschöwo einen vorherrschenden Uebergang zur unteren
Kreide annehmen und nicht zum Jura, wie dies von Herrn
OrpEL für die tithonische Schicht in den: Alpen angegeben
wird, da ich nach den oben. angeführten fossilen Thierresten
in ihr eine grössere Hinneigung dieser Schicht zum Neocom
als zur Jurabildung finde. >
*) Siehe diese Zeitschrift 1. ce. 1865. pag. 535.
280
Dies sind nunmehr meine Gründe, die mich noch immer
bestimmen, an der unteren Neocomschicht von Choroschöwo
festzuhalten. Ich glaube, dass. diese Gründe auch für andere
unpartheiische Palaeontologen -hinreichen werden, meiner An-
"sicht beizustimmen, da ich nur eine oder die andere gehörig
bestimmte Juraart in ihr aufzufinden im Stande war. Die
meisten Schwierigkeiten machen wohl die Ammoniten, die für
Abänderungen des Ammonites biplex, als Ammonites biplex trun-
catus und als Ammonites biplex truncatus longifurcatus aufgeführt
werden, aber diese neuen Namen für Abänderungen des soge-
nannten Ammonites biplex zeigen doch wohl zur Genüuge, dass
man eben so gut neue Arten aus ihnen machen könne. Die
Ammoniten der Juraformation von Hannover, von Würtemberg,
von Tyrol, von den Alpen überhaupt sind in neueren Zeiten
'in so viele neue Arten getrennt worden, dass es nicht weiter
auffallen dürfte, wenn die untere Neocomschicht von Choro-
schöwo die grosse Zahl der Ammoniten auch um ein paar
neue Arten vermehrt. .. hie
Schliesslich kann ich hier die Bemerkung. nicht unter-
drücken, dass Jura- und Kreidebildung in Russland bisher
ganz stiefmütterlich behandelt worden sind, und dass diese
Bildungen durch Dusoıs’ und Asıca’s vieljährige Untersuchun-
gen nur im Kaukasus und in der Krim als gehörig bekannt
gelten können. Im Westen von Europa haben QUENSTEDT,
Fraıs, OPPpEL, v. SeEeBacH, DoLLrus, v. BinKHORST, GÜMBEL,
BEsecke und Andere den Jura näher zu gliedern unternom-
men und viele Ammoniten -Arten aufzustellen für nöthig er-
achtet. Dasselbe haben Pıcter, Drsor, ESCHER VON DER
Linte, pE LoRioL, FISCHER-O0STEN und Andere für die Neocom-
bildung der Schweiz gethan. Sollten wir nicht auch in Russ-
land diesen Beispielen folgen und vorwärts gehen, da uns
FERrDINAND ROEMER für Choroschowo den Weg zu zeigen
suchte ? Die beiden Formationen, der Jura und die Kreide,
sind in der Krim und im Kaukasus in gleicher Art entwickelt,
wie sie auch in den flachen Gouvernements von Mittelrussland
auftreten, und um hier ihr relatives Alter zu bestimmen, mus-
sen wir hauptsächlich auf ihre Gruppirung im Kaukasus Rück-
sıcht nehmen, wie auch die Alpen Tyrols und der Schweiz
jetzt viele Aufschlüsse über Jura- und Kreidebildungen des
flachen Deutschlands gegeben haben.
_
281
5. Ueber die von Gerhard Rohlfs auf der Reise von
Tripoli nach Khadames im Mai und Juni 1865 gefundenen
Versteinerungen.
Von Herrn A. Kunın ın Berlin.
(Aus der Zeitschrift der Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin. 1866.
Heft 4. S. 319— 323.)
Hierzu Tafel III.
Der Reisende Geruarp Ronurs (s. Prreruans’s Mitthei-
lungen 1866. 1 Heft.) hat von seiner im Mai und Juni 1865
ausgeführten Reise von Tripoli über .Misda nach Ghadames
eine Anzahl Versteinerungen eingesendet, die mir zur Bear-
beitung übergeben worden sind*). Sie erweitern unsere Kennt-
niss von der geologischen Zusammensetzung des Gebietes
zwischen Misda und Ghadames und ergeben, verglichen mit
Herrn BryricH’s Arbeit**) über die von OvERwEG aus weiter öst-
lich gelegenen Gegenden geschickten Versteinerungen und mit
der Arbeit von Coguand, Geologie et Pal&ontologie de la region
sud de la Province de nz Marseille. 1862. einige in-
teressante Resultate.
Was zunächst die- Petrefacten selbst anbetrifft, so sind es
folgende:
Ostrea armata (zoLDF. Petr. Germ. p. 13 t. 76 fig. 3.
Taf. III. Fig. 2. Drei Stücke (zweiangewachsene und eine freie
Klappe). Die Exemplare stimmen mit der Goupruss’schen Ab-
bildung und mit Originalen aus Westphalen sehr gut überein.
*) Diese Versteinerungen wurden durch den Bruder des Reisenden,
- Herrn Dr. Ronrrs in Bremen, an die Redaction der Zeitschrift der Ge-
sellschaft für Erdkunde zu Berlin gesendet und sind gegenwärtig dem
königl. mineralogischen Museum zu Berlin einverleibt worden.
**) Vergl. Monatsberichte über die Verhandlungen der Gesellschaft
für Erdkunde zu Berlin N. F. IX. 1852. S. 154 und Zeitschrift der
Rutsche geol. Ges. Bd. IV. 1852. S. 1493.
. )
°
282
Sie zeigen etwa 12—14 Rippen (die undeutlichen abgerechnet),
welche im Allgemeinen stumpf sind und ein schuppiges Aus-
sehn haben. Hier und da erheben sich die Schuppen höher
und bilden stachelige Hervorragungen, was besondes gegen
den Rand hin öfters zu geschehen pflegt. Die Anwachsstelle.
ist bei den beiden vorliegenden Stucken sehr gross und nimmt
ein Viertel bis ein Drittel der ganzen Schalenoberfläche ein;
sie zeigt keine eigenthümliche Textur, sondern unregelmässige
Rauhigkeiten, zwischen denen sich Spuren von Muschelschalen
vorfinden. Die flach ausgehöhlte Innenseite trägt etwa in der
Mitte der Schalenhöhe einen grossen, tief eingesenkten Muskel-
eindruck; der untere Schalenrand zeigt eine nicht starke,
wellenförmige Biegung, welche den Falten der Aussenseite
correspondirt; da indessen die Schalen eine sehr bedeutende
Dicke erreichen, welche die der westphälischen Stucke weit
übertrifft und nur von Exemplaren aus dem Salzberge bei
Quedlinburg, erreicht wird, so verschwinden an einem Exem-
plare die Falten auf der Innenseite fast gänzlich. Das Liga-
mentfeld ist bei der freien und der abgebildeten angewachsenen
Klappe etwa + so hoch als breit; bei der anderen angewachsenen
erreicht die Höhe mehr als die Hälfte der Breite; die Liga-
mentgrube nimmt etwa ein Viertel bis ein Drittel der Breite ein.
Alle Exemplare werden gegen den Schlossrand schmaler, . wie
dies auch die Stucke aus Westphalen und vom Salzberge zeigen,
_ und dies scheint ein UP der Art von
O. diluviana zu sein.
Die Dimensionen anlangend, so ‚hat die freie Klappe 95 Mm.
Höhe, 65 Mm. grösste Länge und: 20 Mm. grösste Schalen-
dicke; die kleinere angewachsene Klappe 75 Mm. Hohe, 45
Mm. grösste Breite, 20 Mm. grösste Schalendicke; die grössere
ist abgebildet.
Der Erhaltungszustand ist sehr gut, da sich eine dunne
.Verkieselungsrinde mit deutlichen Ringen entweder ganz oder
doch zum grössten Theile über die Oberfläche gelegt.hat und
auf diese Weise den Kalk vor weiterer Verwitterung schützte.
Auf der kleineren angewachsenen Klappe finden sich neben
undeutlichen Bryozoen einige Schalenfragmente, die an Spondy-
lus striatus Sow. erinnern. Alle drei Stücke führen die Auf-
schrift Chorm Rhaschada (oder Rhaschid) und die freie Klappe
das Datum: 5. Juni 1865.
ir
283
In die nächste Verwandtschaft der angeführten Art gehört
die Taf. III. Fig. 3. abgebildete Auster. Sie ist wahrschein-
lich nur eine jugendliche Form, an der die Zacken und Spitzen
sich noch nicht ausgebildet haben. Das Gestein und der Er-
haltungszustand sind aber anders als bei den drei Stücken der
eehten Ostreas armata. Das Versteinerungsmaterial ist nämlich
ein rötlich weisser Kalkstein ohne jede Spur von Verkieselung.
Da das Stück dasselbe Datum (5/6 1865) trägt, so ist wohl die
Stelle Udi Cheil, an der es aufgehoben wurde, nicht weit von
Chorm Rhaschada entfernt.
Während bei Coquann sich keine Abbildung findet, die
mit unserer typischen Ostrea armata gut vergleichbar wäre, so
hat dies eben erwähnte Stuck sehr nahe Verwandte in Ostrea
Forgemolli 1. ec. t.21 fig. 7”—9 und Ostrea Villei t. 22 fig. 1
bis 4, die sich beide in dem von Herrn Coquann aufgestellten
Etage Dordonien, d. h.- Obersenon, vorfinden.
Ostrea larva Lam. Gorpr. Petr. Germ. t. 75 fig. 1. Co-
QuanD l.c. pag. 307. Drei Exemplare. Bereits unter den von
OVvERwEG gesammelten und von BEYricH (Zeitschrift d. d. geol.
Gesellsch. IV. 153) beschriebenen Petrefacten aus Nordafrika
befand sich ein Stück dieser Art. Die sehr ausgezeichnete
Species ist auch in den vorliegenden Stücken nicht zu ver-
kennen; zu bemerken ist nur, dass die Angabe von GOoLDFUSS
(Petr. Germ. p. 10): „die Schalen sind dünn und haben wenig
Ueberlagerung“, nur auf die Mastrichter Exemplare sich be-
zieht, da die vorliegenden Stücke und den Abbildungen nach
auch die französischen eine beträchtliche Dicke erreichen,
welche an einem 50 Mm. langen Exemplare in der Nähe des
Schlosses 10 Mm. beträgt. Der Erhaltungszustand dieser Stücke
ist nicht so gut wie der der vorerwähnten Art. Der grau-
lichweisse Kalk ist an vielen Stellen aufgelöst und die Stucke
haben das Ansehen, als hätten sie beträchtliche Zeit in Salz-
saure gelegen; vielleicht eine Wirkung der unter südlichen
Breiten energischer angreifenden Atmosphärilien. Daher ist
die Skulptur der Oberfläche, Ligamentfeld und Muskeleindruck
verschwunden. Alle drei Stücke tragen die Aufschrift Djebel
Ksehb. |
Ohne Zweifel von dem grössten Interesse sind aber drei
Exemplare der Exogyra Overwegi L. v. BucH, Zeitschr.
d. deutsch. geol. Ges. IV. p. 152 t. 4 fig. 1 und 2, welche
284
die Kenntniss dieser Species sehr erweitern und sie zu einer
der interessantesten ihres Geschlechtes machen. Die hier vor-
liegenden Stücke (Taf. -III. Fig. 4 und 5) unterscheiden sich
von der vorerwähnten Abbildung auf den ersten Blick durch
die dicerasähnliche, pfropfenzieherartige Drehung ihres Wirbels.
Allein unsere Figur5 und die oben angeführte Abbildung (t. 4.
fig. 1) sind die beiden Enden einer durch Zwischenglieder ver-
mittelten Reihe. Der BeyrıcH’schen Abbildung am nächsten
steht das dort p. 153 erwähnte, von FREDERIC WARRINGTON auf
“ der Reise von Ghadames nach Tripoli d.h. auf derselben Tour,
. von der unsere Stücke stammen, gesammelte Exemplar; diesem
schliesst sich unsere Abbildung Figur 4 an, und von dieser
wird der Uebergang zu Figur 5 durch ein nicht ee
Stuck vermittelt.
Zu der verschiedenartigen Ausbildung der Form mag wohl
die ungleiche Grösse der Anwachsstelle viel beigetragen haben.
Bei dem von BerricHh abgebildeten Exemplare war die An-
wachsstelle sehr gross, und der Wirbel konnte sich demnach
nicht so frei herausdrehen, wie bei unserem Exemplare Figurd,
bei welchem die Anwachsstelle kaum bemerkbar ist. Von der
Spitze des Wirbels zieht sich ein abgerundeter Kiel über die
Schale hin, von welchem die beiden Seiten ziemlich gleich-
mässig abfallen; durch die starke Drehung des Wirbels ent-
steht eine Rinne, welche (Fig. 5b), vom Schlosse aus der Dre-
hung folgend, auf der inneren Seite des Wirbels- bis zum An-
wachspunkt entlang läuft.- Ueber das Schloss und den Muskel
lasst sich zu der von Herrn BrYrich gegebenen Beschreibung
nach unserm Material nichts hinzufügen. Von der Oberfläche
gilt das bei Ostrea larva Gesagte in noch höherem Grade; nur
das kleine Bruchstück Figur 4 zeigt etwas von Skulptur. In
der Nähe des Wirbels finden sich, ähnlich wie bei Exogyra
columba, kleine, unregelmässige, dichotomirende Fältchen. Bei
stärkerem Wachsthum bilden sich dann einige derselben zu
grösseren Falten aus. Ganz auffallend ist die grosse Dicke
der Schale; sie erreicht bei dem Figur 5 abgebildeten Stück,
vom Schloss zum Kiel gemessen, 20 Mm. Im allgemeinen
Habitus hat die Art die grösste Achnlichkeit mit der von F,
Rormer von Neu-Braunfels in Texas beschriebenen Hxogyra
arietina; sie ist von ihr aber durch den starken Kiel und die
Oberflächenbeschaffenheit -hinlänglich verschieden. CoquanD
285
bildet t. 19 fig. 1—6 unter dem Namen Ostrea Overwegi eine
Exogyra ab, die mit unseren Stücken nichts gemein hat; es
ist dies eine eigenthumliche, neue Art, die ihren Namen
wechseln muss. Das Figur 5 abgebildete Stück trägt die Auf-
schrift Djebel Mimun, die beiden andern Udi Cheil. Das Ver-
steinerungsmaterial ist graulichweisser Kalk mit Spuren von
Verkieselung.
Ausser dieser Form ist noch eine andere Species der
Gattung Exogyra unter den übersandten Stücken, welche Taf. II.
Fig. 1 abgebildet ist und unter den beschriebenen Exogyren
sich am meisten der Exogyra Matheroniana D’ORB., Pal. fr. t. 85
anschliesst. ‘Vergl. Coquvasp 1. c. pag. 307. Der Wirbel der
einzigen vorhandenen, angewachsenen Klappe ist wenig vom.
Rande entfernt; von ihm geht ein Kiel aus, in dem! die
Schale rechtwinkelig gebogen ist; dersellie trägt unregelmässige
Höcker. Auf dem schmaleren, hinteren Theile der Schale
finden sich einige starke, deutliche Falten, welche quer vom
Kiel nach dem hinteren Rande verlaufen; auf dem breiteren,
vorderen einige undeutliche (an unseren Exemplaren fast ver-
schwundene), welche die spiralformige Krümmung des Kieles
mitmachen; die Innenseite stimmt völlig mit D’OrsIeny’s Ab-
bildung t. 485 fig.7. — Ueberraschend ist die Uebereinstimmung
unseres Stückes mit Exemplaren von Agoas Livres da outra
Banda in Portugal, die mit der SchLotuzm’schen Sammlung
in das hiesige mineralogische Museum gekommen sind.
Diesen Austern schliessen sich noch eine Anzahl Seeigel-
stacheln an von Formen, wie sie Dssor Syn. d. Echin. foss.
t. 5. fig. 1, 12, 13, 28 abbildet. Die meisten sind in Kalk-
spath verwandelt, bei einigen aber sind nur dieäusseren Skulp-
turen und die mittlere Axe Kalk, während das Uebrige Feuer-
stein ist, so dass auf dem Querbruch eine Kreisfläche von
Feuerstein sich zeigt, deren Oentrum und Peripherie von Kalk
gebildet werden.
Auf einigen der Stacheln sitzen Reste von Bryozoen, deren
Erhaltungszustand indessen eine Bestimmung nicht gestattet.
Alle vorliegenden Versteinerungen stellen ausser Zweifel,
dass sie aus Schichten von senonem Alter herstammen und
zeigen zugleich mit den von OvERwEG gesammelten, welche
an einem 30 geographische Meilen weiter östlich gelegenen Punkte
aufgehoben wurden, dass Schichten von gleichem Alter eine
286
sehr grosse Ausdehnung an dem nördlichen Rande der süd-
lich von Tripoli gelegenen Hammada haben. | ‚
Coguanp hat die grosse Verbreitung und die Mannichfaltig-
keit des organischen Inhalts der Kreideformationen der Pro-
vinz Constantine nachgewiesen und gezeigt, dass Schichten von
senonem Älter sich auch dort vorfinden. Indessen sind es,
wenn auch verwandte, doch verschiedene Organismen, welche
sich in den dortigen senonen Schichten zeigen; denn nur die
wenig ausgezeichnete Varietät der Ostrea armata, ferner Exogyra
cf. Matheroniana und Ostrea larva sind in den westlichen Ge-
genden vorhanden, während die charakteristischen Formen der
Ostrea armata und Exogyra Overwegi zu fehlen scheinen. Ob
man hieraus auf einen Wechsel der Fauna. schliessen darf,
muss bei der geringen Menge des Vergleichsmaterials zweifel-
haft bleiben. Exogyra cf. Matheroniana und Ostreu larva
werden von CoquAnD in seinem Etage campanien aufgeführt.
» Erklärung der Figuren auf Tafel IN.
Figur 1. Exogyra cf. Maikeroniana v’Ose. Chorm Rhaschada.
= 2. Ostrea armata GoıLpdr. Chorm Rhaschada. °
3. Ostrea ef. armata. GoLor. Udi Cheil.
4. Exogyra Overwegi L. v. Buch. Udi Cheil.
5. a, b. Exogyra Overwegi L. v. Buc#. Djebel Mimun.
u
287
6. Ueber das Alter der Tertiärschichten bei Bünde in
Westphalen.
Von Herrn A. von Koenxen ın Berlin.
Der Doberg bei Bünde ist wohl der schon am längsten
bekannte Fundpunkt von Tertiärversteinerungen in ganz Nord-
deutschland. Graf Münster schilderte das geognostische Vor-
kommen nur äusserst kurz; etwas eingehender beschrieb das-
selbe beiläufig F. RoEMER in seiner treff.ichen’Arbeit über das
Wesergebirge und zog zu den Schichten des Doberges noch
diejenigen, welche in der Mergelgrube von Epmeier, am Fusse
der Schwarzhorst, durch ein Bachthal vom Doberge getrennt,
aufgeschlossen sind und früher schön erhaltene Sachen, be-
sonders die Pleurotomaria Sismondai GoLDF., geliefert haben,
jetzt aber schon lange ausser Betrieb sind.
Seit nun durch Bryric#'s vorzügliche Arbeiten die Grund-
lagen: fur die Klassifikation der norddeutschen Tertiärschichten
geschaffen sind, hat wohl kaum Jemand, besonders Jemand,
der mit den einzelnen Schichten und ihren respectiven Ver-
steinerungen genau vertraut gewesen wäre, in der Epmeierschen
-Mergelgrube gründlich sammeln können oder eine von Do-
berger Sachen gesondert gehaltene Suite aus derselben zu Ge-
sicht bekommen. Hierdurch erklärt es sich denn, dass jene
Schichten mit denen des Doberges zusammen seither für
Ober-Oligocän galten. Als ich im vergangenen Jahre zum
ersten Male von Herrn Göpxe nach der ziemlich versteckt
liegenden Epmeierschen Mergelgrube geführt wurde, fand ich
zu wenig Versteinerungen, als dass ich aus diesen mir hätte
irgend ein bestimmtes Urtheil bilden können; es fiel mir aber
sogleich die petrographische Verschiedenheit dieser Schichten auf
von.denen des Doberges; es finden sich nämlich daselbst ca. 8 Fuss
stark sandige, gelblich- und grünlichgraue Mergel aufgeschlossen
und über diesen ca. 10 Fuss feste, graue, plattige, sandige
Kalkbänke, während auf dem Doberge zuoberst jene festeren,
288
in eigenthümlich knorrige Blöcke zerfallenden Schichten mit
den bekannten grossen Echiniden liegen und darunter ein
dunkelgruner, milder Mergel von bedeutender Mächtigkeit,
welcher in seinen -oberen Schichten zahlreiche Versteinerungen,
besonders Bivalven, in guter Erhaltung einschliesst und vor
Allem reich an Foraminiferen ist. Diese Schichten des Do-
berges liegen in einer Mulde, welche in einer Länge von mehr
als 1000 Schritt durch zahlreiche, tiefe Mergelgruben aufge-
schlossen ist, und deren Flügel nach beiden Seiten zu Tage
ausgehen und mit einigen 30 Grad nach Norden resp. Süden
einfallen.
Nach dem blossen Augenmaasse lässt sich ferner erkennen,
dass, falls nicht eine Hebung des Doberges oder eine Senkung
der Schwarzhorst stattgefunden hat, die Tertiärschichten dieser
einem tieferen Niveau angehören müssen als die auf dem Do-
berge aufgeschlossenen.
Nun war neben dem Bauerhause, das gleich südlich vom
Ausgehenden der Doberger Mulde liegt, aus einer tiefen Grube
' ein fetter blauer Thon ausgeworfen worden, und ich erfuhr
von dem Besitzer, dass in dem dicht dabei befindlichen Brunnen
32 Fuss dieses blauen Thones und dann noch bis auf das
Wasser (an der- Keupergrenze?) einige 40 Fuss Mergel durch-
teuft worden wären. Diesem unteren Mergel dürfte also der-
jenige der Epmeierschen Grube entsprechen.
Die eigenthüumlich sumpfige Beschaffenheit einer grossen
Wiese nördlich vom Doberge und eines Theiles des Ostab-
hanges lassen nun auf einen Untergrund von zähem Thon
schliessen und möchte hier vielleicht jener blaue Thon zu
Tage treten, der unter dem Doberger oberen Mergel liegt.
Bei meiner kuürzlichen Anwesenheit in Bunde, .Mitte April
d. J., ging ich, nun mit den nöthigen Werkzeugen versehen,
wiederum nach der Epmeierschen Mergelgrube und fand eine
grössere Anzahl leidlich erhaltener Versteinerungen, die ich
meist aus dem Gedächtniss mit ziemlicher Sicherheit bestimmen
konnte, ausserdem aber noch mit Hülfe Herrn BosquEr’s mit
Originalen seiner Sammlung verglichen habe. Es sind folgende
Arten:
289
"No. Schwarzhorst bei Bünde | Ober- | Mittel- |Unter-
Oligocän.
1. | Aporrhais speciosa SCHLOTE. . | T + +
2. \ Murex»tristichus BEIR. . ,..- eu +
3. | Cassidaria nodosa SOL. | f T | +
4. Fusus ringens BEYR. 5 +
9. | Conus Beyrichü KoEN. . ü ; r
6. | Pleurotoma Koninckiü NYST.. + + +
T. | Pleurotoma Selysü Kon. . . » T T r
8... Pleurotoma Beyrichü PmiL. (?) . : +
9. | Borsonia Delucü Nyst. . . . se: +
10. | Voluta suturalis Nyst.*). i
11. | Voluta decora BEYR. NR ; 5 ir
12. | Natica Hantoniensis SoL. . . . r f
13. | Mesalia n. sp.**) . - T
14. | Siliquaria n. sp. . T I
15. | Pleurotomaria not Gorn- |
ES Br DTTNE ? f
16. | Actaeon simulatus Sor. 5 Bee:
17. | Terebratula grandis Buum. . . ; 7 7
18. | Terebratulina Nysti BosQUET | +
19. | Terebratulina n. sp. (?) 3
20. | Argiope multicostata BOsSQUET +
21. | Ostrea sp. 3 Eee ;
22. | Chama monstrosa DB ie
23. F Pecten corneus Sow. T
24. | Pecten sp. \
25. | Pecten sp. Er re
Be Bmasp.. nn . +
27. | Mytilus sp. : RRTR Ä
28. | Pinna: sp. . i
29. | Spondylus_ cf. sine. Diese. ; £ T
30. | Pectunculus cf. obovatum Lan. ee) T
31. | Limopsis granulata GoLDF. f
32. .
38. em 3 Sp...
34.
*) Das a. a. O. von mir als oberoligocän aufgeführte Stück dieser
Art von Bünde im Berliner Museum dürfte wohl aus eben dieser Mer-
gelgrube stammen.
=") Es ist dies eine der schlanksten Formen, die ich auch von
Lattorf ete. besitze, von Mesalia (Melania) Heyseana Pur. dadurch weit
verschieden.
**) Diese Art, ferner Ästarte Henckeliusiana und Crassatella astar-
Zeits. d.d. geol. es. XVII. 2. 19
N
Jaeontser I.) 2% 5
45. BD tenuistriata DESH. var.
a. Ph. non Nyst*):
46. | Psammobia sp...
47. | Corbula Hei ckahsanke Nysr.
48. | Thracia sp. ö NEN ; .
49. | Echinocyamus ee r f
(Echinoneus ovatus GoLDF.)
= y E
290
No. Schwarzhorst bei Bunde OBER Me
e igocäan.
35. . Cardium cingulatum GoLDF.. . | T. | 7 | T
36. | Cardium Hausmanni Pr. S t
37. | Cytherea .incrassata Sow... . , 7 T
38. Cytherea splendida Mer. . . . 2 + uf
39. | Cytherea Solandri Sow.(?) . - T
40. | Astarte Henckeliusiana NYST. ? + ji
41. | Crassatella astartiformis NYST. . ?: Den r
49. | Or. tenuistria DEsH. var. a. NYST. T
43. | Crassatella Bosqueti KoEn. . Sys T
44. | Asiarte subquadrata PHiL. |
Ru t
7
T
T
T
7
Ausser diesen finden sich nicht selten Bryazoen und
Foraminiferen, und habe ich Herrn Professor Russ eine
Probe geschickt mit der Bitte, nach diesen das Alter der
Schichten zu ermitteln.
Nach den oben von mir angeführten Namen bleibt wohl
kaum ein Zweifel, dass die Schichten an der Epmeierschen
Mergelgrube berlin sind; denn es finden sich darin
mehrere dem Unter-Oligocan eigenthümliche Arten und keine
‘dem Mittel- oder Ober-Oligocän eigenthümliche. Falls der
‚ blaue Thon sich nun als Mittel-Oligocan erweisen sollte, so
tiformis werden zwar vom Doberge, also oberoligocän , aufgeführt,
sind mir aber nicht von dort bekannt, wohl aber von Lattorf, Oster-
weddingen etc.
*) Die Nyst’schen Originale dieser Art gleichen sehr wenig seiner _
Abbildung, unterscheiden sich vielmehr von dieser und der damit ziem-
lich übereinstimmenden Phıtıprpi’schen Art durch die regelmässigen, gleich-
mässigen, concentrischen Rippen, die schärfer vierseitige Gestalt und die
scharfe Kante, die auf der hinteren Seite vom Wirbel nach dem unteren
Rande läuft. Da Pritıppr den Namen Astarte subquadrata im Nachtrage
zu seiner Arbeit ‚Ueber die Tertiärversteinerungen der, Magdeburger
Gegend“ selbst sogleich wieder eingezogen hat, so nenne ich diese Art
I Crassatella Bosqueti.
291
hätten wir hier die sammtlichen Oligoecänschichten in direkter
Ueberlagerung zusammen. Von besonderem Interesse ist jeden-
falls das Vorkommen von unteroligocänen Schichten in dieser
Gegend, da bisher zwischen Mastricht und Helmstädt nichts
Derartiges bekannt war. Ich hielt es für räthlich, Vorstehen-
des alsbald zu veröffentlichen, damit künftighin die Vorkomm-
nisse des Doberges und der Schwarzhorst gesondert gehalten
werden, was ja von grosser Wichtigkeit ist.
13°
292
7. Bin Beitrag zur Kenntniss des baltischen Jura.
Von Herrn A. Sınzpeck ın Berlin.
Den Namen „baltischer Jura“ führte Herr Professor BEYRICH
in dem 13. Bande dieser Zeitschrift S. 143 in die Litteratur
ein und gab zugleich nach einigen wichtigen Leitfossilien die
Haupt-Horizonte des darin vertretenen braunen Jura an. Die-
selben weiter zu verfolgen ist mit grossen Schwierigkeiten ver-
bunden, weil bei den hier und da zerstreut sich findenden Ge-
schieben ein Urtheil über ihr relatives Alter nicht durch Be-
obachtung der Lagerung gewonnen werden kann. Dasselbe
kann nur dadurch erreicht werden, dass man grössere erratische
Blöcke, welche . eine Anzahl Versteinerungen einschliessen,
einem genaueren Studium unterwirft. Je ausgedehnter die
Kenntniss solcher Blöcke sein wird, desto mehr. wird : man
auch im Stande sein, kleinere Geschiebe, theils nach den
Fossilien, theils nach der petrographischen Beschaffenheit ein-
zuordnen. Diese Betrachtung hat mich bestimmt,. den bei Nemitz
unweit Gulzow in Hinterpommern auftretenden braunen Jura
zu bearbeiten.
Das Material habe ich theils selbst gesammelt ‘und im
hiesigen königlichen mineralogischen Museum niedergelegt,
theils befindet es sich in der ehemaligen GumprecHt’schen Samm-
lung, welche in der geologischen Sammlung der königlichen
Berg-Akademie aufbewahrt wird.
Die erste Notiz über das Vorkommen von braunem Jura
bei Nemitz giebt WESSEL in einem Aufsatze im sechsten Bande
dieser Zeitschrift „der Jura in Pommern.“ Er beschreibt das-
selbe, führt einige Petrefakten auf und giebt auf der beige-
fügten Karte genau die Lokalität an, so dass ich in dieser
Hinsicht nur darauf zu verweisen habe. Später erwähnt Herr
Professor Beyrıch an der oben angegebenen Stelle dieses Vor-
kommen und zeigt durch Angabe des Ammonites. aspidoides
OppEL das Niveau der Schichten an.
Pe
293
Der Bruch, in welchem der Jura zu beobachten ist, hat eine
sehrgrosse Ausdehnung und besteht wesentlich aus Kreidemergeln,
von welchen WEssEL vermuthet, dass sie sich auf sekundärer
Laagerstätte befinden. Ob dies wirklich der Fall ist, wage ich
nicht zu entscheiden, nur kann ich bestätigen, dass sich die
fraglichen Kreidemergel von der anstehenden Kreide auf der
Insel Wollin sehr unterscheiden. Aus diesen Kreidemergeln
bestehen die Wände und der Boden des Bruches, in dessen
Mitte ein Block jurassischen Gesteines sich befindet. Derselbe
hat gegenwärtig eine Höhe von circa 5 Fuss und einen Durch-
messer von 6—7 Fuss. Früher hatte er eine viel grössere
Ausdehnung, das Gestein wurde gebrechen und zum Bauen
verwendet, jetzt geht er durch Verwitterung mehr und mehr
der gänzlichen Vernichtung entgegen. WeEsseEL hielt das Ge-
stein für anstehend, weil der darunter liegende Kreidemergel
früher nicht aufgeschlossen war. Nach den jetzt vorhandenen
Aufschlüssen unterliegt es keinem Zweifel, dass dieser Block
sich auf sekundärer Lagerstätte befindet; der ganze Block scheint
von Kreidemergeln umgeben gewesen zu sein, wodurch es
wahrscheinlich wird, dass auch die Kreidemergel sich nicht
mehr auf ihrer ursprünglichen Lagerstätte befinden. Die Masse
jurassischen Gesteins lässt eine vollkommen horizontale Schich-
tung nicht verkennen, und zwar liegt zuoberst ein festes Ge-
stein, welches petrographisch sehr ausgezeichnet ist. Es ist
ein feinkörniger, oolithischer Kalkstein von dunkler Farbe, in
welchem hier und da zerstreut Knollen eingewachsen sind. Die
Knollen sind ungefähr von der Grösse einer Hasselnus und von
sehr verschiedener Gestalt; sie haben eine ziemlich glatte Ober-
fläche von brauner odergrünlicherFarbe. Wenn man sie zerschlägt,
zeigtsich deutlich eine Rinde von Brauneisenstein und die Masse im
Inneren ist von gleicher Beschaffenheit wie das umgebende Ge-
stein, auch finden sich daselbst Theilchen zerbrochener Muscheln.
- Durch eine grosse Anzahl von Knollen erhält das Gestein ein
conglomeratähnliches Aussehen, und durch Verwitterung geht
die schwarze Farbe in eine braune über. Die Erhaltung der
Muscheln ist insofern eine günstige, als die Schalen nicht zer-
stört sind, was die schärfere Bestimmung erleichtert. Dieses
Gestein wird von dem unterliegenden Kreidemergel durch
einen an Versteinerungen ärmeren dunklen Thon geschieden,
294
welcher nach den darin enthaltenen Petrefakten derselben Zone
des braunen Jura angehört.
Aufzählung der aus Nemitz beobachteten
Petrefakten.
,)
1. Rhynchonella varians SCHLOTH. ÖPPEL, Jura
84561,.98. |
2. Pecten lens Sow. Min. Conch. t. 205. f. 2. 3.
OPPEL sagt in seinem Jura p. 492. $. 61. Nr. 71, mit dieser
Species wurde häufig Pecten laminatus Sow. verwechselt. So-
wERBY giebt als Merkmal letzterer Species die lamellose Struc-
tur des rechten Ohres an, und OPPEL fugt noch hinzu, dass sie
eine geringere Grösse habe. Bei vorliegenden Exemplaren
sind die Ohren nicht erhalten, so dass das Hauptkriterium fehlt.
Wegen des von OPpEL angegebenen Unterschiedes führe ich
die Maasse an; die Länge betragt 15 Mm. und die Höhe 18 Mm.,
-das grösste Exemplar hat eine Höhe von 5 und Länge von 25 Mm.
Diese Maasse wurden eher auf Pecten laminatus hindeuten, ich
schliesse mich jedoch in der Bezeichnung lieber QuENSTEDT an,
welcher alle Formen mit punktirter Skulptur der Schale unter dem
Namen Pecten lens zusammenfasst, wenn sie auch in den ver-
schiedensten Niveaus auftreten. OPPrEL begründet den Unter-
schied auf die verschiedene vertikale Verbreitung, indem er
Pecten lamingtus als Bathspecies, Pecten lens als Oxfordspecies
anfuhrt. ek:
8. Pecten demissus QuEsst. Jura t. 72 £. 27. ef.
Pecten spathulatus ROEMER, Ool. Geb. t. 18. f. 22.
4. Lima duplicata Sow. sp.
Diese und die folgende Species lassen wegen theilweiser
Zerstörung der Schale die feinen Nebenstreifen nicht erkennen, ‘
sonst stimmen sie mit den vorhandenen Beschreibungen und
Abbildungen überein.
5. Limea duplicata Münster, Gowpr. t. 10. 9.
Quenst. Jura p. 436 t. 59 £. 16.
6.: Avicula echinata Sow. Min. Conch. t. 243. £. 1.
1. Posidonomya Buchii A. Roemer, Ool. Geb. t. 4.
f. 8. Beyrıch, Zeitschrift d. deutsch. geol. Gesellschaft. VI.
p. 143. |
8. Arca rugosa? var. von Ärca Pratti Morrıs et Lyc.
PAR EDIT
295
9. Trigonia sp. aus der Familie der Costaten.
10. Astarte Parkinsoni Quasst. Jura t. 67.:f. 36
p- 506 Vergl. Zeitsch. d. deutsch. geol. Ges. XVII, A. Kuxtu,
die losen Versteinerungen in Tempelhof bei Berlin.
ll. Astarte depressa MüÜnsTER, GoLpr. t. 134. f. 14.
v. SEEBacH, Hann. Jura p. 122.
12. Cyprina nuciformis Lyvc. Quart. Journ. IX.
p- 540 t. 14. f. 3. Die Länge und Höhe der Muschel be-
trägt 30 Mm. und die Dicke 18 Mm. Die Wirbel sind nach
vorn gedreht und liegen nahe bei einander. Vor ihnen befindet
sich eine grosse, herzförmige Lunula, und hinten ist eine Kante
schwach angedeutet. Die Skulptur -besteht in einfachen,
‚schwachen, concentrischen Streifen. Nur die linke Klappe ist
vorhanden, dieselbe zeigt neben einem langen Nebenzahn zwei '
schief stehende Hauptzähne, welche diese Form unbedingt dem
Genus Cyprina anreihen. In der äusseren Form gleicht diese
Art mehr einer Isocardia, und zwar steht sie der /socardia mi-
nima Sow. Min. Conch. t. 294 f. 1—3, non GoLpruss, sehr
nahe, bei welcher nur die Schalen mehr aufgebläht sind,
die Lunula in Folge dessen auch grösser ist und die Wirbel
etwas mehr nach vorn liegen. Die Abbildung in QuExstEDT’s
Jura t. 60 f. 17 hat grosse Aehnlichkeit, nur tritt hier mit-
unter auch Radialskulptur auf.
In den Geschieben der Mark findet sich diese Form
häufig neben der kleinen 7. leporina KLÖDEN, welche radial
gestreift ist und, wenn sie zum Genus Cyprina gehört, immer
zu trennen sein würde.
13. Pholadomya radiata SCHLOTH. sp., Myacites ra-
* diatus Scatore. Petrefaktenkunde p. 179. Die Länge der
Muschel beträgt 40 Mm., die Höhe 23 Mm. und ihre Dicke
17 Mm. Die Gestalt ist langlich oval, und die Wirbel liegen
im ersten Drittel der Schale. Der Schlossrand verläuft nach
hinten gerade, der vordere Rand ist beinahe halbkreisförmig, -
der untere ist geradlinig und steigt nach hinten sanft an.
Unter den Wirbeln ist die Schale am dicksten , hinten ist sie
stark zusammengedrückt, so dass der hintere Rand scharf wird,
wogegen der vordere stumpf ist. Die Oberfläche ist radial ge-
streift mit Ausnahme des vorderen und hinteren Theiles der
Schale. Die Rippen, deren Anzahl 22 beträgt, sind nicht von
gleicher Stärke, und nur 13 gehen von den Wirbeln aus, die
296
übrigen erscheinen eingeschoben. Die Rippen selbst sind
glatt und werden nur von den Anwachsstreifen durchschnitten.
Die beiden vorderen sind ein wenig nach vorn gerichtet, die
übrigen biegen sich mehr und mehr nach hinten, so dass die
. letzte Rippe mit der ersten ungefähr einen Winkel von 60 Grad
bildet. | |
14. Panopaea decurtata Pu. Geol. of Yorksh. t.7.
BALL. i {
15. Dentalium entaloides DssL. OprrEL p..390. D.
Parkinsoni QuEnst. Jura t. 69 f. 5. 6. Vergleiche Brauns, Palä-
ontographica Band XIN. p. 137.
16. Turbo biarmatus GoLDF. p. 55. t. 180 f. 2.
17.:-Prochus. ef.“ Zetes»p’Ore... Pal. frau pa.
317 f. 5—8. Vergleiche A. Kunst, Zeitschr. d. deutsch. Ge-
sellsch. XVII. p. 317.
Vorliegende Exemplare stimmen mit der » On
schen Species nur insofern nicht überein, als sie nicht ge-
nabelt sind; sie haben auf dem Spindelsaum nur eine mehr oder
minder markirte Furche. Durch letzteres Merkmal schliessen
sich die Formen dem Trochus bijugatus Quesst. an (Jura p. 485
t. 65 f. 8). Von dieser Species sagt QUENSTEDT, dass siein Höhe
des Gewindes und in der. Skulptur sehr variire. Die Nemitzer
Exemplare haben aber alle ein durchaus gleichartiges Aus-
sehen, obgleich ich verschiedene Altersstufen besitze, so dass
ich sie mit der QuEnstEeDT’schen Species nicht identifieiren
kann.
18. Cerithium muricatum Sow. sp. Siehe A. UNE,
Zeitsch. d. deutsch. geol. Ges. XVII. p. 315.
19. Belemnites Beyrichi OppeL, Jura 8. 472.
20. Ammonites aspidoides OrpeL, Jura S. 474.
U. ScHönsaAch stellt diese Form unter Ammonites subra-
diatus (Paläontographica Bd. XII. p. 33).
Ferner finden sich Bruchstücke von Ammoniten aus der
Familie der Falciferen, so wie dem Ammonites Parkinsoni nahe
stehende Formen. =
Dies sind sämmtliche, mir bekannte Arten, welche natür-
lich keinen Anspruch auf Vollständigkeit machen können,
jedoch genügen, um das Niveau festzustellen.
WessEL führt noch folgende Arten an:
a. aus dem festen Gestein:
297 k
Terebratula ornithocephale,
Goniomya V-scripta,
Pecten fibrosus,
Astarte polita,
Ostrea explanata A. ROEMER.
b. aus dem Thone:
l. Astarte nummulina
2. Astarte pulla.
In beifolgender Tabelle habe ich die vertikale Verbreitung
der mir bekannten Arten von Nemitz nach den Werken von
ÖOPPEL, QUENSTEDT und v. SEEBACH angegeben. Es ergiebt sich
daraus auf den ersten Blick, dass die Nemitzer Schichten in
den Versteinerungen nach Oppzr’s Bezeichnung am meisten
mit dem Cornbrash, also den oberen Schichten der Bathforma-
tion übereinstimmen, und dass sie paläontologisch dem Corn-
brash von der Egg bei Aarau sehr ähnlich sind. Nach Qurx-
stenr’s Bezeichnung würden sie zu den Dentalienthonen des
braunen Jura zu stellen sein, und in Norddeutschland kommt
die grösste Anzahl der Arten in der Zoue der Ostrea Knorü vor.
sppwHn
} Y x K “7 » x \ N
| 298 ee
Verbreitung nach ÖOPpPret. Qbenssepr.|v. SEEBACH.
Unter- Bath- ve ! zus |
oolith. | formation. moeaktaten: & 8 BE |
= ur=E8S |
em Lagena- S SIEHTS | €
. n = L Q = = m Als!
Species von Nemitz. |@ |5 |3|HsBeit| [r = = S Brauner |5 5 2 8]8
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*) Das D. bedeutet Dentalienthon, das P. Parkinsonoolith.
1) Bei OppeL ist P. 'laminatus in den Vergleich gezogen.
2) Näch Monrrıs und Lycerr im englischen Grossoolith.
3) Orper und v. Sersaca scheinen sie nicht von A. pulla getrennt zu haben.
4) Quenstepr führt es als D. Parkinsomi auf.
5) Trochus Zetes D’Ore. trittin dem Etage bajocien auf, T. bijugatus Qu. in den Dentalienthonen,
6) A. fuscus bei QuEnsTEDT und v. SERBACH. f
7) Findet sich nach Lycerr im Unteroolith von Gloucestershire. 4
“
299.
8, Ueber das Vorkommen hohler Kalkgeschiebe
in Bayern.
Von Herrn Günser ın München.
(Aus einer brieflichen Mittheilung an Herrn Beyrıc# d.d. 2. Juni 1866.)
Nachdem ich den Aufsatz des Herrn Laspryrzs über hohle
Kalkgeschiebe im 2. Hefte Bd. XVII. der Zeitschrift gelesen
habe, glaube ich, dass es eine passende Gelegenheit sei, einige
Notizen mitzutheilen, welche ich über denselben Gegenstand
seither gesammelt habe.
Die hohlen Geschiebe sind in unserer süddeutschen dilu-
vialen Nagelfluhe in ihrer ganzen Verbreitung eine so allgemeine
Erscheinung, dass Sie für uns die Bedeutung des Aussergewöhn-
lichen völlig verliert. Hier in München lassen sich die hohlen
Kalkrollstucke fast an jedem Bruchstück des häufig zu Bau-
zwecken verwendeten diluvialen Conglomerats bemerken, und
wo immer in nächster Nähe der Stadt an den hohen Isarlei-*
then durch Kalksinter verkittetes Diluvialgeröll der Beobach-
tung zugänglich ist, findet man auch die hohlen Geschiebe, z.B.‘ °
an der Römerschanze bei Grünwald, in den Steinbruchen von
Deesenhofen und östlich von Haching u. s. w. So geht es fort bis
zum Fusse unserer Alpen, und innerhalb dieses Gebirges beherber-
gen alle durch Kalksinter verkittete Geröllmassen mit Dolomit-
rollstucken, die ich als Terrassen-Diluvium bezeichnet
habe, ausgehöhlte Geschiebe, nicht bloss das Conglomerat in
der Breitenau bei Garmisch, sondern auch jene von Klais,
Mittenwald und auf dem Bodenlahnsattel zwischen Kreuzfels
und Hochalp. Die Erscheinung wiederholt sich in allen Thei-
len unserer Alpen, beispielsweise in dem Conglomerat- bei Am-
mergau, in jenen des Biberbergs im Innthal; sie wird auch nicht
an dem Gestein von Ramsau fehlen, obwohl ich mich nicht
erinnere, sie dort bemerkt zu haben.
Die hohlen Geschiebe sind auch in den Alpen nicht auf
. die diluvialen Bildungen beschränkt. Ich habe eine ganz ana-
300
loge Erscheinung an der breccienartigen Rauchwacke in mei-
nem Alpenwerke beschrieben, welche so häufig an der Basis
des Hauptdolomits über einer Gypsbildung und über den Mer-
seln der Raibler Schichten vorkommt. Statt abgerollter Frag-
mente sind es hier eckige Bruchstücke, deren Masse grossen-
theils ganz fortgeführt ist. Es entsteht auf diese Weise die
grossluckige Beschaffenheit, welche diese Rauchwacke auszeich-
net. Doch kommen darin auch noch Stuckchen vor, die in
eine weiche, staubartige Masse aufgelockert sind, so dass bei
leisestem Stoss oder Schlag dieser mehlartige Ruckstand zer-
stäubt. In anderen Fällen sind die scharfkantigen Gesteins-
stückchen in einer äusseren, rindenartigen Kruste erhalten und
nur im Inneren leer oder theilweise mit Kryställchen von Do-
lomit- oder Kalkspath ausgekleidet.
Auch in den tertiären Conglomeraten begegnen wir
ähnlichen Verhältnissen. In den mitteleocänen Conglomeraten,
den sogenannten Reiter Nummulitenschichten, beobach-
tete ich hohle Rollstucke von Dolomit in den versteinerungs-
reichen Oonglomeraten mit sandig-kalkigem Bindemittel in der
Blindau bei Reit im Winkel. Conglomerate ohne Dolomit-
geschiebe und mit bloss sandigem Zwischenmittel zeigen die
Erscheinung nicht. Nicht minder häufig kommen Hohlgeschiebe
in der jüngsten miocänen Nagelfluhe mit kalkigen Zwischen-
lagen, z. B. an Irschenberg bei Miesbach, in der Meeresmolasse
an den Schweig am Östersee, vor.
Unter sehr bemerkenswerthen Umständen finden sich die
in sandigstaubige Masse umgewandelten Geschiebe in den ober-
sten Lagen unseres losen Diluvialgerölls, wo dieses unmittel-
bar von Löss bedeckt wird, so z. B. an den Ziegelhütten bei
Berg am Laim, bei Ramersdorf. Immer sind es nur die do-
lomitischen Gesteine, nie die reinen Kalkrollstucke, welche
in einen weichen, zwischen den Fingern leicht zerdrückbaren
Dolomitsand verwandelt sind, sodass sie beim Anfassen in
Staub zerfallen. Bei den durch Kalksinter verkitteten Geröll-
massen fällt dieser Staub durch die Erschütterung des Stein-
brechens heraus oder wird durch den Regen ausgewaschen.
Daher zeigen sich die vielen Hohlräume, und das Gestein er-
scheint nach einem Regen wie übertüncht.
Es ist nicht zu zweifeln, dass die ganze Erscheinung be-
dingt ist durch die dolomitische Zusammensetzung gewisser
301
Rollstucke und dnrch die auflösende Wirkung der Cireulation
Kohlensäure-haltigen Wassers. Befördert wird sie ‘durch reich-
liche Zerklüftung der Rollstücke. Ich beobachtete häufig Roll-
stücke, welche offenbar in Folge des Drucks in ihrer Lage
innerhalb des Conglomerats zersprengt und zerklüftet sind, so
dass ein Bruchstück gegen die anderen oft verschoben und in
dieser neuen Lage durch Kalksinter wieder verkittet wurde.
Ich glaube nach den Erfahrungen und Wahrnehmungen an den
unmittelbar unter Löss liegenden Rollstücken, dass der erste
Prozess in einer Auflockerung der Dolomitmasse zu einem mehr
oder weniger zusammenhängenden Pulver besteht. Diese Verän-
derung kann natürlich nach dem Zug und Einfluss des Wassers,
nach der ursprünglichen materiellen Beschaffenheit der Roll-'
stücke und ihrer Zerklüuftung an ganz benachbarten Stellen
innerhalb des Gerölls zu sehr verschiedenen Zeiten eingetreten
und in sehr verschiedenem Grade entwickelt sein. Waren ein-
zelne Rollstücke schon vor dem Einsickern von Kalk-haltigem,
Sinter-absetzenden Wasser staubartig aufgelockert, so konnte
das Kalk-absetzende Wasser in die Oberfläche der porösen Ge-
rölle eindringen und hier eine dichte Kalkkruste bilden, wel-
che bei späterer Einwirkung Kohlensäure-haltigen Wassers in '
eben solcher Weise, wie der dichte Sinterkalk des Bindemittels
selbst, der Auflösung widerstand, während die innere lockere
Masse fortgeführt wurde. So denke ich «mir die Entstehung
der’im Inneren hohlen Geschiebe. In gleicher Weise bildeten
sich die zellisen oder gekammerten Hohlräume, indem theils
sehon anfänglich die Dolomitrollstücke von Kalkspathadern,
welche der Zerstörung mehr Widerstand leisteten, durchzogen
waren, wie man dies bei dem Hauptdolomit unserer Alpen
durchgehends wahrnimmt; theils aber auf ihren Kluften und
Sprüngen mit Sinterkalk durchadert wurden, welcher gleichfalls
weniger zerstörbar als - Lamellen sich erhielt. Ueber den
chemischen Hergang bei diesen Zerstörungen und Umänderun-
gen giebt die Analyse verschiedener Theile von hohlen Ge-
schieben Auskunft; sie unterstützt wesentlich meine oben aus-
gesprochene Ansicht. Ich habe folgende Analysen vorgenommen:
I. Staubig aufgelockerter Sand im Inneren eines Dolomit-
geschiebes.
Il. Innerer festerer Theil eines aussen staubartig weichen
Dolomitrollstückes.
302
‚ III. Aeusserer aufgelockerter Theil eines Dolomitroll-
stückes.
IV. Rindentheil eines im Inneren ganz hohlen Geschiebes.
V. Vergleichsweise die mittlere Zusammensetzung des
Hauptdolomites.
I. 109 III, IV. y:
Kohlensaurer Kalk . 7,&:....93;6...:: 90a ea
Koblensaure Bittererde 43,0: 44,4 43,4 19,7 39,2
Thoniger Rückstand 2,84...0,6 1.6 0,9 3,8
: 0,6 34
Bit. und org. Theile 1,8 1,4
| 100,0 100,0 100,0 100,0 100,0.
Die Vergleichung von l., II., III. mit V. giebt zu erkennen,
dass eine Fortführung von kohlensaurem Kalk durch Kohlensäure-
haltiges Wasser als erster Akt des Prozesses betrachtet werden
muss. Es ist dies wahrscheinlich der überschüssige kohlensaure
Kalk uber die Verbindungsmenge zum sogenannten Mitteldolo-
mit, welcher zuerst der Auflösung im Kohlensäure-haltigen Was-
ser verfällt. Dadurch wird das zurückbleibende Gestein reicher
an Bittererde, und es stellt sich nach und nach eine Verbindung
her, welche die Zusammensetzung der Dolomitkrystalle besitzt.
Denn die pulverförmigen lockeren Dolomite I. und Ill. nähern
sich sehr dieser Zusammensetzung. Auch die festeren Theile
eines nach aussen bereits sehr zerreiblichen Dolomitrollstücks
(II.) zeigen keine wesentlich abweichende Zusammensetzung,
‚. während die rindenartige Kruste eines innen vollständig hoh-
len und leeren Geschiebes (IV.) so viel kohlensaure Kalkerde
enthält, dass diese nur als Infiltrationsabsatz an der Oberfläche
des bereits zersetzten Rollstücks analog dem Sinterkalk des
‚Bindemittels sich erklären lässt. Mechanisch trägt zu dem Grade
der Auflockerung und des mehr oder weniger festen Zusam-
menhaltens der einzelnen Dolomitkörnchen die Menge und die
Beschaffenheit der thonigen Beimengung bei. Je geringer diese
ist, desto leichter unterliegt das angegriffene Geschiebe der
völligen Zerstörung. Die untersuchten Proben (l. und III.)
weisen sehr geringe Mengen dieser Rückstände auf, während
das Gestein V. weit reicher daran ist. Unter dem Mikroskop
lassen sich in dem staubartig zerfallenden Dolomit die kleinen
krystallinischen Körnchen ohne Spur einer weiteren Beimen-
gung sehr gut beobachten.
ar
2 u
303
Die Bildung der weichen und hohlen Dolomitrollstücke
halte ich wesentlich bedingt durch ihre zu irgend einer Zeit
einmal- stattgehabten Lage in einer Geröllbank, welche von
Kohlensäure-haltigem Tagewasser durchdrungen werden konnte.
- Durch Fortführung von kohlensaurem Kalk entstand zunächst eine
Auflockerung dolomitischer Geschiebe zu einer weichen, zerreib-
lichen Dolomitsandmasse in Form der ursprünglichen Geschiebe.
Trat dann später Wasser in die Geröllmasse, welche Kalk in
Lösung enthielt und diesen in Form von Sinter absetzen
konnte, so bildeten sich dann inkrustirte Geschiebe und schliess-
lich durch weitere Einwirkung eirculirender Gewässer, die nie
ruhen, die stets umändernd durch die Gesteinsmassen ein- und
ausziehen, die letzten Formen dieser Umänderungserscheinun-
gen, die hohlen und im Innern oft mit Kryställchen überklei-
deten Geschiebe.
304
%
9. Die Zoantharia perforata der palaeozoischen.
Periode.
Von Herrn K. v. SeesacH ın Göttingen.
‘ Hierzu Tafel IV.
(Aus den Nachrichten der königl. Gesellschaft der Wissenschaften ‚zu
Göttingen vom 11. Juli 1866, 8. 235, wo indess die Tafel nicht gegeben
werden konnte.)
Die erste palaeozoische Koralle aus der Section der Zo-
antharia perforata wurde bekanntlich 1847 von J. Hau (Pa-
laeont. of New-York T. I. S. 71, t. 25, f.5) unter dem Namen
Porites vetusta beschrieben und leider ziemlich mangelhaft ab-
gebildet. Nachdem p’OrgıcnY sie darauf 1850 (Prodome Bd.].
Nr. 416) zu Astraeopora M’Cor (non BLAMVILLE) gezogen,
errichteten MıLne Epvwarns und J. Hamm 1851 (Polyp. foss.
d. terr. pal&oz. im Arch. d. mus. d’hist. nat. 1851. S. 208) für
diese Form in der Nähe von Litharaea die Gattung Protaraea,
die ausser jener nur noch die ‚hier zuerst aufgestellte, schon
durch ihre 30 Septa völlig unterschiedene Species Protaraea
Verneuili umfasst. Beide Arten waren bisher nur aus dem
unteren Silur von Nord-Amerika und die Protaraea vetusta
Harn sp. speciell aus dem Blue limestone von Cincinnati
und aus der Unterregion des Trenton limestone von Water-
town bekannt geworden. 3
Auf der geologischen Reise, die Herr Professor F. RoEMER
und ich im Jahre 1861 nach Russland unternahmen, fanden
wir die erste europäische Protaraea in dem Kalkstein von
Wesenberg in Ehstland, der, in seinem Alter wohl etwas jünger
als der Trentonkalk. eher dem Utikaschiefer oder der Hudson-
river-Gruppe gleich steht. Es liegen von dieser Protaraea ve-
tusta HALL. sp. von Wesenberg nur zwei Exemplare vor, von
denen das eine indess vortrefflich erhalten ist und 'mit der
"Diagnose bei MıLne EpwArps und Hammer genau stimmt. Da-
- 305
gegen ist die von ihnen gegebene Abbildung (a. a. O. t. 14
f. 6) wenig gelungen und lässt nicht einmal die Merkmale der
Diagnose wieder erkennen. Die Kelche sind zu tief, die Form
der Septa falsch und die ganze Manier der Schattirung unzweck-
mässig und unverständlich. Ich gebe daher Taf. IV. Fig. 1.
eine neue Abbildung in > der natürlichen Grösse. Das schlech-
2
tere Wesenberger Exemplar bildet eine Kruste auf den Win-
dungen einer Murchisonia, das bessere hat die kleinere Klappe
einer Orthis Verneuili D’OrB. überzogen. Die polygonalen, an
einander stossenden Kelche haben 2 Mm. im Durchmesser; sie
sind wenig tief und zeigen 12 fast gleich starke Septa, deren
_ innere Zähne eine kaum bemerkbare papillöse Anschwellung
bilden. Die Mauern nnd Septa sind stark, die Zacken in den
Kelchecken nur wenig deutlich.
Ausser der Protaraea vetusta HALL sp. wurde bei Wesen-
berg noch ein Exemplar einer anderen Koralle gefunden, die,
obgleich mit Protaraea nahe verwandt, doch nicht mehr zu
dieser Gattung gebracht werden kann. Diese Koralle bildet
eine dünne Kruste, die von einem feinen Epithek umschlossen
ist. Die einzelnen Kelche sind fast gleich gross, von 2 Mm.
Durchmesser, wenig tief aber steil nach innen abfallend; es
sind 12 mässig starke, deutlich erenulirteSepta vorhanden; in der
Mitte der Kelche eine sehr stark entwickelte, schwammige Oo-
lumella, welche den halben Durchmesser des ganzen Kelchs
einnimmt und fast ebenso hoch hervorspringt wie die Kelch-
mauer. Die Mauer mässig stark, in den Kelchecken kleine
Zacken. Ich war anfänglich geneigt, die stark vortretende
Columella, die steil abfallenden Septen und die dünnere Mauer
nur dem Erhaltungszustand zuzuschreiben und die gewöhnliche
Ausbildungsweise der Protaraea vetusta bloss für abgeriebene
Exemplare der in Rede stehenden Form zu halten, musste
mich aber nach vielfältig wiederholter Untersuchung von der
ursprünglichen Verschiedenheit beider Formen überzeugen.
Es ist nun offenbar, dass diese Form wegen der ausser-
ordentlich stark entwickelten Columella nicht mehr zu Prota-
raea gerechnet werden darf. Von den bis jetzt in die weisse
Kreide hinabreichenden Litharaeaarten unterscheidet sie sich
aber durch die Zackenin den Kelehwinkeln, die beiihr mindestens
ebenso deutlich entwickelt sind wie bei Protaraea. Unter diesen
Umständen wird man sich entschliessen mussen, für diese Ko-
Zeits.d. d.zeol. Ges. XVIIL 2. 20
306
ralle zwischen Litharaea und Protaraea eine neue Gattung zu
errichten, für die ich die Bezeichnung Stylaraea vorschlage.
Die einzige bis jetzt bekannte Species nenne ich zu Ehren F.
Roruer’s Stylaraea Roemeri.
Die Diagnose dieser neuen Gattung würde sich etwa
folgendermaassen bestimmen lassen: A
Stylaraea gen. nov. Ein wurmförmig durchlöchertes’
Sklerenechym bildet krustenförmige, von einem feinen Epithek
umgebene Korallenstöcke. Die einzelnen Kelche polygonal, wenig
tief, mit einer stark entwickelten, schwammigen Columella.
Die Mauern mässig stark, in den Kelchecken Zacken tragend.
Septa stark erenulirt, steil abfallend (2 Cyclen entwickelt).
Einzige Art: St. Roemeri Ser». aus bem unteren Silur
von Wesenberg in Ehstland. Taf. IV. Fig. 2 (2). es
“ ‚Ausser diesen Korallen, die zweifellos zu der Gruppe der
Poritina gehören, und der zu den Zoantharia perforata gehörigen
Gattung Pleurodietyum GoLpr. kennen MıLnE Epwarnps und J.
Ham nur noch ein palaeozoisches Zoantharium perforatum.
Es ist dies das Genus Palaeacis Haıue, das 1860 (Hist. nat.
d. corall. S. 171) zuerst aufgestellt wurde. Die einzige ihnen
bekannte Art dieser Gattung Palaeacis cuneiformis stammt
aus dem Kohlenkalk von Spurgen Hill (JA.) und konnte nur
in Abdrucken untersucht werden. MiırnE EpwaArps ist daher
auch zweifelhaft, ob diese Form zu den Turbinarina gehört;
ja er ist nicht einmal ganz sicher, ob dies merkwürdige Fossil
überhaupt eine Koralle sei. Fast gleichzeitig stellten MExk
und WORTHEN (Proceed. acad. nat. sc. Philadelphia 186: prin-
ted 1861 S. 447) die 4 Arten umfassende Gattung Sphenopo-
terium auf. Obgleich nun MEEK und WORTHEN, eine ober-
flächliche Analogie fur wahre Verwandtschaft verkennend,
ihr neues Genus weit ab von den Madreporiden -zu den
Fungiden stellen und zunächst mit Cyathoseris MıLne Ep-
wıarps und Haımz vergleichen, so zeigt doch eine Ver-
gleichung ihrer Diagnose mit der für Palaeacis gegebenen
die Identität dieser beiden Gattungen. Ja es ist sogar kaum
zu bezweifeln, dass die Palaeacis cuneiformis M. EpwArps und
Haıme mit Sphenopoterium cuneatum MExk und WOoRrTHEN iden-
tisch ist. Die Diagnose bei diesen stimmt: genau mit der Be-
schreibung und Abbildung bei MıLse Epwarpvs und Hame, und
307
dazu kommt noch, dass von beiden die gleiche Formation und
der nämliche Fundort Spurgen Hill angeführt wird. Leider
liegen mir nun zwar keine Originale dieser Form vor; dagegen
besitzt die hiesige Sammlung aus dem Kohlenkalk von Jowa
und vermuthlich von Dallas-city stammende Exemplare anderer
Species der nämlichen Gattung, welche die gegebenen Dar-
stellungen controlliren und erweitern. J. Hamıe’s Diagnose ist
zu eng gefasst; die Kelche stehen weder in einer Reilıe, noch
sind sie paarweise geordnet, auch sind in den vorliegenden
Exemplaren nirgends zwei besonders hervortrende Septa in den
„Kelchen wahrzunehmen. MrEk und WorrHen’s Darstellung ist
im Allgemeinen richtig, aber sie ist schwer verständlich und
unmethodisch; die Bedeutung des durchbrochenen Ovenenchyms
tritt nicht genugend hervor. Diese Struktur ist an unseren
Exemplaren sehr deutlich. Die Septen sind nur als feine
Streifen entwickelt. Die feinen Rippenstreifen auf der Aussen-
fläche des Korallenstocks sind leider abgerieben. Das Haft-
füsschen ist in analoger Weise wie bei Palaeocyelus entwickelt.
Es ist dies bei Exemplaren, die zweifellos zur nämlichen Spe-
cies gehören, bald noch deutlich erhalten, bald nicht mehr zu
erkennen und darf daher zur Art-Unterscheidung nicht gebraucht
werden. Es muss daher auch sehr unsicher bleiben, ob man
‚diese Formen als frei bezeichnen darf. Dass diese Formen Ko-
rallen, und zwar Zoantharia perforata, sind, erscheint sicher,
und da die Kelchmauern wohl entwickelt und nur porös sind,
wird man sie mit Recht den Madreporiden zurechnen müssen.
Die bei EpwArps und Haımr beobachteten, stärker entwickelten
Septa wurden die Palaeacis-Arten zu den Madreporina, und nicht
zu den Turbinarina stellen. Da jedoch diese Eigenthümlich-
keit weder von MEEk und WOoRrTHENn noch von mir beobachtet
werden konnte, so muss die Gattung auch an dem Platze bei
den Turbinarina stehen bleiben, den ihr Mızsz Epwarps und
J. HaımE, trotz ihrer Bedenken, mit gewohntem Scharfblick
angewiesen haben. In Bezug auf die Priorität der Benennung
scheint nach den oben angeführten Jahreszahlen die Bezeich-
nung Palaeacis zuerst publieirt worden zu sein, und da der zu
eng gefassten Diagnose von MıLnk EpwArps und Haıne die gänz-
liche Verkennung der wesentlichen Eigenthümlichkeiten bei MEEK
und WoRTHEN gegenüber steht, so wird man diesen Namen auch
20:*
308
beibehalten müssen. Die Diagnose lässt sich folgendermaassen
zusammenfassen: \ >
Palaeacis. J. Ham 1860.
Sphenopoterium Merk ond WorrHzs 1860, publieirt 1861.
Das wurmförmig durchbohrte Coenenchym. ist stark ent-
wickelt und bildet keilförmige Polypenstöcke, in deren Ober-
fläche die einzelnen Kelche eingesenkt sind. Die Kelchwände
in ihrer Struktur von dem Coenenchym nicht verschieden,
ziemlich dicht, aber porös; die Kelche rundlich, in ihrer ganzen
Länge offen, selbst das Septalsystem nur noch durch feine,
zahlreiche (ca. 30), wenig ungleiche Streifen angedeutet; die
Kelche vermehren sich durch intercalieinale Knospung und
nehmen dann an den einander zugewandten Seiten eine poly-
gonale Form an. Der keilförmige Polypenstock in der Mitte
seiner Basis mit einem kleinen Fuüsschen versehen, das sich aber
leicht verwischt. Die Oberfläche des Polypenstocks mit feinen,
anastomosirenden, haufig absetzenden Streifen, die von der Haft-
stelle ausstrahlen. Alle bekannten Arten der Kohlenformation
angehörig.
1. P. euneiformis J. Hain.
Sph. cuneatum MEEK und WORTHEN.
Diese Art, die man als Typus der Gattung ansehen muss,
zeichnet sich durch ihre nur in einer Reihe gelegenen Kelche,
ihre bedentende Höhe und starke Compression aus.
2. P. compressa MEEK und WORTHEN sp.
Gehört wegen der Einreihigkeit ihrer Kelche in die nam-
liche Sektion wie die vorige Art, von der sie sich bei ähnlicher
Compression leicht dadurch unterscheiden soll, dass der Ko-
rallenstock wenig über halb so hoch als lang ist.
(3.) P. obtusa MERK und WORTHEN sp.
Diese Species, welche die genannten amerikanischen
Autoren für den Typüs ihres Genus ansehen, beginnt die Sek-
tion der Palaeaecisarten mit mehrreihigen Kelchen. Sie ist aber
leider so ungenügend charakterisirt worden, dass ich nicht
sicher bin, welche der beiden mir vorliegenden, deutlich keil-
förmigen Arten mit mehrreihigen Kelchen ich hierher rechnen
soll; ja der angeführte Aufsatz ist so flüchtig geschrieben, dass
die Verfasser ganz vergessen haben, die von ihnen angeführten
Dimensionsrubra mit Zahlen auszufüllen. Es bleibt ‘daher
309
nichts übrig, als bis zueiner späteren, genaueren Beschreibung
die vorliegende Art ganz unberücksichtigt zu lassen.
4. P. cymba sp. nov. Taf. IV. Fig. 4 a. b. (+).
Polypenstock kaum halb so hoch als lang und ebenso
breit als hoch, kahnförmig; der untere Rand des Keils nur
wenig gekrümmt, das Haftfüsschen sehr wenig vorspringend,
der Rand zu beiden Seiten nicht eingebogen ; die beiden breiten
Seiten eben oder doch um die Kelchränder nur wenig ange-
schwollen, unter einem Winkel von 60 Grad gegen einander
geneigt. Die in die Oberfläche eingesenkten Kelche mässig
tief,. die mittleren Kelehmauern wenig oder nicht höher als
die Aussenränder des Polypenstocks, die beiden grössten
Kelche über der Kante des Keils, sehr schief zur Hoöhenaxe
des Polypenstocks, die übrigen Kelche in Reihen scheinbar
paarig angeordnet; alle Kelche mehr oder minder polygonal.
Das best erhaltene der vorliegenden 5 Exemplare enthält
7 Kelche; es ist 24 Mm. lang, 11 Mm. hoch und 12 Mm. breit.
Kohlenkalk, Jowa, vermuthlich von Dallas-city.
5. P. umbonata sp. nov. Taf. IV. Fig. 3 a. b. (4).
Polypenstock nur wenig länger als hoch (2:3 bis 5:7),
nicht so breit als hoch. Der untere Rand des Keils wenig
gekrummt, aber an beiden Seiten des Haftfüsschens eingebogen.
Die breiten Seiten des Keils über den Kelchrändern stark aus-
gebogen, so dass Rinnen zwischen ihnen entstehen; der Winkel,
unter welchem die vortretenden Kelchwände der beiden Seiten
gegen einander stehen, erreicht fast 90 Grad. Die Kelche
ziemlich tief, die mittleren Kelchmauern hoch uber den Rand
der Aussenwände der Kelche emporragend. Die Kelche wenig
polygonal; in mehreren (scheinbar drei) Reihen angeordnet. Das
best erhaltene der drei vorliegenden Exemplare 23 Mm. lang,
20 Mm. hoch, 18 Mm. breit. |
Kohlenkalk von Jowa, vermuthlich von. Dallas-eity.
6. P. enormis MEER und WorTHEN. Diese letzte Art ist
nach der Bezeichnung der amerikanischen Autoren „etwas
kreiselförmig (subturbinate)* und scheint demnach eine selbst-
ständige Art zu sein. Rockford. (Ja). Das Alter dieser Spe-
cies ist nicht ganz sicher. MEEK und WORTHEN sagen „ver-
muthlich von ober-devonischem Alter, aber mit Kohlenkalk-Go-
niatiten.“ Wäre dies richtig, so würden die Madreporiden also
310
schon im Devon beginnen und Protaraea , dem Prototyp der
Poritiden, welches bisher so auffallend isolirt stand, sich noch
enger anschliessen. ;
Erklärung der Abbildungen.
Taf. IV. Fig. I. Protaraea vetusta Harı. sp. von Wesenberg, $ mal ver-
grössert.
_ » 2. Stylaraea Roemeri Swes. von Wesenberg, 2 mal vergrössert.
» 9. Palaeacis umbonata SerB. aus Jowa, von oben gesehen.
„ 3a.Dieselbe von der Seite gesehen.
h, - Dieselbe von vorn gesehen.
„ 4. Palaeacıs cymba SexB. aus Jowa, von oben gerehen,
„ 4a. Dieselbe von der Seite gesehen.
„. Ab.Dieselbe von vorn gesehen.
311
10. Beiträge zur Kenntniss der vulkanischen Gesteine
des Niederrheins.
x
Von Herrn H. Lasreyres ın Berlin.
Das Material zu den folgenden Untersuchungen lieferten
die Lokalsammlungen rheinischer vulkanischer Produkte, welche
sich in den durch die königl. Oberberghauptmannschaft in Berlin
angelegten geologischen Sammlungen des preussischen Staates
theils schon aus früherer Zeit vorfanden, theils namentlich
durch Ankauf der von MiTscHErLIcH hinterlassenen Sammlun-
gend enselben zugekommen sind. Die Bedeutung der letzteren
Sammlung ist schon aus dem jungst erschienenen Werke Mır-
SCHERLICH’S: die vulkanischen Erscheinungen in der Eifel u. s. w.,
welches im Auftrage der königl. Akademie der Wissenschaften
aus dem Nachlasse des Verstorbenen von Herrn RorH heraus-
gegeben wurde, zu ersehen; sie war für die hier gegebenen
Mittheilungen von hervorragendem Werth durch die Menge sel-
tener vulkanischer Produkte aus der gedachten Gegend, wo
deren Vorkommen mit jedem Jahre seltener wird.
1. Leucit-Nosean - Gesteine e
finden sich bekanntlich theils als Gebirgsart anstehend, theils
in deren Nähe als lose Blöcke (ob als Geschiebe oder Aus-
würflinge, ist eine Controverse) in den Leuceittuffen nur in der
Umgegend des Laacher-Sees, wo sie zum Theil, vielleicht auch
ganz, die ältesten vulkanischen Produkte sind, welche mit den
Basalten, Trachyten und Phonolithen Lagerungs- und Eruptions-
art theilen. ®
Diese fur Chemie, Petrographie, Mineralogie und Geologie
gleich interessanten Gesteine sind chemisch und physikalisch
durch Herrn vom Rats untersucht worden (diese Zeitschrift
Bd. XII., 1860, S. 29. f£., Bd. XIV., 1862, S. 655 ff., Bd. XVL.,
1864, S. YO f.).
Von der Arbeits- und Geduldsmenge, die dieser Forscher
312
auf diese drei, jetzt in so präcise Kürze maskirten, sehr verdienst-
‚vollen Arbeiten verwendet hat, wird jeder Leser, der sich nur
einmal mit dergleichen mühsamen Untersuchungen befasst hat,
durchdrungen sein. |
Gerade unter so bewandten Umständen ist es um so mehr
zu beklagen, dass Herr vom RartH diese Gesteine zu drei ver-
schiedenen Zeiten in drei verschiedenen Arbeiten zum Gegen-
stande seiner Untersuchungen gemacht hat, und dass er nicht
seinem früheren Vorhaben gemäss ähnliche hierher gehörige
vulkanische Produkte des Laacher-See-Gebietes mit in das Be-
reich dieser Untersuchungen gezogen hat. Auf dem von ihm
eingeschlagenen Wege hat derselbe aus einer vorhandenen
Einheit künstlich und ganz grundlos eine „Dreiuneinigkeit“
schaffen müssen, die auf dem eben angedeuteten Wege ohne
Zweifel umgangen worden wäre, indem Herr vom RırtHa die
Petrographie niit einer Arbeit bereichert haben würde, die fur
Jahrzehnte ähnlichen Arbeiten ein Muster hätte’ sein müssen.
Wer nämlich die fraglichen Gesteine sieht, theilt sie nach
den ersten Beobachtungen allerdings in drei Gruppen, welche
Herr vom Rırtu Nosean-Melanit-Gestein, Noseanphonolith und
Leueitophyr genannt hat. Bei. genauerem mineralogischem Stu-
dium, noch mehr aber bei dem allen jetzt zum Vergleiche vor-
liegenden chemischen Analysen sieht man sehr bald ein, dass
‚alle diese Gesteine nur Varietäten derselben Gesteinsspecies
sind, die durch Uebergänge unter sich verbunden sind.
Die folgenden Zeilen sollen zeigen, dass alle Gesteine
aus dengelben wesentlichen, und zum Theil unwesentlichen Ge-
mengmineralien bestehen und nur dadurch den unter sich ab-
weichenden äusseren Habitus bekommen, dass in den verschie-
denen Varietäten die Ausbildungsart und das Mengeverhältniss
der einzelnen Gemengmineralien verschieden sind.
Dass man diese in allen Sammlungen heimischen Gesteine
bei bis zu 90 pCt. in Salzsäure löslichen Gemengtheilen nicht,
wie bisher noch oft genug geschehen ist, Phonolithe nennen
kann, hat schon Herr J. Roru. (Gesteinsanalysen S. XLI.) be-
tont; sie reihen sich nur im weitesten Sinne des Wortes den
Phonolithen an, zeigen aber chemisch und mineralogisch, wie
ich weiter unten hervorheben werde, Uebergänge in den Ne-
phelinit (Basalt), indem der Nephelin den Leucit und Nosean
verdrängt.
313
Nach den Untersuchungen des Herrn vom Rarn bestehen
dessen drei Gesteinsarten aus:
Nosean-
Melanit- Nosean- Leueito-
Gestein. phonolith. phyr.
Nosean
ET RE N EA Dee NE
SAN IE N N ar Se:
hal be ee ee
Hociiblende : ... .... .,.. EEE SEN HE No aber
2 REITEN ER, 1 SEE
ER AO a nen
Bermeteisen .. . uco.n 2.0l enee ea Li
Bernesiachmmer .. u. | zul. ee
Denkelur . .. ne... I ee ER
Unbestimmtes, quadratischkry-
Senknries Nineral 2 0. 0 u... bene 2 2
Abgesehen von dem Nephelin und dem unbestimmten,
quadratischkrystallisirten Minerale (Melilith?), die Herr vom
Rırtu nur durch die sorgfältigsten mikroskopischen Untersu-
chungen in dem Noseanphonolith nachgewiesen, in den andern
zwei Gesteinen aber wohl nur nicht gesehen oder gesucht hat,
bestehen nach dieser Tabelle der sogenannte Leueitophyr und
Noseanphonolith aus denselben Gemengmineralien. Beide ha-
ben dasselbe Gefüge mit Porphyrstruktur, unterscheiden sich
aber petrographisch dadurch, dass in ersterem die gröber kry-
stallinische Grundmasse sehr zurücktritt, dass in ihm die gross-
ausgeschiedenen Mineralien, abgesehen von Sanidin, Augit, Ti-
tanıt, Magneteisen, Magnesiaglimmer, neben Leueit in beinahe
ebenso reichlicher Menge Nosean sind, und dass dieses Ver-
haltniss auch wohl in der Grundmasse wiederkehrt, während
in den anstehend bekannten Noseanphonolithen gar keine grossen
Leueitkrystalle ausgeschieden sind, sich aber winzig kleine
schon mit unbewaffnetem Auge deutlich sichtbar als stark »vor-
wiegender Bestandtheil der Grundmasse zu ‚erkennen geben.
Mineralogisch können beide Gesteine um so weniger getrennt,
sondern müssen um so mehr als vollkommen ident betrachtet
werden, als sich unter den losen Blöcken derselben in den
Leueittuffen westlich vom Laächer-See Zwischenglieder finden,
314
d.h. Gesteine vom Typus des sogenannten Noseanphonolithes
mit grösser ausgeschiedenen Leueit-Krystallen.
Die vier analysirten sogenannten Noseanphonolithe stim-
men in ihrer chemischen Zusammensetzung sehr genau überein;
dass darin die Mengen von Kali und Natron unter sich sehr
schwanken, hat in dem Umstande seinen Grund, dass die Ge-
steine bald mehr Leucit, bald mehr Nosean enthalten, und dass
in dem Leueit der dortigen -Gegend ein Theil des Kali durch
Natron vertreten scin kann, während aber nach den Arbeiten
des Herrn von Rata die Noseane, die man bis jetzt nur am
Laacher-See kennt, kein Kali enthalten; eine bemerkenswerthe
-Thatsache! |
Die von Herrn vom Rıata analysirten Leucitophyre haben
ebenfalls eine gut unter sich stimmende Zusammensetzung.
- I. Durchschnittliche Zusammensetzung des sogenannten
Leucitophyrs. :
Il. Durchschnittliche Zusammensetzung des sogenannten
Noseanphonolithes. ;
I. IE
Kieselsäure . 48,61 54,10
Schwefelsäure 1,51 0,57
Cho=1?272030 0,40
Thonerde. . 18,44 20,85 °
Eisenoxydul . 6,84 4,40
Kalkerde . . 5,69 |
Magnesia. . 0,96 0,50.
Kalter 3 ar6lTr 6,05
Natroni. 2855 7,81
Wasser ar Tr 3,99
99,44 99,61.
Die vorhandene Differenz in der chemischen Zusammen-
setzung dieser zwei mineralogisch ganz identen Gesteine kann
uns nicht befremden, da in denselben bald dieser, bald jener
Gemengtheil den einen oder den anderen in den Hintergrund
drängt; so muss z. B. der Kieselsäure- und Kali-Gehalt mit der
Zunahme von Leueit gegen Nosean steigen, ohne dass die Thon-
erdemenge sich dabei änderte. Bei der Vergleichung der Zusam-
mensetzung beider Gesteinsvarietäten sieht man, wie durch Auf-
nahme von ungefähr 1 Theil Schwefelsäure, 3 Theilen Thon-
erde, 5 Theilen Kalkerde und Magnesia und 3 Theilen Alka-
315
lien aus 100 Theilen Noseanphonolith ungefähr 111 Theile
Leueitophyr von der obigen Zusammensetzung werden. Gleich
grosse Schwankungen in der chemischen Zusammensetzung
finden wir bei vielen. sehr zusammengesetzten Silikaten, die
sogar oft ganz gleichen äusseren Habitus besitzen können; ich
verweise in dieser Beziehung auf die durch MıTscHERLICH
so bekannt gewordenen Laven der Eifel (vgl. dessen Werk:
die vulkanischen Erscheinungen der Eifel S. 21, Tabelle).
Wie verhält sich nun die dritte Gesteinsvarietät, das soge-
nannte Melanit-Nosean-Gestein, das nur an einem Punkte im
Gebiete des Laacher-Sees, am Perlerkopfe vorkommt, zu die-
sen beiden Leucit-Nosean-Gesteinen, von dem Herr v. DEcHENn,
“verleitet durch die Arbeiten des Herrn vom RarH, sagt, es
stehe petrographisch ganz vereinzelt da (diese Zeitschrift
Bd. XVII., 1865, S. 142).
Es ist chemisch und mineralogisch vollkommen identisch
mit diesen.
Das beweist einmäl die von Herrn vom Raru mitgetheilte
chemische Analyse, die durchaus mit denen des sogenannten
Leueitophyrs übereinstimmt, und andermal die physikalische
Analyse, verbunden mit einer gesunden Interpretation der che-
mischen Resultate, auf die mich Herr J. RortH vor meinen
Untersuchungen aufmerksam zu machen die Freundlichkeit hatte.
Die Resultate über die mineralogische Zusammensetzung
nach der Ansicht des Herrn vom RartH habe ich oben tabella-
risch mitgetheilt. Abgesehen von den, wie in den beiden an-
dern Gesteinsvarietäten, unwesentlichen Gemengmineralien soll
das Gestein wesentlich aus Nosean, Sanidin und Melanit be-
stehen. Wäre dieses Resultat richtig, so wäre die vom Rırt#'-
sche Trennung dieses Gesteins von den beiden andern trotz
der chemischen Uebereinstimmung gerechtfertigt. Wollte man
in diesem Falle alle drei unter einen Hut zwängen, so müsste
man den regulär krystallisirten Melanit in dem einen Gesteine
als Vertreter des ebenfalls regulären Leucites in den beiden
andern ansehen, und das darf man, abgesehen von allen andern
petrographischen Widerreden, um so weniger, als der Melanit im
Gegensatze vom Leueit nach meinem Dafürhalten gerade so
unwesentlich am Gemenge Theil nimmt wie der Augit, die
Uornblende, der Glimmer, das Magneteisen u. s._ w.
Der Melanit dieses Gesteines vom Perlerkopfe ist eben
316
so wenig bisher in den Noseanphonolithen und Leueitophyren
nachgewiesen worden als die Hornblende jenes Gesteins in
diesen, oder das Magneteisen, der Magnesiaglimmer, Nephelin
u.58. w. dieser in jenem; damit ist aber noch nicht gesagt oder
bewiesen, dass Melanit nicht ein unwesentlicher, sehr seltener
oder nur mikroskopischer Gemengtheil der Noseanphonolithe
und Leucitophyre sein könne. Aber selbst zugegeben, dieses
sei nicht der Fall, so folgt daraus noch lange nicht die Ab-
trennung des Gesteines vom Perlerkopfe von den beiden anderen
Gesteinsvarietäten wegen des Melanits allein, da dieser sehr
wahrscheinlich ein zufälliger Vertreter des Augits oder der
Hornblende ist. Wie verschiedene Mineralien aus chemisch
gleich zusammengesetztem Teige unter modifieirten Verhält-
nissen auskrystallisiren können, lehrt uns die Petrographie: auf
allen Seiten.
Zu dem kommt nun, dass das sogenannte Nosean-Melanit-
Gestein, wie die beiden andern Gesteine, neben Nosean und
Sanidin als wesentliches Gemengmineral ebenfalls Leueit ent-
hält, dessen Vorhandensein Herr vom RATH ganz verkannt hat,
weil man -denselben allerdings weder als Ausscheidungen noch
als Gemengtheil der fein krystallinischen Grundmasse nach-
weisen kann. Diese Nachweisung geschieht aber durch die
Interpretation der chemischen Analyse, die Herr vom RATH aus
erörtertem Grunde verfehlt hat; denn dessen Arbeit über das
Melanit-Gestein ist aus dem Jahre 1862, die über die Noseane
des Laacher-Sees aus dem Jahre 1864. 2
Herr vom Rıata sagt (l. c. Bd. XIV., 1862): „der lösliche
Bestandtheil des Melanit- Nosean - Gesteines in Salzsäure hat
ziemlich die Zusammensetzung des Noseans, der noch nicht
genau genug bekannt ist; denn die Untersuchungen von KLAPPp-
ROTH, BERGEMANN, VARENTRAPP, WHITNEY dissoniren sehr in
ihren Resultaten. Der unlösliche Bestandtheil muss bestehen
aus Sanidin, Hornblende, Augit, is der lösliche nur aus
Nosean.*
Das ist nicht richtig; denn der lösliche Theil enthält 7,27
pCt. Kali neben 11,82 pCt. Natron, während der Nosean vom
Laacher-See nach Herrn vom Raru (diese Zeitschrift 1864,
Bd. XVI. S.86) nur Spuren von Kali nachweisbar führt. We-
gen dieses grossen Kaligehaltes muss der lösliche Bestandtheil
'ein Gemenge von Nosean (O= 1:3:4) und Leueit (O =1:3:8)
N
SE
sein. Der Kieselsäuregehalt des Löslichen stimmt genau mit
dem des Noseans überein, wurde also für ein Gemenge von
Nosean (mit 36,75 pCt. SiO,) und Leueit (mit 54 pCt. SiO,)
zu niedrig sein. Nun fand aber Herr vom Rırn für seine ge-
wiss richtige Interpretation des unlöslichen Bestandtheiles in
demselben zu viel Kieselsäure. Zieht man diesen Ueberschuss
von Kieselsäure zum löslichen Theile, wobin er ohne Zweifel
gehört, da es sehr schwierig ist, wie Herr vom Rarz (|. c.
Bd. XIV. S. 670) sehr richtig bemerkt, den geglüuhten unzer-
setzten Antheil des Gesteines vollständig von der abgeschiede-
nen Kieselsäure des löslichen zu trennen, so heben sich alle
Widersprüche.
Wer kann nach Diesem noch zweifeln, dass das Gestein
Leucit enthält, wenngleich derselbe weder mit blossem Auge,
noch mittelst der Lupe erkannt werden kann?
Diese drei Pseudophonolithe bestehen also in wesentlichem
Gemenge aus Leueit, Nosean und Sanidin; dazu treten mehr
unwesentlich bald in dem einen, bald in dem andern die oben
genannten Mineralien.
Besonders charakteristisch und allen andern Gesteinen der
bekannten Erde gegenuber speecifisch ist die Hauptbetheiligung
des nur in der Umgegend vom Laacher-See bekannten No-
seans an einer Gesteinsbildung, aber auch nicht minder cha-
rakteristisch die Association dieses reinen und reichsten Na-
tronminerals mit dem reinen und reichsten Kaliminerale, mit
dem Leueit, Der Sanidin ist vielen, fast allen vulkanischen
Gesteinen eigen, also den vorliegenden ebensowenig wie diesen
typisch. Aus diesem Grunde möchte ich diese drei Gesteins-
varietäten unter dem nicht unbequemen Namen „Nosean-Leucit-
Gestein“ in die Petrographie einführen, da ich durch das Obige
nachgewiesen habe, dass alle bisherigen, mannichfachen Namen
für diese Gesteine durchaus ungeeignet oder nicht den Kern-
punkt treffend sind. Im petrographischen Systeme würde die-
ses Gestein zwischen den eigentlichen Phonolith und den Ne-
phelinit (Basalt) zu stehen kommen.
Tritt namlich in der Mischung dieses Nosean-Leucit-Ge-
steins einmal der Gehalt an Schwefelsäure und Chlor ganz zu-
ruck, so kann sich kein Nosean bilden, sondern Nephelin [denn
Nosean (1:3:4) -!I- Leueit (1:3:8) können bilden Nephelin
(1:3:4,5)]; nimmt zweitens zugleich der Gehalt an Sanidin
N.
und Hornblende durch Aufnahme von Kieselsäure, Kalkerde
und Magnesia zu, So entsteht ein wahrer Phonolith. Nimmt
dagegen der Gehalt an Kieselsäure ab, der an Kalk und Magne-
sia bedeutend zu, kann sich zugleich wegen sehr geringen Ge-
haltes an Schwefelsäure und Chlor, die mehr Kalk als Natron
finden, kein Nosean, sondern nur höchstens eine Spur Hauyn
bilden und wegen Abnahme der Alkalien, besonders .des Kali,
nur wenig Leueit neben Nephelin entstehen, so erhalten wir
Nephelinit (Basalt, basaltische Laven).
Denn fügt man zu 100 Theilen der oben mitgetheilten
Zusammensetzung des sogenannten Noseanphonolithes noch .
ungefähr 5 Theile Thonerde und Eisenoxydul, 24 Theile Kalk-
erde und Magnesia und zieht 6 Theile Alkalien und 3 Theile
Wasser ab, so erhält man ungefähr 118,5 Theile einer Mischung
von der procentigen Zusammensetzung:
Kieselsäure
Titansäure J 44,96
Ihonerde; ....;. 13:15
Eisenexyd . . .. 9,16
Eisenoxydul . 4,06
Kalkerde . . 11,42
Magnesia . . 10,43
Kal. 2. ...0042.0228)
Natron... au DAT
Wasser, ; .. ...0,36
| 29,83,
welche genau die durchschnittliche Zusammensetzung der nieder-
rheinischen Laven (MITSCHERLICH, die vulk. Erschein. der Eifel,
S.21 Tabelle, und diese Zeitschrift Bd. XV. S. 373, Bd. XVI.
S. 672) und die ungefähre aller niederrheinischen Basalte ist.
In der chemischen Zusammensetzung stehen mithin die
sogenannten Leucitophyre und das sogenannte Nosean-Melanit-
Gestein zwischen Basalten und den sogenannten Noseanpho-
nolithen. |
2. Basalte und Basaltlaven.
Die petrographische Kenntniss der nicht übersauren Sili-
katgesteine, die man abgesehen von ihren Altersverschieden-
heiten früher unter dem Namen Grünsteine zusammenfasste
und jetzt noch vielfach Pyroxengesteine nennt, liegt be-
319
kanntlich noch sehr im Argen. Am meisten von jeher bearbeitet
‘ und am besten bekannt sind darunter noch die jüngsten neu-
plutonischen und vulkanischen Gebilde, welche den Familien-
namen der Basalte und Basaltlaven tragen; aber welche Ver-
wirrung, welche Meinungsverschiedenheiten herrschen bei den
Geologen noch in diesem Punkte!
Nach dem geologischeu Alter und der Eruptionsart zer-
fallen die Gesteine dieser Gruppe in zwei Parallelreihen: 1) äl-
tere und plutonische oder eigentliche Basalte und 2) jüngere
vulkanische oder Basaltlaven.
Unter Basalt mit den Subspecies Dolerit und Anamesit
versteht man gemeinhin ein dichtes oder kryptokrystallinisches
resp. krystallinisches Gemenge von Labrador, Augit (thonerde-
haltig) und Magneteisen mit mehreren andern unwesentlichen
Mineralien. (v. Decuen, Siebengebirge S. 149, G. BiscHor,
- Lehrbuch d. phys. u. chem. Geol., 1. Aufl. II. S. 640 u. 715 und
Andere). Hiervon zweiste man schon früh unter dem Namen
Nephelindolerit oder Nephelinit ein Gestein ab, in welchem der
Labrador ganz oder theilweise durch Nephelin vertreten wird.
In der Parallelreihe, den Basaltlaven, zu denen alle
niederrheinischen Laven gehören, unterschied man früher nur
dichte oder Basaltlaven im engeren Sinne des Wortes und kry-
stallinische oder Doleritlaven, den obigen älteren Gesteinen
analog. Die dem Nephelinit ‘entsprechenden Laven wiesen
meines Wissens zuerst die Arbeiten des Herrn v. DECHEN (geo-
gnostischer Führer zu der Vulkanreihe der Vordereifel, Bonn,
1861; geognostischer Führer zu dem Laacher-See, Bonn, 1864,
und diese Zeitschrift 1865, Bd. XVII, S. 121) nach, indem
derselbe die sogenannten Nephelinlaven von den Augit- oder
Basaltlaven in beiden vulkanischen Gebieten unterschied, je
nachdem er in den Poren der Laven Nephelinkrystalle gesehen
hat oder nicht. In seinen Arbeiten macht er die Laven nam-
haft, die er für wahre Nephelinlaven erkannt hat; in der Eifel
kennt er sie nur an der Aarley und am Kollerknopp bei
Uedersdorf (1. ce. S. 250), sagt aber in seiner letzten Arbeit
(1. ce. Bd. XVN., 1865, S. 121): „es ist indessen zweifelhaft,
ob die Zusammensetzung beider Gesteine nicht dieselbe ist und
der Nephelin, wenn auch nicht wahrnehmbar, in den Basalt-
laven enthalten ist, da chemische Analysen der sogenannten
Basaltlaven aus beiden Gebieten zur Entscheidung dieser Frage
-
320
fehlen.* Diese Annahme von Nephelinlaven acceptirt Herr
FucHs in seinen vulkanischen Erscheinungen der Erde S. 165.
Gegen diese bisherige Ansicht über ‘die mineralogische
Zusammensetzung der Basalte spricht sich Herr F. ZiRkEL
(mikroskopische Gesteinsstudien, Bd. XLVII. der Sitzungsbe-
richte der k. k. Akad. der Wiss. zu Wien $. 248ff.) aus.
Durch die mikroskopische Untersuchung von den niederrheini-
schen Basalten will er zu der Ansicht gedrängt sein, die Ba-
salte beständen wesentlich nnr aus Feldspath, Magneteisen und
Olivin; Augit, den man meist als Bestandtheil des Basaltes
vorauszusetzen und zu berechnen pflege, finde sich in vielen
Gesteinen gar nicht, in allen anderen scheine dieses Mineral
lange nicht so verbreitet zu sein, als man glaube, und wo man
Augitkrystalle sähe, hätten sie unter dem Mikroskope vollig das
Aussehen von zusammengehäuften Magneteisenkörnern und
schienen auch in der That zum grössten Theile aus diesen
zusammengesetzt. Diese Ansicht, der Augit vieler Basaltge-
steine sei eine Pseudomorphose von Magneteisen, spricht schon
Herr TscuermaAck (Sitzungsberichte der Wiener Akademie XLVI.
(2) S. 485), aus und ihr schliesst sich in Betreff des Gesteins
von Meiches Herr Knopp (Jahrbuch von LEONHARD und GEINITZ
1865, S. 685) an.
Die Ansicht über die Zusammensetzung des Basaltes von
Herrn ZIRKEL ist eine irrige; das beweisen alle Handstücke
von Basalt und Basaltlava, ferner alle MıtscHeruicz’schen Par-
tialanalysen der Eifeler Laven, sowie überhaupt alle chemischen
Untersuchungen von Basalten; denn es ist ein zwar empirisches,
aber durchweg bestätigtes Gesetz der Petrographie, dass sich
alle Mineralien, die in einem plutonischen Silikatgesteine als
Ausscheidungen sichtbar sind, als Gemengtheil der Grundmasse
wiederfinden, und in allen Basaltgesteinen finden wir Augit-
ausscheidungen und ganz besonders in den von Herrn ZIRKEL
untersuchten.
Herr J. Rot# (E. MiTscHEruich: uber die vulkanischen
Erscheinungen der Eifel. Berlin 1865. S. 16 und 23) hat
chemisch und mineralogisch sehr richtig nachgewiesen, dass
alle Laven und Schlacken der Eifel ganz dasselbe Gestein sind,
und dass sie weder chemisch, noch petrographisch in irgend
einer Weise von den älteren .Basalten am Niederrhein getrennt
werden dürfen, sie sind alle Nephelinlava oder Nephelinit.
321
Zu demselben Resultate bin ich aus gleichen Gründen für
die Laven und Schlacken in der Vulkangruppe des Laacher-
Sees gekommen. In der Natur, wie in der vorliegenden Samm-
lung, lassen sich in allen Laven, sobald sie krystallinisch oder
porös genug werden, die Nephelinkrystalle nachweisen, auch
an denen, in welchen Herr v. DEcHEn sie nicht beobachtet
hat; von vielen dieser Gesteine mache ich nur namhaft die
Lava von der Mauerley bei Glees, vom Fornicherkopf am
Rhein, vom Bassenheimerwald und Wannenkopf bei Saffız, wo
die Nephelinkrystalle ebenso schön in die Gesteinsporen hinein-
ragen, wie bei der Lava von Mayen und Niedermendig.
Die Nephelinkrystalle in den Gesteinsporen oder dessen
Gemenge sieht man um so leichter und schöner, je poröser
und krystallinischer die Gesteine werden; in den ganz dichten,
also vorzugsweise im Basalte, sieht man sie schr selten oder
gar nicht; dass sie aber darin sind, beweisen die chemische
Analyse, die mikroskopischen Untersuchungen und das spora-
dische Vorkommen der Nepheline in den seltenen Poren der
sonst dichten Gesteine. Unter vielen Beispielen möge für
diese Behauptung ein Beweis dienen. In dem bekannten, zur
Basaltgruppe gehörigen, sogenannten Dolerit der Löwenburg im
Siebengebirge hat man nie als Gemengtheil den Nephelin ver-
muthet, bis die chemischen und mikroskopischen Untersuchun-
gen des Herrn vom Rara (diese Zeitschrift Bd. XII., 1860,
S. 40) ihn als unzweifelhaftes Gemengmineral kennen gelehrt
haben.
Da mithin alle niederrheinischen Basalte, Basaltgesteine,
Laven und Schlacken Nephelinit sind, ist es, wie Herr RorH
thut, ganz gleich, ob man sie ferner Nephelinit resp. Nephe-
linitlava nennt oder Basalt resp. Basaltlava.
Was hiermit von den niederrheinischen Gesteinen der Ba-
saltfamilie nachgewiesen und gesagt worden ist, werden ohne
allen Zweifel spätere Untersuchungen von allen basaltischen
Gesteinen der Erde bestätigen, so dass man alle Trennungen
und Absonderungen von Gesteinsarten in der Familie der Ba-
salte wieder vereinigen kann unter dem ersten, früher einzigen
Namen „Basalt“ resp. „Basaltlava“, dem die Priorität zusteht.
War es doch der Basalt vom Wickenstein in Schlesien, von
dem Herr Girarp nachgewiesen hat, dass in ihm Nephelin
neben Labrador vorkomme.
Zeits.d.d.geol.&es. XVIIL. 2, 21
‚322 =
Die Gesteinsart Nephelinit ist für mich somit schon ganz
wieder aufgehoben; es fragt sich nur noch, ob man von dem
neuen Begriff „Basalt“ den Dolerit mit dem Anamesit trennen
muss, oder ob auch dieser in jenem als chemisch und minera-
logisch dasselbe Gestein aufgehen muss.
Um diese Frage zu entscheiden, müssen wir mineralogisch
erst die Diagnose von Basalt suchen und feststellen. Dieses
soll die Absicht dieses zweiten Abschnittes sein. |
® Wie verschieden die chemische Zusammensetzung der Ba-
salte sein kann, zeigen uns sowohl die älteren Gesteinsanaly-
sen, als ganz besonders die neuen, mit vieler Sorgfalt gemach-
ten der niederrheinischen Basaltlaven durch die Herren Mır-
SCHERLICH und vom Rara (Vulkanische Erscheinungen der Eifel
S.21ff., diese Zeitschrift Bd. XV. S. 374 u. Bd. XVI. S. 672).
Die Differenzen in der chemischen Zusammensetzung entsprin-
gen nicht aus einer qualitativ verschiedenen mineralogischen
Zusammensetzung, sondern aus einer quantitativ abweichenden
' Mischung, wie Herr Roru so klar aus den MırscHerLich’schen
Partialanalysen nachgewiesen hat. Sehen wir ja doch unter
den niederrheinischen und allen übrigen Basaltgesteinen bald
den Augit oder Feldspath (in Salzsäure unlösliche Gemeng-
theile), bald den Olivin oder Nephelin (lösliche Gemenstheile),
vorwiegen und die übrigen Gemengtheile mehr oder weniger
verdrängen. Diese quantitativ verschiedene mineralogische Zu-
sammensetzung finden wir chemisch ausgedrückt in dem Pro-
centsatze des löslichen Bestandtheiles im Gesteine durch die
Partialanalyse. Derselbe schwankt z. B. in den so ziemlich
gleichgearteten Eifeler Laven nach den MıTscHeruich’schen Ar-
beiten zwischen 62,60 und 94,05 pCt., wenn Gesteinsstück-
chen in concentrirtester Salz- oder Salpetersäure in zuge-
schmolzenen Röhren bei 100 Grad C. lange Zeit digerirt
wurden.
Die niederrheinischen Basalte und die Laven des Laacher-
See-Gebietes weichen chemisch und petrographisch unter sich
und von denen der Eifel nicht mehr ab, als diese unter sich;
was also von dem Einen gilt, ist auch für die Anderen maass-
gebend. Was hier von den niederrheinischen Gesteinen der
Basaltfamilie gesagt wird, werden ohne Zweifel spätere ver-
gleichende Arbeiten über die Basalte und Basaltlaven im All-
L°
323
gemeinen bestätigen und dadurch in einem verwirrten und ver-
wirrenden Theile der Petrographie Ordnung schaffen.
Was Basalt und Basaltlava mineralogisch ist, lässt sich
wegen des meist so kryptokrystallinischen, homogenen, oft fast
dichten Gefüuges, in dem kaum ein Bestandtheil von dem an-
deren zu unterscheiden ist, schwer sagen; dieses ist auch der
Grund, weshalb man trotz der vielen Arbeiten und Analysen
von diesen Gesteinen so wenig im Klaren und so verschiede-
ner Ansicht ist, während die gleichalterigen, entsprechenden,
sauren Silikatgesteine, die Trachyte mit ihrem oft grobkrystal-
linischen Gefüge- schon so genau bekannt sind; aus diesen
Gesteinen hat man es nämlich ermöglichen können, die einzel-
nen Gemengmineralien zu scheiden und für sich zu analysiren,
während man bei den Basalten bisher nur wenige grössere
Ausscheidungen aus der Grundmasse hat untersuchen können-
Nimmt man auch den Basalt zur Hand, der in der Grund-
masse das möglichst gröbste krystallinische Gefüge hat, so ver-
geht Einem der Muth, darin die Gemengmineralien zu bestim-
men. Man würde ganz an der Ausführbarkeit dieser Arbeit
verzweifeln, wenn nicht sowohl Basalte als Basaltlaven ihre
schwachen Seiten hätten, von denen man sie uberlisten und
ihnen beikommen könnte. Das eine Gestein verräth Dieses
hierdurch, das andere Jenes dadurch, wenn man nur in der
Natur und in guten &rossen Sammlungen sorgfältig ohne ge-
scheute Mühe nach diesen schwachen Seiten fahndet. ‘Was
A nicht sagt, sagt B; alle diese Beobachtungen muss man kri-
tisch zusammenstellen ünd sichten, dann gelangt man zu wahr-
heitsgetreuen Resultaten.
Die Hinterthüren, durch die ich mich in die Geheimnisse
der Basaltfamilie eingestohlen habe, sind etwa folgende:
l) Sehr weit kommt man, wie vielfache Erfahrung aller
Petrographen gelehrt hat, mit einer kritischen Interpretation
der Gesammt- und Partialanalysen. Sehr schön in dieser Be-
ziehung sind die Erfolge des Herrn RorH über die mineralo-
gische Zusammensetzung der Eifeler Laven, auf welche ich
gleich zurückkommen werde.
2) Eine feinere Hinterthur ist das oben genannte, empiri-
sche Gesetz von bisher ganz allgemeiner Gültigkeit in der Pe-
trographie: was als Ausscheidung aus der Grundmasse sichtbar
ist, bildet auch einen wesentlichen oder unwesentlichen Ge-
2
-
324
mengtheil der Grundmasse. Die Umkehr dieses Gesetzes ist
möglich und sehr häufig, aber durchaus nicht nothwendig (diese
Zeitschrift Bd. XVI., 1864, S. 681).
- 3) Ein Verräther sind die sogenannten Concretionen d. h.
grössere oder kleinere Nester im Gestein, in welchen das sonst
kryptokrystallinische Gemenge durch allmälige Uebergänge so
grobkrystallinisch oder körnig wird, dass man dessen Bestand-
theile nicht nur sicher mineralogisch bestimmen, sondern auch
für sich analysiren kann. Nur muss man hierbei vorsichtig
. zu Wege gehen, dass man nicht fremde Einschlusse für Con-
cretionen hält und umgekehrt. Bei längerem, auf diese Unter-
scheidung gerichtetem Studium kann man jedem Truge entge-
hen, nur muss man Gesteinsstucke, die Einem nur irgend wie
zweifelhaft sind, nie als Material zu diesem wissenschaftlichen
theoretischen Bau verwenden. |
4) Ebenso sichere Führer sind die aus der Grundmasse
des Gesteins in etwaige Poren und Drusen beim Erstarren der
Gesteinsmasse hineinkrystallisirten, gleichsam hineinefflorescir-
ten, Krystallisirten, primären Mineralien. Gerade so, wie man
sich bei den Üoncretionen vor etwaigen Einschlüssen hüten
muss, muss man sich hier vor sekundär gebildeten Drusen-
mineralien in Acht nehmen, die Infiltrations- oder Zersetzungs-
produkte sein können, wie z. B. die Zeolithe, Kalkspath,
Arragonit, Gyps, Kieselsäure und dergl®chen mehr. Uebung
und Umsicht sind neben Vorsicht auch hier die besten Lehr-
meister. |
Mit Hulfe des ersten Schlussels kommt Herr Rott (l. e.
S. 21 ff.) für die Laven der Eifel zu folgenden Resultaten, de-
nen ich nur, wie unten bewiesen, theilweise beipflichten kann:
1) Der bei den Partialanalysen MırscarrLicH’s erhaltene
Rückstand ist schwarzer und grüner Augit in Krystallen und
deren Bruchstücken, bisweilen vermengt mit kleinen farblosen
Prismen. Dieser unlösliche Bestandtheil stimmt in seiner,
allerdings schwankenden Zusammensetzung noch immer ziem-
lich gut mit der des Augits aus Eifeler Laven überein, die
Abweichungen erklären sich hinlänglich aus den beigemengten
farblosen Prismen, die Herr Roru mit Recht nur für einen
' Feldspath halten kann. Für die Laven und Basalte der Eifel
leugnet derselbe das Vorhandensein eines gestreiften Feldspa-
thes, besonders des Labradors, weil man ihn noch nicht ge-
325
sehen hat, obwohl Herr Roru selbst sagt, dass bei der gerin-
gen Menge und Kleinheit der Prismen im unlöslichen Rück-
stande eine sichere mineralogische Bestimmung nicht thunlich
ist. Weil man einen Feldspath im unlösliehen Ruckstande
anzunehmen berechtigt ist, weil man Sanidin in dem ganz ähn-
lichen Gesteine von Meiches kennt, weil man Labrador nie
neben Nephelin nachgewiesen hat, weil man in den labrador-
reichen Laven (Dolerit) den Labrador nach Behandlung mit
Salzsäure bei 160 bis 180 Grad mineralogisch nachweisen kann,
in den ebenso behandelten Eifeler Gesteinen aber nicht, hält
Herr Rorzs die farblosen Prismen nicht für Labrador, sondern
für Sanidin.
2) Alle übrigen Silikate und das Magneteisen der Basalte
lösen sich vollkommen auf. Die chemische Zusammensetzung
des löslichen Bestandtheiles weicht in den Laven sehr von
einander ab. Der lösliche Theil besteht sicher aus den mine-
ralogisch sichtbaren Mineralien Olivin, Nephelin, Magneteisen.
Da dieselben aber kalkfrei oder nur sehr kalkarm sind, muss
bei dem hohen Kalkgehalte des löslichen Theiles noch ein kalk-
haltiges, bisher noch nicht erkanntes Mineral an der Zusam-
mensetzung Theil nehmen. MITSCHERLICH war geneigt, diesen
Kalkgehalt durch Annahme von Anorthit zu erklären; Herr
Ror# stellt dagegen die Oonjectur auf, das kalkreiche Mineral
könne Humboldtilith sein, der in der Nephelinlava vom Her-
chenberg bei Laach und am Capo di Bove bei Rom mit Ne-
phelin zusammenvorkommt. Ueber den hohen Kaligehalt des
löslichen Bestandtheiles erklärt sich Herr Rors in der Arbeit
nicht, obwohl weder Olivin, noch Nephelin, noch Humboldtilith
denselben motiviren.
Auf die Kritik dieser Ansicht des Herrn Rorn. komme ich
bald zurück.
In der Natur, in den vorliegenden Sammlungen und in der
Literatur sind mir folgende Ausscheidungen bekannt geworden:
a. im niederrheinischen Basalte: Olivin, Hornblende, ge-
meiner Augit, titanhaltiges Magneteisen, Sanidin, gestreifter
Feldspath (Labrador?), Enstatit, Bronzit, Diopsid, Picotit,
Masnetkies, Schwefelkies, Hyazinth, Sapphir, Nephelin;
b. in den Laven des Laacher-See-Gebietes: Olivin, Augit,
Glimmer, Hyazinth, Nephelin, Leucit, Sanidin, Hauyn, Zirkon,
Sapphir, Granat, Magneteisen, Smaragd, Spinell, Chrysolith,
326
Titaneisen, hen: Hornblende, gestreifter Feldspath en
brador), Melilith (Humboldtilith);
c. in den Laven der Eifel: schwarzer und grüner Augit,
Sanidin, gestreifter Feldspath (Labrador?), Olivin, Glimmer,
Hornblende, Magneteisen, Titaneisen, Hauyn.
Als Drusenmineralien sind mir zur Kenntniss gekommen
in den Laven der Eifel und des Laacher-Sees: Nephelin,
schwarzer Augit, -grüner Augit (Porricin), Leueit, Melilith
(Humboldtilith), Sanidin, Granat und ein unbestimmtes Mineral
in feinen, lebhaft glänzenden Nadeln, welche Horrmann vom
Capo di Bove beschreibt (Geognostische Beobachtungen auf
einer Reise durch Italien und Sieilien $. 48), und welche ich
für Apatit halten möchte.
Diese genannten Mineralien bilden in mannichfaltigen Com-
binirungen die Concretionen, welche ich in der fraglichen Samm-
lung beobachtet und im Folgenden beschreiben will, in dem
ich einige theoretisch wichtige Fragen aufstellen und durch die
"beschriebenen Beobachtungen beantworten werde.
1. Ist, wie Herr Roru behauptet, Sanidin ein Gemeng-
theil der Basalte und Laven?
a. Die von Herrn Rorn beschriebenen, farblosen Prismen
unter den Augitkrystallen im unlöslichen Rückstande der ana-
lysirten Laven der Eifel befinden sich in unserer Sammlung
und ‘dürften ohne Zweifel wenigstens zum Theil Sanidin sein;
eine sichere Bestimmung derselben ist allerdings unthunlich
wegen der mikroskopischen Kleinheit.
b. Aus dem Dolerite der Löwenburg im Siebengebirge habe
ich fruher grössere Ausscheidungen eines nicht gestreiften, gla-
sigen Feldspathes gefunden, welche Herr vom RArH (diese
Zeitschrift Bd. XII., 1860, S. 40 ff.) beschrieben, gemessen,
analysirt und als Sanidin bestimmt hat.
| c. In dem mit vielen niederrheinischen Basalten und La-
ven gleichen Nephelindolerit von Meiches hat Herr Knop
(Jahrbuch für Mineralogie u. s. w. 1865 S. 674ff.) den $Sa-
nidin erkannt, analysirt und gemessen; allein die Resultate der
Analyse lassen es noch zweifelhaft, ob dieser Sanidin nicht
mit einem kieselsäureärmeren Feldspath verwachsen vor-
kommt; wir müssen uns in diesem Falle lieber an die Messun-
gen halten.
d. Nach Herrn vom Rıru befinden sich (v. DEcHEn, geog.
327
Führer in die Eifel S. 79) auch kleine Sanidinkrystalle in den
Poren der Eifeler-Lava mit Porriein und Nephelin zusammen.
e. Manche Handstucke von Laven und Schlacken aus der
Mischeruicw’schen Sammlung von Bertrich, Wollmerath und
besonders von Uedersdorf enthalten grössere Ausscheidungen
von Sanidin, die Herr v. DecHen (l. c. S.31) und Herr Rork
(l. ec. 8. 55, 56) alle für Einschlüsse von zerbröckeltem Tra-
chyt halten, weil sich derselbe in dem Gesteine von Bertrich
vielfach als Einschluss findet, von denen Herr Roru mit Recht
(l. ec. S. 30) sagt: „Haben die Trachyteinschlüsse nur kleine
Dimensionen, so kann man verleitet werden, die unverändert
gebliebenen Sanidine für Gemengtheile der Lava zu halten;
allein meist weisen Theilchen von geschmolzenem Glimmer und
Hornblende darauf hin, dass man es mit einem Einschlusse zu
thun hat; auch durch das körnigrissige Gefüge der (aus Trachyt
stammenden) Sanidine wird man auf diese Ansicht geleitet.“
Das ist für einen Theil der Sanidine in der Lava von Bertrich
ganz richtig; ein anderer Theil derselben und der von Ueders-
dorf und Wollmerath, mit ganz von jenem verschiedenem Aus-
sehen, kann aber nur als Ausscheidungen aufgefasst werden.
Aus diesen fünf Belegen erhellt, dass man den Sanidin als
einen Gemengtheil der Basaltgesteine anzusehen berechtigt und
gezwungen ist.
2. Ist ein gestreifter Feldspath ein Gemengtheil der Ba-
salte, und welcher Species ist derselbe ?
Diese Frage muss, wie oben gesagt, Jedem lächerlich oder
wenigstens müssig erscheinen, der dieletzte Arbeit desHerrn RorH
über die Basaltgesteine der Eifel nicht gelesen hat, weil man
den Labrador bis dahin als einen wesentlichen oder den allein
wesentlichen Gemengtheil aller Basalte und Dolerite ange-
sehen und nie angezweifelt hat. Nun mit einem Male macht
Herr Rort# einen Strich durch die Rechnung mit der oben an-
geführten Behauptung, kein gestreifter Feldspath, am allerwenig-
sten ein Labrador, finde sich irgendwo als Gemengtheil der
Eifeler Basalte und Basaltlaven. Ja, mündlichen Mittheilungen
zufolge geht Herr Roru noch viel weiter, indem er diese Be-
obachtung auf alle Basalte überträgt. Labrador ist nach ihm
der wesentliche Gemengtheil der eigentlichen Dolerite, die so
selten sind’ (z. B. am Aetna), und die keinen Nephelin ent-
halten, sondern wesentlich aus Labrador, Augit, Olivin und
328
Magneteisen bestehen, während alle Basalte mit den meisten
bisher noch genannten Doleriten Gemenge wesentlich von Dr
phelin, Augit, Olivin und Magneteisen sind.
Wie gerechtfertigt ist bei solcher Meinungsdifferenz die
obige Frage und wie interessant und wichtig deren Beant-
wortung! Thatsachen mögen entscheiden:
a) Zwei Stücke in der MinscHerLicH'’schen Samiılımha, die
Herrn Rorr bei der Aufstellung der mitgetheilten Behauptung
entgangen sein müssen, beweisen das Vorhandensein eines ge-
streiften Feldspathes in den Laven und Schlacken der Eifel;
das eine Stück ist Lava vom Westrande der Falkenley bei
Bertrich mit einem deutlich ausgeschiedenen Krystalle solchen
Feldspaths, das zweite eine Wurfschlacke vom Dreiser Weiher
mit vielen Devon- und Trachyteinschlussen neben einer Concre-
tion von gestreiftem Feldspath und Augit (also keine Ver-
wechselung mit Trachyteinschluss), die in keiner Weise von
den folgenden Concretionen in der Lava von Mayen und Men-
dig zu unterscheiden ist.
b) Im Dolerit der Lowenburg beobachtete Bene voM
Rıtn (s. diese Zeitschrift Bd. XII, 1860, S. 40) einen ge-
streiften Feldspath.
c) An mehreren Handstücken der Lava von Mayen und
Niedermendig aus der MiTscHerLicH’schen Sammlung beobachtet
man in der porösen, feinkrystallinischen Masse gröbere Con-
cretionen von wasserklarem oder durchscheinendem, prachtvoll
gestreiftem Feldspath mit schwarzem Augit. Eine fast einen
halben Quadratzoll im Querschnitt grosse Concretion besteht
aus einem Feldspathkrystall, der nach allen möglichen Rich-
tungen hin von schwarzen Augitkrystallen durchwachsen ist.
Nephelin ist natürlich in der klaren Feldspathmasse nicht zu
sehen. Eine zweite dieser Ooncretionen fuhrt als drittes Ge-
. mengmaterial noch Körner eines grünen Augits vom Aussehen
des Epidots, aber nach meinen Messungen mit den Spaltungs-
winkeln des Augits. Eine dritte dieser Concretionen ist sehr
viel grösser, nämlich 1% Zoll im Durchmesser und ein so
‘grobes Gemenge, dass ich von ihr hinlängliches Material zu
einer Analyse entnehmen konnte, ohne diesem werthvollen
Handstucke wesentlichen Abbruch zu thun. Die Streifung des
Feldspathes ist auf vielen Flächen von 3-—4 Quadratlinien
deutlich mit blossem Auge zu sehen; die Concretion enthält
329
auf Poren und Drusen Nephelinkrystalle und Nadeln des so-
genannten Porricins. Der vorwiegende Feldspath umschliesst
die schwarzen Augit-Krystalle und Körner, sowie gelbe Körn-
chen, die nach der Farbe zu schliessen, vermuthlich Titanit
‚oder weniger wahrscheinlich Melilith sind. In einer anderen
Concretion umschliesst der Feldspath noch blauen Hauyn und
Körnchen eines hell röthlichen glasartigen Minerals , welches
Zirkon oder Granat sein dürfte. In solchen Coneretionen
herrscht bald der Augit, bald der Labrador. Eine derselben
mit Nephelin und Titanit ist am Rande zu Kaolin verwittert,
der die Augite und Titanite umschliesst und in kleinen Poren
winzige, wasserklare Quarzdihexaäder enthält.
Um zu erforschen, welcher Species dieser gestreifte Feld-
spath zuzurechnen sei, analysirte ich den der oben genannten
Concretion im Laboratorium der Bergakademie zu Berlin. Das
segluhte, weisse Pulver reagirte nur schwach auf etwas Eisen
und im Spectralapparate auf unbestimmbare Spuren von Kali
und Lithion und ergab folgende Zusammensetzung:
OÖ
Kieselsaure 57,287 30,551 1,88
Thonerde 265183:.542,505 3
Eisenoxydul Spur
Kalkerde 8.009 2,288
Magnesia 0,284 0,114 1
Natron 6,842 1,766
ie
Da die Analyse mit grösster Vorsicht ausgeführt wurde,
da im Mineral die Kalimenge sich als unbestimmbar erwies,
und da das Mineral fast ganz frisch war, berechnete ich wegen
Mangels an Material zu einer direkten Natronbestimmung die
obige Menge Natron nach dem Verhältniss von R:R wie 1:3
aus den Sauerstoffimengen von den Basen. Das Sauer-
stoffverhältniss ist hiernach 1:3 :7, 33 also bedeutend zu
niedrig für Oligoklas, der das Mineral schon wegen des hohen
Kalkgehaltes nicht sein kann, und zu hoch für Labrador, auf
den der hohe Kalkgehalt deutet und gegen den der grosse
Natrongehalt nicht zeugt.
Nach der Zusammensetzung kommt er am nächsten dem
sogenannten Andesin, aber was ist Andesin?!
330
Berechnet man, der Theorie des Herrn Tscuernax folgend,
alle Kalkerde und Magnesia als Anorthit:
| OÖ.
Kieselsäure 18,016 9,608 4
Thonerde 15,433 7,206 3
Magnesia 0,284 0,114
Kalkerde 8,009 2,288/
41,742
so bleibt ein Natronfeldspath genau von der Zusammensetzung
des Albits, namlich
Kieselsäure 39,271 20,943 11,89
Thonerde 11,350 5,299 3
Natron 6,842 1,766 1
57,463
Hierdurch wird es höchst wahrscheinlich, dass der ge-
streifte Feldspath ein Gemenge oder eine Verwachsung von
42 Theilen Anorthit mit 58 Theilen Albit ist, so dass in den
Basaltgesteinen alle drei Feldspathvarietäten des Herrn TscHER-
MAK, Orthoklas, Albit, Anorthit, sich am Gemenge bethei-.,
ligen.
Sieht man vorlänfig noch von dieser neuen Theorie ganz
ab und hällt sich an die bisherigen Feldspathvarietäten, so
kann man diesen gestreiften Feldspath der Basalte beim Ver-
gleich der obigen Analyse mit denen von anderen Labradoren
nur als solchen bestimmen, für den man ihn bisher in dubio
immer angesprochen hatte.
Hierdurch widerlegt sich sowohl die oben mitgetheilte
Behauptung des Herrn Roth, die Basalte (vorzüglich die nieder-
rheinischen) enthielten keinen Labrador als Gemengtheil, als
auch der Stützpunkt zu dieser Behauptung, dass die Gegen-
wart von Nephelin in einem Gesteine die des Labradors aus-
schlösse, und in das sogenannte Gesetz der Feldspathe des
Herrn Ror#: dass nämlich die Alkalifeldspathe nie als Ge--
mengtheile neben den Kalkfeldspathen vorkommen (diese Zeit-
schrift Bd. XVI, 1864 S. 684), wird eine gewaltige Breche
hindurchgeschossen. Beweisen kann ich es noch nicht, aber
ich zweifele nicht daran, dass in einem Gesteine alle Feld-
spathvarietäten zusammen vorkommen können und vorkommen;
331
das ist auch ein folgerichtiger Schluss aus der Feldspaththeorie
des Herrn TscHEruar.
Da bekanntlich Labrador (resp. Anorthit) in Salzsäure -
zum Theil löslich ist, so muss bei Partialanalysen von Ba-
saltgesteinen der lösliche Bestandtheil kalkhaltig sein. Dass
nicht ausser dem kalkhaltigen Labrador im Basalt noch ein
anderes kalkhaltiges Mineral (Humboldtilith), wie Herr RorH
(s. oben und MiTscHErLicH's vulkanische Erscheinungen der
Eifel) annimmt, als Gemengtheil vorhanden sein kann, wird
hierdurch nicht ausgeschlossen; im Gegentheil, weiter unten
will ich beweisen, dass Herr Rors richtig interpretirt hat.
3. Zum Beweiss, dass alle Basalte nephelinhaltig sind,
will ich einige Beobachtungen aus unserer Sammlung über das
Vorkommen des Nephelins mittheilen.
Das Bekanntwerden dieses Minerals in den Laven der
Eifel und des Laacher-Sees, im Dolerite der Löwenburg, im
Dolerit von Meiches und vielen anderen Basaltgesteinen ist
oben schon berührt worden. Die Bescheibungen des Aussehens
der Labradorkrystalle in der Grundmasse der niederrheinischen .
Basalte unter dem Mikroskope durch Herrn ZirRkEL (Sitzungs-
berichte der kais. Acad. d. Wissensch. zu Wien Bd. XLVLH.
S. 248 fi.) passt eben so gut aüf Nephelin als auf Labrador,
da sich zu diesen Untersuchungen derselbe nicht des polari-
sirten Lichtes bedient hat; sodann sind die von Herrn vom
- Rıt# in der Grundmasse der Lava von der Hannebacherley
bei Laach (diese Zeitschrift Bd. XIV. S. 672) unter dem Mi-
kroskope beobachteten, farblosen, als Anorthit oder Labrador
bestimmten Prismen ohne Zweifel zum Theil Nephelin; denn
sie lösen sich mit Gallertbildung in Salzsäure auf, - und alle
Basalte gelatiniren mehr oder weniger mit Salzsäure; das kann
nicht von Labrador, sondern nur vom Nephelin herrühren.
In den niederrheinischen Laven sieht man die Nepheline
(meist nur sechsseitige Säulchen mit Endfläche und seltenen
Rhomboederflächen, aber auch nach der Endfläche tafel-
formige Krystalle), wie mehrfach beschrieben, in die Poren
des Gesteins hineinragen. Im Gemenge des Gesteins erkenn-
bar sind sie bisher nur durch Herrn v. DEcHEN (geogn. Führer
a. d. Laacher-See $. 298) und Herrn vom Rara (diese Zeit-
schrift Bd. XII. S. 30) von der Lava des Herchenberges be-
schrieben worden, und doch ist diese Beobachtung an allen
332
gröber gemengten Laven jeinem schon weniger geübten Auge
möglich. Ausserdem giebt es vielfach Concretionen in den
Laven, in denen der Nephelin eine Hauptbetheilisung hat.
Wie nämlich die Nepheline in die Poren der Lava massen-
weise gedrängt hineinragen mit den Nadeln des sogenannten
Porrieins, so bilden sie auch mit denselben und seltener mit
Magneteisenkryställchen drusige, poröse Concretionen, gerade
so wie der Labrador mit dem Augit. In die Poren der Ne-
phelinconcretionen ragen niedliche Krystalle von Nephelin und
Porriein hinein. Die tafelartig ausgebildeten Nepheline zeigen
auch öfters Rhomboäderflächen und sind meist grösser als die
säulig entwickelten, oft eine Linie gross. Andere Concretionen
bestehen fast nur aus Augit, Nephelin und Titanit.
4. Ist der Humboldtilith oder Melilith, wie Herr RorH
(l. c.) aus chemischen Gründen vermuthet, ein Gemengmineral
der Basalte ?
Bisher kannte man dieses Mineral in den Basaltge-
steinen nur vom Vesuv und Capo di Bove bei Rom vom
Metellagrabe und in einem ganz analogen Vorkommen in
den Poren, Drusen und Spalten der Lava vom Herchenberg bei
Laach zusammen mit Nephelin, Porriein, feinen, lebhaft glan-
zenden, weissen Nadeln (vielleicht Apatit) und mit Leueit, auf
den ich sofort zuruckkommen werde (diese Zeitschrift Bd. XII.
S. 30). Dieses honiggelbe, in ganz kleinen, quadratischen,
kurzen Säulen meist sehr undeutlich krystallisirte Mineral bildet
in der Lava vom Herchenberge mit Nephelin ein deutlich er-
'kennbares Gemenge; ja, Herr v. DecHzn sagt (l. c. S. 298):
„dieses Gestein scheint nur aus Melilith, Nephelin und Ausgit
zu bestehen wie das Gestein von Capo di Bove.“
Durch die Vermuthung des Herrn Ror# auf den Melilith
aufmerksam gemacht, beobachtete ich beim Bestimmen in der
Sammlung in vielen Laven mit gröberem Gemenge mit Nephe-
lin besonders einen körnigen Gemengtheil von ‘der honig-
gelben, truben Farbe des Meliliths vom Herchenberge, der
weder verwitterter Olivin, noch Titanit sein konnte; die Hand-
stucke der Lava von Muhlenberg, Besberg und Rusbusch bei
Niederbellingen, so wie vor Allem die Schlacken von _Woll-
merath nahmen mir jeden Zweifel darüber, ob wirklich der
Melilith ein Gemengtheil der niederrheinischen Laven sei. Nach-
dem auf dieses Vorkommen einmal die Aufmerksamkeit ge-
333
lenkt ist, werden die Mineralogen dieses Mineral nach und
nach in ..allen Basaltgesteinen nachweisen.
5. Ist Leueit ein Gemengtheil der Basalte? Derselbe ist
mehrfach als in Laven gefunden beschrieben worden, so auch
in der Lava von Niedermendig als muschelige Stücke von glas-
glanzartigem Fettglanz in mit Porriein ausgekleideten Höhlungen
(v. Decnzs, Führer an den Laacher-See 8. 326 und diese
“ Zeitschrift Bd. XVII, 1865, S. 124; Sanpgerger, Jahrbuch für
Mineralogie u. s. w. 1845 S. 146).
Das Ansehen noch mehr aber die Beschreibung dieser Vor-
kommnisse ist der Art, dass man wohl, wie Herr Fucus (die
vulkanischen Erscheinungen der Erde S.165), verleitet werden
kann, dieses Leucitvorkommen als ein zufälliges hinzustellen,
indem dieses Mineral von der flüssigen Lava umhüllt worden
sein könnte. Dem ist aber in den meisten Fällen und in
allen mir bekannten nicht so.
Herr A. Knop (Jahrbuch für Mineralogie u. s. w. 1865
S. 674) hat den Leueit in dem den Eifeler- und Vesuv-Laven
(Fosso grande) ähnlichen Nephelindolerit von Meiches nachge-
wiesen und analysirt; die Beschreibung dieses Vorkommens ist
sehr interessant für das gleich zu beschreibende in den nieder-
rheinischen Laven; es ist an beiden Orten genau dasselbe.
Eine Interpretation der durch MITScHErLicH bekannt gewor-
denen Zusammensetzung des löslichen Bestandtheiles der Eifeler
Laven führt schon zu der Vermuthung, das der Leueit ein Gemeng-
theil dieser Laven sei, weil der lösliche Bestandtheil sehr kali-
haltig ist und die bisher bekannten, löslichen Gemengmineralien der
Basalte (Olivin, Magneteisen, Labrador, Nephelin) ganz kali-
frei oder doch wenigstens nur sehr kaliarm (Nephelin) sind.
In den oben beschriebenen Drusen und Klüften mit den
effloreseirten Nephelin-, Melilith-, Porriein- und Apatit (?)-Kry-
stallen der Lava vom Herchenberg beobachtete ich zuerst unter
denselben Verhältnissen wie die letztgenannten Mineralien d.h.
als Ausblühungen zahllose, kleine, mohnkorngrosse,, eckig-
kugelige Körner eines gelblichweissen Minerals, denen man
eine gerundete Krystallform, die des Leucitoäders, sofort an-
merkte. Nach längerem Suchen fand ich denn auch wirklich
gut ausgebildete Leucitoederformen, und zwar nicht nur in den
Pören der Lava vom Herchenberg, sondern unter denselben
_ Verhältnissen in der porösen Schlacke von Wollmerath, in der
334
Lava des Altenberg. bei Schalkenmehren, von Zilsdorf, vom
Kalenberg bei Zilsdorf und vom Geisbusch bei Auel. An den
letztgenannten Orten sind diese Leucitofder glasig, vollkommen
durchsichtig, farblos oder grünlich und so scharfkantig und
spiegelnd, dass sie trotz der geringen Grösse Herr vou Rırta
gemessen und als Leucitoeder bestimmt hat (diese Zeitschrift
Bd. XVII, 1865 S. 122; v. Decuen, Führer in die Eifel $. 71).
Weil Herrn vom Rıarh diese Leucitoöder aufgewachsen schienen
wie ein sekundäres Drusenmineral, hat derselbe diese Leucito-
&der als Analeim bestimmt; das sind sie aber nicht, denn sie
geben beim Erhitzen kein Wasser, gelatiniren nicht in Salz-
säure, sondern scheiden die Kieselsäure als pulveriges Skelett
ab und zeigen selbst im Spectralapparat nur die geringste
Spur Natron, kein Lithion, wohl aber etwas Kalk, von dem
mit ihnen verwachsenen Melilith herrührend, und vor Allem
Kali, welches man auch schon sehr deutlich mit Platinchlorid
in alkoholischer Lösung durch reichlichen Niederschlag nach-
weisen kann.
Somit war denn der Beweis geführt, dass Leucit ein Ge-
mengtheil der Basaltgesteine ist, und dass in einem Silikat-
gesteine der Labrador und Nephelin den Leueit nicht aus-
schliessen, wie Herr Roru glaubt (diese Zeitschrift 1864,
Bd. XVI, S. 687).
6. Ob Sodalith, den Herr Knor (l. e.) im Gestein von
Meiches nach der Form beobachtet haben will, aber:nicht ana-
lysirt hat, ein Gemengtheil der Basalte ist, ob er nicht etwa der
gleich krystallisirende Hauyn ist, der sich in den niederrheini-
schen Laven so häufig findet, oder Nosean, den man aller-
dings noch in keiner Basaltlava beobachtet hat, muss ich dahin-
gestellt sein lassen. Fände man später Nosean oder den ver-
wandten Sodalith unzweifelhaft in den Basaltgesteinen, so wäre
: dieses ein Beweis mehr für den früher ausgesprochenen Zu-
sammenhang zwischen den Basalten und Nosean-Leueit-Gesteinen.
7. Glimmer ist mir in wenigen älteren Basalten bekannt,
wohl aber in allen niederrheinischen Laven; desshalb darf man
aber noch nicht, wie Herr Fuchs (die vulk. Ersch. der Erde
S.165), behaupten, der Glimmer möge ein zufälliger Einschluss
in manchen Laven, in denen er hier und da gefunden, sein. >
Wer die Laven der Eifel und des Laacher-Sees, die ihnen
gleichzeitigen und petrographisch identen Schlacken, Rapilli, Sand
339
und Tuffe oft dicht gedrängt mit grossen und kleinen Glimmer-
auscheidungen gesehen hat, muss eine solche Behauptung zu-
zuckweisen. Ein wesentlicher Gemengtheil in den Basaltge-
steinen mag der Glimmer nicht sein, sondern ein oft ganz
fehlender Vertreter der chemisch nahe verwandten Hornblende
und des Augits, die vielfach (s. unten) mit dem Glimmer ver-
wachsen vorkommen.
8. Ausser dem schwarzen, gemeinen, thonerdehaltigen
Augit, dem bekannten Gemengtheile aller Basaltgesteine werden
in denselben noch genannt der Broneit (sogenannte Antho-
phyllit), ein grüner Augit und der sogenannte Porriein. Dazu
treten noch, wie ich gleich zeigen werde, Diopsid und Enstatit,
welche sich eng mit dem Olivin und einem Chromeisenspinell,
dem sogenannten Picotit, associiren.
Die vom einfachen Olivinkörnehen bis kopfgrossen so-
genannten Ausscheidungen von körnigem Olivin in den nieder-
rheinischen und allen übrigen Basalten finden sich grade so in
_ den Laven und Schlacken der Eifel und des Laacher-Sees und
bilden dort bei vielen vulkanischen Eruptionen (besonders Dreis,
Dockweiler, Steffeln, Meerfeldermaar, Pulvermaar, Dannermaare,
Held bei Steinborn, Gerolstein, Bekeldorf, Firmerich bei Daun)
die weitbekannten sogenannten Olivinbomben.
Auf die Aehnlichkeit dieser rheinischen körnigen Olivin-
massen in den Basaltgesteinen einmal mit denen im Basalte
von Beyssac bei le Pui (Dep. Haute Loire) und von Mähne
und andermal mit der körnigen Olivinmasse, welche in den
Pyrenäen, besonders am See von Lherz (Dep. de l’Arriege)
Lager zwischen den Kalken der krystallinischen Schiefer bildet,
und die man mit dem bequemen Namen Lherzolith belegt hat,
hat zuerst in einer kurzen, aber wahrhaft klassischen Beschrei-
bung Herr A. Dss CroizeAux die Aufmerksamkeit gelenkt.
(Manuel de Mineralogie. 1862 S. 541, 65, 542.)
Wer diese genannten Gesteine sieht, unter sich und noch
mit dem Dunit des Herrn HochstETTer, dem derben Olivin-
fels im Gabbro von Dun Mountain bei Nelson auf Neuseeland,
sowie mit dem Olivinfels im Glimmerschiefer der Seefeldalpe
im Ultenthale (Tyrol) vergleicht, muss sich allerdings sehr
vor Verwechselungen hüten.
Dass sich in den rheinischen Olivineinschlüussen ein Augit
findet, der auch selbsiständige Ausscheidungen im’ Basalte bildet,
336
‚und den man Bronecit oder blätterigen Anthophyllit genannt
hat (v. Decnen, Siebengebirge S.153; NöcezrAtu, Rheinland-
Westphalen Ill. S. 285 und dessen Bergschlupf von Unkel
S. 11), war eher bekannt, als Herr Des CLo1zEAux darauf auf-
merksam machte, dass diese Olivinmassen ein körniges Ge-
. menge von vier Mineralien Enstatit, Diopsid, Olivin und Picotit
seien, deren chemische Zusammensetzung wir durch Herrn
Damour (Bull. de la soc. geol. de France XXIX 1861/62
p. 413) und deren physikalische Eigenschaften wir durch
Herrn Des CLo1zEAux kennen gelernt haben.
Da man trotz des fast regelmässigen Prädominirens des
Olivins ein Gemenge von vier wesentlichen Gemengmineralien
nicht gut, wie bisher, körnige Olivinmasse nennen konnte, schlug
Herr Des CLo1zEaux für die von Lherz den Namen Lherzolith
‚vor. Obwohl nun der Lherzolith aus den krystallinischen
Schiefern von den mineralogisch gleichartigen Olivinmassen in
den Basaltgesteinen im Alter, Lagerungs- und Entstehungsart
sehr verschieden ist, glaube ich doch diesen bequemen Namen
auf diese Gesteine übertragen zu dürfen von rein mineralogi-
schem Standpunkte aus. ;
Der rheinische Lherzolith besteht vorherrschend aus öl-
grünen oder olivingrünen, auch gelben, bald helleren, bald
dunkleren, grossen oder kleineren glasglänzenden, im Bruch
muscheligen , selten spaltbaren, theilweise bunt angelau-
fenen ,. theilweise blasigen Körnern, sehr selten (v. DECHEN,
Führer in die Eifel S. 107) Krystallen von Olivin. Da- -
zwischen liegen mehr Stücke als Körner von krystallinisch-
blätterigem, ölgrunem bis nelkenbraunem Enstatit, der durch
Verwittern in Broneit übergeht. In den Basalten ist er kry-
stallinischer als in den Bomben, wo er bei einer Oberfläche,
die wie geschmolzen aussieht, meist muschelig im Bruch ist,
wie so manchmal der gemeine Augit gerade in den Laven der
niederrheinischen Vulkane. Dadurch erinnert er an dunkelen
Olivin, löst sich aber nicht in Säuren und wird beim Ver-
wittern spaltbar. Wird in manchen Bomben das Gefüge gröber,
so erhält er die Spaltbarkeit des Enstatits, ohne seine anderen
genannten Eigenschaften zu verändern; manchmal glaubt man
sogar einzelne Krystalllächen beobachten zu können. In
manchen Bomben gewinnt der Enstatit gegen den Olivin die
Ueberhand und umschliesst nur einzelne Körner von Olivin
337
‘und den beiden anderen Mineralien; in diesem Falle bekommt
er ganz die Augitnatur und wird viel dunkeler, fast schwarz.
Der dritte Gemengtheil, in manchen Bomben und Aus-
scheidungen der zweithäufige, sind kleine, runde, an der Ober-
fläche wie eingedruckte und gefrittete, smaragdgrune Körner
oder Haufwerke derselben, die im Gestein von Lherz nach Herrn
Damour die Zusammensetzung des Diopsids haben.
Der vierte Bestandtheil sieht genau so aus wie das be-
kannte, titanhaltige, muschelige Magneteisen in den niederrhei-
nischen Basalten und Laven; da er aber weder dem Magnete
folgt, noch sich in Salzsäure löst, kann er bei der Aehnlich-
keit mit dem Picotit von Lherz nur dieser, d. h.. nach Herrn
Damour ein Chrommasnesiaspinell sein. Die Oberfläche dieser
Körner ist wie rund geschmolzen und bunt angelaufen, manch-
mal glaubt man an ihr Krystallflächen beobachten zu können,
doch dann täuschen zufällige Bruchflächen.
Es wäre sehr interessant und wichtig, wenn diese mine-
ralogischen Bestimmungen der Gemengmineralien des nieder-
rheinischen Lherzoliths und deren Identifieirung mit denen des
eigentlichen Lherzoliths durch chemische Analysen des ersteren
bestätigt wurden. Das Material dazu habe ich gesammelt,
allein mir fehlte die Zeit zu diesen vier Analysen; auch trug
ich, sie zu machen, Bedenken, da gleichzeitig Herr Rımmeus-
BERG mich bat, ihm das nöthige Material zu beschaffen; möch-
ten diese Resultate bald die Wissenschaft bereichern!
Da diese Lherzolithe Ausscheidungen aus den Basaltge-
steinen und deren Gemengmineralien auch für sich ausge-
schieden sind, so unterliegt es keinem Zweifel, dass dieselben
Gemengmineralien der Basalte sind. Ausser diesen Augiten
habe ich besonders in den Laven von Niedermendig und Mayen
einen grünen Augit fur sich allein sowohl, als auch mit dem ge-
meinen schwarzen Augit zusammen nicht nur in einzelnen Kry-
stallausscheidungen, sondern auch in körnig-krystallinischen Con-
cretionen an Handstücken aus der MITSCHERLICH schen Samm-
lung beobachtet.
Die eine Concretion dieses krystallinisch-körnigen, pista-
ziengrünen Augits von 1 bis 2 Zoll Durchmesser entwickelt
sich allmälig aus der porösen, sehr nephelinhaltigen Lava von
Niedermendig; an einer Seite nur indirekt, indem zwischen bei-
den Massen eine 1 bis 2 Linien schmale Zone von schwarzem
Zeits. d.d, geol.Ges. XVII. 2. 93
338
körnigem Augit sich befindet, der langsam in den grünen uber-
geht, den man wegen der Farbe und des fremden, vom. Augit
sonst so abweichenden Ansehens leicht für Epidot halten kann.
In einzelnen Drusen in dieser. Conceretion ragen bis 1 Linie
grosse Krystalle dieses Augits hinein, die sehr flächenreich
und scharf ausgebildet zu sein scheinen, es aber unter der
Lupe betrachtet nicht sind; denn sie bieten nur eine noch eben
im Reflexionsgoniometer messbare Saule mit den Winkeln des
Augites, die Kopfflächen derselben sind unbestimmbar. An
einigen Stellen ist der grüne Augit durch beginnende Verwitte-
rung, d. h. durch Oxydation des Eisenoxydulgehaltes, intensiv
rothbraun geworden, aber sonst hart und frisch ‚geblieben,
eine beim Olivin der Basalte und Laven so. alltägliche Erschei-
nung. Viele der grösseren Hohlräume in dieser Ausscheidung
sind mit Nephelinkrystallen bewandet, doch so, dass sich der
Nephelin allmalig durch Effloreseirung entwickelt; ein zweiter
Beweis, dass diese Augitmasse kein Einschluss, sondern eine
massige Ausscheidung ist.
Eine andere Concretion ohne umhüllende Lava besteht in
der Hauptmasse aus einem lamellar-krystallinischen, schmelz-
baren, pistaziengrünen, hornblendeähnlichen, aber unter Augit-
winkel spaltbaren Augit, der zum Theil grünlichschwarz und
körnig wird oder sich an einzelnen Stellen von aussen nach
innen 1 bis 2 Linien tief röthet. Diese Augitmasse enthält
kleine und grössere, rundliche und schnurartige Ausscheidungen
eines farblosen, weissen oder licht fleischfarbenen Minerals, das
oft Poren enthält, in welche kleine, farblose Krystalle des
sechsgliedrigen Systems, die mit der genannten mütterlichen .
Masse wohl Nephelin sind, und kleine Säulchen oder Tafeln
eines schwarzen Augites, nach den von mir gemessenen Säu-
lenwinkeln zu schliessen, hineinragen. Auf diesen Mineralien
sitzen wiederum mikroskopisch kleine, dunkel honigbraune und
selbe Krystalle, wie es scheint Granato@der, also wohl Gra-
naten. Mitien zwischen den Augitlamellen der Hauptmasse be-
finden sich honiggelbe, bis 1 Linie grosse Körnchen eines Mi-
nerals, das wie Titanit aussieht, aber auch Granat oder. Meli-
lith sein kann, obwohl es heller ist als die Granaten in den
beschriebenen Nephelindrusen. Ganz ähnliche Concretionen
liegen in der Sammlung auch vom Romerberge bei Gillenfeld
in der Eifel,
339
Welcher Varietät, und ob einer der vorhin genannten,
diese grünen Augite angehören, können nur chemische Analy-
sen entscheiden; vermuthlich sind sie identisch mit dem soge-
nannten Porricin. Dieses meines Wissens „als sogenannter
Porriein* zuerst von Herrn SAnnpBERGER (Jahrbuch für Minera-
logie 1845, S. 140) in die Literatur eingeführte Mineral bildet
in den porösen Laven der Eifel und des Laacher-See-Gebietes,
vorzüglich in denen von Mayen und Niedermendig, die niedlich-.
sten nadelförmigen, oft haarfeinen, flächenreichen, spiegelnden,
grünen bis grünschwarzen, oft bunt angelaufenen, in die Poren
hineinragenden Krystalle oder Haufwerke von denselben, aus
denen einzelne Nadeln oft bis zur gegenüberliegenden Porenwand
herausschiessen. An diesen Nadeln sitzen wieder Kryställchen
derselben Substanz und bilden so gleichsam Knoten an den
feinen Haaren. Nach den Winkelmessungen dieser feinen Säul-
chen, die Herr vom RartH angestellt und ich wiederholt habe,
sind dieselben Augit, für welchen sie schon die Herren von
DEcHEN, SANDBERGER, HAIDINGER u. A. angesprochen haben,
während noch Andere sie für Epidot oder Pistazit gehalten
haben. Die schönsten Porrieine finden sich in den grösseren
Poren, welche zugleich ein Stuck Quarz oder Sanidin einge-
schlossen haben. Sie sind kein sekundäres oder sogenanntes
Drusenmineral, sondern eine Ausscheidung der Lavamasse in
die Poren, genau so wie die Nepheline, Melilithe, Leueite u. s.w.;
das sieht man an jeder Porenwand und daran, dass sie mit
Nephelin Concretionsmassen bilden, welche die Porenwand oft
umhüllen oder gar Kammerwände in den grossen Poren bil-
den; aus dieser Concretion entwickeln sich in die Poren hinein
sowohl Nephelinkrystalle, als Porrieinnadeln.
Ob dieser Porricin gemeiner schwarzer Augit ist, der nur’
wegen der feinen Vertheilung in so dunne Nädelchen grün er-
scheint, oder einer andern Varietät entspricht, wird man aus
Mangel ‘an Material zu einer Analyse sobald noch nicht ent-
scheiden können.
Die übrigen oben genannten Gemengmineralien, die meist
sehr selten auftreten, haben deshalb ein sehr bedingtes, mehr
mineralogisches als petrographisches Interesse, und unsere
Sammlung erzählt von ihnen nichts Neues; ich lasse sie des-
halb unberührt. |
Dass sich in einem Silikate, dessen chemische Zusammen-
22*
340
setzung quantitativ und qualitativ so sehr verschieden sein
kann, und das bald diesen, bald jenen seltenen Stoff (z. B. Zir-
kon, Chlor, Schwefelsäure u. s. w.) noch dazu aufnehmen
musste, neben den wesentlichen Gemengmineralien seltenere
sporadisch bilden mussten, ist ein natürlicher Zwang in Folge
der chemischen Anziehung der Elemente und deren Bestreben,
individualisirte und krystallisirende Körper, d. h. Mineralien, zu
bilden. Ein Beispiel möge genugen zur Erklärung. War in
dem flüssigen Silikate an einem Punkte mehr Thonerde, als die
thonerdehaltigen Mineralien brauchten, so bildeten sich thon-
erdehaltige Augite hier, während anderswo thonerdefreie oder
thonerdearme; bei noch grösserem Ueberschuss von Thonerde
bildete dieser den Sapphir; oder umgekehrt, hatte in irgend einem
Basaltteige aus irgend welcher Laune die Thonerde Lust,
Ausscheidungen von Sapphir zu bilden, dann mussten in dessen
Nähe manche Mineralien thonerdearm werden, z. B. die Augite.
Mag auch noch auf diesen Wegen dieses oder jenes Mi-
neral als seltener Gemengtheil der Basalte beobachtet werden,
- so werden doch die häufigeren und wesentlichen Gemengmine-
ralien im Obigen namhaft gemacht worden sein; es fragt sich
nur noch, welche von den genannten ‘Mineralien wesentliche
Gemengtheile sind. Die Beantwortung dieser Frage muss sehr -
‚subjectiv ausfallen; nach meiner Ansicht sind als solche anzu-
sehen: Augit, Nephelin, Labrador, Olivin, Magneteisen, Leueit.
und Melilith.
Durch das Vorherrschen oder Zurücktreten bald dieses,
bald jenes Gemengminerals entstehen in der Familie der Ba-
salte gewisse Reihen, die verschiedenen äusseren Habitus be-
sitzen und deshalb auch verschiedene Namen erhalten haben.
So findet man in den bisher vorzugsweise Basalt genannten
Gesteinen einen grossen Reichthum an Olivin, der in den so-
genannten Doleriten sehr zurücktritt. In diesem Herrschen und
gleichzeitigem Verschwinden fällt uns eine grosse Regelmässig-
keit auf; ein Mineral verdrängt immer dasselbe andere, welches
ihm mineralogisch nahesteht. In dieser Wechselbeziehung fin-
den sich ganz besonders Labrador und Nephelin, und unter
allen Reihen hat diese sogenannte Labrador-Nephelinreihe aus
mancherlei Gründen für uns das grösste Interesse, |
Sie scheint nämlich die einzige mit zwei wahren Endglie-
dern, mit reinem Nephelin- und reinem Labrador-Basalt zu
341
sein, welche, wie oben bewiesen, durch eine Scala von Mittel-
‚gesteinen verbunden sind. Das Vorhandensein der letzteren
leugnet Herr Roru und nennt das erstere Endglied Basalt, das
letztere Dolerit und glaubt nur in diesem Sinne den alten
Namen Dolerit: beibehalten zu durfen. Durch meinen Nachweis
des Ueberganges dieser beiden Endglieder muss also der Be-
griff Dolerit, und folglich auch Anamesit, fallen gelassen wer-
den; denn es-ist ein petrographischer Unsinn, ein Gestein von
gleicher mineralogischer und chemischer Zusammensetzung, von
gleichem Alter, :gleicher Lagerungs- und Eruptionsart mit zwei
oder mehr Namen belegen zu wollen, einzig und allein aus
dem Grunde, weil dieses Gestein durch langsamere oder schnel-
lere Erkaltung bald gröber, bald feiner krystallinisch erstarrt
ist; fragen wir doch nicht beim Granite, bevor wir ihn taufen,
wie „grob das Gefüge sei; deshalb können und müssen nach
meiner Ueberzeugung die Namen Dolerit, Anamesit, Nephelinit,
“ Nephilindolerit aus der wissenschaftlichen Nomenklatur ent-
fernt werden; der Name Basalt bezeichnet alle Gesteine sehr
gut und hat Prioritätsrechte.
x
3. Eiuschlüsse in den niederrheinischen Laven.
Wesentlich verschieden und bei einiger Uebung immer mit
Sicherheit unterscheidbar von den genannten Üoncretionen aus
der Lavamasse sind die Einschlüsse fremder vulkanischer und
nichtvulkanischer Gesteine und Mineralien in der Lava. Dass
vulkanische und plutonische Gesteine, erstere aber mehr als
‚letztere, Bruchstücke von den Gesteinen umschlossen und an
die Erdoberfläche gebracht haben, welche sie bei ihrer Eruption
‚durchbrechen mussten, um selbst aus dem Erdinneren an deren
Oberfläche zu gelangen, und’ dass sie vermöge ihrer Hitze, ihres
Flüssigkeitszustandes und ihrer chemischen Zusammensetzung
_ diese Einschlusse mehr oder weniger chemisch und physikalisch
verändern, metamorphosiren können — nicht mussen —, ist
ein altes Lied, aus dessen erster Strophe folgt, dass alle Ein-
schlussgesteine in grösserer oder kleinerer Nähe vom vulkani-
schen Eruptionspunkte, sei es zu Tage oder unterirdisch, an-
stehen müssen. So liefern uns manchmal Eruptivgesteine ein
erweiterteres, geognostisches Bild einer Gegend im Vergleich zu
dem, welches wir an’der Erdoberfläche oder durch Steinbruchs-
und Grubenbetrieb erlangen können; denn der sogenannte vul-
342
kanische Herd liegt tiefer, als der jetzige und zukünftige Berg-
mann zu erteufen vermag. | |
Was alle Vulkane uns bieten, gewähren uns die nieder-
rheinischen in Hülle und Fülle.
Das zu Tage gekannte Grundgebirge der jet sind be-
kanntlich am Laacher-See die unterdevonischen Sandsteine und
_ Thonschiefer, Tertiärschichten und die alten Basalte mit man-
chen Leucit-Nosean-Gesteinen, abgesehen vom älteren Diluvium;
dagegen in der Eifel dasselbe Unterdevon, der mitteldevonische
Kalkstein, etwas Oberdevon, der bunte Sandstein und die alten
Basalte, Trachyte und Phonolithe; Tertiär und Diluvium errei-
chen nicht diese Meereshöhe.
In den Laven erwarten und finden wir Bruchstücke von
diesen Gesteinen, daneben aber noch besonders an der Vul-
kangruppe des Laacher-Sees Einschlusse von Granit und Gneis,
welche den Beweis, den uns der Hunsrück liefert, noch ver-
stärken, dass das rheinische Devon auf Granit und Gneis auf-
liegt, und zwar nicht bloss lokal, sondern zum grossen Theile;
denn die übrigen rheinischen Basalte, besonders der des Mende-
berges bei Linz, haben ebenfalls Bruchstücke von Granit aus
der Tiefe zu Tage gefördert; anstehend unter dem rheinischen
Devon kennt man nur Granit- und Gneiss-Gesteine im Huns-
ruck und dem entsprechenden Taunus.
Ganz besonders den Einschlüssen dieser Gesteine und
deren Metamorphosirung durch die Laven sollen die folgenden
Zeilen gewidmet sein.
1. Die Einschlusse von Devongesteinen, Thonschiefer,
Grauwacke, Quarz — die Kalke scheinen von dem Lavasilikat-
teige ganz assimilirt zu sein — sind besonders schön bekannt
von Bertrich, Boos und dem Roderberge bei Rolandseck am
Rheine, sowie mehrfach bearbeitet und beschrieben. Theils
sind diese Gesteine unverändert geblieben, theils sind sie durch-
glüht und dadurch eigenthümlich abgesondert worden, wie der
bunte Sandstein der Rhön, theils gefrittet und gesintert, theils
an der Oberfläche emailirt, schwerlich oder weniger durch
Schmelzung ihrer eignen Substanz als durch Zusammenschmel-
zung dieser sauren mit der weniger sauren der Lava. Dabei
rissen die Einschlusse vielfach, die Oberflächen der Berstun-
gen wurden ebenfalls emailirt, und die Schlacken- oder Lava-
masse drang in die Risse ein. Diese Emailrinde ist papier-
343
dunn, bis 1 Linie stark, manchmal tropfenartig zusammenge-
flossen, homogen oder blasig, farblos oder hellgelb, grünviolett
u.s.w. und ganz zersprungen, wohl nicht durch plötzliche Ab-
kühlung, Abschreckung, sondern vermöge des verschiedenen
Ausdehnungs- und Zusammenziehungscoefficienten des Glases
und der umhüllten Substanz. |
Von vielen Schiefereinschlüssen in der Lava von Mayen
und Niedermendig, die bekanntlich auf tertiärem Thon auflie-
gen, kann man nicht sagen, ob sie aus dem Devon stammen
oder Stücke dieses Thones sind; sie sind röthlich oder gelblich,
meist aber grau, vollkommen geschmolzen und porös und glei-
chen genau der geschmolzenen Ziegelsteinmasse. Dei der
"Schmelzung sind sie wie ein Buch aufgeblättert worden, und
zwischen die Blätter, die der früheren Schichtung zu entspre-
chen scheinen, ist die poröse Lava eingedrungen.
Aus dem rheinischen Devon stammen auch ohne Zweifel
viele der eingeschlossenen Quarzstücke in den Laven, aber nicht
alle, wie ich gleich beweisen werde; ebenso aus einem zu
Tage unbekannten Kupfererzgange das von Herrn v. DEcHen (diese
Zeitschrift Bd. XVII., 1865, 8. 124) erwähnte Quarzstück mit
Kupferglanz, Buntkupfererz und Kieselkupfer in der Lava von
Mayen. Einen ganz analogen Ursprung muss ich einem Ein-
schlusse von einem Gemenge von Magneteisen mit Quarz in
der Lava von Mayen aus der MırschHerLic#’schen Sammlung
zuschreiben. Das derbe, grauschwarze, metall- bis graphit-
glänzende, im Bruch muschelige, bunt angelaufene Magneteisen
ist durchzogen von farblosem, durchsichtigem, ganz bröckligem
Quarze. Das Ganze sieht aus wie ein zu Magneteisen meta-
morphosirter Spatheisenstein mit Quarzschnuren aus einem
Eisensteingange des rheinischen Devons. Eine Ausscheidung,
wie sonst die von Magneteisen in den Laven ist es nicht we-
gen des durchwachsenen Quarzes. Dass aus Spatheisenstein
durch Einwirkung von der Hitze vulkanischer Massen Magnet-
eisen entsteht, lehrt bei Siegen die Grube „Alte Birke“, wo
ein Spatheisensttingang und ein Basaltgang sich mehrfach um-
schlingen und an den Contactstellen der Eisenstein zum Magnet-
eisen umgewandelt ist. (Vergl. KARSTEN und v. DEcHEn’s Archiv
Bd. XXIl., 1848, S. 103 ff.)
2. VonGraniteinschlüssen besitzt unsere Sammlung durch
MITSCHERLICH eine reiche Suite; sie stammen fast ausschliess-
_
344
*
-
lich aus den Laven von Mendig und Mayen am: Laacher-See.
Diese ganz kleinen bis kopfgrossen Einschlusse eines grob- bis
sanz feinkörnigen, sehr verschiedenartig aussehenden Granites
bestehen aus farblosem, durchsichtigem, auch bläulichem und
röthlichem, splitterigem, sehr zersprungenem Quarz mit Speck-
glanz, aus weissem, oft aber noch ganz glasigem Orthoklas (vergl.
v. Decuzn geognost. Führer zum Laacher-See $. 86), der sehr
gegen den Oligoklas zurücktritt, aus weissem, oft auch noch
glasigem Oligoklas, der weniger zersprungen als der Orthoklas
ist, und auf dessen grossen Spaltungsflächen die Zwillingsstrei-
fung. mit blossem Auge deutlich sichtbar ist, und aus schwar-
-zem Magnesiaglimmer. Dass der gestreifte Feldspath Oligoklas
ist, beweist eine Kieselsäurebestimmung desselben von mir; er
enthält 62,5 pCt. Kieselsäure, stimmt also mit dem Oligoklas
überein, den Herr Fouqus (v. Decuen 1. c. S. 87) als losen
Auswürfling am Laacher-See gefunden und analysirt hat. Der
Gehalt dieser Granite an Glimmer ist sehr ungleich; in man-
chen Stücken ist er ungemein häufig, in manchen sucht man
ihn vergeblich.
Selten sind diese Granite von der Hitze der Lava unbe-
rührt geblieben; am meisten ist der schmelzbare, eisenhaltige
Glimmer verändert worden. In Einschlussen, in denen er ein
häufiger Gemengtheil ist, bildet er oft, sei es durch Hitze oder
‘oxydirende Tagewasser, ein rothes, erdiges Pulver, wie in den
Porphyren vom Sandfelsen bei Halle (diese Zeitschrift Bd. XV.
S. 395) von der Form des Glimmers. Meist ist er -aber ganz
oder theilweise geschmolzen, wohl nach seinem Eisengehalte
bald zu einem magnetischen, bald zu einem nicht magnetischen,
braunen oder schwarzen Glase, welches zu einer unregelmässi-
gen Masse oder Kugel an einer Seite des alten Glimmerrau-
mes contrahirt ist. Da der geschmolzene Glimmer weniger
Raum einnimmt als der krystallisirte, oder da er durch Sprünge
ganz aus dem Granite ausgeflossen sein kann, wird der Granit
durch das Schmelzen des. Glimmers porös. Diese Poren ent-
halten ausser dem Glase noch bei diesem Schmelzprocesse ge-
bildete kleine Magneteisenkrystalle, ein gelbes Zersetzungs- (?)
oder Schmelzprodukt und feine, grüne Nädelchen, die dem
Porricin gleichen.
Der Quarz dieser Granite ist unverändert geblieben, nur
wie die Feldspathe durch die Hitze zersprengt worden und mit
345
Sn
dem aus Glimmer entstandenen Email bezogen, auf welchem
sich die Porriein-ähnlichen Nädelchen wiederfinden. Die Feld-
spathe dagegen sind in der Nähe der Lava, die durch Sprünge
oft tief in das Innere der Einschlüsse gedrungen ist, gefrittet,
d. h. an der Oberfläche zu einem farblosen oder grünlichen .
Email geschmolzen.
Einzelne Theile des Einschlusses sind beim Umhüllen los-
gerissen worden und liegen als Separateinschlusse (Trabanten)
in der Lava um den Muttereinschluss. Werden hierbei die
verschiedenen Gemengmineralien von einander getrennt, was
bei den grobkrystallinischen Graniten leichter möglich und sicht-
bar ist, so entstehen die Einschlüsse von Quarz, Orthoklas
und Oligoklas, über deren wahre Natur man leicht zweifelhaft
sein kann. So hält man den Quarz leicht für devonischen
Ursprungs, obwohl sich dem geubten Auge beide Quarze an
ihren optischen Verschiedenheiten unterscheiden; ferner hält
man den Orthoklas- und Oligoklaseinschluss gerade bei ihrem
noch glasigen Zustande gar gern für eine Ausscheidung von
Sanidin oder Labrador aus der Lava. Aus ‚diesem Irrthume
entreisst dann meist entweder noch an dem Feldspath haf-
tender Quarz oder Glimmer mit seinen Schmelzprodukten
oder eine deutlich den Einschluss charakterisirende Umhüllungs-
art der Lava oder im Nothfalle, wie es beim Oligoklas mir
zuerst erging, eine quantitative Kieselsäurebestimmung.
Die Lava schliesst meist dicht an den Einschluss an, ist
aber auch oft von ihm abstehend, und dann ist diese Druse, wie
die der Laven, mit Nephelin, Porricin und Leucit bewandet.
Die Feldspathe in den Graniten sind meist, soweit sie
nicht als Einschlüsse der Verwitterung ausgesetzt waren, noch
ganz frisch und, wie gesagt, meist so glasig wie der vulkanische
Sanidin, wie Herr v. DEcHEn (geogn. Führer zum Laacher-See
S.86) bestätigt; ein schlagender Beweis für meine früher aus-
gesprochene Vermuthung und Behauptung, der Orthoklas aller
plutonischen Gesteine sei früher glasig oder Sanidin gewesen,
ehe der letztere durch beginnende Verwitterung in den erste-
ren, den wir jetzt meist beobachten, übergefuhrt sei (diese
Zeitschrift Bd. XVI., 1864, S. 395). Ein Beweis, den neuer-
dings Herr ZırkEL von mir verlangt hat.
Bis zu der Tiefe, in der vor der Eruption diese einge-
7
346 i
schlossenen Granite anstanden, konnten die Atmosphärilien -
nicht gelangen; die Granite mussten also ihren primären Zu-
stand bewahren, bis sie durch die Lava den atmosphärischen
Einflüssen ausgesetzt wurden. Da dieses fast gleichzeitig mit
der Bildung des bisher ausschliesslich Sanidin genannten Feld-
spathes erfolgte, sind der Orthoklas dieser Granite und der
Sanidin der vulkanischen Produkte gar nicht. verschieden.
Ebenso bestätigt sich meine andere frühere Behauptung, aller
Oligoklas, kurz alle Feldspathe seien ursprünglich glasig ge-
wesen.
4. Das von den Graniteinschlüssen Gesagte gilt auch in
allen Beziehungen von den Gneiseinschlüssen, nur zeigen diese
die metamorphischen Zustände des Glimmers schöner, weil sie
reicher an diesem Minerale zu sein pflegen, und weil dasselbe
nicht in einzelnen Krystallen zwischen den übrigen Gemeng-
theilen sich zerstreut findet, sondern bekanntlich ganze Lagen
und Flasern bildet. Ob diese Bruchstücke wahrem Gneise ent-
stammen oder doch Granit sind, lasse ich dahin gestellt; ich
nenne alle Einschlüsse mit parallel lamellarer Anordnung des
Glimmers zwischen Quarz, Orthoklas und Oligoklas Gneis.
Noch weit schwieriger als die Unterscheidung von unveränder-
tem Gneis und Granit in Handstücken ist die dieser theilweise
geschmolzenen Einschlüsse. Es ist ja auch im Grunde ganz
gleich, ob diese Eiuschlüsse dieses oder jenes Gestein sind,
geht doch überall der Granit in Gneis und umgekehrt über
(Schwarzwald). ?
Ein sehr interessanter Einschluss unserer Sammlung aus
der MırTscHerLicH’schen bestand vor der Umhullung von Lava
aus + bis 1 Linien dicken Stängeln von einem Gemenge von
Quarz, Orthoklas und Oligoklas, indem der Quarz wieder lin-
senartige Lagen bildete. Um diese Stängel wanden sich sehr
regelmässig im ganzen Handstüucke ; bis „ Mm. dicke Lagen
von Glimmer (vermuthlich schwarzer, eisenreicher Magnesia-
glimmer). Durch die Hitze der Lava ist nun der Quarz feit-
glänzend und durchsichtig geblieben, aber ganz zersprungen
wie rasch abgekühltes Glas; der Orthoklas und Oligoklas sind
“nicht mehr zu unterscheiden und vielfach an der Oberfläche
geschmolzen. Der Glimmer ist vollkommen geschmolzen zu
einem gelblichweissen Email, das die Wände des früheren
Glimmerraumes, den es nur zum kleineren Theile erfüllt, be-
347
deckt; Glasfäden verbinden häufig diese verglasten Wände, wo-
durch das Gestein im Querbruche (senkrecht durch die Rich-
tung gedachter Stängelchen) genau das Aussehen des bekannten
Pleurodictyum problematicum erhält. Wo die Glimmerlamellen
dieker als oben genannt waren, befindet sich das Email in
grösseren, nierenförmigen Anhäufungen mit silber- oder asch-
grauer Farbe.
In einzelnen, bis erbsengrossen Hohlräumen, die manchmal,
perlschnurartig an einander gereihet, parallel den früheren Glim-
merlagen liegen, befinden sich einzelne oder zusammengereihete,
grössere und kleinere, schwarze, magnetische Kugeln, deren
Oberfläche mit rabenschwarzen, diamantartig glänzenden Kry-
stallen (reguläre Octaöder und sechsseitige Tafeln) bedeckt ist;
diese sind Magneteisen und Eisenglanz. Zieht man aus diesen
Kugeln mit Salzsäure diese Mineralien aus, so bleibt eine Ku-
gel zurück, die aussen aus einem gelblichgrauen, durchsichtigen,
unlöslichen Email besteht und im Kerne ans einem röthlichen
Minerale mit muscheligem Bruche, ohne Zweifel das unverän-
derte Mineral, aus dem in der Hitze das Email und die Eisen-
mineralien entstanden sind. Nach dem frischen Kerne dieser
Kugeln, nach der Form der Hohlräume, in denen sich jene
jetzt befinden, und welche früher von dem unveränderten Mine-
rale ausgefüllt wurden, ist letzteres ohne Zweifel Granat ge-
wesen, der im Gneis so häufig ist, und den man auch in den
unveränderten Gneisauswürflingen des benachbarten Laacher-
Sees beobachtet hat. |
\ Ich habe somit im Obigen behauptet, dass in den von
heisser Lava umhüllten Gneis- und Graniteinschlüssen (wir
werden dasselbe auch gleich beim eingeschlossenen Trachyt
wiederfinden) die eisenreichen Singulosilikate der Glimmer und
der Granat* in der Hitze bei mehr oder weniger Zutritt von
Luft und Wasserdämpfen zerlegt werden in freies Eisenoxyd
oder Eisenoxyduloxyd, die dabei auskrystallisiren zu Eisenglanz
und Magneteisen und in ein eisenfreies (oder eisenarmes)
saueres Silikat von Thonerde und Monoxyden, welches zu einem
Glase zusammenschmilzt.
Widerspricht das nicht den Grundsätzen der Chemie und
anderen Beobachtungen ?
Nein, im Gegentheile; ich habe früher (Journal eh prak-
tische Chemie Bd. XCIV. S.18 ff.) durch Versuche nachgewie-
348
sen, dass sich bei Luftzutritt schon in der Rothgluht ein eisen-
oxydulhaltiges Silikat zerlegt in freies Eisenoxyd und ein kie-
selsäurereicheres Silikat oder ein Gemenge des Silikates mit
freier Kieselsaure. Konnte man bei diesem Versuche den Luft-
zutritt, die Dauer und Intensität der Erhitzung, kurz alle Um-
stände so reguliren, wie sie bei der Umhüllung der Gneis- und
Granitfragmente von der Lava ‚stattgefunden haben, so könnte
man wohl aus dem kieselsauren Eisenoxydul Eisenoxyduloxyd
frei machen, dasselbe oder das freie Eisenoxyd durch Schmel-
zung oder Sublimation zum Krystallisiren, sowie das zurück-
bleibende Silikat durch Schmelzen zu einem Email bringen, wie
es die Natur in den beschriebenen Einschlüssen gethan hat.
Wollte man annehmen, die Krystalle von Magneteisen
(Eisenglanz) wären vom ursprünglichen Glimmer und Granat
eingeschlossen gewesen, wie die in den Augiten und Hornblen-
den der vulkanischen Gesteine, und wären erst beim Schmel-
zen dieser Mineralien sichtbar. an die Oberfläche getreten, so
müssten die unveränderten Glimmer magnetisch sein wie die
Augite und -Hornblenden, was nicht der Fall ist. Hierdurch
erklärt es sich auch, weshalb die metamorphosirten Glimmer
bald magnetische, bald nicht magnetische Gläser geworden sind;
bei den ersteren hat sich der Eisengehalt vorzüglich in Magnet-
eisen umgesetzt, bei letzteren in Eisenglanz.
Ganz dieselben umgeänderten Graniteinschlusse kennt man
schon durch Herrn G. Rose vom Xorullo, noch bekannter sind
die in den Lavastromen der Auvergne, die über Granit ge-
flossen sind. |
5. Die Trachyteinschlusse in den Laven und Schlacken
der Eifel sind besonders bekannt geworden durch die mehrfach
genannten Arbeiten MITscHERLIcH’s und des Herrn Rora.
Die von der Grösse der Einschlüusse und dem Hitzgrade
der Lava abhängende Veränderung dieser Trachyte schwankt
zwischen zwei Modifikationen, abgesehen davon, dass auch
viele Einschlüsse ganz unverändert geblieben sind.
a. Die eisenreichen, kieseisäureärmeren Silikate, Aueit,
Hornblende und Glimmer, sind zu einem blasigen, bouteillen-
grünen Glase, besonders am Rande der Einschlüsse, geschmol-.
zen und an gewissen Stellen, besonders in den Klüften, zu-
sammengeflossen; dadurch ist der Trachyt rissig oder sogar
349
bimssteinartig porös geworden. Die Feldspathe sind dagegen
nur rissig geworden und durchtränkt vom Email.
‘b. Der. Feldspath. und vielleicht auch ein Theil der umge-
benden Lava haben sich an der Schmelzung und Bildung des
grünen Glases betheiligt; in diesem Falle sind die Einschlüsse
mit einer dicken, theils homogenen, theils blasigen Rinde von
diesem Glase umgeben oder ganz dazu umgeschmolzen, falls die
Einschlüsse nicht grösser als Wallnusse waren.
Einen Theil dieses grünen Glases erklärt sich Herr RorH
(1. c. S. 29) entstanden durch wiederholtes Schmelzen der aus
der Lava auskrystallisirten Augite. Das glaube ich nicht, da
man das Glas nur mit den Trachyteinschlüssen in engster
Verbindung findet; auch kann ich mir keinen klaren Begriff
davon machen, wie der zuerst aus der Lava erstarrte Augit
in derselben Lava wieder zum Fluss hätte kommen können,
ohne wieder beim späteren Erkalten in die fruhere Krystallisa-
tion zu treten.
Solche Trachyteinschlüusse findet man am häufigsten in
den Laven von Bertrich, Mosenberg, Hohenfels und Papenkaule.
In den Laven von Mayen und Mendig finden sich Ein-
schlüsse, die den dortigen von Granit und Gneis sehr ähnlich
sind, in denen man aber keinen Quarz als Gemengtheil er-
blicken kann, wohl aber Orthoklas und Oligoklas neben den
veränderten Glimmern; ich glaubte sie deshalb für Trachyt-
einschlüsse, analog denen der Eifel, halten zu mussen. Die aus
eisenreichen Silikaten entstandenen Krystalle von Magneteisen
und. Eisenglanz auf dem Email beobachtet man noch besser
als bei dem Gneis und Granit; in einem Handstucke sieht man
z. B. einen sehr schönen buntangelaufenen Eisenglanzkrystall
mit zwei Rhomboedern und der Endfläche.
6. Die häufigen Quarzeinschlüsse, vorzüglich in den La-
ven von Mayen und Mendig, stammen entweder aus den vielen
Gängen von milchweissem Quarz in dem Devon oder aus dem
Granite. Immer sind sie ganz zersprungen wie abgeschrecktes
Glas und deshalb, weil man seine Härte nicht prüfen kann,
sehr schwer von ebenso zersprungenem Sanidin zu unterschei-
den, da derselbe die Spaltbarkeit sehr eingebusst hat. Die
Quarzeinschlüsse sind entweder milchweiss, undurchsichtig
oder glasig und farblos; erstere sind die aus den 'Quarzgän-
gen, letztere Gemengtheile des Granites, was dadurch bewie-
350
sen wird, dass an diesen häufig noch Stückchen der drei an-
deren Granitbestandtheile hangen geblieben sind.
| Meist liegen diese Einschlüsse in grossen: Gesteinsporen
und haften nur an wenigen Punkten fest an der Lava. Die
Wände dieser Poren scheinen vorzugsweise, wohl wegen deren
Grösse, der Lieblingsaufenthalt von auskrystallisirtem Porriein
und Nephelin zu sein, die sich sogar auf der Oberfläche und
den Sprüngen des Quarzeinschlusses befinden.
Herr Roru und MıTscHErRLIicH sagen (l. c. S. 29) der Quarz
in diesen Laven sei nie geschmolzen, und doch besitzt die
Sammlung einen Quarzeiuschluss, dessen Oberfläche ganz rund
geschmolzen ist, wie die Grauwackeneinschlüsse von Boos und
Roderberg, abgesehen von mehreren Handstücken, in denen
der eingeschlossene Quarz an der Oberfläche deutlich ge-
frittet ist. Ob die Lava wirklich so heiss gewesen ist, um
den so gar strengflüssigen Quarz an der Oberfläche zum Schmel-
zen zu bringen, oder ob der Quarz mit einem ihn berührenden
Gemengtheile der Lava oder mit dieser selber ein Silikatglas
gebildet hat, das den Quarz gerundet und umflossen hat, lasse
ich dahingestellt. Man. sieht nur uber dem Quarze einen dun-
nen, farblosen oder selten gelblichen, quarzharten Glasuberzug -
mit dem Farbenschein des Edelopals.
Abgesehen von der für die Geognosie so überaus wichti-
gen Frage, ob die Hitze der Basaltlaven den Quarz an der
Oberfläche zum Fluss bringen kann, widerlegen schon die an-
deren Mittheilungen über die Einschlusse in den niederrheini-
schen Laven die Behauptung des Herrn Fuchs (d. vulk. Ersch.
d. Erde S. 238 f.): „die Temperatur der Laven dürfte uber-
haupt nicht so hoch sein, wie man gewöhnlich anzunehmen.
geneigt ist. Darum ist auch eine Schmelzung nicht vulkani-
scher Massen eine Seltenheit. A. v. HumsoLpr berichtet zwar
von einem Falle, wo in einer Lava Stücke von Granit vor-
kommen, in welchen theilweise der Glimmer und Feldspath
zusammengeschmolzen sind. Diese Thatsache ist noch immer
eine vereinzelte Erscheinung.“
4, Auswürflinge des Laacher-Sees.
Die unter dem Lokalnamen „Lesesteine* bekannten Aus-
würflinge des Laacher-Sees sind vielfach in der Literatur be-
351
sprochen worden, aber noch lange nicht erschöpfend; denn die
mineralogische Kenntniss beschränkt sich auf einige sehr in-
teressante Arbeiten des Herrn vom Rar# ausser den älteren
von’ Herrn SANDBERGER und NÖGGERATH; die chemische Unter-
suchung hat sich auch wenig auf diese vulkanischen Produkte
erstreckt, und die Petrographie hat diese sporadischen Gebilde
ebenfalls sehr stiefmütterlich behandelt. Keins dieser drei Fel-
der kann ich hier erschöpfend behandeln, jedes erheischte grosse
und lange Untersuchungen und mehr Zeit und Raum, als mir
augenblicklich vergönnt sind. Die folgenden Zeilen sollen nur
einen kleinen Beitrag zur Petrographie dieser vulkanischen Ge-
bilde liefern.
Herr v. DEcHEN unterscheidet wesentlich zwei Arten von
Auswurflingen: die „Sanidin-Gesteine* und die „Laacher-Tra-
chyte“. Ich werde vorläufig diese Trennung beibehalten und
so die Auswurflinge besprechen, aber gleichzeitig dabei zu be-
weisen suchen, dass beide Bildungen nur Erstarrungs-Modifi-
kationen derselben Substanz und Masse sind, etwa wie Granit
und Porphyr, nur mit dem Unterschiede, dass diese verschie-
denen Alters sind, jene dagegen vollkommen gleichzeitige Ge-
bilde; denn sie gehen ineinander über und beide wiederum in
Bimsstein, wenngleich der Trächyt mehr als das Sanidingestein,
und jener umhuüllt sehr oft nach Art der Bombenbildung dieses.
Diese Nachweisung dürfte uns dann wohl zwingen, die
Zweitheilung des Herrn v. DecHen wieder fallen zu lassen,
um so mehr, da man beim Namen, Trachyt“ und „Gestein“ mehr
an grössere anstehende Massen zu denken gewohnt ist als an
sporadische, höchstens kopfgrosse, lose Vorkommnisse, Aus-
würflinge.
a. Die Sanidingesteine.
Die in denselben bisher bekannt gewordenen Mineralien
hat Herr v. Decuen (geogn. Führer zum Laacher-See S. 84)
zusammengestellt. Von diesen 24 Mineralien sind als häufig
und mehr oder weniger wesentlich zu bezeichnen: Sanidin,
Augit, Hornblende, Magneteisen, Titanit, Apatit, Magnesia-
glimmer, Olivin, Nosean, Leueit, Dichroit, Granat, Hauyn,
‚welche nach den in unserer Sammlung befindlichen Handstücken
in folgenden Combinationen sich gruppiren:
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Diese Mineralgemenge bilden sehr fein- bis sehr grobkör-
nige, krystallinische, theils geschlossene, aber meist mürbe,
bröcklige, theils löcherige, drusige, poröse und selbst bims-
steinartige, kleine bis über kopfgrosse Massen mit der bekann-
ten Auswürflings-Gestalt und Oberfläche. Die Krystalle, be-
sonders der Feldspath und Hauyn, sind ganz zersprungen, zer-
brochen, bröcklig, an den Kanten abgerundet und zerstossen, und
zwar um so mehr, je poröser das Gefüge wird, also am meisten
beim Bimsstein. In die Drusen und Höhlungen, die mit der Grob-
heit des Gemenges an Unregelmässigkeit zunehmen, ragen die
_ Gemengmineralien, besonders die selteneren, in der Tabelle nicht
‚aufgeführten, in zierlichen Krystallen hinein, die zum Theil
Herr vom RATH monographirt hat. Durch grössere ausgeschie-
dene Krystalle bald dieses, bald jenes Minerals in der körni-
gen Masse bekommen die Auswürflinge das Ansehen des
porphyrartigen Granites. Wird in solchen Fällen die Haupt-
masse immer feinkörniger, womit gleichzeitig ein Schaumig-
werden verbunden ist, so erhält man die mannichfachen Ueber-
gänge dieses Sanidingesteins in den Laacher-Trachyt. Diese
Uebergänge entwickeln sich häufig in demselben Auswürfling
vom Kerne zum Rande, so dass die Sanidingesteine mit einer
Hülle von Laacher-Trachyt umgeben zu sein scheinen, beson-
ders wenn der Uebergang nicht sichtbar, sondern der Gesteins-
wechsel plötzlich ist.
Den Uebergang aus geschlossenen Sanidingesteinen in
Bimsstein kann man leicht an einer Suite von Auswürflingen
nachweisen; er erfolgt sowohl direkt, als indirekt durch den
Laacher-Trachyt. Dass diese schaumigen Sanidingesteine meist
feinkörnig sind, liegt in der Natur der Bildungsart. Recht
interessant ist an vielen Auswürflingen die schichtenweise oder
gneisartige Anordnung der Gemengmineralien, indem sich der
blätterige Glimmer, Augit und Hornblende in gewissen, nahe-
zu parallelen Lagen anreichern und fast reine Sanidinlagen
zwischen sich nehmen. Bei einzelnen Stücken könnte man
zweifelhaft sein über ihren vulkanischen Ursprung und sie für
krystallinische Schiefer halten. Verfolgt man aber die ganze
Reihe von Uebergangsstufen, findet man keine Spur Quarz oder
weissen Glimmer, sieht man sie bimssteinartig in manchen La-
‚gen werden und immer etwas porös, so hebt sich jeder Zweifel.
Wird in solchen Gesteinen nun gar der zur porösen Bildung
- Zeits. d.d, geol. Ges. XVII. 2. 23
354
neigende Sanidin mehr und mehr oder ganz verdrängt von
Augit, Hornblende und Glimmer, ‘so entstehen Gesteine, die,
aus ihren Uebergängen gerissen, genau wie Gneis, Glimmer-
'schiefer, Hornblende-Gesteine und -Schiefer aussehen und viel-
fach dafur gehalten worden sind. |
Von diesen Gesteinen spricht Herr v. Dscurx (geogn. Führer
zum Laacher-See S. 86 und 589) mit einiger Behutsamkeit und
manchem Zweifel über ihre Entstehungsart und ihr Alter:
„Gneis, Glimmerschiefer und Hornblende-Gesteine kommen
unter den ausgeworfenen Massen in den Umgebungen des Laa-
cher-Sees vor, in welchen ein Theil der genannten Mineralien
(Spinell, Stilbit, Leueit, Magneteisen, Olivin, Titaneisen) sich
finden.“
Dass Gneis und Granit unter den Auswuürflingen vorkom-
men, unterliegt keinem Zweifel; es sind dieselben Gesteine,
wie die in den Laven von Mayen und Mendig, in denen ‚der
Quarz keinen Zweifel über Alter und Herkommen lässt. Aber
deshalb brauchen nicht alle damit ähnlichen Gesteine dasselbe
zu sein, am wenigsten wo man keinen Quarz sieht, dagegen
aber die oben genannten, für vulkanische Produkte sehr cha*
rakteristischen Mineralien.
„Glimmerschiefer von grauer Farbe, feinschiefrig und
häufig mit feinen Wellen der Schichtungsflächen ist in zahl-
reichen Stücken im Tuffe bei Wassenach vorgekommen.“
Sicher ist man bei solchen losen Gesteinsstucken nur,
wenn man Quarz und Kaliglimmer in ihnen beobachtet; denn
diese Mineralien sind der vulkanischen Bildungsfähigkeit fremd.
„In den grösseren Quarzausscheidungen dieses Gesteins
findet sich lauchgrüuner Augit und Eisenglanz in kleinen Kry-
stallen.* |
Das ist dem Inhalte nach ein wunderbarer Satz; hier dürfte
vielleicht ein Irrthum eingeschlichen sein; einmal ist der Augit
ein seltener, noch vielfach. bezweifelter Gemengtheil in den älte-
sten plutonischen Gesteinen, und darin grüner Augit, der für
die Vulkane der Eifel charakteristisch ist, noch nie gesehen
worden; zweitens deutet der Eisenglanz auf vulkanische Bildung,
und drittens habe ich oben gesagt, dass und aus welchen Grün-
den in den Auswürflingen des Laacher-Sees und der Eifel der
Quarz vielfach gar nicht dem Ansehen nach: vom Sanidin un-
terschieden werden kann. Ohne die dem Herrn v. DECcHEN
355
vorgelegene Stufe lässt sich nichts weiter aussprechen über
dieses räthselhafte Vorkommen.
„Zu manchem Bedenken giebt dabei das Aussehen des feld-
spathartigen Gemengtheils dieser Gesteine Veranlassung, indem
derselbe häufig dem Sanidin im äusseren Ansehen gleicht.“
Nach dem früher von mir Beigebrachten will das nichts
sagen; denn der Sanidin ist ein Gemengtheil der ältesten Ge-
steine. r
„Zu den in diesen Gesteinen eingeschlossenen Mineralien
gehören ferner: Spinell, Sapphir, Zirkon, Smaragd, Staurolith,
Dichroit, Titanit, Sodalith (nach den Untersuchungen des Herrn
vom Rarn).“
Kennt man diese Mineralien zum Theil auch in älteren
plutonischen Gesteinen, so sind sie doch gerade charakteristisch
und bekannt für die vulkanischen Sanidingesteine des Laacher-
Sees, und gerade ihr Vorkommen in den den krystallinischen
Schiefern ähnlichen Auswuürflingen bestärkt mich in meiner An-
sicht, dass die meisten, bisher fur Gneis, Granit, Glimmerschiefer
und Hornblendegesteine gehaltenen Auswürflinge des Laacher-
Sees vulkanische Gebilde, Concretionen vorzüglich von Glim-
mer, Hornblende, Augit und Sanıdin neben seltenen Minera-
lien sind.
Diese Ansicht theilt auch Herr vom Rırr (diese Zeitschrift
1864, Bd. XVI., 8. 77).
Diese Hornblendegesteine sind meist durch Verwitterung
in allen Bestandtheilen rothbraun geworden. Einschlüsse die-
ser Gesteine führt Herr v. DecHen noch in den Schlacken des
- Ellringer Bellenberg bei Mayen an. Auch solche finden sich
in unseren Sammlungen in schönen, zahlreichen Exemplaren
und gleichen zum Verwechseln denen des Laacher-Sees, so
dass man sie auch für vulkanische Concretionen ansehen muss,
nicht für ältere Einschlusse. Grosse Aehnlichkeit haben beide
Gesteine auch mit den blättrigen Augitconcretionen in der Lava
von Mayen und Mendig, die ich oben beschrieben habe, wo
sie durch Verwittern rothbraun werden. Dieses braune, blätte-
rige Mineral habe ich gemessen und als Augit bestimmt; das
war mir bei dem Ellringer und Laacher Hornblendegesteine
_ wegen der Feinheit der Lamellen, wegen der Hauptblätterigkeit
des Minerals nach einer Richtung und wegen ihrer regellosen
Verwachsung mit spiegelnden Glimmerblättchen unmöglich.
23 *
356
Sollten diese sogenannten Hornblendegesteine Augitgesteine
sein? Ich glaube es fast wegen der überraschenden Aehnlich-
keit jener mit der krystallographisch bestimmten Augiteoncre-
tion, und weil, wie ich gleich näher besprechen werde, die Au-
gite in den Auswürflingen oft gar nicht ohme Messungen im
Reflexionsgoniometer von den Hornblenden unterschieden wer-
den können. Dass diese sogenannten Hornblendegesteine bei
nicht spitzfindigen Beobachtungen Aehnlichkeit haben mit man-
chen alten Hornblendeschiefern, ist nicht zu leugnen.
Ich spreche das Vorhandensein von Granit- und Gneis-
fragmenten unter den Auswürflingen des Laacher Maares nicht
ab, im Gegentheile sind sie mir wohl bekannt als solche, die
nicht von den unveränderten und veränderten Einschlussen in
der Lava von Mayen und Mendig zu unterscheiden sind. Auch
eigenthumliche, Kaliglimmer-haltige Schiefer kenne ich, von
denen ich nicht zu unterscheiden wage, ob sie aus den kry-
stallinischen oder Devonschiefern stammen, doch sind sie un-
gemein selten.
Aus der obigen Combinationstabelle der Mineralien ergiebt _
sich schon, dass die Sanidingesteine ein sehr verschiedenes
Ansehen haben müssen, je nach ihrer Zusammensetzung. Am
unterschiedlichsten sind die weissen und die schwarzen Lese-
steine; erstere bestehen ganz oder vorzugsweise aus Sanidin,
letztere besonders aus den eisenreichen Mineralien, Glimmer,
Hornblende, Augit, Magneteisen, und diese sind so überaus
reich an Apatit. Beide Arten von Lesesteinen sind durch voll-
kommene Uebergänge verbunden. Unter den weissen Lesestei-
nen im engeren Sinne des Wortes kann man wieder scheiden
solche mit und solche ohne Nosean oder Hauyn; diese ver-
mitteln die Trachytsubstanz mit den Noseangesteinen. Das
Vorhandensein von Oligoklas in den Sanidingesteinen habe ich
_ nicht ermitteln können; manche Feldspathe schienen mir aller-
dings gestreift zu sein; die Vermuthung spricht auch für dieses
Vorkommen.
Ganz dieselben Sanidingesteine, nur nicht so häufig und
nicht so reich an seltenen Mineralien als in den Tuffen um
den Laacher-See, kennt man in den Tuffen der Eifel, beson-
ders um deren Maare; unsere Sammlung besitzt davon eine
ausnehmend reiche Suite, zu deren Bestimmung ich aber noch
nicht gekommen bin. Vollkommen unbekannt sind dagegen
357
wunderbarerweise in der Eifel die in allen Tuffen , besonders
den jüngsten, so überaus häufigen, ja ausschliesslich mächtige
Bänke zusammensetzenden
2) sogenannten Laacher-Trachyte, die in Bimsstein überge-
hen und fast alle Bimssteine zu der meilenweiten Bedeckung
geliefert haben; denn, wie gesagt, nur wenige Bimssteinstücke
haben das Gefüge der Sanidingesteine.
Diese Auswürflinge bestehen aus denselben Gemengmine-
ralien, wie die Sanidingesteine; nur beobachtet man sehr: selten
oder gar nicht die schon in diesen sporadischen Mineralien.
Die gewöhnlichen Gemengmineralien aller Trachytauswürflinge
sind: Sanidin, Augit, Hornblende, Magneteisen, Titanit, Hauyn
und Olivin; sehr selten fehlt eins dieser Mineralien, Hauyn so
gut wie nie.
Nach der Menge der eisenhaltigen Mineralien, besonders
des Magneteisens, unterscheidet man graue und schwarze Laa-
' cher-Trachyte; jene geben beim Schaumigwerden weisse und
diese graue oder auch, aber selten, schwarze Bimssteine.
Die in Krystallen oder deren Bruchstücken vorhandenen,
oben genannten Mineralien liegen in einer dichten oder fein-
körnigen oder krystallinischen, nie glasig amorphen, homogenen
Grundmasse, die ohne Zweifel aus denselben Mineralien ge-
bildet ist, besonders aus Feldspath und Magneteisen; denn sie
ist immer magnetisch, um so mehr, je grauer sie in der Farbe
ist. Die Grundmasse ist so gut wie immer porös und geht in
rund- und gezogen-blasigen Bimsstein uber, der dieselben Aus-
scheidungen in zahlloser Menge umschliesst, weshalb er nicht
den technischen Werth der italienischen Bimssteine besitzt. Je
poröser diese Auswürflinge werden, desto mehr zersprungen
und zerbröckelt sind alle Ausscheidungen, besonders der spröde
Sanidin und Hauyn. Ist die Grundmasse wirklich einmal gar
nicht porös ausgefallen, so haben die Auswürflinge grosse
Aehnlichkeit mit manchen Trachyten und Phonolithen.
Dass diese Gesteine Hüllen um Sanidingesteine bilden und
meist in diese Kerne übergehen, ist oben beigebracht; ist
der Kern, wie sehr häufig, gegen die Umhüllung sehr klein,
oder sind mehrere solcher Kerne vorhanden, so bilden sie
gleichsam Einschlüsse von Sanidingestein im Trachyt.
Aber auch alle Gesteine, die sich lose ausgeworfen im Tuffe
oder mit Lava und Schlacken hervorgetreten finden, bilden Ein-
398
schlüsse in ‚diesen trachytischen Auswürflingen; ich will sie
deshalb nieht noch einmal namhaft machen. Die Hauptsache
war mir, zu zeigen, dass beide Arten von Auswürflingen mine-
ralogisch ident sind und nur in ihrer Erstarrungsart abweichen
können.
Noch eine mineralogische Bemerkung möge hier eingescho-
ben werden. Herr v. Decuzn (geogn. Führer zum Laacher-See
S. 84) und Herr SınpgErGeErR. (Jahrbuch für Min. u. s. w. 1845
S. 141) sagen, der Augit in den Auswürflingen sei selten ge-
gen die Hornblende, also gerade umgekehrt wie bei den thäti-
gen Vulkanen. Dieses beruht nach meinen Beobachtungen auf
einer leicht möglichen Verwechselung. Der Augit besitzt näm-
lich nach einer Richtung eine so ausgezeichnete Spaltbarkeit und
solchen Glanz darauf, wie sie sonst nur der Hornblende eigen sind,
während sie nach der anderen Spaltungsrichtung so mangelhaft
ist, dass man an Unterscheidung des Hornblende- und Augit-
winkels gar nicht denken kann. Die seltenere Hornblende in
diesen Auswürflingen hat aber beide Spaltungsriehtungen deut-
lich. Diese nach einer Richtung ausgezeichnet spaltbaren, fur
Hornblende angesprochenen Augite ragen sehr oft in Krystal-
len in die Drusen der Auswürflinge hinein und können kry-
stallographisch als Augit bestimmt und gemessen werden; man
findet sie hier oft recht flächenreich. Diese Ausbildungsart des
Augits findet man auch. in den Auswürflingen der Eifel und
in anderen vulkanischen Produkten.
Die Feldspathkrystalle, die in solche Drusen ebenfalls
hineinzuragen pflegen, bilden seltene Zwillinge, nämlich säulen-
förmige Carlsbader, also eine fast regelmässige sechsseitige
Säule mit einem Kopfende von sechs regelmässig radial gestell-
ten Dachgiebeln, so dass jede Giebelfront mit einer Säulen-
fläche zusammenfällt, und dass sechs einspringende und sechs
ausspringende Winkel entstehen; durch welche Flächen, lässt
sich nicht sagen, weil die mir zu Gebote stehenden Krystalle
ungeeignet zu Messungen sind. |
Alle diese Gesteinsmodifikationen erklären sich nur und-
leicht durch eine rein vulkanische Thätigkeit mit ihren ver-
schiedenen Erkaltungs- und Erstarrungsbedingungen.
Erstarrte nämlich die flüssige Gesteinsmasse, in der sich
unterirdisch schon viele Mineralien auskrystallisirten, an ein-
zelnen Punkten gänzlich, so entstanden die körnigen Sanidin-
/
359
gesteine, die drusig und porös wurden durch gleichzeitige Gas-
entwickelung in oder durch die Masse; bei rascher Erkaltung
konnte auch so’ schon Laacher-Trachyt erstarren, der vom Be-
ginn einer Eruption an in grösserer Menge demnach gebildet
wurde; die gespannten Gase unter der Lava schleuderten er-
starrte und noch flussige Massen, aber mit ausgeschiedenen
Krystallen, als Auswürflinge heraus; erstere gaben reine Sani-
dingesteinsbomben von gröberem und feinerem Korn und von
jeder Porosität bis zum vollständigen Bimsstein; letztere lie-
ferten nach den Umständen Laacher-Trachyte mit den furcht-
baren Massen Bimsstein und allen Uebergängen jenes in diesen, -
sowie bei meist grösseren Auswürflingen Uebergänge eines
langsam erkalteten Kernes von Sanidingestein in die rascher
erstarrte Rinde von Laacher-Trachyten. Bomben mit scharf be-
srenztem Kern .und scharf begrenzter Hülle mögen dadurch ent-
standen sein, dass reine Sanidingesteine in die flüssige Lava
des Kraters zurückfielen, um mit einem neuen Teige, der nur
zu Trachyt erstarren konnte, mehr oder weniger dick um-
geben, sofort wieder ausgestossen zu werden.
Die flüssige Masse hatte ein solches Bestreben zum Kry-
stallisiren, dass eine Bildung von amorphen, obsidianartigen
Auswürflingen ganz ausgeschlossen bleiben musste.
Dass die Modifikation der rascheren Erkaltung, die Laacher-
Trachyte, bei Weitem mehr poröse Massen und vor Allem Bims-
steine geliefert hat, liegt in der Natur der Sache, weil die
Schnelligkeit der Erstsirung mitbedingt ist von der Menge der
durchströmenden Gase.
Sehr auffallend ist in vielen Bomben die gneisartige
Gruppirung der Gemengmineralien, welche mit der Zunahme von
Glimmer, Hornblende und Augit in einem direkten Verhältnisse
zu stehen scheint; entweder sind diese Auswürflinge Bruch-
stücke von Lavaschollen, die im Krater an der Oberfläche
eines »rösseren Lavaspiegels erstarrt sind, nach Analogie der
krystallinischen Schiefer und des Gneises, oder die schichtweise
lamellare Anordnung der Gemengmineralien in einem feurig-
flüssigen Silikate ist nicht die Folge einer Erstarrung von einer
grossen Oberfläche aus, wie man bei der Bildung der kry-
stallinischen Schiefer bisher anzunehmen pflegt, sondern eine
. eigenthumliche, schichtweise polare Attraction der gleichen Ge-
mengmineralien in einer Masse, die jeden möglichen Raum er-
360
füllen, also auch die Grösse und Form eines vulkanischen Aus-
würflings haben kann; analog wie die meisten sogenannten
Granitgänge und Adern in Graniten und Gneisen keine wahren
späteren Ganggebilde in älteren Gesteinen sind, sondern eben-
falls gekrummtflächig polare Attraetionen . oder gangartige Con-
cretionen in der gleichzeitig erstarrten Gesteinsmasse, Hier-
durch erklärt es sich, wodurch der Granit in Gneis und um-
gekehrt übergeht, sei es auf grosse Massen oder in kleineren
Concretionen,; die man so vielfach mit Einschlüssen zu ver-
wechseln geneigt ist. Ein Reichthum oder Ueberschuss an
Augit, Glimmer und Hornblende scheint in den meisten Fällen
die Ursache einer schichtenartigen, polaren Attraction zu sein;
denn die Krystallform, Blätterigkeit und lamellare Ausbildungs-
art dieser drei Mineralien haben das Bestreben, Schichten und
schieferige Massen zu bilden sowohl auf neptunischem, als auch
auf plutonischem Wege. Treten andere Mineralien, besonders
Quarz und andere Feldspathe, zwischen diese Mineralien, so
werden letztere gezwungen, sich als eigenes Gemenge in
Schichten und Lagen zwischen die der drei Mineralien zu
legen d. h. sich den Anordnungen und Erstarrungsprineipien
dieser zu fügen. Herrschen dagegen Quarz und Feldspath im
Gemenge, so mussen sich der Glimmer und die Hornblende
fügen und körnige Massen, z. B. Granit und Syenit, bilden.
Dieselben Erscheinungen finden wir sehr deutlich wieder bei
den glimmerarmen und glimmerreichen Porphyren (Minette);
letztere haben stets ein gneisartiges Gefüge, und auch bei vielen
glimmerreichen Melaphyren sehen wir eine ähnliche lamellare
Anordnung des Glimmers.
Hieraus folgt unzweideutig, dass diese Aubwiflange nicht,
‘wie so viele andere in den Tuffen um den Laacher - See und
in der Eifel, losgerissene Bruchstücke älterer zu Tage oder
unterirdisch anstehender Gesteine sind und sein konnen.
Diese Ansicht scheint allerdings Herr v. DecHen, der
beste Kenner und Beobachter der niederrheinischen Vulkane
nicht zu theilen, wenn er (diese Zeitschrift Bd. XVII S. 142f.)
sagt: „die grauen. Tuffe um den Laacher-See enthalten Stücke
eines eigenthumlichen Trachytes, welcher anstehend in der
ganzen Gegend nicht bekannt ist und überhaupt zu einer der
seltensten Varietäten dieser merkwürdigen a: gehören
durfte,“
361
Herr Rors (l. c. 8.8) glaubt, weil die vulkanischen Pro-
dukte der Eifel Trachyteinschlusse. (meist von mittelkörnigem
Gemenge) enthalten, alle die bekannten grossen Auswürflinge
von Sanidin der dortigen Gegend für Gemengtheile eines älteren,
nur unterirdisch in der Nähe der Vulkanspalten anstehenden,
grobkörnigen Trachytes halten zu müssen; möglich ist das zwar,
aber nicht nothwendig; denn so gut wie die plutonisch hervor-
getretenen Trachyte solche grossen glasigen Feldspathe haben
erzeugen können, eben so gutist das den vulkanisch hervorgetre-
tenen trachytischen Massen möglich gewesen, die wir als Sanidin-
gesteine, vollkommen denen des Laacher-Sces gleich, um alle
Eifeler Maare sammeln können, nur nicht so häufig und reich
an seltenen Mineralien.
5. Palagonit im Leueittuff,
Den Palagonit als Bindemittel der früher losen Tuff-
schichten an vielen Orten der Eifel haben die Herren RoruH
und MITSCHERLICH (l. c. S. 26 f.) erkannt, analysirt und seine
Entstehung aus den vulkanischen Produkten des Basaltgesteins
durch blosse Einwirkung; von kohlensäurehaltigem Wasser durch
Verlust von Kieselsäure und Alkalien, Aufnahme von Wasser
und Oxydation alles Eisenoxyduls nachgewiesen.
In unserer Sammlung befinden sich mehrere Stücke eines
Leueittuffes’ von Bell und „am Boder*“ beim sogenannten Gänse-
hals von Rieden, die aus einer gelblich graubraunen dichten
Grundmasse mit kleinen Leucitkrystallen bestehen und durch
kleine, bis ein viertel Zoll grosse Bruchstücke von Devonge-
steinen, noch mehr aber durch solche von den Leueit-Nosean-
Gesteinen conglomeratisch werden. Einzelne dieser letztge-
nannten Bruchstücke sind nicht zu unterscheiden von dem
hornartigen, braunen Palagonit von Seljadalr in Island. Sehr
interessant ist es, dass man durch noch unveränderte, einge-
schlossene Krystalle von Leucit und Nosean im Palagonit
deutlich erkennt, dass derselbe nicht, wie in der Eifel und den
anderen Orten seines Vorkommens, aus Basaltmassen entstanden
ist, sondern aus einer in der Umgegend des Laacher-Sees an-
stehend nicht bekannten Varietät des Leueit-Nosean-Gesteins.
In kleinen Poren und Rissen finden wir eine Zeolithsubstanz
an den Wänden in feinen Nädelchen krystallisirt.
Beim Glühen giebt dieser Palagonit viel Wasser, wird
d
. 362
dunkler, so. dass aus ihm die schneeweissen Leucite und Ze-
olithe schön herausleuchten und in ihm Glimmerblättchen erkenn-.
bar werden. |
Wie hat man sich nun. wohl den chemischen Vorgang bei
der Umbildung von Leueit-Nosean-Gestein zu Palagonit ungefähr
zu denken ? Bi
Abstrahiren wir von der leicht erklärbaren Wasseraufnahme,
so besteht nach den oben gedachten Arbeiten des Herrn ‚vom
RartH das Nosean-Leucit-Gestein vom Laacher-See durchschnitt-
lich aus:
Kieselsäure 52,60
Schwefelsäure 1,07
Chlor 0,36
Thonerde 20,12
Eisenoxyd 6,59
Kalkerde 9,19
Magnesia 0,74
Hal, 6,56
Natron 8,97 P
‘100,00,
die durchschnittliche. Zusammensetzung des wasserfreien Pala-
gonites von Noveligsberg und Steffelerberg in der Eifel, von
Island und von Sieilien aus:
Kieselsäure _ 47,80
Thonerde 16,75
Eisenoxyd 16,75
Kalkerde 71,21
Magnesia 7,30
‚Kali 2.94
Natron 1,25.
"#nch00s00.
. Nehmen wir, und das wohl mit Fug und Recht, den
Thonerdegehalt (16,75 pCt. im Palagonit) als Constanste bei
derUmwandelung an, so geben 83,21 Theile Nosean-Leueit-Ge-
stein 100 Theile wasserfreien und 110 bis 114 Theile wasser-
haltigen Palagonit, und zwar durch Verlust von
0,88 Theilen Schwefelsäure
0,2947. 105: Chlor.
2:32:12 z.1»Kalirund
5,71 „. Natron
363
und durch Aufnahme von’
4,01 Theilen Kieselsäure
11,44 „ _ Eisenoxyd
4.06 ... Kalkerde
6,69 „ _ Masgnesia.
Diese Umwandelung ist ebenfalls vollkommen denkbar und
wahrscheinlich, einzig und allein durch Einwirkung von kohlen-
saurem Wasser auf Gesteinsmassen, wobei ein Theil derselben,
welcher jetzt die Grundmasse des Tuffconglomerates bildet, die
‚Verwitterung in Kaolin unter Entbindung gelöster Kieselsäure
und von Kohlensaurem Eisenoxydul, kohlensaurer Kalkerde, Mag-
nesia und kohlensauren Alkalien erleidet und der andere die Um-
bildung zu Palagonitunter Entbindung von schwefelsauren, kohlen-
sauren und Chlor-Alkalien, die mit den kohlensauren Alkalien des
zu Kaolin verwitterten Gesteins in Quellen fortgeführt werden,
und unter Aufnahme der bei der Kaolinisirung freigewordenen
Kieselsäure, des Eisenoxyds, der Magnesia und Kalkerde.
Wie viel nun noch andere Einschlusse in dem Leueittuffe
sich an dieser Palagonitbildung mögen betheiligt haben, kön-
nen wir gar nicht absehen; war es doch bei der obigen
Betrachtung auch nur meine Absicht, ein mögliches Bild der
Palagonitbildung aus den Nosean-Leueit-Gesteinen mir zu ver-
gegenwärtigen, um mich nicht ‚bloss an dem Factum dieser Um-
bildung genügen zu lassen. Soviel glaube ich erreicht und be-
wiesen zu haben, dass diese Palagonitbildung allein durch die
Atmosphärilien möglich ist, und dass sie wesentlich abweicht
von der aus den Gesteinen der Basaltfamilie, deren Skizze
ich im Eingange dieses Abschnittes aus dem MitscHerLich’schen
Werke wiederholt habe, und der ich in allen Beziehungen nur
beitreten kann, da sie bloss mit Grossen: zu thun hat, welche
überall auf die Gesteine einwirken, nämlich. mit Luft und
Wasser.
364
11. Ueber die Brachiopoden aus dem unteren Gault
(Aptien) von Ahaus in Westphalen, |
Von Herrn U. ScntoensacH jun. ın Salzgitter.
Unter einer grösseren Anzahl von Kreide-Brachiopoden,
die mir kürzlich durch die Gute der Herren Dr. EwALD zu
Berlin und Prof. Hosıus zu Münster mitgetheilt wurden, be-
finden sich auch zwei kleine, aber höchst interessante Suiten
von den Barler Bergen bei Ahaus in Westphalen aus der Zone
des Ammonites Martini D’OrB., welche bekanntlich dem unteren
Gault v. Strousecr’s (= Aptien D’ORB.) angehört. Dieselben ver-
dienen vielleicht um so eher einige Beachtung, als sich unser
norddeutscher Gault sonst im Allgemeinen so arm an Arten
und Individuen dieser Classe erweist. Wegen speciellerer
Auskunft über das schon länger bekannte Vorkommen darf
ich auf die gründlichen Arbeiten von A. v. STROMBECK (Ver-
handl. d. naturh. Ver. f. d. pr. Rheinl. u. Westph., 1858,
S. 443), Ewaup (Monatsberichte d. k. Akad. d. Wiss. z. Ber-
lin, 1860, p. 332) und Hosıus (Verh. nat. Ver. Rheinl.
Westph. 1860, p. 294) verweisen.
Die von mir untersuchten Arten sind folgende:
1. Terebratula Moutoniana v’OrB. Mit diesem Namen
bezeichne ich in Uebereinstimmung mit v. STROMBECK die häufigste
der vorkommenden Arten, von der sich in der Ewaup’schen
Suite 4, in der Hosıus’schen 11 Exemplare befinden, die zum
grossen Theile beträchtliche Dimensionen (55 Mm. Länge) er-
reichen. So sehr auch alle diese Exemplare unter einander
in Bezug auf das Verhältniss der Breite zur Länge und Dicke
varjiiren , so stimmt doch kein einziges derselben mit den
Typen der Terebratula biplicata Sow. aus dem Upper-Green-
Sand oder der Craie chlorit6e überein; dagegen dürfte eine
vollständige Identität mit den älteren Formen stattfinden, die
sich der 7. sella Sow. nähern, wie sie namentlich in unseren
365
norddeutschen Hilsbildungen in so ausgezeichneter Mannichfaltig-
keit vorkommen. Indessen giebt doch die grosse Flachheit,
namentlich der undurchbohrten Dorsalklappe, der breite, über-
gebogene, von einem grossen Foramen fast parallel zur Längs-
achse abgestutzte Schnabel und die meist nur undeutlich oder
schwach biplicate Stirn der Art einen ausgezeichneten Habitus,
der meiner Ansicht nach für D’OrgıenyY’s Abtrennung derselben
von T. sella als einer selbständigen Art spricht. Eine vortreff-
liche Darstellung dieses Habitus giebt D’Orgıcny’s t.510, f. 1-3,
doch ist bei solcher Grösse das Foramen der norddeutschen
Exemplare meist schon etwas weiter.
Ganz eigenthumlich und mir fast unerklärlich ist die Deu-
tung, welche Dr. Hrru. CrEepxer”*) der Terebratula Moutoniana
D’ORB. giebt, und noch auffallender wird dieser Irrthum dadurch,
dass unabhängig von ihm und fast gleichzeitig in England
MEYER einen ganz‘ ähnlichen Fehler macht**). Was Herm.
ÜREDNER abgebildet hat, ist allerdings, wie er richtig bemerkt,
eine Waldheimia in dem Sinne, wie dieser Name bisher
meistens gebraucht wird; auch steht die Crepser’sche Art der
Rormer’schen Terebratula longa (= faba v’ORB., non Sow.,
Dav.) allerdings sehr nahe, so nahe, dass ich nach meinem
sehr grossen Material sie nicht davon zu trennen wage. MEYER’S
Waldheimia Moutoniana dagegen, soviel sich aus der blossen
Abbildung schliessen lässt, scheint eher sich auf die im Fol-
genden gleich näher zu erörternde Megerlia tamarindus zu
beziehen. Ganz anders aber verhält es sich mit der Art,
die D’ORBIGNY mit dem Namen Terebratula Moutoniana belegt
hat, wie ich nicht nur nach Vergleichung der D’OrpıcnvY'schen
Abbildung, sondern auch nach Untersuchung der D’OrBIcnY’schen
Originale, sowie zahlreicher Exemplare, die ich unter dieser
Bezeichnung in vielen französischen Sammlungen gesehen,
mich überzeugt habe. Terebratula Moutoniana D’ORB. ist, wie
bisher auch alle hiesigen Paläontologen immer angenommen
haben, und worauf namentlich schon v. StromBeck (Neues Jahrb.
1857, S. 653) sehr entschieden hingewiesen hat, eine un-
zweifelhafte, echte Terebratula im engeren Sinne, ohne Dorsal-
*) Zeitschr. d. d. geol. Ges. Bd. XVI, S. 561, t. 21, f. 1-5.
**) The geologieal Magazine, Dee. 1864, t. 12 (verdruckt: 11),
f, 12 -- 14.
366
septum und scharfe Schnabelkanten und mit: kurzer Schleife
und gehört in die Gruppe der Teerebratulae biplicatae, wenn auch der
"Sinus in der Regel nur schwach entwickeltist. Von einer Identität
mit dem, was Herım. ÜREDNER als Terebratula ( Waldheimia)
Moutoniana bezeichnet hat, kann daher keine Rede sein.
2. Megerlia tamarindus Sow.' sp. ist in der Ho-
sıus’schen Sammlung durch 10 Exemplare vertreten, während
sie in der Ewarp’schen fehlt. Dieselben stimmen auf’s Voll-
» ständigste mit allen Formen dieser Art überein, welche Davıp-
son (Monogr. of Brit. Cret. Brach., t. 9, f.26 und 29—31) aus dem
Lower-Green-Sand abgebildet hat; namentlich zeigt sich auch
die Aufbiegung der Stirn nach der Seite der kleinen Klappe
bei einigen Exemplaren in sehr ausgezeichneter Weise, während
dieselbe bei den zu dieser Art zu rechnenden Vorkommnissen
aus unserem Hils selten so: ausgesprochen ist. Im Uebrigen
findet dieselbe Variabilität in Bezug auf die Formenverhält-
nisse statt wie im Hils.
Davınpson und mit ihm OostEr*) und Heru. CReDNEr rechnen
Terebratula tamarindus Sow. zur Untergattung Waldheimia, in-
dem - ersterer ihr eine lange, bis nahe zur Stirn reichende
Schleife zuschreibt, von welcher CREDNER 1. c. t. 21, f. 15 ein
Fragment abbildet. Zwei der mir vorliegenden Exemplare
von Ahaus, nämlich eine Dorsal- und eine Ventralklappe lassen
den inneren Bau z. Th. sehr deutlich erkennen, der hinsicht-
lich der Anordnung und Form der Muskeleindrücke ziemlich genau
mit der schönen Abbildung übereinstimmt, welche Eus. Des-
LONGCHAMPS**) als charakteristisch für seine Section Wald-
heimia giebt ( Waldheimia pala Buch sp.)***). Das Dorsalseptum
-.*) Ooster, Synopsis des Brachiopodes fossiles des Alpes Suisses, 1864,
Da, 112 140.
%*) Paleontologie frang., Brach. jurass., t.. 6, f. 2, 2.
‚»#®) Ich möchte mir hier die vorläufige Bemerkung erlauben, dass
in Bezug auf den Namen Waldheimia Eve. DesLoxchAamps sich, wie mir
scheint, eine Inconsequenz hat zu Schulden kommen lassen. Die Formen,
für welche von Kıxs ursprünglich der neue Gattungsname Waldheimia
aufgestellt worden ist (W. Kıng, Monograph of the Permian Fossils,
1350, in Palaeontographical Society für 1848, p. 145), namentlich auch
Kıns’s Typus Waldheimia flavescens Lam. sp. (= australis Quoy), werden
von Evc. Desiosecuames in die Section Eudesia (Typus: Eudesia cardıum
Lam. sp. gestellt, während seine Section Waldheimia eine andere Formen-
ist nach meinen Beobachtungen an den Exemplaren aus dem
unteren Gault, sowie an zahlreichen aus dem Hils, stets viel
kürzer, als e$ CREDNER gezeichnet hat (bei einem Exemplar
aus dem Niveau des Speeton-Clay), und erreicht gewöhnlich
noch nicht einmal die Hälfte der Länge der kleinen Klappe.
Von der Schleife sind an den Gault-Exemplaren nur die ersten
divergirenden Anfänge der Lamellen erhalten. Dagegen ist es
mir durch sorgfältige Schliffe an mehreren Stücken aus dem
Hils gelungen, dieselbe ihrem ganzen Verlauf nach darzustellen.
Die nebenstehende Skizze ergiebt besser als
eine Beschreibung ihre Gestalt, die mit dem
Typus der. Section Waldheimia Euc. Destı.
allerdings durch die nur einfache Anheftung
an die Schlossplatte (nicht auch an das Sep-
tum, wie bei Terebratella und meistens auch
bei Megerlia etc.) einige Aehnlichkeit hat,
reihe umfasst, welche, wenn sie auch in Bezug auf den Bau der Schleife über-
einstimmt, doch in Bezug auf den Schnabel und die Anordnung der Muskel-
eindrücke Abweichungen zeigt, die nach meiner Ansicht die von DesLonc-
CHAMPS vorgenommene Abtrennung als Section von der an Terebratula (Wald-
heimia) flavescens sich anschliessenden Formenreihe ausreichend begründen.
Inconsequent erscheint es mir aber, für diese neu begründete Section,
als deren erste Beispiele Eu. Drstonscnames die jurassischen Terebratula
carinata und pala anführt, den Namen Waldheimia anzunehmen, welchen
Kıns selbst später (l. ec. p 246) als wahrscheinlich gleichbedeutend mit
Eudesia anerkannt hat, und welcher jedenfalls nur für Formen wie Tere-
braltula flavescens u s. w. gelten könnte, wenn man ilın dem von Kınc
nicht scharf begründeten und deshalb von ihm selbst aufgegebenen Na-
men Eudesia vorziehen will. Freilich war man seit einigen Jahren ge-
wohnt. den Namen Waldheimia als Gattungs- oder Untergattungs-Namen
für alle Arten anzunehmen, welche eine einfach angeheftete, lange Schleife
und ein Dorsalseptum besitzen, und hieraus scheint DssLonGcuAanPps die
Veranlassung genommen zu haben, die beiden vorhandenen Namen Eu-
desia und Waldheimia für ‘die beiden in der Juraformation vorkommen-
den Sectionen, denen diese Eigenschaft zukommt, zu benutzen, ohne zu
berücksichtigen, dass jene beiden Namen von ihrem Begründer nur für
verschiedene Arten einer und derselben Section geschaffen sind, der letz-
tere also nicht für die andere Section gebraucht werden kann. Für
diejenige Section, auf welche DesroxnscHnsmps den Namen Waldheimia
beschränkt, scheint es daher noch an einem besonderen Namen zu fehlen,
falls nicht die 1859 von Kıns begründete Gattung Macandrewia dieser
Abtheilung entspricht: leider ist es mir noch nicht möglich gewesen, die
Schrift (Natur. Hist. Review, VI, p.516--520) zu Gesicht zu bekommen,
in welcher jener ausgezeichnete Kenner fossiler Brachiopoden diese und
368
aber doch daneben auch viel Eigenthümliches, was bei Wald-
heimia E. DesL. in solcher Weise nicht bekannt ist.
Zu diesen Eigenthümlichkeiten gehört in erster Linie die
Art, wie die absteigenden Lamellen der Schleife in die zurück-
kehrenden Lamellen je einen in divergirender Richtung fast
bis zur Stirn reichenden Fortsatz besitzen. Dazu kommt zwei-
tens, dass die absteigenden Lamellen ihrer ganzen Länge nach _
an ihrer Aussenseite mit langen, fast bis an die Ränder rei-
chenden, senkrecht abstehenden Dornen unregelmässig besetzt
sind, während dieselben an den ruckkehrenden Lamellen fehlen.
Die Schleife bekommt hierdurch, abgesehen von der fehlenden
Anheftung an das Septum, eine ganz merkwürdige Aehnlichkeit
mit derjenigen der Megerlia Ewaldi Suzss*). So unerwartet
und unwahrscheinlich auf den ersten Blick eine solche An-
näherung an diese Gattung oder Untergattung erscheinen mag,
so dürften doch die neueren Beobachtungen von CHARLES MOORE
und Eug. DesLonscHAmPps dieselbe weniger auffallend machen.
Der Güte des genannten englischen Gelehrten verdanke ich
zwei zu einem im dritten Bande der Zeitschrift The Geologist
gedruckten Aufsatze gehörige Tafeln, deren Bedeutung mir aber,
da es mir leider nicht gelungen ist, den Text zu erhalten oder
auch nur einzusehen, nicht bekannt ist. Soviel scheint in-
dessen aus den auf t. 2 enthaltenen Darstellungen (nament-
lich aus f. 13, 2, 3, 4, 9, 1) hervorzugehen, dass zwischen
dem einfachen Armgerüste, wie es Kingia Deslongchampsi (Eue.
Dest., Pal. frane., Brach. jur., t. 33, f. 9) bietet, und dem so
ansserordentlich complieirten inneren Bau, den man bei Arten,
wie Kingia (oder Megerlia) lima und Megerlia Ewaldi, findet,
gewisse Zwischenstufen vorhanden sind, die es misslich er-
scheinen lassen durften, diese Arten in verschiedene Sectionen
oder gar Gattungen zu stellen. Diesen Beobachtungen Moo-
rp’s schliessen sich die von Eus. DESLONGCHAMPS an, deren
Resultate derselbe namentlich ].c. p. 55 ff. und p. 140 ff. aus-
mehrere andere neue Brachiopoden-Gattungen, deren Namen mir nur aus
einer beiläufigen Notiz von Surss (N. Jahrb., 1561, S. 154) bekannt sind,
näher beschrieben hat.
‚ *) — Terehralula pectunculoides Quesst., Handb. d. Petref, S. 464,
t. 37, ££ 15-18 und Jura, S. 742, t. 90, f. 47--51; ferner Davınson in
Annals and Magaz. of Nat. Hist., 2d. ser. V, p. 449, t. 15, f. 5; Suess,
Class d. Brach. v. Dav., S. 49; Suess, Brachiop. d. Stramb. Sch,, S. 4.
369
‚gesprochen hat. In diese Reihe von Zwischenstufen fügt
sich nun, wie- es scheint, auch der Bau der Schleife unserer
Terebratula tamarindus Sow. sehr naturgemäss ein; auch wird
die Richtigkeit der systematischen Einreihung der Art an
dieser Stelle noch wahrscheinlicher gemacht durch zwei Eigen-
schaften, auf die ich noch etwas näher eingehen muss, und
die auf mehr Beziehungen der Terebratula tamarindus zur Des-
LONGCHAMPS’schen Section Kingia (Kingena) Dav. hinzudeuten
scheinen; dieselben liegen im Bau des Schnabels und in der
Schalenstructur.
Nach der Diagnose, die Eu. DesLongcHuanes 1. c. p. 55
. von dieser merkwürdigen Section giebt, ist der Schnabel „von
einem ziemlich grossen .Foramen durchbohrt, welches unten
im erwachsenen Zustande von einem Deltidium begrenzt wird,
das erst sehr spät seine vollständige Entwickelung erreicht.“
Diese letztere Bemerkung bezieht sich darauf, dass die beiden
Plättchen des Deltidiums bei den bis jetzt bekannten Arten
fast nie mit einander verwachsen sind, sondern das Foramen
bis zum Wirbel der kleinen Klappe reichen lassen. Derselbe
Fall findet in der Regel auch bei dem überhaupt verhältniss-
mässig grossen Foramen der Teerebratula tamarindus Sow. statt,
indem selbst bei Exemplaren von bedeutender Grösse (18 Mm.
Länge) das Deltidium noch aus zwei durch das Foramen
getrennten Stücken besteht; indessen ist dies bei unserer Art
durchaus kein constantes Merkmal, da nicht selten bei anderen,
sowohl kleineren als grösseren, sonst ganz mit jenen überein-
stimmenden Exemplaren die beiden Deltidialplatten mit ein-
ander verwachsen sind und das Foramen nach unten vollständig
abschliessen.
Die Schalenstructur der Terebratula tamarindus beschreibt
CREDNER mit folgenden Worten: „Auf der Oberfläche ist eine
weitläaufige Chagrinirung schon mit blossem Auge sichtbar;
sie besteht aus Linien von Grubchen, welche sich unter spitzen
Winkeln schneiden.“ Dabei hat er jedoch das Eigenthümlichste
noch übersehen, was aber freilich nur bei ganz vorzüglich guter
Erhaltung der Schalenoberfläche sichtbar wird und ganz ver-
schwindet, sobald dieselbe nur etwas abgerieben ist. Ich
meine die eigenthümliche Körnelung, welche Davınson und
Deston@cHanps. als Merkmal der Untergattung oder Section
Kingia beschreiben, und die aus feinen, runden Wärzchen von
verschiedener Grösse besteht, welche unabhängig von den die
Schale durchbohrenden Poren die Schalenoberfläche bedecken.
Die Anordnung und Entfernung derselben ist nicht constant
eine regelmässige (in Form der Quincunx), sondern dieselbe
ist sowohl bei den Individuen einer Art, als an verschiedenen
Stellen der Oberfläche eines Individuums wechselnd, so dass
es mir scheint, als ob man hierin nicht, wie DESLONGCHAMPS —
Zeits.d.d.geol,Ges. X VIII. 2. 24
370
im Gegensatz zu Davınson — will*), ein Unterscheidungs-
Merkmal für die Arten der Abtheilung Kingia suchen dürfe;
eine grosse Veränderlichkeit habe ich in dieser Beziehung
namentlich auch an Kingia lima aus der cenomanen Kreide,
Davıpson’s Typus dieser Untergattung, beobachtet, so dass mir
die von DesLon@cHAaumps versuchte Wiederabtrennung der Kingia
sexradiata Sow. sp. und Hebertiana D’ORB. sp. nicht unbedenklich
erscheint. Die diesen letzteren beiden Namen entsprechenden
Formen kommen in ganz übereinstimmender Weise an gewissen
Localitäten auch bei uns häufig vor, ohne dass es mir bis jetzt
möglich gewesen wäre, irgend welche constante Unterschiede
von der ebenfalls nicht zu seltenen cenomanen Form festzu-
stellen. Von dieser eigenthümlichen Schalenstructur zeigen
sich an einigen der mir vorliegenden Gault-Exemplare der
Terebratula tamarindus mehr oder weniger deutliche Spuren;
sehr schön ist dieselbe dagegen an einer grösseren Anzahl
von Exemplaren aus verschiedenen Schichten des norddeutschen
Hils oder Neocom erkennbar, die allerdings aus einem Vor-
rath von mehreren Tausenden ausgelesen sind.
Wenn ich nun schliesslich über die Frage entscheiden soll,
zu welcher Section oder Untergattung der grossen Gattung
Terebratula die Species 7. tamarindus naturgemäss zu stellen
ist, so scheint es mir, als ob nach den obigen Mittheilungen zu-
nächst die Section Waldheimia, entgegen den Ansichten Da-
vıpson’s und H. CrEpner’s, von der Wahl ausgeschlossen werden
müsste; dagegen würde es sich meines Erachtens nur um die
Sectionen Kingia und Megerlia -(= Ismenia Kına**), welcher
Name, streng genommen, die Priorität hat, nachdem die ge-
nerische Identität von Ismenia und Miegerlia festgestellt
ist) handeln. Kingia (Davınson schreibt Kingena, eine dem
allgemeinen Gebrauche widersprechende Namenbildung), wurde
1852***) auf die einzige Art Kingia lima Derr. sp. begründet,
später aberf) als nur unwesentlich von Megerlia abweichend
wieder fallen. gelassen. Neuerdings hat nun Eve. EupeEs-Des-
LONGCHAMPS diesen Namen neben Megerlia als Bezeichnung
für eine seiner Sectionen der Gattung Terebratula wieder auf-
genommen, indem er als charakteristisches Merkmal, wie es
scheint, ausschliesslich die Oberllächen-Beschaffenheit der Schale
gelten lasst. Trotzdem bleiben in seiner Section Megerlia
aber noch so verschiedenartig gestaltete Formen, dass es bei
der sonstigen Uebereinstimmung wohl richtiger sein möchte,
die zu Kingia gehörigen Arten, wenn dieselben auch eine na-
tüurlich begrenzte Gruppe bilden, nicht als gleichwerthige Section
neben Megerlia zu betrachten.
*) Etudes eritigues sur des Brachiopodes ete., p. 45 ff.
**) Kıng, Permian Fossils, p. 142.
*##) Monogr. Cret. Brach., p. 40.
+) Ibidem, p. 104, Anm. 7; 1855.
> 371
Hiernach würde also Terebratula tamarindus
Sow. zur Untergattung oder Section Megerlia und
innerhalb derselben zu der unter dem Namen Kin-
gia zusammengefassten Gruppe zu ziehen sein.
Die verticale Verbreitung der Megerlia tamarindus erstreckt
sich im nordwestlichen Deutschland nicht nur uber die ganze
Hils- (oder Neocom-) Formation, sondern auch uber den
Speeton-Olay (cf. Herm. CREDner ]. ce.) und, wie aus Obigem
hervorgeht, auch über die zum unteren Gault gehörige Zone
des Amm. Martini, ja vielleicht sogar noch höher hinauf. Da-
vınson giebt für England an das Vorkommen im Lower-Green-
Sand, Kentish-Rag und Upper-Green-Sand of Farringdon.
Erstere beiden Schichten-Angaben wurden mit dem Niveau von.
Ahaus annähernd übereinstimmen; das Alter des Upper-Green-
Sand of Farringdon, ‚oder gewöhnlich Farringdon-Sponge-Gra-
vel genannt, ist der Gegenstand einer, wie es scheint, noch
immer nicht endgiltig entschiedenen Controverse zwischen vie-
ien englischen Geologen, indem einige denselben zum Lower-
Green-Sand, andere (z. B. Davivson) zum Upper-Green-Sand
rechnen und SHARPE gar ihn als Aequivalent der Schichten von
Mastricht betrachten wollte. Indessen scheint nach Allem,
was mir darüber bıs jetzt bekannt geworden ist, DaAvınson’s
Ansicht die grösste Wahrscheinlichkeit zu haben. Aber selbst
unter dieser Voraussetzung dürfte doch das Vorkommen der
Megerlia tamarindus in Schichten cenomanen Alters als ein
noch nicht ganz sicher festgestelltes zu betrachten sein, da es
nach Davınsov’s Abbildungen (l. e. t. 9, f. 27, 28) zweifelhaft
erscheint, ob bei den Exemplaren von Farringdon das für die
Art charakteristische Dorsalseptum vorhanden ist und über-
haupt bei der angegebenen grossen Seltenheit der Art an je-
ner Localität die Bestimmung vielleicht nicht mit der gewohn-
ten Schärfe ausgeführt werden konnte. D’OrsıcnY beschränkt
im Prodrome das Vorkommen unserer Art auf das eigentliche
Neocom.
3. Als Terebratella Astieriana D’ORB. bezeichne ich
eine höchst interessante Form, von der mir leider nur ein
mangelhaft erhaltenes Exemplar aus-der Hosıus’schen Samm-
lung vorliegt, welches mit keiner anderen bekannten Art besser
übereinstimmt. Die Oberfläche der Schale ist nicht erhalten
und der Schnabel nicht ganz von dem anhaftenden Gesteine
zu befreien. Die Art und Weise der Berippung stimmt gut
mit D’OrB., Terr. Ort. IV, t. 516, f. 6, doch ist bei dem nur
etwa zwei Drittel der Grösse der französischen erreichenden
Ahauser Exemplare der Wulst etwas breiter und nicht ganz so
stark hervortretend, sowie die Umrisse der Schale nicht so
abgerundet; auch liegt die grösste Breite naher nach dem
‚Schnabel zu. ’
24*
372
x
Das Lager der Terebratella Astieriana in Frankreich, wo
D’ÖRBIGNY sie im Aptien namentlich des Yonne - Departements
angiebt, entspricht ganz dem norddeutschen Vorkommen; auch
dort ist sie überall, wie hier, von Terebratula Moutoniana be-
gleitet. In Norddeutschland ist Ahaus meines Wissens der
erste Fundort für diese Art.
Eine der Terebratella Astieriana ähnliche Art wurde neuer- _
dings *) von LorıoL als Terebratella Arzierensis aus dem Valan-
ginien von Arzier (Ct. Waadt) beschrieben; dieselbe unter-
scheidet-sich jedoch leicht dadurch, dass beide Klappen längs
der Mitte einen Sinus haben, während bei Terebratella Astieriana
dem Sinus der grösseren Klappe ein Wulst auf der kleineren
entspricht; auch sind bei ersterer die Rippen gekörnt, was bei
Terebratella Arzierensis nicht der Fall ist.
4. Rhynchonella antidichotoma Buv. sp. Drei.
Exemplare in EwaLp’s und ein sehr schönes und grosses in
der Hosıvs’schen Sammlung. Ueber das Verhältniss dieser
schönen Art zu der von ihm gründlich studirten Rhynchonella
depressa Sow. sp., deren Varietäten zum Theil allerdings jener
ziemlich nahe kommen, hat sich Dr. HER“. CREDNER sehr aus-
führlich ausgesprochen. Obgleich er keine Uebergänge zwi-
schen beiden nachweisen kann, kommt er doch ]l. ce. p. 557
zu folgendem Resultate: „Geht man bei der Aufstellung der
hierher gehörigen Brachiopoden-Arten darauf aus, extreme For-
men zu vereinigen, sobald Uebergänge zwischen ihnen aufge-
funden werden können, welche ihre gegenseitige Verwandtschaft
beweisen, vereinigt man demnach Terebratella oblonga und Pu-
scheana, so muss auch analog Diesem, mit Rücksicht auf die
Vorkommen vom Hilter und Ahlten (antidichotome Varietäten
der Rhynchonella plicatilis und der, wie mir scheint, nicht da-
von zu trennenden Rhynch. octoplicata U. ScHL.), Rhynch. anti-
dichotoma nur als eine Varietät von Rhynch. depressa aufgefasst
werden.“ e
Ich kann mich diesem Schlusse nicht anschliessen und
halte es namentlich für sehr bedenklich und trügerisch, auf
gewisse Analogien hin von den Varietäten einer Art auf die
einer anderen zu schliessen, da die allerdings viel verbreitete
Ansicht, dass analoge Arten auch immer analog variiren, durch-
aus nicht in der Wirklichkeit begründet ist. So würde z. B.
Nichts, unrichtiger sein als die nach dieser Theorie sehr nahe
liegenden Schlüsse, dass Rhynch. rimosa dieselbe Veränderlich-
keit in Bezug auf das Verhältniss zwischen Länge, Breite und
Dicke zeigte, wie die doch gewiss sehr analoge Rhynch. plica-
tilis; oder dass die feinen Rippen der ersteren sich in gleicher
*) Memoires de la Soc. de Phys. et d’Hist. nat. de Geneve, 1864,
XVII II, p. 441, f. 11—193.
373
Weise, wie oft die der nahestehenden Rhynch. fureillata, bevor
sie antidichotomiren, durch wirkliche Dichotomie vermehrten;
oder dass Rhynch. paucicosta Rorm. sp. in Bezug auf die An-
zahl der Rippen ebenso variire, wie die analoge Ahynch. sub-
serrata Münst. sp.; u. s.w. So sehr ich daher auch mit
Herrn Dr. CrEDnER in Bezug auf die Zusammengehorigkeit der
bezeichneten Varietäten der Rhynch. plicatilis Sow. sp. über-
einstimme (ohne mir jedoch die nach mündlicher Versicherung
auch von Herrn v. STROMBECK schon seit längerer Zeit wieder
verlassene Ansicht von der specifischen Untrennbarkeit der
Terebratella oblonga und Puscheana anzueignen), muss ich doch
die schöne, stets nur in jungeren Schichten vorkommende Rhynch.
antidichotoma so lange als specifisch verschieden von Arhynch.
depressa betrachten, bis das wirkliche Vorhandensein deutli-
cher Uebergangsformen zwischen beiden nachgewiesen wird.
Ob das, was Davınson aus dem Farringdon-Sponge-Gravel
als Varietät der Rhynch. latissima Sow. sp. aus dem Upper-
Green-Sand ansieht, hierher gehört, wage ich nicht zu ent-
scheiden. Davıpson selbst scheint über die Zugehörigkeit die-
ser Formen zu der Art von BuviesiEr sehr zweifelhaft.
Die mir vorliegenden Exemplare variiren sehr in Bezug
auf das frühere oder spätere Eintreten der Antidichotomie
(ähnlich wie Rhynch. fureillata), sowie hinsichtlich der Bildung
des Sinus. Während einige fast ganz gleichmässig gewolbt
und ohne Sinus sind, besitzen andere einen ungemein tiefen
Sinus und entsprechend stark hervortretenden Wulst (nament-
lich einige Exemplare aus der Gegend von Braunschweig),
und wieder andere zeigen eine unsymmetrische Entwickelung
der Stirn nach Art der Rhynch. inconstans. VON STROMBECK *) giebt
auch als Merkmal der Ahauser Form an, dass bei ihr „die ver-
einigten Falten nicht so hoch und scharf erscheinen“, wie bei
der aus der Braunschweiger Gegend; doch beweisen die mir
vorliegenden Exemplare, dass auch dies Merkmal keineswegs
constant ist. :
. Rhynchonella antidichotoma, welche in Frankreich von D ORr-
BIGNY in’s Albien gestellt wird, ist auch in Norddeutschland nicht
auf das Niveau des Aptien oder unteren Gault beschränkt, son-
dern tritt zuerst schon in dem durch den Speeton-Clay (STRoMB.)
davon getrennten Crioceras-Schichten auf, welche v. STROMBECK
als oberste Schicht der norddeutschen Hilsformation betrachtet
und die wohl zum Theil dem Urgonien p’OrB. entsprechen.
Sie ist in dieser Schicht an mehreren Loecalitäten, besonders
aber im sogenannten Bohnenkamp bei Querum unweit Braun-
schweig aufgefunden, wo sie namentlich in Gesellschaft des
Crioceras Emerici D’ORB. erscheint. Ueber dem Niveau des
Aptien ist sie dagegen bei uns noch nicht nachgewiesen.
*) Verh. naturh. Ver. Rheinl, 1858, Westph., S. 447.
374
»n: Binywehbireilie Gibbsiana Sow.-sp. Die vor-
trefflichen Abbildungen, welche Davınsox (Mon. Cret. Br., 1.12,
f. 11, 12).von dieser eleganten Art gegeben hat, schliessen in
Verbindung mit der Vergleichung guter ende Typen, die
ich von Atherfield auf der Insel Wight besitze, jeden Zweifel
an der Richtigkeit der Bestimmung der Foren vier Exem-
plare von Ahaus aus, von denen je zwei den beiden unter-
suchten Sammlungen angehören. Je eine derselben zeichnet
sich durch etwas bedeutendere Grösse aus, als bei englischen
Exemplaren vorzukommen pflegt, sonst findet aber eine voll-
kommene Uebereinstimmung statt, die jede weitere Beschrei-
bung überflüssig macht.
Die Gaultschichten von Ahaus scheinen. bis en der erste
und einzige zuverlässige Fundort der Rhynch. Gibbsiana in Nord-
deutschland zu sein. Es durfte dies Vorkommen ein neues
Moment für die Ansicht bieten, dass wenigstens ein Theil des-
sen, was die Engländer Lower-Green-Sand nennen, dem nord-
deutschen „unteren Gault“ (nach EwALp) = Aptien D’ORB. ent-
spricht, wofür schon so manche wichtige Thatsache — nament-
lich von EwALp*”) — . vorgebracht worden ist. Zwar finden
sich in der geognostischen Literatur über die. norddeutschen
Flötzformationen schon mehrfache Citate von Rhynch. Gibbsiana,
so z. B. bei A. Rosmer, Verst. d. nordd. Kreidegeb., p. 37;
doch bezieht sich dies Citat auf eine deutlich abweichende Art
aus der oberen Kreide mit Belemnites quadratus. Aus Frank-
reich scheint p’ORBIGNY unsere Art nicht zu kennen; denn
Rhynch. sulcata Park. sp., zu welcher er Terebratula Gibbsian«
Sow. als Synonym zieht, weicht durch 'gröbere und höhere
‚Rippen, sowie durch weniger dreieckige Form und gänzlich.
verschiedenen Sinus davon ab, wie sich schon aus der Ver-
gleichung der Abbildungen beider Arten bei Davınson ersehen
lässt. — Die grösste Aehnlichkeit dürfte noch Rhynch. lata
v’Ore. (t. 491, f. 8—17) haben, doch scheint auch diese durch
spitzen und geraden Schnabel, sowie durch schärfere Schnabel-
kanten verschieden zu sein. Einige Aehnlichkeit bietet auch
Rhynch. Bertheloti Ors.**), welche von D’ORBIGNY in das Oe-
nomanien gestellt wird, während sie nach Herrn SAaEmann’s
Mittheilung dem Albien : Die mir vorliegenden fran-
zösischen Exemplare lassen sich jedoch leicht durch geringere
Breite und spitzeren Schnabelwinkel bei geringerer Grösse von
Rhynch. Gibbsiana unterscheiden.
Die Deutung, welche einige schweizerische Paläontologen,
*) Monats-Ber. der kön. Akademie d. Wissensch. zu Berlin, 1860,
p. 392— 348.
*%) Prodrome de Pal., 20e. &et., no. 536, II, p. 172.
375
namentlich neuerdings Ooster*) der Rhynch. Güibbsiana unter-
legen, muss nach Davınsow’s Darstellung einigermaassen zwei-
felhaft- erscheinen. Einerseits stimmen schon die Ooster’schen
Abbildungen zum grössten Theile durchaus nicht mit denen
Davinson’s überein, indem viele derselben das auch der Rhynch.
Valangiensis LorioL **) zukommende eigenthümliche Merkmal der
Längsdepression in der Mitte der kleinen Klappe statt eines
vorstehenden Wulstes erkennen lassen, was bei der ächten
Rhynch. Gibbsiana noch nie beobachtet ist; auch das Hinauf-
reichen des Sinus bis in den Schnabel (Ooster |. ce. f.2) kennt
man bei letzterer nicht. Andererseits werden eine Reihe von
Synonymen zu Rhynch. Gibbsiana gezogen, welche zum Theil
mindestens unerwiesen, zum Theil geradezu unrichtig sein dürf-
ten. Es sind vorzüglich Rhynch. lata D’ORB. und parvirostris
Dav., zweifelhaft auch Rhynch. latissima und nuciformis Dav.
Ueber erstere habe ich mich schon ausgesprochen. Zäynch.
parvirostris (Sow. sp.) Dav. zeichnet sich durch grössere Breite,
geradere Schlosskanten, geringere Rippenzahl u. s. w. aus;
Rhynch. latissima (Sow. sp.) Dav. durch schwächeren und un-
regelmässigeren Sinus, geraderen Schnabel u. s. w., Zhynch.
nuciformis durch geringere Breite und geraderen Schnabel u. s. w.
In neuester Zeit citirt BACHMAnN ***) Rhynch. Gibbsiana aus dem
schweizerischen alpinen Neocomien und aus dem Aptien in
Begleitung von Terebratula Kaufmanni BAcHM. sp. nov., tama-
rindus Sow. und celtica Morrıs, welches letztere Niveau unse-
rem vorliegenden entsprechen würde.
Fassen wir nun zum Schluss die Angaben uber das Vor-
kommen der besprochenen Arten noch einmal übersichtlich
zusammen, so sehen wir die aus der Gesammtheit der Ahauser
Gault-Fauna, wie sie von v. STROMBECK und Ewarn dargestellt
ist, sich ergebende Thatsache, dass nämlich diese Fauna fast
nur solche Arten enthält, die auch anderweit gleichzeitig und
unter ähnlichen Verhältnissen gelebt haben, in den Brachiopo-
den gleichfalls bestätigt. In der That findet sich unter letzte-
ren keine einzige neue Art oder auch nur erheblich von den
bekannten Vorkommnissen abweichende Varietät. Aus anderen
'Lokalitäten im nordwestlichen Deutschland sind von den be-
sprochenen Arten folgende bekannt:
- Terebratula Moutoniana, Megerlia tamarindus, Rhynch.
antidichotoma ;- |
aus England kennt man
Megerlia tamarindus, (Rynch. antidichotoma?), Fhynch.
Gibbsiana ; er s
: *) Synopsis des Brachiop. foss. d. Alpes suisses, 1863, p. 53, t. 18
1—12.
**) Me&m. Soc. Phys. nat. Geneve, 1864, XVII. II. p. 442, -f. 14—17.
*%%) Mittheil. d. naturf. Ges. z. Bern, 1864, p. 190 ft.
376
aus Frankreich: =
Terebratula Moutoniana, Megerlia_tamarindus, Terebra-
tella Astieriana, Rhynch. antidichotoma ;
aus der Schweiz:
Terebratula Moutoniana, Megerlia tamarindus, Rhynch.
antidichotoma und Gibbsiana.
Hinsichtlich der vertikalen Verbreitung ergiebt sich,
dass nur Terebratula Astieriana ausschliesslich auf das Aptien
oder den unteren Gault beschränkt zu sein scheint. Alle übri-
gen reichen aus tieferen Schichten herauf: Terebratula Mouto-
niana, die nach v. STROMBECK’s Angaben schon im unteren Neo-
com beginnt und bis in die obersten Schichten des unteren
Gault (Niveau der Gargas-Mergel) fortsetzt; Megerlia tamarin-
dus, in gleicher Tiefe beginnend, war bisher nur bis hinauf
zum Speeton-Clay (von CREDNER) verfolgt, während wir sie jetzt
noch im unteren Gault von Ahaus kennen gelernt haben, ja
es scheinen selbst Spuren nicht zu fehlen, dass sie vielleicht
bis in das Niveau der Gargas-Mergel hinaufreicht; Bhynch.
antidichotoma wurde von v. STROMBECK Schon in den als ober-
stes Niveau des Hils betrachteten Crioceras-Schichten nachge-
wiesen und geht nach den französischen Angaben sogar bis
in’s Albien hinauf; endlich Rhynch. Gibbsiana, die nach fremden
Angaben in der Schweiz im Neocom beginnt, mit Sicherheit >
aber erst im Aptien (Lower-Green-Sand) nachgewiesen ist.
Es liest in diesen Thatsachen wiederum ein Beweis, wie
eng unsere Hils- und Gault-Formation mit einander verbunden
sind; eine Erscheinung, von der die Unsicherheit der norddeut-
schen Geognosten über die Frage, wo die Grenze zwischen
beiden gezogen werden müsse, eine natürliche Folge ist. Wie
ich über solche Fragen denke, habe ich schon mehrmals aus-
zusprechen Gelegenheit gehabt und brauche es daher hier nicht
zu wiederholen.
Dass auch in England und Frankreich nicht nur zwischen
dem Aptien und Albien, sondern auch zwischen dem ersteren
und dem Neocomien in jeder Hinsicht die engsten Beziehungen
stattfinden, zeigen u. a. besonders die schonen Arbeiten von
CoRNUEL.*)
*) Bull. de la Soc. geol. de France, 2e serie, XVII, p- 736; ER,
p. 575; XXI, p. 300 etc.
= Druck von dJ. F. Starcke in Berlin.
KAY 17. 1866
NY 1. 100%
Zeitschrift
der
Deutschen geologischen Gesellschaft,
3. Heft (Mai, Juni und Juli 1866).
A. Verhandlungen der Gesellschaft.
1. Protokoll der Maı -Sıtzung.
Verhandelt Berlin, den 2. Mai 1866,
Vorsitzender: Herr G. Rosr.
Das Protokoll der April-Sitzung wird verlesen und ge-
nehmigt.
Für die Bibliothek sind eingegangen:
A. Als Geschenke:
M. DAUBREE, ewperiences synthetiques relatives aux meteorites.
Paris. 1866. — Esxir. des Comptes rendus des scances de l’aca-
demie des sciences, tome 62.
A. MvVLLER und EscHER voN DER ListH, Alpenpanorama
vom Höhenschwand. Nebst Erläuterungen von A. MÜLLER.
M. SADEBECK, zwei Vorträge über die Schneekoppe. Bres-
lau. 1864.
A. MÜLLER, über die Wiesenbergkette im Basler Jura.
A. MÜLLER, über die krystallinischen Gesteine der Umge-
bungen des Maderanerthales.
H. ABıch, Apergu de mes voyages en Transcaucasie en 1865.
Moscou 1865.
| R. Pony, notice of an account of ee observations
in China, Japan and Mongolia. 1866. — Sep.-Abdr. aus dem
American Journal of Science and arts. Vol. 41.
A. Bou£, über die mineralogisch-paläontologische Bestim-
mung der geologischen Gebilde, sammt Beispiele über Anwen-
dung zur Feststellung der Geologie des Erdballs. Wien. 1865.
Sep.-Abdr. aus d. Sitzungsber. d. kais. Akad. d. Wiss. Bd. 52.
Erster Jahresbericht über die Wirksamkeit der beiden Co-
Zeits.d.d. geol.Ges. XVII. 3. 25
378
mites für die naturwissenschaftliche Durchforschung von Böh-
men im Jahre 1864. Prag. 1865.
STARING, geologische Kaart van Nederland; Sectionen: Peel,
Texel, Kennemerland.
Dublin, international exhibition 1865. Kingdom of Italy.
Second Edition. Turin. 1865.
| B. Im Austausch:
Berichte über die Verhandlungen der naiurforschenden Ge-
sellschaft zu Freiberg i. B. Ba. I. Heft 1-4. 1855—1858. Bd. H.
Heft 1—4. 1859— 1862.
Bulletin de la societe imperiale des naturalistes de Moscou.
N. 4 Jahrg. 1865. Supplement au N. 4 de 1865. Moscou.
18695. el
Verhandlungen der kais. Gesellschaft für die gesammte
Mineralogie zu St. Petersburg. 1864. Jahrg. 1863.
Verhandlungen der naturforschenden Gesellschaft zu Basel.
4. Theil, 2. Heft. Basel. 1866.
Mittheilungen aus J. PERTHES’ geographischer Anstalt von
Perermann. 1865 N. 12; 1866 N. 2 u. 3. Gotha.
Verhandlungen der k. k. geolog. Reichsanstalt in Wien.
Sitzungen vom 6. Februar und 17. April 1866.
Archiv für wissenschaftliche Kunde von Russland, Beranse:
von Eruan. Bd. 24 Heft 2. Berlin. 1865.
The quarterly Journal of the geological society. Vol. 22 Part. 1.
N. 85. London. 1865. — List of the geological society of Lon-
don. 1869. |
Journal of the royal geological society of Ireland. Vol. I.
Part. I. 185}. Edinburg 1865.
Annales des mines. Sixieme Serie. Tome VIH. Livr. 5 de
1865. Paris.
Abhandlungen der Sankentiengehen naturforschenden Ge-
sellschaft. Bd. 5. Heft 3 u. 4. Frankfurt a. M. 1865.
Annales del Museo publico de Buenos Aires. Por: BURMEI- -
STER. Entrega primera. 1864.
Catalogue of the collections of fossils in the museum of prac-
tical geology. London. 1865.
Catalogue of the. contents of the mining record ‚office in the
museum of practical geology. London. 1858.
Catalogue of the rocks-specimens in the museum of practical
geology. London. 1862.
379
Catalogue of the mineral-colleetions in the museum of prac-
tical geology. London. 1864.
Catalogue of the geological, mining and metallurgical models
in the museum of practical geology. London. 1865.
Catalogue of the published maps, sections. memoirs and other
publications of the geological survey of the united kingdom. Lon-
don 1865.
Appendix to the mineral statistics of the united kingdom of
Great-Britain and Ireland for the year 1861. London. 1862. —
Mineral-statisties ete. for 1862. London. 1863. — Mineral-sta-
tisties ete. for 1863. London. 1864. — Mineral-statisties etc. for
1864. London. 1865.
Memoirs of the geological survey of Great-Britain and of
the museum of practical geology. London. 1859: 2 Hefte. —
1860: 4 Hefte. — 1861: 8 Hefte. — 1862: 5 Hefte. — 1864:
5 Hefte.
Memoirs etc. Figures and descriptions of British organie re-
mains. Monograph I. London. 1859. Mit 1 Heft Abbildungen. —
Monograph II. London. 1864. Mit 1 Heft Abbildungen. — De-
cade XI. London. 1864.
Ausserdem wurde vorgelegt:
Zeitschrift der deutschen geologischen Gesellschaft. Bd. 17
Heft 4. Berlin 1865. In 3 Exemplaren.
Ferner wurde der Gesellschaft Kenntniss gegeben von einer
durch die Herren Fr. TrıscHera, G. Costa, E. Pxssına und
S. DE RengI unterzeichneten Einladung zur Betheiligung an dem
am 9. bis 23. September d. J. in Neapel abzuhaltenden ausser-
ordentlichen, naturwissenschaftlichen, italienischen Congress.
Herr RamMELSBERG sprach hierauf über die chemische Zu-
sammensetzung der Feldspathe mit Rücksicht auf die in den
Sitzungsberichten der kais. Akademie der Wissenschaften zu
Wien Bd. 50, 1. Abtheilung, S. 566f. von TscHERMAR aufge-
stellte Theorie derselben, welcher sich der Vortragende an-
schloss. (Vergl. den betreffenden Aufsatz in dieser Zeitschrift
Bd..18 S. 200.)
Herr Weooine legte ein Stück krystallisirter Schlacke vor,
welche beim Verschmelzen der Mansfelder Kupferschiefer jetzt
nicht selten fällt, nachdem man die Schlacke beim Ablaufen
aus dem Heerde in tiegelartigen Gefässen zu sammeln pflegt,
um etwa eingemengtem Stein Gelegenheit zu geben, sich ab-
25 *
380
zusetzen, Der Unterschied dieses langsam abgekuhlten, in der
Grundmasse vollkommen steinigen Produkts gegen das früher
bei schneller Abkühlung erzeugte, beinahe glasige ist sehr in
die Augen fallend. Nach Herrn RAuMmELSBERG ist die Krystall-
form die des Augits. 2
Herr TamnAau sprach über verschiedene, von ihm vorgelegte
Gegenstände, die Herr Baron v. BUGGENHAGEN, ein geborener
Preusse, der seit vielen Jahren auf seinen Besitzungen auf
Banda, einer der östlichsten kleinen Mollucken, lebt, bei sei-
nem Besuch von dort mitgebracht hat.
Zuvörderst eine Reihe von Stücken der sogenannten ess-
baren Erde, Tanah poang der Malayen, die sich auf ver-
schiedenen Punkten der Insel Ceram, besonders zu‘ Celar
und zu Ta auf der Sudküste der genannten Insel findet. Es
sind dies weissgraue, zuweilen bräunlichrothe, mehr oder minder
verhärtete Thone oder lehmartige Massen, die sich im. Wasser
erweichen, und die dann als Brei genossen werden. In Zeiten
der Noth sollen ganze Stämme der Malayen und der Papuas
auf Borneo, Celebes, Ceram, Neu-Guinea u. s. w. fast aus-
schliesslich von dieser Erde leben, die in der Form von flachen
Ziegelsteinen als Waare auf vielen Märkten jener Gegenden
verkauft wird. Wahrscheinlich enthalten diese Erden grössere
oder geringere Mengen von Infusorien, analog dem ähnlichen
Vorkommen namentlich in der essbaren Erde aus Patagonien,
doch mussten die Untersuchungen darüber wegen Herrn EHrEN-
BERG’S Krankheit noch aufgeschoben werden.
Sodann eine Sammlung der merkwürdigen und so überaus
seltenen sogenannten Cocos-Perlen. Es sind dies milchweisse,
zuweilen gelbliche, kugelrunde, mitunter eirunde, selten birnför-
mige, den gewöhnlichen Perlen sehr ähnliche, steinartige Massen,
die sich als sehr grosse -Seltenheiten in dem Kern von Cocos-
Nüssen, und noch seltener in einigen andern Früchten des
südöstlichen indischen Archipels finden. Die vorliegenden
Stücke sind von der Grösse eines Stecknadelknopfes bis zu
der einer Kirsche. Sie sind zuweilen glänzend und etwas
durchscheinend, und sie werden dann von -den Rajahs und
Malayen-Fürsten jener Gegenden sehr hoch geschätzt, wie ge-
wöhnliche Perlen bezahlt und als Schmuck oder Edelgestein
getragen. Die Härte der Cocos-Perle ist nach Bacon ziemlich
die des Feldspathes und übersteigt also die der gewöhnlichen
-
381
Perle bedeutend. Die erste Nachricht über die Cocos-Perlen
verdanken wir RuurHivs, der sie in seinem Herbarium Am-
boinense (I. p. 21) ausführlich beschreibt, auch angiebt, dass
sie in den Cocos-Nüssen von Macassar auf Celebes weniger
selten als an anderen Punkten erscheinen. Er brachte eine
derartige Perle mit nach Europa, die er im Jahr 1862, in einen
Ring gefasst, dem damaligen Grossherzoge von Toskana zum
Geschenk machte. In neuerer Zeit hat J. Bacon in den
Proceedings of the Boston society of natural history (T. VI.
p: 270. 1860) eine Untersuchung einer derartigen Perle bekannt
gemacht, die in Singapoor angekauft war. Er fand sie aus koh-
lensaurer Kalkerde mit sehr geringer organischer Beimischung
_ eines eiweissartigen Stoffes bestehend, und es erscheint dies
um so merkwürdiger, da weder die Milch noch der Kern der
Coeos-Nuss kohlensaure Kalkerde enthält. Bei starker Ver-
grösserung findet man, dass die Cocos-Perle aus concentrischen
Lagen ohne irgend einen Kern gebildet ist. Diese Lagen
scheinen aus sehr kleinen krystallinischen Theilchen zusam-
mengesetzt; ob aber diese krystallinischen Theilchen rhomboe-
drisch sind und dem Kalkspath zugehören, oder prismatisch
(rhombisch) und dem Arragonit zugezählt werden müssen,
hat sich bisher nicht bestimmen lassen.
Endlich eine Partie sogenannter Edelsteine, die der Rei-
sende in Punte de Galle auf Ceylon bei der Durchreise ge-
kauft hatte. Es sind abgerundete Geschiebe, Krystallbruch-
stüucke und Krystalle, an denen man nur wenige Flächen unter-
scheiden kann, von der Grösse einer kleinen Erbse bis zu der
einer kleinen Haselnuss. So weit sie sich bestimmen lassen,
bestehen sie aus Sapphir in hellern und dunkleren blauen Fär-
bungen, Zirkon, Spinell (Ceylanit), Granat, Quarz u. s. w.
Sie stammen wahrscheinlich von Ratnapura auf Ceylon, wo sie
aus einer mit grösseren und kleineren Geschieben angefullten
Erdschicht gewonnen und aus dem jene Erdschicht durchbre-
ehenden Strome aufgefischt oder ausgewaschen werden.
Endlich sprach Herr Eck über die Versteinerungen des
Grenzdolomits bei der Bodenmüuhle unweit Bayreuth. In dem
Jahrbuche der kais. königl. geologischen Reichsanstalt zu Wien,
Jahrg. X., 1859, S. 22 hatte Herr GumBEL (in einem Aufsatze .
über die Aequivalente der St. Cassianer Schichten im Keuper
Frankens) aus dem Grenzdolomit zwischen der Lettenkohlen-
382
gruppe und dem Keuper an den Ufern des Mains unterhalb
der Bodenmühle bei Bayreuth eine Anzahl Versteinerungen auf-
geführt, welche, als Cardita crenata, Mwyophoria Kefersteini
Goupr., Myophoria lineata Munst., Myophoria curvirostris, Myo-
phoria Whateleyae Bucu, Bakewellia costata var. genuina SCHAUR.,
Arca impressa Münst., 'Nucula sulcellata Münst., Lingula te-
nuissima Br., Orbicula discoides bestimmt, ihn veranlassten, den
Grenzdolomit des deutschen Keupers für ein Aequivalent der
Cardita- oder Raibler Schichten in den alpinen Triasablage-
rungen zu erklären. Auch in desselben Autors geognostischer
Beschreibung des bayerischen Alpengebirges und seines Vor-
landes, Gotha, 1861, wurden $S. 213 die Bestimmungen der an-
geführten Versteinerungen aufrecht erhalten. Lässt man von
den letzteren diejenigen Arten ausser Betracht, welche zu einer
Vergleichung bestimmter Niveaus deutscher und alpiner Trias-
Ablagerungen überhaupt nicht geeignet sind, und zwar theils
wegen ihres Vorkommens in mehreren Schichtengruppen, theils
weil sie ihr Citat nach des Autors eigener Angabe nur der
Identifieirung deutscher Triasformen mit alpinen verdanken, —
namlich: Orbicula discoides, Lingula _ tenuissima, Bakewellia
costata, Mwyophoria curvirostris (wohl M. curvirostris GOLDF.
= M. elegans Dunk., nicht M. curvirostris ScuLoru.), Myopho-
ria Kefersteini, mit welcher die Myophoria pes anseris, ferner
Arca impressa, mit welcher Myacites longus SchH., endlich Myo-
phoria lineata, mit welcher die Myophoria Struckmanni STROMB.
zusammengefasst wurde, — so bleiben nur C(ardita crenata,
Myophoria Whateleyae und Nuecula sulcellata als Versteinerun-
gen übrig, welche zu einer Vergleichung des einschliessenden
Dolomites mit den Raibler Schichten berechtigen würden. Bei
einer Excursion in die Gegend von Bayreuth, auf welcher der
Redner Herrn Bryrıca begleitete, wurden an der bezeichneten
Lokalität unter rothen und grünen Mergel- und Sandsteinschie-
fern zunächst ein gelblichgrüner Sandstein, dann wiederum
rothe Mergel- und Sandsteinschiefer mit den bekannten Pseudo-
morphosen nach Steinsalz und mit einer grünen Kalkbank,
welche zahlreiche undeutliche Zweischaler einschliesst, ferner
—
ein grobkörniger Arkosesandstein und endlich rothe Mergel-
schiefer als Ablagerungen, welche dem mittleren Keuper ange-
hören, vorgefunden. Ihnen folgt nach unten der Grenzdolomit
in der gewöhnlichen petrographischen Beschaffenheit, in wel-
: 383
chem zwar Mwyophoria Goldfussi Aus. (auf den Abdrücken mit
den charakteristischen Rippen auf dem Analfelde, welche diese
Art von der ähnlichen Myophoria costata ZENK. unterscheiden,
und mit dem Eindrucke der Muskelleiste auf den Steinkernen),
wie überall in dem erwähnten Niveau, in grosser Häufigkeit,
ferner Myophoria intermedia SCHAUR., Myophoria vulgaris ScHL.
sp-, Gervillia costata Schu. sp., Gervillia, lineata Cren. u. s. w.,
aber .keine alpinen Versteinerungen aufgefunden wurden. Da
nun Myophoria Goldfussi in dem von Herrn GUnBEL gegebenen
Verzeichnisse nicht aufgeführt wird, dieselbe aber an der be-
zeichneten Stelle in „ausserordentlicher Häufigkeit angetroffen
wird, so ist es in hohem Grade wahrscheinlich, dass Exem-
plare dieser Art von dem genannten Autor als Cardita crenata
und Myophkoria Whateleyae gedeutet worden sind. Diese Ver-
muthung wird fast zur Gewissheit, da in einer späteren Arbeit
desselben Autors uber die geognostischen Verhältnisse des
fränkischen Triasgebietes in der Bavaria, Bd. 4 Heft XL,
1865, der oben aufgeführten Versteinerungen nicht mehr Er-
wähnung geschieht. Da indess auch eine ausdrückliche Zu-
rucknahme der obigen Bestimmungen nicht erfolgt ist, so schien
es bei der Wichtigkeit des Gegenstandes angemessen, darauf
hinzuweisen, dass dieselben in Zukunft zu einem Ausgangs-
punkte für Vergleichungen bestimmter Schichtencomplexe in
dem deutschen Keuper mit alpinen Triasablagerungen nicht
gemacht werden dürfen.
‚Hierauf ward die Sitzung geschlossen. ;
v. w. 0.
G. Rose. Beykıcah. Eox.
2. Protokoll der Juni - Sıtzung.
Verhandelt Berlin, den 6. Juni 156b.
Vorsitzender: Herr G. Rosr.
Das Protokoll der Mai -Sitzung wurde verlesen und ge-
nehmigt.
Der Gesellschaft ist als Mitglied beigetreten:
334
Herr Berginspector HAucHEcornE in Berlin,
vorgeschlagen durch die Herren BEYRICH, G. Rose
und EwAaL».
Für die Bibliothek sind eingegangen:
A. Als Geschenke:
K. A. Zırtes, die Bivalven der Gosaugebilde in den nord-
östlichen Alpen. 1. Theil 2. Hälfte. Wien. 1866. — Sep. aus
den Denkschriften der math.-naturwiss. Klasse der kais. Akad.
d. Wiss. Bd. 25. |
A. E. Reuss, die Foraminiferen und Ostracoden der Kreide
am Kanara-See bei Küstendsche. — Sep. aus den Sitzungsbe-
richten d. kais. Akad. d. Wiss. zu Wien. Bd. 52.
DELESSE, recherches sur Bann, des roches. Paris. 1865. —
Geschenk des Verfassers.
H. Le Hon, histoire complete de la grande eruption du Ve-
suve de 1631. Bruzxelles. 1866. — Geschenk des Verfassers.
! C. W. GümBEL, über das Vorkommen von Eozoon im ost-
bayerischen Urgebirge. — Sep. aus d. Sitzungsber. d. k. Akad.
d. Wiss. in München. 1866. I. 1.
G. LausE, die Bivalven des braunen Jura von Balin. —
Sep. aus d. Sitzungsber. d. kais. Akad. d. Wissens. in Wien.
Bd. 53. 1866.
G. LAuBE, die Echinodermen des braunen Jura von Ba-
lin. — Sep. ebendaher.
A. Reuss, die Bryozoen, Anthozoen und Spongiarien des
braunen Jura von Balin. — Sep. ebendaher.
W. STARING, over oude meer-oeverbanken op Java. Amster-
dam. 1866. — Sep. aus d. Mittheil. d. k. Akad. d. Wiss., Abth.
für Naturkunde, 2. Reihe, Th. 1.
Berg- und hüttenmännische Zeitung von B. KerL und F.
Wımner. Jahrg. 25. N. 9. 1866.
B. Im Austausch:
Bericht über die Thätigkeit der St. Gallischen naturwissen-
schaftlichen Gesellschaft während des Vereinsjahres 1863—64.
St. Gallen. 1864.
Mittheilungen der naturforschenden Gesellschaft in Bern
aus dem Jahre 1865. N. 580—602. Bern. 1866.
Bulletin de la societe geologique de France. Ser. II. Tome
XXII. Feuilles 27—36. Tome XXIII, Feuilles 1—12. Paris.
18.
385
Actes de la Societe Helvetique des sciences naturelles reunie
a Geneve les 21, 22 et 23 aoüt 1865. 4AY9me session. Compte
rendu 1869. Geneve. |
Neue Denkschriften der allgemeinen schweizerischen Ge-
sellschaft für die gesammten Naturwissenschaften. Bd. 21 od.
3. Dekade, Bd. I. Zürich. 1865.
Geschichte der schweizerischen naturforschenden Gesell-
schaft zur Erinnerung an den Stiftungstag, den 6. October 1815,
und zur Feier des 50jährigen Jubiläums in Genf am 21., 22.
und 23. August 1865. Zürich. 1865.
Annales de la societe d’agriculture, sciences, arts et commerce
du Puy. Tome XXV.1862. Tome XXV1.1863. Le Puy. 18°.
Archiv für wissenschaftliche Kunde von Russland. Herausg.
v. Erman. Bd. 24 Heft 4. Berlin. 1866.
Mittheilungen aus J. PERTHES’ geographischer Anstalt ven
A. Prrermans. 1866. IV. Gotha.
Verhandlungen des naturhistorischen Vereins der preuss.
Rheinlande und Westphalens. Herausg. v. Anprä. Jahrg. 22.
3. Folge, 2. Jahrg., 1. u. 2. Hälfte. Bonn 1865.
The journal of the royal Irish society. N. 34. Dublin. 1865.
2 Exemplare.
Proceedings of the American philosophical society, held at
Philadelphia. Vol. X. N. 73 u. 74. 1865.
Transactions of the American philosophical society, held at
Philadelphia. Vol. XIII. New Series. Part II. Art. VII.: on
the Myriapoda of North America. Philadelphia 1865.
Ausserdem sind der Gesellschaft im Austauch gegen die
_ dreizehn ersten Bände ihrer Zeitschrift von der naturforschen-
den Gesellschaft zu Hannover zugegangen:
J. J. SCHEUCHZER, Kupferbibel, in welcher die Physica
Saera oder geheiligte Naturwissenschafft derer in Heil. Schrifft
vorkommenden natürlichen Sachen deutlich erklärt und bewährt.
Augspurg und Ulm 1731. 5 Abtheilungen.
J. G. EBEL, über den Bau der Erde in dem eh
2 Bände. Zürich, 1808.
M. REINECKE, Maris protogaei Nautilos et Argonautas. Co-
burgi. 1818.
F. Mous, Versuch einer Elementarmethode zur naturhisto-
. rischen Bestimmung und Erkennung der Fossilien, 1. Theil.
Wien. 1812. 2
386
O. VoLGER, Versuch einer Monographie des Borazites.
Hannover. 1855. | |
H. G. Brons, System der urweltlichen Conchylien. Hei-
delberg. 1824. |
©. ©. Leoxuarv, J. H. Kopr und C. L. Gärtner, Propä-
deutik-der Mineralogie. 1 Bd. Text und 1 Bd. Atlas. Frank-
furt a. M. 1817.
Herr LAsarn sprach über die geognostischen ‘Verhältnisse
Helgolands unter Erwähnung des vorhandenen literarischen
Materials von WIEBEL, VOLGER, MEYN und Hauer. Die älte-
ste dieser Arbeiten, die von WIEBEL, nimmt noch immer die
hervorragendste Stelle ein, während in HaLLırr’s „Nordseestu-
dien“ in geognostischer Hinsicht Irrthümer untergelaufen sind,
welche bereits von Mzyn widerlegt worden. Der Redner legte
fossile, dem Muschelkalk angehörige, bei Gelegenheit seiner
im Sommer 1864 gemachten, geognostischen Untersuchungen
Helgolands acquirirte Saurierreste vor. Sie charakterisiren sich
als Reste von Macrotrachelen, wie selbe im Muschelkalk von
Jena vorkommen. Die Macrotracheli gehören bekanntlich ebenso
wie die Brachytracheli za den Nexipoden. Der vorliegende
Wirbel ist gut erhalten, vorzüglich aber der Oberarnıknochen,
an welchem das charakteristische Loch deutlich wahrnehmbar
ist (vergl. H. v. MEYER, die Saurier des Muschelkalks. Frank-
furt a. M. 1847—1855. 8. 52): Obgleich auch noch ein Stück
vom Beckenknochen und ein Stückchen einer Rippe vorhan-
den, vermochte der bedeutendste Kenner fossiler Reptilien, H.
v. MEYER, nicht, mit Sicherheit zu bestimmen, ob diese Reste
dem Nothosaurus, Conchiosaurus, Pistosaurus, Simosaurus,
und ob sie einer der benannten oder neuen Species zuzuzählen
sind. Die in der hiesigen Universitäts-Sammlung befindlichen
Saurierreste von Helgoland (aus Stücken einer Rippe beste-
hend), welche Herr Professor BeYrıch dem Vortragenden zur
Untersuchung zu überlassen die Güte hatte, entstammen im
Gegensatz zu obigen, an der Witen-Klif gefundenen Resten
dem anstehenden Gestein von Helgoland, das von WIEBEL für
bunten Sandstein, von VoLGER für Keuper gehalten wird. Nach
Mittheilung des letzteren hätte derselbe ähnliche wie die vor-
liegenden Muschelkalk-Saurierreste vor 20 Jahren auf Helgoland
gefunden; ausser einer kurzen Notiz in LeonuArp und Bronn’s
Jahrbuch, 1848, findet sich keine nähere Angabe darüber vor.
-
387
In Anbetracht der Wichtigkeit dieser Reste bittet der Redner
die Helgoland besuchenden Geognosten, ihre Aufmerksamkeit
denselben zuwenden zu wollen.
Herr Eck bemerkte hierzu, dass sich ein weiteres Beleg-
stück für die Existenz des Muschelkalks bei Helgoland in der
Sammlung des Herrn Dr. Rorz befinde, nämlich eine mit Myo-
phoria orbicularis dicht bedeckte Kalksteinplatte, welche von
Herrn Rorz am Nordhorn aufgelesen wurde und besonders
deshalb von Interesse ist, weil sie das Vorhandensein eines
bestimmten Niveaus der genannten Formation, nämlich der
oberen Abtheilung des unteren Muschelkalks, erweise.
Herr SADEBECK legte einige Petrefakten vor, welche er
bei Nemitz unweit Gülzow in Hinterpommern gesammelt hatte.
Von derselben Lokalität sind Versteinerungen schon von WESSEL
und Herrn Professor BEYRIcH angeführt worden. WesseL hielt
das Gestein für anstehend; aus dem jetzigen Aufschluss geht
jedoch hervor, dass es sich auf secundärer Lagerstätte befindet.
Der Bruch besteht nämlich aus Kreidemergeln, und nur in der
Mitte befindet sich ein Block jurassischen Gesteins, unter wel-
chem jedoch wieder die Kreidemergel aufgeschlossen sind; auch
an den Wänden des Bruches findet sich keine Spur des Ge-
steins. Die Hauptmasse dieses Blockes besteht aus einem
feinkörnigen. oolithischen Kalkstein von schwarzer Farbe, wel-
cher durch unregelmässig in seiner Masse zerstreute Knollen
ein sehr charakteristisches Aussehen erhält. Unter diesem Kalk-
stein befindet sich ein schwarzer Thon, welcher dieselben orga-
nischen Reste einschliesst. Von Petrefakten wurden folgende,
für die Altersbestimmung besonders wichtige hervorgehoben:
Rhynchonella varians SCHLOTH., Pecten lens Sow., Avicula echi-
nata Sow., Astarte Parkinsoni Quenst., Dentalium entaloides
Desı., Belemnites Beyrichi OrpEL und Ammonites aspidoides
OPPEL, welchen neuerlichst U. SCHLÖNBACH zu Ammonites sub-
radiatus Sow. gestellt hat.
Vergleicht man diese Arten mit den Orprr’schen Angaben
über ihre vertikale Verbreitung in England, Frankreich, der
Schweiz und der schwäbischen Alp, so stellt sich ‘als ihr Ni-
veau die Zone der Terebratula lagenalis der Bathformation her-
aus, und zwar der obere Theil derselben; es sind also Schich-
ten, die dem englischen Cornbrash gleichstehen. Nach QUEN-
steprT’s Eintheilung sind die Schichten den Dentalienthonen des
388.
braunen Jura = aequivalent, und im nordwestlichen Deutsch-
land entsprechen sie der Zone der Ostrea Knorri SEEB.
Herr G. Rose legte ein Stück Granitit vor, das sich als
Geschiebe auf der Insel Wollin gefunden hatte und eine grosse
Aehnlichkeit hat mit dem bei Wiborg am Finnischen Meerbu-
sen vorkommenden Granitite, der in Petersburg vielfältig zu
Bauten und Monumenten aller Art benutzt wird. Dieser Gra-
nitit ist durch seine grossen eingeschlossenen Feldspathkrystalle
ausgezeichnet, die stets mit einer oft mehrere Linien dicken
Hülle von grünlichweissem Oligoklas, der mit ihm regelmässig
verwachsen ist, umgeben sind, woran er leicht wieder zu er-
kennen ist. Dieser Feldspath findet sich auf eine gleiche Weise
in‘ dem Geschiebe von Wollin und ebenso auch alle übrigen
Gemengtheile in gleicher Beschaffenheit. Von allen Geschieben
der norddeutschen Niederung nimmt man bekanntlich eine Ab-
stammung aus dem Norden an; es ist aber immer interessant,
wenn man Geschiebe findet, die mit Gebirgsarten einer ganz
bestimmten Gegend so viel Aehnlichkeit haben, dass man an
ihrer Uebereinstimmung nicht zweifeln kann. Der Redner
machte noch darauf aufmerksam, dass die Geschiebe auf der
Insel Wollin eine halbe Meile südlich von Misdroi zu langen
Hügelreihen zusammengehäuft vorkommen, wie dies auch zwi-
schen Oderberg und Werbellin der Fall ist, und hier wie dort
wie in einem Steinbruch gewonnen werden.
‘Endlich legte Herr BeyrıcHh einen von Herrn Dr. KüseL im
Septarienthon von Freienwalde aufgefundenen Carcharodonzahn
vor. Zähne dieser Gattung waren in gleichalterigen Bildungen
bisher nur in den Thonen von Boom in Belgien, nie in der
Umgegend von Berlin gefunden worden, wo überhaupt Fisch-
_ reste im Septarienthon (man kennt nur Zähne einiger Arten
der Gattung: Lamna und Notidanus von Hermsdorf) zu den
Seltenheiten gehören. Nach Herrn Lasarp soll diese Zahnform
in Ablagerungen gleichen Alters auch am Doberge beobachtet
worden sein.
Hierauf ward die Sitzung geschlossen.
! v. w. 0.
G. Rose. DBEYRICH. Eck.
389
3. Protokoll der Julı - Sıtzung.
Verhandelt Berlin, den 4. Juli 1866.
Vorsitzender: Herr G. Rose.
Das Protokoll der ie wurde verlesen und ge-
nehmigt.
Der Gesellschaft ist als. Mitglied beigetreten:
Herr W. BöLscHE aus Braunschweig, z. Z. in Göttingen,
vorgeschlagen durch die Herren BryricHh, v. SEr-
BACH, Eck.
Für die Bibliothek sind een
A. Als Geschenke: _
H. Asıch, Einleitende Grundzüge der Geologie der Halb-
insel Kertsch und Timan, nebst Karten und Profilen. St. Pe-
tersburg. 1865. — Sep. aus den Memoires de l’academie impe-
riale des sciences de St. Petersbourg. Ser. VII. Tome IX. N.4.
A. WIncHELL and O. Marcy, Enumeration of fossils collected
in the Niagara limestone at Chicago, Illinois. Cambridge. 1869.
— Sep. aus den Memoirs read before the Boston society of na-
tural history. Vol. I. N.1.
A. WInNcHELL, Some indications of a northward. transporta-
tion of drift materials in the lower peninsula of Michigan. —
Sep. aus dem American Journal of Science and arts. Vol. XL.
Nov. 1865.
A. WincHELL, Descriptions of new species of fossils, from
the Marshall Group of Michigan, and its supposed equivalent, in
other States. — Sep. aus dem Journal of natural sciences of
Philadelphia. :
J. Marcov, Le Niagara quinze ans apres. — Sep. aus dem
Bulletin de la societe geologique de France. Ser. II. Tome XXII.
pag. 190.
J. Marcou, Notice sur les gisements des lentilles trilobiti-
Jeres taconiques de la Pointe-Levis, au Canada. — Sep. aus dem
Bulletin de la societe geol. de France. Ser. II. t. XXI. p. 236.
J. MaRcoU, Une reconnaissance geologigque au Nebraska. —
Sep. aus dem Bull. d. 1. soc. Br de Brönse: Ser. II. t. XX1.
2 132.
J. Marcou, Leiter to M. JoacHım BARRANDE, on the Taco-
nic rocks of Vermont and Canada. Cambridge. 1862.
390
J. Mırcov, Observations on the terms „‚Peneen“, „Permian“
and „Dyas“. — Sep. aus den Proceedings of the Boston Soc.
of Nat. hist. Vol. IX. Febr. 1862.
J. Marcou, Notes on the cretaceous and carboniferous rocks
of Texas. — Sep. aus den Proceed. of the Boston ‚Soc. of Nat.
Hist. Vol. VIII. Jan. 1861.
H. Worr, Bericht über die Wasserverhältnisse der Um-
gebung der Stadt Teplitz zum Zwecke einer entsprechenden
Wasserversorgung von Teplitz. — Sep. aus dem Jahrh. d. k..
k. geol. Reichsanst. Bd. XV. 1865. S. 403.
H. Wour, Barometrische Höhenmessungen in der Debrud-
scha, ausgeführt durch Herrn Professor. Dr. K. Prrers im
Sommer 1864, berechnet durch H. Worr. — Sep. aus dem
Jahrb. d. k. k. geol. Reichsanst. Bd. 15. 1865.. Heft 4.
Catalogo di libri sui vulcani e tremuoti vendibili in Napoli,
presso ALBERTO DETKEN. Napoli. 1866.
B. Im Austausch:
Jahrbuch des naturhistorischen Zahlen von Kärn-
then. Heft 7. 1884.
kresburehe A naturforschenden Gesellschaft Graubün-
dens. Neue Folge. 8. u. 9. Jahrg. Chur. 1863 und 1864.
Archives Neerlandaises des sciences ewactes et naturelles.
Red. par v. BaunHaver. Tome I. Livr. 1 et 2. La Haye 1866.
Zweiter Jahresbericht des Vereines der Aerzte in Steier-
mark. 18%. Graz. 1866.
The. guigirtenkgy Journal of the geological society. Vol. XXTN.
Part. 2. May 1866. N. 86. London.
Verhandlungen “und Mittheilungen des Siebenburgischen
Vereins für Naturwissenschaften zu Hermannstadt. Jahrg. XVI.
1865.
Jahrbuch der k. k. geolog. Reichsanstalt. Jahre: ‚1865.
Bd.-15. N. 4. Jahrg. 1866. Bd. 16. N. 1. Wien.
Verhandlungen der k. k. geol. Reichsanstalt. Sitzung am
15. Mai 1866. | A:
Sitzungsberichte der königl. bayer. Akademie der Wissen-
schaften zu München. 1866., I. Heft I. u. I.
Verhandlungen des naturhistorischen Vereins in Carlsruhe.
Heft 1. 1864. Heft 2. 1866.
Annales des mines. Sixieme Serie. Tome VIII. et IX. 1866.
Paris.
391
Sitzungsberichte der kais. Akademie der Wissenschaften.
Math.-naturwiss.. Klasse. Abth.I. Bd.51 Heft, 4, 5. Bd.52
Heft 1 u. 2. Abth. II. Bd. 52 Heft 1 bis 5. Wien. 1865.
Archiv für wissenschaftliche Kunde von Russland. Her-
ausg. von Erwan. Bd. 25 Heft 1. Berlin. 1866.
Ausserdem wurde vorgelegt: Zeitschrift der deutschen geo-
logischen Gesellschaft. Bd. 18 Heft 1. Berlin. 1866. In 3 Exem-
plaren.
Der Gesellschaft war ferner mit den Sitzungsberichten der
kais. Akademie der Wissenschaften in Wien zugesendet worden
die von Frau ELISABETH Freiin v. BAUMGARTNER, den Herren
Franz BAUNGARTNER und ANDREAS BAUMGARTNER und Frau Fran-
ZISKA Orto unterzeichnete Anzeige von dem am 30. Juli 1865
erfolsten Ableben des Herrn AnprEAS Freiherrn v. BAUMGART-
NER, Dr. der Philosophie an den Universitäten zu Wien und
Prag u. s. w.
Herr Bzyrıic# gab Mittheilung von einem Briefe des Herrn
GÜUNBEL, worin derselbe, veranlasst durch den Aufsatz des Herrn
LasPpEyRes im 4. Hefte der Zeitschrift von 1865, über von ihm
beobachtete Vorkommen hohler Geschiebe in Bayern berichtet.
Die Ansicht des Herrn GüuseL, dass die breecienartigen Rauch-
wacken, welche in den Alpen über einer Gypsbildung an der
Basis des Hauptdolomits verbreitet vorkommen, analogen Ur-
sachen ihre Entstehung verdanken, wie die hohlen Geschiebe
in den diluvialen und tertiären Conglomeraten, gab dem Vor-
tragenden Veranlassung, seine Beobachtungen über das Vor-
kommen gleichartiger breccienartiger Rauchwacken in der
Zechsteinformation am südlichen Harzrande mitzutheilen. In
der Gegend von Nordhausen, Ellrich.und Walkenried, wo ein
regelmässig geschichteter, versteinerungsreicher Dolomit oder
dolomitischer Kalkstein den dort nur theilweise in Gyps ver-
wandelten Anhydritmassen aufliegt, zeigen sich die breccien-
artigen Rauchwacken überall an der Grenze des Anhydrits oder
Gypses und des Dolomits. Eckige Bruchstücke des Dolomits
sind durch ein kalkiges Bindemittel verbunden; sie lockern sich
auf zu Dolomitsand, der nachher herausfällt, so dass die eigen-
thümlich luckigen Gesteine zurückbleiben, welche kein Dolo-
mit sind. Augenscheinlich ist hier die Aufblähung des Ge-
steins bei der Veränderung des Anhydrits in Gyps zunächst
die Ursache der Zerträmmerung der unmittelbar aufiegenden
| 392
-Dolomitschichten gewesen; der die später verschwindenden
Dolomitträmmer cementirende Kalk ist, wie auch Herr GumBEL ;
bei den ähnlichen Erscheinungen annimmt, ein Sintergebilde,
für welches die das aufliegende dolomitische Gestein durch-
sickernden und theilweise auflösenden Gewässer das Mate-
rial lieferten. Näher dem Harzrande finden sich Stellen, wo
breceienartige Rauchwacken, ohne von Gypsen begleitet zu
sein, unmittelbar auf Gliedern der unteren Zechsteinformation
(Zechstein, Kupferschiefer, Weissliegendes) aufliegen; ihre Er-
scheinung an solchen Stellen kann überall als ein Beweis gel-
ten, dass die auch hier ohne Zweifel früher vorhanden gewe-
senen Gypse und Anhydrite durch lange dauernde Erosionen
vollständig verschwunden sind.
Herr Wepping sprach über eine von DE CIZANCOURT auf-
gestellte, durch viele wissenschaftliche und technische Journale
unbeanstandet gegangene Theorie, nach welcher es zwei allo-
tropische Zustände des Eisens, gewissermaassen zwei Metalle,
geben solle, deren eines, als Ferrosum bezeichnet, das Metall
der oxydulischen Erze, das andere, als Ferricum bezeichnet,
das Metall der oxydischen Erze sei. Das erstere ist hiernach
sehr zu Kohlenstoff verwandt, daher geneigt, Spiegeleisen zu
geben. Das daraus hergestellte Schmiedeeisen lässt sich leicht
in Stahl überführen. Das Ferricum verbindet sich nur bei ho-
hen Temperaturgraden mit Kohlenstoff, den es bei langsamem
Erkalten als Graphit ausscheidet, ist die Grundlage des grauen
Roheisens und liefert weiches, schwer in Stahl überzuführendes
Schmiedeeisen. Der Stahl ist eine Vereinigung beider allo-
tropischen Eisenarten. — Abgesehen von der Unhaltbarkeit
dieser Theorie und der daran geknüpften Folgerungen in wissen-
schaftlich-chemischer Beziehung, sprechen auch zahlreiche Bei-
spiele aus der Praxis für deren Fehlerhaftigkeit. Es müsste
das aus Rotheisensteinen erzeugte Roheisen ungeeignet zur
Stahlfabrikation sein.. Gerade die englische Puddelstahl- und
Feinkorneisenindustrie ist beinahe ganz auf ein solches Roh-
eisen angewiesen. Während in England im Allgemeinen die
Sphärosiderite, also oxydulische Erze, als Grundlage der Erzeu-
gung schnigen Eisens dienen, verwendet man das aus den
Cumberländer Hämatiten dargestellte Roheisen zu Feinkorn-
und Puddelstahl und zum Bessemerprozess und führt es selbst
oder die Erze zu diesen Zwecken an vielen Orten Englands
393
ein. Es erklärt sich dies aus den allgemein bekannten Eigen-
schaften, welche ein Roheisen geeignet zur Stahlfabrikation
machen, und unter denen in erster Reihe die Reinheit von Phos-
phor steht. In Schlesien verwendet man zur Puddelstahl-Dar-
stellung stets graues Roheisen, weil es dünnflüssig einschmilzt,
obwohl es doch Ferricum enthalten müsste, auch grösstentheils
aus dem oxydischen Brauneisenerz erzeugt ist. Ebenso kann
man daselbst aus demselben Erz bei hinreichendem Mangan-
gehalt, auf den es also wesentlich ankommt, Spiegeleisen er-
zeugen. Es wurden von dem Vortragenden noch zahlreiche
andere Beispiele aus der Praxis angeführt, die DE CizancourT’s
Theorie als durchaus hinfällig erscheinen lassen, namentlich
auch noch, dass es ganz gleichgültig sei, ob ein Stabeisen,
welches in Cementstahl umgewandelt werden solle, aus Eisen-
oxyd oder eisenoxydhaltigem Erz oder dem beides enthalten-
den Magneteisenstein erzeugt sei, wenn es nur sonst die nö-
thigen Eigenschaften, namentlich Reinheit, zeige.
Herr RAMMELSBERG bemerkt hierzu, dass DE CIZANCOURT’S
Ansicht in chemisch-wissenschaftlicher Beziehung so unhaltbar
sei, dass ihr eigentlich zu viel Ehre geschehe, wenn man sie
als Theorie bezeichne.
Herr RAMMELSBERG sprach dann zunächst über die che-
mische Constitution der Oarlsbader Feldspathzwillinge. In einer
Abhandlung in der berg- und hüttenmännischen Zeitung hatte
Herr BreimuAupr das specifische Gewicht derselben zu 2,6091
bis 2,6098, die chemische Zusammensetzung nach Herrn H.
RössLer in folgender Weise: |
Sauerstoffverhältniss a
Kieselsäure 66,4 35,4
Thonerde . 18,8 | 8.9
Eisenoxyd. 05 f 2
; Natron: 12% 8,2 2,12
® Kanaaaı 2508 0,87
Kalkerde . 0,2 0,06 ) 3,14
Magnesia . 0,2 0,08
Baryterde . 0,14 0,01
Wasser. . 0,4
III
angegeben und dieselben in Folge des vom Orthoklas abwei-
chenden specifischen Gewichts und der abweichenden chemi-
Zeits. d.d. geol. Ges. XVIIl.3. 26 |
.
394
schen Zusammensetzung zu einem neuen Minerale erhoben, wel-
ches er mit dem Namen Oottait belegte. Von älteren Analy-
sen liegt nur eine von Tımow ausgeführte, unbrauchbare vor.
Die Untersuchungen des Redners haben indessen das specifi-
sche Gewicht der Carlsbader Zwillinge zu 2,573 und die che-
mische Zusammensetzung in folgender Weise ergeben:
Sauerstoff.
Kieselsäure 63,02 33,61 33,61 = 11,8
Thonerde . 18,28 8,99 8er
Kalını .m2u067 “|
Nairsn 4 0242 0,62
Baryterde . 0,48 0,05 { 3,39, 12.
Magnesia . 0,14 al
100,00.
Andere Krystalle von röthlichem Ansehen besassen ein
specifisches Gewicht von 2,55 und enthielten nach einer von
Herrn C. BuL«k in dem Laboratorium des Redners ausgefuhr-
ten Analyse:
Sauerstoff.
Kieselsaure 65,23 _ 34,8 12,1
Thonerde . 18,26 8,04] 3
Eisenoxyd . 0,27 0,08 |
Kalı .x.. 14,66 2,49
Natron . . 1,45 5a -
Kalkerde . Spuren
99,87.
«+ DieKrystalle besitzen daher die gewöhnlichen Eigenschaf-
ten des Orthoklases; der Name Cottait erweist sich als uber-
flüssig.
Der Redner berichtete ferner über einige Mineralproducte,
welche Herr ALExIS JULIEn in einer Arbeit: on Metabrushite,
Zeugite, Ornithite and other minerals of the Key of Sombrero
in dem American Journal of Science and Arts, Vol. XL, 1865.
beschrieben hat. Sombrero, der Rest einer Koralleninsel, in
15° 36° nördl. Breite und 63° 27’ westl. Länge gelegen,
15—40 Fuss hoch, mit 95 Acres Oberfläche, ist in neuerer
Zeit durch den Guano bekannt geworden, welcher in Adern
im Kalkstein der Insel lagert. Der Kalkstein ist in beträcht-
lichem Grade in Kalkphosphat verwandelt, indem lösliche Phos-
395
phate die Guanobedeckung durchdrangen. Erzeugnisse dieser
Einwirkungen sind der
“ Brushit, derb, weiss, glasglänzend, durchscheinend, mit
unebenem Bruch; Härte 2,76; spec. Gew. 2,95 — 3,0; giebt
beim Erhitzen Wasser, welches von der Phosphorsäure sauer
reagirt, gluht mit grünem Licht, schmilzt mit Anschwellen zu
einer krystallinischen Masse, löst sich leicht in Säuren. Der-
selbe besteht aus
Phosphorsäure 39,95
Kalkerde: .... -32,11
Thonerde
Eisenoxyd | u
Schwefelsäure 0,78
Wasser . . 25,95
39.12,
.
Von dem Wasser gehen 20 pCt. bei 240 Grad, der Rest durch
Glühen fort. Das Mineral hat daher die
alte Formel CP + H + 4ag.
neue Formel H
Ca jo + 2.ag.
PO
Dasselbe kommt nach Press in. nadelförmigen Krystallen im
Centralgewebe von Tectonia grandis vor und ist von BOEDEKER
künstlich dargestellt worden.
Metabrushit; nach Dana 2-+-1gliedrig, klinodiagonal
leicht spaltbar; die Krystalle sollen mit dem krystallisirten
Brushit von Aves Island (Moorz in Americ. Journ. 2. Ser. 39
bis 43) nahe übereinstimmen und gleichen dem Gyps. Sie sind
oft von beträchtlicher Grösse, die Flächen uneben und matt.
Spec. Gew. 2,288 — 2,362. Gelblichweiss; verhält sich che-
misch wie Brushit, von dem er sich dadurch unterscheidet, dass
er (nach der älteren Formel) 1 At. Wasser weniger enthält.
Aeltere Formel: Ca P-+ H + 3ag.
Neuere Formel: /H
21 Ca ,O° + 3.ag.
P |
OÖ
26 *
396
Gefunden wurden:
Phosphorsäure . . . 21,84
Kalkerde. su uisaaln. 24. 1082899
Wasseru9 sora «ne Juri 328
ag: 1% ah oral „eo
f Th d
Phosphorsaure | st 1,05
Phosphorsaure Magnesia . : 1,15
Schwefelsaurer Kalk . . 0,07
Organische Substanz . . 0,72
Peuchtigket ..... ..... 120
Die künstliche vorn ist von BERZELIUS und RALwSKY
beschrieben. i
Zeugit nennt der Verfasser eine Pseudomorphose von
Metabrushit. Spec. Gew. 2,971. Schmilzt nicht vor dem Löth-
rohr, giebt nur wenig Wasser. Besteht nach dem Mittel der
Analysen aus
" Phosphorsäure. . „2. 46,55
Kalkende . . neo
Magnesia . . .. Wald
Thonerde, nach 1: jsaro0. GR
Schwefelsäure . . ..: .. 0,19
Kohlensäure . . 2.3. 924
Chlornatrium . . 1,08
Wasser, organische Substanz 3,02.
Nach Abzug von
CaS —+2ag. = 0,49
Cab — 0,54
Me? P = 1,86
a
fe P — "1,10
NaCl = 1.08
bleiben
Sauerstoff.
Phosphorsäaure 42,28 = 47,5 26,76 5 15
Kalkerde . . 43,78 = 49,2 14,06 2,63 7,89
Wassers. & 5.298 = 1330. 2.937903 a
89,00 100,0.
N, 397 R
Der Verfasser erklärt die Substanz für Ca® P’. Sie muss
aber Wasser enthalten und ist daher
ältere Formel 2Ca® P Eu Ha: P
neuere Formel H
Ca‘ oO’
3Po
Sie ist daher gleichsam eine Verbindung von Brushit und
dem unten zu beschreibenden Ornithit. BERZELIUS hat gezeigt,
dass man diese Verbindung, die er früher schon aus Knochen-
asche erhielt, durch Eintröpfeln von CaCl” in ein überschüssi-
ges «Gemisch von reinem und phosphorsaurem Ammoniak er-
hält (Ann. d. Chem. u. Pharm. 53. p. 286), bis nur etwa die
Hälfte der Phosphorsäure gefällt ist; später fallt Ca®P
Ornithit, in kleinen gypsähnlichen Krystallen in Höhlun-
gen des Madreporenkalks, klinodiagonal vollkommen spaltbar,
weiss, giebt beim Erhitzen Wasser, ist vor dem Löthrohr un-
schmelzbar. Besteht aus
Phosphorsaure 40,14
Kalkerde . . 45,77
Thonerde }
Eisenoxyd 4,62
Wasser... . 9,45.
Der Verfasser erklärt die Krystalle En Ga? pP 1 2
d. h. für Ca?
9PO 0° + 2ag.
4 pCt. Wasser gingen bei 250 Grad fort, der Rest beim Glühen.
Der Redner theilte ferner das Resultat einer chemischen
Untersuchung von einem theilweise angeschliffenen Gesteins-
stuck, welches Herr Hunt an Herrn EHRENBERG mit der
Bezeichnung Eozoon canadense gesendet hatte, mit. Das die
Hauptmasse, bildende weisse Mineral ist weisser Augit
_ (Diopsit), aus 52,54 pCt. Kieselsäure, 24,64 Kalk, 19,85 Ma-
gnesia, 3,06 Eisenoxydul und Thonerde bestehend. Der Augit
enthält kleine Mengen Kalkspath und weisse oder gelbliche,
sechsseitige Glimmerblättchen.. Er ist mit einem dunkelgrünen
Mineral verwachsen, welches Serpentin zu sein scheint und
z. Th. parallelfaserige Lagen (Chrysotil) enthält.
Herr.G. Rosz legte mehrere Eisenglanzkrystalle vor, die
398
Herr vom Rarm in Bonn in einer sich unregelmässig ver--
ästelnden Spalte des grossen Eiterkopfes, eines der vielen in
der Nähe von Andernach befindlichen Schlackenkegel, gesammelt
hatte,*) wobei er die interessante Beobachtung gemacht hatte,
dass die Krystalle des Eisenglanzes fast saämmtlich mit einzel-
nen kleinen gelben Kryställchen besetzt waren, welche er bei
näherer Untersuchung als Augit erkannt hat. Ungeachtet
ihrer Kleinheit konnte er doch ihre Winkel mit dem Re-
flexionsgoniometer messen, und einige Löthrohrversuche be-
stätigten das Resultat der Messung. Die Augitkrystalle sind
so mit dem Eisenglanz verbunden, dass man für beide eine
gleichartige Entstehung annehmen muss, und da es jetzt-kei-
nem Zweifel unterworfen ist, dass sich die Eisenglanzkrystalle
durch Sublimation und spätere Oxydation von Eisenchlorid ge-
bildet haben, so -muss der Augit ebenfalls durch Sublimation
und Oxydation von Chlorverbindungen entstanden sein.
Schon früher hatte ScaccHı behauptet, dass viele schon
krystallisirte Silikate, wie Melanit, Sodalith, Hornblende, Feld-
spath, Glimmer u. s. w., die in den Spalten der Laven des
Vesuvs vorkommen, durch Sublimation gebildet wären, weil
sie ganz verschieden sind von den Krystallen, die in der Masse
der Laven zu erkennen sind. Da indessen für diese Silikate
noch andere Bildungsweisen möglich sein konnten, so war der
von ScaccHI angegebene Grund für seine Behauptung nicht
überzeugend genug, um sie unbedingt anzunehmen, daher man
auch noch vielfältig Zweifel hegte, ob jene Silikate auf die
angegebene Weise entstanden wären und überhaupt so entste-
hen könnten. Diese Zweifel sind nun durch die Beobachtung
von vom RATH gehoben; es ist dadurch bewiesen, dass ein
Silikat wie der Augit durch ähnliche Sublimation wie der
Eisenglanz gebildet werden kann, und es ist daher anzuneh-
men, dass die von ScaccHi beobachteten Silikate ebenso ge-
bildet sind.
Solche neu gebildete Augitkrystalle finden sich aber nicht
bloss auf den Eisenglanzkrystallen in der Fumarolenspalte, sie
finden sich auch auf den 2 bis 3 Linien grossen, schwarzen
Augitkrystallen, die in der zwischen den Schlacken neben der
*) Die Spalte war durch einen in dem Schlackenkegel angelegten
Steinbruch sichtbar Bewarden:
399
Fumarolenspalte befindlichen Asche vorkommen, die ebenso wie
die Spalte selbst von den Fumarolendämpfen durchzogen wer-
den konnte. Sie sind mit kleinen, gelben Augitkrystallen, die
in paralleler Stellung aufsitzen bedeckt, und auf eine ganz
ähnliche Weise kommen auch andere schwarze Hornblende-
"krystalle in der Asche ebenfalls mit kleinen, gelben, neugebil-
deten Hornblendekryställchen bedeckt vor. Herr vom Rıra
hatte auch von diesen Augit- und Hornblendekrystallen Proben
eingeschickt, die vorgelegt wurden.
Diese Krystalle erklären nun, wie Herr G. Rose bemerkte,
andere Fälle, die lange bekannt waren. Auf den Feldern vom
Wolfsberge bei Ozernozin finden sich Hornblendekrystalle, 1 bis
2 Zoll gross und von schwarzer Farbe, die mit einer Menge
kleiner, dicht neben einander stehender, braunrother, prismati-
scher Krystalle von Hornblende umgeben sind, die sie in pa-
ralleler Stellung bedecken. Da die Hornblende sehr vollkom-
men spaltbar ist, die grossen Krystalle an manchen Stellen
bestossen sind, so kann man sich leicht von dem Parallelis-
mus der Spaltungsflächen des darunter liegenden Krystalls mit
den Seitenflächen der vielen bedeckenden, kleinen Krystalle
- überzeugen. Diese Hornblendekrystalle befinden sich nicht mehr
auf der, ursprünglichen Lagerstätte, offenbar sind aber die be-
deckenden kleinen Hornblendekrystalle auf eine ähnliche Art
gebildet wie bei den von vom RartH beobachteten Augit- und
Hornblendekrystallen in der Asche des grossen Eiterkopfes.
Auch die Hornblendekrystalle des Wolfsberges wurden vorgelegt.
Herr TamnAau machte schliesslich der Gesellschaft die Mit-
theilung, dass die grössten, bisher beobachteten Bleiglanzkry-
stalle, deren Hexaederkanten die Länge von 6 bis 8 Zoll
erreichen, und welche auf der Grube Bleialf in der Eifel vorge-
_ kommen sind, sich im Besitz der hiesigen Diskontogesellschaft
befinden.
Hierauf ward die Sitzung geschlossen.
3 v. w. 0.
G. Rose. BeyrıcHa. Eck.
400
B. Briefliche Mittheilungen.
1. Herr Arır an Herrn Beyrıcn.
Saarbrücken, den 31. Juli 1866.
Die beifolgende Sammlung von Muschelkalkpetrefakten
habe ich während meines Aufenthaltes in Bischmisheim, etwa
eine Meile südöstlich von Saarbrücken, zusammengebracht.
Da ich nicht weiss, ob Ihnen diese Lokalität aus eigener An-
schauung bekannt sein mag, so erlaube ich mir, hieran fol-
sende Bemerkungen zu knüpfen.
Das Saarbrücker Steinkohlengebirge ist im Süden und
Westen von dem bunten Sandstein bedeckt, auf welchen, jedoch
in geringerer oberflächlicher Ausdehnung der Muschelkalk folgt.
Das Saarthal ist südlich von Saarbrücken tief in den bunten
Sandstein eingeschnitten, so dass man den Muschelkalk erst
auf der Höhe der Ausläufer des lothringer Plateaus antrifft.
Dies ist auch die Lagerung bei Bischmisheim. Die Nähe der
Stadt Saarbrücken und die industriellen Werke des Saarthales
mit_ ihrem grossen Kalkbedarf haben zu einem ziemlich be-
deutenden Kalksteinbruchbetriebe Veranlassung gegeben. Diese
Kalksteinbruche befinden sich sämmtlich im oberen Muschel-
kalke, wie sich aus folgendem Verzeichniss der von mir dort
gefundenen Versteinerungen ergiebt. Es fanden sich: Gervillia
socialis, Peciten discites, Lima striata, Myophoria laevigata (2)
M. simplex, M. elegans (?), Terebratula vulgaris, Natica grega-
ria, Chemnitzia scalata (?), Dentalium laeve, Enerinus lilüformis,
Ceratites nodosus, Rhyncholithus avirostris, Zähne und Knochen.
Die Versteinerungen weichen in ihrem Vorkommen und ihrer
schalenlosen Erhaltung von den gewöhnlichen des nördlichen
Deutschlands durchaus nicht ab, und nur die Terebratula vul-
garis hat zu eifrigerem Sammeln und zu einigen Bemerkungen
Veranlassung gegeben. |
Die Schichten des oberen Muschelkalkes, soweit sie durch
den Steinbruchsbetrieb aufgeschlossen sind, bestehen aus einem
401
Wechsel von versteinerungsreichen und versteinerungsarmen
oder versteinerungsleeren Schichten. Die unterste bemerkens-
werthe Schicht ist die untere Terebratelbank, die ihren Namen
mit vollem Rechte führt, da sie ganz aus Steinkernen der Te-
rebratula vulgaris besteht. Weiter oben folgt die grosse Encri-.
nitenbank, welche fast ausschliesslich aus den Stielgliedern des
. Enerinus lilüformis: zusammengesetzt ist. Endlich folgt noch
höher hinauf die obere Terebratelbank, welche fur die vorlie-
gende Sammlung von Terebrateln das Material geliefert hat.
Diese Bank zeichnet sich durch das massenhafte Vorkommen
von Feuersteinknollen aus. Dieser grosse Reichthum der Schicht
an Kieselsäure und die Erhaltung der Terebratelschalen ver-
anlasste mich, zu untersuchen, ob nicht auch das Brachialge-
rust erhalten sein sollte. Bei der Behandlung mit Chlorwasser-
stoffsäure lösten sich bei einigen die Schalen auf, viele wurden
aber dadurch nicht angegriffen. Die Terebratula vulgaris kommt
in schönen, grossen Exemplaren vor, doch sind gerade sie zum
Präpariren der Brachialgerüste wenig geeignet, weil die Lös-
lichkeit dieser zarten Theile und der Ausfüullungsmasse in Chlor-
wasserstoffsaure bei beiden ungefähr gleich ist. Dagegen stell-
ten sich nach mehrfachen Versuchen die Exemplare einer ganz
dünnen Schicht der oberen Terebratelbank als recht brauchbar
heraus. Diese Schicht, die ich anstehend nicht habe finden
können, ist ausgezeichnet durch kleine Stylolithenbildungen von
‚5 bis 1 Zoll Höhe, welche meist durch die Terebrateln her-
vorgebracht sind. Hier sind die Terebrateln klein, doch lost
sich ihre Ausfüllungsmasse in Chlorwasserstoffsäure leichter als
die Brachialgeruste; diese sind in dieser Säure aber auch kei-
neswegs unlöslich, sondern sie erhalten sich nur so lange, als
hoch Ausfüllungsmasse zum Auflösen vorhanden ist. Deshalb
darf man die Behandlung mit Salzsäure nicht bis zum Ver-
schwinden der Ausfüllungsmasse fortsetzen. Da die letztere
auch noch unlösliche Theile enthält, so besteht das Verfahren
in abwechselnder Behandlung mit ziemlich concentrirter Chlor-
wasserstoffsaure und vorsichtigem Abspüulen der unlöslichen
Theile mit Wasser. Auf solche Weise ist es mir geglückt, das
- Brachialgerüst, so weit es erhalten ist, in vielen Exemplaren
zu präpariren; leider habe ich aber auch die Erfahrung be-
‚stätigt gefunden, dass die Schleife nur in sehr seltenen Fällen
vollständig erhalten ist. Ich habe bisher nur in einem einzigen
402
Exemplare, und zwar in dem kleinsten von allen, eine ge-
schlossene Schleife gesehen, und auch diese brach leider beim
Aufkleben ab. Diese grosse Zerbrechlichkeit des Gerüstes
nach dem Ableben des Thieres muss wohl der Grund sein,
weshalb dieses so selten vollständig erhalten ist. Die Präpa-
rate zeigen den gestreckten Theil des Gerustes bis hinter die
Schenkel, in einigen Fällen sogar. bis zum Anfange der Um-
biegung, wodurch dieselben scheinbar an ihren Enden einen
ganz feinen Haken erhalten. Wenn ich die Abbildung der
Waldheimia australis in Woopwarn’s Manual of the Mollusca
p. 216 zum Vergleich nehme, so ist bei der Terebratula vulga-
ris die Entfernung vom Schloss zu den Schenkeln etwas län-
ger, das Stück von da bis zur Umbiegung der Schleife bedeu-
tend kürzer im Vergleich zur Grösse der kleinen Klappe. In
Betreff der Schlosstheile kann ich auf die Schilderung des
Herrn v. SEEBACH in der Zeitschrift der deutschen geologischen
Gesellschaft Bd. XIII. verweisen, obgleich ich nach der dort
gegebenen Abbildung nicht glaube, dass seine Exemplare so
deutlich waren wie die vorliegenden Präparate.
2. Herr Weıss an Herrn Beyrıca.
Saarbrücken, den 31. Juli 1866.
In Folgendem will ich ‚kurz referiren, wie weit ich
mit der Bearbeitung des Saar-Rheinbeckens bin. Ich meine
dabei nur diejenigen Schichten, welche noch Kohlen und orga-
nische Reste führen, die sich an die Steinkohlenformation an-
schliessen, theils auch ihr unmittelbar folgen. Letztere sind
das untere Rothliegende, wobei man nicht leugnen kann, dass
der Guuset’sche neu erfundene Ausdruck „Ueberkohlengebirge“
ein recht passender wäre; nur müsste man ihn eben als gleich-
bedeutend mit „unteres Rothliegendes“ auffassen, nicht aber,
wie GümßBEL will, darunter etwas Besonderes, eine neue For-
mation zwischen Steinkohlenformation und unterem Rothliegen-
den verstehen; auch die Abgrenzung des Begriffs müsste eine
andere sein.
Was nun diese Schichten betrifft, soweit sie bei uns auf-
treten, so finde ich auch nach den neuesten Excursionen, welche
403
recht ergiebig waren, im Allgemeinen meine vorjahrige Unter-
scheidung von vier Zonen bestätigt. Ohne auf die Einzelhei-
ten einzugehen, die natürlich noch manche Arbeit vor ihrer
ganz genugenden Aufklärung erfordern, muss ich doch erwäh-
nen, dass namentlich die Verbreitung von Acanthodes- und
Xenacanthus-Resten, welche mir jetzt sehr viel vollständiger
bekannt geworden sind, von theoretischer Wichtigkeit erscheint,
Sie finden sich mit andern Dingen (Anthracosien, anderen Fisch-
resten, Pflanzen, auch Estherien) unmittelbar über einem Koh-
lenflötzchen, welches in der Pfalz grosse Verbreitung hat. Dass
dieser Umstand noch allgemeinere Bedeutung hat, glaube ich
ebenfalls gefunden zu haben. Bei Wettin nämlich sind eben-
falls Reste vorgekommen, die offenbar mit den unsrigen iden-
tisch sind. Germar bildet, nur unter anderem Namen, Acan-
thodes-Stacheln ab (Taf. 29 Fig. 4), und, wie ich sicher glaube,
auch ein Stück eines Xenacanthus-Stachels mit seinen zwei
Reihen Widerhaken (a. a. ©. Fig. 8); es scheint auch wenig-
stens einer der abgebildeten Zähne auf letzteren Fisch bezogen
werden zu mussen, dessen Gebiss bekanntlich noch nicht be-
kannt ist, da die Gornpruss’sche Abbildung nach nicht genu-
-sendem Reste geliefert ist und der Fisch zweierlei Zähne
hat. Andere Zähne von Wettin durften vielleicht mit solchen
‚identisch sein, die ich kürzlich aufgefunden habe.
Füge ich noch hinzu, dass auch die Flora unserer Schichten
gewisse auffallende Eigenthümlichkeiten mit jener von Wettin
besitzt, dass namentlich dahin das Vorkommen von Pecopteris
elegans, truncata, Bredovü, Diplazites: longifolia, welche z. Th.
ausser Wettin noch nirgend bekannt waren, gehört, auch das
Vorkommen von Walchia piniformis, und zwar die genannten
fünf Formen bei uns in den „Ottweiler Schichten“, welche ich
noch zur Steinkohlenformation ziehe, — so kann ich wohl mit
Grund die Ueberzeugung laut werden lassen, dass das Wettiner
Auftreten von Kohle-führenden Schichten die nächste Ver-
wandtschaft mit dem in unserm Saar-Rheinbecken habe, dass
mithin auch dort, bei Wettin, Schichten vorkom-
men müssen, welchezum unteren Rothliegenden oder
Ueberkohlengebirge gehören. Leider weiss man nicht
- viel über die vertikale Verbreitung der organischen Reste von
_ Wettin. Bei uns treten Acanthodes, Xenacanthus u. s, w. ent-
404
schieden höher auf als die Schichten mit den obigen Pflanzen-
formen.
Die Flora unseres Schichtencomplexes habe ich soweit ber
arbeitet, als nicht entschieden neue oder doch bei dem mir
zugänglichen literarischen Hülfsmaterial unbestimmbare Formen
vorliegen, und soweit das bis jetzt Vorhandene reicht. Es ist
nicht zu leugnen, dass die oberen Abtheilungen, besonders die
Lebacher Schichten manches Eigenthumliche zeigen, aber ebenso
wenig, dass sie Manches mit den tieferen Lagen gemein ha-
ben. Allmälig nimmt ja aber die Zahl der identischen Species
in beiden Formationen, der Steinkohlenformation und dem un-
tern Rothliegenden, zu, wie die neuste Arbeit von GÖPPERT
noch beweist; — kein Wunder also, wenn bei uns noch einige
Arten gefunden werden, welche früher nur unten, nicht oben
bekannt waren. Ist doch auch das Umgekehrte mehrfach der
Fall, dass gewisse aus dem Rothliegenden beschriebene Arten
hier tiefer auftreten!
3. Herr Weiss an Herrn Beynıca.
Saarbrücken, den 10. November 1866.
In der beifolgenden Kiste sende ich ein paar Neuigkeiten,
welche ich in den kohleführenden Schichten unseres Gebirges
zwischen Saar und Rhein gefunden habe und der öffentlichen
Mittheilung nicht unwerth sein möchten.
1) Eine kleine Muschelform, von Gestalt einer Corbula,
vom‘ Booser Tunnel der Rhein-Nahe-Eisenbahn bei Staudern-
heim (oberhalb Kreuznach), ein interessanter Fund. Sie gleicht
zwar den im Gebiete häufigen Estherien durch concentrische
Streifen, Umriss und Grösse, dennoch bin ich geneigt wegen
der Dicke ihrer kalkigen Schale mit starker Krümmung,
starken Wirbeln und etwas steilem Abfall der Seiten die Form
für eine wahre Muschel zu halten und nicht jener Muschelkrebs-
Gattung zuzurechnen. Da nun, was Lupwıc als eine Cyelas
von Saarbrücken beschrieben hat, wohl mit Recht von Grinirz
für Estheria gehalten wird, so wäre dieser Fund, wenn meine
Deutung richtig ist, die erste neue Muschelgatiung in unserem
405
Gebiete; denn bisher war aus den kohleführenden Schichten
des Saar-Rheinbeckens nur Anthracosia bekannt geworden. —
Das Vorkommen dieser Zwergmuschel ist eigenthümlich. Am
oberen Ende des Tunnels nämlich befindet sich, wie gewöhnlich,
ein tiefer Einschnitt mit schön entblössten Schichten. Hier ist *
es eine schwarze schiefrige Kalkschicht, welche deshalb am
meisten auffällt, weil sie — wie die Proben zeigen — fast
ganz aus Hunderttausenden der kleinen Muschel gebildet ist,
zwischen der man nur selten eine Fischschuppe bemerkt. Auf
Sandstein als Unterlage liegt eine wohl an 40 Fuss dicke Schiefer-
zone, dann wieder Sandstein; Farbe aller Schichten grau. In
dieser Schieferzone nun, etwa 4 Fuss über dem unteren. Sand-
stein und 4 Zoll über einer grauen Sandsteinbank von 4 Zoll,
liegt der schwarze muschelführende Kalk, 5 Zoll mächtig, wo-
von eine zöllige untere Lage fest und zum Theil dicht ist,
2 Zoll darüber in Schiefer übergeht; hierauf folgt schwärzlicher
Schiefer und Schieferthon mit sehr viel Cyproiden und Fisch-
‚schuppen, 5 oder mehr Fuss mächtig. Sowohl im Liegenden
als Hangenden dieser Schichten, nur einige 100 Schritt ent-.
fernt, treten Walchia-Sandsteine auf und zwar habe ich gerade
im Liegenden, am Abhange gegen die Nahe hin, 200 Schritt
vom Tunnel deutliche Zweige von Walchia piniformis sowohl
als besonders auch von W. filiciformis gefunden. Mithin ge-
hört die Muschel dem ächten unteren Rothliegenden an, wie ich
‚glaube dessen oberer. Zone, welche ich (N. Jahrb. f. Min.
1865, S. 838 fi.) als „Lebacher Schichten“ bezeichnet habe.
Das (redueirte) Streichen der Schichten ist hier h. 6 bis 6%
mit 25 bis 30 Grad Nordfallen.
2) Von demselben Fundort und schon näher bezeichnet,
' sind Schiefer mit sehr deutlicher Candona oder Cythere,
welche in unserem Gebiete zwar schon seit einigen Jahren be-
kannt, doch so deutlich wohl noch nicht vorgekommen waren.
3) Der hier beifolgende Lebacher Fisch dürfte wohl von
Jedem als Amblypterus nemopterus Ac. nach Vergleich
mit dieses Autoren Abbildung (Poissons foss. tome II. p. 107
u..t. 4b f. 1, 2) anerkannt werden, woraus also folgt, dass
bei uns — aber in der oberen Abtheilung des unteren
Rothliegenden, mit Xenacanthus, mit Acanthodes, mit Wal-
chia piniformis und filieiformis und anderen Leitformen des Roth-
liegenden zusammen -- mindestens eine aus schottischer Stein-
406
kohlenformation (nämlich von New-Haven bei Leith) beschrie-
bene Species auftritt. Es möchte nicht ohne Werth sein, die
englischen Vorkommen einer genauen Revision zu unterwerfen,
um die Verwandtschaften und Beziehungen der in Deutschland
"sogenannten Formation des unteren Rothliegenden zu entfern-
teren Bildungen einer weiteren Aufklärung entgegenzuführen;
um so mehr als auch bei New -Haven das Vorkommen der
Fische in Sphärosideritnieren jenen von Lebach sehr ähnlich
ist. — Asassız macht (a. a. OÖ.) auf die Aehnlichkeit des Fi-
sches mit Ambl. macropterus von Lebach und Berschweiler auf-
merksam, hebt jedoch mit Recht als specifischen Unterschied
den bei Ambl. nemopterus weniger gekrummten, gestreckteren
Rücken und die geringere Breite des Rumpfes, welcher nur
etwa zweimal so breit als der Schwanzstiel ist und wodurch
der Fisch überhaupt schlanker erscheint, hervor; die Schuppen
sind fast glatt wie Acassız’s Figur 2, jedoch unter der Lupe
mit erkennbaren feinen erhabenen Streifen versehen, welche
von Anwachsstreifen schwer unterscheidbar sind. Die mir vor-.
liegenden Exemplare lassen sich auf den ersten Blick von den
anderen Lebacher Arten unterscheiden, doch ist es überhaupt
nöthig ganze Exemplare zu untersuchen, wenn man die Arten
dieser Lokalität sicher bestimmen will.
4) Zum Obigen füge ich, dass ich auf zahlreichen Exeur-
sionen dieses Sommers auch im bayrischen Gebiete meine schon
früher gegebene Eintheilung (a. a. O. S. 839) bestätigt gefun-
den habe. Von der grössten Wichtigkeit ist in dieser Bezie-
hung, dass auch hier — was man bisher nicht wusste — die
Acanthodes-Schichten eine sehr weite und ausserordentlich
regelmässige Verbreitung besitzen. Zwar sind es nur Flossen-
. stacheln dieses Fisches, welche ich hier fand, jedoch an so
zahlreichen Orten und unter so gleichen Verhältnissen, dass an
der Identiät aller dieser Schichten so wenig zu zweifeln ist als
an der Leitfähigkeit dieser Reste selbst, so mindestens bei
uns. — Es zieht sich um den Königsberg (Offenbach — Lohn-
weiler — Striet mit Fortsetzung im Geisborn und bei Hefers-
weiler) ein schwaches Kohlenflötz, welches als Dach einen
meist kieseligen Kalk führt, auf welchem ziemlich mächtige
graue Schieferthone folgen. Dasselbe setzt in einiger Entfer-
nung nach Nordösten noch zweimal bogenförmig auf, doch ist
bei der ersten Wiederholung (Kronenberg —- Nussbach) Kohle
407
und Kalk durch ein Zwischenmittel getrennt, die Kohle wohl
auch nicht überall vorhanden; während die zweite Wiederho-
lung (Odenbach — Adenbach — Reifelbach — Waldgrehweiler)
‚wieder dieselbe Beschaffenheit wie früher bringt. In derselben
nordöstlichen Richtung tritt dasselbe Flötz zuletzt als Rand
einer elliptischen Insel zwischen Schiersfeld und Niedermoschel
auf, in welcher der früher berühmte Moschellandsberg, Queck-
silber-führenden Angedenkens, liegt. Ueberall hier bin ich so
glücklich gewesen, Acanthodes-Stacheln im Kalk und Schiefer-
thon nachzuweisen, so dass die Lebacher Schichten in der Pfalz
eine sehr grosse Verbreitung und Beständigkeit besitzen.
Zugleich mit diesen Resten fand ich immer noch andere
Fischreste, namlich glatte und gestreifte Schuppen (die schon
vielfach bekannt waren), Anthracosien (Unionen, ebenfalls an
manchen Orten schon früher gefunden), Estherien, ja bei Oden-
bach auch einen Xenacanthus-Stachel und einen Diplo-
dus genannten Fischzahn, leicht erkennbar an seinen 3 Zacken,
von. denen der mittlere kleiner als die 2 seitlichen ist (im
SENKENBERG’Schen Museum in Frankfurt a. M. erinnere ich mich
Aehnliches aus unserem Gebiet gesehen zu haben). Walchien
kommen in ganz benachbarten, zum Theil auch denselben
Schichten vor. — Im Uebrigen muss ich mir ausführlichere
Mittheilungen bis zur Veröffentlichung des gesammelten Mate-
rials vorbehalten.
| 5) Nicht versagen kann ich es mir an dieser Stelle, auf
meinen fruheren Brief zuruckweisend, nochmals der Verwandt-
schaften zu gedenken, welche sich mir beim Studium unserer
hangenden Schichten im Vergleich mit dem Wettin-Löbejüner
Kohlenbecken aufdrängten. Denn nicht sowohl ist die Aehn-
lichkeit der Flora in unseren „Ottweiler Schichten“ mit jener
durch GERMAR und Anprä beschriebenen auffallend (ich ver-
weise z. B. nur auf das Vorkommen von Pecopteris elegans,
Bredovü, truncata, Neuropteris ovata, Sigillaria Brardü in bei-
den ‚Gebieten), wobei beachtenswerth ist, dass auch nach GeI-
nıtz Walchien dort vorkommen, — sondern vermehrt wird diese
Aehnlichkeit durch gewisse thierische Reste in beiden entfern-
ten Lokalitäten. So sind auch bei Wettin Anthracosien, und
zwar theils unter, theils über den Flötzen bekannt, sowie
aus den oberen Schichten verschiedene Fischreste, welche ich
zum Theil mit den unsrigen in den Lebacher Schichten iden-
408
tisch halten muss. Am wichtigsten sind darunter die von
GErRMAR auf seiner Tafel 29 (Verst. d. Steinkohlenform. v.
Wettin und Löbejun) abgebildeten, und, wie schon früher her-
vorgehoben, auf Acanthodes und Xenacanthus zu beziehenden
Reste. Das Vorkommen von Amblypterus, Blattinen und, nach
GeINnITZz, von Candona bietet weitere Analogien zu unseren
Lebacher bis Ottweiler Schichten.
6) Endlich erwähne ich kurz, dass ich so glücklich ge-
wesen bin, diesen Sommer auch in der Steinkohlenformation
der Pfalz, nämlich in den dort eben allein auftretenden Ott-
weiler Schichten, Insektenreste aufzufinden, im Schieferthon
des Hangenden eines Kohlenflötzchens der Grube am Remigius-
berg südöstlich Cusel: Neuerlich haben die alten Kohlen-
Insekten das Interesse wieder angeregt. Bei uns waren sie
bisher aus der tieferen Zone der sogenannten „Saarbrücker
Schichten“ durch GoLDENBERG, sowie aus den „Lebacher Schich-
ten“ durch denselben Forscher und durch Dourn (Hugereon
Böckingi) bekannt geworden. Jetzt liegen also auch aus einer
mittleren Zone solche Reste vor.
409
6. Aufsätze
l. Aus dem thüringischen Schiefergebirge.
Von Herrn R. RıcHter in Saalfeld a. S.
Hierzu Tafel V. und VI.
Ill.
Der Schichtencomplex, welcher im thüringischen Schiefer-
gebirge den Raum zwischen den Graptolithen-führenden Alaun-
schiefern (Basis von BArRANDES Etage E) und den devonischen
Dachschiefern einnimmt, besteht, wie schon in zwei vorange-
gangenen Aufsätzen (vgl. diese Zeitschr., Jahrg. 1863 S. 699 ff.
und Jahrg. 1865 S. 361 ff.) gezeigt worden ist, von unten nach
oben aus buntfarbigen Kalken, Tentakulitenschichten (GEINITZ)
mit Kalkeoncretionen, Nereitenschichten mit Conglomeraten
und aus den Tentakulitenschiefern. Nach Ausweis der organi-
schen Einschlüsse stehen die drei zuletzt genannten, oberen For-
mationsglieder in engster Beziehung zu einander, während die
Kalklager mehr in einem ähnlichen Verhältnisse zu den Alaun-
schiefern zu stehen scheinen, wie die Kalke der Etage E in
Böhmen zu den dortigen Alaunschiefern.
Die räumliche Ausbreitung der in Rede stehenden Schich-
ten hatte sich seither nur an den Lokalitäten, welche früher
(vgl. diese Zeitschr., Jahrg. 1853 S. 439 und 440) wegen des
Vorkommens der Kiesel- und Alaunschiefer, sowie der Kalk-
lager und der Nereitenschichten namhaft gemacht wurden, in
vollständiger Entwickelung nachweisen lassen. Neuerdings sind
diese Schichten auch bei Grünau, Wurzbach, Lichtenberg und
Steben erkannt worden und dürften nach Handstücken selbst
der Umgebung von Hof nicht fremd sein. Ferner finden sich
dieselben bei Weida und nach den von den Herren Eisen und
Röper in Gera gesammelten und behufs der Bestimmung mit-
Zeits. d.d. geol.Ges. XVII. 3. 27
410
getheilten Handstücken und Petrefakten in nicht geringer Aus-
dehnung bei Ronneburg (von Liebschwitz und Gessen bis
Posterstein).
Die Frage nach dem relativen Alter unserer Schichten
lässt sich aus alleiniger Berücksichtigung der Lagerungsverhält-
nisse nicht endgültig beantworten. Es ist daher in den vor-
ausgegangenen Aufsätzen die Discussion auf Grund der organi-
schen Einschlüsse aufgenommen und nach der Betrachtung der
Crustaceen bis zu jener der einschaligen Mollusken fortgeführt
worden. Da die überwiegende Mehrzahl der Petrefakten bisher
noch unbeschrieben war, so konnten Anhaltspunkte fast nur
in den Gattungen gefunden und aus diesen auf obersilurischen
Charakter der Schichten geschlossen werden. Die nachste-
hende Aufzählung der bisher aufgefundenen zweischaligen Mol-
lusken dürfte der bezeichneten Anschauungsweise eine breitere
Basis gewähren.
3313. Mollusken.
B. Pteropoden.
1. Conularia reticulata n. sp.
Vgl. diese Zeitschr., Jahrg. 1865 S. 369 Taf. XI. Fig. 3.
In der von den Herren EıseL und RÖDER in Gera mitge-
theilten Sammlung findet sich ein Exemplar dieses Pteropods
aus den Tentakulitenschiefern von Liebschwitz, welches, ob-
gleich zusammengedrückt und der Spitze beraubt, doch die
Dimensionen der Form und deren Verhältnisse zu erkennen
gestattet. Hiernach würde die Gesammthöhe des pyramidalen
Gehäuses 82 Mm. bei einem Gehäusewinkel von 20 Grad be-
tragen haben, während die Breite der Hauptseite an der Mun-
dung 22 Mm., demnach unter Einrechnung der eingekehlten
Ecken die Diagonale der Mundöffnung ungefähr 40 Mm. beträgt.
2; Styliola ferula n.:sp. (Tal. V. Boa,
Die Länge des kegelförmigen Schälchens beträgt 2,5 bis
3,0 Mm. Das Jugendende ist etwas abgestumpft, und die Zu-
nahme geschieht anfangs etwas schneller als später, wo sie
gleichmässig bleibt. Die Mundbreite verhält sich zur Länge
wie 1,0:4,3. Das übrigens glatte Schälchen trägt auf der
Aussenseite 20 bis 24 gerade Längsrippen, die fast um das
: all
Doppelte ihrer Breite von einander abstehen. Bei starker Ver-
grösserung werden sehr feine und gedrängt stehende Anwachs-
streifen sichtbar, welche. den Längsrippen, über die sie hin-
weglaufen, ein gekörneltes Ansehen geben.
In den Tentakulitenschiefern Thüringens und des Oster-
landes (Schmirchau bei Ronneburg) nicht selten, aber meist
vereinzelt.
D. Pelecypoden.
3. Cardiola interrupta Broperir. (Taf. V. Fig. 3.)
Murcuison, Siluria, 1859, t. 23 f. 12.
Die gleichklappige, ziemlich hoch gewölbte Schale ist schief-
oval, fast so lang als hoch, mit etwas vorwärts geneigtem Wir-
bel, von welchem zahlreiche, einfache Radialrippen mit abge-
rundetem Rücken und concaven Zwischenräumen ausgehen. Die
Zwischenräume haben nur auf den Steinkernen die Breite der
Rippen; auf der Schale selbst sind dieselben schmaler. Die
Continuität der Rippen wird durch tiefe, concentrische und den
Anwachsstreifen parallele Furchen unterbrochen, so dass die
Rippen sich in Reihen von Längswülsten auflösen, die gegen
den Bauchrand der Muschel hin, wo die concentrischen Fur-
chen immer enger aneinanderrücken, kurzer und verhältniss-
mässig breiter werden.
In den Kalklagern, selten.
4. Cardiola striata Sow. (Taf. V. Fig. 4.)
Murcnaison, a. a. O. t. 23 £. 18.
Die gleichklappige, wenig gewölbte Schale ist oval, höher
als lang, mit etwas nach vorn geneigtem Wirbel, von welchem
sehr zahlreiche, vollkommen einfache Rippen mit convexem
Rücken ausstrahlen. Die Rippen werden gegen den Bauch-
rand der Muschel hin immer breiter, während die concaven
Intervalle, die in der Nähe des Wirbels dieselbe Breite wie
die Rippen besassen, unverändert bleiben. Die Anwachsstrei-
fen sind nur durch leicht concentrische Linien angedeutet und
werden erst am Bauchrande wahrnehmbarer.
In den Nereitenschichten und deren Conglomeraten, sowie
in den Tentakulitenschiefern.
21
412
5. Avicula pernoides n. sp. (Taf. V. Fig. 5, 6.)
Von fast bohnenförmigem Umrisse, gleichklappig, ziemlich
gewölbt, mit stark nach vorn gekrümmtem Wirbel, höher als
lang. Der geradlinige Schlossrand bildet nach hinten ein so
stumpfes Ohr, dass die Abrundung desselben mit dem Hinter-
rande der Muschel einen flachen Bogen bilde. Um so ausge-
sprochener ist das vordere Ohr, welches bis unter die concave
Byssusrinne der rechten Klappe ziemlich tief eingezogen ist,
bevor der Vorderrand der Schale sich in einem weit vorsprin-
genden Bogen mit dem Bauchrande’ vereinigt. Die Ohrgegend
ist äusserlich wie innerlich bis dahin, wo der Vorderrand vor-
zuspringen beginnt, durch eine im Allgemeinen horizontale,
nach dem Rande zu aber etwas convergirende Streifung aus-
gezeichnet, die sich mit den an den Rändern besonders deut-
lichen Anwachsstreifen kreuzt. Auf der Wölbung der Muschel
erscheinen statt der Anwachsstreifen manchmal concentrische
Runzeln.
In den Tentakulitenschiefern, haufig.
E. Brachiopoden.
6. Terebratula tenuissima n. sp. (Taf. V. Re, 7.)
Breit-oval, fast kreisrund, die Ventralschale in der Spitze
des Schnabels durchbohrt. Die deutlichen Anwachsstreifen sind
so dicht gedrängt, dass deren 18 bis 20 auf die Breite eines
Millimeters kommen. Die beiden vorliegenden Exemplare, von
denen es zweifelhaft bleibt, ob sie zusammengedrüuckte Schalen
_ oder Abdrücke sind, bieten den Anblick der äussersten Zartheit,
indem sie dem unbewaffneten Auge wie glänzende Häutchen
auf den Schieferflächen erscheinen und nur erst unter der Lupe
weitere Details erkennen lassen.
In den Tentakulitenschiefern.
7. Terebratella Haidingeri Barr. (Taf. V. Fig. 8, 9.)
Barrannze, Brachiop. der silur Schichten von Böhmen, 1847, I.
Pr a9 1518 1.80%
Dreiseitig mit hervorragendem, in der Spitze durchbohrtem
Schnabel der Ventralschale. Die Dorsalschale hat in der Me-
dianlinie eine seichte Einsenkung, welche mit einer eben sol-
chen der Ventralschale correspondirt. Die einfachen Radial-
413
rippen, die bei den kleineren Exemplaren in grösserer Zahl
vorhanden sind als bei den grösseren, sind stumpfkantig und
durch entsprechende, gleichbreite Intervalle von einander ge-
schieden. Die zwei bis drei mittelsten, in der Einsenkung ge-
legenen Rippen reichen nicht bis zum Wirbel hinauf und sind
daher etwas schmäler und niedriger als die übrigen.
Auch die von Barranpe (a. a. 0. S.60) beschriebene und
(Fig. 11) abgebildete Varietät suavis von stumpf funfseitigem,
sehr verschmälertem Umrisse kommt hier vor. Sie zeigt be-
sonders deutlich die Einschiebung der mittelsten Radialrippen
zwischen die übrigen. Ä
In den Nereitenschichten und in den Tentakulitenschiefern.
8. Spirifer ef. plicatellus L.
Movrcaıson, a. a. O.t. 9 f. 25 und t. 21 f£. 2.
In den Kalklagern finden sich nicht selten Spiriferen, die
zwar allzusehr verunstaltet sind, als dass sie eine sichere Be-
stimmung zuliessen, aber doch im Ganzen die grösste Aehn-
lichkeit mit dem citirten Petrefakt aus dem Wenlockkalkstein
der Malverns darbieten. |
9. Spirifer heteroclytus Derr. (Taf. V. Fig. 10, 11.) :
BARRANDE, a. a. OÖ. II. p. 26 t. 14 £. 93.
Einer eingehenderen Beschreibung dieses bekannten Pe-
trefakts, welches nur als Beweisstück abgebildet worden ist,
bedarf es wohl nicht. Einzig behufs der Unterscheidung von
den zugleich vorkommenden Specien sei hervorgehoben, dass
die Höhe der flachen Area zur Länge (Breite) wie 1: 2,9, die
Höhe der dreieckigen Oeffnung zur Länge (Breite) der Area
wie 1,0:6,0 sich verhält, die wenig zahlreichen, breiten
und convexen Rippen durch ziemlich scharf einge-
schnittene Rinnen gesondert werden und die con-
cave Bucht nebst dem convexen Sattel ziemlich
breit sind. Die Anwachsstreifen sind von unglei-
‘cher Deutlichkeit.
In den Nereitenschichten und deren Conglomeraten.
10. Spirifer Amphitrites n. sp. (Taf. V. Fig. 12, 13.)
Die Breite beträgt nicht ganz das Doppelte der Höhe, die
flache, horizontal gestreifte Area ist viermal breiter als hoch
und die Basalbreite der dreieckigen Oeffnung verhält sich zur
414
Breite der Area wie 1,0:5,5. Sattel und Bucht, neben
denen die Schalen jederseits noch 7 bis 8 einfache
Falten mit abgerundetem Rücken und gleichbrei-
ten concaven Zwischenräumen tragen, sind ver-
hältnissmässig schmal und besonders die Bucht ist
dadurch ausgezeichnet, dass die Concavität der-
selben einer tiefen Rinne mit ausgerundeten Nu-
then gleicht. Die scharf ausgeprägten Anwachs-
streifen laufen in grösster Regelmässigkeit über
die Schalen.
In den Nereitenschichten und deren Conglomeraten.
11. Spirifer Nerei Barr. (Taf. V. Fig. 14, 19.)
BARRANDE, a. a. OÖ. U. p. 27 t. 15 f. 4.
Aeussere Dimensionen wie jene des Vorigen, dagegen ist
die concave Area weit niedriger. Sattel und Bucht
sind breit und ebenso wie die jederseits derselben
befindlichen 5 bis 6 einfachen Radialfalten stumpf-
kantig mit gleichbreiten stumpfwinkeligen Inter-
vallen. Die ziemlich dicht gedrängten Anwachsstreifen
zeigen die grösste Regelmässigkeit, aber die kur-
zen Radiallinien dieht am Rande der Anwachsstrei-
fen und senkrecht auf denselben, die an den böh-
mischen Kalkexemplaren als blosse Eindrücke er-
scheinen, werden vermöge des Erhaltungszustan-
des der hiesigen Exemplare zu wirklichen Rissen,
so dass die Schalen durchbrochen erscheinen, wie
feinstes Spitzengewebe.
In den Nereitenschichten und deren Conglomeraten, sowie
in den Tentakulitenschiefern.
12. Spirifer Falco Barr. (Taf. V. Fig. 16.)
BaRRAnDE, a. a. O. II. p. 36 t. 17 f. 4.
Der Beschreibung Barranpe’s (a. a. O.) ist nichts beizu-
fügen, als dass die hiesigen Exemplare zahlreichere Anwachs-
streifen am Stirnrande zeigen, als die citirte Abbildung.
In den Tentakulitenschiefern.
13. Spirigera obovata Sow. (Taf. V. Fig. 17,18, 19, 20.)
Murcaison, a. a. O. t. 22 £. 16.
Bis jetzt ist nur ein einziges Exemplar von der Grösse
415
der Figur 17 vorgekommen; alle übrigen haben nur die Grösse
der Figuren 18 bis 20, weshalb auch der schon an sich seichte
Sinus dieser Form meist ziemlich undeutlich ist. Desto schär-
fer erscheinen die charakteristischen Anwachsstreifen, an denen
auch die am häufigsten vorkommenden Abdrücke und Hohl-
räume sofort zu erkennen sind.
In den Nereitenschichten und in den Tentakulitenschiefern.
14. Spirigerina reticularis L. var. orbicularis Sow.
(Taf. V. Fig. 21, 22.)
Morcnison, a. 2.0.1.9 f.4,5.
Bis jetzt hat sicb in unseren Schichten blos diese Varietät,
_ die Murcuıson aus den Llandovery-Rocks der May-Hills ab-
bildet, gefunden und zwar ausschliesslich in den Conglomera-
ten der Nereitenschichten.
15. ?Spirigerina micula n. sp. (Taf. V. Fig. 23, 24.)
Die grössten Exemplare dieser fast kreisrunden Muschel
haben höchstens 3 Mm. Durchmesser, meist nur 1 Mm. Die
Dorsalschale ist flach, die Ventralschale etwas gewölbt und
zwar am meisten in der Wirbelgegend. Beide Schalen sind
von concentrischen Bändern borstiger Zotten bedeckt. Sollte
hier ein Jugendzustand der vorigen Art vorliegen ?
In den Tentakulitenschiefern.
16. Rhynchonella swecisa n. sp. (Kat. V. Fıo. 25, 26.)
Queroval, am Stirnrande auf die Breite des flachen Sattels.
und der ebenso seichten Bucht gerade abgestutzt. Der flache
Schnabel der Ventralschale ist so übergebogen, dass Durch-
bohrung und Deltidium verdeckt werden. Beide flachgewölbte
Schalen glatt, nur am Stirnrande der Ventralschale erscheinen
deutliche eng zusammengedrängte Anwachsstreifen in ähnlicher
Weise wie bei Spirifer Falco Barr. So wahrscheinlich es ist,
dass auch die Dorsalschale solche Anwachsstreifen zeigen werde,
so haben sich doch dieselben noch nicht beobachten lassen.
In den Tentakulitenschiefern.
17. Rhynchonella Grayi Davis. (Taf. VI. Fig. 1.)
Musrcnison, a. a. OÖ. p. 250 f. 3.
Eine eigenthumliche Form mit kurzem, gebrochenem Schloss-
rande, welche durch den Sattel der Dorsalschale und die ent-
416
sprechend tiefe und scharf eingeschnittene Bucht der Ventral-
schale in zwei völlig unsymmetrische Seiten zerfällt, so dass die
rechte, Seite der Ventralschale fast um das Doppelte höher
und breiter ist als die linke. Die Oberfläche der Schalen lässt
namentlich nach dem Stirnrande hin deutliche Anwachsstreifen
erkennen. Da die wenigen hiesigen Exemplare rücksichtlich
der Lage der beiden unsymmetrischen Seiten vollständig mit
der Abbildung in der Siluria übereinstimmen, so erscheint die
Vermuthung, dass hier eine Verdrückung vorliege, nicht hin-
reichend gerechtfertigt.
In den Tentakulitenschiefern.
18. Rhynchonella deflexa Sow. (Taf. VI. Fig. 2.)
Murcnison, a. a. ©. t. 22 £. 10. :
Der Abbildung MurcnHisox’s, sowie der Beschreibung und
Abbildung Barranoe’s (a. a. O. I. p. 49 t.20 £. 15) ist nichts
beizufügen.
In den Nereitenschichten und deren Conglomeraten.
19. Rhynchonella Nympha Barr. (Taf. VI. Fig. 3, 4.)
BarranDE, a. a. O. I. .p. 66 t. 20 £. 6.
Auch hier ist‘ der Beschreibung und Abbildung bei Bar-
RANDE nichts beizufügen. Die Abbildung soll als Beweisstuck
dienen.
In den Nereitenschichten und deren Conglomeraiens wie
auch in den Tentakulitenschiefern.
20. Pentamerus oblongus Sow. (Taf. VI. Fig. 5 bis 7.)
Murcaison, a. 2. 0.1.8 f. 1—4.
Oval, unter dem Wirbel rasch verbreitert. Die Schale sehr
dick. Der schmale und seichte Sinus, dem ein eben solcher
Sattel entspricht, macht sich schon vom Wirbel aus wahrnehm-
bar. Die Anwachsringe sind regelmässig, treten aber wenig
hervor. Die Bestimmung von Figur 6 (broather variety MurcH.)
ist zweifelhaft-und am meisten, wenn der Kern 5, 7 wirk-
lich dazu gehört.
‘In den Nereitenschichten und deren Conglomeraten.
91. Orthis distorta Barr. (Taf. VI. Fig. 8, 9, 10.)
BarrANDE, a. a. O. II. p. 93 t. 19 £. 5.
Diese Orthis ist bisher in unseren Schichten nur in einer
417
Grösse von 3 Mm. Breite und entsprechender Höhe gefunden
worden, würde also gegenüber den böhmischen Exemplaren
. als Jugendform zu betrachten sein. Es würde demnach die
Form im Jugendzustande regelmässig, im vorgerückteren Alter
unregelmässig sein, wie Aehnliches bei Orthisina pelargonata
ScHLorTH. der Dyas und bei Hinnites comtus GoLDF. der Trias
u. s. w. beobachtet wird. Der Schlossrand ist geradlinig, die
dreieckige Area sehr hoch, die schmale dreieckige Oeffnung
zum grösseren Theile verschlossen. Die flache Dorsalschale
und die am Wirbel sackformig vertiefte, dann aber plötzlich
zu einem halbkreisförmigen Schirme sich ausbreitende Ventral-
schale tragen zahlreiche einfache, aus der Fläche der Schalen
sich leistenartig erhebende Radialrippen, in deren breitere Zwi-
schenräume etwas jenseits der Schalenmitte sekundäre Rippen
sich einschieben.
In den Nereitenschichten und deren Conglomeraten, sowie
in den Tentakulitenschiefern.
22: 2 Orthis sp... (Taf. VI. Fig."12,)
Häufig, aber immer nur fragmentarisch vorkommende Scha-
len mit zweifach diehotomen Radialrippen.
In den Nereitenschichten.
23. Orthis callactis Darm. (Taf. VI. Fig. 13.)
Hıs. Leth. Suec. p. 70 t. 20 f.9. Morcaıson, a. a. 0.1.5 £.8.
Schlossrand geradlinig, grösste Breite der fast halbkreis-
formigen Muschel etwas unter dem Schlossrande; die wenig
zahlreichen Radialrippen haben einen schmalen Rücken und
sind durch merklich breitere, concave Zwischenräume von ein-
ander getrennt. Anwachsstreifen wenig bemerkbar.
In den Conglomeraten der Nereitenschichten.
24. Orthis ef. pecten Sow. (Taf. VI. Fig. 14, 15, 16, 17.)
Murcnison, a. a. O. t. 6 f. 4.
Der geradlinige Schlossrand bezeichnet zugleich die grösste
Breite, die sich zur Höhe wie 4:3 verhält. Die wenig ge-
wölbten Schalen sind dicht mit einfachen fädlichen Radialrippen
' bedeckt, welche bei den kleineren Exemplaren sehr bald se-
kundäre, bei den grösseren Exemplaren endlich auch noch
Rippen dritten Grades zwischen sich nehmen. Auf dem con-
418
vexen Rücken der Rippen bilden die dicht zusammengerückten
Anwachsstreifen dem Stirnrande zugewandte Bogen, während
in den Zwischenräumen die Bogen. sich dem Wirbel zuwenden.
Auf den Kernen ist die Wirbelgegend glatt und die Rippen-
spuren erscheinen erst gegen die Ränder hin.
In den Oonglomeraten der Nereitenschichten. Auch ein
Fragment aus den Kalken scheint hierher zu gehören.
25. Strophomena imbrex Davos. (Taf. VI. Fig. 11.)
Murcnison, a. a. OÖ. p. 251 £. 6.
Schlossrand geradlinig, grösste Breite der Muschel: unge-
fähr im ersten Viertheil der Höhe, wo vom Wirbel aus die
Wölbung der Schale die Seitenränder erreicht, so dass oberhalb
eine fast ohrförmige Abplattung entsteht. Zwischen die vom
Wirbel ausstrahlenden, einfachen, stumpfkantigen Hauptrippen
‚ schieben sich vom ersten Viertheil der Höhe an ebenfalls ein-
fache, sekundäre Rippen ein.- Eine Anwachsstreifung ist nicht
wahrnehmbar. ’
In den Conglomeraten der Nereitenschichten, selten.
26. Strophomena depressa Darm.
Von dieser ausgezeichneten Species haben sich mehrere
Fragmente in den Conglomeraten der Nereitenschichten gefunden.
27. Strophomena curta n.sp. (Taf. VI. Fig. 18, 19,20, 21.)
Schlosskante geradlinig, die grösste Breite, die ungefähr
in der halben Höhe sich zeigt, verhält sich zur Höhe wie 2:1.
Die knieförmige Umbiegung beschreibt einen rechten Winkel.
Die übrigens glatte Schale ist von feinen und engen concentri-
schen Anwachsstreifen bedeckt, findet sich aher selten erhalten.
Meist findet sich das Petrefakt in der Gestalt eines grob und
unregelmässig gerippten Steinkerns (Figur 20) und es ist augen-
scheinlich, dass diese Form nur aus dem Zusammenfliessen der
manchmal (Figur 21) noch deutlich unterscheidbaren einzelnen
Kiemenspitzen entstanden ist.
In den Conglomeraten der Nereitenschichten und in den
Tentakulitenschiefern.
28. Leptaena laevigata Sow. (Taf. VI. Fig. 22.)
Murceiıson, a. a. O. t. 20 f. 15.
Die grösste Breite am Schlossrande verhält sich zur Höhe
419
wie 3:2. Die übrigens glatte Schale zeigt mit grosser Deut-
lichkeit und zwar am meisten an den Rändern die regelmässi-
gen Anwachsstreifen.
In den Conglomeraten der Nereitenschichten.
29. Leptaena corrugata PorıL. (Taf. VI. Fig. 24 bis 28.)
Barsanpe, a, a. O. I. p. 75 t. 21 f. 16.
Diese unter allen Brachiopoden am häufigsten vorkom-
mende Species*) lässt sich in allen Alterszuständen beobach-
ten. Die grösste Breite an der gekerbten Schlosslinie verhält
sich zur Höhe wie 3:2, was an den rundlich vierseitigen Ju-
gendformen auffallender hervortritt als an den mehr halbkreis-
förmigen ausgewachsenen Exemplaren. Die jüngsten Exem-
plare von 1 Mm. Schlossbreite zeigen sowohl auf der flachen
Dorsalschale, als auch auf der ziemlich tief napfformigen Ven-
tralschale nur erst Anwachslamellen, welche wie aus feinsten
Stiftchen gewobene Borten erscheinen. Ist die Bildung der
dritten oder vierten Anwachslamelle vollendet, so erheben sich
und zwar am deutlichsten auf der Ventralschale zuerst 5 ein-
fache Radialrippen über die Bänder (Figur 26), zwischen wel-
che sich allmälig neue, noch zum Wirbel reichende, dann aber
immer kurzer und schärfer bleibende Rippen einschieben. Zu
gleicher Zeit werden die Anwachslinien undeutlicher und ver-
schwinden endlich, wenn im erwachsenen Zustande auch die
-feinen,. zwischen den Rippen liegenden Radiallinien sich zu
wirklichen.Rippen verdickt haben, fast gänzlich. Daneben fin-
den sich seltene Exemplare, die bis in ein späteres Alter nur
die ursprünglichen 5 Hauptrippen bewahren, dafur aber desto
deutlicher die Anwachsstreifen behalten. Die Jugendexemplare
liegen fast immer aufgeklappt (Figur 24) auf den Gesteinsflä-
chen, während die ausgewachsenen Schalen nur einzeln vor-
kommen.
Von den böhmischen Exemplaren unterscheiden sich die
hiesigen Vorkommnisse nur durch geringere Grösse und da-
durch, dass die Anwachslamellen vollkommen den Seitenrän-
dern und dem Stirnrande parallel laufen.
In den Conglomeraten der Nereitenschichten und in den
Tentakulitenschiefern.
*) In dieser Zeitschr. 1865 S. 367 Z. 7 v. o. ist zu lesen Leptaena
statt Chonetes,
420
30. Leptaena cf. fugax Barr. (Taf. VI. Fig. 29, 30.)
BarranDe, a. a. ©. OD. p. 81 t. 21 £. 12.
Breite und Höhe gleich. Von den böhmischen Exempla-
ren nur dadurch unterschieden, dass die Radialrippen etwas
enger stehen.
In den Nereitenschichten und deren Conglomeraten.
3l. Leptaena ? lata Bucn. (Taf. VI. Fig. 23.)
Movrcnison, a. a. O.t. 9 £. 23 und t. 34 £. 18.
Grösste Breite in der halben Höhe zur Höhe wie 2:1.
Die ganze Schale ist von äusserst feinen und eng zusammen-
gedrängten Radiallinien bedeckt. Diese sehr zarte Form findet
sich in den Conglomeraten der Nereitenschichten und in den
Tentakulitenschiefern.
(32. Leptaena Verneuili Barr. Taf. VI. Fig. 31.)
BaRRANDE, a. a. OÖ. D. p. 67 1.21 f, 13—15. ;
Die grösste Breite am Schlossrande verhält sich zur Höhe
wie 4:3. Die Schalen, von denen die Ventralschale merklich
vertieft ist, sind von einfachen, sich allmalig verstärkenden
stumpfkantigen Rippen mit stumpfwinkeligen Intervallen be-,
deckt. Anwachsstreifen wenig wahrnehmbar.
In den Tentakulitenschichten und in den Conglomeraten
der Nereitenschichten.
383. Discina Forbesi Dıvms. (Taf. VI. Fig. 32.)
Moncnison, a. a. ©. p. 350 £. 11. ?
Fast kreisrund, die schmale Stielöffnung der Ventralschale
von einem schmalen Wulst umgeben. Glatt und glänzend. mit
scharf hervortretenden Anwachslinien. Einige Schalen zeigen
eine bräunlich- bis gold-gelbe Färbung.
In den Kalklagern bis herauf in die Tentakulitenschiefer.
Unter den 33 Specien, die vorstehend theils aufgezählt,
theils beschrieben worden sind, befinden sich neun, welche
zum ersten Male veröffentlicht worden. Von den übrigen, schon
bekannten 24 Arten reichen drei, nämlich Spirifer heteroclytus,
Spirigerina reticularis und Strophomena depressa, und wenn man
Spirigera obovata mit Sp. concentrica und Strophamena imbrex
mit Sir. Phillipsi Barr. (a. a. O. U. t. 21 f.10 und pe Prano,
421 3
Geol. d’Almaden, p. 70 pl. XXVIIT. f. 10) vereinigen will,
auch noch diese beiden, also im Ganzen 5 Species aus dem
Silursystem hinauf in das devonische System. Alle übrigen
mit Ausnahme von Spirigerina reticularis, Pentamerus oblongus,
0. (?) peeten (?0O. sol. BaRR.) und Leptaena lata, die schon aus
älteren Schichten bekannt sind, gehören ausschliesslich dem
obersilurischen Terrain Böhmens, oder Schwedens, oder Eng-
lands, oder Frankreichs, oder endlich Nordamerikas an, wie
nachstehende Tabelle veranschaulichen wird.
Thüringen.! Böh- Eng-
men. land.
Tentakulitensehichten
Nereitenschichten
Vire, Dep. de la Sarthe.
Tentakulitenschiefer
Etage E
Etage F
Regio E. Ancerın.
Nordamerika.
Wenlock
Lower Ludlow
Kalklager
Gothland,
Aymestry
Frankreich,
Cardiola interrupta Bro».
C. striata Sow.
Terebratella Haidingeri Bann. -
Spirifer plicatellus L. ZTRDRET |
Sp. heteroclytus Derr. BR
Sp. Nerei Barr. .
Sp. Falco Barr. . :
Spirigera obovata Sow.
Spirigerina reticularis L. .
Rhynchonella Grayi Dav.
Rh. deflexa Sow. -
Rh. nympha Barr.
Orthis distorta Barr.
$ callactis Daım. .
0.(?) pecten Sow. (? 0. sol Bann) +.
Strophomena imbrex Dav. .
Str. depressa Darm.
Leptaena laevigata Sow.
L. corrugata Portı.
L. fugax. Bars.
L. (?) leta Boch :
F WVerneuils Barker „=. ..21:4. 4.
Discina Forbesi Dav. . . . . IF}
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*) PortLock hat die irische Fundstelle nicht näher nach ihrem rela-
tiven Alter charakterisirt.
22 =
Hiernach dürfte die Annahme gerechtfertigt erscheinen,
dass der Beweis für den silurischen und zwar speciell ober-
silurischen Charakter des in Thüringen den Raum zwischen
den Graptolithen führenden Alaunschiefern und den devoni-
schen Dachschiefern einnehmenden und aus buntgefärbten Kalk-
lagern, Tentakulitenschichten, Nereitenschichten und Tentaku-
litenschiefern bestehenden Schichtencomplexes in genügender
Weise geführt sei, und dass es einer weiteren Erhärtung dieses
Beweises durch die Constatirung des Vorkommens von Grapto-
lithen bis herauf in die Tentakulitenschiefer gar nicht bedürfe.
Die aus der Tabelle sich ergebenden Beziehungen der
Nereitenschichten und der Tentakulitenschiefer namentlich zu
Etage F in Böhmen und zu den englischen Wenlockgesteinen
sind so augenfällig, dass dieselben nicht unerwähnt bleiben
durften; doch ist eine specielle Parallelisirung nur dieser For-
mationsglieder mit Ausschluss der übrigen nicht angezeigt, da
die Zahl der hier zur Vergleichung sich darbietenden Petrefak-
ten an sich klein und nur auf eine Klasse beschränkt ist.
- Eines Umstands, welcher der gesammten Fauna der ober-
silurischen Schichten Thüringens ein eigenthümliches Gepräge
verleiht, mag hier noch gedacht werden, nämlich der Kleinheit
der Dimensionen, welche fast sämmtliche Formen charakteri-
sirt. Am meisten fällt diese Kleinheit bei denjenigen Formen
auf, welche sich mit den entsprechenden von anderen Fundor-
ten vergleichen lassen. Unter diesen sind es ganz vorzüglich
Terebratella Haidingeri var. suavis, Rhynchonella deflewa, Orthis
distorta, Strophomena imbrex und Leptaena corrugata, deren hie-
sige Vorkommnisse ganz constant bis sechsmal, beziehungs-
weise sechsunddreissigmal kleiner bleiben, als die böhmischen
und englischen Lokalitäten entstammenden Exemplare. Die
scheinbar nahe liegende Vermuthung, dass diese Verkummerung
Folge der engen Begrenzung der Meeresbecken, in denen die
Thiere leben und den obwaltenden Verhältnissen gemäss sich
entwickeln mussten, sein möge, wird dadurch zurückgewiesen,
dass gegenüber diesen kleinen und kleinsten Formen eine nicht
unbeträchtliche Reihe von Organismen (die Orthoceratiten der
Kalklager, die Conularien, Kuomphalus Thraso, Cardiola striata,
Spirifer Nerei, Sp. plicatellus, Orthis (?) pecten, Strophomena
depressa, Discina Forbesi) in denselben Meeresbecken zur vollen
Entwickelung ihrer normalen Grösse gelangt sind und von den
423
Bedingungen, die dort eine Verkümmerung bewirkt haben muss-
ten, nicht zu leiden gehabt haben.
Eben diese verschiedenartige und doch gleichzeitige und“
in denselben Oertlichkeiten zur Vollendung gelangte Grössen-
entwickelung ist der Annahme, dass die in ihren Dimensionen
zurückgebliebenen Formen, die sämmtlich der Klasse der Bra-
. chiopoden angehören, also für pelagisch gehalten werden mus-
sen, in einem auch nach Maassgabe der grossen Zahl von Crusta-
ceen und des Mangels an Cephalepoden seichten Meere sich
nur unvollkommen hätten entwickeln können, nicht minder un-
gunstig, als der entgegengesetzten, dass in einem ungewöhnlich
tiefen Meere, wofür die weit überwiegende Herrschaft der Ten-
takuliten zu sprechen scheint, Druck und Lichtmangel der kräfti-
sen Entwickelung hinderlich gewesen seien. Da auch eine
separate Betrachtung der Fossilreste nach den einzelnen For-
mationsgliedern, denen sie angehören, das erwünschte Licht
nicht giebt, so bleibt, wenn nicht das Unwahrscheinliche, dass
die bisher in ausschliesslicher und constanter Kleinheit aufge-
fundenen Formen nur Jugendzustände repräsentiren möchten,
angenommen werden soll, nur die Bescheidung übrig, dass wie
in manchen anderen Fällen, so auch hier, unsere gegenwärtige
Kenntniss zur Herstellung der Beziehungen zwischen den beob-
achteten Thatsachen und den dieselben bedingenden Ursachen
noch nicht ausreicht.
Erklärung der Figuren auf Tafel V. nnd VI.
Dabei N.
Fig. 1. Tentaculites ferula n. sp., ®/, natürlicher Grösse.
- .2. Derselbe, Mundende, !6/, n. Gr.
- 8. Cardiola interrupta Brop., rechte Klappe, !/, n. Gr.
- 4. C. siriala Sow., rechte Klappe, !/; n. Gr.
9. Avicula pernoides n. sp., linke Klappe, */, n. Gr.
6. Dieselbe, rechte Klappe, ®/, n. Gr.
- 7. Terebratula. tenuissima n. sp., Ventralschale, '/, n. Gr.
8. Terebratella Haidingeri Barr, '/, n. Gr.
9
,
Dieselbe, var. suavis Barr., */, n. Gr.
13:
424
Spirifer heteroclytus DerR., Area, ?/, n. Gr. {
Derselbe, Dorsalschale, ?/, n. Gr.
Sp. Amphitrites n. sp., Ventralschale, !/, n. Gr.
Derselbe, Area, !/, n. Gr. ;
Sp. Nerei Barr., Ventralschale, !/, n. Gr.
Derselbe, Schalenstück, ®/, n. Gr.
Spirifer Falco Barr., Ventralschale, '/, n. Gr.
Spirigera obovata Sow., '/, n. Gr.
Dieselbe, Dorsal des Kerns, '/, n. Gr.
Dieselbe, Ventral des Kerns, !/, n. Gr.
Dieselbe, voller Kern, !/, n. Gr.
Spirigerina reticularis L., Ventralschale, '/, n. Gr.
Dieselbe, Kern, !/, n. Gr.
Sp. micula n. sp., Dorsalschale, ?/, n. Gr.
Dieselbe, Ventralschale, ?/, n. Gr.
. Rhynchonella succisa n. sp., !/, n. Gr.
Dieselbe, Ventralklappe, '/, n. Gr.
Tafel VI.
Rhynchonella Grayi Dav., Ventralklappe, !/, n. Gr.
Rh. deflexa Sow., Ventralklappe, ?/, n. Gr.
Rh. nympha Barr., '/, n. Gr.
Dieselbe, Stirnrand, '/, n. Gr.
Pentamerus oblongus Sow., Ventralklappe, !/, n. Gr.
?Derselbe, breitere Varietät, Ventralklappe, '/, n. Gr.
? Derselbe, Kern, !/, n. Gr.
_Orthis distorta Bare., Ventralklappe, */, n. Gr.
Dieselbe, Profil, %/, n. Gr.
Dieselbe, Area, */, n. Gr.
Strophomena imbrex Dav., Ventralklappe, '/, n. Gr.
Orthis sp., !/, n. Gr.
O. callactis Daım., Dorsalklappe, ?/, n. Gr.
0. (?) pecten Sow., Ventralklappe, '/, n. Gr. £
Dieselbe, Kern, !/, n. Gr.
Dieselbe, ausgewachsenes Exemplar (an den Ecken restaurirt),
if, n. Gr.
Dieselbe, Schalenstück, */, n. Gr.
Strophomena curta n. sp., Ventralklappe, '/, n. Gr.
Dieselbe, Profil, !/, n. Gr.
Dieselbe, Kern, !/, n. Gr.
Dieselbe, Kern, !/, n. Gr.
Leptaena laevigata Sow. Dorsalklappe, '/, n. Gr.
Ä ee
| Leptaena (?) lata Bucn, Abdruck der Dorsalklappe, '/, n. Gr.
ER corrugata Porrtr., jung, aufgeklappt, !/, n. Gr. |
= 25. Dieselbe, Kern, ?/, n. Gr. ;
#..06, Dieselbe, jung, !°/, n. Gr.
Er 27. Dieselbe, erwachsen, ?/, n. Gr.
0 =..28. Dieselbe, Schalenstück, */, n. Gr.
“S 2. 89..L, fugax Barn., Ventralklappe, (Cu,
BE = ..80. Dieselbe, Kern, !/, n. Gr. i
MR nn 31, L. Vernewli Banr., Ventralklappe, !/, n. Gr.
B. = 932. Discina Forbesi Dav., Ventralschale, '/, n. Gr.
f
\
426 E
2. Ueber die Reichensteiner Quarzzwillinge.
Von Herrn Heınkıcn Eck ın Berlin.
Unter denjenigen Mineralien, welche der Königl. Berg-
Akademie zu Berlin aus der Sammlung des Königl. Ober-Berg-
Amtes zu Breslau zugekommen sind, fand sich auch ein Stück
Serpentin von Reichenstein vor, welches in seinen Drusen die
von Herrn G. Rose in Po@GENDORFF’s Annalen Bd. LXXXINH.
S. 461 beschriebenen und Taf. II. Fig. 16 u. 17 abgebildeten
Quarzkrystallgruppirungen beobachten lässt. Zu näherer Ver-
gleichung gestattete mir Herr G. Rose auch eine Untersuchung
der beiden in dem hiesigen Universitäts-Museum befindlichen
Exemplare, welche der oben erwähnten Arbeit zu Grunde
gelegen haben, wofur ich demselben meinen besten Dank aus-
zusprechen nicht verfehle. F
Herr G. Rosz hatte aus dem ihm vorliegenden Materiale
gefolgert, dass die in Rede stehenden Krystallgruppirungen
Vierlinge bilden, indem an einen mittleren Krystall drei Indi-
viduen so angewachsen seien, dass eine Hauptrhomboöäderfläche
von jedem der letzteren mit je einer der drei Hauptrhombo&der-
flächen des mittleren Krystalls in gleicher Ebene liege. Die
Zwillingsebene wäre hiernach eine Hauptrhomboäderfläche; die
Krystalle wären aber nicht mit dieser, sondern mit einer darauf
senkrechten Fläche mit einander verwachsen. Der Winkel der
Axen zweier zwillingsartig verbundenen Krystalle und der Winkel
der beiden Prismenflächen, worauf die gemeinschaftlichen Rhom-
boöderflächen aufgesetzt sind, musste demnach 103° 34’ betragen.
Gegen diese bisherige Deutung machte Herr HHrSSENBERG,
ohne das in Rede stehende Vorkommen in Wirklichkeit gese-
hen zu haben, in v. LEonHArD und Bronn’s neuem Jahrbuch
für Mineralogie u. s. w., Jahrg. 1854, 'S. 306 den. Einwand,
dass bei der angegebenen Gruppirung nicht diejenige allsei-
tige Symmetrie, deren eine Gruppe von vier Quarzkrystallen
fähig sei, stattfinden könne, weil nämlich die Axen der drei
”
427
seitlichen Individuen unter ‚sich nicht dieselbe Neigung (von
103° 34’) haben könnten, wie die Axe des mittleren Krystalls
zu jeder Axe der drei seitlichen Individuen. Herr HEssenBErG
glaubte mit grösserer Wahrscheinlichkeit die Existenz einer
solchen vollkommenen Symmetrie bei den in Rede stehenden
Krystallgruppirungen annehmen zu dürfen, bei welcher die ge-
meinschaftliche Fläche einem Rhombo&der mit 120° Endkanten-
winkel angehören müsse, die gegenseitige Neigung aller vier
. Hauptaxen 109° 28° betragen würde, je zwei der Hauptrhom-
bo@derflächen nicht mehr in einer Ebene liegen, sondern einen
Winkel von 174° 6° mit einander machen würden, und die
Zwillingsebene demzufolge parallel — R. sein würde.
Berechnete man indessen aus einem Rhomboäder 3 R.
von 120° Endkantenwinkel rückwärts das Hauptrhomboeder
und dessen Neigung zur Hauptaxe, so ergab sich für diese der
Winkel von 141° 50’47”, welcher von dem aus den KUPFFER’-
schen Messungen für diese Neigung berechneten Winkel von
141° 47 zwar nur um 3’ 47” abweicht, aber überhaupt mit
demselben differiren muss, da ein Rhomboäder von 120° End-
kantenwinkel im hexagonalen Systeme wohl nicht vorkommen
kann. Ausserdem entbehrte dieser Einwand der thatsächlichen
Begründung. |
Ein genaueres Studium der erwähnten Krystallgruppirun-
gen hat mich zu folgendem Resultate geführt. _
Die vorliegenden Stucke Serpentin, welche kleine Arseni-
kalkieskrystalle in grosser Zahl eingesprengt enthalten, werden
mehrfach von kleinen Quarzgängen durchsetzt. „Der Quarz ist
2—3 Linien hoch auf den Saalbändern der Gänge rechtwinklig
aufgewachsen und, wo die Gänge sich erweitern und in der
Mitte Drusen bilden, (in der Combination der sechsseitigen
Säule mit dem Haupt- und Gegenrhomboäder) auskrystallirt“ ;
er ist ziemlich durchsichtig. In diesen Drusen liegen unmittel-
bar auf diesem älteren Quarze hier und da Kalkspathkrystalle
zerstreut, welche in allen vorliegenden Fällen ausschliesslich
das erste stumpfere Rhombo&der als Endigung beobachten las-
sen und entweder aus diesem allein, oder aus der Combination
desselben mit der ersten sechsseitigen Säule oder einem schär-
feren Rhomboäder, wahrscheinlich Haur’s dilate, bestehen. Auf
diesen Kalkspathkrystallen finden sich Krystalle eines jüngeren
Quarzes aufgesetzt, welche ebenfalls lediglich aus der Oombi- |
25 *
428 :
nation der sechsseitigen Säule mit dem Haupt- und Gegen-
rhombo&der bestehen, sich aber von dem älteren Quarze durch
geringere Durchsichtigkeit unterscheiden. Die Krystalle dieses
jüngeren Quarzes allein bilden die oben erwähnten Krystall-
gruppirungen. Es ist zum Verständniss der letzteren durchaus
wesentlich, dass die Krystalle des jüngeren Quarzes stets auf
den Flächen des ersten stumpferen Kalkspathrhombo&ders auf-
gewachsen sind, und zwar haben sie sich auf dieselben mit einer
Hauptrhombo&derfläche. immer so aufgesetzt, dass die Combina-
tionskante zwischen der sechsseitigen Säule und dem Haupt-
rhombo&der beim Quarz sich parallel legte der horizontalen
Diagonale der rhombischen resp. pentagonalen Fläche des ersten
stumpferen Kalkspathrhombo&ders. Traten zu diesen drei Quarz-
individuen drei weitere in derselben gesetzmässigen Verwach-
sung mit dem Kalkspathe hinzu, aber mit dem Unterschiede,
dass, wenn jene ersten drei Quarzindividuen die Spitze ihrer
Dihexaäderfläche der Spitze des ersten stumpferen Kalkspath-
rhomboäders zuwendeten, die drei neuen Quarzindividuen um-
gekehrt der Spitze des ersten stumpferen Kalkspathrhombo&-
ders die Basis ihrer Dihexaöderfläche zukehrten, so entstand
eine Gruppe von drei Quarzzwillingen, von denen je ein Zwil-
ling einer Fläche des ersten stumpferen Kalkspathrhombo£ders
aufliegt. Jene drei ersten -Quarzindividuen will ich im Folgen-
Kalkspath.
den als „äussere“, die drei letzteren als „innere“ bezeichnen.
Bei jedem dieser Zwillinge muss natürlich eine Hauptrhom-
bo&derfläche des einen Individuums mit einer Hauptrhombo&-
derfläche des anderen in eine Ebene fallen, beide mussen der
ihnen als Unterlage dienenden Fläche des ersten stumpferen
429
Kalkspathrhomboeders parallel gehen, und der Winkel der
Axen beider Individuen und der Winkel der Prismenflächen,
auf welche die gemeinschaftlichen Rhomboäderflächen aufge-
setzt sind, müssen demnach 103° 34’ betragen. Von diesen
drei zu einer Gruppe verbundenen Zwillingen entsprechen die
drei äusseren Quarzindividuen den drei seitlichen Krystallen in
Fig. 17, Taf. II., Bd. LXXXIII. von PoGGEnDorFr’s Annalen,
die drei inneren Individuen dem mittleren Krystall derselben
Zeichnung. }
Immer herrschen die Hauptrhomboäderflächen, welche den.
Zwillingen gemeinsam sind, die Prismenllächen unter ihnen
und die dieser Zone zugehörigen Flächen des Gegenrhomboe&-
ders sowohl bei den äusseren, als bei den inneren Individuen
bedeutend über die übrigen Flächen vor. Dieses Vorherrschen
der betreffenden Hauptrhomboöäderflächen (R,, R,, R,) kann
sich bei den drei inneren, an und durch einander wachsenden
Individuen in dem Grade steigern, dass man ein einziges Rhom-
bo&der, welches den Endkantenwinkel des ersten stumpferen
Kalkspathrhomboäders zeigen würde, zu sehen vermeint. Die
unter den drei Zwillingsebenen der drei inneren Individuen
liegenden Prismenflächen (g,, 9,, 9,) schliessen, eben so wie
die Hauptaxen derselben, mit der unterliegenden Fläche des
ersten stumpferen Kalkspathrhomboäders einen Winkel von
38° 13’ ein; sie bilden ferner mit eiuer durch die horizontalen
Diagonalen der Kalkspathflächen gelegten Ebene einen Winkel
von 64° 28° 13”, da sich der Winkel, der diese Ebene mit den
Flächen des ersten stumpferen Kalkspathrhombo&ders macht,
aus dem Endkantenwinkel des letzteren von 134° 57’ zu
26" 15° 13” berechnet; sie würden endlich, gehörig ausge-
dehnt, ein Rhomboeder mit einem Endkantenwinkel von 77°
12’ 36” bilden. Die an jene Prismenflächen angrenzenden,
unter den Gegenrhombo&derflächen liegenden Säulenflächen bil-
den mit den entsprechenden Prismenflächen der angrenzenden
Individuen (also g,’ mit g,”, g, mit g,", 9, mit g,”) einen
Winkel von 174° 46° 34” (wie wir gleich sehen werden), fal-
len .also mit denselben beinahe in eine Ebene. Lägen sie
wirklich in einer Ebene, so würden diese drei Ebenen das
erste schärfere Rhomboöder desjenigen Rhombo&ders darstellen,
welches durch die Ausdehnung‘ der drei unter den Zwillings-
flächen liegenden Säulenflächen (g,, 9,, 9,) entstehen würde,
E
DE ah;
430 \
und der Winkel, den die Flächen dieser beiden Rhomboeder
mit einander bilden wurden. musste demnach 120° betragen.
Der Winkel zwischen den Flächen des letztbezeichneten Rhom-
bo@ders und seines ersten schärferen Rhombho&ders berechnet
sich indess aus den obigen Angaben zu 122° 3643”, ist also
um 2° 36’43” stumpfer, als er bei dem Zusammenfallen der oben
bezeichneten Prismenflächen in eine Ebene sein würde. Die letz-
teren müssen daher einen einspringenden Winkel von 174° 4634”
bilden. Durch das Vorherrschen der Zwillingsflächen bei den
drei inneren Individuen und durch das scheinbare Zusammen-
fallen je zweier unter den angrenzenden Gegenrhombo&derflä-
chen liegenden Säulenflächen, die noch dazu durch ihre Klein- .
heit den einspringenden Winkel leicht übersehen lassen, ge-
winnt die Gruppe der drei inneren Individuen für den ersten
Blick das Ansehen eines einzigen Quarzkrystalls, wofür dieselbe
bei der bisherigen Deutung der in Rede stehenden Krystall-
gruppirungen auch gehalten worden ist. £
Nicht in allen Fällen sind indessen alle sechs zu einer
vollständigen Gruppe gehörigen Quarzindividuen auch sämmt-
lich vorhanden. Es wurde in einzelnen Fällen das Vorhanden-
sein von drei äusseren Individuen mit nur zwei inneren, ferner
von drei inneren mit nur einem äusseren, oder von zwei inne-
ren mit nur einem äusseren, -endlich von nur einem inneren
mit dem entsprechenden äusseren Individuum beobachtet. Be-
stehen die Kalkspathkrystalle vorherrschend oder ausschliess-
lich aus dem ersten stumpferen Kalkspathrhomboeder und
wachsen zwei oder mehrere derselben in gleicher Stellung, aber
nur in der Mitte auf einander auf, so erhalten auch die unte-
ren Flächen der Kalkspathrhomboäder Gelegenheit. auf ihrem
freiliegenden Theile Quarzkrystalle in der oben angegebenen
Weise sich ansetzen zu lassen, welche natürlich zwischen je
zwei, auf den oberen Kalkspathrhombo&derflächen aufgewach-
senen Quarzindividuen zu liegen kommen. Wären in einem
solchen Falle die Kalkspathkrystalle sehr klein, so könnten bei
mehrfacher Wiederholung der Verwachsungen vollständige Quarz-
rosen entstehen.
In Felge der Ablösung des als Unterlage dienenden Kalk-
spathkrystalls liess sich in einem Falle die Unterseite einer
der beschriebenen Zwillingsgruppirungen beobachten. Sie zeigt
in der Gestalt einer dreiseitigen Hohlpyramide mit gleichseiti-
431
ger Basis den Abdruck eines Ueberzuges über die Spitze des
ersten stumpferen Kalkspathrhomboäders; derselbe wird durch
die drei Hauptrhombo&derflächen gebildet, mit welchen die drei
äusseren Quarzindividuen auf die Flächen des Kalkspaths auf-
gewachsen sind. Leider liess sich nicht feststellen, ob auch
die inneren Individuen in der Gruppe vertreten sind. Die
Hauptrhombo&äderflächen sind, so weit sie auf dem Kalkspath
aufgesessen haben, matt, auf dem übrigen Theile, welcher frei
lag, glänzend. Abdrücke dieser Hohlpyramide, welche ver-
mittelst der von Lıpowiırz angegebenen Legirung von 3 Theilen
Cadmium, 4 Theilen Zinn, 8 Theilen Blei und 15 Theilen Wis-
muth hergestellt wurden, zeigten, mit dem Anlegegoniometer
gemessen, in den Endkanten einen Winkel von 135°, d.h. den
Endkantenwinkel des ersten stumpferen Kalkspathrhombo£ders.
Die Gesetzmässigkeit in der gegenseitigen Lagerung zwi-
schen den Krystallen des jüngeren Quarzes und des Kalkspaths
liess ein gleiches Verhältniss auch umgekehrt zwischen den Kry-
stallen des Kalkspaths und des älteren Quarzes erwarten oder
wenigstens als möglich erscheinen. Da indess in der Mehrzahl
der vorliegenden Fälle die Kalkspathkrystalle über die Köpfe
vieler Individuen des älteren Quarzes sich ausbreiten, so war
eine nähere Feststellung des gegenseitigen Lagerungsverhält-
nisses nicht ausführbar.
Wenn es nach dem Obigem keinen Zweifel unterliegen
kann, dass wir die Entstehung der beschriebenen Gruppirung
der drei Quarzzwillinge lediglich der gesetzmässigen Verwach-
sung zwischen den Krystallen des jüngeren Quarzes und des
Kalkspaths zuzuschreiben haben, so kann doch die Frage auf-
geworfen werden, ob wir den Grund für die Entstehung der
zwillingsartigen Verwachsung je zweier Quarzindividuen eben-
falls lediglich in dieser gesetzmässigen Aufeinanderlagerung zu
suchen, oder ob wir anzunehmen haben, dass das zweite, auf
derselben Fläche des ersten stumpferen Kalkspathrhomboä£ders
sich anlegende Quarzindividuum nicht durch den Kalkspath,
sondern durch das bereits vorhandene Quarzindividuum veran-
lasst wird, die zwillingsartige Stellung zu diesem anzunehmen.
In dem letzteren Falle, also bei der Verwachsung nach einem
dem Quarze eigenen Zwillingsgesetze, würden wir postuliren .
können, Quarzzwillinge mit gemeinschaftlicher Hauptrhombo£-
derfläche auch da zu finden, wo von einer Prädestinirung der
432
Lage des zweiten Individuums durch eine Kalkspathunterlage
nicht die Rede sein kann. Dieses ist bisher nicht geschehen.
In dem ersteren Falle, der die Existenz eines solchen Zwil-
lingsgesetzes beim Quarze zweifelhaft machen wurde, wurde
eine ähnliche Verschiedenheit in der Lage der auf dem Kalk-
spath abgesetzten Quarzkrystalle stattfinden, wie sie Herr
FRANKENHEIM für die auf Glimmer sich ablagernden Jodkalium-
octa&der beobachtet hat (Po@GEnnorFrr’s Annalen, Bd. CXI.
S. 39), welche freilich dem regulären Systeme angehören.
Dass wir nicht überall, wo Quarz- und Kalkspathkrystalle
zusammen vorkommen, dieselben in der angegebenen Weise
gesetzmässig verwachsen finden, ist um so weniger auffallend,
als „die dünnste Schicht eines fremden Körpers, eine Schicht,
mit der sich fast jeder Körper schon durch Liegen an der
Luft bedeckt, hinreichend ist, jede derartige Wirkung aufzu-
heben.“ hi ah
Die Seltenheit der oben beschriebenen Quarzkrystallgrup-
pirangen kann bei der Complicirtheit der zu ihrer Entstehung
erforderlichen Vorbedingungen nicht befremden.
a. Zr
433
3. Ueber die Auffindung devonischer Kalksteinschiehten
bei Siewierz im Königreiche Polen.
Von Herrn Ferv. Rozner ın Breslau.
Der zwei bis drei Meilen breite Zwischenraum zwischen
dem nordöstlichen Flügel des grossen oberschlesisch - polni- .
schen Steinkohlenbeekens und dem polnischen Jura-Zuge von
Olkusz, Pilica und Czenstochau wird durch Gesteine der Trias-
Formation ausgefüllt. Ein durch verschiedene Glieder des
Muschelkalks gebildeter Rücken erstreckt sich mit nordwest-
licher Richtung von Olkusz über Slawkow bis Siewierz. Am
südwestlichen Abhange dieses Rückens tritt der Bunte Sand-
stein in der Form braunrother Letten hervor und bildet eine
schmale, das Steinkohlengebirge. zunächst begrenzende Zone.
Der Boden des flachen und meistens waldbewachsenen Gebie-
tes östlich und nordöstlich von dem Muschelkalkrücken bis
zu dem jurassischen Höhenzuge setzt dagegen eine mehrere
Hundert Fuss mächtige Schichtenfolge von braunrothen und
grünlichgrauen Thonen mit Einlagerungen von glimmerreichen, -
mürben, grauen Sandsteinen, breccienartigen oder conglomerati-
schen Kalksteinschichten und wenig mächtigen und unreinen
Kohlenflötzen zusammen, welche bisher für jurassisch galt, in
Wirklichkeit aber, wie ich früher aus den Lagerungsverhält-
nissen und dem petrographischen Verhalten nachzuweisen ver-
suchte, jetzt aber aus paläontologischen Erfunden sicher fest-
gestellt habe, dem Keuper angehört.
Ringsum von diesen braunrothen Keuper-Letten umgeben,
erhebt sich nun + Meilen nördlich von dem etwa 4 Meilen
östlich von Be gelegenen Städtchen Siewierz unmittel-
bar ee von dem Dörfchen Dziewki ein schmaler, aber
fast > Meile langer, von Osten nach Westen streichender, mit
rerk bewachsener niedriger Rücken, welcher aus einem
ganz fremdartigen Gesteine besteht. Es ist ein dunkelblau-
grauer, an der Luft hellgrau ausbleichender, beim Zerschlagen
>
434
stark bituminös riechender, dichter, compakter, marmorartiger
Kalkstein. Zahlreiche auf der bewaldeten Oberfläche des Rückens
selbst und auf den die Abhänge bildenden Feldern lose umher-
liegende, grössere und kleinere Blöcke gewähren gute Gelegen-
heit zur Beobachtung des Gesteins. Ausserdem tritt es aber
auch in einzelnen kleinen, wenige Fuss hohen, anstehenden Klip-
pen auf der Oberfläche des Rückens hervor. An diesen letz-
teren ist denn auch mit Deutlichkeit zu beobachten, dass die
Bänke des Kalksteins mit einem steilen Neigungswinkel gegen
Norden einfallen.
Der Kalkstein ist reich an organischen Einschlussen, die
jedoch immer nur auf der angewitterten Oberfläche der Stücke
in Durchschnitten hervortreten, niemals aber aus der gleich-
mässig dichten Masse des Gesteins, mit welcher sie innig ver-
wachsen sind, sich auslösen lassen. Korallen sind weitaus
am häufigsten. ‚Zuweilen sind sie so dicht zusammengehäuft,
dass das ganze Gestein als ein blosses Aggregat von Korallen-
stücken erscheint. Am häufigsten sind Stromatopora polymorpha,
zum Theil kopfgrosse Knollen bildend, Cyathophyllum hexago-
num und walzenrunde, 2 Linien dicke, kleine Stammchen einer
Calamopora- oder Alveolites-Art, welche auch in dem dunke-
len Kalke von Ober- Kunzendorf häufig ist. Seltener wurden
Heliolites porosa und Calamopora cervicornis (Calamopora poly-
morpha GOLDF. var. cervicornis, Favosites cervicornis EDw. et
HAımE) und eine einzellige, kreiselförmige Cyathophyllum-Art
von der allgemeinen Form des Cyathophyllum ceratites GOLDF.
beobachtet.
Diese Knollen beweisen die devonische Natur des Kalk-
steins, und namentlich schliesst das Vorkommen der Aeliolites
porosa und Stromatopora polymorpha eine etwaige Bestimmung
des Gesteins als Kohlenkalk aus. Dagegen genügen die ge-
nannten Korallen-Arten kaum, um die besondere Abtheilung
der devonischen Schichtenreihe, in welche der Kalkstein zu
stellen ist, zu ermitteln, da den meisten jener Arten eine
grössere vertikale Verbreitung innerhalb der devonischen Gruppe
zusteht. Als ich daher in Gesellschaft des Herrn Berg-Asses-
sors O. DEGENHARDT, der bei Gelegenheit der Aufnahme jener
in den Bereich der Sektion Königshütte der in der Ausführung
begriffenen geognostischen Karte von Oberschlesien fallen-
den Gegend zuerst auf die Fremdartigkeit des Gesteins in dem
435
ringsum herrschenden Keuper-Gebiete aufmerksam geworden
und Stücke mit den genannten Korallen an mich eingesendet
hatte, im Monat August dieses Jahres die Lokalität selbst be-
suchte, so richteten wir unsere Nachforschungen besonders auf
die Auffindung von Schalthierresten. Wir waren in der That
so glücklich, dergleichen zu entdecken. Gewisse Schichten des
Kalksteins sind mit den Schalen einer grossen Brachiopoden-Art
erfüllt, welche vollständig aus dem Gestein zu lösen zwar
‚nicht gelang, welche ich aber dennoch durch Vergleichung
der nach verschiedenen Richtungen geführten Durchschnitte
auf den Verwitterungsflächen des Gesteins mit Sicherheit als
Stringocephalus Burtini habe bestimmen können. Sowohl die
mediane Längslamelle im Inneren der grösseren Klappe, als
auch der von der Innenfläche des Wirbels der kleineren Klappe
aufsteigende, am Ende gabelförmig getheilte Fortsatz liessen
sich erkennen.
Durch dieses Vorkommen von Stringocephalus wird der
Kalkstein von Dziewki bei Siewierz als gleichalterig mit dem
Kalke von Paffrath bestimmt und gehört also wie dieser dem
oberen Theile der mittel-devonischen Abtheilung oder des Eife-
ler Kalks an.
Jüngere paläozoische Gesteine, namentlich Kohlenkalk oder
permische Schichten, welche man in der Umgebung dieser iso-
-lirten Erhebung devonischer Gesteine etwa erwarten könnte,
sind nicht vorhanden. Dagegen tritt allerdings der Muschelkalk
in der nächsten Umgebung des devonischen Kalks auf. Na-
mentlich auf der Nordseite des Höhenzuges ist er.an mehreren
Punkten aufgeschlossen. Es sind die durch Cylindrum annu-
latum Eck (Nullipora annulata SCHAFH.) bezeichneten dolomiti-
schen Schichten des unteren Muschelkalks, welche ebenso in
Polen, und namentlich in einem von Olkusz bis Siewierz sich
erstreckenden Muschelkalk -Rücken, wie in Oberschlesien ein
regelmässiges Glied in der Schichtenreihe des Muschelkalks
bilden. Die noch tieferen Glieder des Muschelkalks fehlen
ebenso wie die oberen. Auch auf der Südostseite des devoni-
schen Ruckens tritt der Muschelkalk an ein Paar Punkten her-
vor, und es ist durchaus wahrscheinlich, dass er denselben
überhaupt mantelförmig umgiebt. Jenseits des Muschelkalks
Sind, ‚wie schon bemerkt wurde, die rothen Keuper-Letten ver-
breitet,
& 436
Ausser dieser grösseren Partie sind in derselben Gegend
auch noch zwei kleinere vorhanden, deren devonische Natur
freilich viel undeutlicher und ohne die Bekanntschaft mit der
beschriebenen grösseren Partie kaum erkennbar sein würde.
Die eine liegt wenig entfernt bei dem Dorfe Nowa Wioska,
4 Meile südöstlich von Dziewki. Südöstlich von dem Dorfe
erhebt sich ein niedriger, mit Wachholdersträuchen bewachsener,
stumpf konischer Hügel, auf dessen Oberfläche ein dunkelblau-
schwarzer Dolomit in Blöcken und niedrigen, wenige Fuss ho-
hen Klippen zu Tage steht. Das Gestein ist mit den cylin-
drischen Stämmchen derselben kleinen Calamopora (Alveolites ?)
erfüllt, welche in gleicher Weise gewisse Schichten des Kalk-
steins von Dziewki durchzieht. Freilich erscheint sie hier in
einer viel weniger deutlichen Erhaltung als dort, indem meistens
nur die durch hellere Versteinerungsmasse bezeichneten Umrisse
der fadenförmigen kleinen Koralle in dem dunkelen Gesteine
hervortreten. Zuweilen ist die Substanz der Koralle selbst ver-
schwunden, und daun erscheint das Gestein von den entspre-
chenden, dieht gedrängten, wurmförmigen Hohlräumen durchzo-
gen. Ausser dieser Koralle wurde nur noch ein undeutlicher
Abdruck, der vielleicht zu Uneites gryphus gehören könnte,
beobachtet.
Der dritte Punkt liegt weiter entfernt. Wenige Schritte
von der Eisenbahnstation Zawierzie an der Warschau - Wiener
Eisenbahn ist in einem dieht neben der Mühle am Ufer des
Baches gelegenen, jetzt zum Theil schon wieder verschutteten
Steinbruche ein dunkelgrauer, fast schwarzer Dolomit mit deut-
lich krystallinisch körnigem Gefüge aufgeschlossen, welcher,
obgleich er keine bestimmbare, organische Reste erkennen liess,
doch durch sein petrographisches Verhalten sich dem Gesteine
von Nowa Wioska so verwandt zeigt, dass er diesem im Alter
unbedenklich gleichgestellt werden darf. Ohne die Kenntniss
der beiden anderen Partien wurde man wohl durch den Con-
trast, in welchem das hier bei Zawierzie so vereinzelt hervor-
tretende, dunkele Gestein gegen die ringsum herrschenden, ro-
then Keuper- Letten und alle anderen benachbarten Gesteine
des Flötzgebirges steht, betroffen sein, aber kaum daran den-
ken, eine devonische Bildung vor sich zu haben. In der That
"hat auch ZEUSCHNER in einer die rothen Keuper-Letten betreffen-
!
437
den, jüngst erschienenen Abhandlung“), welche mir erst nach
dem eigenen, in (remeinschaft mit Herrn Berg-Assessor DEGEN-
HARDT ausgeführten Besuche zu Gesicht kam, sowohl den Do-
lomit von Zawierzie, als denjenigen von Nowa Wioska als Ein-
lagerungen in den Keuper-Thonen betrachtet, freilich zugleich
bemerkend, dass die Lagerungsverhältnisse nicht klar seien.
So sind also in der Gegend von Siewierz drei
beschränkte Partien von ‘kalkigen devonischen
Schichten vorhanden, welche sich inselartig isolirt
aus den ringsum herrschenden Keuper-Thonen er-
heben und von anderen devonischen Gebieten weit
getrennt liegen.
Am nächsten, aber immerhin noch gegen 7 Meilen ent-
fernt, ist die kleine Partie von Debnik bei Krzeszowice un-
weit Krakau, wo die schwarzen, in mehreren Steinbrüchen als
Marmor gewonnenen Kalksteinbänke, die bisher für Kohlen-
kalk gehalten wurden, nach paläontologischen Erfunden un-
längst in dieser Zeitschrift als devonisch bestimmt wurden.
_ Der Marmor von Debnik wird bei Czerna von ächtem Kohlen-
kalk mit Productus giganteus überlagert, und erst auf diesen
folgen die Schieferthone des produktiven Steinkohlengebirges,
welche bei Tencezinek auch bauwurdige Kohlenflötze einschlies-
sen. Die devonischen Felspartien bei Siewierz werden dagegen
von dem produktiven Steinkohlengebirge an der Oberfläche
durch eine breite Zone von Trias-Gesteinen getrennt, und den
Kohlenkalk kennt man hier nicht. Aber hier wie dort bezeich-
net das Auftreten der devonischen Gesteine die Grenze des
grossen oberschlesisch -polnischen Steinkohlenbeckens. Ueber
Siewierz hinaus gegen Nordosten wird jede Nachforschung nach
Steinkohlen ohne Aussicht auf Erfolg sein.
Eine andere Vergleichung bietet sich für die devonischen
Kalkpartien bei Siewierz mit den allerdings weiter entfernten
devonischen Schichten des von Pusch so genannten Sendomirer
Mittelgebirges oder der Höhenzüuge bei Kielce im südlichen
Polen. In der That sind im Mittelgebirge devonische Kalkstein-
schichten von ganz ähnlicher Beschaffenheit, wie diejenigen bei
Siewierz, bekannt. Namentlich kommen in der Umgebung von
Chenein, südwestlich von Kielce, dunkelblaugraue, devonische
—
*) S. Bd. XVII S. 235 dieser Zeitschrift.
438
Kalksteinschichten vor, welche in ganz gleicher Weise mit den
cylindrischen Stämmchen der kleinen Calamopora-Art erfüllt
sind, wie gewisse Schichten des Kalkes bei Dziewki. Die
Streichungslinie der Schichten bei Chencin gegen Westen fort-
gesetzt gedacht, trifft ia der That genau auf die devonischen
Partien bei Siewierz. Man wird diese letzteren als äussersten
westlichen Ausläufer der devonischen Erhebung des Mittel-
gebirges betrachten müssen, obgleich sie durch einen mehr als
20 Meilen langen, von Jura- und Kreide-Schichten ein-
genommenen Zwischenraum von der Haupterhebung des Mittel-
gebirges getrennt sind. |
TErTEN
439
4. Die Korallen des norddeutschen Jura- und Kreide-
| Gebirges,.
u:
Von Herrn Wırseım Börscuhe ın Braunschweig.
(Hierzu Taf. VII, VIEL IX.)
Seitdem in Folge der classischen Arbeiten von MILE
Epwarps und Harmue die Paläontologen mehr Aufmerksamkeit
dem Studium der fossilen Korallen geschenkt haben, sind auch
in Deutschland die Korallen verschiedener Formationen in meh-
reren Arbeiten monographisch behandelt. So haben die Koral-
len der norddeutschen Tertiar-Formationen in letzterer Zeit ihre
Bearbeiter gefunden. Es fehlte jedoch immer noch eine Arbeit,
in der auch die Korallen der norddeutschen Jura- und Kreide-
Formation einem eingehenderen Studium unterworfen wären.
ZENKER*) war der Erste, der eine Koralle aus dem nord-
deutschen Jura beschrieb.
Erst durch die classischen Arbeiten von A. Roemer **) und
Kock und Duncker***) wurde eine grössere Anzahl von nord-
deutschen Korallen aus der Jura- und Kreide-Formation bekannt.
Nachher sind noch einige neue Species hinzugefügt durch die
Arbeiten von GIEBELT) und Hrru. CReDner.ff) Mırse Enpwarps
und Hamm und nach ihnen FROMENTEL haben versucht, die
grössere Anzahl der aus Norddeutschland bekannt gewordenen
*%) Nova acta naturae curiosorum. T. XVII. prs. I, p. 387. 1835.
**) Versteinerungen des norddeutschen Oolithen-Gebirges und Nach-
trag dazu. Hannover, 1836 u. 1833 — Versteinerungen des norddeutschen
Kreidegebirges. Hannover. 1841.
*#%) Beiträge zur Kenntniss des norddeutschen Oolithgebildes und
dessen Versteinerungen. Braunschweig. 1897.
f) Ueber Polypen aus dem Plänermergel des subhercynischen
Beckens um Quedlinburg, in der Zeitung für Zoologie, Zootomie und
Paläozoologie von o’Arron und Burnsısten, S. 9 u. 10 1548.
Tr) Pteroceras- Schichten der Umgebung von Hannover, in Zeit-
schrift der deutschen geologischen Gesellschaft. Bd. Ib, 8.245. 1861,
\
440
‚Species ihrem Systeme einzuordnen. Dabei sind jedoch von
ihnen mehrere beim Fehlen von Original-Exemplaren meistens
nicht zu vermeidende Irrthümer begangen. Auf Anregung Herrn
v. SEEBACH’s habe ich deshalb versucht, im Folgenden Alles,
was bis jetzt von norddeutschen Jura- und Kreide-Korallen
bekannt war, kritisch zusammenzustellen und zugleich eine
grössere Anzahl von neuen Species hinzuzufügen. Die für das
hiesige paläontologische Museum angekaufte Sammlung des
verstorbenen Herrn ArmBRUsT in Hannover bot mir ein reich-
haltiges Material. Für die Erlaubniss zur Benutzung desselben
schulde ich Herrn v. SEEBACH meinen aufrichtigsten Dank.
Ausserdem bin ich auf das Höchste zu Dank verpflichtet den
Herren v. STROMBECK, GROTRIAN und BEckuann in Braunschweig,
H. Rormer in Hildesheim, CREDNER und Wırre in Hannover,
STEINVORTH in Lüneburg, SCHLÖNBACH in Salzgitter und GROTRIAN
in Schöningen, die mir auf die liberalste Weise ihre reichhal-
tigen Sammlungen- zur Benutzung zu Gebote gestellt haben.
Bei der Beschreibung habe ich die systematische Einthei-
lung der Korallen von FRoOMENTEL zu Grunde gelegt. Dieselbe
hat Letzterer zuerst angedeutet in seinem Werke: „Description
des polypiers fossiles de l’tage nöocomien. Paris. 1857‘ und
später vollständig durchgeführt in seiner „Introduction & l’etude
des polypiers fossiles. Paris. 1858— 61“.
Einige unbedeutende Aenderungen findet man in den bis
jetzt erschienenen, mir vorliegenden sieben Heften der Paleon-
tologie francaise, in denen FromenteL die Korallen der franzö-
sischen Kreide und in Gemeinschaft mit Ferry die des Jura
zu bearbeiten angefangen hat. Ebenfalls habe ich mich der.
von FRONMENTEn ausgesprochenen Ansicht angeschlossen, dass
bei der Bildung der Septal-Cyclen bei den Jura- und Kreide-
Korallen ausser der Grundzahl 6 auch noch andere Grund-
zahlen auftreten können. — Ich habe mich bei der Aufführung
der Synonyme meistens auf die Hauptwerke beschränkt.
441
Beschreibung der Arten.
Korallen des Jura.
I. Zoantharia aporosa M. Eow. u. Hame.
A. Monastrea Froment.
a. Turbinolacea FROonmEnT.
Familie: Be ophyilinde Froment.
Thecocyathus M. Eow. u. Haınr.
1. Thecocyathus mactra GOLDF. Sp.
Cyathophyllum mactra Gouor., Petref. Germ. p. 56, t. 16. fig. 7. 1826.
Thecocyathus mactra M. Eow. u. Haıns, Hist. nat. d. Corall. T.II. p. 49.
1857.
Thecocyathus mactra Froment., Introd. & PEt. d. Polyp. foss. p. 81.
1855 —61.
Thecocyathus mactra z. Th. Fronent. u. Ferry, Paleont. frang., Terr. jur.
Zooph. p. 32. 1869.
Polypenstock kurz, fast scheibenformig. Epithek dünn,
quergerunzelt. 4 Cyclen und die Anfänge eines fünften Cyclus.
Kelch kreisformig. Septen gerade, ziemlich dünn, etwas über
den oberen Rand des Kelches hervorragend. Pfählchen dick.
Höhe 3-—-5 Mm.; Breite des Kelches 9—15 Mm.
Vorkommen. Von dieser Species liegt ein Exemplar
vor aus den Schichten mit Ammonites opalinus von den Zwerg-
löchern bei Hildesheim. (Sammlung von H. Rorumer.) Nach
CREDNER*) soll sie sich auch in Schichten von gleichem Alter
bei der Marienburg gefunden haben.
Bemerkungen. FRomENnTEL und Ferry haben in neuester
- Zeit in der Paleontologie francaise diese Species mit der fol-
genden vereinigt. Dieser Ansicht kann ich nicht beistimmen.
Nach mir vorliegenden Exemplaren von Banz muss ich die
von MıLne EpwArps und HaımE ausgesprochene Meinung auf-
recht erhalten, dass sich Thecocyathus tintinnabulum von Th.
moctra immer durch das dickere Epithek unterscheidet.
-
*) Gliederung der oberen Juraf. p. 75.
Zeits. d.d. geol. Ges. XVIIl.3. 29
“ 442
2. Thecocyathus tintinnabulum GoLDF. sp.
Cyathophyllum tintinnabulum GoLpr., Petref. Germ. p 56, t. 16 fie. 6.
1826. | | E
Thecocyathus tintinnabulum M. Eow. u. Haıme, Hist. nat. d. Corall.-
T. I1.'p. 48. 1857. |
Thecocyathus tintinnabulum Enomenten, Introd. a I’Et. d. Polyp. foss.
p. 81. 1858-61.
Thecocyathus tintinnabulum z. Th. Frowert. u. Ferry, Paleont. frang.,
Terr. jur. Zooph. p. 92. 186%.
Polypenstock kurz konisch. Epithek dick, quer gerunzelt.
Kelch kreisföormig. 8 Cyclen und die Anfänge eines vierten
Cyclus. Septen gerade, dick, fast gleich gross, ziemlich dicht‘
gedräugt. Pfählchen sehr schmal, fast eylindrisch. Höhe 4
bis 6 Mm. ; Durchmesser des Kelches 5—6 Mm.
Vorkommen. Zu dieser Species muss ein Exemplar
gerechnet werden, welches Herr U. ScHLÖNBACH in den Schich-
ten mit Am. jurensis am Österfelde bei Goslar gefunden hat.
Der Kelch-Durchmesser beträgt 6 Mm.; die Höhe 4 Mm.; es
scheinen ungefähr 40 Septen vorhanden gewesen sein.
b. Trocehosmilacea FROMENTEL.
Familie: Lithophyllidae Fronenrt.
Montlivaultia Lıuoen.
3. Montlivaultia subdispar FROMENTEL.
Montlivaultia subdispar Fromexr., Introd. a P’Et. des Polyp. foss. p. 110.
1858 — 61.
Polypenstock verkehrt kegelförmig mit etwas gekrummten
Seiten. Epithek dick, stark quergefaltet, den Kelchrand nicht
ganz erreichend. Rippen gleich stark, fein gekörnelt. Kelch
kreisförmig oder oval. Kelch-Grube tief. 6 Cyelen von Sep-
ten in 6 Systemen vollständig entwickelt; ausserdem die An-
fänge eines siebenten Cyclus. Die drei ersten Cyclen gleich
gross; der vierte Cyclus fast dieselbe Grösse erreichend. Septen
dicht gedrängt, gerade. Ihre Seitenflächen mit feinen, in Bo-
gen-Linien angeordneten Warzenreihen bedeckt. Columellar-
Raum in die Länge gezogen. Bei dem grössten Exemplare
von 9 Cm. Höhe betrug der Längs-Durchmesser des Kelches
60 Mm. und der Quer-Durchmesser 46 Mm.
443
Montlivaultia sessilis und Smithi unterscheiden sich von der
M. subdispar leicht durch den breit angehefteten Polypenstock.
M. turbinata zeigt ein grösseres Bestreben, sich in die Breite
auszudehnen.
Vorkommen: Es lagen 18 Exemplare vor. Ein Exem-
plar stammt aus den Hersumer Schichten von Hersum (H..Ror-
MER); die anderen haben sich in der Korallenbank des Lindner-
Berges bei Hannover (Göttingen, WITTE, CREDNER) und der
Paschenburg bei Rinteln (ÖREDNER) gefunden.
Bemerkungen. -FROMENTEL fasste zuerst diese Species
in ihrer richtigen Begrenzung auf; die frühereu Schriftsteller
vereinigten unter der Montlivaultia obconica und dispar For-
men, die ihr sehr nahe verwandt sind, sich aber von denselben
durch den runden Columellar-Raum unterscheiden.
Die Abbildung, die QUENSTEDT in seinem Jura t. 86,
fig. 8 von seinem Anthophyllum obconicum giebt, gehört der
M. subdispar an. Von der M. dispar finden sich vortreffliche
Abbildungen in British fossil Corals t.14, fig. 2u. 2a. 1851.
Die jüngeren Individuen der M. subdispar zeigen schon
eine grosse Anzahl von Septen. Bei einem Exemplare von
30 Mm. Höhe waren schon über 100 Septen vorhanden.
4. Montlivaultia? sessilis Münst. sp.
Anthophyllum sessile Goupr., Petref. Germ. T. I. P.10754.087, Agila.
1829.
Montlivaultia? sessilis M. Enw. u. Haıme, Hist. nat. d. Corall. T.H.
p- 318. 1857.
Montlivaultia ? sessilis Feomenter, Introd & I’Et. d. Polyp. foss. p. 113.
1598 —61.
Polypenstock kurz, fast cylindrisch, mit sehr breiter Basis
festgewachsen. Epithek dunn, erreicht nur die Hälfte der Höhe.
Rippen etwas ungleich an Dicke, deutlich gezähnt. Kelch
kreisföormig. Kelchgrube nur schwach angedeutet. 5 Cyelen
vollständig ausgebildet, ausserdem die Anfänge eines sechsten
Cyclus. Septen 1 Mm. entfernt, gerade nach aussen an Dicke
zunehmend, die der ersten 3 Cyclen fast gleich gross. Freier
Septalrand gezähnt? Höhe 22 Mm.; Breite des Kelches 41 Min.
- Montlivaultia sessilis unterscheidet sich von der folgenden
Species leicht durch das dünne Epithek.
29
444
Vorkommen. Es lag mir ein Exemplar vor aus der
Korallenbank des Lindner-Berges (Göttingen).
Bemerkungen. Die nach dem vorliegenden Exemplar
gegebene Diagnose stimmt fast vollständig mit den von dieser
Species gegebenen Beschreibungen überein, so dass ich kein
Bedenken nahm, dasselbe zu dieser Species zu stellen. FRro-
MENTEL und vor ihm M. EpwArnps und Ham führen an,
dass nur die Septen der ersten beiden Cyclen gleich seien,
ein Unterschied, der wahrscheinlich nur auf eine Alters-Ver-
schiedenheit der Exemplare hinweist.
d. Montlivaultia? brevis n.sp. (Taf. VIL Fig.1.)
Polypenstock kurz, mit breiter Basis festgewachsen, nach
unten zu etwas verengt. Epithek sehr dick, stark quergerun-
zelt, mit scharf vorspringendem Rande in kurzer Entfernung
vom Kelchrande endigend. Rippen abwechselnd dicker und
dunner, fein gekörnelt. Kelch kreisrund. 5 Cyclen vollständig
entwickelt. Septen 1 Mm. entfernt, gerade; die der ersten
3 Cyelen fast gleich gross. Freier Septalrand gezähnt? Höhe
24 Mm.; Breite 34 Mm. |
Montlivaultia brevis ist der von M. EpwArps und HaımE
aus dem Etage bathonien beschriebenen M. Smithi (British fos-
sil Corals p. 110, t. 21, fig. 1. 1851.) sehr nahe verwandt,
unterscheidet sich jedoch durch den scharf vorspringenden
Epithekal-Rand. :
Vorkommen. Es lag mir ein Exemplar vor aus der
Korallenbank des Lindner-Berges (Göttingen).
Bemerkungen. Leider war an dem vorliegenden Exem-
plare der freie Septalrand etwas abgerieben, so dass ich nicht
mit Bestimmtheit die Zugehörigkeit zu der Gattung Montli-
vaultia feststellen konnte.
6. Montlivaultia iurbinata(?) Münst. sp.
Anthophyllum turbinatum Goupr., Petref. Germ. T.I. p. 107, t. 37, fig. 12.
1826.
Montlivaultia turbinata M. Eow. u. Haımr, Hist. nat. d. Corall. TU,
p- 306. 1857. :
Montlivaultia turbinata Froment., Introd. & l’Et. d. Polyp. foss. p. Il1.
1858 —61.
„Polypenstock konisch , gerade, breiter als hoch. Kelch
kreisförmig, ziemlich tief. 5 vollständige Cyclen; Septen stark,
445
gerade, vorspringend; die der drei ersten Oyclen wenig ün-
gleich, die anderen viel kleiner. Kelch-Durchmesser 5-—6 Om.“
(n. M. Epw. u. Hame).
Vorkommen. Es lagen 3 Exemplare vor; zwei stammten
aus der Korallenbank des Lindner-Berges (Göttingen) und eines
aus denselben Schichten von der Paschenburg bei Rinteln
(CREDNER).
Bemerkungen. Die specifische Bestimmung dieser Art
ist sehr unsicher. Einerseits sind die vorliegenden Beschrei-
bungen noch nicht vollkommen genug, um eine genaue Ver-
gleichung zu gestatten, andererseits liegen auch nur stark
abgeriebene Exemplare vor. Das eine in der hiesigen Samm-
lung befindliche Exemplar besitzt ein dickes, stark quergerun-
zeltes Epithek, das nicht ganz den freien Kelchrand erreicht.
Der Kelch ist kreisförmig und besitzt einen Durchmesser von
5 Om. Es sind 120 dicht gedrängt stehende, nach aussen hin
sich verdickende, gerade. Septen vorhanden. Ein anderes
Exemplar aus der Sammlung des Herrn CREDNER zeigt einen
mehr ovalen Kelch. Seine Höhe beträgt 30 Mm., der grös-
sere Durchmesser des Kelches 77 Mm. und der kleinere
60 Mm.
7. Montlivaultia? excavata Rorm. sp.
Anthophyllum excavatum Rormer, Verstein. d. nordd. Oolith.-G. p. 20,
t.1. fig. 8. 1836.
Montlivaullia exceavata M Eow. u. Haımz, Hist. nat. d. Corall,. T. I.
p. 326. 1857.
Polypenstock becherförmig, oben bedeutend breiter als
unten. Kelch kreisformig. Kelchgrube tief. Rippen dick,
gleich stark. 4 Cyclen und der Anfang eines fünften in eini-
gen Systemen. Die 6 ersten Septen erreichen fast die Mitte.
Die anderen Septen nehmen nach der Ordnung der Cyclen
regelmässig an Grösse ab. Septen dick, gerade. Kelch-Durch-
messer 34 Mm.
Montlivaultia excavata unterscheidet sich von den vorher-
gehenden Species sogleich durch die geringe Anzahl der
Septen.
Vorkommen.- Es lagen zwei Exemplare vor aus der
Korallenbank des Lindner-Berges (Göttingen, WrrrE).
446
Bemerkungen. Bei beiden Exemplaren war das Epi-
thek und die Zähnelung des oberen Septalrandes nicht zu
beobachten. Es muss deshalb die Stellung der Species immer
noch zweifelhaft bleiben. ’
8. Montlivaultia obesa n. sp. (Taf. VII. Fig. 2.)
Polypenstock verlängert kegelförmig, frei, allmälig in der
Höhe an Breite zunehmend, entweder mit geraden Seiten, oder
unten in einer Richtung etwas gekrummt. Epithek sehr dick,
den Kelch“ vollständig bis zum Rande einhüllend, stark her-
vorragende ringförmige Wülste zeigend. Kelch kreisförmig.
Kelchgrube tief. 4 Cyclen vollständig entwickelt, ausserdem
die Anfänge eines fünften Cyclus. Septen gerade, dick, nicht
über den Kelchrand hervorragend. Querleisten ziemlich zahl-
reich. Columellar-Raum kreisförmig, eng. Höhe 50 Mm.; Breite
des Kelches 33 Mm.
Das sehr dicke, bis zum höchsten Kelchrande sich aus-
dehnende Epithek macht diese Species leicht kenntlich. Der
freie Polypenstock, die vollständig entwickelten 4 Cyclen nebst
Anfang eines fünften und der abgerundete Columellar - Raum
' stellen sie in die Reihe von Montlivaultia elongata, sycodes und
Wrighti. Sie unterscheidet sich von der M.elongata durch den
tieferen Kelch; bei M. sycodes erreicht das Epithek den Kelch-
rand nicht ganz, und bei M. Wrighti ist das Verhältniss der
Höhe des Polypenstockes zum Kelch-Durchmesser ganz anders.
Grosse Verwandtschaft scheint sie mit dem Anthophyllum_eir-
cumvelatum zu haben, das QuEsstentr aus den Nattheimer
Korallenschichten beschreibt (Jura p. 709, t. 86, fig. 10.). Nach
der gegebenen Abbildung unterscheidet sie sich von derselben
durch das dickere Epithek. Eine gute Beschreibung von jener
Species fehlt noch gänzlich.
Vorkommen. Es lagen drei Exemplare vor aus den
Schichten mit Pteroceras Oceani vom Lindner-Berge (Göttingen,
WiIrTTE).
‚gegen 80 Septen ausgebildet.
447
& B. Disastrea Fromenr.
Familie: Calamophyllidae Froment.
Thecosmilia M. Eow. u. Hame.
9. Thecosmilia trichotoma GoLDF. sp.
Lithodendron trichotomum GoLor. , Petref. Germ. p. 45, t.13, fig.6. 1826.
Lithodendron trichotomum Rosm., Verstein. d. nordd. Oolith-G. p. 19,
tu 1, fie! 9 1836. |
Thecosmilia trichotoma M. Eow. u. Haımz, Hist. nat d. Cor T.II. p. 356.
1857.
Thecosmihia trichotoma Froment., Introd. & Et. d. Polyp. foss. p. 142.
1858 - 61.
Polypenstock in Folge von Selbsttheilung baumförmig ver-
zweigt. Die einzelnen Zweige erreichen fast sämmtlich dieselbe
Hohe. Zweige mehr oder weniger cylindrisch. Rippen gekör-
nelt, gleich stark oder abwechselnd dicker und dünner. Kelch
kreisformig oder oval. Epithek ziemlich dick. Kelch- Grube
flach. A oder 5 Cyelen. Septen ziemlich dunn, dicht gedrängt.
Ihre Seitenflächen sind granulirt. Breite der Kelche 15 bis
22 Mm. D ö
- Vorkommen. Es lagen sieben Exemplare vor aus der
Korallenbank des Lindner-Berges (Göttingen). :
Bemerkungen. Das eine in der hiesigen Samm-
lung befindliche Exemplar zeigt noch stellenweise deutlich das
Epithek. Esist 69 Mm. hoch und besitzt an seinem oberen Ende
drei neben einander liegende Kelche, von denen der grösste
einen Durchmesser von 22 Mm. besitzt. Bei’einem anderen
Exemplare waren in einem Kelche von 22 Mm. Durchmesser
Cladophyllia M. Eow. u. Haıme.
10. Cladophyllia? nana RoEMER sp.
Lithodendron nanum Roem., Verstein. d. mordd. Oolith-G. p. 19, t. 1, fig. 3.
1836.
Eunomia nana »’Ore., Prod. d. paleont. T. I, p. 385. 1850.
Cladophyllia? nana z. Th. M.Eow. u. Haıme, Hist. nat. d. Corall. T. I.
p. 368. 1857.
Cladophyllia? nana z. Th. From., Descript. d. polyp. foss. d. !’et. neoc.
p. 29. 1857.
Cladophyllia? nana z. Th. Faom., Introd. a ’Et. d. Polyp. foss. p. 146.
1598 - 61.
Polypenstock buschelförmig. Polypen cylindrisch, sich in
kurzen Entfernungen unter spitzen Winkeln gabelnd. Kelch
448
kreisförmig. 4 Cyelen und der Anfang eines fünften. Septen
dunn, dicht gedrängt. Kelch-Durchmesser 8 Mm.
Vorkommen. Es lagen zwei Exemplare vor aus der
Korallenbank des Lindner-Berges (RoENMER).
Bemerkungen. Diese Species wurde zuerst von Ror-
mer als Lithodendron nanum beschrieben. Später haben sie
M. Epwarps und Harme und, ihnen folgend, FRoMENTEL mit
dem aus dem oberen Hilsconglomerate des Elligser-Brink von
RoEMER beschriebenen Anthophyllum conicum vereinigt, indem
sie letztere Species nur fur junge Individuen des Lithodendron
nanum ansahen. Beide Species gehören ganz verschiedenen
Gattungen an. Lithodendron nanum gehört zu den Disastreen
und Anthophyllum conicum entschieden zu den Monastreen.
Zwei Rormer’sche Original-Exemplare, die Herr H. RoEmER
so freundlich war, zur Untersuchung mir zu überlassen, waren
so stark abgerieben, dass man nicht darüber entscheiden konnte,
ob ein Epithek vorhanden gewesen ist. Wahrscheinlich ge-
hört noch zu der vorstehenden Species ein Exemplar, das Herr
CREDNER in. der Nerineenbank bei Limmer gefunden hat (sein
Lithodendron plicatum in: Gliederung des oberen Jura, p. 36).
Es ist ein aus dicht an einander liegenden Zweigen bestehen-
der Korallenstock. Ein fein quergerunzeltes Epithek umgiebt
die einzelnen Polypen. Kelchgrube tief. Der Durchmesser der
Kelche schwankt zwischen 3 und 6 Mm.
ll. Cladophyllia grandis n. sp.
Polypenstock cylindrisch, abwechselnd etwas eingeschnuürt
und angeschwollen, sich unter einem offenen, spitzen Winkel
gabelnd. Epithek den ganzen Polypenstock einhüllend, fein
quergefaltet. Rippen sehr zart, gleich stark. Kelch kreisförmig.
Kelchgrube sehr tief. 56 Septen, dicht gedrängt (auf 2 Mm.
kommen 4 bis 5), dunn. Kelch-Durchmesser 10 Mm.
Die aus dem französischen Jura von MicHELIN beschriebene
und abgebildete Oladophyllia laevis scheint dieser Species sehr
nahe verwandt zu sein und ist vielleicht mit ihr identisch. In
den gegebenen Beschreibungen fehlen leider Angaben über die
Anzahl der Septen, so dass ich vorläufig diese norddeutsche
Koralle neu benannt habe.
Vorkommen. Das einzig mir vorliegende Exemplar aus
der Sammlung des Herrn CREDNER hat sich seiner Angabe nach
449
in dem oberen Corallrag vom Bielstein am Deister (als Ko-
rallenoolith) gefunden.
Familie: Cladocoridae Faroment.
Goniocora M Eow. u. Hımr.
12. Goniocora socialis RoEM. sp.
Lithodendron sociale Rowm., Verstein. d. nordd. Oolith-G. p. 19. 1836. —
"Nachtrag p. 57, t.17, fig. 23. 1839.
Goniocora socialis M. Epw. u. Hııme, Brit. foss. Corals p. 92, t. 15
fig. 2. 1851.
Goniocora socialis Fnem., Introd. & P’Et. d. Polyp. foss. p. 148. 1858-61.
$)
Polypenstock baumförmig; die einzelnen Zweige bilden
mit dem Hauptstamm ungefähr einen Winkel von 50 °, in kur-
zen Entfernungen von einander, zuweilen einander gegenüber-
stehend, eylindrisch. Rippen gerade, dicht gedrängt, fein ge-
körnelt, abwechselnd ein wenig ungleich. Kelche kreisförmig.
ö Cyclen von Septen in 6 Systemen ausgebildet. Die ersten
6 Septen gleich gross, bis zum Mittelpunkte des Kelches rei-
chend; die Septen des zweiten Oyclus etwas kleiner, die des
dritten ganz auf die Peripherie besckränkt. Septen, die einem
vierten Cyclus von Rippen entsprechen, fehlen. Septen gerade.
Kelch-Durchmesser 3 Mm,
Vorkommen. Es lagen sechs Bruchstücke dieser Ko-
ralle vor aus dem Korallenoolith, und zwar aus den Schichten
mit Pecten varians von Hoheneggelsen (H. Rormer). A. RoEMER
führt noch als Fundort an den oberen Ooralrag von Specken-
brink und Knebel bei Uppen unweit Hildesheim.
, Syrrastrea Fuomenr.
Familie: Latimdeandridae Fkomenr,
Latimaeandra v’Onsıcnv.
13. Latimaeandra plicata M. Evw. u. Hıms (Taf. VII. Fig. 3).
_ Lithodendron plicatum Goupr., Petref. Germ. p. 45. t. 13, fig. 5. 1826.
Maeandrina astroides und Astrea confluens ibid. t. 21, fig.3 u. t. 22, fig. 5.
Latimaeandra plicata M. Eow. u. Hııme, Hist. nat. d. Corall. T. U.
fig. 544. 1857.
Chorisastraea plicata Froment., Introd. & PEt. d. Polyp. foss. p. 1063,
1558 61.
Das einzige mir vorliegende Exemplar zeigt eylindrische
Polypen, die neben einander an der” einen Seite eines gemein-
450
schaftlichen Stammes durch Knospung entstanden sind. Sie
sind theils ganz frei, theils durch ihre Mauern mit einander ver-
einigt. Die Rippen sind gleich stark und stehen dicht gedrängt.
Kelche kreisförmig oder etwas in die Länge gezogen. Kelch-
Grube sehr flach. In dem grössten Kelche, dessen Längs-
Durchmesser 10 Mm. beträgt, waren gegen 60 Septen ent-
wickelt. Die meisten Kelche besitzen einen Durchmesser von
5—7 Mm.
Vorkommen. Das Exemplar stammt aus der Korallen-
bank des Lindner-Berges (Göttingen). CREDNER führt noch als
Fundort an die Heersumer Schichten vom Lindner-Berge.
Bemerkungen. Es gehört das vorliegende Exemplar
zu den Formen der Latimaeandra plicata von MıLnE EDWARDS
und HaımE, die eine baumformig verzweigte Gestalt besitzen
und von Goupruss als Lithodendron plicatum beschrieben sind.
Mırye Enpwans und Hams haben mit ihrer Latimaeandra plicata
ausserdem noch Korallen vereinigt, die eine maeanderförmige
und asträenförmige Gestalt besitzen. Ob diese Auffassung von
MıLse EpwArps und Hame die richtige sei oder die von
FROMENTEL, der nur diejenigen Formen unter seiner neuen
Gattung Chorisastraea in einer Species vereinigt lässt, die in
Reihen angeordnete Kelche besitzen, aber deren Reihen nicht
durch Rippen vereinigt sind, wage ich bei Mangel von süd-
deutschen Exemplaren nicht zu entscheiden.
D. Polyastrea Fronmenrt.
Familie: Stylinidae Fromenrt.
Stylina Lim.
14. Stylina Labechei M. Epw. u. Ham.
Stylina Delabechei M. Enw. u. Haımr, Brit. foss. Corals p. 79, t. 15,
fig. 1. 1857.
Astraea tubulosa Quest. (non Gouor.), Handb. d. Petrefact. p. 647, t. 57,
fig. 19— 21. s
Stylina Labechei M. Eopw. u. Haınr, Hist. nat. d. Corall. T. II. p. 242. 1857.
Stylina Labechei Froxenst.. Introd. & PEt. d. Polyp. foss. p. 190. 1858-61.
Polypenstock mit gewölbter Oberfläche; Unterseite von
deutlich quergerunzeltem Epithek umgeben. Rippen gekörnelt,
abwechselnd stärker und dünner, sich an der Oberfläche des
Stockes mit denen der benachbarten vereinigend. Kelche
kreisförmig, ungleich von einander entfernt, etwas über die
S
451
Oberfläche mit ihrem Rande hervorragend. 3 Cyelen in 8 Syste-
men entwickelt. Die 8 Septen des ersten Oyclus reichen fast
bis zur Mitte, Mit ihnen wechseln acht andere, höchstens nur
halb so grosse Septen ab; zuweilen sieht man noch einen
dritten Cyclus von 16 Septen rudimentär entwickelt. Breite
der Kelche 4 Mm.
Stylina Labechei unterscheidet sich von der folgenden Spe-
cies durch die in 8 Systemen entwickelten Septen.
Vorkommen. Es lagen drei Exemplare vor aus der
Korallenbank des Lindner-Berges (Göttingen, WITTE).
Bemerkungen. M. Epwärps und Haıuz lieferten von
dieser Species nach englischen Exemplaren ausgezeichnete Be-
schreibungen und Abbildungen. Quasstenr beschrieb unter
dem Namen Astraea tubulosa Korallen aus den Schichten von
Nattheim, die nach mir vorliegenden Exemplaren sich von
jenen Beschreibungen und Abbildungen nur durch das Fehlen
der Columella unterscheiden, ein Unterschied, der jedenfalls
nur in einem verschiedenen Erhaltungs-Zustande begründet ist.
FRoNENTEL hat deshalb auch die Astraea tubulosa bestimmt mit
der Styling Labechei vereinigt. Von derselben ist jedoch scharf
getrennt die Astraea tubulosa GoLpr. (Petref. Germ. T.I. p. 112,
t. 383, fig. 15). Dieselbe gehört zu den Stylinen, bei denen
die Septen in 6 Systemen sich ausgebildet haben.
15. Stylina limbata GoLDF. sp.
Astraea Iimbata Gowor. (non Qvenst ), Petref, Germ. T. I. p. 22 u. 110,
1.48, de. 7en. it 388 ie. 721896,
Stylina limbata M. Eow. u. Haınr, Hist. nat. d. Corall. T. II. p. 238. 1857.
_ Stylina limbata Fuonenr., Introd. a P’Et. d. Polyp. foss. p. 188, 1858—b1.
Polypenstock scheibenförmig oder baumförmig verzweigt.
Kelche kreisförmig, ein wenig ungleich und durch verschieden
grosse Zwischenräume getrennt, mit ibrem Rande etwas her-
vorragend.. 3 Cyelen von Septen in 6 Systemen entwickelt.
Der erste Cyclus vereinigt sich mit der dünnen, griffelformigen
Columella, der zweite weniger entwickelt und der dritte rudi-
mentär. Kelch-Durchmesser 2 Mm.
Vorkommen. Es lagen drei Exemplare vor aus der
Korallenbank des Lindner-Berges (Göttingen).
Bemerkungen. Diese Species wurde zuerst von GoLD-
FUSS aufgestellt. Seine Beschreibungen und Abbildungen sind
452
jedoch ungenau; er giebt nur 16 abwechselnd grössere und
kleinere Septen an. M. Epwarps und Haıme, denen es ver-
gönnt war, die in Bonn befindlichen Original- Exemplare zu
vergleichen, lieferten zuerst eine genauere Beschreibung. Nach
derselben darf der Name Stylina limbata nur für solche Exem-
plare beibehalten werden, bei denen 3 vollständige Cyelen in
6 Systemen ausgebildet sind. Stylina limbata Quessr. (Hand-
buch der Petrefactenkunde p. 647, t. 57, fig. 68. 1852 und Jura
p- 701, t. 85, fig. 1. 1858.) gehört nicht zu dieser Species. Sie
unterscheidet sich sogleich davon durch die 8 gleich grossen
Haupt-Septen, mit denen 8 kleinere abwechseln.
Familie: Astraeidae Froxent.
Thamnastraea Lessuvace.
16. Thamnastraea concinna GOLDF. sp.
Asiraea concinna Goupr., Petref. Germ. T I p. 64, 1.22, fig. la.u.p.1lf
t. 38, fig.,8. 18206. . |
Astraea varıians Born., Verst. d. nordd. Oolith-G. p. 23, t. 1, fig. 10 u. 11.
’
1836.
Thamnastr«ea concinna M.Eow. u. Haınz, Brit. foss. Corals. p. 160, t. 17,
fig. 3. 1851.
Astraea gracilis Quenst., Handb. d. Petref. p. 050, t.58, fig. 6. 1852.
Thamnastraea concinna M. Eow. u. Haımz, Hist. nat. d. Corall, T.I.
p- 577. 1897.
Thamnastraea concinna Fuonext., Introd. & PEt. d. Polyp. foss. p. 218.
18958 —61.
Polypenstock von sehr veränderlicher Gestalt. Selten
bildet er pilzföormige Knollen, die an der Basis mit einem
kurzen Stiele festgewachsen sind, oder lange cylindrische
Massen, bei denen die einzelnen Zellen concentrisch um den
Mittelpunkt angeordnet sind. In den meisten Fällen zeigt der
Stock mehr oder weniger ausgedehnte Ueberzüge auf den Ge-
steinen. In einigen Exemplaren sind diese Ueberzüge dünn,
in anderen erreichen sie eine ziemlich beträchtliche Dieke und
bestehen dann oft aus mehreren über einander liegenden
Schichten. Die Unterseite ist mit einem vollständig entwickel-
ten Epithek bedeckt. Bei Exemplaren, wo dasselbe abgerieben
ist, kommen die feinen Rippen zum Vorschein. Dieselben
stehen dicht gedrängt (auf 2 Mm. kommen 5) und sind fein
gekörnelt. Kelch kreisformig. 8, 9 oder 10 Septen sind gleich
gross und erreichen die griffelförmige Columella; zwischen den-
er ER
453
selben dieselbe Anzahl von nur halb so stark entwickelten
Septen. Septen dicht gedrängt; ihr oberer Septalrand fein
gekörnelt. Kelch-Durchmesser 11—2 Mm.
Es lassen sich zwei Varietäten unterscheiden, die durch
Uebergänge mit einander verbunden sind. Bei der ersten Va-
rietät sind die Kelch-Centren nur 1+ Mm. von ‚einander ent-
fernt, und die Septen des einen Kelches verbinden sich ohne
wesentliche Biegung mit denen der benachbarten.
Bei einer zweiten Varietät sind die Kelche mehr aus ein-
ander gerückt (Kelch-COentren 25 Mm. entfernt). Die Septen
bilden am Rande des Kelches eine schwache, wulstartige Erhe-
bung, so dass die einzelnen Kelche durch schwache Furchen
von einander getrennt erscheinen. Die Septen des einen Kel-
ches vereinigen sich auch ohne Unterbrechung mit denen des
anderen, sind nach der Peripherie des Kelches zu etwas gebo-
gen und ändern oft in der Mitte der zwischen benachbarten
Kelchen befindlichen Einsenkung plötzlich ihre Richtung.
Vorkommen. Es lagen mir gegen 30 Exemplare vor.
Zwei stammten aus den Schichten mit Cidaris florigemma von
Goslar (SCHLÖNBACH), ein einziges aus dem Korallenoolith von
Hoheneggelsen (Roemer). Alle anderen Exemplare haben sich
in der Korallenbank des Lindner-Berges gefunden.
Bemerkungen. Die von RoEuEr beschriebene Astraea
varians ist,- wie schon MıLye Epwarns und Harz annahmen,
und wie es zahlreiche, mir vorliegende Exemplare bestätigen,
nichts Anderes als eine stark abgeriebene Thamnastraea con-
cinna. Dass die vorliegenden Exemplare dieser Species ange-
hören, daruber lassen keinen Zweifel aufkommen zwei in der
hiesigen Universitäts-Sammlung befindliche, vollkommen erhal-
tene Exemplare. Sie stimmen vollständig überein mit den schö-
nen Abbildungen, die MıLne Epwarps und Haıme von der
Thamnastraea concinna in den British fossil Corals gegeben ha-
ben. „ Sie stellen die zweite Varietät dar. Nach dem Vorgange
von Mıunz EpwaArnos und Ham habe ich Astraea gracilis
QuENST. als synonym mit Thamnastraea concinna angeführt, in-
dem die gegebenen Abbildungen ganz gut mit Exemplaren der
ersten Varietät übereinstimmen.
17. Thamnastraea Armbrustii n. Sp.
Der Polypenstock besteht aus dicken Lamellen, die mit einan-
454
der zu unregelmässig gelappten Massen verbunden sind. Kelch
kreisföormig, ungleich gross. Kelch-Grube flach. 24 bis 30
Septen, dicht stehend, gerade oder schwach gekrümmt, ziem-
lich diek. Ungefähr 12 Septen erreichen die Mitte, die ande-
ren schieben sich am Rande zwischen dieselben ein und ver-
binden sich meist mit ihnen mit ihrer inneren Kante. Colu-
mella fehlt. Durchmesser der Kelche 3—4 Mm.
Diese Species, die ich dem verstorbenen ARMBRUST widme,
unterscheidet sich von der Thamnastraea Credneri und coneinna
leicht durch die grössere Anzahl der Septen.
Vorkommen. Es lagen mir 7 Exemplare vor aus den
Schichten mit Pteroceras Oceani vom Lindner-Berge (Göttin-
sen, ROEMER).
18. Thamnastraea Credneri n. sp.
Polypenstock in dünnen Ueberzugen. Kelche kreisrund,
gleich gross. Kelch-Grube sehr eng. 8—10 Septen erreichen
die Columella; mit ihnen wechseln ebenso viel kleinere ab,
die sich mit jenen mit ihrem inneren Rande verbinden. Septen
duun, gerade. Columella griffelformig, schwach entwickelt.
; Kelch-Durchmesser l- Mm.; Kelch-ÜCentren ebenso weit von
einander entfernt.
Thamnastraea Credneri unterscheidet sich von der T’h. con-
cinna durch die engere Kelch-Grube und die weniger stark
hervorspringende Columella. |
Vorkommen. Es liegen 2 Exemplaren vor aus den
Schichten mit Pieroceras Oceani vom Lindner-Berge (Göt-
tingen).
19. Thamnastraea ? dimorpha n. sp. (Taf. VII. Fig.4u.5.)
Cyclolites sp. Crepner, Glied d. ob.'Jura p. 27. 1869.
Cyclolites sp. Hesm. Crevser, Zeitsch. d. deutsch. geol. Ges. Bd. 16
p. 243, 1.11, f. 4. 1864.
Polypenstock mit kleiner Basis festgewachsen, von ver-
änderlicher Gestalt, je nachdem die durch seitliche Knospung
entstehenden, jüngeren Individuen bei ihrem Wachsthum in ihrer
ganzen Ausdehnung mit dem Mutter-Individuum vereinigt blei-
ben, oder in ihrem oberen Theile unter spitzem Winkel sich
von demselben entfernen. In letzterem Falle zeigt der Polypen-
stock -eine mehr oder weniger büuschelförmige Gestalt. Die ihn
455
zusammensetzenden Polypen sind cylindrisch, von Zeit zu Zeit
etwas eingeschnürt. Ein dünnes, schwach quergefaltetes Epi-
thek umhüllt den Stock und dehnt sich bis zu einer Entfer-
nung von £—6 Mm. von der höchsten Wölbung des Kelches
aus. Kelch kreisförmig. Kelch-Grube sehr eng. 140 — 170
Septen, von denen 24 das Centrum erreichen. Die jüngeren
Septen vereinigen sich nach innen. mit denen der älteren.
Septen dünn, dicht gedrängt (auf 2 Mm. kommen 6—7), gegen
den Rand hin zum Theil stark gebogen und sich mit denen
der benachbarten Kelche vereinigend. Septal-Rand dicht und
fein gekörnelt. Querbälkchen sehr zahlreich. Die Columella
scheint papillös zu sein. Kelch-Durchmesser 12—20 Mm.
Thamnastraea dimorpha unterscheidet sich von sammtlichen
bis jetzt beschriebenen Species jener Gattung durch die grössere
Anzahl ihrer Septen.
Vorkommen. Es lagen 9 Exemplare vor aus den Schich-
ten mit Pteroceras Oceani vom Lindner-Berge und Limmer
(Göttingen, ROEMER, ÜREDNER, WITTE).
Bemerkungen. Die Zugehörigkeit dieser Species zu
der Gattung Thamnastraea muss vorläufig noch sehr in Zweifel
gezogen werden. Das eine in der hiesigen Universitäts-Samm-
lung befindliche Exemplar vereinigt freilich alle Charaktere,
die jener Gattung zukommen (siehe Taf. VII. Fig. 4), jedoch
sprechen gegen eine solche Stellung ganz entschieden wieder
ö andere Exemplare derselben Sammlung, bei denen die ein-.
zelnen Polypen in dem oberen Theile des Stockes vollständig
gesondert auftreten (siehe Taf. VII. Fig. 5). Sollte man in
der That bei der Untersuchung einer grösseren Anzahl von
Exemplaren finden, dass die Vereinigung der einzelnen Polypen
in der ganzen Ausdehnung des Stockes nur als eine zufällige
Erscheinung anzusehen ist, so müsste diese Species zu den
Disastreen, und zwar zu der Familie der Cladocoriden gestellt
und zum Typus einer neuen Gattung erhoben werden. Wie
diese Species auf der Grenze zwischen den Disastreen und
Polyastreen steht, so hat FRoMENTEL durch die ZLatimaeandra
dubia aus dem Ktage corallien von Auxerre eine Species nach-
gewiesen, die an einem Stocke den Charakter der Polyastreen
und Synastreen zeigt.
Herr H. Crepxer und nach ihm Herr Herm. ÜREDNER haben
diese Species zu Cyelolites gestellt. Original-Exemplare, die
456
ich durch die Güte des ersteren erhalten hatte, liessen jedoch
keinen Zweifel daruber aufkommen ,. dass die von ihnen be-
schriebenen Exemplare nur junge Individuen der eben beschrie-
benen Species sind, die sich noch nieht durch Knospung ver-
vielfältigt haben.
Ein mir vorliegendes Exemplar mit einem solchen einfa-
chen Polypenstocke zeigte schon gegen 140 Septen entwickelt
bei einem Kelch-Durchmesser von 20 Mm. und einer Höhe
von 14 Mm. Ein anderes Exemplar aus der Sammlung des
Herrn H. Rogmer, welches 12 Mm. breit und 9 Mm. hoch und
noch mit ziemlich breiter Basis fest gewachsen ist, besitzt be-
reits an der Seite einen durch Knospung entstehenden neuen
Kelch.
Isastraea M. Eow. u. Haıne.
20. Isastraea helianthoides GoLDF. sp.
Astraea helianthoides Goupr., Petref. Germ,. p. 65, t. 22, f. 4a. 1826.
Astraea oculala GouDF., ibid. p. 65, t. 22, f.. 2.
Astraea helianthoides Rocrn., Verst. d. nordd. Oolith-G. p. 22, t. I, f. 4.
1836. ;
Isastraea helianthoides M. Eow. u. Hııwe, Hist. nat. d Corrall. T. II.
p. 538. 1837.
Isastraea helianthoides Frumenxt., Introd. & l’Et. d. Polyp. foss. p. 229.
1858 — 61.
Polypenstock mit ebener oder mehr oder weniger gewölbter
Oberfläche. Die polygonalen Kelche dicht gedrängt, ungleich an
Grösse, oft nach einer Richtung stark in die Länge gezogen.
Mauern zuweilen oben mit scharfer Kante die einzelnen Kelche
trennend. Epithek vollständig. Rippen fein, in Bündel geord-
net, welche von der Basis nach dem Umfange der Unterseite
ausstrahlen, so dass die äusseren Rippen eines jeden Bündels.
mit denen des benachbarten unter einem spitzen Winkel zu-
sammenstossen. Kelch-Grube tief. Selten 4 Oyclen vollstän-
dig ausgebildet und noch die Anfänge eines fünften Oyclus in
einigen Systemen; meistens zählt man 30--40 Septen. Septen
ziemlich dicht gedrängt, gerade oder schwach gebogen. Ihr
freier Rand fein gekörnelt; Seitenrand mit Warzenreihen be-
setzt. ‚Querleisten ziemlich zahlreich. Kelch -Durchmesser 6
bis 8 Mm., selten 9—10 Mm.
Vorkommen. Die vorliegenden 8 Exemplare stammen
aus der Korallenbank des Lindner- Berges. Ausserdem wird
457
diese Species noch von allen anderen Lokalitäten angeführt,
wo jene Korallenbank in Norddeutschland auftritt. Vereinzelt
soll sie auch in den Heersumer Schichten am Tönnjes - Berge
und bei Heersum vorgekommen sein.
Bemerkungen. Mine Epwarns und Haıme führen in
ihrer Diagnose der /sastraea helianthoides an, dass meistens
nur 28 Septen vorhanden wären. Säammtliche vorliegende Exem-
'plare zeigen jedoch eine grössere Anzahl derselben, ebenso
wie dies der Fall ist bei dem vom Lindner-Berge stammenden
Original-Exemplare von GoLpruss, das Herr SchLüter in Bonn
so gütig war, zur Vergleichung mitzutheilen. Bei demselben
sind 40—50 Septen entwickelt.
21. Isastraea Goldfussiana D’ORB. sp.
Astrea helianthoides (z. Th.) GorLor., Petref. Germ, T. 1. t. 22, f. Ab.
1826.
Prionastrea Goldfussiana n’Ore., Prodr. d. Pal&eont. T. I. p. 386. 1850.
Isastraea Goldfussana M. Eow. u. Haıme, Hist. nat. d. Corall. T. I.
p. 532. 1857.
Isastraea Goldfussana Froment., Introd, & I’Et. d. Polyp. foss. p. 227.
1895 -- 61.
Polypenstock mit schwach gewölbter Oberfläche. Die polygo-
nalen Kelche dicht gedrängt, ungleich gross. Kelch-Grube bei
ausgewachsenen Kelchen sehr flach, bei jüngeren tiefer. 50 bis
60 Septen. Septen des ersten und zweiten Oyclus gleich gross,
die anderen nach der Ordnung der Oyclen an Grösse abneh-
mend. Auf 2 Mm. kommen 4 Septen; dieselben sind gerade
oder schwach gebogen. Septal-Rand sehr dicht gekörnelt.
Grösster Durchmesser der ausgewachsenen Kelche 15—15 Mm.
Isastraea Goldfussiana unterscheidet- sich von der Isast.
helianthoides und Koechlini durch die flachere Kelch-Grube und
den grösseren Kelch-Durchmesser.
Vorkommen. Es lagen 3 Exemplare vor aus der Ko-
rallenbank des Lindner-Berges (Göttingen).
Bemerkungen. D’OrsıcnyY erhob zuerst das von GoLD-
Fuss auf t. 22, f. 4b abgebildete Exemplar seiner Isast. he-
lianthoides zum Typus einer neuen Species. Diese Ansicht ist
vollständig gerechtfertigt, indem das mir vorliegende Original-
Exemplar von GoLpruss sich entschieden von dem auf t. 22,
"f.4a abgebildeten Exemplare der /sast. helianthoides durch seine
flachere Kelch-Grube unterscheidet. |
Pr d.dizeol. Ges; X VIE 3, 30
458 -
22. Isastraea Koechlini M. Epw. u. Hammer.
Isastraea Koechlinn M. Eow. u. Haıme, Hist, nat. d. Corall. T. I. p.
533. 4857. | a0 |
Isastraea Koechlini Frowent., Introd. & l’Et. d. Polyp. foss. p. 226.
1858 - 61. a
Polypenstock mit schwach gewölbter Oberfläche. Die polygo-
nalen Kelche dicht gedrängt, ungleich an Grösse. Eine scharfe
Kante trennt die einzelnen Kelche. Kelch- Grube sehr: tief.
50--60 Septen, dünn, sehr dicht gedrängt (auf 2 Mm. kommen
5—6), schwach gebogen. Septal-Rand fein gekörnelt. Kelch-
Durchmesser 6—9 Mm. Ä
Isastraea Koechlini unterscheidet sich von der /sastr. helian-
thoides durch die zahlreicheren und feineren Septen.
Vorkommen. Das Exemplar, welches dieser Beschreibung
zu Grunde liegt, stammt aus der Korallenbank des Lindner-
Berges (CREDNER).
Astrocoenia M. Eow. u. Haıne.
23. Asirocoenia suffarcinata Hrrm. Cre».
Astraea sp. Crep., Glied. d. ob. Juraf. p. 26. 1863.
Astrocoenia suffarcinata Hzrm. Cren., Zeitseh. d. deutsch. geol. Ges. Bd.
16, p. 243, 1. 11, f- 3, 1864.
Der Polypenstock bildet grosse, oft mehrere Fuss im Durch-
messer haltende Knollen. Die Kelche stehen dicht gedrängt, sind
sehr ungleich, indem die Knospung zu gleicher Zeit an verschie-
denen Theilen der Oberfläche des Stockes stattfindet. Meistens
sind die Kelche unregelmässig fünfeckig, zuweilen nach einer
Richtung stark in. die Länge gezogen und dann viereckig.
Mauern dunn und oben mit einer scharfen Kante endigend.
Kelch-Grube nicht sehr tief. 3 Cyclen und die Hälfte des
vierten Cyclus in 6 Systemen entwickelt. 6 Septen erreichen
die Columella; die anderen nach der Ordnung der Cyclen an
Grösse abnehmend. Septen dünn, gerade. Columella dunn,
sriffelförmig. Grösster Durchmesser der Kelche 3—4 Mm.
Astrocoenia suffarcinata unterscheidet sich von der Asir.
pentagonalis, mit der sie öfters verwechselt worden ist, durch
die grössere Anzahl der Septen. Von letzterer Species ist es
überhaupt noch sehr zweifelhaft, ob sie zu der Gattung Astro-
coenia zu stellen ist. |
Vorkommen. Es lagen 1l Exemplare vor aus den Schich-
a Ya FA u a
459
ten mit Pteroceras Oceani vom Lindner-Berge (Göttingen,
BECKMANN).
Bemerkungen. Dadurch, dass nur in der einen Hälfte
jedes der 6 Systeme die Septen des vierten Cyclus entwickelt
sind, hält es oft sehr schwer, sich über die Anordnung der
Septen zu orientiren, und dies ist auch wahrscheinlich der
Grund der irrthümlichen Angabe von ÜREDNER, dass die Septen
in 9 Systemen ausgebildet seien.
Plerastraea M. Eow. u. Haıne.
24. Plerastraea ? tenuicostata n. sp.
Diese Species bildet stark ausgebreitete, dicke Polypen-
stocke, deren Unterseite mit quergefaltetem Epithek bedeckt ist.
Rippen dicht gedrängt (auf 2 Mm. kommen 4), dünn. Mauer
rudimentär. A0—60 Septen, von denen gegen 12 die Colu-
mella erreichen. Septen dünn, nach der Peripherie stark ge-
bogen. Querleisten sehr zahlreich (bei einem Querschnitte
zahlte man 8—10, bei einam Verticalschnitte 5 auf eine Höhe
von 2 Mm.). Seitenflächen der Septen mit zarten Bogenlinien
bedeckt, die selbst wieder durch ein weitläufiges Maschenwerk
von feinem endothecalen Gewebe verbunden sind. Papillöse
Columella nur schwach entwickelt. Kelch-Durchmesser 6 bis
8 Mm.
Plerastraea tenuicostata unterscheidet sich von Pl. Savignyi,
Pratti und tesselata durch die grössere Anzahl der Septen.
Vorkommen. Es lagen 6 Exemplare vor aus der Ko-
rallenbank des Lindner-Berges (Göttingen).
Bemerkungen. Die Kelche der vorliegenden Exemplare
waren leider so abgerieben, dass man nicht darüber entschei-
_ den konnte, ob die Septen an ihren feinen Rändern sich mit
denen der benachbarten Kelche verbunden haben.
Da jedoch die papillöse Oolumella und die zahlreichen
Querleisten auf eine Zugehörigkeit zu der Gattung Plerastraea
hinweisen, so lasse ich sie vorläufig mit dieser Gattung ver-
einigt.
s0*
460
I Zoantharia perforata M. Eow. u. Hame.
Polyastrea FRoMmENT.
Familie: Poritinidae M. Eow. u. Haınr.
Microsolena Lamouroox.
25. Microsolena Roemeri n. sp.
- Astraea agaricites Rorm., Verst. d. nordd. Oolith. G. p. 22, t.1, f.1. 1830.
Agaricia agaricites z. Th. n’Ors., Prod. de Paleont. T. I. p. 387. 1850.
Thamnastraea ? boletiformis z. Th. M. Epw. u. Hame, Hist. nat. d.
Corall. T. U. p. 572. 1857.
Thamnastraea ? boletiformis z. Th. Faoment., Introd. & Et d. Polyp.
foss. p. 213. 1858.
Polypenstock knollig mit stark gewölbter Oberfläche, aus
dicht über einander liegenden Schichten gebildet. Epithek dick,
stark quergefaltet. Kelche kreisförmig, mit deutlicher Kelch-
Grube, ungleich gross. 32--44 Septen, dicht gedrängt, ziem-
lich dick, nach dem Kelch-Rande hin oft schwach gebogen,
sich mit denen der benachbarten Kelche vereinigend. Skleren-
chym der Septen stark porös. Querbälkchen zahlreich (auf
eine Höhe von 2 Mm. kommen 5—6). Papillöse Columella
schwach entwickelt. Kelch-Durchmesser. 5—7 Mm. Das
grösste Exemplar besitzt einen Durchmesser von 13 Mm.
Microsolena Roemeri steht der M. excavata und gibbosa sehr
nahe. Von ersterer unterscheidet sie sich durch die geringere
Anzahl der Septen und von letzterer durch den grösseren
Durchmesser der Kelche.
Vorkommen. Es lagen 10 Exemplare vor aus der Ko-
rallenbank des Lindner- Berges (Göttingen, RoEmer). Nach
A. RokmER soll sie auch vorgekommen sein an der Arensburg
bei Rinteln.
Bemerkungen. Diese Species wurde zuerst beschrieben
von A. Rormer als Astraea agaricites, indem er sie für iden-
tisch Lielt mit einer von GoLpruss unter diesem Namen von
Nusslach im Salzburgischen beschriebenen und abgebildeten Art
(Petref. Germ. T.I. p. 66, t. 22). Wie sich jedoch durch die
Untersuchungen von MıLne EpwaArps und HaıuE und von Reuss
herausgestellt hat, gehört die Astraea agaricites GOLDF. zu der
Gattung Thamnastraea. Die beste Beschreibung und Abbildung
derselben findet man bei Rzuss (Beiträge zur Charakteristik
der Kreideschichten in den Ostalpen p. 118, t.19, f. 1u. 2. 1854).
En, che in er PORN
.-
'
461
Mıuye Epwarps und Ham und später FROMENTEL vereinig-
ten die Agaricia boletiformis GouLpr. (Petref. Germ. T. I. p. 43,
t. 12, f. 12), die sie vorläufig noch als eine Thamnastraea
aufführen, von der jedoch MıLse Epwarps und Haıne ausdrück-
lich bemerken, dass sie wahrscheinlich zu der Gattung Micro-
solena gestellt werden musste. Von der Agaricia boletiformis
_ unterscheidet sich die vorliegende Species jedoch durch den weit
kleineren Durchmesser der Kelche. Bei ersterer beträgt der-
selbe 12—15 Mm.
Korallen der Kreide.
l. Zoantharia aporosa M. Eow. u. Hame.
A. Monastrea Fronenr.
a. Turbinolacea FROMENT.
Familie: Caryophyllidae Faonenr.
Caryophyllia Stores.
26. Caryophyllia eylindracea Reuss sp.
Anthophyllum ceylindraceum Reuss, Verst. d. böhm Kreidef. Abth. II.
p: 61, 1. 14, £ 2330, 1846. |
Cyathina laevigata M. Eow. u. Haınz, Brit. foss. Corals. p. 44, t. 9,
f. 1. 1850.
Caryophyllia eylindracea M. Eow. u. Haıwz, Hist. nat. d. Corall. T. II.
p. 18. 1857,
Caryophyllia eylindracea Fronent., Introd. 3 I’Et. d. Polyp. foss. p. 79.
1855—61. |
Caryophyllia cylindracea Frouent., Paleont. frang. Terr. eret. T. VIU.
Zooph. p. 165, t.7, £.1. 1869.
Polypenstock einfach, eylindrisch kegelföormig, gerade, mit
verhältnissmässig breiter Basis festgewachsen. Mauer in der
unteren Hälfte ganz glatt. Rippen treten nur in der Nähe des
Kelch-Randes deutlich auf. Kelch .kreisformig. 4 Cyclen in
6 Systemen ausgebildet. Septen dünn, die des ersten und
zweiten Cyclus gleich gross. Ihre Seitenflächen gekörnelt.
' Pfählchen diek, vor den Septen des dritten. Cyclus stehend.
Columella büschelföormig, schwach entwickelt. Höhe 30 bis
40 Mm.. Kelch-Durchmesser 10 Mm.
Vorkommen. Es lagen sechs Exemplare vor aus den
Senon-Schichten mit Bel. mucronatus von Rosenthal bei Peine
(CREDNER) — Ahlten (ob Mucronaten- oder Quadraten-Schich-
ten ?) (Göttingen). |
462 3
Bemerkungen. Die Exemplare gehören noch jungen
Individuen an; das grösste derselben besitzt eine Höhe von
10 Mm. und einen Kelch-Durchmesser von 6 Mm.
Thecocyathus M. Eow. u. Haıme.
27. Thecocyathus? cenomaniensis n. sp.
Polypenstock sehr kurz und fast scheibenförmig; das Epithek
umgiebt den unteren Theil des Polypenstockes. Rippen fein
gekörnelt. 48 Septen. Zwei Reihen von dieken Pfählchen.
Höhe 2 Mm.; Kelch-Durchmesser 5 Mm.
Diese Species unterscheidet sich von den zu der Gattung
Thecocyathus gehörenden Arten durch das Auftreteu von nur
zwei Reihen von Pfählchen.
Vorkommen. Es lag ein Exemplar vor aus dem Ceno-
man, dem unteren Pläner mit Amm. varians vom Mehnerberg
bei Salzgitter (SCHLÖNBACH).
Bemerkungen. Das Exemplar ist in einem schlechten
Erhaltungs-Zustande, so dass von .der Columella keine Spur
zu sehen war. Sollte sich später finden, dass dieselbe buschel-
förmig ist, so wäre die Zugehörigkeit zur Gattung Thecocyathus
bewiesen, und diese Species würde dann grosses Interesse
bieten, indem es die zweite Art von jener Gattung wäre, die
sich in der Kreide findet. Ausser dem TA. cretaceus aus der
französischen Kreide haben: sich alle anderen Species in der
Jura-Formation gefunden.
b. Trochosmilacea FRoMmENT.
Familie: Trochosmilidae FRroment.
Coelosmilia M. Eow. u. Hame.
28. Coelosmilia minima n. sp. (Taf. VIII, Fig. 1).
Polypenstock mit ausgebreiteter Basis festgewachsen, lang
eylindrisch, fast gar nicht an Breite zunehmend, oft unregel-
mässig in verschiedenen Richtungen gebogen und ein inter-
mittirendes Wachsthum zeigend. Kelch kreisformig. Rippen
nur schwach hervorragend. Mauer sehr fein quergestreift.
2 Cyclen in 6 Systemen entwickelt. Septen fast gleich gross,
gerade. Höhe 13 Mm.; Kelch-Durchmesser 2 Mm. £
Coelosmilia minima unterscheidet sich von allen Arten der-
selben Gattung durch die geringere Anzahl der Septen.
463
Vorkommen. Es lagen 9 Exemplare vor aus dem Ce-
noman, dem unteren Pläner mit Amm. varians vom Mehnerberge,
Österholz und Boihwelle bei Salzgitter (Scuuöngach). Zwei
andere stammen aus dem Pläner (oberem oder unterem?) von
Sarstedt (RoENMER).
29. Coelosmilia laxa M. Epw. u. Ham.
Coelosmilia laxa M. Enw. u. Haıme, Brit. foss. Coral. p. 52, t. 8, f. 4.
1850.
Coelosmilia laxa M. Eow. u. Hame, Hist. nat. d. Corall, T. U. p. 178.
1857.
Coelosmilia laxa Froment., Introd. a ’Et d. Polyp. foss. p. 102. 1858 — 61.
Polypenstock verkehrt kegelförmig, nach einer Richtung
ziemlich stark gebogen, wahrscheinlich nur mit ganz kleiner
"Basis festgewachsen. Rippen in der ganzen Länge des Poly-
penstockes sichtbar, flach. In dem unteren Theile tritt jede
funfte Rippe etwas stärker hervor. Nach dem Kelch - Rande
zu wird die Rippe, die einem vierten Septen-Cyclus entspre-
chen würde, ganz undeutlich und ist mit feinen, horizontalen
Streifen bedeckt. Kelch kreisföormig. 3 Cyclen von Septen
in 6 Systemen entwickelt. Septen dünn, 2 Mm. aus einander
stehend. Höhe 17 Mm.; Kelch - Durchmesser 13 Mm. Coelo-
smilia laxa unterscheidet sich von der C. Sacheri und cupuli-
Jormis leicht durch die geringere Anzahl ihrer Septen.
Vorkommen. Das einzige mir vorliegende Exemplar,
welches der vorstehenden Beschreibung zu Grunde liegt, stammt
aus dem Senon von Ahlten (Göttingen) — ob aus Quadraten-
oder Mucronaten-Schichten ?
Bemerkungen. Nach den Beschreibungen und Abbil-
dungen bei Mıune EpwaArps und HaımE treten bei den aus dem
Senon von England stammenden Exemplaren die Rippen, die
den 3 Cyclen entsprechen, mit schärferem Rande hervor als
bei unserem norddeutschen Exemplare.
30. Coelosmilia cupuliformis Rauss. .
Coelosmilia cupuliformis Rruss, Palaeontograph. Bd. III. p. 119, t. 17,
f. 9—5. 1854.
Bei dem vorliegenden Exemplare ist der Polypenstock breit
becherförmig, gerade, nach unten sich rasch. zu einem kurzen
Stiele verschmälernd, mit kurzer Basis festgewachsen. Rippen
464
fein gekörnt, in der Nähe der Basis flach, gedrängt und fast
gleich. Nach oben treten sie weiter aus einander; jede zweite
Rippe erhebt sich etwas mehr. Kelch breit elliptisch. 70 Sep-
ten in 6 Systemen entwickelt. Septen dünn, gerade, nach der
Ordnung der Cyclen an Grösse abnehmend, die des fünften
Cyelus sehr klein. Hohe 25 Mm.; grösserer Kelch-Durchmesser
23 Mm., kleinerer 20 Mm. |
Vorkommen. Das vorliegende Exemplar stammt aus
den Senon-Schichten mit Belemnites mucronatus von Lüneburg
(STEINVORTH).
31. Coelosmilia Sacheri Reuss.
Coelosmilia Sacheri Reuss, Palaeontograph. Bd. III. p. 119, t. 17, f.2a—e.
1854.
Polypenstock verkehrt kegelförmig, nach oben rasch an
Breite zunehmend, in der Richtung der kleineren Axe stark
gebogen, mit kleiner Basis festgewachsen. Die Rippen sind’ in
der ganzen Länge des Polypenstockes sichtbar. In der Nähe der
Basis sind sie gleich stark, weiter nach oben hin ragt jede
zweite Rippe etwas stärker hervor; die dazwischen liegende
Rippe verflacht sich etwas und wird zuweilen durch zarte, hori-
zontale Streifen bedeckt. Alle Rippen sind mit feinen Körn-
chen besetzt. Kelch breit elliptisch.h Ein Kelch von 30 Mm.
Längs-Durchmesser und 26 Mm. Quer-Durchmesser zeigt 87
Septen; ein kleinerer, dessen grössere Axe 20 Mm., und dessen
kleinere 16 Mm. beträst, 70 in 6 Systemen entwickelt. Septen
dünn, 1 Mm. entfernt, nach der Ordnung der Cyclen an Grösse
abnehmend, die des fünften rudimentär. Höhe 23—30 Mm.
Coelosmilia Sacheri unterscheidet sich von der (: cupuli-
Jormis sogleich durch den stark gekrümmten Polypenstock.
Vorkommen. Es lagen 2 Exemplare vor aus den Se-
non-Schichten mit Belemnites mucronatus von Lüneburg (STEI-
VORTH, ÜREDNER).
Bemerkungen. Die Beschreibung, die ich nach den
beiden Exemplaren von Lüneburg gegeben habe, stimmt: im
Wesentlichen mit der von Reuss aus dem Senon (Mucronaten-
Schichten) von Lemberg beschriebenen Art überein. Die Exem-.
plare, die ihm vorlagen, gehören älteren Individuen an. Ihr
Polypenstock ist im oberen Theile fast ceylindrisch. 5 Cyelen
und der Anfang eines sechsten Oyclus sind entwickelt. Ihr
-
465.
Stiel ist dieker als bei den Exemplaren von Lüneburg, ein
Unterschied, der jedenfalls nicht als specifisch anzusehen ist.
Parasmilia M. Eow. u. Haıne.
32. Parasmilia cylindrica M. Epw. u. Hammer.
(Taf. VII. Fig. 2 u. 3.)
Parasmilia cylindrica M. Epw. u. Haıme, Brit. foss. Coral. p. 50, t. 8,
f. 5. 1850.
Parasmilia eylindrica M. Eow. u. Hame, Hist. nat. d. Corall. T.II. p. 174. 1657.
x
Parasmilia cylindrica Froment,, Introd. & Et. d. Polyp. foss. p. 508.
1858—61.
Polypenstock im oberen Theile fast cylindrisch, sich nach
unten allmälig verschmälernd und mit kleiner Basis fest ge-
wachsen. Er ist meistens unregelmässig in verschiedener Rich-
tung gebogen und zeigt zahlreiche kreisförmige Anschwellun-
gen und seichte Einschnürungen, die auf ein intermittirendes
Wachsthum hinweisen. Rippen in der ganzen Länge des
Stockes vorhanden. In der Nähe der Basis sind sie nur
schwach angedeutet; weiter nach oben treten sie deutlich her-
vor. Sie sind dünn, mehr oder weniger stark gebogen und
meistens gleich stark; zuweilen findet sich jedoch zwischen
je zwei gleich starken Rippen eine schwächer entwickelte. Sie
werden durch verhältnissmässig breite Furchen getrennt. Letz-
tere sind mit feinen Körnchen bedeckt und durch zahlreiche
Rudimente von feinen exothecalen Querleisten getheilt. Vier
Cyclen von Septen in 6 Systemen entwickelt. Dieselhen wa-
ren schon bei einem Exemplare von 8 Mm. Kelch - Durchmesser
vollständig ausgebildet. Septen dunn, schwach gebogen; die
des ersten und zweiten Oyclus gleich gross, die Columella er-
reichend; die Septen des dritten Oyclus nur wenig kleiner, die
des vierten sehr klein. Columella schwammig, wenig ent-
wickelt. Höhe 283 —65 Mm.; Kelch-Durchmesser 6— 13 Mm.
Parasmilia cylindrica wurde in Norddeutschland bis jetzt
immer mit der Parasmilia centralis verwechselt; sie unterschei-
det sich jedoch von ihr sehr leicht durch die exothecalen Quer-
leisten. Dieses Kennzeichen trennt sie auch scharf von den
folgenden Species.
Vorkommen. Es lagen 25 Exemplare vor aus den Se-
non-Schichten mit Belemnites mucronatus von Rosenthal bei
Peine, den Schichten mit Bel. quadratus von Linden bei Hanno-
466
r, Lochtum bei Vienenburg und Schwiechelt. (Ob aus Quadra-
tete ‘oder Mucronaten-Schichten?): von Ahlten, Sottmar (Göttin-
gen, BECKMANN, ÜREDNER, GROTRIAN).
Bemerkungen. Der Beschreibung, die MILNE Epwanos
und Hans in British fossil Corals von der Parasmilia eylindrica
geben, lag nur ein abgebrochenes Exemplar aus dem Senon
von Norwich zu Grunde. Der einzige Unterschied, den ich
bei der Vergleichung ihrer Beschreibung mit den vorliegenden
Exemplaren finden konnte, besteht in der Angabe, dass die-
Intercostal-Furchen des englischen Exemplars nur sehr wenig
granulirt sein sollen. Da jedoch bei verschiedenen Exempla-
ren einer schönen Suite, die von dieser Species in der hiesi-
gen Sammlung vorhanden ist, zuweilen manche Theile des
Polypenstockes fast ganz ohne Körnelung sind, so musste die-
ser Unterschied als ein specifischer wegfallen.
33. Parasmilia Gravesiana M. Epw. u. Ham.
(Taf. VII. Fig. 4.) -
Parasmilia Gravesiana M. Eow. u. Haınz, Ann. d. science. nat., 3 ser.
T. X. p. 245. 1549.
Parasmilia @ravesana M. Enw. u. Haıne, -Hist. nat. d. Corall. T. H.
p. 173. 1857,
Parasmilia Gravesana Fromaxt., Introd. & V’Et. d. Polyp. foss. p. 103.
1858-61.
Parasmilia Gravesi Froment , Paleont. franc. Terr. eret. T. VIII. Zooph.
p. 42, t. 22, f. 1. 1864.
Polypenstock im oberen Theile fast cylindrisch, sich nach
unten allmälig verschmälernd, mit kleiner Basis fest gewach-
sen, unregelmässig in verschiedenen Richtungen gebogen und
ein intermittirendes Wachsthum zeigend. Die Aussenwand zeigt
bei den einzelnen Exemplaren oft eine verschiedene Beschaffen-
heit. Die Rippen sind in der ganzen Länge des Polypen-
stockes sichtbar und sind fein gekörnelt. Meistens sind sie
zugleich fein concentrisch gestreift. Diese concentrische Strei-
fung tritt bei vielen Exemplaren nur an einzelnen Stellen auf
und kann sogar ganz verloren gehen. In der Nähe der Basis
sind die Rippen dunn und meistens gleich stark, zuweilen ist
jede vierte Rippe etwas stärker angedeutet. Weiter nach oben
sind die Rippen abwechselnd breiter und dunner. Diejenigen,
die dem vierten Cyclus entsprechen, werden sehr flach. Die
Rippen der ersten 3 Cyelen verflachen sich entweder ebenfalls,
467
/
oder ragen mit etwas schärferem Rande hervor. Kelch kreis-
förmig.. Vier Cycelen von Septen in 6 Systemen entwickelt.
Septen dünn, ein wenig gebogen, nach der Ordnung der Cyclen
an Grösse abnehmend; die des vierten Oyclus meist ganz ru-
dimentär. Columella schwammig, schwach entwickelt. Höhe
25—74 Mm.; Kelch-Durchmesser 10—14 Mm.
Diese Species wurde bis jetzt, ebenso wie die Parasmilia
eylindrica, stets als eine P. centralis angesehen. Diese unter-
scheidet sich von ihr durch die von 4 zu 4 stärker hervortre-
tenden Rippen. P. Fittoni ist von der P. Gravesiana zu tren-
nen durch,die grössere Ausbildung der Columella.
Vorkommen. Es lagen 24 Exemplare vor aus dem Se-
non: Schichten mit Delemnites mucronatus von Rosenthal bei
Peine, Höver — Schichten mit Bel. quadratus von Schwiechelt
— Abhılten, Vordorf bei Braunschweig (ob Mueronaten- oder
Quadraten-Schichten ?).
Bemerkungen. Die verschiedene Beschaffenheit der
Mauer bei einzelnen Exemplaren berechtigt nicht dazu, diesel-
ben als Typen verschiedener Species aufzustellen, indem ver-
schiedene Exemplare vorliegen, die die deutlichsten Ueber-
gänge zeigen. Die Beschreibung, die FROMENTEL in der Pale-
ontologie francaise von dieser Species giebt, bezieht sich auf
noch junge Individuen. Bei dem von ihm dort abgebildeten
Exemplare haben sich die 4 Cyclen schon sehr früh entwickelt.
Bei den vorliegenden Exemplaren ist bei gleicher Höhe der
vierte Cycelus in den meisten Fällen noch gar nicht vorhanden.
34. Parasmilia laticostata n. sp. (Taf. VIII. Fig. 5.)
Polypenstock eylindrisch-konisch, mit kleiner Basis fest
gewachsen, ein intermittirendes Wachsthum zeigend. Rippen
in der ganzen Länge des Polypenstockes sichtbar, nur schwach
hervorragend, gleich stark. Kelch kreisförmig. Vier Cyclen
von Septen in 6 Systemen entwickelt. Septen dünn, gerade,
nach der Ordnung der Cyclen an Grösse abnehmend. Colu-
mella schwammig, schwach entwickelt. Höhe 29 Mm.; Kelch-
Durchmesser 11 Mm. :
Diese Species unterscheidet sich leicht von den vorher-
gehenden durch die gleich starken Rippen. Sehr grosse Ver-
wandtschaft scheint sie mit der Parasmilia (?) elongata zu be-
sitzen, die Mıuse Epwarps und Ham aus dem Senon von
168 =
Ciply beschrieben haben, und ist vielleicht sogar mit ihr iden-
tisch. Ihre Beschreibungen sind nicht vollständig genug, um
hierüber zu entscheiden.
Vorkommen. Die 4 vorliegenden Exemplare stammen
aus dem oberen Senon: Schichten mit Belemnites mueronatus
von Höver — Schichten mit Bel. quadratus von Schwiechelt
zwischen Andern und Ahlten (CrEDxer, ROoEMER).
Bemerkungen. Interessant sind 2 Exemplare, die ich
durch die Güte der Herren GRoTRIAN und CREDSER aus dem
oberen Senon von Vordorf und Ahlten erhalten habe, Diesel-
ben sind in dem unteren Theile des Polypenstockes so dicht
"mit sehr feinen Körnchen bedeckt, dass fast jede Spur einer
Rippe verwischt wird. Vielleicht sind dieselben nur als Va-
rietät dieser Species anzusehen; eine grössere Menge von
Exemplaren wird darüber erst entscheiden können.
Ausserdem will ich die Aufmerksamkeit noch auf einige
Korallen lenken, die ich der gütigen Mittheilung des Herrn U.
SCHLÖNBACH verdanke. Sie stammen theils aus dem Turon,
dem oberen Pläner mit Galerites conicus vom Fleischerkamp bei
Salzgitter, zwischen Beuchte und Weddingen bei Goslar, theils
aus dern unteren Senon, oberen Pläner mit Scaphites Geinitzi
vom Flöteberge bei Liebenburg, Fuchsberge.bei Salzgitter und
Heiningen bei Wolfenbüttel. Leider sind sie in schlechtem
Erhaltungszustande. Mehrere Exemplare vom Fleischerkampe
bei Salzgitter zeigen deutlich eine schwammige Oolumella. Ein
anderes Exemplar von demselben Fundorte besitzt‘ 4 voll-
ständig entwickelte Cyclen von dünnen Septen. Das grösste
Exemplar besitzt eine Höhe von 30 Mm. und einen Kelch-
Durchmesser von 10 Mm. Die. fast gleich starken Rippen
weisen auf eine Verwandtschaft mit der P. laticostata hin.
85. „Parasmilia. conica.n. sp... (Taf. VII. Big..6.)
Polypenstock konisch, mit kleiner Basis fest gewachsen.
Mauer Rudimente von Epithek zeigend. Rippen von der Basis
an sichtbar, wenig ungleich. Vier Cyclen von Septen in 6
Systemen entwickelt. Die Septen des ersten und zweiten Cy-
clus gleich gross. Septen dünn, gerade, sehr dicht gedrängt.
Kelch kreisföormig. Columella schwammig, gut entwickelt.
Höhe 10 Mm.; Kelch-Durchmesser 6 Mm.
- Parasmilia conica wird leicht von den vorhergehenden Spe-
469
cies durch das Vorhandensein eines rudimentären Epitheks un-
terschieden. Bei P. cylindrica, die am meisten noch mit ihr
wegen der exothecalen Querleisten verwechselt werden könnte,
sind die Rippen viel dünner.
Vorkommen. Es lagen 7 Exemplare vor aus dem obe-
ren Senon, den Quadraten-Schichten vom Sudmerberge bei
Goslar (ROEMER, ÜREDNER).
Familie: Pleurosmilidae FkrumEnT.
Brevismilia n. g.
Anthophyllum (z. Th.) Rorm. Verst. d. nordd. Oolith. G. p. 20. 1836. —
Reuss, Verst. d. böhm. Kreidef. Abth. 2, p. 62. 1846.
Amblocyathus (z. Th.) p’Ors. Rev. et Mag. d. Zool. p. 173. 1850.
Cladophyllia (z. Th.) M. Eow. u. Haıme, Polyp. foss. d. terr. palaeoz.
p. 82. 1851. — Fromest. Descript. d. Polyp. foss. d. l’Et. neoc.
p. 29. 1857.
Polypenstock einfach, breit angewachsen. Mauer bedeckt
mit einem vollständig entwickelten Epithek. Columella feh-
lend. Septalrand ganz. Querleisten stark entwickelt, concentrisch
um den Mittelpunkt angeordnet. Im Grunde des Kelches ver-
wachsen die uber einander liegenden Querleisten vollständig
mit einander.
Die Species der norddeutschen Kreide, die bis jetzt allein -
diese Gattung bildet, wurde nach einander zu Anthophyllum,
Amblocyathus und Cladophyllia gestellt. Die von SCHWEIGGER
aufgestellte Gattung Anthophyllum umfasst Species, die ganz
anderen Familien angehören. Die Gattung Amblocyathus hat
sich als synonym mit Caryophyllia erwiesen. Von Cladophyl-
lia unterscheidet sich Brevismilia sogleich durch den einfachen
Polypenstock. Die grösste Verwandtschaft hat letztere Gattung
mit der von FROMENTEL in letzterer Zeit (Introd. aPEt. d. Po-
lyp. foss. p. 104) aufgestellten Gattung Epismilia. Mit der-
selben hat sie gemeinschaftlich den ungezähnten Septalrand,
das Fehlen der Columella und das vollständig entwickelte Epithek.
Sie unterscheidet sich von ihr jedoch durch die mit einander
verwachsenen, concentrisch angeordneten Querleisten.
36. Brevismilia conica Rornm. sp.
Anthophyllum conicum Roem. Verst. d. nordd. Ool. G. p. 2, t. 1, f. 2.
1836. — Nachtrag p. 57. 1839. — Verst. d. nordd. Kreide p. 26.
1840,
470
Amblocyathus conicus. n’Orp. Rev. et Mag. d. Zool. p. 173. 1850. —
Prodr.. d.: Paleont. T.. I, p.-91.. 1850.
Anthophyllum conicum ? Reuss, Verst. d. böhm, Kreidef. Abth. 2, p. 62,
121% Lro1. 1840,
Cladophyllia nana (z. Th.) M. Eow. u. Haıme, Polyp. foss. d. ierr. pa-
laeoz. p.82. 1851. — Fromext., Descript. d. Polyp. foss. d. P’Et. neoe.
p. 29. 1857. — M. Eow.u. zu Hist. nat. d. Corall. T.II. p. 368.
1857. — Froment. Introd. & P’Et. d. Polyp. foss. p. 146. 1858 — 61.
Polypenstock verkehrt kegelförmig, oben schräg abgestutzt.
Epithek dünn, den Kelch bis zum Rande umgebend. Kelch
kreisförmig. Drei Cyelen von Septen in 6 Systemen vollstän-
dig ausgebildet und die Anfänge eines vierten Cycelus. Die
Septen des ersten und zweiten Cyclus gleich gross, die des
dritten nur halb so gross; der vierte Cyclus ganz rudimentär.
Höhe 1 Mm.; Kelch-Durchmesser 2; Mm.
Vorkommen. Die Anzahl der untersuchten Exemplare
beträgt 16. Sie stammen aus dem oberen Hilsconglomerate
vom Elligser-Brink bei Delligsen, Kissenbrink bei Wolfen-
büttel, Engerode bei Salzgitter und der Grube Glück-auf bei
Gitter (SCHLÖNBACH).
Familie: Litbophyllidae Feronmext.
Leptophyllia Revss.
Ebenso wie die von FROMENTEL aus dem französischen
Neocomien beschriebenen Leptophyllien, zeichnen sich auch die
des norddeutschen Hilsconglomerates dadurch aus, dass die
jüngeren Septen sich mit den älteren vereinigen.
Der Polypenstock der hiesigen Species ist stets mit einer
feinen, Firniss-ähnlichen Lage bedeckt.
37. Leptophyllia recta n. sp. (Taf. VII. Fig. 7.)
Polypenstock cylindrisch, gerade. Die Basis, mit der der-
selbe fest gewachsen ist, fast ebenso breit wie der Kelch. Letz-
terer fast kreisförmig. 56 ungleich grosse Septen (auf 2 Mm.
kommen 4—5). Höhe 14 Mm.; Kelch-Durchmesser 8 Mm.
“ Leptophyllia recta ist der L. sessilis sehr nahe verwandt.
„Sie unterscheidet sich von ‚Ihr durch die geringere Anzahl der
Septen.
Vorkommen. Es lag ein Exemplar vor aus dem mitt-
leren Hilsconglomerate von Agelnstedt (GROTRIAN).
AT
38. Deptophyllia Grotriani n. sp. (Taf. VII. Fig. 8.)
Polypenstock mit breiter Basis fest gewachsen, nach oben
rasch an Breite zunehmend. Kelch kreisförmig, etwas gewölbt.
106 Septen, dicht gedrängt (auf 2 Mm. kommen 6). Septen
des ersten und zweiten Cyclus frei, die anderen mit einander
vereinigt. Höhe 7 Mm.; Kelch-Durchmesser 13 Mm.; Breite
der Basis 9 Mm.
Leptophyllia Grotriani unterscheidet sich von der L. Etur-
bensis und Tombecki, mit denen sie durch ihre äussere Form
grosse Aehnlichkeit besitzt, durch die geringere Anzahl der
Septen.
Vorkommen. Das einzige mir vorliegende Exemplar
stammt aus dem mittleren Hilsconglomerate von Agelnstedt
(GROTRIAN).
39. Leptophyllia alta n. sp. (Taf. VII. Fig. 9.)
Polypenstock eylindrisch - kegelförmig, mit kleiner Basis
fest gewachsen, in seinem oberen Theile eine kreisföormige
Anschwellung zeigend, die auf ein intermittirendes Wachsthum
hinweist. Kelch kreisföormig, Kelch-Grube flach. 56 Septen
(auf 2 Mm. kommen 4), sehr ungleich an Grösse. Höhe 26 Mm.;
Kelch-Durchmesser 13 Mm.
Die äussere Gestalt trennt diese Species leicht von den
beiden vorhergehenden.
Vorkommen. Es lag ein Exemplar vor aus dem mitt-
leren Hilsconglomerate von Agelnstedt (GROTRIAN).
40. Leptophyllia ? neocomiensis n. sp.
(Taf. VII. Fig, 10.)
Polypenstock mit ziemlich breiter Basis fest gewachsen.
Rippen gleich dick, nur in der Nähe des Kelchrandes sichtbar.
Kelch elliptisch. Kelch-Grube sehr flach. 70 Septen, von de-
nen gegen 20 die Mitte erreichen ; die anderen vereinigen sich
mit ihrer inneren Kante mit denselben (auf 2 Mm. kommen 4).
Höhe 14 Mm.; grösserer Durchmesser des Kelches 19 Mm., klei-
nerer 14 Mm.; Breite der Basis 9 Mm. Der elliptische Kelch
trennt diese Species leicht von den vorhergehenden. Von der
Leptophyllia poculum des französischen N&ocomien, mit der sie
durch die äussere Gestalt grosse Aehnlichkeit besitzt, wird sie
streng durch die geringere Anzahl der Septen unterschieden.
€
472
Vorkommen. Es lag ein Exemplar vor aus dem mitt-
leren Hilsconglomerat von Agelnstedt (GROTRIAN).
Bemerkung. Die Stellung dieser Species muss noch
zweifelhaft bleiben, indem sich nicht darüber entscheiden lässt,
ob die Kalkmasse, welche die Mitte des Kelches einnimmt, einer
_Columella angehört oder nicht. |
c. Fongidea.
Familie: Anabacidae Fromenrt.
Micrabacia M. Eow. u. Haıms.
4]. Micrabacia senoniensis n. sp. (Taf. IX. Fig. 1.)
Polypenstock halbkugelig; untere Fläche eben, mit dicht
gedrängt stehenden, 2—3 mal getheilten, vom Mittelpunkte nach
der Peripherie ausstrahlenden und hier mit den Septen alter-
nirenden Rippen. Kelch kreisförmig, regelmässig gewölbt.
Kelch-Grube eng, rund. Fünf Cyclen von dicht gedrängt ste-
henden (auf 2 Mm. kommen 10) Septen in 6 Systemen voll-
ständig entwickelt. Septen des ersten Cyclus gerade, fast
gleich gross. Die Septen des dritten Oyclus neigen sich gegen
' die des zweiten und vereinigen sich mit ihnen mit ihrer inneren
Kante nicht weit von der Columella. Die Septen des vierten
Cyclus sind etwas gekrümmt und zeigen ebenfalls das Bestre-
ben, sich mit den vorhergehenden Cyclen zu vereinigen. Der
fünfte Cyclus noch sehr deutlich entwickelt, gerade. Septalrand
fein gekörnelt. Höhe 35 Mm.; Kelch-Durchmesser 6 Mm.
Micrabacia senoniensis unterscheidet sich von der M. coro-
nula durch die gleichmässige Wölbung des Kelches und die
grössere Krümmung der Septen. Bei den meisten Exemplaren
-der M. coronula sind die Septen in ihrem ganzen Verlaufe ge-
rade; nur bei einem in der Sammlung des Herrn v. STROMBECK
befindlichen Exemplare dieser Species. neigten sich die Septen
des dritten Cyclus an ihrem innersten Ende gegen die des
zweiten und vereinigten sich mit ihnen.
Vorkommen. Die beiden vorliegenden Exemplare stam-
men aus den oberen Senon-Schichten mit Delemnites quadra-
tus von Gehrden und mit Bel. mucronatus von Lüneburg (Ror-
MER, SCHLÖNBACH).
Bemerkung. Das bei Lüneburg gefundene Exemplar
gehört einem noch jungen Individuum an. Es besitzt eine
473
Höhe von- 22 Mm. und einen Kelch-Durchmesser von 4 Mm.
‚ Sein fünfter Septen-Cycelus ist noch nicht ganz ausgebildet.
Cyeclabacia n. g.
Polypenstock einfach, frei, scheibenförmig, oben gewölbt,
unten mehr oder weniger fach. Mauer durchbohrt. Die vom
Mittelpunkte ausstrahlenden Rippen fein gekörnelt; die einzel-
nen Körner zuweilen zu concentrischen Streifen mit einander
verbunden. Rippen nicht am Rande mit den Septen alternirend,
sondern unmittelbar in dieselben übergehend. Epithek fehlend.
Septen des ersten und zweiten Cyclus gerade, die der anderen
Cyelen mehr oder weniger gebogen und zum grossen Theil
sich mit einander vereinigend. Septalrand gezähnt. Seitenflä-
chen der Septen stark gekörnelt und in feine Spitzen ausgezogen,
- die das Bestreben zeigen, sich mit denen der benachbarten Septen
zu vereinigen. Columella stark entwickelt oder‘ rudimentär.
Die Species, welche diese Gattung bilden, haben sich im
oberen Senon der norddeutschen Kreide gefunden.
Von Anabacia trennt diese Gattung das Vorhandensein
einer durchbohrten Mauer, von Mierabacia trennen sie die nicht
am Rande mit den Septen alternirenden Rippen. Letzterer Cha-
rakter trennt sie auch von der Gattung Stephanophyllia. Fro-
MENTEL führt in der von derselben gegebenen Diagnose (Introd.
a l’Et. d. Polyp. foss. p. 242) ausdrücklich an, dass die Rippen
den Zwischenräumen der Rippen entsprechen.
42. Cyelabacia semiglobosa.n. sp. (Taf. IX. Fig. 2.)
Halbkugelförmig. Unterseite schwach gewölbt. Kelch
kreisformig. Kelch-Grube undeutlich. Fünf Cycelen von Septen
in 6 Systemen vollständig entwickelt. Der erste und zweite
Cyelus gleich gross, die Columella erreichend; der dritte Oyelus
erreicht fast die Grösse der beiden vorhergehenden. Septen der
ersten beiden Cyclen gerade; die der anderen gekrümmt und
sich mit den benachbarten unregelmässig vereinigend. Septen
- sehr. dieht gedrängt (auf 2 Mm. kommen 9). Columella stark
entwickelt, hervorragend und aus hohlen, mit einander ver-
schmolzenen Stäbchen bestehend. Ihr nach aussen hervorra-
gendes Ende ist compakt, abgerundet, in die Länge gezogen
und mit kleinen Warzen besetzt. Hohe 4 Mm.; Breite 7 Mm.
Vorkommen. Es lagen 8 Exemplare vor aus dem obe-
Zeits. d.d,geol.Ges. XVIIl. 3. 31
474
‚ren Senon, den Schichten mit Belemnites quadratus von Gehrden
(Göttingen, ROEMER).
"43. Cyclabacia stellifera n. sp. (Taf. IX. Fig. 3.)
Halbkugelförmig. Unterseite etwas convex, besonders nach
der Mitte zu, die als ein niedriger Kegel hervortritt. Ausser
den vom Mittelpunkte nach der Peripherie ausstrahlenden Rip-
pen zeigt die Unterseite noch eine starke, über jene hinweg-
gehende, concentrische Streifung. Kelch kreisförmig, regel-
mässig stark gewölbt.- Kelch-Grube sehr flach, etwas in die
Länge gezogen. Fünf Cyclen von Septen vollständig in 6
Systemen ausgebildet, ausserdem in der einen Hälfte eines
Systemes die ersten Ordnungen eines sechsten Cyelus. Septen
des ersten und zweiten Cyclus gerade, bis zur Columella rei-
chend. Die Septen des ersten Oyclus bleiben allein frei; die
sämmtlichen anderen Oyclen sind durch ihre inneren Kanten
in allen Systemen auf ganz gleichmässige Weise vereinigt.
Die Septen der dritten Ordnung krümmen sich gegen den zwei-
ten Oyelus hin und vereinigen sich mit ihnen durch die innere
Kante nicht weit von der Columella; die vierte und fünfte
Ordnung vereinigt sich mit der dritten, die sechste mit der
vierten, die siebente mit der fünften, die achte mit der vierten und
die neunte wieder mit der fünften. Columella von aussen sicht-
bar, jedoch nicht hervorragend, in die Länge gezogen. Durch-
messer des Kelches 7 Mm., Höhe 3; Mm.
Diese Species unterscheidet sich leicht von der vorhergehen-
den schon durch die stark concentrische Streifung der Unterseite.
Vorkommen. Es lagen 5 Exemplare vor aus dem
oberen Senon, den Schichten mit Bel. mueronatus von Lüneburg,
Ahlten und Rosenthal bei Peine (SCHLÖNBACH u. ÜREDNER).
Bemerkungen. Jungere Exemplare zeichnen sich durch
die stärkere Wolbung der Unterseite und etwas flachere der
Oberseite aus. Bei dem kleinsten Exemplare von 2: Mm.
Breite und 1 Mm. Höhe sind schon 4 Oyclen vollständig ent-
wickelt.
44. Cyclabacia Fromenteli n. sp. (Taf. IX. Fig. 4.)
Halbkugelförmig; Unterseite horizontal oder flach concav.
Kelch kreisförmig, regelmässig gewölbt. Kelch-Gruhe deutlich,
eng, etwas in die Länge gezogen. 5 Cyclen vollständig in
475
6 Systemen entwickelt; Septen des ersten und zweiten Cyclus
gleich gross, gerade; Septen der anderen Oyclen mehr oder
weniger gebogen und sich meistens nur unregelmässig mit
einander vereinigend. Septen dicht gedrängt (auf 2 Mm. kom-
men acht bis neun). Columella rudimentär. Höhe 4 Mm.;
Breite des Kelches 8; Mm.
Diese Species unterscheidet sich von der Cyclabacia semi-
globosa durch die rudimentäre Columella und von der (. stelli-
era durch das Fehlen der concentrischen Streifung der Unter-
seite.
Vorkommen. Die 18 untersuchten Exemplare stammen
aus dem oberen Senon: den Schichten mit Bel. quadratus von
Gehrden, Haidberge und Teufelsmauer bei Quedlinburg (Göt-
tingen, ÜREDNER, ROEMER, BECKMANN).
Bemerkungen. Nur bei einem in der Sammlung des
Herrn H. Rormer befindlichen Exemplare waren die Septen in
den sechs Systemen ganz regelmässig in der Weise vereinigt,
wie ich es bei der vorhergehenden Species beschrieben habe.
B. Polyastraea Fromenr.
Familie: Favidae Froment.
Favia M. Eow. u. Haıme.
45. Favia conferta FROoMENT.
Favia conferta Froment., Descript. d. Polyp. foss. de l’et. n&oc. p. 36,
t. 3, f. 10 u. 11. 1857.
Favia conferta Fromenr., Introd. & Et. d. Polyp. foss. p. 173. 1858—61.
Polypenstock nach oben rasch an Breite zunehmend, mit
convexer Oberfläche und kleiner Basis. Kelche dicht gedrängt,
polygonal. Eine feine Furche zwischen den Kelchen zeigt an,
dass die Mauern nicht unmittelbar mit einander verschmolzen
sind. Kelch-Grube flach. 50—56 Septen. Dieselben stehen
dicht gedrängt (auf ] Mm. kommen vier), sind gleich stark;
“ die jüngeren vereinigen sich mit ihrer inneren Kante mit den
- älteren. Querleisten zahlreich. Columella schwammig. Kelch-
Durchmesser .5—6 Mm. Höhe des Polypenstockes 8—10 Mm.
Vorkommen. Es lagen 2 Exemplare vor aus dem
mittleren Hilsconglomeräte von Apelnstedt (GROTRIAN).
Bemerkungen. Die Exemplare, die FROMENTEL aus
dem französischen N6&ocomien von Gy l’Eveque vorlagen, be-
3l*
476
sitzen einen Polypenstock von 20 Mm. Höhe. In ihren 5 Mm.
breiten Kelchen sind 42-48 Septen entwickelt.
Familie: Oeulinidae FromenTt.
Synhelia M. Eow. u. Hame.
46. Synhelia Meyeri Koch u. Dunck. sp.
Synhelia Meyeri Koch u. Dunck., Beitr. z. Kenntn. d. nordd. Ool. p. 55,
1. 0..1°14.41837
Lithodendron Meyeri A. Rorm., Verst. d. nordd. Kreide. p. 113. 1840.
Synhelia Meyeri M. Evw. u, Haıne, Hist. nat. d. Corall. T. H. p. 115. 1857.
Synhelia Meyeri Froment., Intr. a PEt. d. Polyp. foss. p.176. 1858—61.
Polypenstock ästig; die einzelnen Aeste cylindrisch, dünn.
Kelche mit erhabenen Rändern über das sie trennende com-
pakte Cönenchym hervorragend, weit getrennt, kreisförmig.
Kelch-Grube tief. Cönenchym fein längsgestreift, bei abgerie-
benen Exemplaren fein warzig. 3 Septen-Cyclen scheinen
entwickelt zu sein. Kelch-Durchmesser 1!—2 Mm.
Vorkommen. Die 6 untersuchten Exemplare stammen
aus dem oberen Hilsconglomerate des Elligser-Brink bei Deli-
ligsen (RoEMER).
Familie: Stylinidae Fromenrt,
Holocoenia M. Eow. u. Haıne.
47. Holocoenia micrantha RoEnM. Sp.
Astraea micrantha A. Rorm., Verst. d. nordd. Kreide. p. 113, t. 16, f. 27.
1840.
Synastraea micrantha u. Centrastraea collinaria, microphyllia u. excavata
»’Ore., Prodr. d. paleont. T. II. p.93 u. 94. 1850.
Holocoenia micrantha M. Eow. u. Haıms, Brit. foss. Corals. p. 59. 1851.
Holocoenia micrantha u. collinaria Fromsnt., Descript. d. Polyp. foss.
de l’et. neoc. p. 53 u. 54, t. 7, f. 9-10. 1857.
Holocoenia micrantha u. Thamnastraea? collinaria, microphyllia u. ex-
caxata M. Eow. u. Haınz, Hist. nat. d. Corall. T.II. p. 289 u. p. 583.
1857,
Holocoenia micrantha u. collinaria Froment., Introd. & PEt. da. Polyp.
foss. p. 200. 1858—61.
Polypenstock nach oben sich stark ausbreitend mit
mässig convexer oder ebener Oberfläche. . Ein dickes, deutlich
quergefaltetes Epithek umgiebt den ganzen Stock. Kelch kreis-
' förmig. Kelch-Grube eng. 20 Septen, gerade, sich mit denen
der benachbarten Kelche vereinigend. Zehn derselben sind
gleich gross und erreichen fast die Columella; die anderen
j 477
zwischen sie eingeschobenen Septen sind nur halb so gross.
Columella griffelförmig, stark entwickelt; ihr oberes Ende ab-
gerundet. Kelch-Durchmesser 1; Mm.
Vorkommen. Es lagen 7 Exemplare vor aus dem
mittleren Hilsconglomerate von Apelustedt (Grorrıan). Nach
A. RoEMER findet sich diese Species auch bei Berklingen.
Bemerkungen. Zuerst von A. RoEMER als Astraea
micrantha beschrieben, wurde diese Species im Jahre 1851 von
M. Epwaprs und Haımz zum Typus ihrer neuen Gattung Ho-
locoenia erhoben, die sich von den nahverwandten Tham-
nastraeen durch den ungezähnten Septal-Rand unterscheidet.
Ein Jahr vorher hatte D’ORBIGNY seine Centrastraea collinaria,
microphyllia und excavata aufgestellt. FROMENTEL wies nach,
dass letztere beiden Species mit der ersteren identisch seien,
und beschrieb sie unter dem Namen Holocoenia collinaria.
Seine von derselben gegebene Beschreibung stimmt jedoch
vollständig überein :mit den mir vorliegenden Exemplaren der
Holocoenia micrantha, so dass beide Species als identisch an-
zusehen sind.
Unter den Korallen des französischen Ne&ocomien, die ich
der gütigen Mittheilung des Herrn U. ScHaLöngacH verdanke,
befinden sich 3 Exemplare der H. micrantha. Sie haben sich
bei Gy l’Ereque und Marolles (Aube) gefunden. Abgerollte
Exemplare dieser Species, bei denen die polygonalen, dicken
Keleh-Mauern deutlich zum Vorschein kommen, können leicht
irrthumlicher Weise zu der Gattung Astrocoenia gestellt werden.
Familie: Astraeidae FRronenrt.
Dimorphastraea M. Eow. u. Hiıne.
48. Dimorphastraea vario-septalis.n. sp.
(Taf. IX. Fig. 56).
Polypenstock auf mehr oder weniger langem Stiele mit
kleiner Basis festgewachsen, oben sehr rasch an Breite zu-
nehmend, mit gewölbter Oberfläche. Hauptkelch 6—9 Mm.
breit mit 42 — 70 Septen, mehr oder weniger geschlängelt.
Die 6 Hauptsepten sind frei in ihrer ganzen Ausdehnung; alle
anderen sind sehr ungleich und bündelweise mit einander ver-
einigt. Die kleineren Kelche 4—5 Mm. breit mit 20 bis
32 Septen, meistens concentrisch um den Hauptkelch . an-
geordnet. Columella deutlich entwickelt, papillös. Seiten-
478
flächen der Septen in zahlreiche, konische Spitzen ausgezogen,
die sich mit den benachbarten zu Querbälkchen oft vereinigen. |
Eine Firniss-ähnliche Schicht umhüllt den ganzen Stock.
Es lassen sich zwei Varietäten bei dieser Species unter-
scheiden, die in ihren Extremen leicht getrennt werden kön-
nen, jedoch durch vielfache Uebergänge mit einander verbun-
den sind. Bei der ersten Varietät sind 42—54 Septen in dem
Hauptkelche vorhanden; auf 2 Mm. kommen vier bis fünf; bei
der zweiten besitzt der grosse Kelch 60-—-70 Septen, sechs
kommen auf 2 Mm.
Dimorphastraea vario -septalis unterscheidet sich von der
D. grandiflora und excelsa durch den kleineren Hauptkelch. Bei
D. bellula enthält letzterer weniger Septen; bei D. explanata
sind die kleineren Kelche grösser.
Vorkommen. Es lagen 32 Exemplare vor aus dem
mittleren Hilsconglomerate von Apelnstedt (GROTRIAN).
Bemerkungen. Die kleineren Kelche bilden sich zu
sehr verschiedenen Zeiten nach einander um den Hauptkelch
herum. So zeigt das eine Exemplar von 17 Mm. Breite nur
einen Kelch, zwei andere von derselben Breite sechs und
sieben.
Eine grosse Anzahl von -Exemplaren lagen mir vor, bei
denen sich gar keine neuen Kelche um das Mutter-Individuum
herum gebildet haben. Das kleinste derselben enthält bei
einem Durchmesser von ll Mm. 78, das grösste bei einer
Breite von 17 Mm. 122 Septen.
49. Dimorphastraea tenuiseptalis n. sp. (Taf. IX. Fig. 7.)
Polypenstock mit sehr kleiner Basis fest gewachsen, sehr
rasch an Breite zunehmend. Oberfläche eben. Hauptkelch 8
oder 12 Mm. breit; im ersteren Falle mit 80, im letzteren mit
95 Septen. Dieselben sind gleich stark, dünn, dicht gedrängt (auf
2 Mm. kommen 6—7). Die 6 Hauptsepten sind allein frei,
die anderen mit einander durch ihre inneren Kanten vereinigt.
Die kleineren Kelche 3—4 Mm. breit mit 19— 27 Septen. In dem
grösseren Exemplare stehen um den Centralkelch 10 kleinere
angeordnet, ziemlich dicht gedrängt. Ausser diesem Kreise sind
noch 3 andere, concentrisch um den Hauptkelch angeordnete
Kreise von kleineren Kelchen vorhanden. Die Entfernung zwi-
schen den Kelcheentren je zweier solcher Kreise beträgt 6 Mm,
479
Die Seitenflächen der Septen sind in zahlreiche, konische Spitzen
ausgezogen. Eine Columella scheint zu fehlen. Eine Firniss-
ähnliche Schicht umhüllt den ganzen Stock.
Höhe des grösseren Exemplares 12 Mm., Breite 38 Mm.
Dimorphastraea. tenuiseptalis unterscheidet sich von der vor-
hergehenden durch die grössere Anzahl der Septen des Haupt-
kelches. D. cupuliformis, excelsa und grandiflora, bei denen im
Hauptkelch ungefähr dieselbe Anzahl von Septen entwickelt
ist, trennen sich von ihr leicht durch den grösseren Durch-
messer der kleinen Kelche.
Vorkommen. Es lagen 2 Exemplare vor aus dem
mittleren Hilsconglomerate von Apelnstedt (GROTRIAN).
50. Dimorphastraea Edwardsi.n. sp. (Taf. IX. Fig. 8.)
Polypenstock sehr rasch an Breite zunehmend, mit stark
gewölbter Oberfläche. Hauptkelch 16 Mm. breit mit 67 Septen.
Letztere sind dick (auf 3 Mm. kommen 5), sehr ungleich an
Grösse; die jüngeren vereinigen sich mit den älteren. Um den
Haupikelch stehen 9 kleinere Kelche. - Sie sind 6 Mm. breit
und enthalten 25 - 30. Septen. Columella deutlich entwickelt,
papillös. Höhe des Stockes 12 Mm. |
Dimorphastraeas Edwardsi unterscheidet sich von den bei-
den vorhergehenden Species leicht durch die grössere Breite
der kleineren Kelche. Nahe verwandt sind ihr die D. excelsa
und grandiflora des französischen Neocom. Die erstere unter-
scheidet sich durch die fast gleichen Septen des Hauptkelches-
und die letztere durch die geringere Anzahl der Septen in den
kleineren Kelchen.
Vorkommen. Das einzige vorliegende Exemplar stammt
aus dem Hilsconglomerate (wahrscheinlich mittleren) von Berk-
lingen (RoEuer).
Zum Schluss der Beschreibung der einzelnen Species muss
ich einige Korallen erwähnen, die ausserdem noch aus der
norddeutschen Jura- und Kreideformation aufgeführt werden, über
deren Stellung im Systeme ich nach den vorliegenden Beschrei-
bungen oder Exemplaren nur ein ganz unbestimmtes Urtheil
gewinnen konnte. Das Vorkommen von mehreren dieser Species
in Norddeutschland muss noch sehr bezweifelt werden.
480
Aus dem Jura sind anzuführen:
Anthophyllum sessile Rom. (Verst. d. nordd. Ool.
p. 20, t. 1, f. 7). Was für eine Montlivaultia unter diesem
Namen verstanden wird, lässt sich nicht entscheiden. Jeden-
falls ist sie nicht identisch mit der oben beschriebenen Montli-
vaultia sessilis; von derselben unterscheidet sie sich nach den
gegebenen Beschreibungen und Abbildungen durch das höher
hinaufreichende Epithek. Sie soll sich in der Korallenbank
des Lindner-Berges und den Heersumer Schichten von Heer-
sum gefunden haben.
Lithodendron stellariaeforme ZENK. (Nova act. nat.
curios. Bd. 17, Th. 1, p. 387, t. 28, f. 1). Wie schon MicnE
EpwaArps und Haıme vermutheten, gehört diese Koralle wahr-
scheinlich zur Gattung Goniocora. Nach der Beschreibung von
ZENKER gäbeln sich die einzelnen Aeste unter einem sehr
spitzen Winkel. Die Oberfläche wird von zarten, erhabenen
und glatten Streifen der Länge nach durchzogen. 12 Septen
sind ausgebildet. Sie soll sich im Lias (in calce gryphitica)
vom Speckenbrink finden.
Maeandrina astroides und Astraea confluens Roen.
(Verst. d. nordd. Ool. p. 21 u. 22). Die Rormer’schen Ori-
ginal-Exemplare, die ich zu untersuchen Gelegenheit hatte, wa-
ren in einem so schlechten Erhaltungszustande, dass sich we-
der Gattung, noch Species mit einiger Gewissheit bestimmen
liess. Sie haben sich gefunden in der Korallenbank des Lind-
ner-Berges.
Astraea cristata Rorm. (Nachtr. zu Verst. d. nordd.
Ool. p. 15) aus der Korallenbank von Heersum.
Astraea formosa Ron. (Nachtr. zu Verst. d. nordd. Ool.
p. 16) aus der Nerineen-Bank vom Knebel bei Uppen unweit
Hildesheim.
Astraea limbata Rokm. Sersr. d. nordd. Ool. p. 23)
aus der Korallenbank des Lindner-Berges ist nach der von ihm
gegebenen Beschreibung nicht identisch mit der oben beschrie-
benen Stylina limbata. Sie unterscheidet sich von letzterer
durch die Ausbildung der Septen in 8 Systemen. |
Astraea sexradiata Rorm. (Verst. d. nordd. Ool. p. 23)
aus der Korallenbank des Lindner-Berges.
Anomophyllium Münsteri RoEn. (Verst. d. nordd. Ool.
p. 21, t. 1, £. 6). Durch die Untersuchung der Roruer’schen
481
Original-Exemplare bin ich in den Stand gesetzt, die von
MıLn& EpwaArps und HaımE ausgesprochene Ansicht, dass das-
selbe zu den Zoantharia perforata zu stellen sei, zu bestätigen.
Im Uebrigen ist dasselbe so stark abgerieben, dass man nicht
mehr entscheiden kann, mit welchen Formen es am nächsten
verwandt ist. Auf dasselbe hin lässt sich keine neue Species,
viel weniger noch eine neue Gattung begründen.
Aus.der Kreide sind noch anzuführen:
Turbinolia centralis Rorm. (Verst. d. nordd. Kreideg.
p: 26). ‘Von dieser Species kenne ich kein einziges Exemplar
aus der norddeutschen Kreide. Die von RoEMER gegebene Be-
schreibung ist vollständig ungenügend. Sie lässt sich auf sammt-
liche Species der Gattung Parasmilia und Coelosmilia anwen-
den, die ich oben beschrieben habe.
Turbinolia conulus GisBEL (Zeit. f. Zool., Zoot. und
Paläoz. p. 9) aus dem lockeren Sande an der Steinholzmuhle
bei Quedlinburg (wahrscheinlich Tourtia). |
Anthophyllum explanatum Rorm. (Nachtr. zu Verst.
e hordd. O0l. pp. 15, 1.17, 8.27 u Verst!"dnordd. ’Kreid.
p- 26). Diese von RoEmER aus dem Hilsconglomerate von
Schandelah und Schöppenstedt beschriebene Koralle ist ein
einfacher Polypenstock von niedrig kreiselförmiger Gestalt, mit
'stark gewölbter‘ Oberfläche und mehrfach dichotomen, zahlrei-
chen, gekörnten Septen. Der Kelch-Durchmesser beträgt 1 Zoll.
Sie gehört sehr wahrscheinlich zu der Gattung Leptophyllia;
sie scheint der oben beschriebenen ZDeptophyllia Grotriani nahe
verwandt zu sein.
Lithodendron gibbosum GisBEL (Zeit. f. Zool., Zoot.
u. Paläoz. p. 10) von der Steinholzmühle bei Quedlinburg.
Lithodendron similis GieBEL (Zeit. f. Zool., Zoot. u.
Paläoz. p. 10). Diese von der Steinholzmühle bei Quedlinburg
beschriebene Species gehört vielleicht zur Gattung Synhelia.
Die gegebene Beschreibung ist nach stark abgeriebenen Exem-
plaren geliefert.
Astraea Leunisii Rom. (Verst. der Kreide p. 113, t. 16,
f. 26) aus dem Hilsconglomerat von Berklingen mit 16 dicken,
fast geraden Septen. Diese von RoEMER aufgestellte Species
gehört wahrscheinlich zur Gattung Thamnastraea.
Fungia coronula GiEBEL (Zeit. f. Zool., Zoot. u. Pa-
laoz. p. 10) von der Steinholzmühle bei Quedlinburg.
482
Fungia obliqua Gisseu (Zeit. f. Zool., Zoot. u. Paläoz.
p. 10) von der Steinholzmühle bei Quedlinburg. Nach Gizger’s
Beschreibung soll sich diese von ihm aufgestellte Species von
der vorhergehenden durch die niedergedrückt kegelförmige
Gestalt mit nicht mittelständigem Scheitel unterscheiden, _ Die
Septen sollen schon am Scheitel regelmässig dichotomiren.
Dieser letztere Charakter weist auf eine Verwandtschaft
mit Species der Gattungen Cyclabacia und Stephanophyllia hin.
Werbreitung der Korallen in den verschiedenen
Formationsgliedern der norddeutschen Jura- und
Mreideformation.
In der folgenden Tabelle habe ich alle Species, von de-
nen bei vorliegenden Exemplaren oben genauere Beschreibun-
gen geliefert sind, noch einmal übersichtlich zusammengestellt
mit Angabe ihrer vertikalen Verbreitung in den Schichten der.
norddeutschen Jura- und Kreideformation. Ausserdem ist in
der letzten Columne ihr hauptsächlichstes anderweitiges Vor-
kommen. kurz angeführt. Für Frankreich und England habe
ich dabei ohne Ausnahme die Angaben von :FROMENTEL und
für Deutschland zuverlässige Citate anderer Paläontologen be-
nutzt. Beim Jura ist die Eintheilung desselben nach Herrn v. SEE-
BACH und bei der Kreide die nach Herrn v. STROMBECK zu Grunde
gelegt. Das Zeichen 7 bedeutet, dass das Vorkommen der
Species unzweifelhaft ist, 7? soll anzeigen, dass mir Exem-
plare vorlagen, deren Auftreten in der betreffenden Schicht
nicht absolut gewiss, aber sehr wahrscheinlich ist. Mit ? will
ich bezeichnen, dass das Vorkommen sich auf die Angabe
eines fremden Autors stützt.
483
Korallen des Jura.
Jr
N
als ınla=1.2|9
SS ,18#=[3%
sale 22123
Ss'S5/2821519
Sr See ee 9
: &ı8|2]5]8|3|@
SS So MIMIz A
1. Theeoeyathus macira GoLnwF sp. |- |T Ahle Zone des Am. jurensis u. opalinus
| ; in Würtemberg. — Et. toarcien von
an Avallon, Besangon etc. in Frankreich.
2. Th. tintinnabulum GoLpF. sp. hr Zone des Am. jurensis in Würtem-
berg. — Et. toareien von Mendes in
Frankreich.
3. Montlivaultia subdispar From. T|+|- _Nattheimer Coralrag. — Et..coral-
al: lien: Charcenne, Champlitte in Frank-
en | reich und Malton in England.
4.M. ? sessilis Münsr. sp Far; Thurnau im Bayreuthischen.
MM. brevis n: sp. . - SUSE BB SE ISE is
6.M. turbinata? Münst, spe Se N are Nattheimer Coralrag.
MM. ? excavata Rorn. sp. ee .
8.M. obesa n. sp. u r
9, Bi Deckoloma Ser Nattheimer Coralrag. — Et. coral-
R e& ; ; > n 2 Te i . lien von Champlitte in Frankreich.
adophyllia ? nana Rorn. SP RT :
11. Cl. grandis n. sp. . 1’ i .
12. Goniocora socialis Rosen, sp. . . ü T Et. corallien: Steeple Ashton in
England.
13. Latimaeandra plicataGoLDr. sp. |» ? | Esel Nattheimer Coralr ag.
14. Stylina limbata Goupr. sp. . |- tretn ; | Nattheimer Coralvag.
15. St. Labechet M. Eow.u. Hammer |. -|Tj* | |» } Nattheimer Coralrag. — Et. coral-
| | lien von Belfort in. Frankreich und
Steeple Ashton in England.
16. Thamnastraea concinna GoLDr. ß | ' Nattheimer Coralrag. — Et. coral-
ESD- . |tIr|: |. | lien von Charcenne, Champlitte etc.
| in Frankreich und Steeple Ashton
etc. in England.
1. Th. Armbrusti n. sp. ar + 2
18. Th. Credneri n. sp. ER +
19. Th)? dimorpha n. sp. au ”
Wiraea helianthoides Gounr. Nattheimer Coralrag. — Et. coral-
Sp. ?IT - | lien von Nantua, Tonnerre etc. in
Frankreich.
2. Isastr. Goldfussiana D’Ors. sp. #1: j* |» | Nattheimer Coralrag.
2, Er Koechlini M. Eow. u. Et. corallien von Oltingen in Frank-
. AIME TI- |» reich.
3. Plerastraca ? tenuicostata n. sp. des golden
U. Astrocoenia nn Heam.
Cren. . 1 Be&bssrheh
BMierosolena Roemeri n. sp. +|. | Re
90.
. Caryophyllia a acea
d ige ? cenomaniensis
. Coelosmilia minima n. sp.
C:
. C. cupuliformis Reuss .
» C. Sacheri Rruss
. Parasmilia cylindrica M, Eow.
:P. GravesianaM. Bo u. Home
.P. laticostata n. sp.
.P. conica n. 3
. Brevismilia conica Roc
. Leptophyllia recta n. sp.
.L. Grotriani n. sp.
.L. alta.n. sp. ;
.L. ? neocomiensis n. sp.
. Micrabacia senoniensis n. sp.
. Cyclabacia semiglobosa n. sp.
. C. stellifera n. sp.
. C. Fromenteli n. sp.
. Favia conferta FRoMEnT.
. Synhelia Meyeri Koca u.Dunck.
. Holocoenia micrantha Rorn.sp.
. Dimorphastraea ge
49.
484
Korallen der Kreide.
Rom. Sp: . . .
n. sp.
laxa M. Eow. u. Hatte
u. Haıme
Sp. Bu
sp.
n. sp. e.
D. tenui-septalis n. Sp.
D. Edwardsi n. sp.
Neocom
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+
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Ceno-
man
Unterer Pläner mit
Am. varians.
++
Ober-
Senon
Schichten mit.
Bel. mucronatus.
Schichten mit
Bel. quadratus.
|
[
unbestimmt,
+
+
Eee
+ les
A
E E
Fi
ei:
DO — .
. . . . . . . . . . -
De nn nl Be See nn u cc... .200 2 30 120. 1. a
Senon: Bilin und Weisskirch-
litz in Böhmen — Nehou in
Frankreich — Dinton in =
land. “
A
$
Senon: Norwich in England,
Senon-von Lemberg (Schich-
ten mit Bel. mueronatus.)
Senon: Westphalen und Nor.
wich,
Senon: Chalons-sur- Marne
und Beauvais in Frankreich. |
Neocom: Saint - Dizier ? in
Frankreich.
Neocom: Gy I’Eveque in
Frankreich.
Neocom: Saint-Dizier ? in
Frankreich.
Neocom: Gy l’Evöque, Ma-
rolles etc, in Frankreich.
485
Aus der Tabelle ersieht man, dass von den 50 aufgeführ-
ten Species 26 sich bis jetzt nur in Norddeutschland gefunden
haben. Von denselben gehören 11 dem Jura und 15 der Kreide
an. Die anderen besitzen eine mehr oder weniger grosse hori-
zontale Verbreitung. Ich möchte hier besonders auf ein Factum
noch die Aufmersamkeit lenken, nämlich auf die Identität von
9 Species der norddeutschen Korallenschichten und des Natt-
heimer Coralrag, und zwar von Arten, die hauptsächlich zur
Bildung dieser nord- und süddeutschen Korallenriffe beigetragen
zu haben scheinen. Es sind: Montlivaultia subdispar FROMENT.,
M. turbinata? MvnstT. sp., Thecosmilia trichotoma GOLDF. Sp.,
Latimaeandra plicata GOoLDF. sp., Stylina limbata GOLDF. sp.,
St. Labechei M. Evw. u.Harue, Thamnastraea concinna GoLDF. sp.,
Isastraea helianthoides GoLDF. sp., Isastr. Goldfussiana D'ORB.
sp. Dies scheint darauf hinzuweisen, dass diese nord- und süd-
deutschen Korallenriffie sich unter gleichen oder wenigstens
ähnlichen Verhältnissen gebildet haben.
Erklärnng der Abbildungen auf Tafel VIl., VI. und I.
Tafel VII.
Fig. 1. Montlivaultia -brevis n. sp. Seitenansicht; nat. Grösse. — Ko-
rallenbank; Lindner-Berg.
- 2. Montlivaultia obesa n. sp. Seitenansicht; nat. Grösse. — Schich-
ten mit Pieroceras Oceani; Lindner-Berg.
- 8. Latimaeandra plicata M. Eow. u. Haıme. Seitenansicht; nat.
Grösse. — Korallenbank; Lindner-Berg.
- 4. Thamnastraea dimorpha n. sp. a. Seitenansicht; 3/, nat. Grösse.
b. Ansicht von oben; ®/, nat. Grösse. — Schichten mit Piero-
ceras Oceani; Lindner-Berg.
- 5. Dieselbe. Seitenansicht; nat. Grösse. — Ebendaher.
Tafel VII.
Fig. 1. Coelosmilia_minima n.sp. a. Seitenansicht in natürlicher Grösse.
b. Vergrössert. — Unterer Pläner mit Ammonites varians;
Kothwelle bei Salzgitter.
- 2. Parasmilia cylindrica M. Eow. u. Haıme. Seitenansicht; nat.
Grösse. — Oberes Senon; Ahlten.
- 3. Dieselbe. Seitenansicht; schwach vergrössert. — Ebendaher.
- 4. Parasmilia Gravesiana M.Epw. u. Haıme. Seitenansicht; schwach
vergrössert. — Oberes Senon; Ahlten.
- 5. Parasmilia laticostata n.sp,. Seitenansicht; nat. Grösse, — Oberes
Senon mit Belemnites quadratus; zwischen Andern und Ahlten.
Fig. 6.
RT
-..8
ER
- 10.
Fig. 1.
U:
Sn,
= ni,
ED,
-..6.
SERIE
cr
486
Parasmilia conica n. sp. Seitenansicht. (2/, n. Gr.) — Obe-
res Senon mit Belemnites quadratus; Sudmerberg.
Leptophyllia recta n.sp. &. Seitenansicht; schwach vergrössert.
b. Ansicht von oben. (?/, n. Gr.) — Mittleres Hilsconglome-
rat; Apelnstedt. ;
Leptophyllia Grotriani n. sp. a. Seitenansicht; nat. Grösse.
b. Ansicht von oben. (?/, n. Gr.) — Ebendaher.
Leptophyllia alta n. sp. a. Seitenansicht; schwach vergrössert.
b. Vergrösserte Ansicht von oben. — Ebendaher.
Leptophyllia ? neocomiensis n. sp. a. Seitenansicht; nat. Grösse.
b. Vergrösserte Ansicht von oben. — Ebendaher. |
Tafel IX.
Micrabacia senoniensis n. sp. Seitenansicht. (?/, n. Gr.) —
Oberes Senon mit Belemnites quadratus; Gehrden.
Cyclabacia semiglobosa n. sp. Ein Stück des Vertikalschnittes,
die Columella und die mit Warzen bedeckten Seitenflächen der
Septen zeigend. (?/, n. Gr.) Oberes Senon mit Belemnites
quadratus; Gehrden. 3
Cyclabacia stellifera n. sp. a. Seitenansicht in natürlicher
Grösse. b. Vergrössert. c. Unterseite vergrössert. — Oberes
Senon mit Belemnites mucronatus; Ahlten.
Cyclabacia Fromenteli n. sp. Unterseite. (*/, n. Gr,) — Obe-
res Senon mit Belemnites quadraius; Gehrden.
Dimorphastraea vario-seplalis n. sp. Erste Varietät. a. Seiten-
ansicht; nat. Grösse. b. Ansicht von oben; schwach ver-
grössert. — Mittleres Hilsconglomerat; Apelnstedt.
Dieselbe. Zweite Varietät. Ansicht von oben. (?/, n.Gr.) —
Ebendaher. :
Dimorphastraea tenuiseptalis n. sp. Ansicht von oben. (?/, n.
Gr.) — Ebendaher.
Dimorphasiraea Edwardsi. Ansicht von oben; nat. Grösse. —
Hilsconglomerat von Berklingen.
Nachtrag.
Da, wie ich leider erst nachträglich gefunden habe, der
Name Montlivaultia brevis (Taf. VII. Fig. 1) schon für eine
- Species aus der Tertiärformation von Sinde in Vorder -Indien
vergeben ist, so ändere ich denselben in Montlivaultia Strom-
becki um.
- 487
5. Mineralogisch - geognostische Fragmente aus Italien.
Von Herrn G. vom Raıs ın Bonn.
Hierzu Tafel X, XI, XI.
Erster Theil. 2
I. Rom und die Römische Campagna.
In Rom, wo seit zwei und einem halben Jahrtausend die
Menschen so ausserordentliche Thaten und Werke ausgeführt,
ist es für den Naturforscher nicht ganz leicht, seine Erinne-
rung und Beobachtung von jenen Thaten der Menschheit und
jenen ewigen Denkmälern der Kunst abzulenken und die na-
türliche Beschaffenheit des Bodens zu erforschen, welcher zum
Schauplatze so grosser Ereignisse bestimmt war. Und doch
verdient Roms Lage und Umgebung in ausgezeichnetem Grade
das Interesse des Geognosten; denn hier ist ein Gebiet gross-
artiger und mannichfaltiger vulkanischer Thätigkeit, deren Pro-
dukte den weiten Raum erfüllen zwischen dem Appennin und
dem Tyrrhenischen Meere und von der Toskanischen Grenze
bis zu den Pontinischen Sumpfen und dem Lande der alten Her-
niker. Dies Römische Vulkangebiet wird durch die vulkani-
schen Punkte von Tiechiena und Pofi im Sacco-Thale mit dem
Neapolitanischen Gebiete verbunden.
Roms nähere Umgebung bildet die vielfach geschilderte
Campagna; es liegt die Stadt mit ihren zweihundert Tausend
Bewohnern, eine Welthauptstadt, inmitten eines fruchtbaren,
menschenleeren, nur zum kleinsten Theile angebauten Gebiets,
welches sich meilenweit in jeder Richtung ausdehnt: gegen
Nordost und Ost bis zu den Appenninen, gegen Sudost bis
zum Albaner-Gebirge, in nordwestlicher Richtung bis zu den
Bergen von Bracciano und gegen Sud und West bis an das
Meer. Die Campagna ist eine breitwellige Ebene, deren Ge-
staltung bedingt wird theils durch breite, sanfte Hebungen
und Senkungen des Bodens, theils durch Erosionsthäler, wel-
che in grosser Zahl den lockeren: Boden zerschneiden und
488
ihre geognostische Beschaffenheit blosslegen. Unter diesen
Thälern ist vor allen dasjenige der Tiber zu nennen, dann
das Thal des Aniene, welcher sich oberhalb Roms mit der
Tiber verbindet. Die Tiber, nachdem sie nahe der Stadt Or-
vieto aus einer Appenninen-Spalte hervorgebrochen und mit
der Paglia vereinigt ihren Lauf gegen Sudost genommen, bildet
auf einer Strecke von 40 Miglien (deren 60 auf einen Grad),
hart am Fusse der Appenninen hinfliessend, die Begrenzung
des vulkanischen Gebiets. Nahe dem südöstlichen Fusse des
Monte S. Oreste, des alten Soracte, wendet der Strom seinen
Lauf gegen Sud und Südwest und durchschneidet der Breite
nach das vulkanische Gebiet. Das Tiberthal, welches im
Durchschnitt wenig mehr als 100 Fuss unter die wellige Cam-
pagna-Fläche eingesenkt ist, hat eine völlig ebene Sohle, deren
Breite zwischen einer und fünf Miglien beträgt. In dieser
Ebene beschreibt der Strom einen vielgewundenen Lauf, so
dass er bald das rechte, bald das linke Gehänge beruhrt. Ober-
halb Roms beträgt die Breite der Thalsohle durchschnittlich
2* Miglien; an der Einmündung des Aniene verengt sich die-
selbe auf 1}. Bei der Porta del Popolo ist die Tiberebene
1- Miglie breit und zieht sich im unteren Theile des Stadtgebiets
noch mehr zusammen, so dass sie bei der Kirche S. Paolo
kaum eine Miglie misst. Weiter hinab erweitert sich dann das
Thal schnell. Bei Ponte Galera, noch 7 bis 8 Miglien vom Meere
entfernt, treten die Thalgehänge weit aus einander und lassen
Raum für das alte Mündungsdelta des Stroms, welcher jetzt
auf einer weit vorgeschobenen Landspitze seine gelben Fluthen
mit dem Meere vereinigt. Die Gehänge des Tiberthals sind
meist steil, zuweilen jah absturzend. Häufig vermitteln mannich-
fach verzweigte Schluchten und isolirte Vorhöhen den Ueber-
gang von der Thalebene zu dem Plateau der Campagna. Nir-
gends im Tiberthale auf der Strecke, wo dasselbe das vul-
kanische Gebiet durchschneidet, ist die Gestaltung des Bodens
mannichfaltiger als auf dem Raume, den die weit gedehnten
Mauern Roms umziehen. Die Höhen der rechten Tiberseite
überragen bedeutend die linkseitigen Hügel, welche letztere theils
als Ausläufer des Plateaus, theils isolirt sich aus der Thal-
ebene erheben. Vorspringende Theile der Tuffhochebene sind:
der M. Pinecio, Quirinal, Viminal, Esquilin, Celio und der falsche
Aventin. Isolirt erheben sich aus der Thalsohle als Reste der
489
einst verbundenen rechts- und linksseitigen Höhen: der Capitolin
mit zweien, durch eine Thalsenkung getrennten Gipfeln, der
Palatin und der Aventin. Auf der rechten Tiberseite fallen
in die Stadtumgrenzung der Gianicolo und der Vatican, wel-.
chen sich ausserhalb der Stadt gegen Norden der alle Römische
Hügel überragende M. Mario anschliesst, wie gegen Sud an
den Gianicolo der M. Verde. Die der Tiber zugewandte
Seite der Römischen Hügel ist meist jäh, während allmälig
gesenkte Schluchten zwischen den Hugeln zum Plateau hinauf-
steigen. Solche zum Theil senkrechte Abstürze bieten dar:
der Pineio, der .Capitolin in der Rupe Tarpeja, der Palatin
und der Aventin. Die Gestalt der Hugel und der Thalsen-
kungen ist indess durch die Hände der Menschen so verändert
— theils abgetragen, theils durch den Schutt der Jahrtausende
bedeckt —, dass es nicht leicht ist, sich ein genaues Bild von
dem natürlichen Zustande der Siebenhügelstadt zu entwerfen.
„Die Autorität des Menschen ist wohl keiner Planetenstelle
so sichtbar eingegraben — — wie dem Boden der siebenhuge-
ligen Roma, wo die Berge versanken, die Thäler erhöht sind,
der Tiberstrom einen anderen Lauf genommen hat‘‘ (CARL
Rırter ).
Die Quellbäche des Aniene nehmen ihren Ursprung in
den Bergkesseln von Vallepietra und Filettino. Der Oberlauf
des Flusses ist bezeichnet durch einen Wechsel von Thaäl-
weitungen und Gebirgsengen, zwischen denen das Wasser sich
schäumend hindurchdrängt. Bei Tivoli tritt der Fluss, indem
er die beruhmten Kaskaden bildet, aus seinem Oberlaufe in den
Unterlauf ein. Sogleich unterhalb Tivoli dehnt sich auf der
rechten Flussseite eine weite, von Hügeln umschlossene Ebene
aus, welche ehemals von einem See eingenommen war, dessen
letzte Ueberbleibsel sich in dem Lago di Tartaro und dem
Lago della Solfatara finden. In seinem Unterlauf durchschneidet
der Aniene unter dem Namen Teverone den Tuff der Römischen
Campagna in einer breiten Thalfurche, in deren ebener Sohle
der Fluss viele Windungen beschreibt, bis er sich am Ponte
Salaro, 2 M. oberhalb Roms mit der Tiber verbindet.
Indem wir von Üer geognostischen Beschaffenheit des Rö-
mischen Bodens ein Bild zu gewinnen suchen, müssen wir an
einige Forscher erinnern, welche sich um die Kenntniss dieses
klassischen Gebietes besondere Verdienste erworben haben.
Zeits.d.d.geol.Ges. XVIIL. 3. 32
E e |
490
Nächst L. v. Buc#, welcher durch sein Werk „Geogn.
Reisen durch Deutschland und Italien“ (1802 und 1809) die
Kenntniss des Römischen Gebietes ausserordentlich förderte,
sind vorzugsweise zu nennen:
Gıov. Bart. Brocc#i (geb. 1772 zu Bassano, gest. 1826
zu Chartum), der Verfasser der „Conchiologia fossile subappen-
nina“ (1814), gab im J. 1820 sein wichtiges Werk: „Dello stato
fisico del suolo di Roma“, begleitet von einer petrographischen
Karte des Stadtgebiets, heraus. Seine muhevollen Untersuchun-
gen bildeten die Grundlage aller späteren Forschungen in die-
sen Gegenden und wurden nebst den Arbeiten v. Buc#’s durch
FRIEDR. Horrmann vor seiner italienischen Reise zu einem
übersichtlichen Bilde zusammengestellt: „‚Ueber die Beschaffen-
heit des römischen Bodens, nebst einigen allgemeinen Betrach-
tungen über den geognostischen Charakter Italiens“, s. Poe-
GENDORFF’S Ann. B. XVl. Brocchr gebührt auch das Verdienst,
die erloschenen Vulkane des Hernikerlandes aufgefunden und
dadurch eine Verbindung des Römischen und des Neapolita-
nischen Vulkangebiets nachgewiesen zu haben.
Lorenzo PARFTO, gest. 1865 zu Genua, legte in seiner
Arbeit: „Osservazioni geologiche dal Monte Amiata a. Roma“,
Giorn. Arcadico, 1844, viele genaue Beobachtungen nieder
in Bezug auf die geognostische Beschaffenheit des Landes
zwischen den Flüssen Fiora, Paglia, Tiber und dem Meere,
von welchem Lande er zuerst eine gevgnostische Karte entwarf.
Unter den Lebenden hat sich die grössten Verdienste um
die geognostische Kenntniss des Römischen Gebietes erworben
GıusepPprE Poxzı, Prof. der vergleichenden Anatomie und Minera-
logie an der Universität (Sapienza) zu Rom. Poxzi’s Unter-
suchungen dehnen sich über sämmtliche fünf Provinzen des
Römischen Staates in seinem jetzigen Umfange aus, von denen
er auch bereits handschriftliche geognostische Karteı entworfen
- hat. Der Verfasser fühlt sich verpflichtet, für vielfache münd-
liche Belehrung öffentlichen Dank Herrn Ponzı auszusprechen,
der in der Priesterstadt rastlos für den Fortschritt der Wissen-
schaft arbeitet. *) |
3
*) Im Folgenden gebe ich eine ZBSEHREH DIE der mir bekannt
gewordenen Aufsätze und Notizen Ponzı’s
Osservazioni geologiche lungo la Valle Latina, nebst Karte; Raccolta
scientifica, 1849.
491
Für die Erforschung der geognostischen Bildung der Um-
gebung Roms sind die Höhen der rechten Tiberseite, der M.
Gianicolo, M. Vaticano, M. Mario, welcher sich im M. della
Farnesina zur Brücke Acquatraversa herabsenkt, von beson- .
derer Wichtigkeit, indem sie in dem steilen östlichen, gegen
die Tiber gerichteten Abhang ein natürliches Profil aller in
Roms Umgebung vorkommenden Schichten darbieten.
Am tiefsten Fusse dieser Hohen, namentlich des M. Mario
und des Vatikanischen Berges, dann in der Thalsenkung, welche
westlich vom M. Gianicolo hinzieht, erscheint als un-
terste Bildung, überhaupt als älteste Schicht der näheren Um-
gebung Roms, ein blaugrauer Thon, welcher der Pliocänfor-
mation, der Subappenninen-Bildung, angehört. Es ist derselbe
Thon, welcher in Toscana, um Siena und Volterra, weit ver-
breitet ist. Die Thonschichten des Vaticans und des M. Mario,
welche abwechselnd lichtere und dunklere, mehr reine oder
Memoire sur la zone volcanique d’Italie etc., nebst Karte; Bull. de
la soc. geol. de France, T. VII, 1850.
Storia fisica del bacino di Roma, memoria da servire di appendice
all’ opera ‚‚il suolo fisico di Roma‘“ di Broccur, nebst Karte. Ann. d.
scienze fis. e mat., 1850.
Descrizione della carta geologica della Provincia di Viterbo. Atti
della accad. pont. de’ Nuovs Lincei, 1851.
Sopra un nuovo cono vulcanico rinvenuto nella valle di Cona Ib.
1852.
Sulla eruzione solforosa avvenuta nei giorni 28. 29. 30. Ottohre (1856)
sotto ıl paese di Leprignano, nebst Karte. Ib. 1857.
Note sur les diverses zones de la formation pliocene des environs de
Rome. Bull, de la soc. geol. de France, 1858.
Sullo stato fisico del suolo di Roma. Giorn. Arcadico, 1858.
_ Sulla origine dell’ Alluminite e Cuolino della Tolfa. Atti dell’ accad.
pont. de’ Nuovi Lincei, 1858.
Sui lavori della srada ferrat@« di Cwitavecchia da Roma alla Ma-
gliana. Ib. 1858.
Sui vulcani spenti degli Ernici. Ib. 1858.
Nota sulla carta geologica della Provincia di F'rosinone e Velletri.
Ib. 1858.
Storia nalturale del Lazio. Giorn. Arcadico, 1859.
Dell’ Aniene e dei suoi relitti. Atti dell’ accad. pont. de’ Nuovi Lincei, 1562.
Osservazioni geologiche suwi vulcani Sabatini. Ih. 1863.
Sopra ti diversi periodi erutlivi determinali nell’ Italia centrale. Ib.
1864.
Il periodo glaciale e lantichita! dell’ uomo, wltimo brano di storia
naturale. Ib. 1869.
32 *
492
sandig- mergelige Straten zeigen, liegen horizontal oder neigen
sich unter wenigen Graden gegen Norden. Heute noch, wie vor
Jahrtausenden, wird dieser Thon für Töpferarbeiten gewonnen
in der Thalschlucht zwischen den Hügeln Gianicolo und Va-
tican, und namentlich in der Cava Vannutelli am Vatican. An
diesem letzteren Orte ist nach Ponzı die untere Hälfte der
Schichtenfolge sehr versteinerungsreich, während die obere
Hälfte der Thonmasse ganz frei von organischen Resten ist.
Von dieser Oertlichkeit führt Ponzı Arten von folgenden Gat-
tungen auf: Argonauta, Pecten, Cleodora, Cuvieria, Dentalium,
Phorus, Cassidaria, Conus, Solemya, Pholadomya, Syndosmya,
Limopsis, Leda, Ostrea, Nucula, Cidaris, Hemiaster, Flabel-
lum, Trochocyathus; es sind zum Theil nur benannte, noch
nicht beschriebene Formen. Diese fossilreichen Thonmergel
des Vaticans bilden die unterste der sechs Etagen, welche
Poxzı im Römischen Pliocan, auf charakteristische -Versteine-
rungen gestützt, unterscheidet. Die oberen versteinerungsleeren
Thonschichten des Vaticans setzen am östlichen Abhang des
M. Mario fort. Die für diese zweite Etage des Pliocäns
charakteristischen Versteinerungen finden sich bei Formello
auf einer den Piano di Tivoli gegen Nordwest umrandenden
Höhe. Diese unteren und oberen, bald sandigen, bald merge-
ligen oder reinen Thone, welche das untere Pliocan vertreten,
lassen sich nun nebst den sogleich zu erwähnenden, gelben
Sanden und Conglomeraten als mehr oder weniger schmale
Säume sowohl von Rom abwärts durch das Tiberthal und am
alten Meeresufer hin gegen Corneto, als auch stromaufwärts
bis Orvieto und höher im Thale der Paglia hinauf verfolgen.
Die von jenen Säumen umschlossene gewaltige Masse vulka-
nischen Tuffs ruht demnach auf Thonen als ihrer Unterlage.
Die graublauen 'Thone: des Vaticans und des M. Mario gehen in
ihren oberen Lagen in gelbe Mergelsande über und wechsellagern
mit denselben, welche leiztere oft zu einer kalkig-sandigen Breccie
verkittet sind. Diese gelben Sande sind uns gleichfalls von Tos-
cana bekannt (Volterra und Siena); sie bilden die versteinerungs-
reiche obere Subappenninen- Bildung. So verschieden aueh in
petrographischer Hinsicht der graublaue Thon und der gelbe
Sand sind, so gehören sie doch in geognostischer Hinsicht auf
das Engste zusammen. Ponzı unterscheidet drei durch Verstei-
nerungen charakterisirte Etagen der gelben Sande. Die untere
493
ist entwickelt an der bereits erwähnten Oertlichkeit Formello
nahe Tivoli, sowie auch bei Cornetoim Thale des Martaflusses;
die mittlere am M. Mario, während die obere besonders ver-
steinerungsreich bei Acquatraversa sich zeigt. Am M. Mario
kommen vor als bezeichnend für die mittlere Abtheilung der
Sande oder die vierte Etage des gesammten Römischen Pliocäns:
Panopaea Faujasii Mrn., Mactra triangula Ren., Astarte incras-
sata Broc., Cardium rusticum L., ©. aculeatum L., ©. multi-
costatum Broc., ©. hians Broc., Arca mytiloides BRoc., Chama
squamata D#snH., Pecten Jacobaeus Lin., P. polymorphus BRONN,
Ostrea edulis L., Terebratula ampulla Broc., Natica tigrina
DerR., Vermetus gigas Bıv., Trochus conulus L., Turritella tri-
carinata Broc., Buccinum polygonum BRoc., Oypraea coccinella
Lam., Dentalium elephantinum Broc. nebst sehr vielen anderen
Arten. Der Catalogue des coquilles fossiles du M. Mario, wel-
chen im J. 1854 Ponzı in Gemeinschaft mit dem Grafen Ray-
NEVAL und Herrn van DEN HEckE veröffentlichte (welcher in-
dess leider in Folge des Todes Raynevar’s unvollendet blieb),
führt aus dieser Etage vom M. Mario allein 272 Arten auf.
Dieselbe versteinerungsführende Etage fand Ponzı wieder
wenig südöstlich von Corneto im Thale des Mignone, auf
beiden Seiten dieses Flusses, nahe seiner Mündung.
Die obere Abtheilung der pliocanen Sande oder die fünfte
Etage des Römischen Pliocans ist nahe dem Gipfel des M.
Mario und besonders versteinerungsreich bei Acquatraversa.
entwickelt, wo die Via Cassia aus dem Tiberthale zum Tuff-
‘ plateau emporsteigt. Einige der bezeichnendsten Formen von
letzterem Fundorte sind nach Ponzı: Solen siligua L., Mactra
stultorum L., Astarte incrassata Broc., Venus senilis BROoc.,
V. Chione L., Cardium rusticum L., ©. sulcatum Lam., C. hians
Broc., Arca mytiloides Broc., Leda emarginata Lam. Pecten
varius L., P. opercularis L., P. Jacobaeus L., Ostrea edulis L.,
Natica millepunctata Lam., Scalaria communis Lam., Turritella
tricarinala Broc., Cerithium trieinctum Broc., Buccinum prismati-
cum BRoc.
| Ueber den gelben Sanden und Breccien ruhen Geschiebe-
lager, welche gleichfalls dem Pliocan angehören. Ponzı und
der vor Kurzem verstorbene Msgr. Lav. de’ Medici SpanAa ha-
ben das Verdienst, diese Geschiebe von den die Thäler der
Tiber und des Aniene erfüllenden, diluvialen Flussgeschieben
2 | 494
bestimmt gesondert zu haben. Die pliocänen Geschiebelager be-
stehen aus Kalk- und Feuersteinstüucken, deren Ursprungsstätte
im Appennin sich findet. Ihr unterscheidendes Kennzeichen
besteht ausser ihrer Lage darin, dass sie durchaus keine vul-
kanischen Gerölle enthalten. Dies beobachtete L. v. Bvuc#:
„Unter den Geschieben, welche diese Sandsteinhöhen (M.Vaticano
und Mario) bilden, sucht man vergebens Produkte, die vom Monte
Cavo, von Marino oder Frascati herabkamen; vergebens Stücke
von Travertino, von Tuff, Peperino, Leucit, Basalt und an-
deren Fossilien, die man doch in geringer Entfernung und auf
diesen Hügeln selbst sehr häufig antrifft. Dagegen schen wir
andere Fossilien aus dem Innern der Appenninen, Jaspis und
Feuerstein, die häufig kleine Schichten im Alpenkalksteine bil-
den, viele Stücke vom Kalksteine selbst und andere Geschiebe,
welche von ungleich entfernteren Orten hergefuhrt werden mussten,
als es bei den Gesteinen des Gebirges zwischen Velletri und
Frascati bedurft hätte.* Die pliocanen Geschiebebänke bilden
den Gipfel des Vaticans; sie treten nahe dem Scheitel des M.
Mario auf und erscheinen auf der Höhe des M. della Farne-
sina bei Acquatraversa auf beiden Seiten der Via Cassia.
Diese Schichten bilden Ponzr’s sechste Etage des Römischen
Pliocäns, bezeichnet durch Knochen grosser Säugethiere, welche
zuweilen noch in ganzen Skeletten vereinigt und wenig gerollt
sind. Sie lieferten bei Acquatraversa ein Skelett von Elephas
"meridionalis Nestı, welches sich in der Universitäts- Sammlung
zu Rom befindet. Auch Reste von Mastodon arvernensis CRoIx.
et JoB., Rhinoceros incisivus Cuv., Bos primigenius Cuv. führt
Poxzı aus diesen Schichten an. |
Mit diesen Geschieben endet das Römische versteinerungs-
führende Pliocan, welches von der mächtigen Decke vulkani-
schen Tuffs überlagert wird. Bevor wir diese letztere naher
kennen lernen, müssen wir noch einige merkwürdige Oertlich-
keiten des Römischen Pliocäns erwähnen.
‘Südlich des Bergs Soracte, bei Rignano, ist in einer tiefen
Schlucht (Fosso di Don Aurelio) unter der Tuffdecke Mergel-
thon entblösst, welcher von Poxzı seiner zweiten Etage zuge-
zählt wird. Die Schichtenfolge ist hier: Mergelthen, gelber
Sand, vulkanischer: Tuff, welche Schichten mit horizontaler
Lage auf den gegen Westen fallenden Kalkschichten des Soraete
ruhen. In dem Mergelthon wurde (1857) ein vollständiges
B 495
Elephanten - Skelett gefunden, welches nach Larrer’s Bestim-
mung*) der Species E. antiguus Fauc. angehört. Es möchte
dieser Fund von Rignano demnach eines der ältesten Vorkomm-
nisse von Elephanten sein und beweisen, dass diese Thiere
lange vor der älteren, längst erloschenen vulkanischen Thätig-
keit Italien bewohnten und dieselbe überdauerten.
Während auf der linken Tiberseite im Römischen Stadtgebiet
und weiter den Strom hinab keine tertiären Bildungen auftreten,
sind dieselben unterhalb Roms auf der rechten Seite ganz ähnlich
wie am M. Mario gelagert und durch den Eisenbahnbau deutlich
entblösst. Auch dem flüchtigen Reisenden kann die Ueber-
lagerung der mächtigen tertiären Geröllschichten durch den
vulkanischen Tuff langs der Bahn von der Station Magliana
bis gegenüber der Kirche S. Paolo nicht entgehen. Genauer
wurde dieses Verbalten durch Poxzı beschrieben. Der Hugel-
zug des Gianicolo besteht in seiner unteren, grösseren Hälfte
aus fast horizontalen Bänken von gelbem Sande und von ver-
kitteter Muschelbreceie, welche wie am M. Mario von einer
wenig mächtigen Schicht vulkanischen Tuffs bedeckt werden.
An dem gegen Suden angrenzenden M. Verde (welcher der Kirche
S. Paolo gegenüberliegt), geht plötzlich der Tuff bis zur Thal-
sohle hinunter, und dies Verhalten hält an bis zur Kirche Sta.
Passera, etwa eine Miglie weit, wo eben so plötzlich am un-
teren Berggehänge der Tuff verschwindet und die Sande und
Breccien des Gianicolo von Neuem erscheinen. Dieses eigen-
thumliche Auftreten, dass am M. Verde der Tuff tief hinab-
reicht, während oberhalb wie unterhalb in demselben Niveau
ältere Schichten sich zeigen, findet nach Poxzı seine Erklärung
in einer Verrutschung oder Senkung, welche zwischen verti-
kalen Spalten erfolgte. Am M. delle Piche nahe der Station
Magliana beobachtete Ponzı in einer durch den Bahnbau ver-
anlassten Entblössung unten graue Thonmergel, dann Schich-
ten von Sand und Geröll, darüber den vulkanischen Tuff.
Auf der Grenze von Mergel und Sand treten viele Lignitlager
auf, zwischen denen eine grosse Menge vor Meeresconchylien
sich finden. Dieselben Straten umschliessen auch zahlreiche
*, Observations de M. Larter ad propos des debris fossiles des divers
elephants dont la decouverte a ete signalee par M. Ponzı, aux environs
de Rome. Buli, de la soc. geol. de Fr., T. XV., Ser. II. p. 564.
496°
Gypskrystalle und kleine Schwefelpartieen. Die Lignite werden
durch Stämme und Zweige der Gattung Pinus und Ulmus ge-
bildet, welche hierhin geschwemmt‘ zu sein scheinen. Diese
Lignitlager stellen den M. delle Piche in vollkommene Parallele
zum Vatican und zum M. delle erete (westlich vom Gianicolo),
woselbst bei der Thongewinnung häufig bituminöse Hölzer ge-
funden werden. Die Thonmergel des M. delle Piche lieferten
Arten der Gattungen Venus, Tellina, Cardium, Nucula, Natica,
Trochus, Buceinum,. Einzelne Lager von sandigem Thone
zwischen den Ligniten zeigen, unter der Lupe betrachtet, den
Schwefel in zierlichen Krystallen. |
Die pliocäanen Meeresgerölle sind nicht auf die Römische
Campagna beschränkt, sondern dringen an einzelnen Stellen
durch die Oeffnungen der Appenninen bis in die inneren Berg-
kessel dieses Gebirges ein, zum Beweise, dass das pliocäne
Meer in zahlreichen Buchten das felsige Ufer zerschnitt. Ein
solches - Lager pliocäner Geschiebe findet sich in der Thalwei-
weitung von Subiaco; hier fanden sich (am Wege gegen das
Kapuziner-Kloster) im J. 1862 ein ‘Stosszahn und verschie-
dene andere Elephantenknochen im Geröll und Sand. Ponzıer-
innert daran, dass vor den vulkanischen Eruptionen in diesem
Theile Italiens das Appenninenland mit einer subtropischen Vege-
tation bedeckt war, welche durch CH. THEoPH. GaAuDIN und
den Marchese C. Strozzı beschrieben worden ist. -
Kehren wir wieder zum M. Mario zurück. Es bildet vulkani-
scher Tuff die oberste Bedeckung des Berges. Dieser Tuffbildet in
zusammenhängender Masse das mittelitalienische Vulkangebiet,
100 Miglien lang von Nordwesten (Acquapendente und Sovana)
gegen Sudosten (Segni uud Cisterna) und im Mittel 30 M. breit, von
der Linie der Fiora und dem Meeresgestade bis zum Mittellauf der
Tiber und zum Fusse des Appennins. Vereinzelte, ehemals wohl
zusammenhängende Partieen lassen sieh in den Verzweigungen
dieses Gebirges verfolgen. Der Römische Tuff ist von dunkel-
oder lichtbrauner Farbe und deutlich geschichtet. Schon diese
Schichtung, welche horizontal sich über weite Räume verfolgen
lasst, beweist, dass wir hier eine untermeerische Bildung vor
uns haben. Denn so gleichmässig und weit fortsetzende Schich-
ten auf Ebenen, die gegen das Meer hin offen sind, können sich
nur im Meere gebildet haben. Der Tuff wechselt vielfach in seiner
Beschaffenheit; die herrschende Varietät ist locker und zerreib-
497
lich; feinerdige wechseln mit grobstückigen Schichten. Von
festen Gesteinstucken finden sich in diesem Tuffe viele durch
ihre weisse Farbe sogleich in die Augen fallende, welche aus
bimssteinartigem Trachyt bestehen (in welchem Sanidin
und schwarzer Glimmer beobachtet werden). Dieser Trachyt
geht auch wohl in echten Bimsstein über, welcher sich zuwei-
len — auch im Stadtgebiete Roms — zu selbstständigen
Schichten aussondert. Ausserdem umschliesst der Tuff zahl-
lose, kleine, gerundete, schwarze Leucitophyr- Schlacken.
Mehr oder weniger häufig finden sich als Einschlüsse Kalk-
steinstucke, bald von dichter, halbkrystallinischer, bald von
deutlich körniger Beschaffenheit. Diese Kalksteine, veränderte
Reste des Grundgebirges, sind den beiden grössten italienischen
Vulkangebieten gemeinsam und finden sich vom Vesuv und
von Pompejis Bimssteindecke an bis Pitigliano, nahe der Nord-
grenze des Römischen Gebietes. Von den dem Tuffe einge-
mengten Mineralien ist namentlich hervorzuheben der Leueit in
mehlartig zersetztem Zustande. Durch diesen, wahrscheinlich
zu Analcim veränderten Leueit erhält der Tuff der Römischen
Campagna eine überraschende Aehnlichkeit mit unserem Rie-
dener Tuff. Es möchte dies indess wohl das einzige Ana-
logon der merkwürdigen Bildung unseres Laacher Gebietes sein,
da bekanntlich die Umgebungen Neapels keinen Leucittuff be-
sitzen. Ausserdem enthält der Tuff Augite theils von schwarzer,
theils von grüner Farbe, mehr oder weniger zerstörte Glimmer-
blätter, Magneteisen, seltener Sanidin. Von diesem gewöhn-
-Jichen, überaus verbreiteten Tuff unterschied Brocchi eine feste,
mehr homogene Abänderung unter dem Namen Steintuff. Dieser
gleichfalls in Schichten geordnete Tuff ist von einer solchen
Festigkeit, dass er als Baustein vielfach verwandt wird; von
seindr röthlichbraunen Farbe führt er den Namen „pietra rossa.*
Aus diesem Steintuff besteht innerhalb des Stadtgebiets na-
mentlich die Rupe Tarpeja, sowie auch der nördliche Gipfel
des Capitolins, welcher die Kirche $S. Maria in Ara Oaeli trägt.
Ausserdem führt BroccHı als Fundstätten des Steintuffs an
den Aventin und den westlichen Theil des Celio. PLixıus
sagt von diesem Tuff, dass, um denselben mit Vortheil als
Baustein verwenden zu konnen, man ihn im Sommer brechen
und wenigstens zwei Jahre an der Luft trocknen müsse.
Poxzı betrachtet den Römischen Tuff als die jüngste Bildung
| 498
der pliocänen Formation, worüber die Entscheidung bei der
äussersten Seltenheit der darin gefundenen organischen Reste
schwierig sein möchte. Ausser einigen kleinen Zähnen, einem
Roditoren angehorig und bei Rivo gefunden, sowie vereinzelten
Bruchstucken von Conchylien und Resten von Landpflanzen
ist bisher nichts Organisches im Tuff vorgekommen. Die.
_ Pflanzenreste finden sich vorzugsweise in einer Zone längs des
Appennins und scheinen die alte Küstenlinie anzudeuten.
In allen vulkanischen Gebieten ist bekanntlich die Frage
nach der Ausbruchsstelle des Tuffs eine sehr schwierige.
Werfen wir diese Frage für die ungeheure Masse des Roömi-
schen Tuffs auf, welche einen Raum von etwa zwanzig deutschen
Quadratmeilen in einer mittleren Mächtigkeit von weit uber
100 Fuss bedeckt, so können wir deren Ursprungsstätte nur in
den vulkanischen Bergen um den Ciminischen und Sabatinischen
See finden. Denn die leucitisch -trachytischen Elemente des
Tuffs treffen wir dort in den Leueitophyren, Trachyten und
Leucittrachyten wieder, während das Albaner Gebirge nur Leueito-
phyr, aber weder Trachyt, noch Bimsstein darbietet und, wie wir
in der Folge sehen werden, späteren Ursprungs ist als der
Tuff der Römischen Campagna. Es ist dem Römischen und
dem Phlegräischen Gebiete gemeinsam (ein Umstand, der ja
auch bei unserem Riedener Tuff wiederkehrt), dass die anste-
henden festen Felsmassen so sehr zurücktreten hinter der .un-
geheuren Masse des Tuffs. Durch die mächtigen Eruptionen,
welche zu Ende der Tertiärzeit aus den vulkanischen Schlun-
den der Umgegend von Viterbo und Bracciano sich ereigneten,
und deren Material sich auf dem Boden eines wenig tiefen
Meeres ausbreitete, wurde der Seegrund allmälig erhöht. Es
folgte schliesslich eine Hebung dieses ganzen Landstrichs, wo-
durch das vorherrschend aus zerreiblichem Tuffe gebildete
Gebiet der Erosion der Flusse ausgesetzt wurde. Auch die
vulkanischen Eruptionen der heutigen Zeit, welche im Meere
stattfinden, müssen mächtige, ausgedehnte Tuffmassen erzeugen,
deren höchste Punkte nur sich über das Meer erheben und
den Charakter atmosphärischer Ausbrüche erhalten. So ist es
im weiten Römischen Gebiete; die höheren Punkte bestehen
aus Schichten rollender, aus der Luft niedergefallener Schlacken
und Aschen, die Tuffe des welligen Hügellandes und der Ebene
sind im Meere geschichtet. Die Flüsse Tiber und Aniene, de-
499
ren Mündungen bis zu Ende der pliocänen Epoche an den
Appenninen-Pforten, nahe Orvieto und bei Tivoli, gewesen,
setzten nun über das neu gehobene Terrain ihren Lauf weiter
fort und ergossen sich bei Ponte Galera, 8 Miglien vom heu-
tigen Meere entfernt, im Hintergrunde einer Bucht in’s Meer.
Es bildeten sich jene breiten Flussthäler, welche von steilen
Tuffwänden begrenzt sind, und auf deren ebenem Grunde die
Flüsse sich in Serpentinen winden. Diese zum Theil mehrere
Miglien breiten Thäler lassen sich kaum anders erklären, als durch
die Annahme, dass einst grössere Wassermassen sich in ihnen.
bewegten. Darauf deuten auch die gewaltigen diluvialen Geröll-
massen, welche die Römischen Flüsse in ihrem heutigen Stande
nicht mehr bewegen können. Poxzı hält es, um eine ehemalige
grössere Fluth der diluvialen Ströme zu erklären, nicht für un-
wahrscheinlich, dass in jener Zeit die hohen Thalkessel des
Apennins von Gletschern erfüllt gewesen seien, und er glaubt
gerade in dem Hochthale von Vallepietra einen solchen Thal-
circus zu erkennen, ähnlich jenen, welche den alpinen Glet-
schern zum Ursprunge dienen. Wenngleich aber, besonders
durch MOoRTILLET und GasTAaLpı, für die südalpinischen Glet-
scher der Diluvial-Epoche eine unermesslich grössere Ausdeh-
nung, als die heutige ist, nachgewiesen wurde, so sind doch
bisher (soviel mir bekannt) direkte Beweise für die einstmalige
Existenz von Gletschern im Apennin noch nicht aufgefunden
worden. Ebensowenig scheinen bisher andere Beweise einer
diluvialen Temperatur-Erniedrigung im mittleren und südlichen
Italien gesammelt worden zu sein.
Es folgten nun in der Bildung des Römischen Bodens die
Ablagerungen der Diluvial-Epoche, Geschiebe und Sand, sowie
Travertin, welche zum Theil noch heute fortdauern. Diese
Ablagerungen folgen den weiten Flussthälern, an dessen Ge-
hängen sie stufenweise herabsteigen und so den ehemaligen
höheren Stand der Flüsse documentiren. Während die pliocä-
nen Geschiebe zwischen den gelben Sanden und dem vulkani-
schen Tuffe ein bestimmtes höheres Niveau behaupten und
horizontale, weit fortsetzende Schichten bilden, zeigen die dilu-
vialen Geschiebe ein ziemlich unregelmässiges, auf die Thal-
gehänge beschränktes Auftreten. Sie bestehen aus Kalksteinen
und Kieseln der Appenninen, denen sich zahllose vulkanische
Gerölle sowohl aus dem nördlichen Theile unseres Gebietes, als
500
auch aus Latium hinzugesellen. ‘Ueber die Geschiebe des Aniene
hat Poxzı interessante Beobachtungen gesammelt. Die Geschiebe
und Sande sind nicht gleichmässig längs des ganzen Fluss-
laufs verbreitet; sie häufen sich an den Stellen, wo die Strom-
geschwindigkeit nachlässt. Im Oberlaufe des Aniene lagerten
sich die Geschiebe besonders an den oberen Stellen der Thal-
weitungen (von Arsoli und Subiaco), während die Sande weit
hinabgeführt wurden. Auch die diluvialen Geschiebe, wie man
sie am Mons Sacer nahe der Brücke Salaro oder bei der Brücke
Mamolo beobachtet, sind in Bänke und Schichten gesondert.
Diese sind aber weder so mächtig, noch so weit horizontal
fortsetzend, noch so grosswellig gewölbt, wie die pliocänen
Conglomerate; vielmehr stellen sie kurze, unterbrochene, ord-
nungslos über einander geschichtete Säume dar. Der Wechsel
zwischen hohem und niederem Stande des Flusses verräth sich
durch abwechselnde Lagen von gröberen und feinen Geschieben.
Die Kalk- und Feuersteingerölle sind völlig gerundet und stam-
men von jenen pliocänen Geschiebemassen her, welche im
Oberlaufe des Flusses zerstört wurden. Die vulkanischen
Fragmente von Trachyt und Leucitophyr sind meist ziemlich
scharfkantig. Durch ein kalkiges Cement sind häufig die dilu-
vialen Gerölle des Aniene zu einem festen Conglomerate ver-
kittet.
Da die diluvialen Geschiebe wesentlich aus dem von Neuem
transportirten Materiale der pliocänen Geröllschichten gebildet
sind, so kann es auch nicht Wunder nehraen, die organischen
Reste und namentlich die Säugethier-Knochen dieser pliocänen
Schichten hier wiederzufinden. Doch finden wesentliche Unter-
schiede statt zwischen dem Auftreten jener Knochenreste (von
Elephanten, Hippopotamen, Rhinoceronten) in den pliocänen und
in den diluvialen Schichten. In diesen jüngeren Schichten
nämlich bilden die Knochen nie ganze Skelette, noch liegen
die Theile desselben Skeletts auf einem engen Raume zusam-
men, vielmehr sind sie zerstreut und gerollt. Auch finden
sich diese Knochenreste in den Flussthälern niemals oberhalb
derjenigen Punkte, wo der Fluss pliocäne knochenführende
Geschiebelager erreicht, sondern stets nur unterhalb derselben.
Endlich sollen auch die älteren diluvialen Travertine (welche
ein treues Bild der diluvialen Fauna dieser Gegend darbieten)
niemals Gebeine jener pliocänen Pachydermen einschliessen.
901
Es sind namentlich die Reste folgender fünf Species, wel-
che, ursprünglich dem Pliocän angehörend, zerstreut und ver-
stüummelt durch Ponzı in den diluvialen Geschieben des Aniene
gefunden wurden: Eiephas primigenius Brum., E. antiquus Fauc.,
E. meridionalis Nestı, Hippopotamus major Cuv., Rhinoceros
megarhinus ÜRIST.
Mit diesen Resten zusammen kommen folgende vor: Bos
primigenius Cuv., Cervus elaphus L., C. intermedius (?) GEOFF.,
Equus fossilis, Castor fiber L., Canis hyaena und einige andere,
welche nicht aus den pliocänen Geschieben herrühren, sondern
der Diluvialfauna angehören. Ausserdem enthalten die dilu-
vialen Sande und Geschiebe eine grosse Menge Schalen von
Susswasser- und Landmollusken, den Gattungen Bulimus, Cy-
clas, Helix, Limnaea, Paludina, Planorbis, Pupa angehörig.
Die Eisenbahn, welche von Rom, zunächst im Tiberthal
hinab, nach Civitavecchia führt, hat insbesondere nahe der
Kirche Sta. Passera — gegenüber S. Paolö — eine deutliche
Entblössung‘ der Diluvial-Gerölle geliefert. Während die Thal-
gehänge von unten nach oben aus grauem Thone, gelbem Sande,
marinen Geschieben, endlich aus vulkanischem Tuffe bestehen,
ziehen sich in dem breiten Thale, an dessen Gehänge gelehnt,
diluviale Geschiebemassen hin, welche auf eine weite Strecke
der Bahn zur Unterlage dienen. Die Oonglomeratbrüche des
M. Verde nahe dem Pozzo Pantaleo haben viele Säugethier-
knochen geliefert, zum Theil Reste aus pliocänen Schichten,
zum Theil wirklich diluviale Formen. Auch viele Schalen von
Susswasser-Gastropoden, Paludinen und Limnaeen finden sich
in dünnen Mergelschichten, welche jenen Breceien zwischen-
gelagert sind. Wo man, dem Thale folgend, auf den Pian due
Torri hinaustritt, sieht man die obersten Lagen so weiss, dass
man Kalkgerölle vor sich zu haben glaubt; genauer betrachtet
ergiebt sich, dass es lauter Pferdeknochen sind, dazwischen
einige Hundezähne. Zur Zeit als jene Absätze sich bildeten,
scheinen demnach grosse Schaaren von Pferden die Römische
Ebene durchschweift zu haben. (Ponzı.)
Wie die Gerölle der mechanischen Wirkung des Wassers
ihre Lagerung verdanken, so ist der Travertin eine chemische
Ablagerung der kalkgeschwängerten Appenninen-Flüsse. Der .
Travertin (Lapis Tiburtinus) giebt der ewigen Stadt ihre archi-
tektonische Physiognomie. „Des alten Roms Tempel, des
502
neueren Roms Paläste und Kirchen hätten von ihrer Majestät
und Pracht unendlich verloren, hätte sich nicht dem grossen
Geiste, der sie aufführte, ein Baugestein dargeboten, wie der
Travertino ist.“ (v. Bucn.)
Der Travertin ist langs des Laufs des Aniene keineswegs
zufällig oder unregelmässig vertheilt; vielmehr findet er sich
einerseits dort, wo der Fluss Kaskaden bildet. oder bildete,
andererseits dort, wo sein Wasser in seeartigen Weitungen
stagnirte. Nach dieser Verschiedenheit der Oertlichkeiten ist
die Beschaffenheit der Travertine eine sehr verschiedene; dort
gleicht das Gestein einer schwammigen Masse, hier ist es ho-
mogen und dicht. Der Oberlauf des Aniene, einschliesslich
des Piano di Tivoli, ist weit reicher an Travertin als der
Unterlauf, der vorzugsweise von Geröllen begleitet ist. Die
Becken von Subiaco und Arsoli bieten ungeheuere Massen die-
ser Kalkbildung dar. Die Vorhöhe des Apennins, auf welcher
in 646 Par. Fuss Meereshöhe Tivoli liegt, besteht gänzlich aus
Travertin, welcher in dem am Fusse des Berges sich ausbrei-
tenden Piano eine noch grössere Ausdehnung gewinnt. Am
Unterlaufe des Flusses, wo die überschüssig gelöste Koblen-
saure des Wassers bereits entwichen, wird der Kalktuff selte-
ner, doch findet er sich noch in der Nähe und innerhalb Roms
bei Tor di Quinto (Tre Ponti), an der Via Flaminia, am M.
Parioli vor der Porta del Popolo, am Pincio, am Aventin, bei
Acquacetosa, am nördlichen Ende des Gianicolo u. a. ©.
Da eine petrographische Charakteristik des Travertins, vorzugs-
weise der trefflichen Schilderung v. Bucn’s entnommen, in
allen betreffenden Werken zu finden ist, so wäre es unnöthig,
Bekanntes. hier zu wiederholen. Ueber die Entstehung des
Travertins sagt Ponzı: „die zahlreichen pflanzlichen Gebilde,
welche vom Travertin umhullt werden, scheinen zu beweisen,
dass sie zur Bildung des Gesteins wesentlich beigetragen ha-
ben, indem sie die zu ihrem Lebensprocess nöthige Kohlen-
saure dem Wasser entzogen.“ Zu demselben Resultate kommt
in seiner interessanten und gründlichen Arbeit: „Ueber die Ent-
stehung, des Travertin in den Wasserfällen von Tivoli“ (Neues
Jahrbuch von LEONHARD und Gemirz, 1864, S. 580 — 610).
Dr. Ferv. Cons, welcher die Ueberzeugung gewann, dass es
vorzugsweise Wassermoose und Algen sind, welche die primäre
Veranlassung zur Entstehung des Gesteins von Tivoli geboten
503
haben; der weitere Verlauf der Steinbildung gehe unabhängig
vom pflanzlichen Leben vor sich; denn wir beobachten: „dass
die Moosinkrustationen in den lockern, traubig-schuppigen Kalk-
sinter, dieser wieder in dichten Travertin übergeht, dass also die
ursprünglich weiten Poren der Masse sich fortdauernd mehr und
mehr mit krystallinischer Substanz ausfüllen; wir müssen daher
annehmen, dass der Krystallisationsprocess noch fortdauert,
auch wenn die in der Kalkkruste erstickten und vermoderten
Pflanzen keinen Einfluss mehr auszuuben scheinen.* Aus den
Untersuchungen Convw’s ist noch hervorzuheben, dass auch die
steinharte, fast dichte Kalkbildung in dem Kanal, welchen der
Cardinal IppoLıt p’EstE graben liess, um die Gewässer der La-
gunen von Tivoli zum Aniene abzuleiten, durch pflanzliche Thätig-
keit gebildet ist, indem die Steinmasse beim Auflösen in Chlor-
wasserstoffsäure ein fast gleiches Volumen von Algen zurucklässt.
Die Travertin-Massen von Tivoli und der nördlich angren-
zenden Hügel haben durch die Untersuchungen des Priesters
D. Carto Rusconı ein besonderes Interesse erhalten. Die
mächtigen Travertine des Tiburtinischen Pianos ruhen auf vul-
kanischem Tuff, welcher am nördlichen Rande des Beckens
hervortritt, und lassen folgende Schichtenreihe erkennen: zu-
unterst eine compakte Travertinbank von unbekannter Mäch-
tigkeit, darüber eine 0,7 M. mächtige Schicht rothbrauner locke-
rer Pflanzenerde mit massigen rothen Travertinstücken gemengt.
Auch vulkanische Gerölle finden sich in dieser Schicht, dann
eine 0,7 M. mächtige Bank weissen, compakten Travertins.
Auf diesen unzweifelhaft in der Diluvialzeit gebildeten Schich-
ten ruhen jüngere von leichter und. schaumiger Beschaffenheit
(die sogenannten Cardelline), welche zur Aufführung leichter
Zwischenmauern dienen. Schliesslich folgen und bilden die
Oberfläche der Niederung die um die Pflauzengebilde noch
beständig fortwachsenden Incrustationen, welche den Lago di
Tartaro berühmt gemacht haben.
Nördlich vom Piano di Tivoli erheben sich mehrere Hu-
gel, darunter namentlich derjenige, welcher das Dorf S. An-
gelo in Capoceia trägt — 1283 Par. Fuss hoch —, sowie der-
jenige, auf dem Monticelli steht, 1262 Fuss hoch. Der letztere
besitzt zwei Gipfel, von denen der eine — Monte Albano —
ein Kloster, der andere das Dorf Monticelli trägt. Beide Gipfel
stellen sich deutlich von der Villa d’Este bei Tivoli dar. Diese
ı
504
Hügel, Vorhöhen des Apennins, bestehen aus Schichten der
Lias- und Oolithformation, welche von Nordwest nach Südost
streichen und gegen Südwest sich senken. Die unteren Schichten
sind weisse krystallinische Kalke mit Ammonites bisulcatus, viel-
leicht dem unteren Lias angehörig. Es folgen andere weisse
Kalke in mächtigen Bänken, erfüllt mit Terebrateln — mittlerer
Lias. Ueber den Gipfel des Hugels verläuft eine Zone rothen,
thonigen Kalksteins mit vielen Ammoniten — oberer Lias. Der
jenseitige nördliche Abhang des Berges besteht aus feinplatti-
gem, Majolika-aähnlichem Kalkstein mit vielen weissen Kalk-
spathadern ‘und Feuersteinknauern, in welchem Aptychen ge-
funden worden sind, der demnach mit Wahrscheinlichkeit dem
Oolith zugerechnet werden muss. Die Schichten dieser Hugel
werden nun von vielen Spalten durchsetzt, welche, von rothen,
Travertin-ähnlichen Massen erfüllt, eine grosse Menge von
organischen Resten geliefert haben. Solche Spalten, auf denen
Rvsconı sammelte, setzen auf am Monte Albano, bei Monti-
celli und bei Fossavota im mittleren Lias, zu Carcibove, zu
Collelargo und Collegrosso im Oolith. Aehnliche Bildungen
wie jene Klüfte bietet auch die Oberfläche der Hügel dar in
alten Erosionsbetten, welche in der Vorzeit Bächen zu Wegen
dienten. Die oben aufgeführten Tiburtinischen Travertin-Vor-
kommnisse im Piano und in den Klüften der Hügel von Monti-
celli enthalten eine reichhaltige diluviale Fauna, welche von
dem verdienstvollen Ruscoxı mit jahrelangem Fleisse gesam-
melt worden ist. Aus dem von Poxzı mitgetheilten Verzeich-
nisse sei es erlaubt, Folgendes anzuführen. Es lieferten von
den oben unterschiedenen Etagen der Travertine in den Brü-
chen „alle Caprine“ unterhalb des Städtchens Monticelli: die
untere weisse, compakte Travertin-Bank: Canis familiaris fossi-
lis, ©. vulpes, Lepus, Arvicola, mehrere Gastropoden; die
rothe Travertin-Bank: Vespertilio, Hyaena, - Felis Iynz, Canis
Jamiliaris fossilis, C. vulpes, Ursus, Erinaceus (Igel), Lepus,
Arvicola, Sus aper, Bos primigenius, Cervus elaphus, Equus
fossilis, viele Gastropoden, namentlich Arten der Gattung He-
lix. Der obere weisse Travertin lieferte bisher nur Gastro-
poden, besonders Helix, Bulimus, Pupa, Limnaea ete. Von
organischen Resten der Spalten der Hügel von Monticelli sind
zu erwähnen: Hyaena, Canis, Arvicola, Sus scrofa, Bos primi-
genius, Cervus elaphus, Lepus, Vespertilio, Anas fuligula nebst
505 *
vielen unbestimmbaren Vogelresten, Lacerta agilis, dazu viele
Gastropoden- Schalen, der Abdruck einiger Insekten (Julus
ovalis L.) und pflanzliche Theile.
Das Bild der diluvialen Fauna des Römischen Gebietes
vervollständigt sich noch dadurch, dass Ruscoxı in der rothen
Travertinschicht in Begleitung der eben angeführten thierischen
Reste zwei Menschenzähne auffand.
Wenden wir aus der Gegend des alten Tibur uns wieder
zum Römischen Stadtgebiete zurück, dessen klassischer Boden
selbst in historischer Zeit mannichfache Veränderungen erfah-
ren hat.
Unter die mittlere Höhe der Campagna (welche man über
dem Meere etwa zu 50 bis 60 M. annehmen kann) ist die
breite Thalfläche der Tiber etwa 30 M. eingesenkt. Die Höhe
des mittleren Standes der diluvialen Strommasse uber der Thal-
fläche zeichnet sich vor den Thoren und innerhalb der Mauern
Roms durch die Linie, bis zu welcher längs der Thalgehänge
die Travertine reichen. Sie sind zwar nur in einzelnen Par-
tieen vorhanden oder erhalten (Monte Parioli, Aventin, Giani-
eolo), doch bildet ihre obere Grenze ein ziemlich constantes
Niveau, welches sich- etwa- 15 M. über die Thalfläche erhebt.
Denken wir uns bis zu diesem Niveau die Wasserfläche er-
höht, so würde der Campus Martius und mit ihm die heutige
Stadt überfluthet, der Capitolin, der Aventin und der Palatin
würden als Inseln hervorragen und die übrigen Römischen Hu-
gel sich als weit vorspringende Halbinseln und Landzungen
darstellen. Selbst zwischen den beiden Gipfeln des Capitolins
sind einst die Tiberwasser geflossen; denn bis zu jenem Inter-
montium, zu welchem die berühmte Treppe hinaufführt, rei-
chen die Flussgeschiebe. Auf solchen ruht die Reiterstatue
Marc Auvrer’s. In dem Maasse, wie die Tiber die Thalfläche
erhöhte, hat sie selbst innerhalb des Stadtgebietes mehrfach
ihren Lauf gewechselt. Zeugnisse dafür sind ihre Sümpfe und
Hinterwasser, über deren ehemalige Existenz die älteste Ge-
schichte der Stadt Kunde giebt. Auch vor der Porta del Po-
polo kann man eine Veränderung des Laufes der Tiber con-
statiren. Sie floss ehemals dicht unter den Travertinfelsen des
Monte Parioli hin, so dass die Strasse unter dem Consul FLA-
Minus im Jahre 187 v. Ch. hier in den Fels gehauen werden
Zeits. d.d. geol. Ges. XVIIl.3. 33
| 506 a
musste. Erst seit dem 7. Jahrhundert n. Ch. nahm der Fluss
seinen Lauf gegen das rechte Thalgehänge. ;
Als die erste menschliche Ansiedlung am Unterlaufe der
Tiber stattfand, war die heutige Stadtfläche noch unbewohnbar;
denn es breitete sich dort (etwa an der Stelle des heutigen
Rione della regola) der Capreische Sumpf aus. Zwischen Ca-
pitolin und Palatin ‚war das Velabrum minus, zwischen letzte-
rem und dem Aventin das Velabrum majus, welche sich gegen
die Tiber vereinigten. An letzteren, durch den zweiten TAr-
guısıus mittelst der Cloaca maxima entwässerten Sumpf knüpft
bekanntlich die Sage über den Gründer Roms und seine Aus-
setzung an. Zur Zeit der Gründung Roms überschwemmte der
Fluss bei Hochwasserstand die weite Thalfläche (s. Livuus B.1.
Cap. 4), was jetzt nicht mehr geschieht. Was- schon der An-
blick der gelben Tiber-Fluthen vermuthen lässt, dass sie näm-
lich an ihrer Mundung viel Land ansetzen mussen, wird auch
durch geschichtliche Nachrichten bestätigt. So findet sich im
Alterthum keine Erwähnung der Isola Sacra, welche die beiden
Tiber -Mundungen umgeben. Sie wird zuerst durch ProcoPıus
erwähnt. Die Stadt Ostia, welche jetzt über 2 Miglien vom
Meere entfernt liest, scheint zur Zeit ihrer Gründung am Meere
gelegen zu haben (s. v. Horr, Natürl. Veränd. der Erdoberfl.
I. 282). :
Roms Ruinen stehen bekanntlich mit ihren Basamenten
unter dem Niveau der heutigen Stadtfläche. Diese Erhöhung
des Bodens ist hier gewiss zum Theile dem gehäuften Schutte
der zerstörten Gebäude zuzuschreiben, zum Theile aber hat
sie allgemeinere Ursachen, welche ihre Wirkungen in ‚gleicher
Weise an ähnlichen Oertlichkeiten zeigen. Einige interessante,
hierher gehörige Thatsachen theilt Icıno Coccmı (Di alcuni
resti umani ete., Memorie d. soc. ital. di Scienze nat. Vol. ]l.
1865) mit. Die Ebene des Arnothals hat sich in der Gegend
von Florenz seit dem ersten Jahrhundert n. Ch. um 0,9 M.
erhoht, während die Thalsohle zur etruskischen Zeit 2,3 M.
unter der heutigen lag. Auf der Hochfläche von Arezzo liegt
das mittlere Niveau der Römischen Flur 4 M. unter der heu-
tigen, und noch tiefer lag die Flur zur Zeit der Etrusker. Durch
die Eisenbahnbauten zwischen Rom und Fuligno wurde die
alte Via Oassia aufgedeckt in einer Tiefe von 3 M. unter der
heutigen Oberfläche. Durch Herrn Narpı in Campiglia mari-
507
tima wurde mir mitgetheilt, dass man beim Bau der Eisenbahn-
brücke uber die Cornia, nahe Piombino, in einer Tiefe von
etwa 8M. auf das Pflaster der alten Via Emilia gestossen sei.
In einem gebirgigen Lande alter Cultur wie Italien, wo seit
den ältesten Zeiten die Oberfläche der mittleren Berglehnen
für die Bebauung gelockert und die Kämme der Gebirge
entwaldet sind, erreicht die stetige Erhöhung der Thalflur
und der Ebenen einen viel bedeutenderen Grad als in un-
seren nördlichen Ländern, wo der Mensch erst spät und bei
Weitem nicht in dem Maasse die Erdoberfläche ihrer natür-
lichen Pflanzendecke beraubte. v. Horr sagt in seinem klassi-
schen Werke: „So sehr auch Rom selbst den Erderschütte-
rungen unterworfen ist, so weiss man doch von eigentlich
vulkanischen Phänomenen daselbst und in der Umgegend in
neuerer Zeit nichts.“ Wohl aber hat sich in Roms Nähe ein
pseudovulkanisches Ereigniss 'zugetragen, welches um so in-
teressanter ist, als es auch einige in Roms Geschichte aufbe-
wahrte physische Vorgänge in’s Gedächtniss zurückruft und
wohl auch zur Erklärung dieser vom Dunkel der Vorzeit um-
hüllter Ereignisse. .beiträgt. Es ist die in den letzten Tagen
des October 1856 erfolgte pseudovulkanische Eruption von
Lagopuzzo, welche, da sie diesseits der Alpen wohl nur we-
nig bekannt geworden sein mag, hier im Wesentlichen nach
Ponzı’s Bericht wiedergegeben wird.
Am Südabhange des Soracte entspringt ein Bach, welcher -.
gegen Suden durch das aus vulkanischem Tuffe gebildete Hu-
gelland seinen Lauf nimmt, um sich bei Scorano in das hier
2: Miglien breite Tiberthal zu ergiessen. Dieser Bach führt
jetzt den Namen Gramiccia (während ihn die Römer Capenas,
die Etrusker Remigi nannten) und trennt die Bezirke von Le-
prignano und Fiano. Im Thale dieses Baches, kaum 1 Miglie
östlich von Leprignano, 15 Miglien nördlich von Rom, breitet
sich eine von niederen Tuffhöhen umgrenzte (kaum - Miglie
ausgedehnte) Ebene „Lagopuzzo* auf der rechten Seite aus,
welcher auf dem jenseitigen Ufer die kleine Ebene Costa del
lago entspricht. Wie schon diese Namen andeuten und noch
bestimmter die die Flächen bildenden, thonigen Alluvionen be-
weisen, stagnirte hier einst das Wasser, welches dann wohl
unzweifelhaft von Schwefelwasserstoffexhalationen den Namen
Lagopuzzo („stinkender See“) erhielt, wie der Hafen der Halb-
33 *
508
insel Methana die Bezeichnung „Bromnolimni*. Einige Jahre
vor dem zu schildernden Ereignisse waren auf der sumpfigen
Fläche mehrere neue Quellen hervorgebrochen, darunter auch
eine hier bisher unbekannte schwefelwasserstoffhaltige. Diese
letztere scheint indess auch schon in altrömischer Zeit hier
entsprungen zu sein, wie die in unmittelbarer Nähe befindlichen
Ruinen von Thermen-Anlagen zu beweisen scheinen.
Am 28. October 1856 bei Sonnenuntergang bemerkten die
Feldarbeiter in der Ebene Lagopuzzo, dass sich eine kreisför-
mige Fläche von der Grösse einer Tenne durch Spalten von
der umliegenden Ebene loslöste und allmälig senkte. Unter-
irdisches Getöse liess sich vernehmen, so dass das in jener
Gegend befindliche Vieh die Flucht ergriff. Das-Getöse wuchs,
und es mischten sich in dasselbe von Zeit zu Zeit Detonatio-
nen, ähnlich dem Kanonendonner, wodurch auch die Arbeiter
bewogen wurden, die Ebene zu verlassen. Sie stiegen die Höhe
gegen Leprignano hinan, als sie, kaum }! Miglie vom Orte des
Schreckens entfernt, durch den heftiger werdenden Donner ver-
anlasst wurden, die Blicke zuruckzuwenden. Sie sahen nun,
wie an jener Stelle, deren Boden gesenkt und in Spalten zer-
rissen war, Erde, mit Wassermassen gemengt, emporgeschleu-
dert wurde. Eine dichte Staubmasse lagerte sich zugleich über
das ganze Gebiet und bald verbarg sich, während die Intensität
der Erscheinung zunahm, die Schreckensscene in der zuneh-
menden Finsterniss. Nach den Berichten eines Schäfers er-
reichte die Eruption unter fürchterlichen Detonaiionen ihren
Höhepunkt gegen 7 Uhr Abends. Am folgenden Morgen kehr-
ten die Landleute zurück -und fanden eiuen von vertikalen
Wänden umschlossenen, wassergefüllten Schlund, dessen Fläche
mit weissem Schaume bedeckt war, während der Boden umher
Wassertümpel und ausgeschleuderte Erdstücke zeigte. Uebel-
riechender Schwefel- (Wasserstoff-) Geruch. stieg aus dem
Schlunde auf. Obgleich die Detonationen weniger intensiv und
seltener statthatten als am Abende vorher, so behielten sie
denselben Charakter. Nach jeder Eruption stiegen gewaltige
Gasmassen auf.‘ An drei Stellen der Wasserfläche, wo die
Gasblasen aufstiegen, war sie rein von Schaum. Dort erhob
sich das Wallen der kochenden Bewegung bis 1 Palm (= +M.).
Andere wallende Quellen befanden. sich mehr gegen die Peri-
pherie der Wasserfläche. Nach jedem Auswurfe vermehrte sich
5 509
die aufwallende Gasmasse. So war das Wasser in beständigem
Aufruhr und die Bewegung so heftig, dass die vertikalen Wände
des Kessels in wiederholten Erdfällen einstüurzten. Es verfloss
so der zweite Tag. Am dritten nahmen die beschriebenen Er-
scheinungen ab, und nach einer Reihe von Tagen blieben als
Zeugen des Phänomens nur übrig die von einzelnen aufsteigen-
den Gasblasen bewegte Wasserfläche und die umherliegenden
Erdstucke. Ob zur Zeit des höchsten Paroxismus ein Beben
der Erde stattgefunden, konnte mit Bestimmtheit nicht festge-
stellt werden. Erst am 21. November konnte Ponzı die
Oertlichkeit besuchen; der kreisföormige Schlund mass damals
100 M. im Durchmesser, die senkrecht abgeschnittenen Wände
ragten 5 M. über den Wasserspiegel hervor und zeigten sich
bestehend aus den Susswasser-Ablagerungen, von denen der
alte Thalkessel erfullt war. Die herausgeschleuderten Massen,
aus denselben Schichten bestehend, welche im Schlunde ent-
blosst sind, lagen zum Theil über 30 M. von diesem entfernt
und waren bis 2 Cubikmeter gross. Ponzı bestimmte die See-
höhe der Ebene Lagopuzzo zu 27,6 M., die Tiefe des Schlun-
des zu 30 M. Die Temperatur des Wassers in demselben war
6° R., während die Lufttemperatur nur 1° zeigte. Damals
war kein Geruch nach Schwefelwasserstoff mehr wahrzunehmen
und überhaupt das Wasser von dem gewöhnlichen Quell- und
Tagewasser der Gegend nicht verschieden.
Poxzı erinnert daran, dass ein Theil des Mittelmeerge-
bietes in der Zeit vom Ende des September jenes Jahres bis
in den November hinein von vielfachen und heftigen Erdbeben
betroffen wurde (wenngleich dieselben wohl in keinem Zusam-
menhange mit der Katastrophe von Lagopuzzo: stehen), Von
dem sehr heftigen Erdbeben, welches so grosse Verwustungen
in Candia, Rhodos und Malta anrichtete — am 12. October —
wurden auch Sizilien, Calabrien und einige Theile des Kirchen-
staates betroffen. Auf Ventotene, einer der Ponza- Inseln,
wurde am 26. October, also nur zwei Tage vor der Eruption
von Lagopuzzo ein Beben des Bodens bemerkt. Ich möchte
nicht glauben, was Ponzı vermuthet, dass „ein Steinregen“,
welcher im Gebiete der Vejenter im Jahre Roms 544 (210 v.
Chr.) nach Livıus’ Bericht sich ereignete, auf eine ähnliche,
vielleicht an demselben Orte stattgehabte Eruption zu bezie-
hen sei. Wohl aber möchte ich an das Ereigniss erinnern,
510
welches im Jahre Roms 392 (362 v. Chr.) das Volk in
Schrecken setzte.*)
I. Bas Albaner- Gebirge.
Das schöngeformte Albaner- oder Latiner-Gebirge, die
Wiege der Römischen Grösse, erhebt sich, mit zahlreichen weit-
hin leuchtenden Dörfern und Villen bedeckt, in einer Entfer-
nung von 12 bis 15 Miglien am südöstlichen Horizonte Roms.
Von dem berühmtesten Aussichtspunkte der Stadt, der Terrasse
von 8. Pietro in Montorio auf dem Gianicolo, erblickt man
über die todte Fläche der Campagna hinweg, welche nur durch
alte Ruinen — und namentlich durch die Grabdenkmäler
der Via Appia — belebt wird, jene herrliche Hügelgruppe,
deren blühender Anbau und dichte Bewohnung einen seltsamen
Contrast zu der sich bis zu ihrem Fusse ausbreitenden Ebene
bildet. Die ganze Berggruppe überragt der M. Cavo, welcher
seinen steilen Abfall gegen Osten, gegen den sogenannten Campo
di Annibale wendet, während der westliche Abhang sanfter
hinabzieht und in allmäliger Senkung sich mit der seegleichen
Fläche der Küsten-Campagna, dem Laurentischen Gefilde (wo
Aeneas landete), verbindet. Diese sanft geneigte Linie wird durch
den M. Gentile bei Ariceia und durch den M. Savelli unterbrochen.
Letztere Kuppe erinnert in hohem Grade an den Camaldoli-Kegel
am westlichen Vesuvgehänge, wie denn beide ähnlichen Seiten-
eruptionen eines grossen Oentralvulkans ihre Entstehung ver-
danken... Zur Linken des M. Cavo gestaltet sich das Gebirge
zu einer hocherhobenen, gleichsam schusselförmigen Ebene, an
deren nördlichem Rande die staffelförmig über einander ge-
*) In eben dem Jahre soll entweder durch ein Erdbeben, oder sonst
eine gewaltsame Wirkung etwa die Mitte des Marktplatzes in eine weite
Kluft zu einer unermesslichen Tiefe hinabgesunken seinys und dieser
Schlund soll sich durch alle hineingeschüttete Erde, die Jeder nach
Kräften herbeischaffte, nicht haben ausfüllen lassen. — — Da habe M.
Courrıus, unter Erhebung seiner Blicke zu den am Markte ragenden
Tempeln der unsterblichen Götter und zum Capitole und die Hände im
Gebete bald zum Himmel empor-, bald in die weite Oefinung der Erde
zu den Göttern der Todten hinabstreckend, sich selbst zum Opfer ge-
weiht und auf seinem Pferde in voller Rüstung sich. in den Schlund
hinabgestürzt. Der Curtische See habe von ihm seinen Namen erhalten.
T. Livivs, VII, 6,
il
thürmten Häuser von Rocca di Papa erbaut sind. Jene Ebene
werden wir alsbald als den Centralkrater des Gebirges kennen
lernen. Weiter zur Linken erhebt sich ein Ring von Vorber-
gen, deren untere Gehänge von den schimmernden Städtchen
Grotta ferrata und Frascati bedeckt werden. Den nordöst-
liehsten Ausläufer des Gebirges bildet der M. di Colonna.
(Taf. XI. B.)
Einen von dem geschilderten sehr verschiedenen Anblick
gewährt das Gebirge, wenn wir unseren Standpunkt in gleicher
Entfernung gegen Süden wählen, bei Conca, 6 Miglien nordöstlich
von Nettuno. Es dominirt nun ein breiter Rücken (ein Theil
der äusseren Ringumwallung), dessen höchster Gipfel den Na-
men Monte Artemisio trägt. Am südlichen Gehänge desselben,
auf einer niederen Vorhöhe, liegt die Stadt Velletri. Wo jener
wallförmige Rücken mit dem M. Spina abbricht, wird das in-
nere Gebirge, namentlich der M. Cave, sichtbar. Ein mehr-
gipfeliges Bergland schliesst sich weiter zur Linken an. Auf
einer der zahlreichen peripherischen Kuppen erhebt sich Civita-
Lavinia, das alte Lanuvium. Mit dem M.’Giove und dem M.
Savelli erhebt sich das Gebirge zum letzten Male und senkt
sich dann in die Ebene. (Taf. XI. A.)
Eine dritte Ansicht der Albanischen Berge bietet sich uns
von Palestrina am Fusse der Appenninen dar. Wir haben hier
die äussere Ringumwallung gerade vor uns, deren gegen Süden
und Südwesten ziehende Hälfte im M. Artemisio kulminirt.
Durch die hochliegenden Dörfer Rocca Priora, M. Campatri,
M. Porzio wird der weitere Verlauf des Walles bezeichnet, an
dessen Fusse, als nördlicher Endpunkt des ganzen Gebirges,
der M. di Colonna aufsteigt. (Taf. XI. C.)
Tiefebenen breiten sich rings um unser Gebirge aus, indem
die Römische Campagna sich einerseits durch die Laurentische
in die Pontinische Ebene, andererseits in die weite Ebene des
Saceo - Thals fortsetzt. So lagert sich zwischen dem Fusse
des vulkanischen und demjenigen des Appennin- Gebirges eine
Ebene von 3 bis 4 Miglien Breite. Wie das Albaner- Gebirge
hier von dem Hauptstamme des Appennins durch eine breite
Ebene getrennt ist, so auch von jenem isolirten Zweige des-
selben, den Lepinischen Bergen, welche vom Thale des Sacco
und der Pontinischen Ebene begrenzt werden und gegen Nord-
westen bis Cora, gegen Südosten bis zum unteren Liris sich er-
512
strecken. Zwischen dem Albaner- und dem Lepinischen Ge-
birge zieht eine waldbedeckte Tiefebene hin, welcher die
Eisenbahn folgt, um in die Thalebene des Sacco, in das Land
der alten Herniker zu gelangen. Begreiflich, dass sich auf
den fruchtbaren Albanischen Bergen eine dichte Bevölkerung
zusammendrängt, da die dieselben rings umschliessenden Ebenen
in einer Hälfte des Jahres von Fieberluft erfüllt sind. Das arme
päbstliche Land in seinen heutigen Grenzen wird zur Hälfte
_ von pernieiösen, tödtlichen Fiebern eingenommen; ein weiteres
Viertel leidet unter intermittirenden Fiebern; nur ein Viertel
des Landes erhebt sich inselformig in reinere Lüfte und bildet
in den Sommermonaten die Zufluchtsstätte der Menschen. Solch
eine Insel ist das Albaner - Gebirge.
Ueber einer gemeinsamen, fast kreisförmigen Ba deren
Umfang etwa 36, deren- Durchmesser etwa 12 M. beträgt, er-
heben sich von allen Seiten die Abhänge zunächst ungemein
sanft unter Winkeln von 2 bis 3°, dann von etwa 5 bis 8°.
Bei einer Vergleichung der Basis des Albaner-Gebirges mit
derjenigen des vereinigten M. di Somma und Vesuvs stellt
sich heraus, dass das Römische Gebirge, wenngleich niedriger,
einen etwas grösseren Flächenraum bedeckt. JuL. Scumipr
(Eruption des Vesuvs im Mai 1856, S. 92) giebt den Umfang
des Vesuvgebirges zu 25,6, dessen Durchmesser im Mittel zu
8,7 Miglien an.
Die unteren, flachen Gehänge des breiten Albanischen Ge-
birgskegels werden von einer sehr grossen Zahl radial ange-
ordneter, meist sanfter Thalmulden durchschnitten, deren Zahl
weit über Hundert betragen mag. Man sieht diese Configura-
tionen des Bodens vortrefllich auf der Bahnlinie zwischen Al-
bano und Velletri, da diese entweder auf Dämmen die "Thäler
kreuzt oder in Einschnitten die jene Senkungen trennenden
Höhenrücken durchschneidet. Diese unteren Gehänge sind
prächtig angebaut und ernähren eine so dichte Bevölkerung,
wie sie kein anderer Theil des heutigen Kirchenstaates aufzu-
weisen hat. Es liegen hier die Orte Velletri, Civita- Lavinia,
Genzano, Ariceia, Albano, Castel- Gandolfo, Marino, Grotta
ferrata, Frascati, Monte Porzio und Monte Campatri.
Der grosse, dem ganzen Gebirge gemeinsame Kegel ge-
staltet sich (ganz ähnlich wie am Vesuv) zu einem mächtigen
Wallgebirge, welches auf drei Seiten, gegen Norden, Osten und
513
Süden, geschlossen, gegen Westen aber geöffnet ist. Als höhere
Gipfel dieses Ringwalls sind mit besonderen Namen ausge-
zeichnet: M. Spina, M. Artemisio, M. Peschio, M. Vescovo,
M. Ceraso, Rocca Priora, M. di Tusculo. Gegen Westen, wo
- diese Umwallung fehlt (ähnlich wie der Somma-Wall im süd-
lichen Theile des Vesuvgebirges), finden sich an deren Stelle
"merkwürdige, tief eingesenkte Kraterseen — Maare. Jener
Wall ist nicht ein vollkommenes Kreissegment, vielmehr etwas
unregelmässig gestaltet, indem der nördliche Theil desselben
einen fast geradlinigen Verlauf hat und sich am M. Ceraso mit
nahe rechtwinkliger Umbiegung an den östlichen Walltheil an-
schliesst. Die äusseren Gehänge dieses Ringgebirges sind
mehr oder weniger sanft, während die inneren steiler absturzen.
Immerhin ist — sei es, dass man vom hohen Rande des cen-
tralen Kraters diesen peripherischen überschaut, oder die treff-
liche Karte des österreichischen Generalstabs, welche bei Aus-
führung der diesen Aufsatz begleitenden orographischen Karte
(Taf. XI.) zur Grundlage diente, betrachtet, in Verbindung
‚ mit der geognostischen Kenntniss dieses Gebirges, — die
Ueberzeugung unabweisbar, dass wir hier einen mächtigen,
alten Krater vor uns haben. Dieser grosse Wall umschliesst
nun ein weites, halbmondförmiges Thal, Val di Molara, welches
dem sogenannten Atrio des Vesuvs vergleichbar ist. Die
Flächendimensionen sind im Römischen Gebirge bedeutender
als am Vulkane Neapels, die absoluten Höhen und noch mehr
die Neigungen geringer. Mächtige Baumvegetation bedeckt
- diese schwer zugänglichen Theile des Gebirges. Inmitten des
halbmondförmigen Thales steigt endlich der fast vollkommen
zirkelrunde Kranz des centralen Kraters empor, dessen höchster
Gipfel der M. Cavo ist. Wie die äusseren (fehänge des Ge-
birges, so sind auch die gegen die Val di Molara gerichteten Ab-
hänge des Centralkraters von radialen Schluchten zerschnitten,
und wie der äussere Wall gegen Westen fehlt, so ist auch der
innere Kraterrand auf seiner nordwestlichen Seite durchrissen.
Die Kraterebene stürzt hier in vertikalen Wänden gegen Grotta
ferrata ab. Der Bach, welcher im inneren Kraterboden wie
ein Wiesenbach hinfliesst, stürzt sich plötzlich über unzugäng-
liche Felsen in eine enge Schlucht hinab. Eine hohe, isolirte
nackte Felsmasse überragt den oberen Rand; auf derselben
stand im Alterthum die Arx Albana, später das jetzt zerstörte
514
Castell von Rocca di Papa, dem ersten weltlichen Besitz des
Pabstthums. r
Nachdem wir eine allgemeine Uebersicht über das Ge-
birge gewonnen, wollen wir die einzelnen Theile desselben
zugleich in ihren horizontalen und vertikalen Dimensionen
_ genauer kennen lernen.
Der grosse peripherische Krater, dessen kreisförmige Basis
12 bis 13 M. im Durchmesser besitzt, hat einen inneren Durch-
messer von Wall zu Wall in ostwestlicher Richtung von 6 M.,
in nordsüdlicher Richtung von 54 M. Längs der Bahnlinie
von Fratocchie (wo dieselbe die alte Via Appia kreuzt) bis
Velletri, auf welcher Strecke man etwa zwei Fünftel des mäch-
tigen Kegelmantels umkreist, zählt man mindestens 45 Radial-
thäler. Der Kraterwall ist auf etwa 240° eines Kreisbogens
erhalten, der Rest zerstört oder nie vorhanden gewesen. Im
Süden beginnt der Wall in den beiden Gipfeln des M. Spina
mit Höhen von 2161 uud 2182 Par. Fuss; es folgen der M.
Artemisio mit mehreren Gipfeln zwischen 2241 und 2915 Fuss,
M. Vescovo mit einer Höhe von 2752 Fuss. Dann senkt sich der
Kammi bei La Cava bis etwa 1900 Fuss. Nördlich von dieser Sen-
kung erhöht sich der Wall wieder und kulminirt in zwei neben
einander gestellten Gipfeln, dem M. Fiore und dem M. Ceraso,
mit Höhen von circa 2600 Fuss. Dann senkt er sich allmälig
in der Höhe von Tusculo zu den’ gegen Frascati vorgescho-
benen Hügeln hinab. Der südliche Theil des grossen Ringwalls
ist demnach am höchsten ; ihm folgt an Höhe die nördliche Seite,
während der östliche Theil sich tiefer senkt und der westliche
gänzlich fehlt. Das halbmondförmige Thal di Molara besitzt
in seinem östlichen Theile eine Breite von 2,8 M., während
in Nord und Süd sich dieselbe auf 2 M. vermindert. Die Aus-
dehnung dieses weiten Thales erhellt aus der Thatsache, dass
in seiner östlichen Hälfte die grosse Roma mit ihrem weiten
Mauergürtel Raum fände. In Ost und Süd ist das Thal dicht
bewaldet, in Nord theils mit Gras, theils mit Getreidefluren
bedeckt. Die Höhe des Thalbodens über dem Meere beträgt
im südlichen Theile 2064, im östlichen 1770, im nördlichen
1566, im nordwestlichen Theile oberhalb Marino und Grotta
ferrata 1648. Für folgende Punkte des grossen Ringwalls lie-
gen noch Höhenbestimmungen vor: Velletri (Thurmkranz des
Stadthauses) 1228, Monte Campatri (Thurmspitze) 1856, Monte
. E
515
Porzio 1422, Frascati nach -Schupr’s Aneroid-Messung unge-
fähr 1062. Die mittlere Neigung des äusseren Abhanges des
Ringwalls schätzt Schumr auf 14°. |
Ueber dem Thal di Molara erhebt sich auf einer etwa 3,5] M.
im Durchmesser haltenden, fast kreisrunden Basis der centrale
Kraterkegel, dessen innere Kraterweite 1,5 M. beträgt. Die
äusseren Gehänge des Centralkraters mögen im Mittel etwa
-20 betragen (sind demnach erheblich steiler als die gleich-
sinnigen Gehänge des äusseren Walls); nur gegen Westen sind
dieselben zum Theil viel jäher. Von dem Walle des Gipfel-
kraters laufen zahlreiche, radiale Rippen gegen die Peripherie
(V.di Molara) aus, so namentlich vom M. Cavo, dem höchsten
Gipfel, welcher dem centralen Krater im Südwesten aufgesetzt
ist. M. Cavo (Fussboden der Kirche) hat eine Höhe von 2921 öst.
Fuss, 2937 franz. Fuss, 2942 nach Schumr’s Aneroid-Messung.
Ein alter, mit mächtigen Lavablöckeu gepflasterter Weg führt zum
breiten Gipfel empor. „Dort stand das uralte, berühmte National-
heilisthum der latinischen Bundesstädte, der Tempel des Jupiter
latialis. Gleichsam als achte die zerstörende Zeit dieses ehrwür-
dige Denkmal uralter Kulturepoche, überdauerte wunderbarer
Weise dieser Tempel die alte und neue Welt. In seinen wesent-
lichen Theilen unverletzt, beherrschte er noch immer, weithin
sichtbar das gesammte Latium“ (Foursıer). Erst im Jahre 1783
wurde er zerstört und aus seinen Trümmern eine Klosterkirche
gebaut.
Die an den M. Cavo gegen Osten sich anreihenden, durch
besondere Namen nicht ausgezeichneten Gipfel messen 2681,
2838, 2903, 2943 Par. Fuss, während die sich an die Felsen
von Rocca di Papa anschliessenden Höhen des nördlichen Krater-
' walls 2897, 2678, 2404, 2309, 2484 Par. Fuss messen. Die
innere Kraterfläche, ein ehemaliger Seeboden, welcher zum
' grösseren Theil vollkommen eben und mit Süsswasseralluvio-
nen erfüllt ist, führt den Namen Campo di Annibale und hat
eine Höhe von 2318 Fuss. Ueber derselben erhebt sich dem-
nach, und zwar mit jahem Ansteigen, der M. Cavo noch 619 Fuss.
Die tiefste Stelle des Kraterrandes, welche der im Campo di
Annibale entspringende Bach durchbricht, misst nach Scuumr
2352 Fuss. Mit sanften Abhängen überragt diese innere Ebene
ein Centralhügel, bis zu 2532 Fuss ansteigend, also 216 Fuss
über der umliegenden Ebene. Dieser innere Kegel ist aus der
516 En
Mitte gegen den östlichen Kratersaum gerückt und durch einen
niederen Rücken mit demselben verbunden. Der kreisförmige
Campo di Annibale, über dessen gegen Nord-Westen zerrissenen
Kraterwall die fernen Gebirge von Bracciano und Vico heruber-
schauen, inmitten des grossen Vulkangebirges von Albano,
bietet für den Geognosten einen hohen Reiz dar. Am 26. März
1865 war dieser Campo noch schneebedeckt, zeigte sich aber
vierzehn Tage später im ersten Frühlingsgrün. Im Vergleiche
zum grossen, peripherischen Ringwall erscheint der Krater des
Campo di Annibale zwar nur klein, nichtsdestoweniger sind
seine Dimensionen noch bedeutend genug. Denn der Central-
krater des Albaner-Gebirges hat fast genau die Grösse der
Gebirgsumrandung des Laacher - Sees. |
Bei aller Aehnlichkeit des Albanischen und des Vesurv-
gebirges, wie sie aus Vorstehendem erhellt, fallen die geringere
Höhe und namentlich die geringeren Neigungen aller Gebirgs-
theile bei dem ersteren als unterscheidend auf. Diese Ver-
schiedenheit möchte in dem vereinigten Umstande ihre Er-
klärung finden, dass der Albanische Vulkan, vorherrschend
aus lockeren, vulkanischen Tuffen und Aschen aufgebaut, wäh-
rend einer viel längeren Zeit bereits den zerstörenden Ein-
wirkungen unterliegt im Vergleiche zum Vesuv, dessen steiler
Ringwall eine sehr grosse Menge von unzerstörbaren Lava-
bänken einschliesst. Wer in den letzten Tagen des März 1865
nach wolkenbruchartigem Regen die gelbbraunen Ströme sah,
welche sich von unserem Gebirge durch jede der fast zahl-
losen Radialschluchten herabwälzten, konnte sich eine Vor-
stellung bilden von dem Maasse der Denudation, welcher dies
Gebirge im Laufe vieler Jahrtausende unterlag. Die das Ge-
birge umgebenden Ebenen waren in ein Gewirre breiter, brau-
sender Strome verwandelt, welche eine unermessliche Menge
der fruchtbarsten Erde dem Meere zuführten. |
Wie bereits oben bemerkt; ist die Regelmässigkeit der
grossen äusseren Umwallung auf der westlichen und südwest-
lichen Seite gestört, und an ihrer Stelle befinden sich mehrere
ausgezeichnete Kraterseen. Das grösste und schönste dieser
Maare*) ist der Lago di Castello oder Albaner-See.
*) Ich fasse hier den Begriff des Maars etwas weiter als Ar. von
HumsoLpt, wenn er (Kosmos, B. IV. S. 275) die Maare der Eifel definirt
517
Der 903 Fuss hohe Seespiegel nimmt den Grund des
' Kessels, der ihn birgt, vollständig ein; ringsum senken sich
zur Wasserfläche die Gehänge ausserordentlich steil. Der See
stellt eine elliptische Fläche dar, deren längere, von Nordwesten
nach Südosten gerichtete Axe 1,9 M., die kürzere 1,2 M. be-
trägt. Die entsprechenden Durchmesser des oberen Kessel-
randes sind 2,3 und 1,5 M. Die östliche Hälfte des Krater-
Sees, welche gegen das Centrum des vulkanischen Gebirges
gerichtet ist, hat keinen selbstständigen Wall, sondern es stellt
sich nach dieser Seite das Seebecken als ein Einsturz dar.
In der westlichen Hälfte aber umgiebt den See ein erhöhter
Wall, welcher steil nach innen,. sanft nach’aussen abfällt. Der
Seerand ist am höchsten und jahesten an seiner östlichen Seite,
unter den M. Cavo. Hier ist seine Meereshöhe nach Schmipr
1689 Fuss. Fast 800 Fuss stürzt demnach mit einer Neigung
von über 45° der Abhang gegen den See. Der nördliche
Rand nahe Marino hat eine Höhe von 1134 Fuss, der nord-
westliche misst nach Scamipt 1182 Fuss. Auf dem westlichen
Wall liegt mit herrlicher Aussicht über die weite Römische
Campagna und über die Seetiefe hinweg zum höchsten Gebirgs-
gipfel der päpstliche Sommerpalast Castel-Gandolfo, 1444 Fuss
hoch (Laterne der Kuppel). Einen besonderen landschaftlichen
Reiz erhält die süudwestliche Wallhöhe durch den berühmten
Laubengang, welcher vom päpstlichen Palast nach dem Kapuziner-
kloster oberhalb Albano führt. Gegenüber Oastel-Gandolfo
auf dem hohen, östlichen Steilufer steht das Franziskaner-
Kloster Palazzola. Daselbst bewundert man die hohe, künst-
lich abgeschrägte Tuffwand, ferner einen in den Fels gehauenen
Kanal, Spuren des am Fusse des M. ‚Oavo und auf hoher
als ‚„kesselförmige Einsenkungen in nicht vulkanischem Gesteine, von
wenig erhabenen Rändern umgeben, die sie selbst gebildet.‘“ Ueber diese
Definition vergl. H. Voceısang’s „Die Vulkane der Eifel“ S. 41-46.
Das Studium der vulkanischen Erscheinungen der Eifel lehrt in über-
zeugender Weise, dass die Maare und die Vulkankrater durch allmälige
Uebergänge verbunden sind wie verschiedene Ausbildungsstufen ein und
derselben Entwickelungsreihe. Diese Ueberzeugung spricht auch Mır-
SCHERLICH in seinem (von Roru herausgegebenen) Werke ‚über die vul-
kanischen Erscheinungen in der Eifel“ mit den Worten aus: „Mit wel-
chen Erscheinungen ein vulkanischer Ausbruch in der Eifel begann,
kann man am besten am Uelmer Maare beobachten, weil er dort am
frühesten gleich in der ersten Periode seiner Thätigkeit aufhörte.“
BE .
Uferkante des Sees sich lang hinziehenden Albas. Die Ufer-
ränder des Sees lassen namentlich in: seiner östlichen Hälfte
eine deutlich ausgesprochene Terrassenbildung erkennen, welche
auf nahe horizontale Schichtung des die Seeumwallung bilden-
den Tuffs hindeutet. 1
Der regelmässig elliptische Verlauf des Seerandes wird
auf der nordöstlichen Seite durch einen in den See hinein-
ragenden Vorsprung übrigens nur wenig gestört. Der See-
spiegel kann ein bestimmtes Niveau nicht übersteigen, da ein
unter Castel- Gandolfo durch den Tuffwall getriebener 'Stolln
das Wasser ableitet. Der Emissar, 6 Fuss hoch, 8160 Fuss
lang, 34 Fuss breit, wurde im J. 397 v. Chr. ausgeführt.
'Der Seespiegel liegt jetzt mehr als 250 Fuss ‚selbst unter
dem tiefsten Punkte der Umwallung. Im hohen Alterthum
hat derselbe unzweifelhaft einen höheren Stand gehabt. Die
Schreckenszeichen, welche den Vejischen Krieg begleiteten,
erwähnend, sagt Lıvıus (B. V. Cap. 15): „Eines erregte _allge-
meine Besorgniss, dass namlich der See im Albaner Walde ohne
alle Regengüsse [?] oder sonst einen Grund, der der Sache
das Wunderbare benommen hätte, zu einer ungewöhnlichen
Höhe‘ stieg.“ Darüber lautete der Delphi’sche Spruch: „Rö-
mer, das Albaner Wasser darf der See nicht länger fassen; es
darf auch nicht in seinem Strome in das Meer hinuberrinnen.
Lass es die Gefilde netzen, über die Du es durch Kunst lei-
test, und tilge es, in Bäche zertheilt.“ So wurde der Emissar
gegraben, welcher noch heute das Albanische Wasser leitet.
Es fliesst gegen Nordwesten und ergiesst sich, mit der Acqua-
cetosa vereinigt, in die Tiber.
Das Maar von Nemi, welches sudsudwestlich vom Gebirgs-
Centrum in gleicher Entfernung von demselben wie der Alba-
ner-See liegt, steht an Grösse nur wenig hinter diesem zu-
rück. Auch seine Gestalt ist elliptisch, der grössere von Nord
nach Sud gerichtete Durchmesser beträgt 1,8 M., der kleinere
1,2. In der grösseren nördlichen Hälfte ist die Umrandung
kein eigentlicher Wall, indem keine peripherische Abdachung
vorhanden ist, sondern von der Randhöhe aus entweder eine
weite Ebene gegen das Halbkreisthal von Molara fortsetzt, oder
sich der Boden allmalig gegen den Wall des centralen Kraters
und den M. Cavo emporhebt. Die südliche Umrandung fällt
mit der allgemeinen Senkung der äusseren Gebirgsgehänge
519
gegen Civita Lavinia zusammen. Nur die südliche Hälfte des
Maars ist mit Wasser erfullt, der nördliche Theil liegt jetzt
trocken. Ehemals nahm der See einen grösseren Theil des
Maars ein, bevor nämlich ein Emissar vom Nemi-See in das
Thal von Ariceia hinab getrieben wurde. Ueber dies \Verk
liest keine geschichtliche Nachricht vor; seine Ausführung
scheint aber einem überaus hohen Alterthume anzugehören.
Es beweist nämlich die Beschaffenheit des jetzt trocken liegen-
den, nördlichen Theiles des Seebodens den ehemaligen höheren
Stand des Wassers. In ihrem jetzigen fixirtem Stande berührt
die Fluth beinahe die Stufen, auf denen einst der Tempel der
Diana Nemorensis ruhte.. Demnach wurde der Emissar vor
dem Tempelbau ausgeführt. Doch schon SrraBo und Pavsı-
NIAS sprechen von diesem Tempel und seinem aus Tauris ge-
kommenen Götterbilde als in unvordenkliche Zeiten zurück-
reichend (Poxzı). Gleich den Hochflächen, in welche gegen
Norden und Osten der Kraterrand fortsetzt, sind auch die steilen
Gehänge des Sees waldbedeckt. Der Spiegel desselben liegt
1008 Fuss über dem Meere, also reichlich 100 Fuss über dem
Albaner-See Die Höhe des Nordwalls beträgt nach Scuuipr
ungefähr 2130, des Sudwalls ungefähr 1200 Fuss. Die zum
Theil mehr als 1000 Fuss überaus steil abstürzenden Ge-
hänge, welche durch vertikale dunkle Felswände unterbrochen
sind, geben diesem in Waldesschatten (daher Lacus nemorensis)
ruhenden Maare einen ernsten und grossartigen Charakter,
während der Albaner-See ein liebliches Landschaftsbild ge-
währt. Da der See, rings umschlossen, ‘in einer tiefen Ein-
senkung liegt, so wird er nur selten von Winden bewegt und
bietet meist eine spiegelglatte Fläche dar; daher eine alte Be-
zeichnung desselben Speculum Dianae. Der Göttin Tempel
lag tief unter Nemi, welches auf einer sich fast senkrecht über
den See erhebenden Klippe steht. Am südwestlichen See-
rande auf weitausschauender Höhe liegt Genzano. Zwischen
den Seen von Nemi und von Albano dehnt sich ein etwa
0,9 M. breiter, plateauähnlicher Gebirgsrücken aus, welchen
man wohl als einen hier erhaltenen Theil des Kreisthals di
Molara betrachten kann. Auf diesem gleichfalls bewaldeten
Bergrücken erhebt sich zu nur geringer relativer Höhe gerade
zwischen beiden Seekesseln der M. Gentile.
Ein drittes, ansehnlich grosses, jetzt trocken liegendes
520 - ?
Maar. ist die Val d’Ariccia oder Vallericeia. Es liegt sudwest-
lich vom Gebirgscentrum, seine Form ist ein schönes Oval, in
der Richtung von Norden nach Süden verlängert. Der grössere
Durchmesser der Umwallung beträgt 1,6, der kleinere (von
Osten nach Westen) 1,2 M. Die innere seegleiche Fläche misst
1,3 und 0,9 M., ihre Meereshöhe im mittleren Theile beträgt
918 Fuss. Der nördliche Theil der Umrandung, der übrigens
keinen selbständigen Wall, sondern nur eine der grossen Ge-
birgsperipherie angehörige Terrasse darstellt, fällt zum Theil
in unersteiglichen Felsen ab und wird von mehreren sehr tie-
fen Schluchten zerschnitten. Ueber eine” derselben fuhrt jene
prächtige (1853 vollendete) Brücke, welche den Weg von Rom
nach Velletri und Terraeina um 2 Miglien kürzte. Ueber dem
Kesselthal auf der höchsten Uferkante liegt Ariccia, 1280 Fuss
hoch. Abgesehen von dem theilweise durch Felsen gebildeten
Steilraunde von Ariccia, ist der grösste Theil der Circumvallation
der Vallericcia wenig hoch und sanft geneigt, entsprechend
der der Peripherie genäherten Lage dieses Maars. Sowohl
der östliche als der westliche Kraterwall senken sich in der
Richtung von Norden gegen Suden. Hier in der südlichen Aus-
buchtung der elliptischen Fläche ist der Wall kaum noch an-
gedeutet und erhebt sich nur wenige Fuss über die Maar-Ebene.
Mit geringer Mühe konnte man demnach einen offenen Graben
ziehen, welcher die Quellwasser der Vallericcia und mit ihnen
die Gewässer des Nemi-Sees an der auf hohem Tufffelsen lie-
genden, uralten Stadt Ardea vorbei dem Meere zufuhrt. Der
Emissar aus dem Nemi-See tritt in das Becken von Ariccia
an dessen hohem nördlichen Rande. Ueber den westlichen
Wall des Kreisthals führt jetzt die Strasse, welche Albano mit
der 2 Miglien entfernten Bahnstation verbindet.
Gegen Westsüdwest, noch etwas mehr dem Centrum des
Gebirges entrückt als die Vallericcia, liegt das kleine Maar il
Laghetto (der alte Lacus Turnus), dessen Name auf eine ehe-
malige, jetzt indess gänzlich verschwundene Seeerfüllung schlies-
sen lässt. Die elliptische Umwallung hat einen grösseren, von
Norden nach Suden gerichteten Durchmesser von 0,7 M. und
eine Breite von 0;6 M. Die mit Olivenbäumen bepflanzten
Gehänge senken sich sanft gegen die (578 Fuss über dem
Meere liegende) Fläche des Maars, welches sich ohne erhöhten
Wall gleich einer blossen Einsenkung am äusseren Mantel des
521
grossen Albanischen Kegels darstellt. Der östliche Wall hat
bei der Torretta eine Höhe von 920 Fuss. Auch dies Maar
besitzt einen durch Pabst Paul V. im Anfange des 17. Jahr-
hunderts angelegten Emissar.
Ausser diesen Krateren oder Maaren giebt es im weiten
Umkreise des sanft sich verflachenden Albanischen Kegels noch
mehrere (von mir nicht besuchte) vulkanische Kesselthäler,
welche theils nur sehr wenig eingesenkt, theils mehr oder we-
niger undeutlich, entweder einer nur wenig energischen erup-
tiven Thätigkeit ihre Entstehung verdanken, oder durch die
spätere Wirkung strömender Gewässer zerstört worden sind.
Hierhin gehört der eirkelrunde „Lago di Oastiglione“*, der alte
Gabiner-See. Derselbe stellt mit einem Durchmesser von
0,8 Miglien eine flache Einsenkung in der Tufffläche dar und ist
dem Albanischen Gebirgscentrum schon weit (8 Miglien) gegen
Norden entruckt. Es bleibt zweifelhaft, ob dies Maar in einer
engeren Beziehung zum grossen Albanischen Vulkane steht, oder
ob es eine jener zahlreichen kesselformigen Bodensenkungen
ist, welche sich in dem transtiberinischen Theile des Römischen
Gebietes regellos und ohne Beziehung zu einem Centralvulkane
befinden. Das Wasser des jetzt trocken liegenden Gabiner-
Sees wurde mittelst der Osa in den Aniene geleitet. Hier ist
auch der See Regillus zu nennen, jetzt in der nassen Jahres-
zeit eine sumpfige Fläche (Pantano). Der Lacus Regillus, an
dessen Ufern im Jahre 499 v. Ch. jene beruhmte Schlacht stattfand,
in welcher Roms Macht Latium überwand, lag etwa 2 Miglien
nordwestlich von Colonna an der Via Labicana. Derselbe er-
füllte eine unregelmässige Depression des Bodens und scheint
einem Maare nicht entsprochen zu haben. Nach Ponzı erkennt
"man noch jetzt einen älteren höheren und einen jüngeren nie-
deren Stand ‚der Seefläche, durch Geschiebe bezeichnet. Der
altere See soll sich durch den Bach della maecchia di Lun-
shezza, genannt Monte giardino, der jüngere durch den Bach
ÖOsa zum Aniene ergossen haben. So lehrt ein genaues Stu-
dium des Römischen Bodens (zu welchem sich der Natur- und
der Alterthumsforscher die Hand reichen müssen), wie die
Oberfläche der Erde theils durch das langsame Wirken natür-
licher Kräfte, theils im mehrtausendjahrigen Gedränge der
Völker durchaus verändert und verwandelt ist.
Noch ist der Lago di Giulianello zu nennen, 3, Miglien
Zeits. d.d.geol. Ges. X VIIL au | 54
522
östlich von Velletri, 7 Miglien gegen Südosten vom Gebirgs-
centrum entfernt. Derselbe- hat eine von Norden nach Süden
elliptische Form mit Durchmessern von 0,6 und 0,5 Miglien
und ist in vulkanischem Tuffe eingesenkt; ferner das Kessel-
thal il Marciano unterhalb Grotta ferrata, Prataporei und Pan-
tano secco. 5
Während die genannten Kesselthäler dem Albanischen Ge-
birge ein besonderes Interesse und eine besondere Zierde ver-
leihen, fehlen demselben auch nicht mehr oder weniger isolirte,
den unteren Gehängen des flachen Kegels aufgesetzte kleine Kup-
pen, welche als Zeugen seitlicher Eruptionen sich um alle grössere
vulkanische Gebirge sammeln. Diese kegelförmigen Hügel er-
heben sich vorzugsweise an der Peripherie des Albanischen Ge-
birges dort, wo die sanft geneigten Gehänge sich mit der Ebene
verbinden. Sie verleihen, mit Castellen oder Flecken gekrönt,
auch der Landschaft einen Schmuck. Hier sind zu nennen:
M. Savelli (4,5 Miglien vom Gebirgscentrum entfernt), M. delle
due torri (4,2 Miglien entfernt), die Höhe, auf welcher Velletri
steht (5 Miglien), M. Giove (5,5), die beiden Berge von Co-
lonna (4,3) und viele andere.
Wenig umfangreich ist die geognostische Literatur des
Albaner-Gebirges. Hier möge erwähnt werden L. v. Buch,
- welcher in seinen „Geogn. Beob. auf Reisen durch Deutsch-
land und Italien“, 1802 und 1809, dem M. Albano den zwei-
ten Abschnitt des zweiten Bandes widmet, S. 69—79. v. Buch
gab die erste treffliche Schilderung des Peperino und scheint im
Albaner-Gebirge zuerst zu Zweifeln an der neptunischen Ent-
stehung des Basaltes angeregt worden zu sein. Vortrefflich,
aber wenig bekannt geworden sind die geognostischen Be-
merkungen über die Berge des alten Latiums von Lxor. GaE-
LIN (in dessen Aufsatze „uber den Hauyn und einige mit ihm
vorkommende Fossilien“; s. Schweigger’s Journ. f. Chemie und
Physik, B. V. S. 2—17 1815). GäeLıs sprach zuerst aus,
dass das Albaner-Gebirge späterer Entstehung sei als der
Tuff der Römischen Campagna. L. v. Buch nahm an, dass
die Tuffe des Aventins, des Capitolins ete. durch das Wasser
von den Bergen des alten Latiums herabgeschwemmt worden
wären. Da sich jedoch auf den Latinischen Bergen keine
Stücke eigentlichen Bimssteins finden, so können jene bims-
steinreichen Tuffe nicht von hier aus entstanden sein. Viel-
523
mehr muss man den Tuff der Römischen Hugel zu den ältesten
vulkanischen Schöpfungen dieser Gegend zählen. GmELIN
- entwarf auch bereits eine geognostische Karte Latiums, auf
welcher er die Verbreitung folgender Bildungen angab: des
vulkanischen Tuffs der Römischen Ebene, der Aschen und
vulkanischen Sande des Albaner-Gebirges, der Lava Sperone,
des Peperins und der compakten (Leucitophyr-) Lava.
FRrIEDR. HOFFMANN scheint dem Albaner-Gebirge nur eine
sehr kurze Zeit gewidmet zu haben. Ein zweiter Besuch, den
er nach seiner Rückkehr aus Sicilien in Aussicht genommen,
und durch welchen die Wissenschaft gewiss mit einer treff-
lichen Arbeit bereichert: worden wäre, unterblieb. In einem
Briefe, den Horrmann am 26. Januar 1831 von Catania aus
an den Oberberghauptmann GERHARD richtete, schildert er den
Bau des Gebirges als einen Erhebungskrater im Sinne L. von
Bucn#’s. „Wir haben im Albaner-Gebirge eine Bildung vor
uns; welche so vollkommen denen der von Herrn v. BucH zu-
erst scharfsinnig unterschiedenen Erhebungskrater gleich ist,
dass wir nicht zweifeln dürfen, sie sogleich dafür zu nehmen.*
(Karsten’s Archiv, Bd. Ill. S. 361.)
Es ist nicht allgemein bekannt geworden, dass HoFFMANN
durch seine Studien in Suditalien und Sicilien dahin geführt
wurde, die Lehre von den Erhebungskrateren zu verlassen und
das ganze Gerüst. der vulkanischen Kegel, z. B. den M. di
Somma, als durch Auswurf von Schlacken und Lava entstan-
den anzusehen.
Ueber die Topographie des Albaner-Gebirges gab JuL.
SCHMIDT in seinem trefflichen Werke: „die Eruption des Vesuv*
nähere Nachrichten, theils auf eigene Beobachtungen, theils auf
die Karte des österreichischen Generalstabs und die vom fran-
zösischen Depöt de la guerre herausgegebene Karte sich stutzend.
Während wir in den vulkanischen Massen der Römischen
Campagna Meeresbildungen erkannten, welche, in einem plio-
cäanen Becken abgelagert, später gehoben, von Fluss-
thälern zerschnitten und von diluvialen Bildungen theilweise
bedeckt wurden, so finden wir in den Bergen Latiums die
Zeugnisse einer echten übermeerischen vulkanischen Thätig-
keit. Drei verschiedene Gesteinsbildungen weist unser Ge-
birge auf: die sogenannte Lava Sperone, welche in Schlacken-
tuffe übergeht, feste Lava und Peperin.
34 *
524
Die Lava Sperone (da sie ein ganz charakteristisches
Gestein ist, so behalte ich den Römischen Localnamen bei)
stellt eine poröse, leichte, bei dem ersten oberflächlichen Blicke
fast dicht erscheinende Masse dar von bräunlich- oder gelblich-
grauer Farbe. Die genauere Untersuchung lehrte, dass diese
Lava wesentlich bestehe aus kleinen Körnern von farblosem
Leucit und noch viel kleineren Kryställchen von gelblich-
braunem Granat. Ausserdem ist Augit, Magneteisen und der
chemischen Analyse zufolge auch wohl . Nephelin sowie
Hauyn vorhanden. In der Universitätssammlung zu Rom
sah ich Stücke dieser Lava, deren Granate mit blossem
Auge deutlich sichtbar waren. In dem von mir analysirten
Stucke, welches ich an dem Felsabsturz südlich von Tuscu-
lum schlug, waren die Granate theils in kleinen Drusen, theils
in der Grundmasse nur mit Hilfe des Mikroskops- sichtbar.
An einem geschliffenen Plättchen zeigte ‚das Mikroskop, dass
die Leucite von zahllosen, äusserst feinen, farblosen Prismen
durchdrungen sind. Im Gegensatze zu der sogleich zu er-
wähnenden festen Lava der Ströme fällt die Abwesenheit der
Nephelin-Melilith-Drusen “auf. Sehr viel Nephelin kann im
Sperone nicht vorhanden sein, weil nur ein kleiner Theil der
Gesteinsmasse gelatinirt. In diesem Gesteine oder in den
Tuffen, in welche der Sperone übergeht, finden sich auch die
allbekannten Melanite von Frascati, von denen die Kinder
bei Tusculum den Fremden ganze Beutel voll anbieten.
Das specifische Gewicht des Sperone von Tusculum
beträgt 2.810. In der chemischen Zusammensetzung offenbart
sich die eigenthümliche mineralogische Constitution dieser Lava:
Kieselsaure . . . 45,67
Schwefelsäure . . . 0,38
Thonerder. .,. 2... 719.52
"Eusenoxydul 2... 0... 12,97
Kalkerde 2... = .10.94
Maouesia . 2... 3,00
al ee Dal
Natron... 00 5.21
Glühverust . . . 1,20
100,80.
Diese Analyse steht im Einklange mit der Mischung der
: 525
oben angegebenen Mineralien ‚des Gemenges, wie ein Blick
auf folgende Zahlen lehrt: ‚
Kiesel- Thon- Eisen- Kalk Magn- Kali Natron
säure erde oxyd esia
Leueit 54,89 : 23,51 21,60
Melanit von
Frascati, I-an00 6,24 23,12. 32,72...1,04
n. DamourR
Nephelin, 2
RAMMELS- |
BERG’S
Mineral- |
Chemie
Der Schwefelsäure-Gehalt des Gesteins lässt auf etwa
3,2 pC. Haüyn in demselben schliessen (die Zusammensetzung
des Albanischen Hauyns wird unten mitgetheilt werden).
Was die vorstehende Angabe der Mischungen von Leucit,
Melanit und Nephelin betrifft, so ist zu bemerken, dass der
Melanit keinen wesentlichen Bestandtheil des Sperone bildet,
sondern ein gelblichbrauner Granat, dessen Zusammensetzung
wir indess nicht kennen. Immerhin steht der geringe Kiesel-
säure-Gehalt des Gesteins in Uebereinstimmung mit der kie-
selsäurearmen Mischung des Granats.
Der Sperone erscheint in mächtigen, bankartigen Massen
gelagert und bildet wesentlich den Tusculanischen Höhenzug
und vielleicht die Hauptmasse des ganzen Gebirges. An seiner
Oberfläche geht der Sperone allmälig in zusammengebackene
Schlackenconglomerate, dann in lockere Schlacken und Aschen
über, welche Schichten bilden, wie dieselben einen Niederfall
aus der Luft beweisen. Diese Massen, theils von rother und
brauner, theils von schwarzer Farbe, schliessen durch ihre
Lagerung und unverbundene Beschaffenheit im Vergleiche mit
dem Römischen Tuffe eine marine Bildung aus.
Aus diesen lockeren Tuffen besteht der centrale Krater
mit dem M. Cavo, der grössere Theil der Valle di Molara, so
wie der ganze peripherische Ringwall. Die Schlacken und
Aschenmassen bedecken in einem weiten Umkreise das Land
und verbreiten sich in stets dünneren, durch feiner zertheiltes
—-44,74 33,16 6,09 16,01
*) Nebst 1,04 pC. Titanoxyd.
526
Material gebildeten Straten bis weit in die Ebenen, indem sie
die Tuffe der Campagna überlagern. Hierdurch wird für die
Bildung des Albanischen Vulkans ein jüngeres Alter bewiesen
als fur die marinen Ausbrüche, welche den Tuff der Romischen
Campagna erzeugten. Diese Altersverschiedenheit bestimmt
hervorgehoben zu haben, ist das Verdienst Poxzi's, wenngleich
dieselbe auch bereits aus den wenig bekannt gewordenen
Beobachtungen Gmenm’s folgte. Nach Ponzı bedeckt der Al-
baner Tuff eine fast kreisförmige Fläche, deren Mittelpunkt
der Campo di Annibale ist und deren Durchmesser 15 Miglien
beträgt. Die Grenze beider Tuffbildungen, der marinen und
der atmosphärischen, ist indess begreiflicher Weise nur
schwierig zu ziehen, da ferne vom Gebirge nur eine dunne
Aschenschicht über dem marinen Tuffe liest, auch durch fort-
schreitende Zersetzung der in der Ebene lagernde Albanische.
Tuff stellenweise dem marinen ähnlich werden kann. « Man
erinnere sich, wie 'schwierig und unsicher auch im Laacher
Gebiete die Sonderung der verschiedenen Tuffe ist. Die
Schlackenstuckchen, welche den Albanischen Tuff constituiren,
sind meist dicht; zuweilen sieht man darunter auch kleine
Leucitophyr- Massen verschiedener Art (mit vielen Leueit-
und wenigen Augitkrystallen, oder auch mit vorherrschenden
Augiten). Von losen Krystallen findet man im Tuffe: Ausgit,
Hornblende, Magneteisen, Glimmer, Leueit, Sanidin. Von
Mineralaggregaten kommen im Tuffe vor: Augit oder Horn-
blende- Massen mit Apatit (welche in so vielen Vulkan-
bezirken zu Hause sind) und rundliche Massen (Bomben)
von Glimmer. Trachyt oder gar Bimsstein habe ich (Poxzr’s
_ Angabe bestätigend) nicht im Tuffe gefunden, wodurch ein
weiteres wichtiges Unterscheidungsmittel zwischen dem Alba-
nischen und Römischen Tuffe gewonnen wird. Es schien mir,
als ob in den höheren Theilen des Gebirges die Tuffe eine
mehr rollende, lapilliartige Beschaffenheit besitzen, während
sie gegen den Fuss des Gebirges sich zuweilen verbunden
darstellen. Der kreisrunde Wall des Campo di Annibale be-
steht aus Schlackentuff mit Ausnahme des nordwestlichen
Randes, über den ein Lavaguss erfolgte. Aus dem Central-
Krater wurde (wie mit Wahrscheinlichkeit anzunehmen) die
Hauptmasse der Tuffe und Sande ausgeworfen, welche einen
Raum von etwa 175 Quadratmiglien oder 11 geogr. Quadrat-
527
meilen einnehmen. Auch der kleine, zierliche Krater nahe
der Madonna di Molara besteht aus demselben Schlackentuff.
Er ist von ausgezeichneter Hufeisenform (s. die obere Ansicht
der Taf. XI) und öffnet sich gleich dem centralen und dem
grossen, peripherischen Krater gegen Westen.
Die feste Lava der Latinischen Berge ist wesentlich ein
und dasselbe Gestein, Leucitophyr, Vesuvgestein. In einer
dichten oder feinkörnigen Grundmasse sind ausgeschieden
Krystalle von Leucit, Augit, Magneteisen, zu denen
wenigstens zuweilen noch Melilith hinzutritt.*) Das Mengen-
verhältniss der ausgeschiedenen Bestandtheile ist ein sehr
wechselndes und demnach auch das Ansehen des Gesteins.
Bald ist Leueit, bald Augit vorherrschend. Häufig sind die
Leucite so klein, dass man sie mit blossem Auge nicht
wahrnimmt, und dann gleicht das Gestein einem Basalt, wenn-
gleich die Farbe eine mehr lichtgraue bleibt.- Seltener sind
Varietäten, in denen die Grundmasse von der Menge grosser
‚ausgeschiedener Leucite fast verdrängt wird. Häufig sieht man
nur wenige grosse, ausgeschiedene Leucite, welche man in
Handstücken wohl übersehen könnte, wie bei Capo di Bove.
Sie sind zuweilen von unregelmässig gerundeter Form, daneben
andere wohlgebildete Krystalle von charakteristischem Fett-
glanze. Bei Capo di Bove (unmittelbar am Fusse des Grab-
mals der Cäcilia Metella, in einem von der dortigen Lava be-
deckten Tuffe) finden sich mehrere Linien grosse Leucite,
welche deutlich spaltbar sind parallel den Flächen des Wür-
fels. Die Spaitungsflächen zeigen einen seidenähnlichen Glanz.
Die Oberfläche dieser Krystalle besitzt eine bei Leuciten un-
gewöhnliche Streifung parallel den symmetrischen Diagonalen
der Flächen. Bereits Hauy giebt an, dass der Leucit parallel
den Flächen des Wüurfels spalte. Doch ist eine Spaltbarkeit
fast niemals wahrzunehmen, und die Leucite von Capo di Bove
bilden eine fast unerwartete Bestätigung der Angabe Havr'’s.
MittEer und Des CLoIzEaux geben Spuren einer dodeca&drischen
Spaltbarkeit an, welche ich indess nicht bemerkt habe. Diese
*) Nach Gmerin soll die Lava von Capo di bove auch Haüyn in blass-
blauen, durchsichtigen, erbsengrossen Stückchen enthalten, theils in der
Grundmasse selbst, theils in den ausgeschiedenen Leuciten. In der Lava
vom westlichen Thore von Nemi glaubt Guerın Feldspath beobachtet zu
haben.
528
parallel dem Würfel spaltbaren Leuceite von Capo di bove,
welche durch F. Horrmann gesammelt wurden, erhielt ich
durch die Güte des Herrn G. Rose. Der Augit ist meist
von grüner Farbe (wie auch in der Vesuvlava), schwankend
zwischen äusserster Kleinheit. und etwa einem halben Zoll.
Das Magneteisen, gewöhnlich nur in mikroskopischen Körn-
chen, giebt sich stets durch den Magneten zu erkennen. Der
Melilith findet sich in der Nähe der durch sein Vorkommen
ausgezeichneten Drusen auch in der Grundmasse.*)
Die mikroskopische Untersuchung dünner Plättchen lehrt, s
dass auch die scheinbar dichten Varietäten, in denen man mit
blossem Auge keine Leueite wahrnimmt, aus kleinsten, dicht-
gedräugten Leuciten zusammengesetzt sind. Die Leueite zei-
gen zuweilen (z. B. in einer Platte von Rocca di Papa) eine
eigenthümliche Anordnung fremder, eingemengter Krystallkörner
oder von Theilen der Grundmasse. Grüne, rundliche Körn-
chen (vielleicht Augit) bilden im Inneren fast eines jeden
Leueitkrystalls der betreffenden Platte einen regelmässig geord-
neten Kranz. Indem man die Focaldistanz des Mikroskops
ändert, überzeugt man sich leicht, dass die betreffenden Kry-
stallkörnchen eine Kugelfläche bilden. Ausser diesen Einmen-
gungen umschliessen die Leueite zahllose durchsichtige, sehr
kleine Prismen ein, welche vielleicht Apatit sind.
Der Albanische Leucitophyr enthält theils auf Drusen,
theils als fremdartig umhüllte Mineral - Aggregate eine grössere
Anzahl von Mineralien. Zu letzteren gehört ein Aggregat von
Wollastonit (Tafelspath)**) und sogenanntem Spadait, zu jenen:
Nephelin, Melilith, Leueit, Glimmer, Augit, Phillipsit, Bi
Kalkspath, Apatit, Magneteisenerz.
Der Wollastonit ist in der feinerdigen, unkrystallini-
schen, röthlichweissen Masse des Spadaits eingewachsen. Die
bis vier Linien grossen, tafelförmigen Krystalle zeichnen sich
durch ihre mehrfachen, vollkommenen Spaltungsrichtungen aus.
Ich beobachtete die in der Fig. 1. Taf. X. dargestellten Flächen:
*) Melilith findet sich in der dem Gestein von Capo di Bove so ähn-
lichen Lava vom Herrchenberg im Brohlthale in der Grundmasse und in
Drusen. j
#%) Es ist deshalb nicht genau richtig, wenn Des Croızeaux (Mine-
ralogie, I, 105) vom Wollastonit sagt: „tapissant des caviles dans une
lave basaltique a Capo di Bove.“
529
c,u, v,a, z und x, welche den gleiehbezeichneten Flächen MiıL-
LER’S oder beziehungsweise den Flächen p, at, a2, h’, e} und e!
Des CLoizsaux’s entsprechen. Da die Krystalle haufig Zwil-
linge (Fig. 2 Taf. X) bilden mit der Fläche c (p), so muss
diese Fläche als Querfläche genommen werden. Nehmen wir u
zur Basis, so erhalten obige Flächen folgende einfache Formeln:
e=(a:00b:o0e) = (2a: ei:;ao.h)
wald: o8i&.:00.b) 2 =i(>atlen;bis69 ©)
B— (aäe 930eib) x=( a:4b:ooc).
An den Krystallen von Capo diBove konnte ich mit Genauig-
keit die beiden Winkel e:u= 95° 21’ und a:c=110" 13’ be-
stimmen, welche demnach sehr nahe übereinstimmen mit den
bei MıtLLer und Des Cwoizsaux angegebenen (95° 23° und
110° 12°). Entlehnen wir zur Berechnung der Axen-Elemente
den Winkel e:z = 145° 7’ von Des CLoIzEAUx, so ergeben sich
die den obigen Formeln zu Grunde liegenden Axen, wie folgt:
a:b:c= 0,7002 :1: 0,64404
4,0872 71,55270: 1,
der Winkel zwischen a und e (a) = 84° 39.
Auf genau rechtwinklige Axen lässt sich dies System nicht
zurückführen. Da die Krystalle stets eingewachsen, so sind
die Flächen nicht vollkommen eben und glänzend, sondern
feindrusig. Die Flächen z und x fand ich kaum einer anna-
hernden Messung fähig. Beide treten auffallend unsymmetrisch
auf; ich fand sie bald auf der rechten, bald auf der linken
Seite mehr ausgedehnt, doch, wie mir schien, regellos. Voll-
kommen spaltbar parallel c, auf welcher Fläche bunte Farben-
ringe, parallel u und a, fast gleich vollkommen wie c. Die
Spaltungsflächen parallel a sind zuweilen fein gestreift parallel
der Kante mit c. MitLER und Des CLoizEAux führen noch eine
vierte Spaltungsrichtung auf, die Kante a:c abstumpfend, so
dass sie mit ce 129° 42’ bildet. Die beiden obigen Messungen
wurden an Spaltungsflächen ausgeführt. Der Wollastonit von
Capo di Bove wurde von v. KoBELL analysirt (s. J. f. prakt.
Chemie XXX, 469). Derselbe untersuchte auch und benannte
den Spadait (a. a. O.): Kieselsäure 56,00, Magnesia 30,67,
Eisenoxydul 0,66, Thonerde 0,66, Wasser 11,34. *)
*) Die der obigen krystallographischen Beschreibung zu Grunde lie-
genden Krystalle verdanke ich der gütigen Mittheilung des Herrn Erz-
herzog STEPHAN.
530
Der Nephelin in farblosen, durch die Basis begrenzten
Prismen ist in Begleitung des gelben Meliliths und äusserst
feiner Apatit-Nadeln an unzähligen Stellen in den Drusen
der Leucitophyrlava verbreitet. Es ist mir noch nicht möglich
gewesen, in der Grundmasse dieser Lava Nephelin aufzufinden,
wenngleich es wahrscheinlich ist, dass die Mineralien der Drusen,
insofern ‚sie nicht späterer, secundärer Entstehung sind, auch
wesentliche Bestandtheile der Grundmasse bilden. Leueit in
sehr kleinen, aber deutlichen Krystallen findet sich zusammen
mit Nephelin und Melilith an verschiedenen Orten: bei Capo
di Bove, Rocca di Papa, Vallerieccia. Die kleinen Leueite,
welche zuweilen auf den quadratischen Prismen oder Tafeln
des Meliliths aufgewachsen sind, zeigen nicht selten eine
äusserst schmale Abstumpfung ihrer langeren Kanten. Man nahm
bisher allgemein an, dass der Leucit mit Ausnahme gewisser
Sommablöcke nur eingewachsen, nicht in aufgewachsenen
Krystallen vorkomme; indess ist diese Annahme irrig. Die
Lava vom Herrchenberge im Brohlthale, welche wegen ihrer
mit denjenigen von Capo di Bove so ähnlichen Drusen be-
kannt ist, enthält neben den Nephelinen, und zwar in überwie-
gender Menge, Leueite.“)
Dunklen Glimmer in zierlichen hexagonalen Blättchen
mit scheinbar monoklinen Randflächen sah ich in Begleitung
von Nephelin, Melilith, Leueit und Apatit im Vallericeia. In
derselben Begleitung findet sich bei Capo di Bove schwarzer
Augit in kleinen Krystallen von der gewöhnlichen Form.
Der Phillipsit (Kalkharmotom), findet sich in sehr klei-
nen, farblosen Krystallen: rectanguläre Prismen, auf deren Kan-
ten Oktaöderflächen aufgesetzt sind. Die doppelte Streifung der
Okta&derflächen lässt sogleich in diesen scheinbar einfachen For-
men Zwillinge erkennen. Solche Zwillinge durchkreuzen sich nun
rechtwinklig zu zweien (s. Fig. 3. Taf. X.) oder zu dreien (s. Des
. Croizsaux, Atlas, Pl. XXX], Fig. 181). Die Ausbildung dieser
Doppel - Zwillinge ist eine etwas verschiedene, indem zuweilen
die Arme des Kreuzes.sich so sehr verkürzen, dass die Pris-
*) Späterer Zusatz. Nachdem Obiges bereits niedergeschrieben,
veröffentlichte Herr Dr. Laspeyres seine „Beiträge zur Kenntniss der
vulkanischen Gesteine des Niederrheins‘‘, aus denen ich ersehe, dass auch
er bereits die aufgewachsenen Leueite des Herrchenberger Gesteins beob-
achtet hat.
531
menflächen sich nur noch als einspringende Kanten darstellen
(s. Fig. 4. Taf.X.). Aehnliche Figuren wie 3 und 4 zeichnete bereits
G. Rose für diesen Phillipsit, s. Krystallo-chemisches Mineral-
system, 8. 93. Diese Formen gehen indess in einander über.
Die sehr kleinen Krystalle des Phillipsits gruppiren sich zu-
weilen zu Kugeln, deren Oberfläche aus Krystallspitzen besteht.
MarıGnac (Ann. de chimie et de phys. 1845, B. 14. S. 41)
untersuchte den Phillipsit von Capo di Bove mit folgendem Re-
sultate: Kieselsäure 43,25, Thonerde 24,69, Kalkerde 7,45,
Kali 9,78, Wasser 15,25. Diese Zusammensetzung entspricht
ungefähr der Formel 385, Al, R, AH, welche, wenn man
R=2Ca+ ıK setzt, verlangt: Kieselsaure 42,27, Thonerde
23,84, Kalkerde 7,25, Kali 9,81, Wasser 16,83. Der Römische
Phillipsit unterscheidet sich demnach (gleich demjenigen eben-
. falls durch MarIGnAcC untersuchten Phillipsit vom Vesuv) von
den gewöhnlichen Varietäten von Marburg, Annerode etc. durch
die geringere Menge der Kieselsäure, die grössere der Thon-
erde und des Kalis. \
Der Gismondin (Zeagonit Gısmoxpı, Abrazit BRRISLAK)
erscheint in quadratischen Oktaädern, deren Winkel sich nicht.
genau bestimmen lassen. Marıenac nimmt den Endkanten-
winkel gleich 118° 34’ und den Seitenkantenwinkel gleich 92 30’
an. Nach der Analyse Marısnac’s ist die Zusammensetzung:
Kieselsäure 35,88, Thonerde 27,23, Kalkerde 13,12, Kali 2,85,
Wasser 21,10, entsprechend der Formel 9$i, 441, A(Ca, K,),
18H. |
CREDNER hat die Meinung geäussert, der Gismondin sei mit
dem Phillipsit identisch, und die quadratischen Octa@der des
ersteren seien verkürzte Doppel-Zwillinge des Phillipsits, bei
denen die einspringenden Kanten (s. Fig. 4) gänzlich wegge-
fallen seien. Indess unterscheidet beide Minerale ausser der
so verschiedenen Mischung auch das gleichfalls von MARIGNAC
hervorgehobene, verschiedene Löthrohrverhalten, sowie nach
Des Cro1zsauvx die optischen Eigenschaften. *)
*) Vergl.: Des CLoızeaux, Manuel de Miner., I, 378 und 399. G. Rose,
Krystallo-chemisches Mineralsystem, S. 9Q— 94. Kenseott, Sitzungsber.
d. math. naturw. Kl. d. Acad. d. Wiss. zu Wien, 1850, S. 248 —270. Cre»-
° ner, Leons. und Bronn, N. Jahrb, 1847, 558. Marıenac. Ann. de chimie
et de physique, 1845, T. XIV. 41.
532
Der Kalkspath findet sich theils mit den beiden ge-
nannten Zeolithen zusammen, theils für sich kleine Spalten und
Drusen erfüllend an der Valleriecia, von brauner Farbe.
Das Magneteisen in zierlichen granato&drischen Kry-
stallen in den Nephelin-Drusen von Capo di Bove.
Ueber die chemische Mischung des Leucitophyrs vom Al-
baner-Gebirge belehren uns vier von Bunsen ausgeführte Ana-
lysen (s. RorH, die Gesteins - Analysen, S. 64): 1) oberhalb
Frascati, am Wege nach Tusculum; 2) Capo di Bove; 3) Rocca
di Papa, am Campo di Annibale; 4) Lago di Nemi. ”
1. 2. 3. 4.
Kieselsäure . 45,30 45,93 47,83 47,93
Thonerde . . 16,76 18,72 18,96 17,36
Eisenoxydul . 12,58 10,68 10,91 9.57
Kalkerde . . 9,16 10,57 11,76 12,03
Magnesia.. . 2,81 5,67 5,40 Zu
Kal ae oe 6,83 3,39 5.32
Natron: 2702.26 1,68 2,02 3.19
Glühverlust . 4,95 0,59 0,72 1,14
‚100,00. 100,67. .:.100,938,. 103,05
„Das Gestein 1) lässt deutlich nur Augit erkennen; 2) zeigt
in grösseren Krystallen Leucit und Nephelin; 3) Nephelin und
Augit [kein Leucit?]; 4) Leucit und Nephelin.*
Was das hier angegebene Vorkommen von Nephelin in
unseren Leucitophyren betrifft (insofern dasselbe sich nicht
etwa auf Drusen beziehen sollte), so ist es wohl möglich,
selbst nicht unwahrscheinlich (wie ja auch Kxoop in dem Ge-
steine von Meiches im Vogelsgebirge Leuecit neben Nephelin in
der Grundmasse nachwies), doch habe ich selbst: weder im
Albaner - Gebirge, noch in den nordrömischen Leucitophyren
Nephelin als Bestandtheil der Grundmasse gesehen, auch nicht
in den betreffenden Stücken der Fr. Horrmann’schen Samm-
lung, welche mir durch die Güte des Herrn G. Rose zugäng-
lich war. |
Der Leucitophyr des Albaner-Gebirges bildet Lavaströme,*)
*) Die Karte Taf. XII giebt in den durch Punktirung schattirten
Partien die Lavaströme an; ich verdanke die Kenntniss derselben der
gütigen Mittheilung einer handschriftlichen Karte des verdienstvollen
Prof. Ponzı.
533
bankförmige Massen und Gänge, welche sich im Tuffe aus-
dehnen, oder auch niedere, isolirte Höhen.
Einen der deutlichsten Lavaströme, den man bis zu seinem
Ursprunge aus einem Krater verfolgen kann, ist der Strom della
Molara, welcher dem oben erwähnten, deutlichen Hufeisen-
Krater — delle Tartarughe — entfloss. Er fliesst, zunächst
dem Thale Molara gegen Westen folgend, mit einer Breite von
etwa 0,1 bis 0,2 Miglie. Man sieht den Strom sehr schön
dort, wo die Strasse von Marino nach Frascati Bach und Thal
überschreitet. Durch die spätere Austiefung des Tbales ist
der Strom hier theilweise zerstört worden; auf beiden Seiten
des Thales stehen Lavafelsen an. Bevor der Strom Grotta
ferrata erreicht, wendet er sich in einem Halbkreise um den
westlichen Fuss der Tuskulanischen Hugel gegen Norden und
erreicht mit zunehmender Breite nordwestlich von Frascati sein
Ende. Die Länge dieses Stromes beträgt etwas über 3 Miglien.
Ein anderer kleiner Lavastrom befindet sich in der Nähe von
der Station Ciampino, woselbst sich die Bahn nach Frascati
von der Hauptlinie von Rom nach Neapel abzweigt. Nordwestlich
vom Casale di Ciampino durchbricht jene Seitenlinie in einem
kurzen Tunnel den auf einer Strecke von 1 Miglie in der Rich-
tung von Südosten nach Nordwesten zu verfolgenden Lavastrom,
dessen Felsen die für Lavaströme so charakteristische verti-
kale Zerklüftung zeigen. Die Ausbruchsstelle dieses Stromes
ist nicht mehr festzustellen.
Die mächtigsten Lavaströme hat unser Vulkangebirge
gegen Nordwesten, in der Richtung auf Rom, ergossen. Es
sind die beiden Riesenströme, welche ihr Ende bei Capo di
Bove, 1+ Miglie südöstlich vor der Porta S. Sebastiano, und bei
Acquacetosa, 4 Miglien südlich vor Porta S. Paolo, finden. Von
den Vorhöhen des Albaner-Gebirges die weithügelige Ebene
der Campagna überblickend, bemerkte ich deutlich, dass von
Fratocchie aus, d. h. von jenem Punkte, wo die moderne Land-
strasse sich mit der alten Via Appia verbindet, eine etwas er-.
habene (wenngleich nur flache), wallartige Höhe in der Rich-
tung auf Rom fortläuft. Auf diesem, bald mehr, bald weniger
über die wellige Campagna sich erhebenden Walle zieht die
Via Appia, fast 8 Miglien weit zwischen Grabmälern hin. Jene
weithin durch die Campagna zu verfolgende Erhabenheit be-
zeichnet den Strom, welcher bei Capo di Bove endigt. Nach
934
Ponzr’s Beobachtungen haben beide grosse Ströme einen ge-
meinsamen Ursprung in der Gegend von Fratocchie, wo die
Lavamasse unter Peperin hervortritt. Die Lava des Stromes
von Capo di Bove ist am bekanntesten durch jene umfang-
reichen Steinbrüche, welche den Hügel jenes Namens durch-
wühlt haben. Man erreicht diesen Punkt, wenn man Rom
durch die Porta S. Sebastiano verlassen und zunächst das flach-
eingesenkte Thal des Almone durchschritten hat. Die Strasse
hebt sich wieder empor, und an dem berühmten Mausoleum der
Cäcilia Metella betritt man das hier sich verbreiternde Ende
des Stromes. Da hier der nächste Punkt bei Rom. ist, wo
festes Gestein sich findet, so wurde hier das Material für den
Strassenbau seit dem Alterthume bis zur Gegenwart genommen.
Alle altrömischen Strassen, welche von Rom nach den ver-
schiedenen Theilen Italiens führten, sind mit mächtigen Lava-
platten gepflastert. Das Gestein führt den. Vulgärnamen
Selee Romana, wie auch schon die Alten die Leueitophyrlava
Silex nannten. Von dem Gestein, welches die Höhe mit dem
Grabmal der Cäcilia Metella zusammensetzt, sagt v. Buch:
„Die Masse zeigt, soweit sie entblösst ist, von regelmässiger
Zerspaltung keine Spur. Man findet sie durchaus mit sonder-
baren, olivengrünen, bis in’s Honiggelbe übergehenden, runden
Flecken durchzogen, deren Natur ganz unbestimmbar ist; denn
-sie verlieren sich, ohne scharf abgeschnitten zu sein, in der
schwarzen Masse des Basalts.“ *)
Diese von v. Buch bereits vor mehr als 60 Jahren be-
obachteten gelblichen Flecken rühren (wie eine mikroskopische
Betrachtung des Gesteins lehrt) von Zusammenhäufungen sehr
kleiner Melilithkrystalle her. Am Fusse der Höhe Capo di
*) Zur Zeit als v. Buch jene Beobachtungen machte, war er im
Wechsel seiner Ansicht über die Entstehung des Basalts begriffen, In
Italien galt schon damals der ‚„Basalt‘“ von Capo di Bove „für eine un-
zubezweifelnde, hierher geflossene Lava“. Der Besuch des Albaner - Ge-
birges mochte wesentlich beitragen, den grossen Geologen zum Verlassen
der :Werner’schen Ansicht zu bewegen. Die Lapilli des Albaner-Gebirges
sind ihm ein Beweis vulkanischer Thätigkeit. „Dann sollte sich doch
der Vulkan selbst in der Nähe leicht finden. Vielleicht findet er sich auch;
aber wie wenig kennen wir doch bisjetzt dies merkwürdige und schöne
Gebirge! — Und die Lavenströome? Hat man doch keinen Beweis,
dass hier die Basalte nicht Theile solcher Ströme sein können. Wenig-
stens ist dem weder ihre Lagerung, noch ihre Masse entgegen.“ (1798.)
935
Bove sieht man mehrfach die Lava auf dem.marinen Tuffe der
Römischen Campagna ruhen. Es ist das Verdienst Broccur's,
diesen Lavastrom aus der unmittelbaren Nähe Roms bis Fra-
"_toechie verfolgt zu haben, und Ponxzı konnte nach vielfachen
Beobachtungen den Verlauf des Stromes auf seiner Manuscript-
karte genau einzeichnen. Auf der Via Appia von Fratocchie
bis Capo di Bove fortgehend, bemerkte ich an zahllosen Stel-
len anstehende Lava. Während zu beiden Seiten des über 8 Miglien
langen Stromes der lockere Campagna - Tuff von zahlreichen
Erosionsschluchten durchfurcht wurde, widerstand die feste
Lavamasse mehr der Zerstörung und ragt jetzt, gleich einem
flachgewälbten Walle, über die Ebene hervor. Wo der Strom
am Fusse des Albaner-Gebirges zuerst zu Tage tritt, ist er
von Peperin bedeckt; weiter hinab ruht auf der Lava oft eine
auf die Albanischen Krater hinweisende Lapilli- Schicht. Nahe
der Station für Marino durchschneidet die Bahn den Strom von
Capo diBove und entblösst in einem etwa 25 Fuss hohen Pro-
file: in der Tiefe Lava, darüber eine 8 bis 10 Fuss mächtige
Sehieht rother Lapilli, welche wiederum von einer 4 bis 6 Fuss
mächtigen Lavabank bedeckt wird. Zuoberst endlich folgen
wieder Lapilli- Tuffe. Der Erguss der Lava wurde demnach
hier unterbrochen von mächtigen Aschenregen, welche auch
dem letzten Lavaergusse folgten. Nach Ponzı beträgt die Breite
i
des Stromes in seiner oberen Hälfte nur etwa —, bis —
3
Miglie, breitet sich dann aber bis zu mehr als # Miglie aus.
Die Annahme, dass dieser Strom (wie auch derjenige von
Acquacetosa) aus dem grossen Üentralkrater, dem Campo di
Annibale, geflossen, ist nicht unwahrscheinlich; doch machen
die mächtigen Peperin - Massen der Umgegend von Marino einen
Nachweis jener Annahme unmöglich. Es soll hier nicht mit
Stillschweigen übergangen werden, dass einige Geologen die
Auffassung der Masse von Capo di Bove als eines vom Alba-
ner- Gebirge herstammenden Lavastromes nur mit Bedenken
getheilt haben. Es fällt hier zwar die Bemerkung MURCHISoV’s:
„Ich gestehe, dass ich von den Albaner- Hügeln bis zum Grab-
mal der Oäcilia Metella auch gar nichts entdecken konnte,
was einem Lavastrome ähnlich gesehen hätte“, nicht sehr in’s
Gewicht, da der berühmte Forscher wohl nicht auf der damals
noch unfahrbaren Via Appia hingewandert ist, sondern die in
Einsenkungen der Campagna hinführende Poststrasse gewählt
536
hat; wohl aber mochte ich das Bedenken PırLLa’s erwähnen.
Der berühmte Neapolitaner (welcher an der Spitze seiner _
Schüler zu Curtatone, 29. Mai 1848, ruhmvoll fiel) sagt in
seiner Schrift „Osserv. geognost. da Napoli a Vienna“, 1834:
„ich bin durchaus überzeugt von der Wahrheit der Beobachtung.
Broccars, dass die Lava von Capo di Bove sich verfolgen
lasse längs der Via Appia bis nahe Fratocchie. Trotzdem
findet man von jenem Hugel gegen den Fuss des Albanischen
Gebirges hinwandernd, kein irgend bemerkbares Ansteigen des
Bodens. Auch bei Cisterna (etwa 3 Miglien gegen Norden
von der Basis des Vesuvkegels entfernt) befindet sich das
Ende eines Stromes, in welchem wie bei Rom Steinbrüche er-
öffnet sind. Aber es hebt sich von Cisterna der Boden sehr
merklich bis zum Fusse des Somma-Walles, während zwischen
dem Grabmal der Oäcilia Metella und den Albanischen Höhen
eine bemerkbare Depression liegt.“ Diese letztere Behauptung
Pırva’s glaube ich nach eigener Anschauung als eine Täuschung
bezeichnen zu dürfen. Sieht man doch zu beiden Seiten der
Via Appia Bäche zur Tiber eilen. Pırıa, der genaue Kenner
des Vesuvs, mag nicht in gleicher Weise Gebiete eines erlosche-
nen Vulkanismus zum Gegenstande seiner Beobachtungen ge-
macht haben. Die Lavaströme unserer Eifel, des Mosenbergs
und bei Bertrich, welche zu einer Zeit flossen, als die Thalbil-
dung fast schon ihre heutige Form erreicht hatte, beweisen von
wie mächtigen Zerstörungen sie betroffen worden sind. Der °
von Tuff bedeckte Strom von Niedermendig liefert ein ferneres
Beispiel für die Thatsache, wie schwierig die sichere Verfol-
gung eines Lavastromes bis zu seiner Ursprungsstätte ist.
Von nicht geringerer Ausdehnung als der Strom von Capo
di Bove ist derjenige, welcher sein Ende bei Acquacetosa findet
und auch hier in Steinbruchen eröffnet ist. Seine Richtung
fallt im Wesentlichen zusammen mit dem Verlaufe des Giostra-
Baches, in dessen Thalfurche die Lava bald zur Rechten, bald
zur Linken sichtbar ist. Das obere Ende auch dieses Stromes
wird etwa 1 Miglie”westlich von Fratocchie in einem schönen
Durchschnitte von der Bahn durchschnitten; mächtige Lapilli-
Massen bedecken hier die Lava. Je weiter von ihrer Ausbruchs-
stelle entfernt, um so geringer ist die Masse der jene beiden
Ströme bedeckenden Asche, doch reicht sie bis Capo di Bove.
Was die Länge der beiden genannten, an ihrem oberen
937
Ende verbundenen Lavaströme betrifft, so ist sie wohl die be-
“ trächtlichste, welche sich auf dem italienischen Festlande
findet. Denn ganz abgesehen von dem etwa unter dem Peperin
von Mariuo verborgenen Theile der Ströme misst die Strom-
länge von Fratocchie bis Capo di Bove resp. Acquacetosa reich-
lich 7 Miglien oder nahe 40 Tausend Par. Fuss. Dies ist
mindestens die doppelte Länge der grössten Vesuvischen Ströme,
die sechs- bis achtfache der Ströme von Manderscheid und Ge-
rolstein. Grössere Ströme als jene beiden Albanischen hat
der Aetna ausgespieen, und dennoch werden auch diese weit
übertroffen von den Lavamassen Islands.
Ponzı giebt am Wege von Trefontane nach Acquacetosa
noch eine kleine Lavapartie an, deren Zusammenhang mit den
grossen Strömen entweder durch Lapillimassen verdeckt oder
durch Erosion aufgehoben worden ist. Weiter fortschreitend
am weiten Mantel des Albanischen Kegels treffen wir westlich
vom Kesselthal Laghetto wieder einen Lavastrom, welchen die
Bahn, bevor sie die Station für Albano erreicht, durchschneidet.
Derselbe nimmt seinen Ursprung in der Nähe des Kessels
Laghetto, und es ist nicht ganz unwahrscheinlich, dass Strom
und Maar in Beziehung zu einander stehen. -Poxzı Konnte
diesen Strom auf einer Strecke von 3+ Miglieim Thale des Rudi-
celli-Baches verfolgen. Zwei kleinere stromartige Lavapartieen
lagern nach Poxzı südlich und sudwestlich der Vallericecia.
Nahe Civita Lavinia durchbricht (in einem Eisenbahn - Ein-
schnitt) ein mächtiger Lavagang den wohlgeschichteten Tuff,
indem er, vertikal aufsteigend, in seinem oberen Theile eine
bankförmige, horizontale Lagerung annimmt. Dieser Gang hat
- die Tuffmassen auf seiner Ostseite in eine geneigte Lage ge-
bracht. Das Bahnprofil entblösst hier: unten rothbraunen, in
mächtige Bänke gesonderten Tuff, oft von solcher Festigkeit,
dass man denselben sprengen musste — dies ist wohl der
marine Tuff der Campagna —; darüber lagert eine nur wenige
Fuss mächtige Bank mit grossen Blöcken und Geröllen von
Lava, endlich folgen schwarze, dunngeschichtete, sandige La-
pilli-Massen, welche offenbar einem Niederfall aus der Luft ihre
Entstehung verdanken. Ausser dem oben erwähnten Lava-
gange, welcher vermuthlich mit dem von Ponzı beobachteten
Strome von Civita Lavinia zusammenhängt, durchbrechen zwi-
schen der bezeichneten Station und Velletri noch mehrere an-
Zeits.d.d.geol.Ges. X VIII. 3. 35
938
dere, vertikal emporsteigend, den Tuff. Bei Velletri wird wie-
der ein deutlicher Strom durchschnitten, welcher am Fusse des
Kegels, der die Stadt trägt, beginnt und etwa eine Miglie ge-
gen Süden zu verfolgen ist. So erinnert die Bahn von Ciam-
pino bis Velletri wegen der zahlreichen durchbrochenen Lava-
ströome an die Fahrt von Neapel nach Castellamare. Unter-
scheidend möchte wesentlich nur sein, dass die unterlagernde
Hauptmasse des durchschnittenen Tuffs auf der Albanischen
Linie ein compakter, mariner Tuff ist, während am Rande des
Gelfs von Neapel lockere Lapilli die Ströme umgeben. Am
äussersten nördlichen Fusse unseres Gebirges fand Ponzı noch
einen Lavastrom auf, welcher vermuthlich mit dem Eruptions-
kegel von Colonna in Verbindung steht. „Bevor man (von
Rom aus) die Österia di Colonua erreicht, betritt man Lava-
massen. Ein Strom wird zur Seite der Strasse sichtbar, ver-
schwindet und erscheint in Unterbrechungen wieder. Derselbe
nimmt seinen Lauf nach dem kleinen Colonna- See.*
Dies sind die bisher bekannten Lavaströme unseres Ge-
birges, welche theils im Albanischen Thale Molara, theils am
ausseren Abhange des grossen Kegels entspringen und in ihrer
radialen Anordnung auf den Üentralkrater des Campo di An-
nibale hindeuten, zu welchem sie sich gleich Seiteneruptionen
verhalten. Auf mehrere dieser Ströme ist erst durch den Bahn-
bau die Aufmerksamkeit gelenkt worden, und wie viele mögen
noch unter den Tuff- und Lapilli- Bedeckungen, namentlich in
den fast unbetretenen Waldrevieren des östlichen Abhanges,
verborgen sein. Leucitophyrlava in Lagerungefi, welche man
nicht sowohl auf Ströme, vielmehr auf Bänke, Gänge und kleine
Kuppen zurückführen kann, trifft man noch an vielen Orten des-
Gebirges; so in der unmittelbaren Nähe des Centralkraters in
der engen Felsenschlucht, welche vom Campo di Annibale ge-
gen Nordwesten in der Richtung auf Grotta ferrata sich öffnet.
Die herabgestürzten Blöcke umschliessen viele Drusen mit schö6-
nen Nephelin- und Melilith-Krystallen. Emporsteigend gegen
Rocca di Papa sieht man eine Lavabank auf Tuff und Lapilli
rnhend. Der Felsen der Rocca, welcher über die centrale
Kraterebene hervorragt, ist gleichfalls feste Lava. Ein Theil
des Felsens, an welchem die Häuser von Rocca di Papa sich
staffelförmig erheben, besteht aus Sperone, der in Lapilli über-
geht, welche als Puzzolane mitten im Dorfe gewonnen werden.
539
„Hier, an dem freien, fast senkrechten Felsen hängen die Häuser,
Dach auf Dach, bis oben zum Gipfel. Der einzige Heraustritt
aus dem Hause ist auf die Treppe im Felsen oder auf das
Dach des Nachbars.* (v. BucH.) Der Monte Oavo besteht seiner
Hauptmasse nach zwar aus Sperone und Schlackentuff, doch
setzen in demselben mehrere Lavabänke auf; eine solche be-
merkte ich unter dem Gipfel auf dem südlichen Abhange des
Berges. Eine andere (die indess vielleicht mit der eben er-
wähnten zusammenhängt) findet sich am nordwestlichen Ge-
hänge des Gipfelkegels nahe der Madonna del tufo. Am Wege
von Palazzola nach Albano tritt aus Peperin eine Masse von
augitreichem Leucitophyr hervor, die einem vertikal aufsteigen-
den Gange anzugehören scheint.
Am Steilrande des Nemi-Sees, wenige Minuten nördlich
vom Castell gleichen Namens durchbricht ein Gang von fast
dichtem Leucitophyr die Schlackenschiehten. Der Gang hat
eine Mächtigkeit von 15 Fuss, streicht h. 3 und fällt sehr
steil gegen Nordwesten. Dicht bei Nemi steigt vom See eine ge-
waltige Leucitophyrmasse empor, die angrenzenden Schlacken-
schichten zu einem Conglomerate zusammenschmelzend. Die
Lava gestaltet sich zu einem Lagergange, dessen Auflagerung
auf rothe Schlacken sehr schon zu beobachten ist. Die Lava-
bank ist durch vertikale Spalten zertheilt; das Gestein, fast
dicht, blaulichgrau, enthalt nicht viele Krystalle yon Leueit
und Augit; zuweilen ist es durch,lichtgraue Partieen fleckig und
streifig. Auch südlich von Nemi, am steilen Absturze des
Thalkessels treten mehrere Bänke fester Lava in den Lapilli-
Tuffen auf. Sie erscheinen, wenn man von Genzano den stei-
len Absturz des östlichen Seerandes betrachtet, als dunkle Fels-
bänder, welche sich von Norden gegen Süden senken. Der
Weg von Genzano nach Nemi führt über mehrere dieser Gänge,
einer ist 10 Fuss mächtig, streicht h. 4.
Sudlich unter Ariceia hebt sich, vom Peperin bedeckt, aus
der Kreisebene Vallericcia eine Leucitophyrkuppe hervor. In
dieser durch einen Steinbruch aufgeschlossenen Masse sah ich
Einschlusse eines körnig-krystallinischen Gesteins, aus Augit
und wahrscheinlich Apatit gemengt. Ponzı fand auch am suüd-
lichen und südöstlichen Rande der Vallericcia kleine Leucitophyr-
Partieen.
Unter allen vulkanischen Gesteinen ist. der Peperin das
35 *
540 :
auffallendste und seltsamste; es ist in dieser Weise von kei-
nem anderen Punkte der Erde bisher bekannt geworden. Eine
Breccie von meist lichtgrauer Farbe, welche zahllose Einschlüsse
enthält, oft so dichtgedrängt, dass das erdige Cement beinahe
verschwindet. Die Einschlüsse sind theils wohlgebildete Kry-
stalle, theils Gesteinsblöcke, theils endlich interessante Mineral-
aggregate. Unter den Krystallen sind namentlich zu erwähnen:
Augit in schwarzen oder schwärzlichgrünen Krystallen der ge-
wöhnlichen Form; ausserdem kommt Augit in fingergrossen
gerundeten Stücken von bouteillengrüner Farbe und wie ange-
schmolzener Oberfläche vor (wie ich dieselben in der Samm-
lung der Sapienza sah); Glimmer in mehr als zollgrossen
sechsseitigen Blättern, Magneteisen, Olivin in rundlichen Kör-
nern, Leueit in deutlichen Krystallen, selten Sanidin. Sein
eigenthumliches Gepräge erhält aber der Peperin durch die
umhüllten Massen von schwarzem Leucitophyr und schnee-
weissem (selten gelbem) Kalkstein”). Die Leueitophyrstücke,
von geringster Grösse bis zu mehreren Fussen wachsend, mit ge-
rundeten Kanten, zum Theil löckeriger Oberfläche, stellen alle
lweucitophyr - Varietäten dar, welche sich im mittelitalienischen
Vulkangebiete finden. Die Leucite, bald gross und zahlreich,
bald klein und selten, geben dem Gestein bald ein weissge-
flecktes, porphyrähnliches, bald ein fast dichtes, basaltisches
Ansehen. Die Kalksteinstücke zeigen in ihren Dimensionen
dasselbe Schwanken, gerundete Kanten ; in Bezug auf ihr Korn
zeigen sie alle Debergänge zwischen dichtem Kalkstein und
grosskörnigem Marmor. Wenn das Gestein krystallinisch ist,
so stellen sich kleine Poren und Drusen ein, in welche rhom-
boödrische Krystalle hineinragen. Die umgebende Peperin-
masse dringt zuweilen in die Spalten der Kalkstücke ein.
Ich bestimmte die Zusammensetzung einiger Kalkstein-
stücke aus dem Peperin, wie folgt:
- 1) ein höchst feinkörniger, weisser Dolomit mit einzelnen
Drusen, scharfkantigem Brnche, von Marino:
*) Unter diesem allgemeinen Namen mögen hier auch Dolomite, so-
wie wasserhaltige Magnesiakalke verstanden sein, von denen sogleich
Ausführlicheres mitgetheilt werden wird.
541
Unloshe, PP... "whrend « - 0,10
Kalkerdefea IC... 2. 2 WegenaM - 84,74
Magnesia ... or, 11.90
Kohlensäure Cake 5 Verluske best.) 47,26
‚100,00;
diese Mischung nähert sich der durch die Formel 2MsC +3 Cab
verlangten, welche ergeben würde:
Kalkerde‘; , x. & 35,90
Magnesia . . . 17,09
Kohlensäure . . 47,01
2) ein fast dichter, weisser Dolomit mit ebenem Bruche,
vom Kloster der Kapuziner oberhalb Albano:
Unteslich, ie essen O0
Kalkerde, 2.4 »,.2705.0:7098:08
Masnesiay. 21 Lena ee 5 21,40
Koblensäuse ... 22 35,35
Wasser (aus dem Verluste) 7,87
100,00;
dies stimmt ungefähr mit der Formel
15 | 2Ö+ Mei,
0,5 Mg
welche verlangt:
Kalkerde . . . 33,60
Magnesia . . .„ 24,00
Kohlensäure . . 35,20
| Wasser. .- 0... 3.7.20
3) ein gelbes, grobkörniges, marmorähnliches Gestein, in
Chlorwasserstoffsäure nur allmälig löslich. I. gefunden, II. be-
rechnet nach Abzug des Unlöslichen:
I. 1.
Unlöslich . 2... 551
Kalkerdeo ,. ... 12. 98,09: 40,32
Masnessa . .. ..2,.0.0.029,34:° 20,47
Kohlensaure . ...22.229,34 +! 31.06
Wasser (aus d. Verluste) 1.0 8,15
100,00 100,00;
die Zahlen unter II. weichen nicht sehr ab von den durch die
Formel 4 CaC+-3 MeH verlangten:
542
Kalkerde-.. -. =. 39,03?
- Magnesia .. .. +, 20,91
Kohlensäure . . 30,66
- Wasserä# 9 290)9,41
4) ein drusiger, weisser, krystallinischer Kalkstein, mit
rauhem Bruche, gefunden nahe der Mühle von Albano, aus
der Horrmann’schen Sammlung:
Unlöslick- 22.2. 82: 2. 42°>7 O8
Kalkerder 2.2. mern... 24956
Magnesia, . . 0.0. 2.03 °7°6,24
Kohlensaume . . ....72287
"Wasser (aus dem Verluste) 1,48
100,00.
Diese Zusammensetzung lässt sich nicht gleich gut, wie die der
drei vorigen Kalk-Einschlüsse durch eine Formel ausdrücken.
Sehen wir von dem Wassergehalte als unwesentlich ab, und
berechnen wir eine a von 6CaC-+1 Mg C, so er-
halten wir:
Kalkerde.. . „493
Magnesia . . . 5,8
Kohlensäure . . 45,03
100,00,
welche Zahlen den durch die Analyse gefundenen nicht allzu-
fern stehen.
Es ergiebt sich demnach, dass die Kalk- Einschlüsse im
Peperine der verschiedenartigsten Natur sind in Bezug auf das
Verhältniss von Kalkerde und Magnesia, auf den Wassergehalt,
sowie in Rücksicht auf unlösliche Theile (wesentlich Quarz).
Der Hydrodolomit Nr. 2 stimmt nahe mit dem Predazzit
Rorw’s überein, dessen Formel gleich 2CaC- 1MgH (Kalk-
erde 43,41, Magnesia 15,50, Kohlensäure 34,11, Wasser 6,98).
Ein Theil der Peperin-Kalksteine hat in Mischung und
physikalischen Eigenschaften die grösste Analogie mit den Hydro-
dolomiten des Vesuvs, deren Metamorphose sich RortH gewiss
richtig erklärt durch Einwirkung heisser Wasserdämpfe auf
‘ Dolomit, wobei das Magnesiacarbonat ganz oder theilweise sich
in Magnesiahydrat umwandelte.
- Seltene Einschlusse im Peperin sind Trachytstücke (in
grauer Grundmasse liegen grosse Sanidine und schwarze Glim-
r
543
merblättchen); ich sah dieselben in der Sammlung zu Rom
als gefunden bei Genzano.
Ein noch höheres Interesse wie jene zertrummerten und
umhullten Gesteinsbruchstüucke verdienen die von Peperin um-
schlossenen Mineralaggregate, von denen einige den Vesuvischen
Vorkommnissen überaus ähnlich, andere dem Albanischen Ge-
birge eigenthumlich sind und wieder andere in den Lesesteinen
des Laacher Bimssteintuffes ihre Analoga finden. Die häufig-
sten Gemenge bestehen aus grünem Augit und grünlichbrau-
nem Glimmer; dazu tritt auch zuweilen kleinkörniger, gel-
ber Olivin, ganz dem Vesuvischen ähnlich, und Magneteisen,
‚ Leueit u. a.
Der Augit ist in den Drusen dieser Stücke zuweilen in
den zierlichsten Krystallen ausgebildet, deren Form die Figu-
ren 5. und 5a. Taf.X. darstellen. Die Flächen erhalten unter
Zugrundelegung der auch von Quenstepr beibehaltenen Weiss’-
schen Axen folgende Formeln:
N la.:b3%00e) m MitbeR
a (a2 09h: voc)|=.a
bh (b :oo:8 00.0) =b
s=(a:tb:e) —®
n=(a:4b;:c) —IZER
u Caub>e, 30
m ca. bie) u
Diese Augite zeigen, wenn sie mit einer Fläche b aufge-
wachsen sind und die Flächen m, s, und a sehr klein oder
schmal sind, eine sonst ungewöhnliche, scheinbar dihexa&drische
Ausbildung.
Der Glimmer ist der gewöhnlichen Vesuvischen Varietät
ähnlich und wie diese von erünlichbrauner Farbe und starkem
Pleochroismus; senkrecht zur Basis gesehen “erscheint die
Tafel grün, parallel mit derselben hyazinthroth. Der Glimmer,
welcher zuweilen fast allein die kugeligen oder ellipsoidischen
Massen zusammensetzt, ist in kleinen Drusen zuweilen deutlich
krystallisirt, s. Fig. 6. Taf. X. Die Krystalle haben ein rhombisches
oder häufiger monoklino&drisches Ansehen, mussen indess nach
HESSENBERG’s meisterhafter Darstellung des Krystallsystems
des Glimmers vom Vesuv als hexagonal rhombo&drisch aufge-
fasst werden. Die Deutung der Flächen ist demnach folgende:
c ist die Basis, a ist eine Fläche des zweiten hexagonalen Prismas,
R 544
welche indess nebst ihrer parallelen allein erscheint; die Flä-
chen z und x gehören Dihexaödern zweiter Ordnung an, wenn
wir von dem HEssenBerg’schen Rhomboeder R als Grundform
ausgehen, und sind nur mit zwei Dritteln ihrer Flächen vor-
handen. z entspricht der Fläche 2P 2 bei Hzssengere (=z
MiLLER); x erhält bei Hzssengere das Zeichen „P2. Die
Krystalle von Albano liessen bei ihrer sehr geringen Grösse
nur ungefähre Messungen zu, welche indess genugten, um die
Identität der Flächen mit den von HEssenBEer@G beobachteten zu
constatiren. Es beträgt demnach die Neigung e:z= 95° 53’,
e:x—=107° 2%, nach Hkssengere’s Messungen an Vesuvischen
Krystallen. ED
Die Höhen der Dihexaöder x und z verhalten sich bei
gleicher Basis wie 1:3. Die Glimmerblättehen sind häufig
verlängert in der Richtung der Kante c:a. In den Stücken,
welche vorzugsweise aus Augit und Glimmer bestehen, sind
noch erwähnenswerth: |
Melanit oder schwarzer Granat, in der Combination des
Granatoeders und Leueito@ders. Auf ihren Bruchflächen sind
diese Krystalle mit bunten metallischen Farben angelaufen.
Die Formel 3$i, 1Fe, 3 Ca ergiebt Kieselsäure = 35,43, Eisen-
‚oxyd = 31,50, Kalkerde = 33,07.
Auf anderen Stücken, gleichfalls im Gemenge von Augit
und Glimmer, sah ich gelben Granat (in der Combination des
Granatoöders mit dem Leucito@der). Auch in den Lesesteinen
des Laacher-Sees findet sich der Granat von den verschieden-
sten Farben, roth, schwarz und grün (letztere Varietät in
neuerer Zeit durch Herrn Par. WoLr in Laach gefunden).
Ceilanit, in Oktaödern, von schwarzer Farbe. Ich sah
Gemenge von Ceilanit mit grünem, fassaitähnlichem Augit,
welche in hohem Grade an das Vorkommen dieses Mineral-
gemenges am Monzoni in Tyrol erinnern. 3
Melilith (Humboldtilith), die Krystalle sind, im Gegen-
satze zu den gelben Prismen aus der Leucitophyrlava, farblos;
ihre Form, s. Fig. 7. Taf. X., zeigt:
das erste quadratische Prisma M= (a: b:o0oec)
das achtseitige Prisma . . f=(a:;b:ooe)
das erste stumpfere Oktaöder t =(a:c:o0a)
die WBasishsd alewı ab Saft enze Iee soWlasibeo:
545
Die Oberfläche der von mir beobachteten Krystalle ist
raub, genaue Messungen. nicht erlaubend. Die Neigung e:t
ist ungefähr gleich 147° 9.
Der Haüyn (Latialith Gısmonoı) findet sich im Peperin
in verschiedener Weise; theils namlich in körnigem Gemenge
mit Sodalith, grünem Augit und Magnesiaglimmer, theils mit
Sanidin, Augit und Glimmer, theils mit braunem Granat und
Glimmer; auch finden sich schiefrig-körnige Gemenge von Hauyn
und Glimmer; endlich kommen fast reine, faustgrosse Massen
von feinkörnigem Hauyn im Peperin vor. Zuweilen bemerkt
man statt des körnigen Gemenges jener Blöcke concentrische
Zonen, z. B. von Glimmer, Augit und Hauyn. Nicht selten
sah ich Augit und Glimmer die peripherischen Zonen bilden;
dann Hauyn in opalisirenden, körnigen Zusammensetzungsstüucken
und Krystallen; auf letzteren, in den freien, inneren Drusen-
raum hineinragend, wieder Augit-Krystalle. Selten zeigt der
Hauyn deutliche Krystalle (Oktaöder, Granatoöder, Würfel;
der Laacher Hauyn zeigt, verschieden von dem Albanischen,
immer das Granato@der herrschend), meist gerundete, wie an-
geschmolzen aussehende Körner. Dieses gleichsam geschmol-
zene Ansehen kommt auch zuweilen den Hauynen anderer
Fundorte (sowie dem Noseane) zu. Die Farbe ist theils himmel-
blau, theils bläulichgrün, .oft sehr ausgeblasst. Zuweilen haben
die Krystallkörner einen opalisirenden Schiller. Der Hauyn
vom Albaner-Gebirge. zog ‚bereits die Aufmerksamkeit Gis-
MONDIS, MORICHINI Ss, NEERGAARD’S, HauY’s, VAUQUELIN’S auf sich.
Eine ausführlichere Beschreibung und Untersuchung lieferte
(1814) L. GuELin *), durch welche die Menge der Kieselsäure,
Schwefelsaure und der Kalkerde ungefähr richtig bestimmt
‘wurde, während die Bestimmungen der Thonerde und der Al-
kalien unzweifelhaft irrig ausgefallen sind. Eine genaue, in
H. Rosr’s Laboratorium 1847 ausgeführte Analyse des Alba-
nischen Haüyns verdanken wir Wnuırner (Posc. Ann. LXX, 431).
Es ist derselben gemäss die Mischung folgende:
”) L. Gmeuim, Oryktognostische und chemische Beobachtungen über
den Haüyn und einige mit ihm vorkommende Fossilien, in SchwEIGßER’S
Journal für Chemie und Physik XV, 1-41.
546
Kieselsäure . . .„ 32,44
Schwefelsäure . . 12,98
Chlor ara 2 Ada
Thonerde u... 227058
Kalkerde ne 2 TR
Kalten RN ZI
Natron= ann, 1400 14,28
Schweiel = r.2, Spur
II
Ausser in der blauen oder lichtgrünlichen Varietät kommt der
Hauyn in den Auswürflingen im Peperin des Albaner-Gebirges
auch weiss oder farblos vor. Diese Abänderung ist bisher
irriger Weise als eine eigenthumliche Mineralgattung unter dem
Namen Berzelin NEckEr aufgefasst worden. Der weisse Hauyn
findet sich theils in Krystallen, theils in unregelmässig gerun-
deten Körnern, in Begleitung von grünem auch wohl schwarzem
Augit, Glimmer und von Melanit.
Mit diesen Mineralien bildet der weisse Hauyn ein körniges
Gemenge, in dessen Drusenräumen er bis zwei Linien grosse
Krystalle bildet, welche bisweilen reine Okta@der, meist aber
Combinationen des Okta&öders mit dem Granatoeder darstellen.
Unter den zahlreichen Krystallen, welche ich in der Univer-
sitäts-Sammlung zu Rom sah, waren viele mit deutlich einge-
schnittenen Kanten (s. Fig. 8. Taf. X.).
Diese Erscheinung der eingetieften Oktaöderkanten, Feieh:
auf eine tetra@drische Hemiedrie hindeutet, ist allbekannt beim
Diamant; ich kenne sie ausserdem nur noch bei dem gelben,
zersetzten Pleonast vom südwestlichen Gehänge des Monzoni.
Der sogenannte Berzelin bildet häufig Zwillinge, deren Zwil-
lings- und Verbindungs-Ebene eine Okta&derfläche ist (wie beim
Spinell, Magneteisen etc.) (s. Fig. 9. Taf. X.).
Die mit Recht von G. Rose als isomorph mit Hauyn be-
trachteten Mineralien Nosean und Sodalith kenne ich nicht in
Spinell-Zwillingen, vielmehr nur in Penetrations-Verwachsungen
(s. Fig. 10. Taf. X.). Bisher scheint der gewöhnliche blaue Haüyn
überhaupt nicht in Zwillingen beobachtet zu sein. Die Spaltbarkeit
ist deutlich parallel den Flächen des Granatoäders; durchsichtig
bis durchscheinend; durch theilweise Zersetzung überziehen sich
die Krystalle mit einer weissen, undurchsichtigen Rinde. Fett-
artiger Glasglanz. Härte wie Haüyn; spec. Gewicht (bei 20° C.
des Wassers) — 2,486, nach dem Glühen (wodurch das vorher
547
farblose Mineral eine schwach bläuliche Farbe annahm und
0,48 p. ©. an Gewicht verlor) = 2,483. Das Pulver ist in
warmer Chlorwasserstoff- oder Salpetersäure leicht und mit
Gallertbildung löslich. Zu der von mir ausgeführten Analyse
des weissen Hauyns wurde das krystallisirte Mineral, welches
oft im Innern sehr kleine, grüne Augite enthält, auf das Sorg-
samste ausgesucht.
Weisser Haüyn von Albano, sogenannter Berzelin:
Kaeselsaure . ...»....92,./0
Schwefelsäure . ,„ . 12,15
Obloce su. 224>2,.. (is
x Natrium *) nn, 1049
Eboneide . ., .„.. .... 28,
Kalkerder . . ...,..,10.85
Ban 20. 272..2.07 54.04
Natran: 2.22. ...2..> 11.13
Glühverlustt . . » .» 0,48
101,21.
Die vorstehenden Zahlen stimmen so nahe mit dem Ergebnisse
der oben mitgetheilten WHırner’schen Analyse des blauen Hauyns
von demselben Fundort überein, dass man, hierauf gestützt, den
Berzelin als ein selbstständiges Mineral streichen muss. Obige
Analyse stimmt sehr nahe mit derjenigen Mischung überein,
welche die von RAumELsBERG für den Hauyn angenommene
Formel verlangt (s. Mineralchemie, S. 707). Berechnet man
nämlich nach Procenten: 4$i, 1 S, ZÄl, * Ca, 4 Na, UK, so
erhält man: Kieselsäure 34,19, Schwefelsäure 11,10, Thon-
erde 28,51, Kalkerde 10,37, Kali 4,35, Natron 11,48.
Es möchte nicht ganz ohne Interesse sein, jenem Irr-
thum nachzugehen, durch welchen veranlasst man dem weissen
Hauyn von Albano, als einem noch nicht genau bekannten
Minerale, neben dem Leucit (mit welchem keine Aehnlichkeit
besteht) seine Stelle angewiesen hat. L. GmeELIs unter-
suchte ausser dem blauen Haüyn von Marino auch ein
„weisses Fossil“ von demselben Vorkommen, für welches er
eine derjenigen des Leueits ähnliche Mischung fand, und
gelangte zu dem Schlusse, „dass dies Fossil nur einen
*) Das Natrium wurde hier auf das Chlor berechnet. Eine zweite
Analyse ergab die Kieselsäure — 33,11, das Kali —= 5,00, das Natron
='12,13.
548
Uebergang vom Leueit zum Analcim mache.“ Ein näheres
Eingehen auf GäeLm’s Arbeit zeigt, dass er zu seiner
Untersuchung ein Gemenge mehrerer weisser, bei Albano 'vor-
kommender Mineralien genommen habe, gewiss neben weissem-
Hauyn, vorherrschend Leucit und vielleicht Sanidin. Es folgt
dies auch aus dem so verschiedenen spec. Gewichte, welches
GMELIN angibt: für die späthige Art 2,727, für die körnige
2,488. Von dem „weissen Fossil“ heisst es: „nie bemerkt
‘man einen wirklichen Krystall; jedoch lässt es sich in hexa-
edrische Stücke theilen, an denen man zum Höchsten vier glatte
Flächen bemerkt, welche einen rechten Winkel mit einander
bilden, während die zwei übrigen Flächen muschligen Bruch
zeigen.“ Diese beiden von GueLin hervorgehobenen Spaltungs-
flächen gingen offenbar zweien Granato&derflächen parallel; er
suchte eine dritte senkrecht zu jenen a welche sich na-
turlich nicht fand.
Das von GMELIn untersuchte Mineral wilde nun von NECKER
(Regne mineral. Paris. 1835.) als eine eigenthümliche Species
„Berzeline* aufgestellt. Es werden als Krystallformen das regu-
läre Oktaeder, sowie kreuzförmige Zwillingsgruppen hervorge-
hoben. Bestimmte Spaltungsflächen fand NECKER nicht. Er
giebt an, dass das Mineral mit warmer Chlorwasserstoffsäure
eine Gallerte bilde, welche Lösung, mit Wasser verdünnt, keinen
Niederschlag durch zugesetzte Schwefelsäure ergebe. (Sehr
begreiflich; wohl aber würde durch Chlorbaryum eine Fällung
entstanden sein.)
Eine fernere Mittheilung uber das in Rede stehende Mi-
neral machte KEnneoTT in einer in den Sitzungsber. d. math.
naturw. Kl. d. K. Akad. d. Wiss. zu Wien, 1850, October, ge-
druckten Arbeit: „Ueber die mit den Namen Abrazit, Berzelin,
Gismondin und Zeagonit belegten Mineralien.“ Nach ausführ-
licher Discussion der Angaben GmeLin’s und NEcker’s. erklärt
sich auch Kenncorr für die Selbstständigkeit des Berzelins.
In der durch Kesscort gegebenen Charakteristik möchte die
irrige Bestimmung der Spaltbarkeit „parallel den Flächen des
Hexaöders“ sich auf die unklare und deshalb missverstandene
Angabe Gueuin’s zurückführen lassen. Das spec. Gewicht wird
angegeben 2,727 — 2,488, gemäss der beiden Bestimmungen
GäELIN’s für zwei von ihm vermengte, offenbar ganz verschiedene
Substanzen. In chemischer Hinsicht sah Kenngorr das Mineral
„für einen wasserhaltigen Leucit, jedoch mit wenig Wasser, an.“
549
Seitdem wurde der „Berzelin“ in den Lehrbuchern bald
zum Leueit, bald zum Spinell, bald zum Gismondin gestellt.
Des CroizEAux, welcher unser Mineral beim Leueit abhandelt,
macht beim Haüyn die richtige Bemerkung: „La Berzeline,
que j’ai placde & la suite de l’amphisene d’apres une analyse
de GmEtın accompagne la Hauyne & l’Ariccia et presente avec
elle la plus grande analogie de forme et d’aspect; elle ne s’en
distingue pas que par sa c»uleur generalement grisätre.‘
Indem nun dies von NECKER dem grossen Chemiker ge-
widmete, von Ryızo mit dem Namen Marialith bezeichnete
Mineral als selbstständig in Wegfall kommt, möchte ich daran
erinnern, dass man noch zwei anderen Mineralien den Namen
Berzelin oder Berzeliit beigelegt hat.
In den vom Peperin- umhüllten Blöcken findet sich dem-
nach der Haüyn theils von blauer und grünlicher Farbe, theils
weiss und farblos. Diese Verschiedenartigkeit der Farbe kommt,
wie bekannt, auch dem Hauyn anderer Fundorte, sowie dem
Sodalithe und dem Noseane zu. Auf demselben Stücke ver-
einigt habe ich bisher blauen oder grünen Hauyn neben farb-
losem (sogen. Berzelin) nicht gesehen.
Wenn blaue Krystalle und weisse Krystalle sich auf den-
selben Stücken neben einander fänden, so wurde dies aller-
dings darauf hindeuten, dass irgend eine Verschiedenheit zwi-
schen den betreffenden Krystallen stattfände. Eine derartige
Angabe liegt nun allerdings vor, indem Kexneort als Beglei-
tung des „‚Berzelins‘‘ Hauyn aufführt. Es heisst a. a, O., „dass
der beigemengte Haüyn von dunkelblauer, fast schwarzer (!)
Farbe, auf Krystallflächen mit metallischer gelber und blauer
Farbe angelaufen, meist körnig vorkam, in hohlen Räumen
aber in sehr kleinen Kryställchen ausgebildet war, welche
sehr deutlich das Granatoöder mit abgestumpften Kanten dar-
stellen.“ e:
Wenn wirklich auf demselben Stücke neben- farblosem, im
herrschenden Oktaöder, mit charakteristischer Zwillingsbildung
krystallisirtem „‚Berzelin‘‘ fast schwarzer (!) metallisch angelau-
fener, in der Combination des Granato&ders mit ‘dem Leuci-
to@der krystallisirter Haüyn vorkäme, so müsste man, aller obi-
gen Angaben ungeachtet, die Meinung festhalten, dass Berzelin
und Haüyn verschiedene Substanzen seien. Dieses Zusammen-
vorkommen, zwar nicht unmöglich, habe ich jedoch nicht gesehen,
Nicht unmöglich ist es indess auch, dass Krsscorr für Haüyn
550
den Albanischen Melanit genommen, einen gewöhnlichen Be-
gleiter des farblosen Hauyns, dessen KEnneoTT in seiner Ar-
beit gar nicht erwähnt.
Das Vorkommen des weissen Haüyns scheint nicht durch-
aus auf den Peperin beschränkt zu sein; ich fand denselben
auch im Campo di Annibale in einem Augit - Glimmer - Aus-
würfling. Auch wurde es oben als wahrscheinlich hingestellt,
dass die Lava Sperone Hauyn enthält.
Der Sodalith erscheint theils in Gesellschaft‘ des mit
ihm für isomorph gehaltenen Haüuyns, theils ohne denselben,
vorzugsweise mit Augit und Glimmer; ferner mit Sanidin u. a.
Mineralien. Er ist farblos, weiss oder licht grünlichweiss,
die Krystallform zeigt herrschend das Granato@äder mit unter-
geordneten Würfelflächen. Das Okta&öder, welches herrschend
namentlich am weissen Hauyn erscheint, beobachtete ich nicht
' an den Krystallen dieses Fundorts. Dieselben sind theils ein-
gewachsen, dann meist einfach, bis + Zoll gross, theils auf-
gewachsen, dann oft zu den zierlichsten Zwillingen verbunden
(s. Fig. 10. Taf. X.) Letztere stellen hexagonale Prismen dar mit
stumpfrhomboädrischer Endigung, aus deren Rhomboeder-
flächen des einen Individuums die Kanten des anderen
hervorbrechen. Bei dieser Verwachsung ist eine Oktaeder-
fläche (jene, welche die durch sechs aus--und sechs einsprin-
gende Kanten gebildete Endecke der Gruppe abstumpfen
würde) Zwillingsebene; doch nicht mit dieser sind die Indi-
viduen verwachsen (wie beim Spinellzwilling), sondern sie
haben sich vielmehr durchdrungen. Ders CLoızEaux beschreibt
die Sodalithzwillinge: „Axe d’hemitropie perpendiculaire et plan
d’assemblage parallele a& une face a? (d’Icositetraedre). Quel-
quefois trois [muss heissen deux] cristaux enchevetres suivant
cette loi, offrent entre les faces b' [du dodecaedre rhomboidal]
qui forment l’un des sommets de la mäcle trois angles ren-
trants et trois angles saillants.*“ Der Anblick der Fig. 10
lehrt, dass nicht drei, sondern nur zwei Krystall-Individuen
sich nach jenem Gesetze verbinden können. Da der Albanische
Sodalith noch nicht chemisch untersucht worden, so ist die Be-
stimmung dieser Species noch etwas zweifelhaft; die Mög-
lichkeit, dass es Nosean sei, ist nicht ausgeschlossen. Für
die Species Sodalith wäre Albano (neben dem Vesuvischen
Gebiete und den De&jections volcaniques du val di Noto en
Sicile) das dritte Vorkommen in vulkanischem Gesteine; fur
551
Nosean hätten wir es mit dem zweiten Vorkommen dieses
Minerals zu thun. |
Ausser den häufigsten, wesentlich aus grünem Augit (in
der gezeichneten Form) und grünlichbraunem Glimmer be-
stehenden Auswürflingen finden sich, in gleicher Weise als
rundliche Massen vom Peperin umhuüllt, noch manche andere
Gemenge. Von diesen, deren vollständige Kenntniss ein jahre-
langes Sammeln und Studium erfordern würde, mögen noch
erwähnt werden:
Aggregate von schwarzem Augit (von der gewöhnlichen
Form der eingewachsenen Krystalle), bräunlichschwarzem
Glimmer, theils mit weissem Hauyn, theils mit Leueit — in
völlig körnigem Gemenge ohne Anordnung in Zonen.
Aggregate, wesentlich bestehend aus körnigem Leueit, zu
welchem sich Wollastonit, Melanit gesellen. In einem derarti-
gen Stücke der Horrmanw’schen Sammlung bemerkte ich Hobl-
räume, welche mit einem grünen Glasflusse mehr oder weniger
erfüllt sind. Diese Erscheinung einer theilweisen Schmelzung
des Mineralgemenges ist sehr häufig in den Sanidinblöcken von
Laach; sie betrifft den Augit, vielleicht auch den Glimmer.
Solche Stücke haben offenbar nach ihrer Bildung eine erneute,
schnell vorübergehende Erhitzung erlitten. Sanidine, Horn-
blenden, Granate unseres Laacher Gebiets haben eine ge-
geschmolzene Oberfläche, wodurch eine ursprüngliche feurige
Bildung meiner Ansicht nach nicht ausgeschlossen wird.
Asgregate von Titanit, Sanidin, Glimmer, Augit und
Hornblende, sowie andere von Sanidin, Magneteisen, Horn-
blende und farblosem Sodalith erinnern auffallend an Laacher
Vorkommnisse. Bei letzteren würde nur Sodalith durch Nosean
vertreten werden. An einem Sanidine solcher Stücke in der
Römischen Sammlung sah ich eine seltene hintere Schief-
endfläche, die Kante zwischen x und y abstumpfend.
Mehr oder weniger ..krystallinisch umgeänderte Kalkstein-
blöcke bilden ein wesentliches Merkmal des Peperins. Blöcke
dolomitischen Kalksteins sind es bekanntlich, welche am Ve-
suv eine so grosse Menge kalkreicher Mineralien umschliessen.
Sonderbar, dass Vorkommnisse dieser Art in Latium so sel-
ten sind. Doch fehlen sie nicht ganz und bieten durch ihr
Erscheinen die interessantesten Beziehungen zum Vesuve dar.
In der Römischen Sammlung fand ich eineu aus halbkrystalli-
nischem Kalkstein bestehenden Einschluss im Peperin mit
N
er.
einem — Zoll grossen Vesuviankrystall. Derselbe stellte
eine Combination dar: des ersten und zweiten quadratischen
Prismas, sowie des gewöhnlichen achtseitigen Prismas mit
dem Hauptokta&der, dessen Endkanten schmal durch das erste
stumpfere abgestumpft sind, einem Diokta@der und der Basis.
Als Fundort dieses Stückes war angegeben der M. Sociale
nahe dem M. Oavi.
Zu den Vorkommnissen derselben Art, welche eine ähn-
liche Metamorphose des Kalksteins verrathen, gehört ein Stück
von halbkrystallinischem Kalkstein mit darin auspeeeiNonen
Tremolithkrystallen.
Den Vesuvian sah ich auch in einer anderen Weise des
Vorkommens, nämlich in grosskörnigem Gemenge mit Granat
und grünem fassaitähnlichem Augit. Dieses Stück erinnerte
in hohem Grade an Vorkommnisse vom Monzoniberge.
Der Peperin verbreitet sich, wenn wir seine Hauptmasse
in’s Auge fassen, über eine elliptische Fläche, deren Mitte der
Albaner-See einnimmt. Der grössere, von Nordwesten nach
Südosten gerichtete Durchmesser dieser Ellipse misst etwa
5 Miglien und erstreckt sich von den nördlichen Uferrändern
des Nemi-Sees und der Vallerieeia bis gegen Grotta ferrata und
Fratocchie. Der kleinere Dnrchmesser reicht vom westlichen
- Abhange des M. Cavo (nahe der Madonna del tufo) bis zum
Laghetto und misst etwa 4 Miglien. Die Orte Marino, Castel-
Gandolfo, Albano, Palazzola liegen auf Peperin, welches Ge-
stein ausser jener Hauptmasse, die mehrere zungenförmige
Ausläufer bildet, auch noch in einigen isolirten Partieen sich
findet, namentlich ist hier nach Poxzr’s Angabe eine (von Nor-
den nach Süden fast 3 Miglien ausgedehnte, fast 1. Miglie
breite) Peperinmasse zu nennen, an deren nordöstlichem Ende
Civita Lavinia liegt, ferner eine isolirte Partie, welche einen
Theil des flachen Sudrandes der Vallericcia bildet. Die Aus-
dehnung der Hauptmasse des Peperins gab auf seiner oben
erwähnten Karte TH. GMELIN schon richtig an.
Im Centrum der Verbreitung, wo der Steilabsturz des
Sees die Peperinmasse trefflich entblösst, besitzt sie ihre
grösste Mächtigkeit von mindestens sechs- bis achthundert
Fuss, während gegen die Peripherie des Verbreitungsbezirks
die Mächtigkeit bis auf wenige Fuss schwindet. Der Kessel
des Albanischen Sees ist ganz in den Peperin eingesenkt.
Wenn wir ferner beobachten, dass in der nächsten Umgebung
\
553
dieses Sees der Peperin die zahlreichsten und grössten Fels-
blöcke von Leucitophyrlava und Kalkstein umschliesst, so
muss die Ansicht GmeLIn’s und Poxzıi’s, dass jener See die
Stelle des Kraterschlundes einnehme, aus welchem der Pepe-
rin hervorgestossen worden sei, als durchaus naturgemäss er-
scheinen. Als eigentlichen Eruptionskrater betrachtet Ponzı
nur die sudöstliche Hälfte des Albanischen Kessels, welche
durch grössere Tiefe, höher und steiler aufsteigende Wände
sich von der nordwestlichen Hälfte unterscheidet, in welcher
der Römische Geologe eine Einsenkung zu erkennen glaubt.
Was die Lagerung des Peperins betrifft, so ruht derselbe
auf den anderen vulkanischen Produkten unseres Gebirges und
gehört demnach einer späteren Eruptionsthätigkeit derselben
an. Es wird hierdurch nicht ausgeschlossen, dass hin und
wieder im Peperine einzelne Lapillistraten, zuweilen von nicht
geringer Mächtigkeit, eingeschaltet sind. Solche dem Peperine
zwischengelagerte Lapilli bemerkt man an den Absturzen des
Albaner- und am nördlichen Rande des Nemi-Sees. Das
jüngere Alter des Peperins im Vergleiche mit den Laven und
Schlacken wurde zuerst von Poxzı nachgewiesen; ich hatte an vie-
len Stellen des Gebirges Gelegenheit, seine Auffassung zu
bestätigen. Wandert man von der Station Marino nach diesem
noch 3 Miglien entfernten Städtchen, so befindet man sich zu-
nächst noch im Gebiete der Albanischen Lapilli und Tuffe.
Ungefähr in der Wegesmitte sieht man den Peperin als eine
ein bis wenige Fuss mächtige Schicht auf die Schlacken sich
lagern. Da der Peperin fester ist als die Schlackentuffe, so
ragt er in den Wegeinschnitten als eine überhängende Bank
hervor, welche man mehr als eine Miglie weit verfolgen kann.
Die Peperinschicht hebt sich mit dem allmälig ansteigenden
Terrain empor und fügt sich überhaupt dem Relief des Ge-
birges an. Etwa ] Miglie noch vor Marino fand ich zahl-
reiche Pflanzenabdrucke im Peperin, die unterste, etwa einen
Zoll dicke Schicht desselben erfüllend. Diese Pflanzen wuch-
sen offenbar auf dem aus vulkanischem Tuffe gebildeten Bo-
den, als der Peperin sich als ein schlammiger Brei über den-
selben ausbreitete. „Zwischen dem festeren Peperine und den
unterlagernden, aus lockerer Asche gebildeten Schichten findet
sich fast immer eine Lage von Landpflanzen, theils Blättern,
theils halbverkohlten Hölzern, horizontal niedergelegt in der
Zeits. d.d. geol.Ges. X VI1l. 3. 36
354
Richtung, wie die Peperin-Masse sich daruber hinbewegte.
Diese Pflanzenreste deuten eime Unterbrechung zwischen der
vulkanischen Thätigkeit an, während welcher der vulkanische
Boden sich mit einem Pflanzenteppiche schmückte.“ (Poxzı.)
Auch in der Peperin-Masse wiederholen sich die,an vege-
tabilischen Abdrücken (Lolium perenne, Rhaigras) reichen
Schichten und beweisen, wie auch die bankförmige Sonderung
der Masse, eine während längerer Zeitabschnitte erfolgte Ent-
stehung des Peperins. Namentlich in der Gegend von Ma-
rino und auch an vielen anderen Orten des Gebirges sieht
man, wie die Peperinschichten der Oberflächengestaltung sich
anschmiegen, über Hügel sich hinweghebend, sich in die Thä-
ler senkend, zum Beweise ihrer nach der heutigen Oberflächen-
gestaltung erfolgten Bildung. Die Grenze zwischen den
Lapilli-Tuffen und dem Peperin überschreitet man auf dem
reizenden Wege, welcher von Rocca di Papa an der Madonna
del Tufo vorbei nach Albano führt, 4 Miglie südlich von jener
Kapelle. Auch hier sieht man auf das Deutlichste den Peperin
auf- den Schlackentuffen des M. Cavo ruhen. Je mehr man
sich Palazzola und dem Steilrande des Sees nähert, um so
grösser und häufiger werden die inliegenden Lava- und Kalk-
blöcke. Nahe Ariccia sieht man die Peperin-Massen in das
Kreisthal Valleriecia hinabsinken, zum Beweise, dass dieses
bereits vorhanden war. Ein interessanter Punkt (auf wel-
chen meine Aufmerksamkeit gleichfalls durch Poxzı gelenkt
wurde) für die Lagerung des Peperins ist der M. Gentile,
welcher, in nahe gleicher Entfernung zwischen den drei
grossen Maaren liegend, aus Lapilli-Tuff besteht. Dieser
Hügel wurde fast rings von Peperin umflossen, welchen ich
am nördlichen und nordwestlichen Rande des Kessels von
Nemi in meist lockeren, gegen Norden und Nordwesten schwach
geneigten Schichten über Schlackentuff anstehend sah. Aehn-
lich wie in der Gegend von Marino der Peperin, zu einer
dünnen Schicht geschwunden, auf Schlacken ruht, zeigt sich
seine Lagerung auch in der Gegend des Laghetto. An’ der
Strasse, östlich von Ariccia, lagert gleichfalls auf das Deut-
lichste der Peperin auf den Schlackenmassen. Die Grenze
ist hier nicht, wie gewöhnlich, eben, vielmehr hat sich der
erstere mit Anschwellungen und Ausbuchtungen in die unter-
lagernde Masse eingesenkt. Diese Wahrnehmungen, denen ich
555
noch andere hinzufügen könnte, bestätigen Ponzr’s Ansicht
von dem jüngeren Alter des Peperins. Das Altersverhältniss
zwischen diesem letzteren Gesteine und der dichten Lava
wurde übrigens bereits durch v. Buch vollkommen richtig er-
kannt: „Der Basalt [Leueitophyrlava] liegt unter dem Peperin.“
Der Peperin ist zwar in Bänke gesondert, einzelne
Schlackenschichten sind ihm eingeschaltet, aber eine eigent-
liche Schichtung, wie der marine Römische Tuff sie zeigt, besitzt
er nicht. Es verdankt der Peperin seine Entstehung vielfach
wiederholten vulkanischen Auswurfen, deren Material in
schlammähnlichen Massen sich um die Ausbruchsöffnungen
lagerte und später erhärtete. Eine spätere Verkittung der
Bestandtheille des Peperins musste auch durch die Kalk-
einschlusse desselben befördert werden, deren kohlensaurer
Kalk durch die atmosphärischen Gewässer theilweise gelöst
und in den unterliegenden Massen, dieselben verbindend, wie-
der abgesetzt wurde. In der That braust der Peperin bei Be-
feuchtung mit Säure fast überall, auch wo man keine Kalk-
einschlüsse wahrnimmt. Diese verschiedenartige Entstehung er-
klärt auch die gänzlich verschiedene Beschaffenheit der Ein-
schlusse beider Gebilde, welche v. Buch trefflich hervörhebt:
„Es ist leicht, den Peperino vom Tuff zu unterscheiden. In
jenem ist fast Alles frisch, vollkommen und unzerstört, glan-
zeud; in diesem matt, todt und zerstört.“
Eine Masse gleich dem Peperin hat sich zwar vor den
Augen der Menschen bisher an keinem thätigen Feuerberge
gebildet. Dennoch können wir uns die Entstehung desselben
nach Analogie heutiger vulkanischer Vorgänge wohl erklären.
Als vulkanischer Sand und Asche, untermischt mit einer un-
ermesslichen Menge von Felsblöcken, wurde das Material in
auf einander folgenden Eruptionen ausgeworfen, durch die
Regenwasser, welche häufig die vulkanischen Katastrophen
begleiten, in eine tuffartige Masse verwandelt und zum Theil
stromähnlich in tiefer liegende Theile des Gebirges geführt.
An Wassermassen, welche die trockenen vulkanischen Aus-
wurfsstoffe sogleich in Schlammmassen verwandeln und in ver-
heerenden, Alles bedeckenden Strömen die Berggehänge herab-
führen, fehlt es auch den heutigen Vulkanen nicht. BREISLAK
beobachtete als Augenzeuge die furchtbare Vesuv-Eruption von
1794 und berichtet (Topografia fisica della Campania): „Häufig
36 *
556
hiess es, Wasserströme seien aus dem Krater hervorgesturzt;
doch waren jene Verderben bringenden Fluthen durch un-
geheure Regenmassen erzeugt, welche theils auf den Vesuv-
kegel, theils auf den Somma-Wall niederstürzend, gewaltige
Schlammmassen zur Tiefe rissen.* Aehnliche Schlammströme
mögen wenigstens beigetragen haben, Pompeji (79 n. Chr.)
zu bedecken. Die Tuffe, welche Pompeji verschütteten, bie-
ten auch durch ihre Kalkeinschlüsse eine Analogie mit dem
Peperine dar. Am Vesuve wie in Latium weisen die Kalk-
stücke auf das gemeinsame Grundgebirge hin, den Appennin,
dessen Kalkschichten von den Vulkanen durchbrochen wurden.
Wie die Kratermaare unserer Eifel gemengt mit vulkanischen
Schlacken Schieferfragmente auswarfen, welche sich, zu Tuffen
verbunden, um den Rand der Kesselthäler ausbreiteten, so
warf das Albanische Kesselthal mit vulkanischen Produkten
aller Art die für den Latinischen Tuff so bezeichnenden Kalk-
steinmassen aus.
Schwieriger als für die Kalkeinschlusse ist der Ursprung
der andereu MineralagSregate anzugeben, welche, im Allgemei-
nen den Vulkanen fremd, die Umgebung des Laacher- Sees,
den Vesuv und Latium in besonderer Weise auszeichnen. Wir
haben hier zu sondern einerseits, was durch das vulkanische
Feuer neugebildet und verändert wurde, andererseits, was be-
reits älteren vulkanischen oder gar plutonischen Gesteinen an-
gehörte. Diese Sonderung, welche ein hohes Interesse für
den Geologen darbietet, ist bei dem heutigen Standpunkte der
Wissenschaft noch nicht vollständig durchführbar. Die hier
aufgeworfene Frage ist keineswegs neu; denn schon TR. GuE-
LIN wirft sie für das Römische Vulkangebiet auf: „Ist jene
grosse Menge von Augit und Glimmer erst vom Feuer gebil-
det, oder schon in einem älteren (durch die Eruption) in Staub
verwandelten Gesteine enthalten gewesen; sind die im Pepe-
rine sich vorfindenden Basaltstücke neptunischen Ursprungs [?]
oder auch ältere, im Innern der Erde erstarrte und durch ein
späteres Feuer in Stücken ausgeworfene Lava? Dies lässt
sich nach unseren jetzigen Kenntnissen über das Wesen der
Vulkane noch nicht bestimmt sagen. Sicherer lässt sich wohl
sagen, dass der Kalkstein nicht durch das Feuer gebildet,
sondern nur zertrümmert und herausgeworfen ist, und dasselbe
lässt sich auch ohne Zweifel von den oben genannten ge-
557
‚mengten Gebirgsarten sagen und vorzüglich von dem den
Hauyn enthaltenden Gesteine, obgleich sein Gehalt an Augit
und Glimmer irgend eine vulkanische. Beziehung verrathen.*
Bei dem eigentlichen Auswurfe scheinen diese Massen meist
nur eine schnell vorubergehende, nicht sehr hohe Erbitzung
überstanden zu haben, der eine rasche Abkühlung folgte. Dies
beweisen die Sanidine von Wehr und Laach nach den schö-
nen Untersuchungen Des CLoızEAux’s, denn ihre optischen Eigen-
schaften zeigen, dass sie weder eine sehr hohe, noch anhal-
tende Glühung erlitten haben. Dasselbe erhellt aus den Ver-
glasungen, welche sich an dem Vesuv und in Latium seltener,
häufiger am Laacher-See finden. Verglast sind nur die leich-
ter schmelzbaren Mineralien, zum Theil auch nur an ihrer
Oberfläche und nur in einzelnen Auswürflingen: Augit, Horn-
blende, Glimmer, Granat u. a. Nicht geschmolzen sind Sani-
din, Zirkon, Sapphir, Leucit u. a. Nichts würde indess irriger
sein und eine geringere Kenntniss der vulkanischen Vorgänge
verrathen als die Behauptung: Es kann nicht ursprünglich
durch vulkanische Processe gebildet worden sein, was bei dem
vulkanischen Auswurfe geschmolzen und zerstört wurde.
Ohne in ein Detail einzugehen, welches gegenwärtiger
Arbeit fern liegt, hebe ich nur folgende Thatsachen hervor,
welche des Nachdenkens werth sind. Die Granate, welche
als ein nicht häufiger Gemengtheil der Laacher Sanidin-Blöcke
erscheinen, sind fast immer mehr oder weniger geschmolzen.
Ganz ähnliche rothe Granate in wohl ausgebildeten kleinen
Krystallen ohne eine Spur von Schmelzung bedecken alle Po-
ren der Schlacken am östlichen Abhange des Herrchenberges
(vom Pater Herrn TH. WoLr in Laach aufgefunden), finden sich
aber nicht als eigentlicher Gemengtheil der Lava. — Hornblende,
Augit und Glimmer zeigen in den Laacher Auswürflingen nicht
selten sieh mehr oder weniger verglast; nichtsdestoweniger treten
alle drei mit dem vulkanischen Eisenglanze als unbezweifelbare
Produkte vulkanischer Fumarolen-Thätigkeit auf. — Leueitophyr-
blocke, ganz der Vesuvlava gleich, welche, in den Krater
zurückgefallen, den vulkanischen Dämpfen längere Zeit ausge-
setzt waren, erhielten eine verglaste Rinde, in welcher die
Leueite nicht geschmolzen waren. Die Blöcke zeigten sich
ganz von Spalten durchzogen, welche von neugebildeter Horn-
blende erfüllt waren (s. Rotu, Vesuv, 8. 267.).
998
Ein Theil der Albanischen und Vesuvischen Auswärflinge
mag aus losgerissenen Fragmenten älterer Leueit-, Sanidin-,
Olivin- u. a. Gesteine bestehen, ein anderer Theil aber ver-
räth durch eine nahe concentrische Lagerung der Gemenstheile,
dass die späroidische Gestalt der Blöcke innig mit ihrer Ent-
stehung zusammenhängt. Als ein negatives Merkmal der Aus-
würflinge des Vesuvs und Latiums ist hervorzuheben, dass
Fragmente echter krystallinischer Schiefer, sowie auch quarz-
führender plutonischer Gesteine unter der Zahl derselben nicht
bekannt sind, vielmehr ein unterscheidendes Merkmal des
Laacher Gebietes bilden. Hiermit hängt innig zusammen, dass
trotz des grösseren Mineralreichthums der italienischen Aus-
würflinge einzelne Mineralien des Laacher Gebietes weder in
Latium, noch am Vesuv vorkommen. Hierhin gehört nament-
lich der Cordierit, ferner der von Pater WoLr aufgefundene
Cyanit. Der Cordierit, welcher durch die den Auswurf be-
gleitende vulkanische Hitze meist halb oder ganz geschmolzen
ist, kann ebensowenig wie der Cyanit als ein Erzeugniss we-
der neu-, noch altvulkanischer Thätigkeit betrachtet werden.
Welche Bewandtniss aber es mit dem Orthit habe, diesem mit
Ausnahme des Laacher Vorkommnisses auf plutonische Ge-
steine beschränkten Minerale, vermag ich nicht zu sagen.
Latium trägt durchaus das Gepräge von erloschenem Vulka-
nismus; wenigstens hat die Geschichte kein bestimmtes Zeugniss
einer vulkanischen Eruption aufbewahrt. Doch mag hier die
Nachricht erwähnt werden, welche AURELIUS VICTOR von
dem Versinken der Hauptstadt des Latinischen Königreichs in
den See von Albano giebt (s. v. Horr, Natürl. Veränd. der
Erdob., II. Th., 320): „Regem Aremulum Sylvium terrae motu
prolapsum, simul eum eo regiam in Albanum lacum tradunt.*
Die beiden Ereignisse, welche Livıus vom Albaner-Ge-
_birge berichtet, können wegen ihrer langen Dauer nicht wohl
auf Aörolithen-Fälle, vielleicht richtiger auf Eruptionen, ähn-
lich derjenigen von Lagopuzzo, bezogen werden. „Es wurde
gemeldet dem Könige Tullus und den Vätern, auf dem Alba-
nischen Berge sei ein Steinregen gefallen. Weil man das
kaum glauben konnte, so wurden zur Untersuchung des Wun-
ders Leute hingeschickt, und vor ihren Augen fiel eine Menge
Steime, nicht anders als wenn der Sturm einen dichten Hagel
auf die Erde niederstürzt, vom Himmel herab.“ TEE,
559
Cap. 31.). — „Es gab schreckliche Gewitter. Auf dem Albani-
schen Berge dauerte ein Steinregen zwei Tage lang“ (im J.
R.:540, B. XXV. Cap. 7.).
h Als noch fortdauernde Erscheinungen, welche in einem
entweder näheren, oder ferneren Oonnexe zu dem erloschenen
Vulkanismus Latiums stehen, nennt Ponzı die ein Gemenge
von Kohlensäure und Schwefelwasserstoff aushauchende Mo-
‚fette von Morena, die Solfataren nahe Fratochie, diejenige an
der Strasse nach Ardea*) und eine nahe Porto d’Anzo. Auch
fehlt jene Art von Erdbeben, welche sich in den meisten er-
loschenen Vulkangebieten bemerkbar machen, nach dem Zeug-
nisse Ponzr’s im Römischen Gebiete nicht; sie haben Latium
als Centrum und sind gleichsam die letzten Merkmale der ehe-
maligen Entzundung jener Berge. Durch diese Erzitterungen
des Bodens wird gleichfalls eine Verbindung angedeutet zwi-
schen Latium und den süditalienischen, zum Theil noch thäti-
gen Vulkangebieten.
Anmerkung I. Nach Vollendung des ersten Theiles dieser „Frag-
mente‘‘ ist mir durch die Güte des Verfassers zugekommen: ‚Die Laven
des Vesuv. Untersuchung der vuikanischen Eruptions-Producte des Ve-
suv in ihrer chronologischen Folge vom 11. Jahrhundert bis zur Gegen-
_ wart.“ I. Theil. Von Dr. C. W. C.Fucas. Neues Jahrbuch von Leros-
HARD und Grisıtz. Jahrg. i866. S. 667-687. Der geehrte Verfasser
dieser verdienstvollen Arbeit erwähnt in der Einleitung auch des Alba-
nischen Gebirges und seiner Lavaströme mit folgenden Worten: ‚Es ist
bekannt, dass die mineralische Zusammensetzung der Laven . . . be-
deutenden Schwankungen unterworfen ist, dass echte basaltische und
doleritische Massen mit Strömen von Leueit-, Sodalith-, Nephelin-
Lava etc. abwechseln. Unter den zahlreichen derartigen Fällen sei hier
das Albaner-Gebirge genannt, das grossentheils aus Leucitlava besteht,
dessen gewaltigster Strom jedoch aus Nephelinlava zusammengesetzt ist.‘
S. 669. Und ferner: „Es kann ein Strom an seinem Ende oder Anfang
basaltische Gesteinsmasse zeigen, während der übrige Theil aus Leueit-
Lava oder einer anderen Varictät besteht, oder es kann die Lava,
welche am Anfange einer Eruption ergossen wird, etwa doleritisch nach
dem Erkalten sich zeigen, während die später hervorgepressten Massen
wieder deutliche Leucitophyre sind, obgleich die anfangs und die später
ergossene Lava nur einen Strom bildet [?!|. Besonders häufig wechselt
in einem Strome der Charakter als Leucitgestein und als Sodalithlava.
Jener berühmte Strom, welcher vom Monte Cavo am Abhange des
Albaner-Gebirges sich ergoss und bis in die Nähe der Mauern Roms
sich erstreckt, ist nur stellenweise, so weit meine Untersuchung reicht,
als Nephelinlava ausgebildet, durch welche er bekannt ist. Es ist be-
sonders die Umgebung des Grabmals der Cäcilia Metella, in welcher
sich erkennbare Nephelinkrystalle in den Hohlräumen dieses Stroms zei-
gen, und die ganze Masse sich deutlich als Nephelinlava ausgebildet hat.“
=
*) Nach den „Römischen Briefen eines Florentiners‘‘ (A. Rzumonr)
IV, 207 ‚ist dort auf einer bedeutenden Strecke die Erdoberfläche ganz
weiss von Schwefel, mit dem der Boden geschwängert ist,‘
560
Nachdem ich die vorstehenden Worte gelesen, habe ich von Neuem
die Laven des Albaner-Gebirges und um den Braccianer-See einer ge-
nauen mineralogischen Prüfung unterworfen, indem ich zu den zahl-
reichen Schliffen von Laxen jenes Gebietes, welche ich bereits besass, neue
anfertigte, und sie mittelst des polarisirenden Mikroskopes studirte. Das
Resultat dieser zeitraubenden Untersuchungen, zu denen ich mich durch
jene Aeusserungen des Herrn Dr. Fucus verpflichtet glaubte, ist nun —
dass alle Lavaströme des Albaner-Gebirges (natürlich abgesehen von der
Lava Sperone) und des Braccianer-Sees wesentlich durchaus identisch
sind, nämlich Leueitophyr; sie unterscheiden sich nur durch die Zahl
der grösseren ausgeschiedenen Leucite und Augite. Die Grundmasse der
dichten, (nur scheinbar) basaltischen Laven zeigt sich unter dem Mikro-
skop identisch mit derjenigen der mit grossen Leueiten erfüllten Lava-
Varietäten. Nephelin- Ausscheidungen in Drusen finden sich in den La-
ven des Römischen Gebietes an unzähligen Stellen; in der Grundmasse
habe ich dies Mineral bisher durchaus nicht finden können, selbst nicht
in mehreren zu dieser Untersuchung geschliffenen Piättchen der Lava von
Capo di Bove. Es ist demnach nicht gerechtfertigt, den Strom, welcher
an letzterem Punkte endet, als Nephelinlava zu bezeichnen und den ande-
ren Römischen Laven entgegenzustellen. Wenngleich gegenwärtige Ar-
beit den Vesuv nicht zum Gegenstande hat, so möge es doch erlaubt
sein, die Bemerkung hinzuzufügen, dass ein solcher Unterschied der La-
ven dieses Vulkanes mir nicht bekannt ist, wie ihn der geehrte Verfasser
des bezeichneten Aufsatzes mit den Worten andeutet:
Es kommen am Vesuv „neben Leucitlava auch doleritische Laven
Nephelinlaven, Sodalithlaven, Haüynlaven u. s. w. vor.“
Auch die Laven des Vesuvs sind wesentlich identisch geblieben —
von jenem urältesten Strome, auf welchem. ein Theil von Pompeji erbaut
ist (zum Beweise, dass die lavaerzeugende Thätigkeit dieses Berges nicht
erst mit der Eruption von 79 n. Chr. begann), bis zu jener Schlacke,
welche ich im April 1865 auf dem Kraterrande aufhob, bald nachdem
sie aus dem Schlunde herausgeschleudert.
Die Vesuvischen Laven bestehen zunächst wesentlich aus Leucit
und Augit; in Drusen finden sich viele Mineralien, von denen einige
im Verfolge gegenwärtiger Arbeit aufgeführt werden. Nach diesen in-
dess die Laven Nephelin- oder Sodalith-Laven zu benennen, erscheint
willkürlich. Doleritische Laven (welche den Aetna kennzeichnen) sind
mir am Vesuv nicht bekannt; ebensowenig solche, welche die Bezeich-
nung Haüynlaven rechtfertigen könnten. Die verdienstvollen Analysen,
welche Herr Dr. Focus ausgeführt hat, bestätigen nur die wesentliche
Gleichartigkeit der untersuchten Gesteine, — nicht aber die Verschieden-
heit der Vesuvlaven, welche im Eingange des Aufsatzes als bekannt be-
zeichnet wird.
In Bezug auf die Mittheilung S. 683, die Lava von 1717 betreffend:
„Der Augit scheint aus einer geschmolzenen glasartigen Masse zu be-
stehen, obgleich die äusseren rectangulären Umrisse der einzelnen Indi-
viduen grösstentheils noch erhalten sind,‘‘ erlaube ich mir zu bemerken,
dass eine so ausserordentliche und unglaubliche Erscheinung durch Be-
trachtung eines Schliffes unter dem polarisirenden Mikroskop sofort hätte
bewiesen resp. widerlegt werden können. Dies Instrument kann für
petrographische Untersuchungen dichter Gesteine und namentlich der La-
ven nicht dringend genug empfohlen werden. Hätte Herr Dr. Fuchs
sich desselben bedient, so würde die mineralogische Beschreibung der.
von ihm untersuchten Laven wesentlich anders ausgefallen sein. Auch
die Discussion der Analysen möchte nicht ganz ohne Widerspruch blei-
ben können. Wie kann eine Lava mit nur 4.5 pC. Kali neben 10,5 pC.
Kalkeıde enthalten 90,5 pC. Leueit? Wie ist es zu rechtfertigen, jene
561
Menge von Kalkerde, dazu 4,9 pC. Mapness etc., einfach als Leucit zu
verrechnen ?
Anmerkung II. Herr pe Rossı soll vor Kurzem bei Marino eine
umfassende Nekropole entdeckt, und den Beweis geliefert haben, dass
dieselbe vom Peperin bedeckt, also älter ist als die letzten Ausbrüche der
Vulcane Latiums —, so berichten vor Kurzem die Tagesblätter. Eine
autentische Mittheilung über jene merkwürdige Auffindung konnte ich
bisher leider noch nicht erlangen.
Anmerkung III. Der Güte des Herrn Hessengers verdanke ieh
die Ansicht zweier Auswürflinge aus dem Peperin von Marino, welche
wesentlich aus einem Aggregate von meergrünem Haüyn bestehen. Die
Krystalle dieses Haüyns sind bis zwei Linien gross, durchsichtig, von
grosser Schönheit; sie sind Combinationen des Okta@ders mit dem Gra-
natoöder, yon denen meist das erstere herrscht. An einzelnen Krystallen
zeigen. die Okta&derflächen in sofern eine tetra@drische Hemiedrie, als
die abwechselnden Flächen eine sehr verschiedene Ausdehnung besitzen.
Die Krystalle dieser seltenen und herrlichen Stücke sind theils einfach,
theils spinellähnliche Zwillinge und begleitet von Wollastonit, nach Hes-
SENBERG’S zutreffender Bestimmung.
I. Die Gegend von Braceiano und Viterbo.
Die Berge, welche am nordwestlichen Horizonte von Rom
erscheinen, zeigen im Allgemeinen wenig. imposante Formen.
Die Oberflächengestaltung erinnert in hohem Grade an die
Bildungen unserer Eifel; denn dort wie hier haben wir es mit
einem Landstriche zu thun, in welchem die einzelnen vulka-
nischen Schlünde nicht eine sehr lange Dauer ihrer Thätig-
keit bewahrten und sich nicht zu hohen Kegeln gestalteten;
die unterirdischen Kräfte brachen vielmehr bald hier, bald
dort wechselnd hervor; es bildeten sich in grosser Zahl jene
Maare, in denen MITSCHERLICH mit so vielem Geiste und
Scharfsinne Anfänge der Vulkane erkannte. Es entstand aber
kein dominirender Vulkan, der durch unzählbar sich wieder-
holende Lava- und Aschen-Eruptionen ein Gebirge um einen
Centralschlund aufbaute. Bei aller Aehnlichkeit in der Berg-
gestaltung der vulkanischen Eifel und des nordrömischen
Landes besteht ein wesentlicher Unterschied in geognostischer
Hinsicht. Während nämlich die vulkanischen Ausbrüche der
Eifel als Grundgebirge den devonischen Thonschiefer (und
Kalkstein) durchbrochen haben, dessen zertrümmerte Bruch-
stüucke, wenngleich oft innig mit den vulkanischen . Auswürf-
lingen gemengt, sich stets von diesen sofort unterscheiden
lassen; so ist bei den nordrömischen Ausbruchen kein anderes
Grundgebirge sichtbar als der marine vulkanische Tuff, in
welchem wir oben das Schlussglied der Pliocänformation ken-
562
nen lernten. Die nordrömischen Maare haben demnach auf
ihre Umwallungen wesentlich dieselben Stoffe ausgeworfen,
welche auch die durchbrochenen marinen Tuffschichten bilden,
und es ist deshalb oft schwierig, die durch Niederfall aus der
Luft stratificirten Lapilli und Aschen von den älteren Tuffen
zu scheiden. So ist es auch im Phlegräischen Gebiete Nea-
pels, wo die von den Krateren ausgeschleuderten Lapilli we-
sentlich gleicher Art sind wie die offenbar durch das Meer
geschichteten Bimssteintuffe des Campanisch-Phlegräischen Ge-
bietes. Aus diesen Verhältnissen leuchtet auch ein, wie schwie-
rig es ist, bestimmt nachzuweisen, dass an diesen italienischen
Vulkanen keine Hebungen, sondern nur Aufschuttungen statt-
gefunden haben. Denn es unterscheiden sich nicht wesent-
lich die parallel mit den Gehängen des Eruptionskegels aus-
geworfenen Lapillischichten von den horizontalen Straten der
Umgebung.*) Dies ist in der Eifel deutlicher und lehrreicher.
Um nach Bracciano zu gelangen, verlassen wir Rom
durch die Porta del Popolo. Die Via Flaminia lauft bis zum
Ponte Molle im Thalgrunde der Tiber fort; dort trennt sich
von ihr die Via Cassia, der wir zunächst folgen. Der Ab-
sturz des vulkanischen Plateaus ist da, wo. die Via Cassia
dasselbe betritt, durch viele verzweigte Schluchten zerschnitten.
An der Brücke von Acqua traversa bleibt der Anbau zurück,
der einen nur schmalen Gürtel um die Weltstadt bildet. Vul-
kanischer Tuff von brauner und gelblichbrauner Farbe stellt
sich in mächtige, nahe horizontale Schichten gesondert dar.
Straten, welche viele runde Trachyt- und Lava-Gerölle um-
schliessen, wechseln mit feinerdigen ab. Es ist stets Leueit-
Tuff, der Leueit in mehlig zersetzten Punkten und Körnern;
häufig ist auch Bimsstein. Der in geognostischer Hinsicht
interessanteste Punkt des über die wellige, schweigsame Cam-
pagna führenden Weges ist die Galera-Brucke, wo der Aus-
fluss des Braccianer-Sees, der Fluss Arrone, überschritten wird.
*) Einer wie verschiedenen Auffassung diese Verhältnisse fähig sind,
lehren die Worte v. Bucn’s in seinem unübertrefflichen Werke „Geognosti-
sche Beobachtungen in Deutsehland und Italien“, über den Monte
nuovo :Bd. II. S. 211): „Mit Recht eifert ps Luc gegen Diejenigen,
welche ihn plötzlich gehoben glauben. Er ist in einer Nacht ausge-
worfen, aber nicht heraufgehoben.“ Hinlänglich bekannt ist es,
für welche Ansicht und mit weleher Entschiedenheit später v. Buch selbst
geeifert.
563
Während bis dahin nur marine Tuffe sichtbar, erscheint
im Arrone-Thale eine mächtige Bank von Leucitophyrlava.
Der Fluss fliesst hier zwischen hohen, dunklen Lavafelsen
hin, über denen die Kirchenruine St. Maria di Galera, sowie
die Mauerreste der Stadt Galera, die noch im Mittelalter
aufrecht stand, hervorragen. Nahe der Strasse sind in dem
Lavastrome ausgedehnte Steinbrüche eröffnet. Das Gestein,
überaus ähnlich demjenigen von Capo di Bove und der an-
deren Albanischen Lavaströme, enthält ausgeschiedene Kry-
stalle von Leucit und Augit und in den Drusen ausser diesen
beiden Mineralien noch Nephelin und Melilith. Poxzı hat die-
sen Strom aufwärts im Arrone-Thale bis Anguillara verfolgt.
Obgleich diese Lava zum Theil von Tuff bedeckt und durch
Erosionen an manchen Stellen zerrissen ist, so lässt sich ihr
Lauf von der südöstlichen Ecke des weiten Braccianer Kessels,
ihrem Ursprungsorte, bis unterhalb Galera bestimmt verfolgen.
Von Galera steigt die Strasse an der sanft geneigten äusseren
Umwallung des Bracceianer-Sees empor. Nahe Crociechie sieht
man viel anstehendes (scheinbar weiss gesprenkeltes) ‚Leueit-
gestein, welches, in zahlreichen niederen Kuppen und kurzen
Strömen hier hervorgebrochen, später von Aschenauswürfen
bedeckt wurde. Solche Durchbrüche finden sich noch mehrere
gegen Braeciano hin. Die Annäherung an den See, den alten
Lacus Sabatinus, auf dem von uns gewählten Wege ähnelt
sehr (wenn man Grosses mit Kleinem vergleichen darf) dem
Eintritt in das Laacher Becken auf dem Wege von Plaidt.
Das Städtchen Bracciano liegt auf einem gegen drei Seiten
isolirt aufsteigenden, zweigipfeligen Hügel, etwa 300 Fuss
über dem See. Während auf der südlichen Höhe der Ort
sich ausbreitet, trägt die nördliche das grosse Schloss der
Odescalchi.
Der See von Bracciano ist: unter den vulkanischen Seen
Italiens nach dem Bolsener See der grösste. Die kreisrunde
Form desselben wird nur wenig gestört durch eine Ausbuch-
tung des nördlichen Ufers, sowie durch mehrere kleine Fels-
vorsprunge bei Anguillara.. Der Durchmesser des Sees in
ostwestlicher Richtung beträgt 4,8 Miglien, in nordsüdlicher
4,5 Miglien. Der Umfang misst ohne Rücksicht auf die klei-
nen Störungen des Uferrandes 16 Miglien oder 4 deutsche
Meilen. Ich ermittelte die Oberfläche des Sees auf Grundlage
ee >
. der Karte des österreichischen Generalstabes auf 16,309 Quadrat-
Miglien, also nur wenig grösser als eine deutsche Quadrat-
Meile. ‘Dies ist reichlich 14 Mal die Grösse des Laacher-Sees,
der nach den Angaben des preussischen topographischen Bureaus
eine Oberfläche von 0,072 Quadratmeilen — 1,152 Quadrat-
Miglien besitzt.
Der Sabatinische See nimmt den Boden eines vulkanischen
Kesselthales ein, dessen vertikale Dimensionen im Vergleiche
zu den horizontalen nur gering sind. Ueber den Seespiegel
erheben sich (sei es unmittelbar die Wasserfläche beruhrend,
sei es durch einen sehr schmalen Kustensaum von derselben
getrennt) mehr oder weniger steil bis zu einer relativen Höhe
von einigen hundert Fuss die inneren Abdachungen der grossen
Circumvallation, welche nach aussen gegen Westen, Norden
und Osten in weiten, plateauartigen Flächen sich senkt, nur
gegen Süden schneller abfällt. Der Seespiegel liegt in einer
Meereshöhe von 505 Par. Fuss. Den höchsten Punkt in der
Seeumwallung bildet die Rocca Romana, 1892 Fuss hoch, ein
spitzer vulkanischer Kegel, mit Hochwald bedeckt. Folgen wir
der Bergumwallung gegen Westen, so schliesst sich an den
„Römischen Fels* mit geringerer Erhebung der M. Riceo.
Dann behält der Wall eine gleichbleibende Höhe von etwa
1692 Fuss. Die westliche Umwallung senkt sich merkbar.
Pisciarello liegt 982 Fuss, Bracciano etwa 939 Fuss. Am
südlichen Seerande tritt der Ringwall in einem Halbkreise zu-
rück und umschliesst mit steilem Absturze eine kleine halb-
mondförmige Ebene, die sogenannte Vigna di Valle. Der Wall
‚erhebt sich hier bis 976 Fuss, die halbmondförmige Ebene bis
zu 532 Fuss; an ihrem östlichen Ende tritt der Wall mit stei-
len Felsen unmittelbar an die Wasserfläche heran, so dass der
Pfad nischenförmig dem Felsen abgewonnen werden musste.
Dieser Steilrand hält, gegen den See nur eine schmale Ebene
freilassend, bis Anguillara an. Oestlich dieses Dorfes hat der
See seinen Abfluss, indem er dem Arrone Entstehung giebt.
Hier ist die schöne Rundung des Gestades gestört, indem die
Uferlinien am Ausflusspunkte des Flusses fast zu einem rech-
ten Winkel zusammenstossen.
So stellt die Umwallung dieses grossen Sees einen sehr
flachen Kegel dar, zu dem sich. ringsum die Campagna sanft
emporhebt. Dadurch entsteht eine gewisse Aehnlichkeit mit
565
dem äusseren Walle.des Albaner-Gebirges, wie auch die ho-
rizontalen Dimensionen des Sees ungefähr dem von dem
äusseren Albanischen Ringwall umfassten Raume gleichkommen.
Während indess in Latium sich in dem inneren Raume
ein centraler Krater aufbaute, fanden in dem Sabatinischen
Kreisthale keine Eruptionen mehr statt. Doch möchte’ ich
nicht zugleich mit dieser Vergleichung mich zu der Ansicht
bekennen, dass unser See eine Kraterebene darstelle, aus de-
ren Grunde Lapilli ausgeworfen seien und so den plateau-
ähnlichen Ringwall gebildet hätten. Einer solchen Auffassung
scheinen sich nämlich zwei Thatsachen entgegenzustellen:
zunächst, dass die Bergumgebung des Sees in ihrem grösseren,
nördlichen Theile nicht vollkommen den Charakter eines Ring-
walles trägt, vielmehr als ein Theil des hier zu einem Plateau
gestalteten Römischen Vulkangebietes betrachtet werden kann;
ferner, dass die petrographische Bildung der Umrandung eine
mannichfaltige ist und theils aus dem marinen Tuffe der Oam-
pagna, theils aus Lapillimassen, theils aus Leucitophyr, Tra-
chyt, theils aus Leueitophyr-Conglomeraten besteht, während
wir bei einem krater- oder maarähnlichen Kesselthale gleich-
artige Auswurfs-Straten zu finden gewohnt sind. Die Un-
sicherheit in unserer Auffassung des vulkanischen Beckens
von Braceiano und seiner Entstehung kann nicht befremden,
wenn man erwägt, dass in der so vielfach durchforschten
Eifel weder die Kratere von den Maaren, noch diese letzteren
von den nicht vulkanischen Kreisthälern allezeit sicher ge-
trennt werden können. Diese letzteren hebt auch MiTscHER-
tıcH hervor: „Die Eifel ist durch eigenthümliche Kesselthäler
ausgezeichnet; diese sind jedoch nicht durch die Vulkane ge-
bildet, sondern dem Schiefergebirge eigenthümlich, aber nir-
send so häufig, so schön und so eigenthümlich als in der
Eifel.“ Die Entstehung dieser Thäler lässt sich, wenigstens
ohne das Feld allzu kühner Hypothesen zu betreten, noch nicht
genugend erklären. |
| Was den Braceianer Kessel betrifft, so entfernen wir uns
nicht von den durch die Erfahrung gegebenen Thatsachen,
wenn wir eine mit vulkanischen Kräften in Zusammenhang
stehende Bodensenkung bei der Entstehung desselben mit-
wirkend uns vorstellen. Denn an Beispielen von Senkungen
grösserer oder kleinerer Landstriche als begleitende Erschei-
566 .
=
nungen bei vulkanischen Vorgängen fehlt es nieht (s. Nav-
MANN, Geognosie. 1. Aufl. B. I., S. 255—257). |
Wenngleich die Configuration der See-Ufer eine wenig
mannigfaltige ist, die Höhenlinie der Bergumwallung auf weite
Strecken fast eben fortläuft, so erschien mir der landschaft-
liche Charakter des Sees dennoch von einer ernsten Gross- _
artigkeit beherrscht, namentlich dort, wo eine Miglie westlich
von Anguillara der Weg längs eines waldigen Felsvorsprunges
hinführt. Da die See-Ufer noch fast ganz im Bereiche theils.
der perniciösen, theils der intermittirenden Fieber liegen, so
sind sie nur wenig, nur an drei Punkten bewohnt: Bracciano,
434 Fuss über dem See, Anguillara, dessen mit gelbem Moose
bedeckte Häuser sich enge auf einem kleinen Felskopfe zu-
sammendrängen, 175 Fuss über dem See, endlich Trevignano
am nördlichen Gestade („an der Stelle des alten Sabate, das
schon zu Ende der Republik unterging; — eine Strasse, welche
hart am Ufer von hier nach Oriulo führte, ist jetzt vom See
verschlungen,“ FOURNIER), wo die Luft weniger verderblich
als auf der südlichen Seite. Diese drei Dörfer sind je zwei
Wegestunden von einander entfernt.
‘ Die Zuflüsse des Braceianer-Sees kommen vorzugsweise
von den westlichen Uferhöhen: die Bäche Bocea Lupo und
Fiora am Monte Virginio entspringend, der Bach von Vicarello
aus der Val Ritona kommend. Bei Vicarello entspringt eine
Therme, die im Alterthum berühmten Aquae Apollinares, mit
einer Temperatur von 33° R. „Sie soll Eisen und Soda ent-
halten.“
- Von den Ufern des Sabatinischen Sans werden in einem
36 Miglien langen Aquäducte die Gewässer der Acqua Paola
nach Rom geleitet, welche sowohl die herrlichen Spring-
brunnen des S. Peters-Platzes, als- auch die grosse Fontana
Paolina bei S. Pietro in Montorio speisen. Die Hauptquellen
liegen eine halbe Miglie östlich von Manziana. Die Leitung
führt sie längs des nördlichen und östlichen See-Ufers hin.
Da die Quantität des Quellwassers nicht ausreichte, so wurde
bei der Mola.di Anguillara ein Theil des Seeabflusses (Arrone)
mit demselben vereinigt, wodurch indess die Beschaffenheit.
des Wassers nicht verbessert uazde! Die Tiefe des Be soll
200-900 Fuss betragen.
Die Umgebung des Braceianer-Sees ist reich an kreis-
=
567 N
förmigen Thalkesseln, welche wohl sämmtlich kurz dauernden
oder einmaligen vulkanischen Eruptionen ihre Entstehung ver-
danken und theils als Kratere, theils als Maare zu betrachten
sind. Als einen nur zur Hälfte erhaltenen Kraterwall möchte
ich mit Ponzı die Vigna di Valle am südlichen Ufer ansehen.
Noch ausgezeichneter ist der halbkreisförmige Wall, welcher
die Bucht von Trevignano umfasst. Der höchste Punkt dieses
Walles erhebt sich 185 Fuss über den See. Nordwestlich
von der Rocca Romana liegt die maarähnliche Valle Ritona,
deren längerer Durchmesser 1,3 Miglien beträgt. Gegen Suü-
den ist der Ringwall, der im Nordwesten eine Höhe von
1517 Fuss erreicht, durchbrochen und gestattet dem Bache
einen Ausfluss.
Von diesem Krater gegen Osten liegt eine andere ellip-
tische Einsenkung, deren nordsudlicher Durchmesser etwas
über 1 Miglie beträgt. Getrenut sind beide durch den Monte
Calvi, 1850 Fuss hoch. Von dem nordöstlichen Seegestade etwa
1 Miglie entfernt liegt der kleine, maarähnliche Kessel Lagu-
sello, eines der kleinsten vulkanischen 'Kreisthäler; der Durch-
messer des Wallrandes beträgt 0,4 Miglien, derjenige des
inneren, mit einem versumpfenden Teiche gefüllten Krater-
bodens nur etwa 0,15 Miglien. Lagusello besitzt demnach
ungefähr die Grösse des Holzmaares zwischen Gillenfeld und
Manderscheid und übertrifft das Dürre- Maarchen oder Torf-
maar, hinter welchem an Grösse die sogenannte Hütsche noch
weit zurückbleibt. Derjenige Theil des Walles, welcher Lagu-
'sello vom Braccianer-See scheidet, erreicht 554 Fuss, erhebt sich
also nur 50 Fuss über den Spiegel des letzteren. An das östliche
. Gestade des grossen Sees grenzt das Kreisthal von Polline,
welches gegen Westen geöffnet ist. Es ist auf drei Viertheilen
eines Kreises geschlossen und hält fast eine Miglie im Durch-
messer. Der nördliche Theil des Walles erreicht 794 Fuss,
der südliche 818 Fuss, der östliche 889 Fuss. Von dieser
letzteren Höhe, welche den Krater Polline von demjenigen von
Martignano scheidet, überblickt man einen ansehnlichen Theil
dieses merkwürdigen vulkanischen Landstrichs, dessen Höhen
sich vielfach zu Kreiswällen gestalten. Gegen Westen liegt
ausgebreitet das grosse sabatinische Becken, über dessen west-
lichem Rande die Trachytberge von Tolfa und Sasso sichtbar
werden, während jenseits des südwestlichen See-Ufers das
To
Meer sich darstellt. Das Kreisthal Polline, welches von Ponzı
als ein Krater betrachtet wird, erscheint durch Erosion sehr
zerstört, sein Boden ist zu viel verzweigten Schluchten um-
gestaltet, deren Ausmüundung in den grossen, unmittelbar an-
grenzenden See erfolgt. Die ausgezeichneten, an das Kreis-
thal Polline gegen Osten angrenzenden Kr werden wir als-
bald kennen lernen.
Die Umgebung des Sees von Bracciano wird gebildet
theils durch den herrschenden Tuff der Römischen Campagna,
theils durch Leueitophyrlava und echte vulkanische Lapilli,
theils endlich durch Trachyt.
Der Tuff, ausgezeichnet durch zahlreiche eingemengte Bims-
steine, Schlackenstücke, Leucitkrystalle scheint vorzugsweise
die grössere, südliche Hälfte des Seegestades zu bilden. Die
Schichten desselben bald horizontal, bald flach gewölbt, brechen
'am Seegestade ab, scheinen demnach nicht aus diesem weiten
Becken ausgeworfen zu sein. Diese Straten sind an vielen
Stellen der Seeumgebung durch Leueitophyrlava durchbrochen
worden, welche in Bänken, Gängen und Strömen erscheint.
Schön aufgeschlossen sind die Tuffe zwischen Anguillara und
der Mola di Anguillara, welche durch den Seeabfluss, den
Arrone, bewegt wird. Die unterste Bildung, welche in den
Hohlwegen sichtbar, ist ein gelber, massiger Tuff mit vielen
. Leueitophyr-Eiuschlüssen. Darüber folgt ein dunngeschichteter
Tuff mit vielen Bimsstein- und kleinen runden Leueitschlacken-
stucken. In dieser oberen Tuffschicht finden sich viele Ein-
schlusse vom Ansehen krystallinischer Gesteine, aus Hornblende,
Glimmer, Sanidin (doch ohne Quarz) bestehend, auch viele gelb-
lichgrüune körnige Augitstücke. Zuweilen stellt sich der Tuff als
eine gelbe, feinerdige Masse dar. Dann liegt ihm auch wohl über-
gelagert eine Geröllschicht von Leucitophyrschlacken, dazwischen
auch grosse kantige oder runde Lavablöcke. Hier wie in der
Nähe aller eigentlichen Krater des Römischen Gebietes ist der
marine Tuff bedeckt von einer durch atmosphärischen Schlacken-
wurf gebildeten Schicht. Die Grenze zwischen beiden Bildun-
gen ist aber in jedem Falle nur schwierig zu bestimmen. Bei
der alten Torre Arrone erreicht man das von sanften Hugeln _
eingeschlossene schmale Thal, durch welches der Abfluss des
weiten Seebeckens seinen Weg nimmt. Die Hugel bestehen
aus Tuff, während in der 'Thalsohle der Bach einen Lavastrom
969
‘entblösst. Dies ist der Strom, welchen Poxzı bis Galera ver-
folgte, bis wohin von Anguillara aus seine Länge reichlich
5 Miglien misst. In den bei der Mühle durch den Wasserlauf
entblössten und geglätteten, schwarzen Felsflächen fällt die un-
regelmässige Vertheilung der Leucite auf. Bis über einen Zoll gross
drängen sie sich bald zusammen, bald sieht man sie auf grössere
Strecken nicht; theils sind es ziemlich regelmässige Krystalle,
theils ungestaltete Körner, oft mit vielen Augit - Einschlussen,
welche zuweilen concentrische Zonen bilden. Wie bei den
Laven des Vesuvs waren gewiss auch hier die Leucite bereits
erstarrt und wurden als feste Körper in (und vorzugsweise auf)
der fliessenden Lava fortgeschwemmt. Ihre Bildung in einer
stark bewegten Masse erklärt hinlänglich die oft unregelmässige
Gestalt. Zwischen Anguillara und Bracciano herrscht durch-
aus leueitischer Tuff, welcher an dem erwähnten Vorgebirge
von Lava durchbrochen wird; man findet hier ein seltsames
Leueitophyr - Conglomerat mit ungeheuer grossen Leuciten. Von
dieser Landzunge bis gegen Anguillara sieht man deutlich die
über 100 Fuss mächtigen Tuffschichten in senkrechten Profilen
gegen den See hin abbrechen und glaubt die zerstörende Wir-
kung der Wasser zu erkennen, zu einer Zeit. als der Seeab-
fluss sein Thal noch nicht bis zur jetzigen Tiefe ausgenagt
hatte. Nahe Bracciano findet man mehrere in den Tuff ein-
geschaltete Leucitophyrbänke; das Gestein schliesst hier Trachyt-
Bruchstücke ein, welche dem Gesteine des nahen Monte Vir-
ginio ähnlich sind und das höhere Alter des letzteren docu-
mentiren. Die Leucitlava, sowohl des Stromes im Arronethale,
als auch der Vorkommnisse von Bracciano, enthält in Drusen
Nephelin, bald allein, bald in Begleitung von Melilith. Auch
am nordwestlichen Ufer des Sees tritt Leucitophyrlava auf,
und zwar erscheint hier nach Stücken der Horruann'schen
Sammlung als wesentlicher Gemengtheil neben Leueit auch
Sanidin, feruer Augit, Magneteisen und in sehr geringer Menge
auch Hauyn. Die Sanidine bilden schmale Täfelchen, welche
meist einfach, nur selten Zwillinge nach dem sogenannten Carls-
bader Gesetze sind. Dies Vorkommen, welches im Albaner-
Gebirge nicht seines Gleichen hat, weist hin auf die mächtige
Entwickelung von Sanidin - Leucitophyr im Ciminischen Gebirge.
Der sanidinführende Leucitophyr vom nordwestlichen
Ufer des Sabatinischen Sees wird bereits erwähnt in den (durch
Zeits. d.d. geol. Ges. XVII. 3.. 31
570
v. DECHEN nach Horrmann’s Tode herausgegebenen) „Geognost.
Beobachtungen auf einer Reise durch Italien und Sicilien“,
Karsten’s Archiv, Band 13, S. 5l, und zwar in einer ver-
muthlich von G. Rose verfassten Anmerkung, S.5l. Das Zu-
sammenvorkommen von Leucit und Sanidin ist bisher‘ wenig
beachtet worden. Bei dem meist nicht geringen Natrongehalte
der Leucitophyre fand man sich mehr veranlasst, die Existenz
eines natronreichen Minerals in- der Grundmasse (Nephelin,
Nosean, Sodalith, schiefwinkliger Feldspath) nachzuweisen.
Von Sanidin ist der Leucit begleitet (ausser an den genannten
Oertlichkeiten des nordrömischen Gebietes) in dem Leueitophyr
von Rieden und dem sogenannten Noseanphonolith von Olbrück,
dem Englerkopf etc.; ferner nach den Untersuchungen von
Prof. Kxop im „Nephelindolerit* von Meiches im Vogelsge-
birge. Was den Sanidin-Gehalt der Vesuv- und Somma - Ge-
steine betrifft, so können die Untersuchungen noch nicht als
geschlossen betrachtet werden.
Ich unterwarf einer sorgsamen mineralogischen Untersu-
chung die in den Drusen der Lava von la Scala (1631) bei
Portici vorkommenden Mineralien; sie sind: Sodalith meist
in einfachen granatoödrischen Krystallen, doch auch (wenn-
gleich seltener) in Zwillingen, Sanidin in äusserst kleinen
und dünnen Täfelchen, Augit in den zierlichsten Krystallen,
zuweilen mit etwas vertieften Flächen des schiefen Prismas,
Olivin in metallglänzenden, ziemlich dicken, kleinen Tafeln,
Magneteisen in kleinen Oktaödern. In der Grundmasse
dieser Lava (und überhaupt der Vesuvischen Laven) scheinen
beobachtet zu sein: Leucit, Augit, Olivin, Nephelin, Magnet-
eisen, Glimmer. Der Sodalith scheint demnach noch nicht in
der Grundmasse (trotz ihres Chlorgehaltes von 0,5 p. C. nach
Dr. Wenping) erkannt zu sein und der Leueit, welcher die
überwiegende Menge dieser Lava bildet, sich nicht in deren
Hohlräumen ausgebildet zu haben. Mit Hulfe des Mikroskopes
sieht man in dünnen Gesteinsplättchen sowohl der Vesuvlaven,
. als auch der Gänge und Bänke des Sommaberges ein Gewirre
von äusserst kleinen, prismatischen Krystallen; diese scheint
Knop fur Sanidin zu halten. Durch die Auffindung des Feld-
spathes in dem Gesteine von Meiches wurde er veranlasst, den-
selben auch im Vesuvischen Leucitophyr zu suchen. „In der
That war dieser deutlich darin zu entdecken, und zwar in lan-
571
gen, lebhaft glasglänzenden Leisten, welche den Eindruck von
Sanidin machten.“ Der Grundsatz, in der Gesteinsmasse stets
diejenigen Mineralien anzunehmen, welche man in Drusen findet,
(ein Grundsatz, dem ich in seiner Verallgemeinerung
nicht beipflichten kann) möchte vielleicht hier irre führen.
Wenigstens scheint es mir wahrscheinlicher, dass der prisma-
tische Gemengtheil der Grundmasse Vesuvischer Laven (soweit
ich denselben gesehen) einem mejonitähnlichen Minerale an-
gehöre. Schon Wepning („Untersuchungen der Vesuvlaven“,
diese Zeitschr. 1858, S. 400) berechnet die Zusammensetzung
der Lava von Granatello 1631 unter der Voraussetzung, dass
Mejonit vorhanden sei. Dafür aber wagt derselbe sich doch
nicht zu entscheiden, ‚da erst nachgewiesen werden müsste,
dass es auch unlöslichen Mejonit giebt.“ Nun dieser Nach-
weis ist theils schon geführt -(Mizzonit), theils wird er im Ver-
lauf dieses Aufsatzes sich herausstellen. Einen gestreiften Feld-
spath habe ich in den Vesuvlaven bisher nicht gesehen, ent-
gegen den in Lehrbüchern häufig gemachten Angaben. Nach
einer gütigen Mittheilung G. Rosr’s ist Sanidin in den Somma-
laven nicht selten und kommt zuweilen in zollgrossen Krystallen
darin vor, zollgross nach der schiefen Diagonale von P ge-
messen.*)
Die Combination von Leucit und Sanidin in den nord-
römischen Gesteinen nähert die Leueitgesteine den echten Sa-
nidin-Trachyten, von denen sie in den verschiedenen petrogra-
phischen Systemen gewöhnlich weit getrennt werden. Unter
den Höhen der Seeumgebung besteht aus Trachyt der Monte
Virginio, welcher sich als eine schildförmige Höhe über einem
1000 bis 1200 Fuss hohen Tuffplateau bis zu 1706 Fuss er-
hebt. An seinem südöstlichen Fusse liegt das Dorf Manziana,
höher am südwestlichen Abhange Canale. Der Trachyt ver-
breitet sich über einen nahe elliptischen Raum, welcher von
Osten nach Westen ungefähr 1,5 Miglien misst, während die Breite
weit geringer ist. Das Gestein des M. Virginio besitzt eine wenig
»
%) „Unter den festen Gesteinsblöcken, welche in dem Tuffe liegen
und bei der Ferriera von Bracciano gefunden worden sind, sind auch
porphyrartige Granitstücke, etwas lockeren Gefüges, wie von Verwitte-
rung angegriffen, aus gelblichweissem Feldspath, Quarz und weissem
Glimmer bestehend, in der von Horruann veranstalteten Sammlung ent-
halten.“ G. Ross, a. a. O. S. 51. :
a
572
poröse, fast quarzharte, zuweilen streifige, weisse Grundmasse,
“- in welcher man als ausgeschiedene Gemengtheile nur kleine
Sanidine wahrnimmt. Die Hohlräume des Gesteins sind zu-
weilen mit äusserst kleinen Quarzkrystallen bekleidet. Das
Gestein hat das Ansehen einiger kieselsäurereicher, gleichfalls
streifiger Trachyt- Varietäten der Euganaäen. Nach einer Be-
obachtung Parkro’s (Da Montamiata a Roma, p. 13) tritt nahe
der südlichen Grenze dieser Trachytkuppe eine kleine Partie
pliocäner Mergel hervor, überlagert von den Tuffen der Cam-
pagna. Diese Erscheinung liefert eine Bestätigung für die
oben bereits ausgesprochene Ansicht, dass der vulkanische Tuff
in einem Becken von pliocanem Thone ruht, dessen Schichten
überall unter dem Tuffe vorhanden sind.
F. Horrmann erwähnt noch eines zweiten Vorkommens von
Tracbyt, im Hügel von S. Vito, dessen Gestein nach einem
Stücke in der Sammlung von sehr ähnlicher Beschaffenheit ist,
wie die Felsart des M. Virginio. Diesen Trachytpunkt kennen
weder PArero, noch Poxzı. In diesem Trachyte befindet sich
eine kleine Solfatara, in welcher Schwefel gewonnen“wurde*).
Die Trachyt-Vorkommnisse am westlichen Gestade des Brac-
cianer-Sees bilden ein vermittelndes Glied zwischen den Tra-
chyten von Sasso und Tolfa einerseits und des Ciminischen
Gebirges andrerseits.
Von dem Gestade des Braccianer-Sees, .bei dessen Ent-
. stehung, wie oben angedeutet, wahrscheinlich eine vulkanische
Bodensenkung mitgewirkt hat, betreten wir gegen Osten und
Norden ein Gebiet, welches durch zahlreiche maarähnliche
Kreisthäler besonders ausgezeichnet ist. Auf dem Wege von
Anguillara zum See von Marfignano -fand ich viele Stücke
marmorähnlichen Kalksteines, welche ich anfangs für antike
"Steine hielt, wie man sie häufigin den Einöden um Rom findet.
Bald aber überzeugte ich mich, dass diese Kalksteinblöcke im
Tuffe ihre Lagerstätte haben und mit anderen vulkanischen
Produkten aus den Kesselthälern auf ihre Umwallung sind aus-
geschleudert worden. Häufiger als reiner magnesiahaltiger
Kalkstein sind körnige Gemenge von Kalkspath mit Hornblende,
*) In einer Sammlung zu Allumiere nahe Tolfa sah ich von dieser
Solfatare ein Stück braunen, vulkanischen Tuffs mit Klüften voll Feder-
Alaun.
573
Augit oder schwarzem Glimmer. Solche merkwürdige Bildun-
gen haben sich, wenngleich nur als grosse Seltenheiten, auch
im Tuffe des Laacher Gebietes gefunden. Beim Ueberschreiten
des östlichen Walles des Kreisthales Polline liest plötzlich
eines der interessantesten Maare vor uns, welches von dem
See von Martignano (dem Lacus Alseatinus) erfüllt ist.
Der Durchmesser des Wallrandes beträgt ungefähr 1,4 Miglien,
seine Form ist etwas unregelmässig, wahrscheinlich durch die
drei anderen unmittelbar angrenzenden Maare gestört. Der
See, welcher den östlichsten Theil der Maarfläche freilässt,
misst von Norden nach Suden 1,1, von Osten nach Westen
0,9 Miglien.
Die stille Wasserfläche liegt in einem von steilen, aber
wenig hohen Gehängen umschlossenen Becken. Der südliche
Theil des Walles bildet ein geradliniges Profil, der westliche
erhebt sich zum Monte S, Catarina, der östliche zum Monte S.
Angelo. Der elliptisch geformte Wall bildet gegen Osten eine
Ausbuchtung, welche, jetzt trocken liegend, für spärlichen Anbau
gewonnen ist. Ein einziges altes Gemäuer erhebt sich am Ge-
stade dieses Sees, welcher mich an das Weinfelder Maar er-
innerte, wenngleich das Kreisthal Martignano nicht nur dieses,
sondern selbst die grössten Eifler Maare, diejenigen von Meer-
feld und Moosbruch, an Ausdehnung bedeutend übertrifft. Der
Seespiegel liegt in einer Höhe von 643 Fuss und ist durch
einen unterirdischen Emissar fixirt, welcher das Wasser in den
138 Fuss tiefer liegenden Braceianer-See leitet. Die Umwal-
lung von Martignano wird von dünngeschichteten, ausgewor-
fenen Tuffen gebildet, welche viele zersetzte Schlackenstück-
chen und viele grosse Leucitophyrblöcke enthalten. Ueber eine
flache Senkung der nördlichen Umwallung, durch welche ein
Abzugsgraben geführt ist, gelangte ich in das Maar von Strac-
ciacappa, dessen Boden mit einem kleinen, versumpfenden See
(809 Fuss hoch) bedeckt ist. Die Umwallung dieses Beckens,
welche nicht völlig 1 Miglie im Durchmesser besitzt, erhebt
sich über dem vergleichsweise hohen Seeboden zu einer relativ
geringeren Höhe und mit sanfterer Neigung als bei dem Maare
von Martignano, in welches das Wasser des kleinen, versumpften
Sees abgeleitet wird. Am höchsten ist der südliche Walltheil, _
welcher etwa 300 Fuss den Maarboden überragt, während der
nördliche Theil kaum 100 Fuss höher als die innere Fläche
574
ist. Auf dieser nördlichen Umwallung hat ein einsames Thurm-
gemäuer „la torre Straccia* der Verwüstung der Jahrhunderte ge-
trotzt und überschaut weithin das sich gegen Nordosten, gegen
Civita- Castellana, senkende vulkanische Land. Ein dichter
Kranz von Schilfrohr hindert die Annäherung zur Wasserfläche,
welche auch schon im Alterthume L. Papyrianus hiess.
Ein noch grösserer Kraterkessel als die bisher im Gebiete
von Bracciano aufgeführten grenzt unmittelbar gegen Osten
an Martignano: es ist das vulkanische Kreisthal von Baccano.
Ein schmaler, bis zu etwa 300 Fuss über den benachbarten
Maarflächen ansteigender, vulkanischer Rücken trennt beide
Kesselthäler. Der Weg führt durch eine tiefe, wohl künstlich
gegrabene Scharte, welche Straten von lockerem, offenbar durch
atmosphärischen Auswurf geschichtetem Tuff entblösst. Der-
selbe umschliesst (wie in der Nähe dieser Becken gewöhnlich)
viel Bimsstein, Leucitophyrlava- und Kalkblöcke. Der Monte S.
Angelo, südlich des Einschnittes, ist einer der höchsten der
‚Umgebung; man erblickt von dort nochmals Braceiano und
die trachytischen Mammeloni von Tolfa. Die Umwallung von
Baccano misst im Durchmesser 2 Miglien, die ebene, jetzt
mit Wiesen und Sumpf bedeckte Kreisfläche im Durchmesser
1,3 Miglien. Der Wall ist gegen Westen und Nordwesten steil
(der Monte dell’ Impicato 1098 Fuss hoch), gegen Süden niedrig,
sich sanft verflachend.. Am höchsten ist der ziemlich unregel-
mässig gebildete Wall im Monte Razzano, 1342 Fuss. Ehemals
war die Val Baccano mit einem See erfüllt, welcher indess
bereits von den Alten mittelst eines tiefen Einschnittes ent-
leert wurde. Der Ausfluss, welcher jetzt die starken Quellen
des Thales ableitet, berührt Isola Farnese, das alte Veji, um.
sich 6 Miglien oberhalb Roms mit der Tiber zu vereinigen. Pabst
Alexander VII versuchte, durch einen unterirdischen Stolln
die Austrocknung des Kreisthales zu vollenden und dadurch
die Luft zu verbessern, doch vergeblich. Die alte Via Cassia,
wie die heutige, nun fast gänzlich verödete Poststrasse führen
durch diesen Krater. In tiefen Einschnitten, Werken der Rö-
mer, durchbricht die Strasse den Wall. Der gegen 70 Fuss -
hohe, nördliche Einschnitt entblösst eine obere Schichtenmasse
von gelbem, feinerdigem Tuffe, unter welchem ein Conglomerat
mächtiger Leucitophyrstücke liegt. Die Schichtenmasse neigt
sich unter 20° vom Centrum des Kraterbeckens weg.
575
An die drei von Westen nach Osten einander berührenden
Circumvallationen (Polline, Martignano, Baccano) reiht sich
noch eine vierte Bergform ähulicher Art an, auf deren süd-
östlicher Höhe das Dorf Scerofano liegt. Der Wall mit einem
Durchmesser von 2,5 Miglien ist gegen Sudwesten geöffnet. Die
culminirenden Gipfel seines Walles sind: der schon erwähnte
Monte Razzano, der Monte Fosso (1098 Fuss), der Monte Prato
(1059), der Monte Mosino (985), der Monte Lupo. Dieser Krater
(welchen ich nicht selbst gesehen, sondern auf die Autorität Ponzr’s
anfuhre) besitzt keine ebene Oentralfläche; dieselbe ist vielmehr
von Schluchten vielfach zerschnitten. Auf dem nordöstlichen
Wall gibt die Karte Solfataren an, wahrscheinlich Gruben im
Tuffe, welche sich mit Schwefelsublimationen bedecken. Die
geradlinige Fortsetzung unserer Kraterreihe trifft auf die kleine
Ebene von Lagopuzzo, merkwürdig durch die schnell erloschene
Eruption.
Vom Kraterwall Baccano, dessen nördlicher Abhang von
zahlreichen Erosionsschluchten durchschnitten wird, senkt sich
der Weg gegen Norden in das Thal des Treglia-Baches. Von
hier stellt sich der Krater als eine charakteristische Sattelform
dar. Das nur wenig tiefe Tregliathal ist von steilen Tufffelsen
eingeschlossen. Gleich nördlich der nun wegen der Fieberluft
verlassenen Poststation Settevene läuft die Strasse über einen
Leucitophyr-Lavastrom, welcher anscheinend seinen Ursprung
am Monte Pagliano genommen hat. Auch weiterhin gegen Mon-
terosi ist der Tuff an vielen Stellen von Leucitophyr durch-
brochen; es sind stromartige Bänke, welche zwischen den Schich-
ten des Tuffes lagern. Nahe Monterosi wird der Tuff der Cam-
pagna von Lapillimassen überlagert, welche augenscheinlich
von den Schlackenbergen westlich der Strasse ausgeschleudert
worden sind. Die Strasse führt bei Monterosi (Höhe der Kir-
. chenfagade 909 Fuss), dessen Häuser aus einem gelben Lapilli-
tuff erbaut sind, dicht an einem Schlackenkegel, dem Monte Luc-
chetti vorbei, welcher unzweifelhaft einen derjenigen Punkte
bezeichnet, von welchen die Lapillimassen der Umgegend
stammen. Dieselben dehnen sich von Monterosi über Tre-
vignano längs des nördlichen Ufers des Sabatinischen Sees bis
an den Trachyt des M. Virginio und fast bis zum oberen Mi-
gnone aus. Die an der Strasse sichtbaren Laven enthalten nur
wenige ausgeschiedene Krystalle von Leueit und Augit und
-
576
haben deshalb ein basaltisches Ansehen.. Eine Miglie vom
Monte Lucchetti gegen Norden liegt der Lago di Monterosi, ein
ausgezeichnetes, fast kreisrundes Maar, über dessen östlichen
Rand die Strasse hinführt. Es ist ein nur wenig erhabener
Wall, im Durchmesser 0,5 M. messend. Der See (698 Fuss
über dem Meere) ohne sichtbaren Abfluss erfüllt eine Ein-‘
senkung in einer schildförmigen Wölbung des Bodens und wird
etwa 60 Fuss von den steilen Gehängen überragt. Der La-
puli- Tuff, aus dem Mönterosi erbaut, wird auf der Westseite
des Maares gebrochen. Es ist eines der kleinsten jener merk-
wurdigen Kreisthäler des Römischen Landes, dennoch nur um
Weniges kleiner als das Maar von Gillenfeld. Die Strasse
führt nun hinab in’s Thal des Cereto-Baches, in welchem man
einen der schönsten und deutlichsten Lavastrome überschreitet.
Dieser Strom, echte Leucitophyrlava, derjenigen von Capo
di Bove gleich, auf dem marinen Campagna-Tuffe ruhend, von
den Lapillistraten von Monterosi bedeckt, zieht sich von Westen
nach Osten mit dem Thale hinab. Seine Ausbruchsstelle scheint
am westlichen Abhange der Hügel von Monterosi zu liegen.
Längs des Thalgehänges sind viele Grotten ausgehöhlt, offen-
bar zur Gewinnung der Puzzolane. Hier überschreitet man
die Grenze der Lapilli-Tuffe und betritt von Neuem das Ge-
biet der gelben und gelbbraunen Campagna-Tuffe. Nahe der
Wegscheide Viterbo-Oivita Castellana stellt sich ein in der
welligen Hochebene des gelben Tuffes flach eingesenktes maar-
ähnliches Thal dar.
Am südlichen und östlichen Horizonte treten nun allmälig
die Rocca Romana, der Schlackenhügel Monterosi’s, die Wall-
ränder des Kreisthales von Baccano und der weit sichtbare
isolirte Kalkfelsen Soracte zurück, indem wir an den sanften
Wallgehängen des Ringgebirges Vico emporsteigen.
Es wird Niemand auf der Romischen Strasse, welche sich
5 Miglien weit auf der Kante dieses Gebirgsringes hinzieht, ge-
reist sein, es wird Niemand vom Gipfel des Soracte den Blick
gegen Nordwesten gewandt haben, ohne überrascht zu sein
durch den Anblick des Ringgebirges Vico, aus dessen Tiefe
der Monte Venere als isolirter Kegel emporsteigt, eine Bergge-
staltung, deren Gleichen unsere Erde nur wenige darbietet.
Ueber einer ausgedehnten Basis, welche von Viterbo bis
in die Gegend von Sutri fast 11 Miglien, von Vetralla bis jen-
977
seits Vallerano etwa 10 Miglien misst, baut sich mit sanft an-
steigenden Gehängen ein mächtiger Kegel auf. Der breitabge-
stumpfte Scheitel dieses Kegels ist zu einem Kreisthale, einem
Krater ausgehöhlt, dessen Durchmesser von Wall zu Wall
4 Miglien beträgt*). Die grandiose Ausdehnung dieses Kreis-
thales, die dunkelbewaldeten Gehänge, welche meist mit steilem
Abfalle 600 bis 800 Fuss niedersinken, der die Tiefe erful-
lende See, an dessen Ufer (und ehemals von demselben rings
umfluthet) ein steiler Centralpie aufsteigt, fast bis zu gleicher
Höhe, wie der höchste Punkt des Kreiswalles, — das ist
keine gewöhnliche Landschaft. Sie erinnert vielmehr an jene
Schilderungen, welche uns die Astronomen von den Ringge-
birgen mit einem Centralpie auf dem Monde entwerfen; Schil-
derungen, welche den Geologen mit dem lebhaftesten Gefühle
des Bedauerns erfüllen, da er diese wunderbaren Gebirge nie
betreten und ihre Gesteine nie untersuchen kann.
Der Ringwall des Vico-Kraters ist auf 2 der Kreisperi-
pherie zirkelrund, nur auf der westlichen Seite bildet der Wall
in dem Monte Fogliano einen Vorsprung, durch welchen an
dieser Stelle die Kraterweite auf 3,1 Miglien verringert wird.
Die inneren Abhänge mögen sich im Mittel unter etwa 20"
neigen. Doch ragen an mehreren Punkten, namentlich des
sudlichen Randes, jähe Felswände über den waldigen Ge-
hängen hervor. Der tiefste Theil des Walles liegt auf der
sudöstlichen Seite, wo auch der See einen natürlichen, doch
durch Kunst tiefer gelegten Ausfluss hat. Derselbe fliesst unter
dem Namen des Ricano- Baches gegen Osten, verbindet sich
bei Civita-Castellana mit der (von der nordöstlichen Umwal-
lung des Braccianer-Sees kommenden) Treglia und vereinigt
sich dann mit der Tiber. Von dem genannten Einschnitt hebt
sich der Wall gegen Norden beständig empor. Die mittlere Höhe
des nordöstlichen und nördlichen Walles mag etwa 2500 Fuss
*) Von ähnlichen Bildungen seien hier zur Vergleichung mit dem
_ Ciminischen Ringgebirge noch erwähnt: die berühmte Rocca Monfina,
deren Kenntniss wir Asıca zu verdanken haben (der elliptische Wall hat
eine innere Weite von 34 Miglien in der Richtung von Nordwesten nach
Südosten, von nahe 3 Miglien in der Richtung von Nordosten nach Süd-
westen); ferner der Krater Astroni, welcher bekanntlich auch mehrere Cen-
tralerhebungen besitzt und von Osten nach Westen 1800 Met., von Nor-
den nach Süden 1400 Met. in der inneren Weite misst.
578
betragen; höher noch steigt der Monte Fogliano, der erhabenste
Punkt der ganzen Umwallung hervor. Der Monte Venere steigt
im nördlichen Theile des Kreisthales über einer kreisförmigen
Basis von 3; Miglien Umfang mit etwa 20° geneigten Abhän-
gen empor bis zur Höhe des nördlichen Walles, d.h. bis etwa
800 Fuss über der inneren Fläche. Diese ist in ihrer süd-
lichen Hälfte mit einem See erfüllt, welcher sich in zwei Buch-
ten um den südlichen Fuss des Centralkegels ausdehnt. Der
nördliche Theil der Kreisfläche, jetzt mit Wiesen erfüllt, be-
zeichnet den fruheren Stand der Wasserfläche, bevor der künst-
liche Emissar gegraben wurde. Dass der Thalkessel von Vico
noch zur Zeit der geschichtlichen Erinnerungen der Schauplatz
einer grossen Naturveränderung gewesen, wird durch die Frag-
mente des Sotıon bezeugt, woselbst es heisst: „In Italien ist
ein See, genannt Sacotos; wenn dessen Wasser klar ist, so er-
scheinen in der Tiefe viele Mauern und Tempel und eine Menge
von Bildsaulen. Die Umwohnenden sagen, es sei dort einst
eine Stadt uberfluthet worden. Dasselbe wird auch erzählt vom
Ciminischen See in Italien; es- habe nämlich an seiner Stelle
ehemals eine Stadt gestanden, welche plötzlich verschlungen
worden sei.“ Auch andere alte Schriftsteller gedenken dieses
Ereignisses in Betreff des Ciminischen Sees. Eine Sage bringt
sogar seine Entstehung mit den Thaten des Herakles in Be-
ziehung (s. v. Horr, Natürl. Veränd. d. Erdoberfläche, I, 329).
Ich berechnete auf Grund der Generalstabskarte die Grösse
des Ciminischen Sees = 3,34 Quadratmiglien; die Grösse der
ganzen ebenen Fläche des Ciminischen Kreisthales = 4,83
Quadratmiglien. Der nördliche Theil des Ringwalles Vico unter-
scheidet sich von dem südlichen nicht nur durch die bedeuten-
dere Höhe, sondern mehr noch durch die weit grössere Breite
des Kammes. Der südliche Wall stellt eine nur schmale Höhe
dar, über welche die Strasse sich schnell hinweghebt, um dann
den Wanderer auf einer Strecke von fast 5 Miglien mit be-
ständiger Aussicht auf das grandiose Kraterbecken und den
Centralpie zur Höhe des nördlichen Walles zu führen. Von
hier wendet sich die Strasse schnell gegen Nord und läuft
über ein weites und wildes Plateau, an dessen nordwestlichem
Fusse das quellenreiche Viterbo, 4 Miglien vom nördlichen
Wallrande entfernt, in einer Höhe von 1136 Fuss (Thurm des
Stadthauses) liegt. Diese ungleichartige Bildung des Ring-
579
walles wird dadurch veranlasst, dass sich an die nördliche
Seite desselben ein selbstständiges, noch höheres Gebirge, die
Monti Cimini, anschliesst. |
Das weitberufene Ciminische Gebirge (bis 308 v. Ch. Mittel-
Etrurien’s Schutz gegen Roms vordringende Macht) erhebt sich
zwischen den Städten Viterbo, Vitorchiano und Soriano (Höhe
des Thurmes der Burg = 1644 Fuss) zu einem breiten, von
Norden nach Süden ausgedehnten Kamme, dessen höchster Gipfel
der Monte Cimino oder Monte di Soriano 3252 Fuss erreicht; der
nördliche, gegen Vitorchiano gerichtete Ausläufer dieses Rückens
heisst M. Ciliano; gegen Westen zweigen sich von dem Ge-
birge mehrere Gipfel ab, welche den malerischen Gebirgshinter-
grund von Viterbo bilden. Gegen Südwesten gestaltet sich
jener hohe Kamm zu einem Plateau, welches sich mit dem
Kraterrande Vico vereinigt. Der Monte Cimino hat eine bemer-
kenswerthe Lage. Verbindet man namlich die beiden hohen
Gipfel des transappenninischen Italiens, den Monte Amiata und
den Monte Cavo (die höchsten zwischen den Apuanischen Alpen
und dem Volsker Gebirge), so trifft diese Linie fast in ihrer
Mitte den Monte Cimino, welcher auch in seiner Höhe zwischen
jenen beiden Gipfeln die Mitte. halt.
Das Ciminische Gebirge mit dem eine deutsche Meile weiten
Riesenkrater Vico verdient nicht nur wegen seiner Gestaltung,
sondern ebenso sehr wegen der in ihm auftretenden Gesteine
das Interesse der Geologen in höherem Grade, als bisher ihnen
zugewandt worden ist. Mein Besuch derselben war leider von
‘den ungünstigsten Umständen begleitet, da gegen Ende des
März 1865 tagelang von den heftigsten Nordwinden Regen-
güsse und Hagelschauer über diese ohnedies schon unwirth-
lichen Bergflächen geführt wurden und ich mich mehrfach ge-
nöthigt sah, wie die päbstliche Gendarmeria, welche in zehn
starken Posten die Wegstrecke von Ronciglione bis -Viterbo
bewachte, vor dem Unwetter in einzelnen Grotten Zuflucht zu
suchen, welche längs der Strasse in den vulkanischen Tuff
ausgehöhlt waren.
Während die Laven und Schlacken von Vico aus Leucito-
phyr bestehen und sich um dieses Kreisthal eine grössere Menge
von Leuciten darstellt als an irgend einem anderen bekannten
Punkte, so setzt Trachyt das Oiminische Gebirge zusammen,
580
- Das Plateau, welches den Kraterrand mit dem Monte Cimino ver-
bindet und sich gegen Viterbo herabsenkt, weist Zwischenge-
steine zwischen Trachyt und Leucitophyr auf, sanidinreiche
Leueitophyre in Gängen, Bänken und stromartigen Massen,
welche, vielfach in Tuffe übergehend, dem Petrographen ein
dankbares Feld seiner Studien darbieten. Von den genannten
Gesteinen ist der Trachyt das ältere und muthmaasslich von
gleichzeitiger Entstehung wie die altvulkanischen Gesteine der
Euganäen, des Amiata, des M. Virginio und der Mammeloni
von Tolfa. Das Ciminische Gestein, welches zum Bau der
Strasse dient dort, wo sich dieselbe dem südwestlichen Ab-
hange des höchsten Gipfels nähert, ist von lichtgrauer Farbe,
von feinkörniger bis dichter Grundmasse mit fast ebenem Bruche
und meist kleinen ausgeschiedenen Krystallen von Sanidin
in tafelformigen, einfachen und Zwillingskrystallen, schwafzem
Augit,Magneteisen, seltener von gelblichbraunem Titanit,
lebhaft blauem Hauyn und endlich Leueit. Den letzteren,
in Trachyten ungewöhnlichen Gemengtheil *), erkannte ich sicher
mit Hülfe des polarisirenden Mikroskops. Derselbe tritt in
vereinzelten Körnchen auf, um welche sich in einem Saume
die kleinsten Augite herumlegen und dadurch sich als eine spa-
tere Bildung im Vergleiche zum Leueite erweisen. Die Augite
erscheinen in dunnen Schliffen grün, was ihre gewöhnliche
Farbe in Gesteinen ist. Die Grundmasse ist vorzugsweise ein
Gemenge äusserst kleiner, farbloser Prismen, welche vielleicht
Sanidin, vielleicht aber ein noch nicht näher bekanntes Mineral
sind. Auffallend ist es, dass dies Gestein bei Behandlung mit
Chlorwasserstoffsäure eine reichliche Gallerte gibt, welches Ver-
halten keinem der mineralogisch erkennbaren Mineralien zuge-
schrieben werden kann; denn der Haüyn ist nür in äusserst ge-
ringer Menge (zuweilen im Sanidin eingewachsen) vorhanden.
Das Gestein ist ziemlich stark magnetisch und ist, unter Ver-
nachlässigung des jedenfalls äusserst geringen Titansäurege-
haltes, in folgender Weise zusammengesetzt:
%) Der Lencit ist in den Gesteinen wahrscheinlich mehr verbreitet,
als man bisher wähnte; auch der Phonohth von der westlichen Seite des-
Selberges bei Quiddelbach (Adenau) enthält in wesentlicher Menge Leueit,
wie ich in einem folgenden Bande dieser Zeitschrift darlegen werde.
581
Phonolith-ähnlicher Trachyt vom Ciminischen
| Gebirge.
Ce. Da
Nateımm ")e 24.4... 0.09 '
Keselsiue , . . 00.13,..0,- 32.09
Schwefelsäure. . 0,19 0,11
Dhowerde .......18.20 8,78
Eisenoxydul . . 3,44 0.06
Kalkerde,.. .,.. 2,80 0,80
Maanessa ,. u... 0,32 0,13
Kae, .. 418. 0,71
Natıonıı . ..0.2..9.05 2,46
Glühverlut . . 0,33
99,92.
Dividirt man die Summe des Sauerstoffs sämmtlicher Basen
durch die Summe des Sauerstoffs der Kieselsäure und der
Schwefelsäure, so erhält man die Zahl 0,422.
Das speecifische Gewicht des Gesteins bei 20° C. beträgt
2,522. Die vorstehende Analyse beweist, dass das Ciminische
Gestein in seiner Mischung keine Verwandtschaft besitzt weder
mit den von mir analysirten Trachyten der Euganäen, von
Campiglia, Tolfa, noch mit den sogenannten Noseanphonolithen
des Laacher Gebietes, dass es hingegen sehr ähnlich gemischt
ist wie mehrere Trachyte von Neapel, namentlich wie das Ge-
stein des Oumanischen Felsens, dessen Zusammensetzung weiter
unten mitgetheilt werden wird.
Der Ciminische Trachyt verbreitet sich nach der Beobach-
tung PaArero’s vom Gipfel des Gebirges gegen Westen bis
Bagnaja, gegen Osten bis Soriano, gegen Norden bis über
Vitorchiano hinaus, während die südliche Verbreitung gegen
die Hochebene des nördlichen Vico-Walles sich unter unermess-
lichen Anhäufungen leucitischer Laven und Lapilli verbirgt.
Vitorchiano liegt in der Nähe der tiefen Schlucht des Flusses
Vezza, welcher nach PıArrro folgende Lagerung entblösst: zu-
unterst die pliocänen Mergel, welche von Rom bis Orvieto im
Tiberthale sich zeigen, ferner Trachyt in nahe horizontalen
*) Diese Menge des Natriums wurde auf das Chlor berechnet; die
ganze Menge des gefundenen Natrons beträgt 9,67 p. C.
582
Bänken, dann den marinen Tuff der Campagna. Befremdlich
sei es, dass vom Trachyt sich nur wenige Einschlüsse in den
überlagernden Tuffen finden. Die Lagerung des Trachyts bei
Vitorchiano lässt schliessen, dass dies Gestein hier nach Weise _
der Laven geflossen sei, während die Kuppelform des Monte
Cimino auf einen nicht flüssigen, sondern nur teigartigen Zu-
stand der trachytischen Masse hindeutet (ParETo). Ein isolirtes
kleines Trachyt - Vorkommen, rings von Tuff umgeben, fand
ParETo bei Vignanello, zwei Miglien südöstlich von Soriano.
Der Körper des Ringgebirges Vico besteht aus dem viel-
erwähnten Tuffe der Römischen Landschaft, durchsetzt von Lava-
banken, überdeckt oder überstreut von Lapilli-Massen. Die
tiefe Erosionsschlucht (Burrone), auf‘: deren hohem südwest-
lichem Rande Roneiglione (1475 Fuss hoch) sich hinzieht, ent-
blösst die geognostische Bildung dieses Theiles des Gebirges.
In der Tiefe stellen sich die Schichten des gelben Campagna-
tuffes dar, darüber in ansehnlicher Mächtigkeit schwarze, rol-
lende Lapilli in Straten, wie sie durch atmosphärischen Nieder-
fall sich bilden. Die gelben oder gelbbraunen Tuffe, welche
durch die eingemengten Bimssteinstücke charakterisirt sind,
fallen mit einer Neigung von 8° bis 15° vom Centrum des
Kraterbeckens ab. Bei einer späteren, eingehenden Untersuchung
wird die Frage zu entscheiden sein, ob diese gelbbraunen, den
Lapilli- Massen unterlagernden, in ihrer mineralogischen Be-
schaffenheit mit den Campagna-Tuffen übereinstimmenden Tuffe
ringsum sich gegen den Kraterrand emporheben. Dann wird
sich weiter die Frage darbieten, ob diese unteren Tuffe durch
Hebung in ihre jetzige Lage gebracht worden sind, oder. ob
die vulkanischen Explosionen, die ursprünglich horizontalen
. Schichten des marinen Tuffs durchbrechend, dem Materiale des-
selben durch Auswurf eine neue Lagerung gegeben haben.
Wie zu einem Kreiswalle oder Kraterrande die vulkanischen
Auswurf-Straten sich lagern, ersieht man am deutlichsten am
Maare von Uelmen und _ am Krater degli Astroni bei Neapel.
An beiden Orten haben die Lapilli- resp. Bimsstein- Massen
eine sattelfürmige Lagerung, d. h. sie fallen den Gehängen
des Walles entsprechend. Dies wird immer stattfinden, wenn
die Wandungen des Kratertrichters nicht allzu steil sind.
In einem Einschnitte der Strasse vor Ronciglione zeigt
sich zuunterst graugelber, feinerdiger Tuff, darüber ein äusserst
583
grobes Conglomerat mit unzähligen, 1 bis 4 Fuss grossen Leu-
eitophyrblöcken, zuoberst wieder feinerdiger Tuff in dünnen
Straten. Die Grundmasse jenes Conglomerats ist von braun-
rother Farbe; der Leueitophyr der eingeschlossenen Blöcke
stellt sich zuweilen als ein Aggregat schneeweisser Leueitkry-
stalle dar; die Grundmasse des Gesteins ist nur eben hinrei-
chend, die Leucite zu verkitten. In der Nähe der Kirche des
verlassenen Dorfes Vico erblickt man Bänke von Leueitophyr-
lava, welche zwischen Schichten von gelbem und grauem Tuffe
eingeschaltet sind. Eine etwa 60 Fuss hohe Felswand, in
welcher der Kraterrand zur Tiefe absturzt, besteht in ihrer
Hauptmasse aus. gelbem, Bimsstein führendem Tuffe, darüber
graue und schwarze Lapilli — hier nur in einer wenig mäch-
tigen Ueberdeckung. Dieselbe Auflagerung zeigt sich vielfach
am Wege: braune und gelbe Tuffe als Körper des Gebirges,
darüber Schlackensande, Lapilli, welche durch zahlreiche Ein-
schlusse von Lavablöcken zuweilen zu einem Leueitophyr-Con-
glomerate sich gestalten. Die Auflagerungsfläche des Leuci-
tophyr- Conglomerates und der Lapilli-Massen auf dem gelben
Tuffe ist oft höchst unregelmässig, so dass sie im vertikalen
Durchschnitt als eine vielfach sinuose Linie erscheint. Der
nördliche, höhere Theil des Ringwalles, welcher einen Ueber-
blick-üuber das weite Kreisthal und den nun in grosser Nähe
aufragenden (von hier zweigipfelig erscheinenden) Monte Venere
darbietet, ist hoch überstreut mit rothen und schwarzen, rollen-
den Schlacken. Es erschien mir glaublich, dass der centrale
Schlackenkegel die Ausbruchsstelle dieser Auswurfsstoffe be-
zeichne, welche mächtig namentlich den nördlichen Kraterrand
bedecken und sich von hier über das Plateau bis zum Trachyt-
berge Cimino erstrecken. Den Kraterrand verlassend, betrat ich
ein kahles, nur von vereinzeltem Buschwerk bedecktes Plateau
von zahlreichen, flachen Schluchten durchfurcht, ein Bild
ausserster Wildheit. Die Lapillisande des Kratersaumes_zei-
gen auch auf dieser Hochebene eine weite Verbreitung und
bieten unter ihren Einschlüssen die verschiedenartigsten Leu-
citophyr- Varietäten dar, meist weisse, doch auch rothe Leucite
(wie in manchen Gängen des Somma-Walles), von Zollgrösse
und wieder bis zu äusserster Kleinheit, bald das Gestein fast
allein bildend, bald nur vereinzelt in der schwarzen Masse.
In diesen Lapilli fand ich feinkörnige Stücke, bestehend aus
584
lichtgrünem Augit und weissem Sanidin. Andere Stücke haben
das Ansehen plutonischer Gesteine, indem sie ein grobkörniges
Gemenge von Feldspath (vom Ansehen des Orthoklases), schwar-
zer Hornblende, schwarzem Glimmer, etwas Titanit und ein-
zelnen Quarzkörnern darstellen und demnach manchen Syeniten
gleichen. z
Auf dem genannten Plateau tritt an zahllosen Punkten
zwischen Lapilli und Tuffen anstehendes Gestein in Bänken
und stromartig ergossenen Massen hervor. Dies Gestein,
welches einen ansehnlichen Theil des an den Nordrand des
Vico-Kraters sich anschliessenden Hochlandes bildet, ist ein
Leueittrachyt und enthält in einer grauen, scheinbar dichten
Grundmasse ausgeschiedene Krystalle von Sanidin, Leueit,
Augit, Glimmer, Titanit und Magneteisen. Die beiden ersteren
Gemengtheile sind in grösster, meist in nahe gleicher Menge
vorhanden. Die Sanidine erreichen Zollgrösse und ebenso die
Leueite. Dies interessante Gestein scheint der Verwitterung
leicht zu unterliegen; es nimmt dann zuweilen ein beinahe tuff-
ähnliches Ansehen an. In diesem Leueittrachyte treten unregel-
mässig verlaufende Gänge auf, welche fast nur ein Aggregat
zahlloser, bis einen halben Zoll grosser Leueite sind. Als ich
zuerst einer aus diesem leucitreichen Gesteine gebildeten Fels-
fläche von ferne ansichtig wurde, glaubte ich nicht anders, als
der Boden sei mit Hagelkörnern bedeckt.
Vor Viterbo lagert auf dem Leucittrachyt eine mächtige
Tuffbildung mit vielen Bimssteinstücken. Jene Lava bildet
in diesem Tuffe wahrscheinlich Lagergänge. PARETO sah in
der Nähe von Vetralla leueitische Lavastrome, welche vom
westlichen Abhange des Vico-Kraters bis über die Strasse,
welche jene Stadt mit Viterbo verbindet, geflossen waren. Die
Erfahrung, dass die Umgegend thätiger oder erloschener Vulkan-
gebiete durch Thermen bezeichnet ist (welche Thatsache in
neuester Zeit durch P. v. TSCHICHATSCHEwW auch für die Trachyt-
bezirke Kleinasiens hervorgehoben wurde), bewahrheitet sich
auch in dem Ciminischen Gebiete; denn 1,5 Miglien westlich von
Viterbo bricht aus der Tuffebene eine der reichlichsten Thermen
hervor, der seit Jahrhunderten *) berühmte Bollicame. Der Weg
zum Bollicame führt, nachdem man Viterbo verlassen, durch
”) Quale del Bulicame esce ’l ruscelle,
Che parton poi Ira lor le peccatrici. Dante Inf. XIV,
585
eine in den Tuff eingeschnittene, enge Schlucht. Der Tuff ist
hier grauschwarz und enthält zahlreiche, grössere und kleinere
Einschlüsse, unter denen folgende hervorzuheben sind: Leu-
citophyr in allen Varietäten, darunter auch fladen- und tauför-
mige Schlackenstücke, bimssteinartige Trachyte, der oben be-
schriebene Ciminische Trachyt, durch seine lichtgraue,. dichte,
fast phonolithische Grundmasse ausgezeichnet, ferner körnige
Aggregate von Sanidin, Augit, Hornblende, Titanit, Magnet-
eisen, vollkommen vielen Laacher Auswürflingen gleich; end-
lich Stücke von körnigem Kalke, zuweilen mit Magnesiaglimmer
und Hornblende gemengt. Bei der einsamen, verfallenen Casa
del carnefice öffnet sich jene Enge zu einem breiten, ebenen
Thalgrunde, dessen Boden durch schwarze, überaus fruchtbare
Erde gebildet wird. Diese Thalfläche wird beiderseits von 30
bis 90 Fuss hohen vertikalen Tuffwänden eingeschlossen, in
welche zahlreiche Kammern, Wohnungen der Todten, einge-
hauen sind. Diese altetruskischen Todtenkammern ziehen sich
zum Theil mehrere Miglien weit in diesem und anderen Neben-
thälern des Marta-Flusses hin. Der jetzt fast menschenleere
Distrikt um Toscanella, ein Raum von über 400 Quadratmiglien,
muss einst eine dichte Bevölkerung besessen haben; das be-
weisen jene Todtenkammern.
Ueber den Tuff lagert sich viele Miglien ausgedehnt eine
Travertinschale. Der Bollicame liegt auf einer ganz flachen,
schildförmigen Höhe, welche aus Kalktuff besteht und durch-
aus an den Montirone von Abano erinnert. Ihr Umfang be-
trägt etwa 0,5 Miglien. Den Scheitel jener schildförmigen Höhe
nimmt eine etwa 100 bis 120 Fuss im Durchmesser haltende,
von ausgeschiedenem Schwefel blaulichweiss gefärbte Wasser-
fläche ein, in ‘deren Mitte es gewaltig wallt und siedet.
Die fortwährend aufsteigenden Blasen sollen hauptsächlich aus
Kohlensäure mit einer geringen Beimengung von Schwefel-
wasserstoff und atmosphärischer Luft bestehen, und die Tem--
peratur des Wassers soll 80° (C?) betragen, nach DAuBEnY,
Vulkane, deutsch von G. LeoxuArp, S. 101.
W. Das Bergland von Tolfa.
Die weite Tuffebene, welche sich vom Amiata zum Albaner-
Gebirge, vom Appennin bis zum Tyrrhenischen Meere ausdehnt,
wird in ihrer Mitte namentlich durch zwei bedeutendere Erhe- _
Zeits. d.d. geol. Ges. XV Ill. 3. 38
386
bungsmassen unterbrochen, von denen wir die eine, ‚das Cimi-
nische Gebirge mit dem Ringgebirge Vico, im Vorhergehenden
kennen lernten, während die andere, welche die Berge von
Tolfa begreift, hier in- Kürze Seschilätct werden soll. Die
Höhen von Tolfa erstrecken sich von Cerveteri im Süden bis
nahe Corneto und Monte Romano im Norden, breiten‘ sich
im Westen bis an’s Meer aus, während sie gegen Osten durch
den M. Virginio mit der Rocca Romana und den anderen Ber-
gen um den Braccianer- See zusammenhängen. Während das
Albaner-Gebirge mit seinem Ringgebirge und seinen Kreis-
thälern, den Radialthälern und seitlichen Eruptionskegeln eine
so verständliche Gestaltung uns darbot, durch seine dichte Be-
wohnung und herrlichen Anbau das Auge erfreute, so ist um
Tolfa Alles gänzlich verschieden. Ersteigt man die um Tolfa
und. Allumiere sich erhebenden höchsten Punkte, so schweift
das Auge über ein gar wildes, schwer aufzufassendes Gebirgs-
land. Steile, waldige Höhenzuge, von nackten, weissen oder
auch röthlichweissen Felskuppen überragt, laufen in allen Rich-
tungen. Tiefe, steilwandige Thalschluchten ziehen hierhin und
dorthin; man begreift nicht, wie sie sich verbinden. Um zwei
Punkte, um zwei hochragende Kuppen, den Monte delle Grazie
(1892 Fuss hoch) und die Rocca della Tolfa (1735 Fuss) sam-
melt sich die spärliche Bevölkerung; ringsum auf viele Meilen
in der Runde ist Alles ode und menschenleer. Die Thaltiefen
sind. mit Fieberluft erfüllt, welcher die Menschen gewichen
sind. So steht Monterano seit etwa 70 Jahren verlassen, und
auch Rota, tiefer am Mignone herab, ist fast verödet. In nörd-
licher Richtung breitet sich vor unseren Blicken ein scheinbar
ebenes Land gegen den Bolsener-See aus. Auch in diesen
weiten Flächen, welche von steilwandigen Erosionsschluchten
durchschnitten werden, sind die Flecken menschenarm und die
spärlichen Gehöfte durch meilenlange Oeden getrennt.
Siegreicher als die heutige Bevölkerung bekämpfte die alte
Römische Welt die Geissel der Malaria. Denn wo ehemals
grosse Stadtgemeinden und ganze Städtevereine bluhten, da
dehnen sich jetzt die ungeheuren Latifundien aus mit ihrer wan-
dernden Bevölkerung, Menschen, besitzlos, kenntnisslos, fast
rechtlos, voll Devotion und Ergebung.
Als den Kern des Berglandes von Tolfa kann man eine
Bodenschwellung betrachten, welche südlich von Allumiere und
987
Tolfa durch das Thal des Verginese-Baches, gegen Osten und
Norden durch den Mignone-Fluss von Rota abwärts begrenzt
wird, und welche gegen Westen in mehreren Stufen zum Meere
abfällt. Dies Gebiet, welches wiederum durch den Fosso Cupo
und andere Thäler zerschnitten wird, ist besonders ausgezeichnet
durch die die buschigen Höhen überragenden Mammeloni, kolos-
sale, warzenförmige Felskuppeu. Unter diesen durch ihre lichte
Farbe ausgezeichneten, zuweilen flammenförmige Felsgestalten
tragenden Mammeloni verdienen besondere Erwähnung der Monte
delle Grazie, welcher das Dorf Allumiere überragt, und die Rocca
della Tolfa, östlich .vom Dorfe gleichen Namens, welche ein
zerstörtes Castell trägt. Südlich des Verginese- Baches erhebt
sich das waldbedeckte Gebirge im Monte Tolfaccio zu 1763 Fuss.
Weiter gegen Suden und Sudosten senkt sich das Bergland,
um nahe seinem südöstlichen Ende im Monte Santo bei Sasso sich
wiederum zu 1249 Fuss zu erheben. Man erblickt diese Hö-
hen bei der Station Casale di Turbino zwischen Rom und
Civitavecchia; es zeichnet sich namentlich ein schöngestalteter
Berg aus und neben demselben zur Linken eine mit einer Ruine
gekrönte Felsenzacke. Bei Ceri und Cerveteri (Altcäre) endet
das Gebirge von Tolfa, indem sich hier die weitfortsetzenden
Campagnatuffschichten anlegen. Auf der Strecke von der Torre
‘di Orlando über Civitavecchia bis Sta. Severa erstrecken sich
die Vorberge bis an’s Meer; von da gegen Cerveteri legt sich
eine gegen Osten breiter werdende Alluvialebene zwischen Meer
und Berge. Die östliche und südöstliche Fortsetzung der Tolfa-
berge nimmt den Charakter: eines Plateaus an, dessen Baum-
losigkeit sehr contrastirt gegen das Waldgebirge Tolfas. Von
der Rocca della Tolfa erblickt man am östlichen Horizonte
das Tuffplateau sich zu einem wenig erhabenen Walle empor-
heben, welcher den See von Bracciano umschliesst. Gegen
Norden über den Mignone hinaus schliessen sich an die centrale
Bodenschwellung breite, waldbedeckte Plateaus an, welche das
Gebiet zwischen dem Mignone und der Marta erfüllen und sich
verflachend noch über den letzteren Fluss fortsetzen. Ueber
diese Höhen, welche mir als einer der unwirthlichsten Theile
Italiens erschienen, führt auf und nieder die Strasse von Viterbo
nach Civita. |
Das eigenthümlich Verworrene der Bergzüge von Tolfa
verräth sich auch im Laufe der Gewässer. Der Hauptfluss
35 *
588
dieses Gebietes, der Mignone,; entspringt bei Bassano di Sutri,
fliesst zunächst gegen Westen bis Viano, dann mit südlicher
‘Richtung bis Monterano, nimmt hier wieder einen westlichen
Lauf an bis Rota, fliesst dann: gegen Norden am östlichen
Fusse der hohen Felswände Coste del Tiglio hin, wendet sich
dann in vielen Krümmungen gegen Westeu und Südwesten, um
sich 51 Miglien nordwestlich von Civita mit dem Meere zu ver-
binden. Von den Zuflüssen des Mignone ist namentlich zu er-
wähnen der Lenta, welcher nahe Manziana nur 2 Miglien vom
Braccianer- See entspringt, auf einem gegen Süden gewandten
Bogen die verlassenen Bäder von Stigliano berührt und nahe
Rota dem Mignone zufällt. Der Verginese, dessen bereits oben
gedacht wurde, entspringt nahe Allumiere bei la Bianca, besitzt
eine schnell abstürzende, tief eingesenkte Thalsohle, fliesst in
östlicher Richtung gegen Rota. Eine Miglie vor diesem Castell
verbindet sich mit ihm der Fosso Cupo, welcher nordwestlich
von Tolfa entspringt und einen stark gekrümmten -Lauf hat.
Auf der Sudseite des Gebirges laufen viele Bäche dem Meere
zu. Auch diesem Gebiete fehlen die Thermen nicht, die letzten
Spuren erloschener Vulkanıtä. Am Fusse des M. Cucco an
der Strasse von Oivita nach Tolfa sammelt sich noch jetzt in
den alten Reservoirs des zerstörten Römischen 'Thermenbaues
lauwarmes Wasser (über 45° ©. nach Coquann’s Angabe). Eine
andere Therme liegt 2 Miglien südöstlich von Tolfa auf dem
südlichen Gehänge des Verginese - V'hales. "Ich bestimmte hier
die Temperatur der Quelle (welche von der ärmeren Bevölke-
rung zu Bädern benutzt wird) zu 45° C. bei einer Lufttem-
peratur von 14° C. Ferner sind zu nennen die Bäder von
Stigliano und eine Therme mehrere Miglien westlich von Sasso.
Ein erwähnenswerthes Werk ist der Trajanische Aquaeduct,
welcher, im Centrum des Berglandes von Tolfa beginnend, Civita-
vecchia mit Wasser versorgt. Das Wasser wird an der West-
Abdachung der Coste del Tiglio gesammelt; die direete Ent-
fernung dieses Punktes von Civita beträgt zwar nur 10 Miglien,
doch misst die Wasserleitung auf ihrem vielgewundenen Laufe,
mittelst dessen sie die zahlreichen Schluchten umgeht, genau
das Doppelte. |
Um Tolfa zu besuchen, wählt man am besten die Strasse
von Civita, welche über neuere Meeresbildungen und pliocäne
Ablagerungen sich in allmäligem Ansteigen dem Fusse des
.
589
eigentlichen Gebirges nähert. Eine besonders malerische Ge-
birgsansicht bietet der Weg dort, wo er am westlichen und
nördlichen Rande eines grossartig gestalteten, waldigen Thal-
- kessels hinzieht, aus dessen Mitte sich mehrere (darunter ein
thurmgekrönter) Kegel erheben.
Von dort läuft die Strasse auf hohem Gebirgskamme hin,
nach Norden und Süden weite Fernsichten gestattend. Bald
wird der Monte delle Grazie sichtbar, unter allen Mammeloni der
' ausgezeichnetste, an dessen sudlichem Fusse das Alaun - Dorf
sich angesiedelt hat. Das Gebirge von Tolfa besteht aus
einem Kern von Trachyt, welcher von einer ausgedehnten
Masse von Kalk und Sandsteinschichten umlagert wird. Wir
werden kaum irren, wenn wir im ‚Gebirge von Tolfa ein Glied
in jener Reihe von Erhebungen zu erkennen glauben, welche
dem Appennin gegen Sudwesten vorlagern, und deren Gesammt-
heit P. Savı mit dem Namen der Catena metallifera bezeich-
net hat. Dieses durch Marmorlagerstätten und Erzreichthum
charakterisirte System isolirter Erhebungen beginnt in den
Umgebungen Spezzias und mit den Apuanischen Alpen, lässt
sich verfolgen im Monte Pisano, Elba, im Gebirge von Campiglia,
im Vorgebirge Argentaro und scheint in den Gebirgen Civita-
vecchias sein Ende zu erreichen. Zwar ist in den Bergen
von Tolfa das Vorkommen von Marmor nur untergeordnet,
doch die Erzlagerstätten ähneln sehr den Toscanischen Vor-
kommnissen. i
Die Kalksteinmassen erstrecken sich in ostwestlicher
Richtung etwa von den Thermen Trajans 3 Miglien. östlich
von Civita bis in die Gegend von Monterano. Gegen Suden
beginnen sie etwas nördlich von Oerveteri und ziehen sich im
Norden über den Misnone hinaus (wo sie die Bergrüucken von
Monte Romano bilden) bis gegen Vetralla und üher die Marta.
Wenn man, von Civita kommend, das sich schneller em-
porhebende Kalkterrain erreicht, so sieht man die Schichten
von. Nordwesten nach Sudosten streichen, steil gegen Sud-
westen bis senkrecht einfallen. Die Gehänge sind hier steinig,
mit spärlicher Vegetation bedeckt. Das Streichen und Fallen
der Schichten ist vielfachem Wechsel unterworfen; im Allge-
meinen indess ist letzteres stets westlich, nordwestlich oder
südwestlich, also vom Gebirgscentrum ab. Wo die Strasse
am Rande des waldigen Thalkessels hinzieht, erblickt man
590
viele rothe und gelbe Kalksteinstucke umherliegend, welche
sogleich an den versteinerungsreichen, rothen Ammonitenkalk
des Campigliesischen erinnern. Diese Schichten stehen am Monte
Zanfoni und Monte Rotondo auch an. Weiterhin treten unter den
Kalkschichten schwarze, rothe und braune, zerfallende Schiefer
hervor, welche auch im Grunde jenes Thalkessels herrschen.
Weiter gegen Allumiere folgt wieder Kalkstein, dessen Ver-
breitung hier wenige Schritte östlich von der Wegscheide en-
det, welche links nach Allumiere, rechts nach Tolfa führt.
An dieser Stelle betritt man den Trachyt, welcher den centra-
len Theil des Gebirges bildet. In der Nähe der Grenze des
Eruptivgesteins ist das Fallen der Kalkschichten besonders
schwankend und häufig gegen Osten.
Zu welcher Formation die Kalkschichten gehören, welche
nebst den ihnen untergeordneten Schiefer- und Sandstein-
schichten allseitig den Trachyt (wie in den Euganäen) um-
geben, muss erst durch spätere Untersuchungen ermittelt wer-
den, denen durch die Seltenheit der Versteinerungen ein schwer
zu überwindendes Hinderniss im Wege steht. Der mir mund-
lich geäusserten und in seiner Manuscriptkarte dieser Gegend
niedergelegten Ansicht Ponzr’s, dass alle jene Kalkschichten
der unteren Eocänformation angehören, und dass im Gebirge
von Tolfa keine ältere Formation vorhanden sei, möchte
ich nicht beitreten. Bereits PArrro glaubte südlich von Allu-
miere, nahe der Madonna di Cibona, in jenen talkigen Schiefer-
schichten den sogenannten Verrucano wieder zu erkennen,
welcher in den Pisanischen Bergen, auf Elba, bei Serravezza
und an anderen Punkten des Toscanischen Erzgebirges (Ca-
tena metallifera) die ältesten Bildungen darstellt. Die oben
erwähnten rothen und gelben Kalkschichten hält ferner auch
Coquann (Des solfatares des alunieres et des lagoni de la
Toscane, Bull. soc. geol. Fr., T. VI., 2 S., p. 144), da er in
denselben den Querschnitt eines Ammoniten beobachtet habe,
für*entsprechend dem Toscanischen rothen Ammonitenkalke,
welcher durch zahlreiche Versteinerungen als Lias charakteri-
sirt ist. Die Hauptmasse der Kalk- und Schieferthonschichten
des Gebirges von Tolfa scheinen indess der eocänen Abthei-
lung des Tertiärs anzugehören.
Vor wenigen Jahren hegte man die Hoffnung, im Tolfa-
gebiete Kohlenflötze zu finden. Dieselbe hat sich zwar trüge-
591
risch erwiesen, doch sind die desfallsigen Arbeiten nicht ohne
einiges geognostische Interesse geblieben. - Gegenstand der
Versuchsarbeiten waren schwarze, bituminöse Mergel, welche
in der Thalschlucht des Fosso Cupo anstehen und den Monte
Castagno, sowie einen Theil des Bergrückens von Montisola
bilden. Es wurde eine Aktiengesellschaft constituirt und in
der genannten Thalschlucht ein Schacht. bis zu einer Teufe
von etwa 36 Met. niedergebracht. Die durchteuften Schichten
zeigten einen vielfachen Wechsel von Schieferthon, lichtgrauem,
dichtem Kalkstein und kohligem Schiefer. Die mit Kohle am
stärksten imprägnirten Schichten, deren grösste Mächtigkeit
indess drei Zoll nicht uberstieg, waren, nachdem sie getrock-
net, leicht zu entzunden und brannten mit Flamme, wie die
Toscanische Braunkohle. Bei einer Teufe von 29 Met. ging der
lichtgraue Kalkstein in einen rothen scagliaähnlichen Kalk
über; dann folgte wieder Schieferthon, in dünnen Straten stark
mit Kohle imprägnirt. In den durchsunkenen Schichten wur-
den stets in der Nähe der kohligen Schiefer schöne Pflanzen-
reste gefunden: dicke Stämme nebst breiten Blättern der Gat-
‘tung Musa in überaus grosser Zahl, Stamme der Gattung Dra-
caena und riesige, fächerförmige Blätter eines Sphaerococeites,
über 1 Met. gross. Ausser diesen pflanzlichen Resten fanden sich
Schuppen und Flossenstacheln von Cycloidfischen (Poxzı).
Nach einer gefälligen mündlichen Mittheilung MENEGHINT’sS,
welcher diese Reste untersuchte, deuten sie auf die eocäne
Abtheilung des Tertiärs. Erwähnung verdient noch die Auf-
findung von Abdrücken jener merkwürdigen, schlangenförmigen
Körper, denen man den Namen Nemertilites gegeben, auf den
Ablösungsflächen der Kalkschichten. Die Nemertiliten von
Tolfa sind spiralförmig gewunden, bis uber 1 Met. lang. Diese
Körper sind bekanntlich in Toscana verbreitet, und dort be-
zeichnend für die untere Abtheilung des Eocäns (s. Savı e
‚MeseGuint: Considerazioni stratigrafiche, paleontologiche con-
cernenti la geologia Toscana, Firenze 1851 p. 145 u. 170).
In der Sammlung zu Pisa bewundert man eine grosse Kalk-
steinplatte mit Abdrücken von Nemertilites Strozzüi Savı et
MEnEGH.; die schlangenförmigen Körper haben 1 Zoll Dicke
und auf ihrer Oberseite einen Längskanal. Nach der gewiss
richtigen, mir mündlich geäusserten Ansicht MENEGHINIs sind
diese Nemertiliten (nicht zu verwechseln mit den gleichbenann-
592
ten Körpern aus dem englischen Silur) nicht sowehl orga-
nische Reste, als vielmehr Fährten irgend eines unbekannten,
kriechenden Thieres. Altar
Ueber die gegen Osten gewandten Abhänge unseres Ge-
birges gegen Rota, welche ich nicht besuchte, besitzen wir
einige Aufzeichnungen Horruann’s: „Ven Canale herab durch-
schnitten wir noch den Tuff, welcher dem Systeme des Lago
di Bracciano angehört, und gelangten dann in den Kalkstein,
hellfarbig, weiss und grau, von muscheligem Bruche, mit zahl-
reichen Kalkspathtrummern wie in der Maremme von Toscana;
das Streichen der Schichten herrschend h. 6.und das Einfallen
unter geringen Winkeln gegen Norden. Die Thäler sind oft
in bedeutender Breite und Tiefe mit Peperin [Tuff] angefüllt,
welcher steile Felsenreihen und Inseln vom Wasser eingerissen
bildet. Der Kalkstein bildet die Berge; bei Rota wechselt
derselbe mit rothem Schiefermergel ab, der den Keupergestei-
nen ähnlich ist. Auf dem stark ansteigenden Wege, welcher
vom Mignone nach Tolfa führt, findet sich zunächst wieder
Tuf, dann grauer Kalkstein.“
| In den Kalkstein- und Mergelschichten südlich von Tolfa
und Allumiere wird schon seit Jahrhunderten Bergbau auf
Eisenerz und silberhaltigen Bleiglanz getrieben. Während
letztere Gewinnung indess aufgehört hat, ist der Eisenbergbau
seit mehreren Jahren wieder in schwunghafteren Betrieb ge-
kommen. Die Eisenerzlagerstätten finden sich namentlich in
dem südlich von Tolfa mit westöstlicher Richtung streichenden
Thale des. Verginese-Baches. Es besteht nämlich die untere
Hälfte des Höhenrückens, auf welchem Allumiere und Tolfa
liegen, aus Kalkschichten, welche 45° —55° gegen Sudwesten
fallen. Das Eisenerz, vorzugsweise Brauneisenstein, seltener
Magneteisen (entsprechend dem merkwürdigen Magneteisengang
des- Caps Calamita auf Elba, welcher sein Nebengestein in
körnigen Kalk umänderte und darin Granate als Contaetmineral
erzeugte) bildet Gänge im Kalkstein, welcher in der Nähe der
Gänge eine krystallinisch-körnige Beschaffenheit angenommen
hat. Der jetzt vorzugsweise bearbeitete Gang stellt sich als
ein mächtiger Lagergang dar, welcher, wie die denselben ein-
schliessenden Marmorschichten gegen Südwesten mit 50° ein-
fällt. Der Gang hat am Ausgehenden eine Mächtigkeit von
mindestens 40 Met. Es stellte sich (Frühjahr 1865) die Eisen-
593
erzmasse, hoch über die einschliessenden Schichten hervor-
ragend, wie ein kleiner Berg dar, wurde durch Tagebau ge-
wonnen und in einem in der Nähe angelegten, der Societa
Romana gehörigen Hochofen verschmolzen. Die Zusammen-
setzung jenes Erzes wurde mir zufolge einer Analyse des Prof.
BeccHı in Florenz mitgetheilt, wie folgt: Eisenoxyd 80,66,
Kiesel- und -Thonerde 3,35, Wasser 15,78, Spur von Mangan,
Verlust 0,21. Ausser Brauneisen findet sich an dem genann-
ten Punkte auch Gelbeisenstein. Nach VEscovaLı (Sui mine-
rali di ferro nello stato pontificio, Giorn. Arcad. CLIV, 1858)
soll der Eisenerz-Bergbau Tolfas bereits 1650 betrieben wor-
den sein. Während die erwähnte Lagerstätte vortrefiliches
Eisen giebt, sollen andere Gänge des Gebietes von Tolfa ein
durch hohen Phosphorgehalt unbrauchbares Eisen liefern. Am
nördlichen Gehänge des oberen Verginese-Thales sah ich im
Kalksteine mehrere wenig mächtige Brauneisengänge unregel-
mässig verlaufen, eine Erscheinung, welche mich durchaus an
ähnliche Vorkommnisse des Campigliesischen Gebietes er-
innerte. Dass die Eisenerzgänge auch im Trachyte aufsetzen,
habe ich nicht gesehen , doch will ich nichtsdestoweniger die
diesen Punkt betreffenden Angaben Poxzr’s in seiner Nota
sulla origine dell’ Alluminite della Tolfa (Ac. Pont. d. n. Lyn-
cei Sess. d. 13 Giug. 1858) hier mittheilen: „Auf der süd-
‚lichen Grenze zwischen Trachyt und den geschichteten Bil-
dungen erfolgte eine gewaltige Eruption von oxydischem Eisen-
erz, deren Gänge beide Formationen durchsetzen. Die Gänge
_ von geringerer Mächtigkeit und 'entfernter vom Uentrum der
Eruption bestehen aus derbem Magneteisen; die gewaltigeren
Massen des Centrums zeigen eine löcherige Beschaffenheit und
sind Brauneisenstein.“ Die Theorie eruptiver Entstehung ge-
wisser Erzgänge erweckt vielleicht bei einigen der geehrten
Fachgenossen Zweifel, auf welche ich (mir für die Fortsetzung
dieser Fragmente eine genauere Schilderung der Vorkommnisse
von Campiglia Maritima vorbehaltend) für jetzt nur mit den
Worten Coguanp’s antworte: „Cette theorie [que quelques gites
metalliferes ont joue le röle comme roches Eruptives] ne pour-
rait trouver des incredules que chez ceux qui n’auraient pas
visite les mines de fer de l’ile d’Elbe ou les filons amphibo-
leux [muss heissen pyroxeniques] du Campigliese.“*
Die schon seit lange verlassene Bleierzgrube befindet sich
594
etwa 14. Miglie südlich von Allumiere. Der Gang setzt im
Kalkstein auf, welcher h. 12 bis 1 streicht, 20° gegen Osten
einfällt. „Man hat hier deutlich auf einem Gang gebaut, dessen
Ausgehendes durch eine lange Pinge bezeichnet wird. Auf
den Halden herrscht Kalkspath vor, darin grüner und weisser
Flussspath, wenig Schwerspathkrystalle in Drusen, Bleiglanz,
Schwefelkies und Blende mit wenig Fahlerz.*“ (F. Horrmann.)
Von dieser Oertlichkeit sah ich Bleiglanz, Blende, Grauspiess-
glanz, Zinnober, Malachit, grünen Flussspath u. a. Aus den
bei Tolfa gewonnenen Erzen soll einst auch eine kleine Menge
von Gold abgeschieden worden sein.
Der Trachyt bildet im Gebiete von Tolfa eine centrale
Masse von trapezoidaler Gestalt, deren vier Eckpunkte bezeich-
net werden durch den Monte delle Grazie, die Rocca, le Coste |
del Tiglio, den Monte Sasseto. Die Ausdehnung des Trachyt-
gebietes beträgt von Norden nach Süden etwa 3 Miglien. Die
Breite ist im nördlichen Theile der Masse bedeutender, etwa
5 Miglien, als im südlichen, wo+sie auf 2} Miglien herabsinkt.
Ausser dieser Masse bricht der Trachyt in zahlreichen isolir-
ten Kuppen hervor, so der Monte Tolfaceio, 17638 Fuss hoch; der
äusserste Trachytpunkt gegen Westen ist der niedrige Hügel
(229 Fuss) 24° Miglien nördlich von Civita, auf welchem die
Torre d’Orlando steht. Eine ansehnliche Verbreitung gewinnt
der Trachyt im südöstlichen Theile unseres Gebietes, woselbst
er bei Sasso über einen. ungefähr elliptischen Raum (von
Norden nach Süden 2! Miglien, von Osten nach Westen 14 Miglie
messend) verbreitet ist und daselbst zahlreiche ae bildet,
den Monte Santo, Monte Tosto, Monte la Üerquara u. a.
Leueitophyr habe ich in der Tolfa-Gegend nicht beob-
achtet; auch ist das Vorkommen dieses Gesteins dort bisher
nirgend erwähnt. Doch liegt in der Horrmans’schen Samm-
lung ein Stück Leueitophyr mit der Bezeichnung „Eisenstein-
Grube bei Tolfa.* Das betreffende Gestein enthält viele bis
i Zoll grosse Leueite, Augit und Sanidin.
Das Trachyt-Gebirge von Tolfa weist (soweit ich es
kennen gelernt habe) mindestens zwei durchaus Vehliaiige
Trachyt-Arten auf.
Die eine Art ist ein Sanidin-Oligoklas-Trachyt eu licht-
grauer, dichter, wenig poröser Grundmasse, in welcher (bis
über einen Zoll) grosse Sanidine, kleine, meist zersetzte Oli-
595
goklase und Magnesiaglimmer ausgeschieden sind. Dies Gestein
ist sehr ähnlich mehreren Gesteinsvarietäten des Siebengebirges
und der Euganäen. Die Klüfte des in Rede stehenden Tra-
chytes sind häufig (z. B. in dem Steinbruche Uomo morto) mit
Kieselinerustationen, Fiorit, bedeckt, welche den entsprechen-
den Gesteinen. der beiden genannten Gebiete fehlen, wohl aber
in bekannter Schönheit am Monte Amiata sich finden, Perle silicee
di Santa Fiora genannt. Diese erste Trachytart fand ich sehr
verbreitet im nordöstlichen Theile des Trachytgebietes; nament-
lich scheinen die Höhen Ooste del Tiglio und C. Capocaccia
gänzlich daraus zu bestehen. Das Gestein besitzt eine auf-
fallend regelmässige bankförmige Absonderung. Die Bänke
sind 2 bis 4 Fuss mächtig und neigen sich mit nur geringen
Winkeln gegen Osten, in der Gegend nordöstlich von le Cave,
so regelmässig, dass man ein geschichtetes Gebirge vor sich
zu haben wähnen könnte. Diese Bänke: zerfallen bei fort-
schreitender Verwitterung zu Kugeln, diese zu Sand, in wel-
chem die Sanidin-Bruchstüucke sich deutlich erkennen lassen.
Die ausgeschiedenen Sanidine widerstehen demnach der Ver-
' witterung länger als die Grundmasse des Gesteins. Die durch
Gesteinsformen und Verwitterung hervorgebrachte Physiogno-
mik dieses Trachyts bedingt eine grosse Aehnlichkeit mit dem
Granite. So weit ich den Sanidin-Oligoklas-Trachyt bei Tolfa
- kennen gelernt habe, fehlen demselben sowohl Alaunstein-
gänge, als auch Kaolin- Bildungen.
Die andere Trachytart des Tolfagebietes verdient ein noch
höheres Interesse als die vorige, vornehmlich wegen der in ihr be-
findlichen Alaunstein-Lagerstätten. Das Gestein, ursprünglich ein
kieselsäurereicher, pechsteinartiger Trachyt, ist fast immer zersetzt
in einem solchen Grade, dass die ursprüngliche Beschaffenheit des
Gesteins beinahe völlig verwischt ist. In der That kann man die
zahlreichen Gesteinsaufschlüsse zwischen Allumiere und Tolfa
durchwandern, ohne das Gestein in seiner ursprünglichen Be-
schaffenheit anstehend zu finden. Ich hatte bisher kein vul-
kanisches Gebiet besucht, dessen Gestein eine so allgemeine
Umänderung erfahren, und vermochte daher anfangs nicht aus
dem umgeänderten Fels zuruckzuschliessen auf die ursprüng-
liche Beschaffenheit desselben; sogar war ich eine Zeit lang
unentschieden, ob die in Rede stehenden Gesteinsmassen mit
Recht als Trachyt angesehen würden. Doch gewann ich die
596 <
Ueberzeugung, dass das ursprüngliche Gestein von Tolfa ein
pechsteinähnlicher Trachyt gewesen, welcher in seiner frischen
Beschaffenheit den Poggio della Capanna zusammensetzt. Die-
ser Hügel steigt aus dem Thale des Verginese-Baches eine
Miglie südöstlich von Tolfa empor. Von gleich frischem An-
sehen fand ich zwar diesen Trachyt auf meinen wenig zahl-
reichen Durchwanderungen des Tolfagebietes an anderen Orten
anstebend nicht. Wohl aber liegen zerstreut im ganzen Gebiete
des umgeänderten Gesteins grosse sphäroidische Blöcke dessel-
ben Pechsteintrachytes umher, deren sorgsame Vergleichung mit
den metamorphosirten Varietäten mir die Ueberzeugung ver-
schaffte, dass auch diese letzteren ursprünglich jene eg
ähnliche Felsart gewesen sind.
Es besitzt dieser Pechsteintrachyt von Tolfa eine schwärz-
lichbraune, reichliche, fettglanzende Grundmasse mit muscheli-
gem Bruche, welche zahlreiche, bis mehrere Linien grosse
Sanidine, ausserdem Magnesiaglimmer, Augit und in sehr ge-
ringer Menge eine Schwefelverbindung, Eisenkies oder Magnet- .
kies, umschliesst. Der Augit ist in äusserst kleinen Krystallen
vorhanden, deren Form und Winkel ich indess am Goniome-
ter bestimmen konnte. Mit Hulfe des polarisirenden Mikro-
skops erkennt man, dass die Grundmasse völlig amorph ist.
In derselben liegen zahlreiche kurzspiessige, äusserst kleine
Kryställchen, über deren Natur nichts weiter zu ermitteln war.
Dieselben vereinigen sich häufig zu zierlichen, sternförmigen
Gruppen. Das Gestein giebt im Kolben Wasser; vor dem
Löthrohre bekommt die Grundmasse Risse, bläht sich auf,
“ wird weiss und schmilzt. Das specifische Gewicht = 2,937.
Das Gestein wirkt nicht bemerkbar auf die Magnetnadel.
Die Zusammensetzung dieses pechsteinartigen Tra-
chytes von Tolfa bestimmte ich, wie folgt:
e Kieselsäure 67:61: .0.,=::86;06
Thonerde 14,04 6,57
Eisenoxydul 5,40 1,19
Kalkerde Bd 1,06
Magnesia 0,65 0,26
Kali 2,41 0,41
Natron 5,50 1,42
Wasser 2,28
101,60
597
Der Quotient der Sauerstoffmengen beträgt 0,3025.
Die vorstehende Analyse lehrt, dass dies Gestein eine
ziemlich eigenthümliche Mischung besitzt, indem es weniger
Kieselsäure enthält als die gewöhnlichen Pechsteine, des-
gleichen als die meisten italienischen Obsidiane und Bims-
steine. Auch die hornsteinähnlichen Trachyte oder Rhyolithe
der Euganäen sind weit reicher an Kieselsäure als das Ge-
stein von Tolfa, welches durch seinen ansehnlichen (durch die
Einmengung des Augits bedingten) Kalkgehalt sich von den
genannten Gesteinen unterscheidet. Nicht unähnlich ist in
chemischer Hinsicht unserem Gesteine ein von KJERULF ana-
lysirter Pechstein von Island (Baula): Kieselsäure 66,59,
Thonerde 11,71, Eisenoxydul 3.93, Manganoxydul 0.12, Kalk-
erde 0,71, Magnesia 0,36, Kali 3,65, Natron 5,94, Glüh-
verlust 4,86 (s. Roru, Gesteinsanalysen, S. 14). Das von
KJERULF untersuchte Gestein ist grün, glasig, mit einzelnen
Sanidinen.
Aus diesem Trachyte haben sich durch eine Metamorphose
diejenigen Gesteine herausgebildet, welche zwischen Allumiere
und Tolfa, Trinit4 und le Cave verbreitet sind. Als fast-all-
gemeines, hervorstechendes Kennzeichen dieser Umwandlung
verdient hervorgehoben zu werden, dass die Grundmasse ihren
Zusammenhalt bewahrt. während die eingesprengten Krystalle
zerstört werden oder gänzlich verschwinden. Die von ihnen
eingenommenen Räume sind entweder mit einer schneeweissen,
kaolinartigen Masse erfüllt, oder leer und in letzterem Falle
zuweilen mit neugebildeten Krystallen ausgekleidet.
Die Umwandlung erscheint indess eine zweifache, wesent-
lich verschiedene zu sein: in dem einen Falle geht allmälig
das gauze Gestein in Kaolin über; in dem anderen Falle wird
dasselbe kieselsäurereicher, härter und erscheint endlich als
eine hornsteinartige Masse, in welcher die ehemals vom Sani-
din eingenommenen Räume entweder mit Kaolin erfüllt oder
leer sind. Die Grundmasse dieses silicifieirten Trachytes ver-
andert sich vor dem Löthrohre nicht bemerkbar.- Beim Schlei-
fen einer Platte aus diesem Gesteine erhält man ein ganz
durchlöchertes Präparat, indem die kaolinartige Masse, welche
die Sanidin-Räume erfüllt, herausfällt. Die Grundmasse giebt,
mit dem polarisirenden Mikroskop untersucht, keine Farben,
zum Beweise ihrer amorphen Beschaffenheit. Kleine Kaolin-
598
massen und Gänge nn sehr verbreitet in unserem Distrikte ;
eine grössere Lagerstätte von Kaolin, woselbst diese Substanz
für die Römische Porzellanmanufactur gewonnen. wird, befin-
det sich bei la Bianca, + Miglie südlich von Allumiere. Diese
Lagerstätte liegt am südwestlichen Ende des Trachytzuges,
welcher von Tolfa gegen Westen zieht, und zwar dicht bei der
Grenze gegen den Kalkstein. Die Gewinnung des Kaolins,
welcher von vorzüglicher Beschaffenheit und frei von. Quarz,
ist von der pabstlichen Regierung verpachtet.
Der silicifieirte Trachyt ist in unserem Gebiete sehr ver-
breitet, namentlich in der Nähe der Alaunstein - Lagerstätten,
woselbst das umgewandelte Gestein in. seinen unzähligen (von
der Zersetzung der Sanidine herrührenden) Höhlungen mit
kleinsten Alaunstein-Krystallen bekleidet und erfüllt ist, ,
welche zuweilen auch in die gelockerte Grundmasse eindrin-
gen. Das Gestein ist röthlichweiss, gefleckt und von höchst
eigenthüumlichem Aussehen. Von den ursprünglichen Gemeng-
theilen ist Nichts mehr wahrzunehmen. Das Eisen des Glim-
mers und Augits hat sich ausgeschieden und bildet das Roth-
fleckige der Masse. In kleinen Kryställchen ist Schwefel und
Quarz ausgeschieden. Die Alaunstein - Lagerstätten, welche
diesen veränderten Trachyten angehören, wurden 1462 unter
Pabst Pius II von dem Genuesen GIOVANNI DI CASTRO ent-
deckt. Dieser soll, in Gefangenschaft gerathen, in den Alaun-
steingruben der Insel Milo gearbeitet haben. Nach seiner Be-
freiung kam er nach Civitavecchia, erkannte die grosse Aehn-
lichkeit der Gesteine von Tolfa und von Milo und lehrte die
Darstellung des Alauns. Bevor wir diese Lagerstätten näher
kennen lernen, wird es nöthig sein, an einige Ergebnisse der _
vorzüuglichen Arbeit von A. MıTscaErLicH „Alaunstein und Löwi-
git* (s. Beiträge z. analyt. Chemie, S. 23—44) zu erinnern.
A. MiTScHERLICH bewies, dass die Zusammensetzung des Alaun-
steins der Formel KS-+ A1S’ 2A] H° entspricht und nicht
der bisher angenommenen KS+ 3Ä1S + '6H, indem er zeigte,
dass das Mineral kein Wasser fahren -lasse unter der Tempe-
ratur des kochenden Schwefels, was bekanntlich beim Kry-
stallisationswasser stattfindet. Entsprechend dieser Formel
berechnet RAMMELSBERG die Zusammensetzung des Alaunsteins:
Schwefelsäure 38,53, Thonerde 37,17, Kalı 11,35, Wasser
12,95; nahe übereinstimmend mit A. MirtscHeErLicH’s Analyse
ı
599
des Alaunsteins von Tolfa: Schwefelsäure 38,63, Thonerde
36,83, Kalk 0,70, Baryt 0,29, Kali 8,99, Natron 1 ‚54, Wasser
(aus dem Verluste) 12,72.
Der Alaunstein krystallisirt im rhombo&@drischen Systeme.
und zeigt die Combination eines Rhomboäders r (welches nach
der Angabe bei MırLer in den Endkanten 92° 50’ misst) mit
der Basis ce, s. Fig. 11 Taf. X. Andere Flächen habe ich an den
Krystallen von Tolfa, welche sich von besonderer Schönheit
in der Grube Castellina finden, nicht beobachtet. Scharf mess-
bare Krystalle habe ich weder in Rom, noch an Ort und
Stelle beobachtet. Aus dem oben angegebenen Winkel der
Endkante berechnet sich das Verhältnis der Hauptaxe zur.
Nebenaxe == 1,1390: 1.
A. MITSCHERLICH wies ferner nach, dass der bereits früher
untersuchte Alaunstein von Zabrze in seinem chemischen und
physikalischen Verhalten von dem echten Alaunsteine ver-
chieden sei und als ein zwar verwandtes, aber doch selbst-
ständiges Mineral — Löwigit — zu betrachten sei. Die For-
mel des Löwigits ist KS +3AIS {1 9H, welche der Mischung
Schwefelsäure 36,18, Thonerde 34, 54, Kali 10,66, Wasser
18,32 entspricht.
Dies Mineral wies MITSCHERLICH durch seine Analyse
auch für Tolfa nach, welche nach Abzug der Kieselsäure etc.
ergab: Schwefelsäure 37,78, Thonerde 35,95, Kali 9,80, Was-
ser (aus dem Verluste) 16,47. |
Der Löwigit kommt im Gegensatze zum Alaunstein nur
amorph vor, „ist etwas löslich in Chlorwasserstoffsäure, wäh-
rend, der Alaunstein in dieser vollständig unlöslich ist, löst
sich ferner in Schwefelsaure und Wasser und, im Glasrohre
mit Chlorwasserstoffsaure eingeschlossen, viel leichter als
der Alaunstein. Der Löwigit verliert bei viel niedrigerer Tem- °
peratur sein Wasser und auch seine Schwefelsäure als der
Alaunstein. Während letzterer durch Erhitzen zerfällt in Alaun,
der durch Wasser ausgezogen werden kann, und in Thonerde,
so zerfällt der Löwigit in schwefelsaures Kali, welches durch
‚ Wasser ausgezogen werden kann, und in basisch schwefelsaure
Thonerde.* (MiTScHERLICH.)
Die derbe Abänderung des N ist übrigens von
dem Löwigit nicht ganz leicht zu unterscheiden, um so weni-
ger, da beide mit einander gemengt vorkommen. Ausser den
E
600
Gängen, welche durch sie gebildet werden, durchdringen sie
(und vorzüglich der Löwigit) den angrenzenden Trachyt, wel-
cher dadurch alaunsteinhaltig und zuweilen in dem Maasse an-
gereichert wird, dass: er neben dem reinen Steine zur Alaun-
fabrikation benutzt werden kann. Solche Gemenge von Alaun-
stein (Löwigit) mit dem Skelet des veränderten und zerstörten
Trachytes bilden den sogenannten Alaunfels.
Die Alaunsteingruben finden sich hauptsächlich in der Hugel-
reihe, welche von Tolfa gegen Westen zieht und,ausser der Rocca
di Tolfa noch in drei anderen Mammeloni eulminirt: Monte Faveto,
M. Urbano, M. Elsieta (1880 Fuss); ferner in den beiden Höhen-
zugen, welche von dem Monte delle Grazie bei Allumiere gegen
le Cave in nordöstlicher und gegen la Trinit4 in nördlicher
Richtung sich erstrecken. Die wichtigsten Gruben sind fol-
&ende: Gangalandi zwischen Tolfa und Allumiere, nahe der
Madonna di Cibona; Bajocco, zwischen der eben genannten
Grube und la Bianca; Cava del Laghetto sudwestlich von Allu-
-miere; Castellina auf der nordöstlich an den Monte delle Grazie
sich anschliessenden Höhe, zunächst bei Allumiere; Cavetta,
Cava Gregoriana, C©. Ballotta, ©. Grande reihen sich in nord-
östlicher Richtung an Castellina an. Gegen Norden vom Monte
delle Grazie liegen die Oava della Trinciera, della Trinita, dei
Romani. Die Grube Tosti liegt zwischen Tolfa und le Cave.
Von diesen Gruben sind indess mehrere aufgegeben, darunter
Cava grande, Gregoriana, Ballotta; die reichste war zur Zeit,
meines Besuches die Cava dei Romani.
Vor den anderen Gruben verdient die Grube Gangalandi
Erwähnung wegen der kolossalen Arbeiten, welche dort seit
11 Jahrhundert ausgeführt worden, sind. Die Grube, ein
Tagebau, gleicht einer natürlichen Felsschlucht, welche in un-
gefähr ostwestlicher Richtung in das Gebirge einschneidet.
Ueber 100 Fuss starren die blendend weissen Gesteinswände
empor. Diese grossartige Excavation wurde im vorigen Jahr-
hundert unternommen, theils um die Gänge ohne unterirdischen -
Betrieb abbauen zu können, theils um die Berge wegzuschaffen.
So musste man ungeheure Massen bewegen, was indess nur
geschehen konnte zu einer Zeit, als der Alaun einen. vielfach
höheren Preis hatte als jetz. Der Hauptgang Gangalandi
streicht von Südwesten nach Nordosten, ist 3 Met. mächtig.
Derselbe theilt sich in vier Arme, von denen jeder über 1 Met.
601
mächtig ist, und welche gegen Westen und Norden streichen.
Die Stelle, wo der Gang sich spaltete, ist ganz weggebaut;
nur ein mächtiger, tauber Pfeiler, il Pontone, ist stehen ge- '
blieben. Die Gänge stehen meist senkrecht und bilden die
mannichfaltigsten, zuweilen netzförmigen Verzweigungen in den
veränderten Trachyt des Nebengesteins hinein. Zur Zeit mei-
ner Anwesenheit wurde in dieser Grube auf dem Hauptgange
gefördert, und zwar mittelst Stollnarbeit, welche erst vor etwa
10 Jahren durch den Ingenieur Ması eingeführt worden war.
Der silieifieirte, hornsteinähnliche Trachyt, welcher die Saal-
bänder der zum Theil mit Kaolin erfüllten Alaunsteingänge
bildet, ist zuweilen mit Eisenkieskörnern imprägnirt, welche,
sich zersetzend, dem Gesteine eine bräunlichgrune Farbe geben.
Ein Geologe, welcher ähnliche Alaunstein-Territorien nicht be-
sucht hat und auf die geologischen Verhältnisse Tolfas nicht
vorbereitet ist, wird sich nur schwierig in der Oava Gangalandi
zurecht finden. Der Trachyt hat die dies Gestein sonst cha-
rakterisirenden Eigenschaften eingebüusst. Gänge von Kaolin
und hornsteinähnlichem Quarz durchsetzen und verästeln sich
in dem theils zu Alaunfels, theils in Kaolin umgeänderten
Nebengesteine. Bei Sonnenschein ist es zudem fast unmög-
lich, die Augen auf die blendendweisse Felsumgebung zu rich-
ten. So erklärt es sich, dass der ausgezeichnete Genuesische
Geologe, dem die Geologie des nördlichen und mittleren Ita-
liens so Vieles verdankt, die Ansicht gewinnen konnte, der
Alaunstein sei hier durch Umänderung von Schichten der
Kreideformation entstanden. Zu einer ähnlichen Ansicht be-
kannte sich der genaue Kenner der Solfataren, der Alaunstein-
lagerstätten und der Lagoni Toscanas: „on n’apergoit dans
les alunieres de la Tolfa que des masses argileuses blanchätres
' meleces & des couches de Quartz; mais le tout dans un tel tat
de confusion qu'il n’est pas ais& de reconnaitre leurs v£eritables
rapports. Aussi beaucoup d’observateurs recommandables ont
eonsider&e les alunieres de la Tolfa comme une dependance
des tufs trachytiques. Or, nous demontrerons qu’elles appar-
_ tiennent ä& l’etage des schistes bariol&s de la formation juras-
sique.* (Bull. Soc. geol. Fr. T. VI, Ser. I, p. 144). Zu dieser
Meinung hat die irrige Voraussetzung einer Analogie zwischen
dem Alaunstein-Vorkommen Tolfas und denjenigen Toscanas
Zeits. d.d.geol. Ges. XVIIL 3. 39
602
verleitet. Indess hatte Horrmann bereits die Lagerstätte des
Römischen Alaunsteins mit wenigen Worten richtig bezeichnet.
Der Monte delle Grazie, welcher mit nackten, röthlichweiss
erglänzenden Felsen etwa 200 Fuss sich über. das Alaundorf
erhebt, ist von vielen Alaunstein-Gängen durchschwärmt. Der
Trachyt ist auch hier theilweise silicificirt, und auf den Klüf-
ten und in den vom Sanidine zurückgelassenen Hohlräumen ha-
ben sich Quarzkrystalle ausgeschieden. Den Alaunstein traf
ich hier in zierlichen Krystallen. Hier findet sich auch der
bekannte, in Sammlungen viel verbreitete Schalen - Alaunstein,
gewissen Varietäten des Alabasters nicht unähnlich.
Die gleichfalls mittelst Tagebau betriebene Grube Castel-
lina zeigt einen zersetzten Trachyt. Derselbe wird von einem
fast unendlich zertheilten Gangnetze durchzogen, welches von
etwa 1 Fuss Mächtigkeit sich bis zu äusserster Feinheit zer-
theilt. Inmitten eines Alaunsteinganges tritt hier ein Horn-
steingang auf. Zwischen dem zersetzten Trachyt setzen Gänge
von eisenschussigem Kaolin auf. Ich konnte hier schöne
Stücke schlagen, welche zollmächtige Gänge von Alaunstein,
mit dünnen Trümern von Hornstein abwechselnd, in einem
zu Alaunfels umgeänderten Trachyt zeigen.
Weiterhin folgen die Oavetta, die Cava Gregariana und die
Cava grande. Diese sind alle verlassen, bieten aber, und na-
mentlich die beiden letzteren, ein Bild der ungeheueren Arbeiten
dar, welche hier stattgefunden haben. Es sind kraterförmige
Vertiefungen von 400 bis 500 Fuss Durchmesser und 150 bis
200 Fuss Tiefe, welche jetzt mit Baumwuchs bedeckt sind.
In der Grube la Trineiera treten neben dem Alaunsteine viele
Hornsteingänge auf, darunter einer, dessen Mächtigkeit 5 Met.
betragt. Die Gruben della Trinita und dei Romani sind reich
an reinem Kaolin. Der Alaunstein der Gruben Tosti und
Ballotta ist durch viel zersetzten Eisenkies verunreinigt. Im
Aerarialgebaude zu Allumiere befindet sich eine kleine, aber
lehrreiche Sammlung der verschiedenen Mineral - Erzeugnisse
des Gebietes von Tolfa: Schalen-Alaunstein vom Monte delle
Grazie und aus der Cava della Trinita, zierliche Alaunstein-
Krystalle vom ersteren Orte sowie von Castellina, Brauneisen-
Stalaktiten gleichfalls aus den Alaunstein-Gruben, gelber und
_ rother Carneol von -Compaceio, grüner Flussspath. und Blei-
glanz vom Poggio Ombricolo (bildet einen Gang im Kalkstein),
605
blättriges Grauspiessglanzerz von demselben Fundorte, grosse
Glimmer- und Augit-Krystalle von der Miniera di Zolfo, wahr-
scheinlich bei Manziana, ein Stuck weissgelben vulkanischen
Tuffs, von Schnüren fasrigen Alauns durchzogen, von Man-
ziana. Im Tolfagebiete selbst findet sich kein natürlicher
Alaun.
In dem Römischen Alaunfelsgebiete ist (wenn wir von den
oben erwähnten Thermen absehen) der Vulkanismus vollkom-
men erloschen; keine Solfatare, keine Fumarole entsteigt jetzt
mehr den zersetzten und umgewandelten Trachyten, deren
Spalten und Kluftsysteme mit Alaunstein, Kaolin, Hornstein
erfullt sind. Processe ähnlicher oder gleicher Art, welche die
Alaunsteine Tolfas erzeugt haben, sind noch heute an vielen
Orten, theils von gleicher, theils von verschiedener petro-
graphischer Beschaffenheit, thätıg.*) Mir selbst kam es fur
das Verständniss Tolfas sehr zu statten, dass ich kurz vorher
die Solfatare von Pozzuoli besucht hatte. In der belehrenden
Gesellschaft des Prof. Guiscarpı hatte ich dort den Trachyt in
ganz ähnlicher Weise von den vulkanischen Dämpfen zersetzt
gefunden (so dass die eingesprengten Krystalle verschwunden
waren, während die Grundmasse ihren Zusammenhalt bewahrt
hatte) wie bei Tolfa. Es bilden sich dort noch fortwährend
theils als unmittelbarer Absatz aus den Exhalationen, theils
durch Wechselwirkung derselben auf den Trachyt und den
Phlegräischen Tuff eine Menge von Mineralien: Schwefel, Sasso-
lin (Borsäure), Realgar, Dimorphin, Eisenkies, Arsenikkies,
Voltait, Coquimbit, Gyps, Bittersalz (Epsomit), Halotrychit,
schwefelsaures Ammoniak (Mascagnin), Ammoniakalaun, Kali-
alaun, Opal u. a. Wenngleich in der Solfatare die Bedingun-
gen zur Alaunsteinbildung nicht vorhanden zu sein scheinen,
so enthält das zersetzte Gestein ausser dem bereits gebildeten
Alaun die Materialien desselben, namlich schwefelsaures Kali
und schwefelsaure Thonerde in solcher Menge, dass dort be-
kanntlich eine Alaunfabrik von .BREISLAK gegründet wurde. Die
Fabrik in der Solfatare ist in ähnlich günstiger Lage wie die
Borsäure-Etablissements Toscanas, bei ihrer Industrie die an
Ort und Stelle hervorbrechenden, heissen Dämpfe benutzen zu
®) In Quenstenr’s Mineralogie, II. Aufl. S. 536, Zeile 5 von oben
lese man statt .„‚Tolfa‘‘ Toscana.
337
Er”
604
können, während die Werke von Allumiere auf den BEIN
Wald angewiesen sind.
Wie G. pı Castro die Alaunfelsbildung Milos bei Tolfa
wiedererkannte, so geht auch aus neueren Schilderungen jener
Oykladen-Insel die grosse Aehnlichkeit mit dem Römischen
Vorkommen hervor, nur mit dem Unterschiede, dass auf Milo
die alaunsteinerzeugenden Kräfte noch in beständiger Thätig-
keit sind. i
Von der Hauptstadt Kastron begab sich RtssesgEr nach
dem südöstlichen Theile der Insel, dem Schauplatz der Solfa-
taren und der Alaunfelsbildung. „Nachdem man das Cap Ka-
lamo erreicht, steht man plötzlich vor steil sich erhebenden,
wild zerrissenen Felsen von Alaunfels, ganz ähnlich jenen von
Kimolos und Polinos. Dass die schwefligsauren-Dämpfe das
Hauptprineip der Umwandlung des Trachyts in Alaunfels bil-
den, erweist sich hier sehr schon dadurch, dass man diese
Umänderung nur im Bereiche des Terrains trifft, wo noch
heutzutage derlei Dampfentwickelung stattfindet; etwas süd-
licher hingegen, wo dies nicht der Fall ist, sieht mau den
Trachyt im unveränderten Zustand. In dem zu Alaunfels um-
gewandelten Trachyt erscheint der Alaunstein theils auf Gän-
gen und Stöcken, theils durchdringt er stellenweise die ganze
Felsmasse. Zugleich mit ihm finden sich häufige Schwefel
sublimationen.*“ RussEGGErR, Reisen Bd. IV, 231). Von dem
unbewohnten öden Eilande Polinos erzählt derselbe Reisende:
„Der Alaunfels bildet an der Küste eine an drei Seemeilen
lange, senkrechte Felswand, die bis zu 600 Fuss über dem
Meere ansteigen dürfte. Der Ursprung des Gesteins ist nicht
zu verkennen, denn stellenweise sieht man noch gegenwärtig
die Feldspathmasse mit ihren eingewachsenen Feldspath- |
krystallen, obwohl auch da nicht mehr in gänzlich unver-
ändertem Zustande, und dass das Umwandlungsprodukt nur in
schwefligsauren Dämpfen zu suchen ist, . dürften das Vorkom-
men ‘des Alauns, der sich häufig schon dureh den Geschmack
verräth, die Ausscheidungen von gediegenem Schwefel, das
aufgelöste, verwitterte Ansehen des ganzen Gebirges und vor
Allem jene auf der Insel Milos uns vor Augen liegenden
Facta bestätigen.* (S. 215 u. £.).
Während man sich indess bisher in Betreff der Ent-
stehung des Alaunsteins mit -allgemeinen Andeutungen be-
605
gnügte, ist es A. MITSCHERLICH gelungen, den Alaunstein und
den Lowigit künstlich darzustellen und dadurch die Bedingun-
gen für die Bildung beider Mineralien genau festzustellen.
Wohl ausgebildete Alaunstein-Krystalle erhielt MitscHerLich,
indem er durch Kali aus Kali-Alaun gefällte, nicht ganz rein
ausgewaschene Thonerde in Schwefelsäure 'auflöste, mit vielem
Wasser versetzte, in ein Rohr von Kaliglas einschloss und
dasselbe mehrere Stunden einer Temperatur von 230 ° aus-
setzte. Bei dieser Temperatur wird nämlich das Glas zersetzt
und das ausgeschiedene Kali zur Alaunsteinbildung verwandt.
Derselbe Forscher stellte Löwigit als unkrystallinisches Pulver
von gleicher Beschaffenheit und Zusammensetzung wie der
natürliche dar, indem er schwefelsaures Kali mit Aluminit
und Wasser, oder schwefelsaures Kali im Ueberschusse mit
schwefelsaurer Thonerde in einem Glasrohre einschloss und
dasselbe bis 200° erhitzte. Alaunstein bildet sich demnach,
wenn schwefelsaures Kali, dagegen Löwigit, wenn schwefel-
saure Thonerde im Ueberschusse vorhanden ist. Um die Ent-
stehung der Alaunmineralien im Tolfaer Trachytgebiete zu er-
klären, gebrauchen wir demnach nur schwefelige Säure oder
Schwefelwasserstoff, welche beide Gase in den Fumarolen und
Solfataren eine so grosse Rolle spielen, und eine hohe Tem-
peratur. Die schwefelige Säure bildet sich in den Vulkanen
noch jetzt durch Verbrennen von Schwefel und oxydirt sich
zu Schwefelsäure. Die vulkanische Entstehung des Schwefel-
wasserstoffs durch das Experiment erläutert zu haben, ist ein
Verdienst Bunsen’s (s. Rortu, Vesuv, 505). Den weiteren Vor-
gang der Alaunsteinbildung sei mir gestattet mit MıTscHER-
L1c#’s eigenen Worten wiederzugeben. „Ist das Schwefelwasser-
stoffgas heiss, und mengt es sich mit Luft, so bildet sich
schwefelige Säure, die sich weiter zu Schwefelsäure oxydirt,
und Wasser. Die Schwefelsäure zersetzt das sie umgebende
Gestein, verbindet sich mit dem Kali, der Thonerde und dem
Eisenoxyde desselben. Ist das Schwefelwasserstoffsas kalt,
so verbindet sich der Schwefel desselben mit dem Eisen der
Gesteine zu Eisenkies. Der Eisenkies wird durch die Luft
. zu schwefelsaurem Eisenoxyd und Schwefelsäure oxydirt, und
die freie Schwefelsäure und die des Eisenoxydes verbinden
sich mit der Thonerde und dem Kali des Gesteins. . Das
Wasser wäscht die schwefelsauren Salze aus dem Gesteine
606
und führt sie in tieferliegende Punkte, z. B. in ein Spalten-
system. Hat dies keinen Ausfluss, so wird das Wasser bis
zu einer beträchtlichen Höhe steigen; erreicht es eine Höhe
von 300 Fuss, so kocht es in den Spalten, die dem Drucke
dieser Wassersäule ausgesetzt sind, nicht mehr bei 180°.
Kommt zu diesen Umständen noch eine Temperatur von 180°
hinzu, so bildet sich Alaunstein, wenn schwefelsaure Thon-
erde, dagegen Löwigit, wenn schwefelsaures Kali über-
schussig ist.“
Die Darstellung des Alauns aus dem Alaunsteine (und
dem Löwigit) geschieht zu Allumiere in folgender Weise. Das
in faustgrosse Stücke zerschlagene Mineral wird in Oefen von
der Gestalt kleiner Kalköfen ungefähr 5 Stunden lang ge-
gluht. Hierdurch wird der Alaunstein zerlegt, indem ein Theil
des Wassers des Thonerdehydrats sich verflüchtigt. Das
Glühen darf nicht zu lange fortgesetzt oder zu sehr verstärkt
werden, weil sonst die Thonerde der Alaunverbindung selbst
ihre Schwefelsäure verlieren würde. Man hört mit der Er-
hitzung auf, wenn eine Entwickelung von schwefeliger Säure
bemerkbar wird. Die geglühten Stücke werden nun zu langen
Haufen aufgethurmt und während 90 Tagen täglich mit Wasser
übergossen. Im Laufe dieser Zeit werden die Stücke weich
und zerfallen; sie werden dann in grosse Bottiche gebracht
und unter beständigem Umrühren in Wasser von 75° eine
Stunde lang digerirt. Es bleibt dabei ein weisser kaolin-
artiger Thon zurück, während die Alaunlauge in hölzerne Kry-
stallisationsgefässe gebracht wird, in denen sie bei mässiger
Wärme 20 Tage bleibt. In der Fabrik sind sechzig soleher grosser
Krystallisationsgefässe vorhanden und €s werden täglich drei aus-
geschöpft. Der Alaun krystallisirt theils in kubischen, theils
in oktaödrischen Krystallen, theils auch in Combinationen von
Oktaöder und Wurfel. Der Leiter der Fabrik belehrte mich,
dass die kubischen Krystalle sich vorzugsweise im Winter,
die okta@drischen im Sommer bilden. Der wahre Grund für
die Bildung wuürfelförmiger Alaunkrystalle scheint indess in
der Thatsache zn beruhen, dass die krystallisirende Alaun-
lösung etwas basisch schwefelsaure Thonerde enthält (s. Hand-
wörterb. d. reinen u.angew. Chemie von v. LiEBIG, POGGENDORFF
und WÖHLER, Artik. Alaunfabrikation, und MITscHERLICH a. a. O.
S. 41). Der zu’ Allumiere erzeugte Alaun ist von besonderer
607 i
Güte und Schönheit; man zeigte mir Alaun-Oktaeder, deren
Kantenlänge 20 Centimetres betrug. Der Leiter der Fabrik
gab mir das jährlich erzeugte Alaunquantum auf 3—400 Tonne-
late an (1 Tonn. = 1000 Kilo). Der Verkaufspreis von
1000 Kilo betrug (Frühjahr 1865) 200 Fres. Die Alaunstein-
gruben wie die Fabrik sind Eigenthum der pabstlichen Re-
gierung. Sie versorgten lange Zeit Europa mit dem besten
und reinsten Alaun. Der jährliche Gewinn soll sich im vorigen
Jahrhunderte auf etwa 100 Tausend Scudi belaufen haben. Da-
mals stand der Verkaufspreis von 100 Kilo auf 129 Fres., jetzt
ist derselbe in Folge der künstlichen Alaunbereitung gesunken
auf 21+ bis 22 Fres. Das päbstliche Alaunwerk möchte jetzt
kaum noch einen Reingewinn abwerfen und wird wohl haupt-
sächlich mit Rücksicht auf die auf diese Industrie angewiesene
Bevölkerung des Alaundorfes fortgeführt.
€. Monte di Cuma, Ischia, Pianura.
Sodalith- Trachyt und Piperno. Ein Beitrag zur Kenntniss
des Phlegräischen Gebietes.
Der Monte di Cuma bildet einen der westlichsten Punkte
des festländischen Vulkangebietes von Neapel und ist von dieser
Stadt fast 11 Miglien entfernt. Dieser kaum 100 Fuss über
das Meer sich erhebende Berg (an welchen die Sage von Dä-
dalus anknüpft) erhebt sich isolirt aus der Tuffebene, von dem
Seegestade nur { Miglie, von dem langen, schmalen Rücken
des Monte Grillo etwa doppelt so weit entfernt. Die Gegend,
einst der Schauplatz hoher Kultur, ist verödet und verwildert,
auch von der Malaria stark heimgesucht. Der von Norden
nach Suden ausgedehnte Hügel fällt nach Westen in zerrissenen,
mauerartigen Felsen ab, während der Abhang gegen Osten
sanfter ist. Auf den Körper des Berges, welcher aus Trachyt
besteht, lagert sich gegen Suden, nahe der Stelle, wo das alte
Amphitheater stand, der Phlegräische Bimssteintuf. Eine Ent-
blössung zeigt recht deutlich, wie die Bimssteintuffschichten
sich dem sanften, sudlichen Abhange der Trachytmasse ent-
. sprechend auflagern, weiter gegen die Ebene hin eine hori-
zontale Lage annehmend. Es ist dies überhaupt die allge-
meine Regel im Phlegräischen Gebiete, dass die Tuffschichten
der Bodengestaltung entsprechend lagern. Die Oberfläche des
+
" 608.
Felshugels von Cuma ist von eigenthumlicher Beschaffenheit,
indem sie ein conglomeratähnliches Ansehen hat. Die Masse
des festeu Trachytes geht in dies Conglomerat über, dessen
Eiitstehung offenbar in gleicher Weise erfolgte, wie auch die
Lavaströme den Boden, über welchen sie sich fortbewegen,
mit einem Conglomerate bedecken. Die äusseren, zuerst er-
starrten Theile der sich bewegenden Gesteinsmasse werden
zerbrochen und von der fliessenden Masse wieder umhuüullt und
verkittet. Im Bimssteintuff auf der Hohe des Berges zieht
eine 0,6 Met. mächtige Bank schwärzlichen Tuffes hin, wel-
cher an den Piperno von Pianura erinnert; auch glaubt man
einen Lavastrom von schwarzem Trachyt mit wenigen Feld-
spathkrystallen, etwa 1 Met. mächtig, zu erkennen. Das Her-
vortreten des Trachytes scheint hier von dem Ergusse eines
kleinen Lavastroms und dem Auswurf einiger Schlacken und
Lapilli begleitet worden zu sein, ohne dass sich indess ein
Krater bildete (s. Arc. ScaccHt, Memorie geologiche sulla Cam-
pania, S. 60, und Rora, der Vesuv, S. 512).
Der Trachyt von Cuma, welchen ich einem kleinen Stein-
bruche am westlichen Absturze des Felshügels entnahm, ist von
lichtgrauer Farbe und lasst mit blossem Auge in feinkörniger
Grundmasse nur kleine und seltene Krystalle von Sanidin,
Augit, Magneteisen wahrnehmen. Unter dem polarisirenden
Mikroskop löst sich das Gestein fast ganz in krystallinische
Elemente auf. Neben dem Sanidin (welcher nur vereinzelte
Ausscheidungen bildet) unterscheidet man ein in quadratischen
Prismen krystallisirtes Mineral, welches einen überwiegenden
Antheil an der Constitution der Grundmasse bildet. Wenn-
gleich man diese Prismen bei Beobachtung mit gewöhnlichem
Lichte nicht mit Sicherheit von dem Sanidine unterscheiden
könnte, so ist dies doch sehr leicht bei Anwendung von pola-
risirtem Lichte. Die Bestimmung dieses quadratischen, auf den
ersten Blick an Mejonit erinnernden Minerals wird uns bei
Besprechung des Piperno von Pianura möglich sein. Der
Sodalith hat sich in der Grundmasse nur unvollkommen aus-
geschieden. Auf den Klüften, welche dies Gestein vielfach
durchziehen, fand ich folgende Mineralien in den zierlichsten
Krystallen aufgewachsen: Sanidin, Sodalith, Augit und Olivin.
Der Sanidin bildet einfache tafelförmige Kıystalle, an
denen ich die Flächen 7, x, M, k, P, x, y, o bestimmen
609
konnte. Die Fläche k, welche die stumpfe Kante des rhom-
bischen Prismas 7 abstumpft, gehört zu den selten auftre-
tenden. =
Der Sodalith, farblos, weiss oder lichtröthlich, ist meist
in einfachen Krystallen, Granatoödern, vorhanden, zuweilen
“ indess in den zierlichsten Zwillingen. Bisweilen erblickt man
unmittelbar neben einander sehr symmetrisch ausgebildete ein-
fache Krystalle und nadelförmige Zwillinge, gebildet wie
Fig. 10. Taf. X.
Der Augit bildet kleine, zierliche Krystalle von schwarzer
Farbe und der gewöhnlichen Form. Das Zusammenvorkommen
von Augit und Sanidin, früher seltener beobachtet, scheint in
den Neapolitanischen Trachyten allgemein zu sein.
Olivin in aufgewachsenen Krystallen ist eine nicht ganz
gewöhnliche Erscheinung. Da dieselben in den von mir ge-
schlagenen Stucken nur sehr klein, ihre Flächencombination
und ihre Farbe von den gewöhnlichen Olivinen sehr verschieden
sind, so hat die sichere Bestimmung mir viele Mühe und Ar-
beit gemacht. Die Form der Krystalle stellt Fig. 12. Taf. X. in
schiefer und 12a. in gerader horizontaler Projection dar. Die Flä-
chenbuchstaben entsprechen den von MILLER gebrauchten mit Aus-
nahme von a und d, welche bei mir im Vergleiche mit MILLER '
vertauscht sind. Wahlen wir das Okta&der e zur Grundform,
wie es auch G. Ross und Quenstepr gethan, so werden die
Flächenformeln folgende:
n=(a:b:ooc)
S —.1(@.:.0.2.00,6)
a=(a:005:00e)
b=(6b:002:80e)
ERIK)
k—(5:6:€:004)
PB (a:e:005):
Bei MıLLER sind die Formeln für n, s, e, k verschieden von
den obigen, weil. derselbe nicht n, sondern s ‚als Grundprisma
genommen hat. Die Krystalle zeigen eine deutliche Spalt-
barkeit parallel der Längsfläche 5. Ihre Ausbildung ist von
den bisher bekannten Olivinen dadurch auffallend verschieden,
dass die Tafelform durch das Vorherrschen der Längsfläche
bedingt wird. Da die Oberfläche der kleinen Krystalle nicht
610
glänzend ist, so konnte ich nur wenige annähernde Messungen
ausführen, welche indess jeden Zweifel über die Natur des
Minerals beseitigten. Ich fand die Winkel, welchen die Flächen
des Längsprismas an der Vertikalaxe ce bilden:
“PR 1 10,
ferner
f | 2b 110° 0.
Diese Messungen stimmen mit Rücksicht auf die nicht glän-
zende Öberfläche- der sehr kleinen Krystalle hinlänglich mit
den bei MıLLER aufgeführten Winkeln
KEkt= 80° 5a, Ve: 02110988
und eine ähnliche Uebereinstimmung fand ich für einige an-
dere Kanten, welche eine Messung zuliessen. Die Farbe der
Krystalle ist rein schwarz, zuweilen metallisch glänzend. “Von
derselben Farbe sah G. Rose, einer gütigen brieflichen Mit-
theilung zufolge, den Olivin, wenngleich nur derb, in dem Gab-
bro von Buchau bei Neurode. Die schwarze Farbe des Oli-
vins von Cuma lässt vermuthen, dass derselbe in ähnlicher Weise
zusammengesetzt sei wie der Fayalit oder die sich aus der
Eisenfrischschlacke so gewöhnlich ausscheidenden Olivin - Kry-
stalle. Aufgewachsene Olivine (von dem orientalischen edlen
Chrysolith abgesehen) beschrieb bereits vor 40 Jahren G.
Rose aus einem Obsidian ‚von Mexico (s. POGGENDORFF’S Ann.
B. X, S. 323. „Ueber den sogenannten krystallisirten Obsi-
dian“). Der Auffindung ähnlicher Olivine in der Lava von la
Scala (1631) wurde bereits oben gedacht.
Folgendes ist die Zusammensetzung des Trachyts von
Cuma (spec. Gewicht —= 2,514 bei 18° C.):
Chlor 2,7 0.0 1
Natrium "2.2.7: 7..0,90: "Sanuersien:
Kieselsäure . . . 61,23 82,65
Thonerder. 071849 8,62
Eisenoxydul . .-. 4,55 1,01
Kalkerde = =, >47 8152558] 0,52
Magnesia. . 70,34 0,14
Kal #08, „v7 20822,62 0,44 _
Natron. 7702.27°.-2#2107]0;15 2,62
Glühverlust . . . 0,17
100,57.
Sauerstoff - Quotient — 0,407.
611
Wir haben auf mineralogischem Wege als Bestandtheile
der Grundmasse erkannt: Sanidin, Augit, Magneteisen; der Ge-
halt an Chlor beweist die Gegenwart des Sodaliths. Nehmen
wir nun alsı Mischung des Sodaliths: Kieselsäure 37,05, Thon-
erde 31,75, Natron 19,15, Chlor 7,31, Natrium 4,74; als
Mischung des Sanidins: Kieselsäure 64,60, Thonerde 18,45,
Kali 16,95, und berechnen aus der Chlor-Menge obiger Ana-
lyse den Sodalith, aus dem Kali den Sanidin, so re sich,
dass der Trachyt von Ouma enthalte:
Sodalith 10,66 pCt.
Sanidin 15,45 „
Ziehen wir nun die Bestandtheile von 10,66 pCt. Sodalith
(Chlor 0,78, Natrium 0,50, Kieselsäure 3,95, Thonerde 3,39,
Natron 2,04) und von 15,45 pCt. Sanidin (Kieselsäure 9,98,
Thonerde 2,85, Kali 2,62) von der gefundenen Mischung des.
Cumanischen Trachyts ab, so bleiben als Rest 74,46 pCt.
mit folgenden Bestandtheilen: Kieselsäure 47,30, Thonerde
12,18, Eisenoxydul 4,55. Kalkerde 1,81, Magnesia 0,354, Na-
tron 8,11, Glühverlust 0,17. Auf 100 berechnet, werden die
vorstehenden Zahlen unter Vernachlässigung des kleinen Glüh-
verlustes:
Kieselsaure 63,68 _ Kalkerde 2,43
Thonerde 16,40 Magnesia 0,46
Eisenoxydul 6,12 Natron 10,91
Wir sind nicht in der Lage, mit ähnlicher Sicherheit wie für
Sodalith und Sanidin die procentische Menge des Augits und
des Magneteisens zu berechnen, weil die Oxydationsstufen des
Eisens nicht bestimmt worden sind, und jede Annahme der
_ Augit- Mischung eine willkürliche sein müsste. Da indess das
' Eisen, die Magnesia und ein Theil der Kalkerde dem Magnet-
eisen und Augit angehören, so ergiebt sich, dass diese beiden
Gemengtheile nur in sehr geringer Menge vorhanden sein kön-
nen. Als wahrscheinlich folgt aus dieser Darlegung, dass So-
dalitb, Sanidin, Augit und Magneteisen nur etwa 32 pCt. des
Gesteins bilden können, und dass die Hauptmasse desselben,
nämlich 68 pCt. eine Zusammensetzung haben müsse von
etwa 66 pÜt. Kieselsäure,: von 19 bis 20 pCt. Thonerde, 12
bis 13 pCt. Natron und wahrscheinlich einer kleinen Menge
Kalkerde. Sollte indess der Chlorgehalt des Gesteins auch
612
nur um ein Geringes zu hoch bestimmt sein und die wirklich
vorhandene Menge von Sodalith weniger betragen als 10,6 pCt.,
so würde sich in der Rest-Mischung die Kieselsäure um
einige pCt. vermindern, die Thonerde vermehren können. Das
Ergebniss ist demnach, dass nach Abrechnung der erkenn-
baren Gemengtheile ein Rest bleibt (dessen Menge gewiss
reichlich 65 pÜt. beträgt) von der Zusammensetzung des so-
genannten Oligoklases. Nach dem vielfach geubten Verfahren,
aus dem Resultate der Analyse eines gemengsten Gesteins. auf
das Vorhandensein bekannter Mineralien zu schliessen, wurde
man sich also zu der Annahme berechtigt wähnen können,
dass Oligoklas der wesentlichste Gemengtheil des Cumanischen
Trachytes sei, um so mehr, da in vielen Trachyten neben Sa-
nidin als Bestandtheil Oligoklas nachgewiesen worden ist.
Und dennoch glaube ich diese Deutung der Analyse als eine
willkürliche bezeichnen zu müssen, da ich bisher in keinem
Trachyte Neapels Oligoklas oder einen gestreiften Feldspath
gefunden habe (mit Ausnahme des Arso-Trachyts, in welchem
ein gestreifter Feldspath übrigens in höchst geringer Menge
vorhanden ist), halte mich indess berechtigt zu der Annahme,
dass als wesentlicher Gemengtheil .des Cumanischen Trachytes
vorhanden sei ein in quadratischen Prismen krystallisirendes
Mineral von oligoklasähnlicher Mischung. Ein solches Mineral
ist zwar bisher noch nicht bekannt, doch ist es nicht unwahr-
scheinlich, dass es gefunden werde.
In der Entfernung von 1 Miglie gegen Südosten vom Monte
di Cuma, von diesem durch den fast geradlinigen Rücken des Monte
Grillo geschieden, liegt der Averner-See oder Lago Cannito, _
welchen im Osten und Norden ein ausgezeichneter Kraterwall
umgiebt. Wenn ich dieses Maares hier erwähne, so geschieht
es, um einen Irrthum zu berichtigen. Horrmann sagt in seinen
„Geogn. Beobachtungen“, Karsten’s Archiv B. XII, S. 222:
„Am Lago d’Averno fanden wir Bimsstein- Conglomerate mit
Bänken von Leucitgestein wechselnd, wie am M. Somma
(folgt eine genauere Beschreibung des Gesteins). Früher sind
-keine Leucitgesteine in den Phlegräischen Feldern bekannt ge-
wesen, sondern nur Feldspathgesteine; es interessirte uns da-
her sehr, dasselbe in diesen Umgebungen aufzufinden.* Nach-
dem durch Dr. RotTH meine Aufmerksamkeit auf diese Angabe
gelenkt worden war, habe ich in Guiscarpi’s Begleitung den
613
inneren Kraterrand des Averner-Sees einer sorgsamen Beobach-
tung unterworfen, aber durchaus nichts gefunden, was Horr-
MANN’S Angabe bestätigen könnte. Es findet sich kein anste-
hendes Leucitgestein in diesem Kraterkessel, und namentlich
der Vergleich des Averner Walles mit dem überaus merkwür-
digen Somma-Ring, welcher aus vielfach wechselnden Bänken
von Lava und Schlacken (durchsetzt von vielen hundert Gän-
gen) gebildet wird, ist in keiner Weise zutreffend. Dass Horr-
MANN’ Ss Angabe auf einem Irrthume beruht, ist mir unzweifel-
haft, wenngleich ich die Veranlassung dieses Irrthums nicht
anzugeben weiss. Im Tuffe des Averner-Sees fand ich ein-
zelne Einschlüsse, Gemenge von Glimmer, Augit und Sanidin,
manchen Vesuvischen Auswürflingen ähnlich. Vom Ufer des
Averner-Sees wurde im Alterthume durch den nordwestlichen
Kraterwall ein unterirdischer Gang (Traforo, ähnlich dem
Tunnel des Posilipo) gegen Cuma hin gegraben, um diese Stadt
mit dem See auf nächstem Wege zu verbinden. Das Jahr-
hunderte lang verschüttete und vergessene Werk ist jetzt wie-
der aufgegraben.
Was das Vorkommen des Leueits in Phlegräischen Ge-
steinen betrifft, so möchte eine genauere Untersuchung na-
mentlich die trachytische Lava des Monte Nuovo verdienen.
Lavastucke von diesem Vulkane, welche AL. v. HunsoLpr
mitgebracht, enthalten in einer grünlichgrauen Grüundmasse
Sanidin und in grosser Menge kleine, weisse Leucitkörner, nach
G. Rose’s Bestimmung, s. Karsten’s Arch. B. XIN, S. 219,
Anmerkung.
In der Sammlung zu Neapel sah ich die merkwürdigen
Leucitophyre, welche durch Scaccaı am Monte di Procida, in
petrographischer Hinsicht einem der wichtigsten Punkte der
Campi Phlegraei, aufgefunden worden sind. Dieser Berg besteht
wesentlich aus Tuff, unter dem an verschiedenen Stellen Trachyt
hervortritt. Der Leueitophyr bildet isolirte Blöcke in einer Tuff-
schicht, welche am nördlichen Ende des Berges, nahe der Foce
del Fusaro, erscheint und zeigt die verschiedenartigsten Varie-
täten, darunter aber keine den Vesuvischen Leucitophyren ähn-
liche (s. Mem. geol. sulla Campania, p. 64). Da auch auf der
Insel Procida dem Tuffe untergeordnete leucithaltige Gesteine
vorkommen, so erkennen wir, dass die Verschiedenheit der
vulkanischen Erzeugnisse des Vesurs einerseits und der Phle-
he 614
gräischen Felder andererseits keine absolute ist; wie an mehre-
ren Punkten der letzteren Leucitgesteine auftreten, so finden
wir den Bimsstein als Eruptionsprodukt des Vesuvs 79 n. Ch.
(Pompeji).
An den Trachyt von Cuma reiht sich durch das Vorkom-
men von Sodalith der Trachyt vom Monte Olibano nahe Poz-
zuoli. Bei unserem Besuche dieses Berges hatte Guıscarnı
die Gute, mich auf einige, von ihm vor Kurzem beobachtete
Lagerungsverhältnisse aufmerksam zu machen.
Der Monte Olibano, 1 Miglie von Pozzuoli gegen Osten ent-
fernt, erhebt sich unmittelbar aus dem Meere bis 523 Fuss
(nach Scaccaı). Der Gipfel des Berges ist kaum } Miglie von
der Solfatare entfernt und von ihr durch eine flache Thalsen-
kung geschieden. Wenn auch die Trachytmasse des Monte Oli-
bano aus dem Krater der Solfatare in seiner jetzigen Gestalt
nicht geflossen sein kann, so steht sie dennoch zu jenem Schlunde
in enger Beziehung und stellt sich gleichsam als eine Seiten-
eruption dar. Während der Trachyt mit seiner südlichen Spitze,
welche durch grosse Steinbrüche eröffnet ist, bis unmittelbar
zum Meeresniveau hinabsinkt, zieht sich gegen Osten und
Westen das Eruptivgestein zum Theil in vertikalen Felsen
anstehend etwas vom Meere zurück und lässt die unterlagern-
den Schichten erkennen. Der Trachyt bildet demnach eine
stromartig ergossene Decke über älteren geschichteten Massen
und hängt gleichsam in einer Zunge über jene hinweg bis zum
Meere hinab. Besonders deutlich ist diese Auflagerung am
östlichen Ende der Trachytmasse entblösst. Zuunterst lagert
ein gelber Bimssteintuff, derselbe, welcher den benachbarten Monte
Dolce zusammensetzt. Auf dieser ältesten Bildung ruht eine
im Maximum 1] Met. mächtige Schicht von Meeressand, vorzugs-
weise aus Sanidinkörnchen bestehend und mit eingeschalteten,
dunnen® Streifen von Magneteisen. Diese Sandschicht, welche
jetzt 9 Met. über dem Meeresspiegel sich befindet, bezeichnet
einen älteren Wasserstand, den man bekanntlich überaus deut-
lich auch westlich von Pozzuoli längs der Starza erkennt. Es
folgt eine etwa 10 Met. mächtige Bank von schlackigem Trachyt,
zum Theil als ein Conglomerat ausgebildet; darüber liegt der
feste Trachyt, welcher gleichsam die Decke des Berges bildet.
Es ist nicht unwahrscheinlich, dass hier zwei Trachytstrome
über einander geflossen sind.
615
DerTrachyt vomM. Olibano, welcher in feinkörniger Grund-
masse grosse Sanidinzwillinge enthält, zeigt auf zahlreichen Kluf-
ten folgende Mineralien ausgeschieden: Sanidin, theils in grösse-
ren Krystallen, theils in ganz kleinen, scheinbar sechsseitigen
Täfelchen, nicht selten mit der Querlläche; Sodalith in ein-
fachen und Zwillingskrystallen; Augit in sehr kleinen, grünen
Krystallkörnern mit etwas gerundeter Oberfläche; Hornblende
in zierlichen Krystallen von brauner Farbe, welche das eigen-
thümliche Ansehen jener Hornblende-Krystalle aus der Fuma-
rolenspalte von Plaidt zeigen, indem sie nämlich aus unzähli-
gen kleinsten Kryställchen zusammengesetzt erscheinen; end-
lich Kalkspath in langspiessigen Krystallen. Die Grundmasse
lässt unter dem Mikroskop Sanidin, Augit, Hornblende, Magnet-
eisen und wenig Sodalith erkennen. Aus den Kluften dieses
Trachyts führt Sparzanzanı Eisenglanz auf, welches Mineral
seitdem dort nicht wieder beobachtet worden ist.
Sodalith-Trachyt, ein Gestein, welches ebenso bezeichnend
für die Umgebung Neapels ist, wie die so ähnlichen Nosean-
Gesteine für das Laacher-See-Gebiet, findet sich wieder auf der
Insel Ischia. Es giebt wohl keine Oertlichkeit, wel-
che für das Studium des Trachyts, seiner verschiedenen Lage-
rungsformen und seiner Entstehung, so wichtig wäre, wie dies
kleine Eiland. Eine kolossale Bildung von trachytischem Tuff,
welcher“ zu einem 2450 Fuss hohen, wahrscheinlich ehemals
'submarinen, kraterförmigen Gipfel sich aufthürmt; eine an den
Abhängen desselben bis über 1500 Fuss sich hinaufziehende
Mergelthonschicht, deren organische Einschlüsse fast ganz über-
einstimmen mit den noch jetzt im Mittelmeere lebenden Ge-
schöpfen; Trachyt in verschiedenen Abänderungen nebst Obsi-
dian und Bimsstein setzt theils geschlossene Bergkuppen, theils
Kratere, Gänge und Lavaströme zusammen, darunter den be-
ruhmten Strom Arso (den einzigen trachytischen Strom dieses
Theils von Europa aus historischer Zeit); eine noch fort-
dauernde vulkanische Thätigkeit, welche sich in den heissen
Wasserquellen von Casamiceiola offenbart und in noch auffal-
lenderer Weise in den zahlreichen Dampfquellen, die dem west-
lichen Abhange des Centralberges entsteigen: dies sind einige
der wichtigsten Thatsachen, welche sich auf diesem überaus
merkwürdigen Eilande dem Studium des Geologen darbieten.
In Gebieten eines erloschenen Vulkanismus, gleich demjenigen
616
unseres Niederrheins, dessen Trachytkegel sich während der
Bildung der Tertiärschichten erhoben, ist die ächt vulkanische
Entstehung des Trachyts nicht so klar, dass sie nicht auch in
neuerer Zeit hätte bezweifelt werden können. Wer aber Isehia
und die Beschaffenheit uud Lagerung der dortigen Gesteine
untersucht, kann nicht bezweifeln, dass der Trachyt überhaupt
feuriger Entstehung ist. Die Mineral-Produkte jener Insel, die
Thermen und Dampfquellen, die sucecessiven Hebungen wie die
Erschütterungen des Bodens erweisen sich auf der Campani-
schen Insel in ihrem unleugbaren Zusammenhang als Manifesta-
tionen derselben vulkanischen Kräfte. +
Die geologische Kenntniss Ischias verdankt man vorzugs-
weise Fonseca (Descriz. e .carta geolog. dell’ isola d’Ischia,
1847) und Scaccaı (Mem. geol. s. Campania, p. 67—78, 1849).
Die der Arbeit des ersteren beigefügte, sorgsam ausge-
führte Karte hat den Maassstab 1:25000 (s. Rorz, der Vesuv,
S. 522—-529). |
Ischia hat eine rhomboidische Gestalt; ihre grösste Länge
von Westen nach Osten beträgt 3+ Miglien, die Breite zwi-
schen 4 (am westlichen Ende der Insel) und 21 Miglien (am
östlichen Ende). Von der Hauptmasse der Insel laufen meh-
rere Vorgebirge aus, so der Monte Zale gegen Nordwesten, der
Monte dell’ Imperatore gegen Sudwesten und die Punta di S. Pan-
crazio gegen Sudosten, und einige kegelförmige Felsen trennen
sich gänzlich von der Hauptinsel oder sind nur durch ‘eine
schmale Nehrung mit derselben verbunden, so die Rocca d’Ischia
und der Monte S. Angelo. Aufihrer noch nicht völlig eine geogr.
Quadratmeile (15 auf 1°) grossen Oberfläche bietet die Insel eine
ausserordentlich verschiedenartige Gestaltung und ein sehr ver-
schiedenes Ansehen dar. Die mit einer üppigen Vegetation bedeck-
ten, kleinen Ebenen von Ischia, Bagno, Forio oder die Hügel von
Casamicciola constrastiren eben so sehr von den nur mit Buschwerk
versehenen, kegelformigen Trachytbergen des mittleren Insel-
theils, wie diese von den sterilen Felsen des Monte Zale, oder
den aus Bimsstein, Obsidian und Schlacken gebildeten Krateren
des nordöstlichen Inseltheils. Und doch erreichen letztere an
rauher Wildheit nicht die immer noch todte, unverwitterte Fels-
fläche Arso, obgleich sie mehr als ein halbes Jahrtausend dem
zerstöorenden Einflusse der Atmosphäre ausgesetzt ist. Der
hochragende Epomeo selbst trägt mit Ausnahme der schroffen
617
Erosionsschluchten und Rutschflächen dichten Pflanzenwuchs.
So bietet ein und dieselbe Mineralmasse, in chemischer Hin-
sicht wesentlich gleich, der trachytische Tuff, der krystallini-
sche Trachyt, die poröse Lava, Bimsstein und Obsidian, sehr
verschiedenartige Bedingungen für die mechanische und che-
mische Zertheilung und demnach für den Pflanzenwuchs dar.
Die gewaltige Masse des Epomeo besteht aus einem charakte-
ristischen grünen Tuff, welchen man mit keinem anderen des
Phlegräischen Gebietes verwechseln kann. Die Hauptmasse
dieses Tuffs ist von licht graulichgrüner Farbe; darin liegen
diebtgedrängte} eckige Stückelien von gelber Farbe und fasriger
Structur, welche zersetzter Bimsstein oder bimssteinähnlicher
‚ Trachyt sind, ferner viele Krystalle von Sanidin, Augit, Glim-
mer und Magneteisen. Der grünliche Tuff setzt mit grosser
Gleichformigkeit das Centrum der Insel mit dem Epomeo, so-
wie dessen westliches Gehänge bis zum Meeresspiegel zusam-
men., Bis zu gleicher Höhe wie auf dieser Insel ist der ma-
rine vulkanische Tuff weder an einem anderen Punkte des
Phlegräischen Gebietes, noch vielleicht irgendwo in Italien er-
hoben. Der Tuff enthalt an manchen Stellen, so namentlich
südlich von Casamiceiola, eine Menge von Einschlüssen obsi-
dian- oder pechsteinähnlichen Trachyts. Den Beweis einer
Erhebung des Tuffgebirges und damit des ältesten Theils der
Insel aus der Meerestiefe empor liefert jene merkwürdige Mer-
gelthonschicht, welche am nördlichen, östlichen und südlichen
Gehänge des Epomeo verbreitet ist und vom Meeresspiegel
bis zu etwa 1500 Fuss hinaufzieht. Dieselbe enthält Mollusken- *
Schalen, welche fast sämmtlich mit den noch jetzt im Mittel-
meere lebenden übereinstimmen und dadurch für jene Ablage-
rung eine posttertiäre Entstehung erweisen. Während die In-
dividuen sehr zahlreich, sind der Species nur wenige; am häu-
fissten ist Buceinum prismaticum Broc. (s. Rot, Vesuv, S. 524;
FonszcA, Ischia, p. 8). Oestlich vom Epomeo erblickt man
eine grössere Anzahl kegelförmiger Berge (Lo Toppo, Trip-
piti, Vetta, Telegrafo, Casino Maisto), welche aus porphyr-
artigem, massigem Sanidin-Trachyte bestehen. Derselbeu Tra-
chyt-Abtheilung gehören trotz ihrer verschiedenen Erstarrungs-
modificationen alle Trachyte Ischias an. Das Gestein jener
Kegelberge ist sehr gleichartig; ohne schlackige Gebilde scheint
es in seinen jetzigen Formen aus der Tiefe emporgehoben zu
Zeits.d.d.geol.Ges XVII.3. 40
618
sein. Der Thonmergel ruht wahrscheinlich auf diesen Tra-
chyten, welche sich demnach wie der grüne Tuff des Epomeo
als die älteste Bildung der Insel darstellen würden. In grösseren
Massen tritt Trachyt nochmals auf im äussersten Nordwesten
der Insel, woselbst das Gestein ein vom übrigen Körper der
Insel scharf gesondertes Glied bildet; es sind hier nicht regel-
mässig geformte Kegelberge, sondern plateauähnliche, wild
zerschnittene Höhen, Monte Zale, Vico und Marecoco, Der Tra-
chyt ist hier durch Bimssteintuff hervorgebrochen, zum Theil
mit schlackigen Gebilden bedeckt und zu wahren Felsmeeren
zertrümmert. An einigen Punkten der Küste (M. Vico) ist das
Gestein- unvollkommen säulenförmig zerklüftett. Das südliche
Inselgestade wird vorzugsweise durch Schichten trachytischen
Tuffs gebildet; es zeigen sich aber an diesen meist einige hun-
dert Fuss hohen, meist felsigen Ufern eine grosse Zahl von
Trachytgängen,' welche theils steil aus dem Meere emporstei-
gend die Tuffstraten durchschneiden, theils sich zwischen die-
selben einsehalten und weit fortsetzen. An ihren Grenzen ver-
binden sich diese Gänge innig mit den Tuffen, und man kann
nicht zweifeln, dass sie einer Lava gleich in den lockeren
Massen emporgedrungen und später durch die Brandung ent-
blösst worden sind. Im nordöstlichen Inseltheile erscheint
der Trachyt in deutlichen Krateren, deren Wälle hoch mit
Bimsstein, gemengt mit Obsidian und trachytischen Schlak-
ken, überstreut sind, Monte Rotaro, Montagnone. Die Lava
des Monte Rotaro ist über den Thonmergel geflossen, wel-
cher sich durch die Hitze gebrannt zeigt. Nur vermuthungs-
weise kann man auf die Kratere Rötaro oder Montagnone jene
ältesten bekannten Eruptionen beziehen, deren STRABO und JUL.
OBSEQUENS erwähnen. Im Strome . Arso (1301)*) aber und»
seiner noch unverwischten Verwüstung liegt ein Zeugniss der
noch in vergleichsweise später historischen Zeit fortwirkenden
vulkanischen Kraft, welche zwar seit Jahrhunderten schlum-
mert, aber einst sich wieder energischer manifestiren könnte,
wie jetzt im Archipel der Cykladen. Nach dieser allgemeinen
Uebersicht lernen wir einige Punkte des Trachyteilandes näher
kennen.
*) SPpaLLanzanı setzt den Ausbruch dieses Lavastroms in das Jahr
1302.
619
Kaum tausend Fuss von der Hauptstadt der Insel und
der Küste entfernt, mit dieser. durch eine Brücke verbunden,
erhebt sich aus dem Meere mit fast senkrechten Wänden ein
kegelförmiger Fels, der’das Castel d’Ischia trägt. Eine tafel-
formige Zerklüftung, steil gegen Süden fallend, zertheilt den
Fels, welcher aus Sodalith-führendem Sanidin-Trachyt besteht.
Auf dies Gestein und die in demselben vorkommenden, dode-
kaödrischen Krystalle scheint Pırıa (s. Rora, Vesuv, S. 200)
zuerst aufmerksam gemacht zu haben; er hielt sie indess gleich-
wie auch v. Buch für Granate. Erst FoxsecA*) führt in seiner
Beschreibung der Insel Ischia jene Krystalle richtig als Soda-
lithe auf. Die Sodalithe sind theils von weisser, theils von
röthlicher Farbe. Nach Rora ist der Trachyt der Rocca oft
durch Chlorwasserstoffsäure zersetzt: „feine Eisenglanzpunkte
deuten den Ursprung jener Säure an.“ Auch unmittelbar nörd-
lich der Stadt Ischia am Gestade geht eine Trachytmasse zu
Tage (auf welcher das Haus des Herrn n’Oro steht), ganz er-
füllt mit kleinen Eisenglanzblättchen (nach FoxsecA). Die in
Hohlräumen und Poren des Trachyts erscheinenden Eisenglanze
weisen darauf hin, dass die Gesteinsmasse von Fumarolen
durchstrichen wurde. Zu Neapel sah ich aus dem Trachyte
der Rocca körnig krystallinische Einschlusse aus Sanidin und
Titanit bestehend, durchaus gewissen Laacher Auswürflingen
ähnlich. Südlich der Stadt Ischia, mit der Scoglio di S. Anna
beginnen jene merkwürdigen, dem Bimssteintuff zwischengeschal-
teten trachytischen Lagergänge, welche längs des grösseren
Theils der Sudkuste sich wiederholen und besonders ausge-
zeichnet am zerrissenen südwestlichen Felsgestade der Insel
erscheinen. Am südlichen Vorsprunge der Insel, der Punta
di S. Pancrazio, steigt über die Meeresfläche eine gangartige
_Trachytmasse empor, von welcher sich Gänge ablösen, zwischen
die Straten des Bimssteintuffs einschieben und sich endlich aus-
keilen. Westlich von der Klippe S. Pancrazio beginnt das
Scarrupata genannte Felsgestade, an welchem man gleichfalls
*, Fern. Fonseca kämpfte 1845 gegen Oesterreich und wurde ge-
fangen nach Leitmeritz geführt. Nach seiner Befreiung lebte er zwar
einige Jahre noch in Neapel. sah sich indess dann durch die nun besei-
tigte Regierung genöthigt, seine Heimath zu verlassen und nach Toscana
überzusiedeln, woselbst er, ein Geschäft gründete. und der Wissenschaft
verloren ging.
40 *
620
auf eine Strecke von etwa 1+ Miglie ein den Bimssteintuff-
schichten horizontal eingeschaltetes Trachytlager beobachtet.
Von diesem Sodalithtrachyt von Scarrupata hatte Herr G. RosE
“die Güte, mir einige von ihm selbst 1850 dort geschlagene
Stücke mitzutheilen. Diese zeigen, wenngleich als von dem-
selben Fundorte bezeichnet, einige Verschiedenheiten, weshalb
ich sie als erste, zweite, dritte Varietät aufführen werde. Ich
strebte zunächst die Zusammensetzung der Sodalithe selbst zu
ermitteln, wozu die erste Varietät die Möglichkeit darbot.
Der Sodalithtrachytvon Scarrupata, 1ste Varietät,
ist seiner Hauptmasse nach ein schuppiges Aggregat kleinster
tafelformiger Sanidine, welche unter dem Mikroskope deut-
lich ihre Form erkennen lassen; in gewissen Partieen des Ge-
steins sind die feinen Sanidine zu einer für das Mikroskop
unauflöslichen Grundmasse verbunden, in welcher zahllose
kleine Sanidine eingebettet sind. In dieser Gesteinsmasse lie-
gen bis } Zoll grosse Sanidintafela von dem bekannten rissigen
Ansehen. Der Sodalith findet sich theils in einfachen regelmässig
granato@drischen Krystallen, theils in Penetrationszwillingen,
s. Taf. X. Fig. 10 (doch ohne Würfelflächen), parallel einer
trigonalen Axe verlängert, meist kaum 4 Linie gross, von röth-
lichgelber Farbe, welche gewöhnlich nur der äusseren Zone
der Krystalle zukommt, da das Innere weiss ist. Die Sodalithe
sind häufig unrein und umschliessen einen fremdartigen Kern,
in welchem man ein Gemenge der übrigen Gesteinsbestand-
theile erkennt. Augit bildet einen zwar untergeordneten, doch
wesentlichen Gemenstheil, in schön ausgebildeten, doch meist
so kleinen Krystallen, dass sie dem blossen Auge unsichtbar
bleiben, von gelblichbrauner Farbe. Ausserdem Titanit in et-
was grösseren, doch kaum + Linie erreichenden Kryställchen,
gelb, von Demantglanz; es konnte,an einem Krystalle. (einer
Combination der herrschenden Flächenpaare n und r) der
Winkel r:r' (113° 51’) annähernd bestimmt werden. Zahlrei-
che Magneteisen-Kryställchen. 5
Das specifische Gewicht der Sodalithkrystalle ist 2,401;
dasselbe ist indess unzweifelhaft etwas zu hoch bestimmt wegen
der umschlossenen fremdartigen Mineraltheile. Auch zur Ana-
lyse war es nicht möglich die Substanz rein auszusuchen trotz
mehrtägiger, aufgewandter Mühe. Es wurde demnach das Mi-
neralpulver theils in Chlorwasserstoffsänre, theils in Salpeter-
621
säure gelöst, wobei sich bei gehöriger Verdünnung eine klare
Auflösung des Sodaliths bildete, von welcher die zurückbleiben-
den Verunreinigungen, Sanidin, Augit, Magneteisen, geschieden
wurden. Durch Abdampfen der Lösung zur Trockniss wurde
die Kieselsäure abgeschieden. Demnach ist die Zusammensetzung
des Sodaliths aus dem Trachyt von Scarrupata:
Chlor . . 6,96
Natrium . 4,51
Kieselsäure 37,30
Thonerde 27,07
Eisenoxyd 4,03
Kalkerde 0,43
Magnesia 0,73
Kalx..>b:3314519
Natron . 16,43
Glühverlust 3,12
101,77.
Dieser eingewachsene Sodalith ist demnach in derselben
Weise zusammengesetzt, wie der von RAMMELSBERG untersuchte,
‚mit Augit und Glimmer verbundene, farblose Sodalith aus Vesu-
vischen Auswürflingen, dessen Formel er bildet aus 6Si, JA,
3Na, 1Na, 1Cl. Diese Formel verlangt: Chlor 7,31, Natrium
4,74, Kieselsäure 37,06, Thonerde 31,74, Natron 19,15. Diese
berechnete Mischung stimmt gewiss mit der gefundenen so gut
überein (unter Annahme der Vertretung eines Theils der Thon-
erde durch Eisenoxyd), wie man es überhaupt bei einem so unrein
aus der Gesteinsmasse ausgeschiedenen Minerale erwarten kann.
Das ganze Gestein, Sodalithtrachyt 1ste Var. besitzt
folgende Zusammensetzung (bei einem spec. Gew. = 2,445
bei 20° C.):
Chlor . . 0,65
Natrium . 0,42 Sauerstoff:
Kieselsäure 62,95 33,971
Thonerde . 17,26 8,06
Eisenoxydul 4,46 0,99
Kalkerde . 0,84 0,24
Magnesia . -0,63 0,25
Kalte 22606 1,03
Natron . 7,17 1,86
Glühverlust 0,85
101,29.
Quotient der Sauerstoffzahlen = 0,3702.
622
Die im analysirten Gesteine mineralogisch erkennbaren
Mineralien genügen nicht, um aus ihnen die Gesammtmischung
des Gesteins zu erklären, wie man leicht aus folgender De-
duetion ersieht. Legt man den Chlorgehalt zu Grunde bei
Berechnung des Sodaliths gemäss der RAmwELSBERG’schen
Formel, so ergiebt sich die Menge desselben = 8,87 pCt.
(Chlor 0,65, Natrium 0,42, Kieselsäure 3,3, Thonerde 2,8,
Natron 1,7). Berechnet man in gleicher Weise aus dem Kali
den Sanidin, so resultirt dessen Menge = 36,06 pCt. (Kiesel-
säure 23,3, Thonerde 6,7, Kali 6,06). Die nach Abzug die-
ser beiden Mineralien übrigbleibenden Bestandtheile betragen
56,38 pCt. des Gesteins (nämlich Kieselsäure 36,3, Thonerde
7,8, Eisenoxydul 4,46, Kalkerde 0,84, Magnesia 0,63, Natron
5,5, Glühverlust 0,85) und enthalten noch die Mischung der
mineralogisch erkennbaren Gemengtheile Augit und Magnet-
eisen. Es ist aber aus den vorstehenden Zahlen ersichtlich,
dass die Menge dieser beiden nur ca. 10 pCt. betragen kann.
Der Rest (nahe 46 pCt. des ganzen Gesteins) besitzt eine
derjenigen des Albits ähnliche Mischung. Legen wir indess
bei obiger Rechnung, statt der durch die Formeln eerheischten
Mischungen, solche zu Grunde, welche wir in geeigneter Weise
aus der Zahl der Analysen aussuchen können, so wird es uns
gelingen, ohne die Fehlergrenze der ausgeführten Gesteinsana-
Iyse zu überschreiten, die Rechnung der Art zu leiten, dass
der Rest eine oligoklasähnliche Mischung, erhält. Die Dis-
_ eussion dieser Analyse führt uns demnach zu einem ähnlichen
Ergebnisse, wie die Analyse des Cumäischen Trachyts.
Die 2te Varietät des Sodalithtrachyts von Scarru-
pata besitzt dasselbe körnig schuppige Sanidin-Gemenzge; darin
ausgeschieden: Sanidin, Sodalith, grünlichschwarzer Augit, we- .
nig Titanit und Magneteisen. Eine sonderbare Bewandtniss
hat es mit den Sodalithen; ihre Form prägt sich bei Betrach-
tung des Gesteins sogleich aus; denn auf der Bruchfläche sind
durch feine, schwarze, mehr oder weniger unterbrochene Säume
die Granato@der-Umrisse gezeichnet. Betrachtet man die Sache
genauer, so findet man gewöhnlich den Sodalith mehr oder
weniger zerstört und einen Theil des Krystallraums mit einem
Aggregat von Sanidin, Augit, Titanit, Magneteisen erfüllt, wel-
che Mineralien in sehr zierlichen Krystallen zuweilen auch. die
Innenwände der granatoädrischen Räume bekleiden. Die zer-
623
setzte Sodalithmasse hullt zuweilen noch jene Einschlusse ein;
zuweilen ist dieselbe auch ganz verschwunden. Den Chlorge-
halt dieser Varietät fand ich = 0,90 pCt., woraus sich eine
Sodalithmenge von 12,3 pCt. ergiebt.
Die öte Varietät, der vorigen sehr ähnlich, doch frischer
und fester, eine körnig schuppige Sanidin- Grundmasse mit
ausgeschiedenen Krystallen von Sanidin, Sodalith, Augit, dun-
kelbraunem Glimmer, wenig Titanit. Die Sodalithe fallen auch
hier in’s Auge durch ihre schwarze Umrandung, welche vor-
zugsweise durch sehr kleine Augitkrystalle gebildet wird. Die
Sodalithe sind theils homogen, theils aber auch mit Augit,
Magneteisen, Titanit verunreinigt. Spec. Gew. = 2,547.
Chlor)... 0,34
Bekriin 0. 0,22 Sauerstoff:
Kieselsäure 65,75 35,06
Thonerde . 17,87 8,94
Eisenoxydul 4,25 0,94
-Kalkerde '. 1,33 0,38
Magnesia . 0,52 0,21
Ka MON ag 0,59
Natron 7.8 251.5236 1,38
Glühverlust 0,78
99,90.
Quotient der Sauerstoffzahlen — 0,3377.
In keinem der Sodalith- Trachyte konnte eine Spur von
Schwefelsäure nachgewiesen werden.
Bei einer Vergleichung der vorstehenden Analyse mit der-
jenigen der 1sten Varietät offenbart sich, dass dem geringeren
Chlorgehalte eine Zunahme der Kieselsäure entspricht, was
mit einer geringeren Beimengung von Sodalith im Einklange
steht. Wenn wir wieder verfahren wie oben, so ergiebt sich
aus dem Chlor (= 0,34 pCt.). die Menge des Sodaliths —= 4,66
pCt. (Chlor 0,34, Natrium 0,22, Kieselsäure 1,7, Thonerde 1,5,
Natron 0,9). Aus dem Kali berechnet sich die Menge des
Sanidins — 20,54 pCt. (Kieselsäure 13,3, Thonerde 3,8, Kali
3,48). Nach Abzug dieser beiden Gemengtheile bleiben 74,72
5
*) Bei einer zweiten Chlor-Bestimmung wurde die Menge desselben
nur 0,25 pCt. gefunden, entsprechend —= 0,16 Natrium.
: 624
pCt. des Gesteins übrig (nämlich Kieselsäure 50,76, Thonerde
12,61, Eisenoxydul 4,25, Kalkerde 1,33, Magnesia 0,52, Na-
tron 4,47, Glühverlust 0,78). Diese Restbestandtheile‘ enthal-
ten noch Augit und Magneteisen, nach deren Abrechnung (wel-
che wir, als auf zu unsicheren Daten beruhend, nicht ausfuh-
ren) wiederum eine albitähnliche Mischung bleibt, welche in
diesem Falle etwa zwei Dritteln des ganzen Gesteins zukom-
men muss. \
Ausser an den genannten Orten findet sich Sodalith auf
dem Eilande als Gemengtheil der Trachyte noch am Monte Toppo
und an der Punta del Imperatore.*) Diese Vorkommnisse auf
Ischia sind die einzigen, welche den Sodalith eingewachsen im
Trachyt dem blossen Auge deutlich sichtbar zeigen. Dies ist
hier hervorzuheben unter Hinweis auf die ungenaue Angabe
des hochverdienten Scacchı, welcher in seinem Aufsatze „Sili-
cati del M. di Somma e del Vesuvio prodotte per effetto di
sublimazioni* (Rendic. Acc. Scienze, 1852 und RotH, Vesuv,
S. 380) sagt: „Nella trachite dei Campi flegrei e delle vicine
isole di Procida e d’Ischia abbiamo pure assai frequenti i cri-
stalli di sodalite aderenti alle pareti delle piccole cavita o delle
interne fenditure, e non mai nella massa compatta della
roccia.* Und doch hatte FosszcA schon ‚5 Jahre zuvor die
sodalithführenden Trachyte Ischias erwähnt. Die Bedingun-
gen zur Erzeugung des Sodaliths — dieser so complicirten
‚chemischen Mischung — scheinen nur selten erfüllt gewesen
zu sein, da dies Mineral zu den seltensten gehört. Scacchı
ist der Ansicht, dass die Sodalithe, welehe in Drusen und
Spalten der Vesuvlaven und der Phlegräischen Trachyte sich
finden, durch Sublimation (col concorso di materie gassose)
sich gebildet haben; und ich stimme dieser Ansicht vollkom-
men bei, indem ich in Bezug auf die im Trachyte eingewach-
*) Auch der Trachyt des Monte Spina nalie dem Lago d’Agnano ent-
hält bekanntlich Sodalith (Roru, Vesuv, S. 499; Des Croızeaux, Miner.,
p. 922). Bekannt ist, dass in den Drusen dieses Gesteins Eisenglanz
theils in rhombo&drischen Formen, theils in den Formen des Magnet-
eisens erscheint, daneben zierliche kleine Quarzkrystallee. An einigen
dieser Quarze erscheint ausser dem Dihexa@äder und dem Prisma, mit
grosser Regelmässigkeit die abwechselnden Combinationskanten .der ge-
nannten Formen abstumpfend, das Rhombo&der“(4a :4a: wa: c), welches
bei G. Rese die Bezeichnung 2r, bei Drs Croızeaux e° führt.
-
625
senen Sodalithe die Bemerkung hinzufüge, dass dieses Vor-
kommen die Mitwirkung von Dämpfen (Chlorwasserstoffsäure
und Ohloriden) in keiner Weise ausschliesst. Man sieht die
Lava wohl aus den vulkanischen Schlunden: hervorsturzen ;
ohne Dämpfe auszustossen, bewegt sich die feurig flüssige
Masse dahin. Keine erstickenden Gase, nur die Gluth hindert,
sich dem Strome zu nähern. Doch im Momente der Erstar-
rung bricht die Lava wieder auf, und nun erst entsteigen ihr
Gase von Ohlorwasserstoff, schwefliger Säure, Kochsalz, Eisen-
chlorid, Kupferchlorid etc. Man sieht dies Alles wohl, aber
die Vorgänge selbst sind noch sehr in Dunkel gehullt. Die
krystallinische Lava mit ihren krystallerfüllten Drusen ist für
den Geologen ein Räthsel, dessen Lösung der Erklärung der
älteren Gesteinsbildungen, der altvulkanischen und plutonischen,
“ vorhergehen muss. In Bezug auf letztere. ist es wichtig her-
vorzuheben, dass der Sodalith,- ausser an den genannten vul-
kanischen Oertlichkeiten, ferner vorkommt im Miaseit des
Ilmengebirges, im Syenit der Insel Lamo& bei Brevig in Nor-
wegen, in gleichem Gesteine an einigen Punkten des nördli-
chen Amerikas, sowie im Gneisse von Kangerdluarsuk in Grön-
land. Da der Sodalith in den neueren Lavaströmen des Vesuvs
sich bildet, so müssen wir schliessen, dass die Bedingungen
für Mineralbildung in jenen alten Gesteinen ähnliche gewesen
seien, wie in der Vesuvlava. In der Nähe der Stadt Ischia
bietet sich für den Geognosten eime der grössten Sehenswür-
digkeiten dar, der Trachytstrom Arso (die verbrannte Flur),
die einzige bisher bekannte, in historischer Zeit geflossene
trachytische Lava. Der Krater oder Schlund, dem diese Lava
entquollen, liegt am östlichen Fusse des Monte Trippiti, 430
Fuss über dem Meere (der Kraterrand). Der Strom wandte
sich mit steilem Falle, nur Schlacken zurucklassend, zunächst
gegen Osten, dann gegen Nordosten, eine sanft geneigte Ebene
bedeckend, bis in’s Meer hinaus. Die Länge des Stroms ist
15 Miglie, die grösste Breite zwischen Ischia und Bagno + Misglie.
Der Ärsokrater (auch le Cremate genannt) ist nicht mehr sehr
deutlich. Indem ich aber dem Strome an seinem südlichen
Rande folgte, erfreute ich mich nahe seinem Ursprunge eines
prächtigen Anblicks: aus dem höher liegenden Schlunde stürzt
die schlackige Lava beiderseits von hohen Schlackenwällen
(wie ein Gletscher von seiner Moräne) eingeschlossen.’ Es ist
626
z
jetzt über den ebenen Theil der Lava ihrer Länge nach eine Fahr-
strasse geführt; hier sollte man, die noch starren und sterilen Fel-
sen erblickend, kaum glauben einen über 560 Jahre alten Strom
vor sich zu haben. Die Oberfläche der Lava ist schlackig und
bietet vielfach jene eingestürzten Gewölbe dar, unter denen
sich die geschmolzene Masse fortbewegte; auch sieht man
sonderbare, hoch aufragende Schlackenspitzen, welche dem An-
‚scheine nach aufsprudelnder Lava ihre Entstehung verdanken.
Die Dicke des Stroms wird von ScaccHı nur zu 4 Met. ange-
geben, doch scheint dieselbe in der Ebene bedeutender zu sein;
denn bei Bagno sieht man den Strom über der Ebene empor-
steigen gleich einer Wand von mindestens 60 Fuss Höhe.
Wo die Lava langsam erstarrte, ist sie steinartig, durchaus
krystallinisch. Die schwarze, poröse Grundmasse, welche nicht
ganz unähnlich derjenigen unseres Niedermendiger Steins ist,
umschliesst dem. blossen Auge sichtbar Sanidin, Augit,
Olivin, Manesiaglimmer und wenig Magneteisen,
ausserdem sehr wenige, aber deutliche Täfelchen eines trikli-
no&ädrischen Feldspaths. Von diesen Mineralien herrscht
Sanidin immer-vor, daneben ist bald Augit, bald Olivin häufiger.
Unter dem Mikroskop zeigt sich die Grundmasse vorzugsweise
aus kleinen prismatischen, farblosen Krystallen zusam-
mengesetzt, welche, wie man sogleich mittelst polarisirten
Lichtes erkennt, ganz bestimmt nicht Sanidin sind. Die Endi-
gung dieser Krystalle ist nicht deutlich zu erkennen, doch
scheinen sie mir dem quadratischen Systeme anzugehören.
Neben diesen Prismen ist in geringerer Menge ein in regulären,
rundlichen Körnern krystallisirtes Mineral vorhanden, welches
ich nur für Leucit halten kann. Während die kleineren Sa-
nidine (wie die mikroskopische Betrachtung ergiebt) von der
Lavamasse stets rings umschlossen sind, ist dies bei den
grösseren nicht immer in gleicher Weise der Fall, indem näm-
lich häufig Hohlräume die grösseren Krystalle theilweise um-
geben. Es wird hierdurch offenbar, dass die grösseren Sani-
dine sich bereits aus der Lava ausgeschieden hatten, als diese
sich noch bewegte, dass die kleinen Sanidine sich später .bil-
deten und noch später die quadratischen Prismen; denn diese
gruppiren sich um die anderen Gemengtheile. Die Poren des
Gesteins haben eine von sehr feinen Kryställchen, welche auch
die Grundmasse constituiren, erglänzende Oberfläche, woraus
627
zu folgern ist, dass während der Entwicklung und des Durch-
streichens der Dämpfe durch die Lava die Ausscheidung jener
kleinsten Krystalle erfolgte. Ich muss hier einen Irrthum
SPALLANZANIS, des genialen Naturforschers, berühren, welcher
(Reisen in beide Sicilien, I, 169) bei Gelegenheit eines Besu-
ches Ischias 1788 einige Beobachtungen üher die Arso-Lava
mittheilt. „Betrachtet man, sagt SPALLANZANI, die Feldspathe
der Lava aufmerksam, so wird man zu glauben veranlasst,
dass der Brand als die Ursache dieses Stroms äusserst stark
gewesen sein muss. Ich schliesse dieses aus dem Umstande,
dass die Feldspathe hier mehr oder weniger geschmolzen sind,
während sie sonst in den Laven unverändert zu bleiben pfle-
gen. Nimmt man eine Lava von Arso aus dem Mittelpunkte
des Stroms, so ist die vorgegangene Schmelzung ganz offen-
bar. Einige sind bloss in runde Kügelchen gemodelt, andere
sind bloss auf einer Seite geschmolzen und haben hier die
Krystallform verloren, hingegen hat sich dieselbe auf den an-
dern Seiten vollkommen erhalten. Zuweilen ist der geschmol-
zene Feldspath in gewissen leeren Räumen der Lava wie in
der Luft schwebend und hängt mit den Wänden derselben bloss
durch strahlenförmige Fäden zusammen, welche von der Lava
selbst auslaufen, in deren Mitte er sitz. An anderen Stellen
ist der Feldspath an einer Seite der Höhle herabgeflossen und
bildet einen hohlen und völlig durchscheinenden Ueberzug der-
selben.“ In diesen Worten SPALLANZANIs, welcher vor fast
80 Jahren sich schon ähnliche Fragen stellte, wie wir heute,
spiegelt sich der Irrthum seiner Zeit, welche in den Trachyten
ganz oder theilweise umgeschmolzene Granite zu erkennen
glaubte. Wäre Sparuanzanı’s Beobachtung und Ansicht richtig,
dass die Sanidine von der Lava umhüllt und zum Theil ein-
geschmolzen worden wären, so hätten doch zunächst die mi-
kroskopisch kleinen Sanidine geschmolzen werden müssen.
Diese haben sich aber so deutlich aus der Lava ausgeschieden
wie die quadratischen Prismen, welche die Grundmasse fast
ausschliesslich constituiren. Was der grosse italienische For-
scher für geschmolzenen Feldspath hält, ist dies nicht, sondern
glasig erstarrte Lava, welche die Krystalle theilweise bedeckt.
Die längst widerlegte und fast vergessene Ansicht würde ich
hier nicht berührt haben, wenn nicht in neuester Zeit fast das-
. selbe gesagt worden wäre: „Die Mineralien in deu Laven sind
628
niemals aus der Lava entstanden, sondern sind bloss von der
Hitze verschont geblieben“, nicht nur gesagt, sondern auch
gedruckt — in einem wissenschaftlichen Journal.
Dass auch nach .dem Erstarren des Arso Fumarolen in
demselben ihre Wirkung zuruckgelassen haben, bezeugt die
Mittheilung Fonseca’s: „die Spalten dieser mächtigen Lava sind
häufig mit blättrigem, selten mit deutlich krystallisirtem Eisen-
glanze bekleidet.* Durch eine ‚genauere Uutersuchung an Ort
und Stelle, als ich sie ausführen konnte, mögen vielleicht noch
andere durch Sublimation gebildete Mineralien in dieser Lava
sich bestimmen lassen. An einem der von dort mitgebrachten
Stücke finde ich nämlich, den Wandungen der Hohlräume auf-
sitzend, viele äusserst kleine, feuerrothe Krystallkörnchen (oder
vielmehr Zusammenhäufungen von Kryställchen), welche ich
leider nicht bestimmen konnte; Realgar sind sie nicht. Ueber
die chemische Mischung des Arso vergl. AgıcH, vulk. Bild., S. 42
bis 46, und RorH, Gesteins-Analysen.
Diese schwarze Lava mit gedrängten, glänzenden Sanidinen
unterscheidet sich leicht von allen anderen Gesteinen der Insel.
Kleine Stucke des Arso-Trachyts, eingeschlossen in Bimsstein,
fand ich beim Absteigen vom Monte Trippiti gegen le Cremate.
Nahe derKirche$. Antonio, 1 Miglie südwestlich von Ischia, tritt
zwischen hohen Bimssteinmassen eine lagerartige Trachytmasse
bervor; es ist lichtgrauer Sanidintrachyt ohne Olivin, mit dichter
Grundmasse. Dies Gestein ist ringsum in losen Blöcken sehr
verbreitet. Von Uremate wandte ich mich vorbei an den Kra-
teren Montagnone und Monte Rotaro nach dem Monte Tabor,
einem der interessantesten Punkte des Eilandes. Dieser Berg
hat einen undeutlichen, gegen Norden geöffneten Krater, aus
welchem eine trachytische Lava bis zum Meere (zwischen der
Punta Perrone und der P. della Serofa) geflossen ist. Der '
Trachyt ist grau, bräunlich oder röthlich und lässt stets deut-
lich Sanidin erkennen. Die Lava führt viel Eisenglanz, ge-
wöhnlich in dünnen Blättchen als Bekleidung der Spalten, sel-
tener krystallisirt in sechsseitigen Täfelchen, an welchen das
Dihexa&@der nebst dem Hauptrhomboeder erscheint (nach Forx-
sEcA). Der Lavastrom ruht zum Theil auf Schichten von Bims-
stein-Conglomerat, zum Theil auf dem mehrerwähnten verstei-
nerungsführenden Thonmergel. Am Monte Tabor befinden sich
ausgedehnte Steinbruche, in denen man theils Trachyt, theils
629
den unter dem Strome liegenden Thon gewinnt. Der untere
Theil der Lavamasse besteht aus einem Conglomerate von
zum Theil sehr umfangreichen Trachytblöcken, wie bekannt-
lich gewöhnlich die Lavaströme ihren Weg mit einem Conglo-
merate bedecken. Die obere Schicht des Thonmergels ist bis
auf eine Entfernung von mehreren Fuss Abstand durch die
Hitze der Lava verändert und umschliesst hier nach Scaccki
Aragonit. Dem Monte Tabor entsteigen an mehreren Stellen
sogenannte Stufe, heisse Wasserdämpfe; an der Punta di Casti-
glione entspringen unmittelbar an der Küste heisse Quellen,
welche die Meerestemperatur hier bis zu 75° C. erhöhen. Wo
jene heissen Dampfe die Trachyte durchströmen, ist das Ge-.
stein zersetzt zu einer weissen Masse, bald von thonsteinarti-
gem Ansehen, bald von sandig-bröckliger Beschaffenheit.
Auch an Stellen, wo jetzt keine heissen Dämpfe mehr sicht-
bar sind, verräth die Beschaffenheit des Gesteins die Thätigkeit
erloschener Fumarolen. Solche schneeweisse Steinmassen er-
blickt man auch am nördlichen Ende des Steinbruchs des Monte
Tabor. Die Felsart ist so locker, dass man sie fast mit der
Hand zerbröckeln kann; genauer untersucht, bietet sie inter-
essante Thatsachen dar: die Hauptmasse ist ein schuppig-kör-
niges Aggregat höchst kleiner, schneeweisser Sanidinblättchen,
in welchem einzelne grössere, fast wasserhelle Sanidine, ein-
fache und Zwillingskrystalle liegen, sowie seltene Apatit-Pris-
men. In einzelnen Partieen ist dies Gestein von ganz unend-
lich fein zertheilten Spaltensystemen durchzogen, welche sich
zu kleinen Drusen und Hohlräumen erweitern. Betrachtet man
diese unter der Lupe, so enthüllt sich eine Menge der zier-
lichsten Krystalle, welche offenbar neu gebildet sind und höchst
wahrscheinlich der Fumarolenthätigkeit ihre Entstehung ver-
danken, gelblichbraune Augite von der allerzierlichsten Bildung
(in der gewöhnlichen Form des vertikalen achtseitigen Prismas mit
dem schiefen Prisma von nahe 120°), goldgelbe Glimmerblätt-
chen, feinste, demantglänzende Titanite, theils in spitzen ein-
fachen Krystallen, umschlossen vorzugsweise von den beiden Pris-
men n und r, theils in Zwillingsnadeln nach Art der Laacher und
Vesuvischen Zwillinge (s. Posg. Ann. Bd. CXV, S. 466, und Fr.
HrssengEre, Miner. Not. No. VII, 37), dazu Magneteisen. Alle
diese Krystalle sind nur durch die Lupe deutlich erkennbar
und sind in ihrem Ansehen sehr verschieden von denjenigen
630°
Krystallen, welche sich in der Grundmasse der vulkanischen
Gesteine auszuscheiden pflegen, während sie an jenen Augit
und Glimmer erinnern, welche mit sublimirtem Eisenglanze in
unserer Fumarolenspalte am Eiterkopfe bei Plaidt (Neuwied)
vorkommen. Es gewährt mir lebhafte Genugthuung, auch hier
wieder auf die Beobachtungen Scaccur’s in Bezug auf Entste-
hung von Silikaten durch Sublimation hinweisen zu. können,
welche, nachdem ich. sie in Bezug auf den Augit über jeden
Zweifel erhoben habe, nun wohl zu allgemeiner Anerkennung
kommen werden.
ScaccHI unterwarf seiner Beobachtung vorzugsweise sol-
che Leueitophyrblöcke, welche, lange Zeit den glühenden Däm-
pfen des Vesuvs ausgesetzt, Ausserlich oft Verglasungen zeigen,
innerlich ganz zersetzt erscheinen, zuweilen kaum noch ihre
ursprüngliche Beschaffenheit erkennen lassen. Die Spalten und
Hohlräume dieser Blöcke sind mit zierlichen, glänzenden Kry-
stallbildungen bekleidet, genau wie bei dem zersetzten Trachyt
des Monte Tabor. Augit, in dieser Weise gebildet, fand
ScAaccHI in den Hohlräumen mehrerer Augitophyrblöcke, wahr-
scheinlich alter Somma-Auswürflinge. Auch in der Grund-
masse des Gesteins ist Augit ausgeschieden, aber das Ansehen
beider Augitbildungen ist wesentlich verschieden. In demsel-
“ben Gesteine hat sich demnach Augit gebildet theils durch
Erstarrung aus der feurigflüssigen Masse, theils durch Subli-
mation. Ohne Kenntniss dieser Beobachtungen Scaccar's fand
ich dieselbe unerwartete Thatsache bei meiner Untersuchung
der Spalte von Plaidt unter Umständen, welche eine andere
Bildung als die durch Sublimation gänzlich ausschliessen (s.
Pose. Ann. Bd. CXXV, $. 420). Röthlichbraune Glimmer-
blättchen, nur mit einer Kante den Zellenwandungen aufge-
wachsen, fanden sich in Begleitung von Sanidin und Eisen-
glanz in Somma-Gesteinen. „Ihre Entstehung durch Sublimation
scheint unzweifelhaft.“ Lichtgelblicher Titanit in Begleitung
von Sanidin und Eisenglanz wurde beobachtet aufgewachsen
auf den Hohlräumen von Sommablöcken, welche durch Wir-
kung von Fumarolen bis zur Unkenntlichkeit zerstört waren.
Während die östliche Inselhälfte durch deutliche Kratere und
neuere Lavenergüsse die - Aufmerksamkeit auf sich zieht, fehlt
es auch der westlichen Hälfte an interessanten Erscheinungen
nicht. Es war an einem frischen Frühlingsmorgen, der west-
631
liche Abhang des Epomeo lag noch im Schatten, als ich diese
westliche Gegend durchwanderte und zu meinem nicht geringen
Erstaunen den Berg mehrere hundert Fuss unter seinem Gipfel
an wenigstens zwanzig Stellen dampfen sah. Die schöne Er-
scheinung verschwand, als die Luft sich mehr erwärmte, und
im Sommer soll sie überhaupt nicht zu beobachten sein.
Die zersetzenden und verändernden Einwirkungen dieser Fu-
marolen, sogenannte Stufe, zeigen sich auf weiten Flächen
schon aus der Ferne durch die rothe oder weisse Färbung der
Gesteine. Die Exhalationen scheinen jetzt nur aus Woasser-
dampf zu bestehen. Doch ist es nicht ganz unwahrscheinlich,
dass diesem Theile des Epomeo ehemals schwefligsaure Dämpfe
entstiegen; denn „man weiss, dass ehemals auf Ischia schwefel-
saure Alaunerde gegraben und damit Handel getrieben ward;
nach Anprra holte man die zur Ausziehung dieses Salzes schick-
lichen Materialien von Latrico, welches über Lacco nahe dem
Gipfel des Epomeo liegt“ (SpaLLanzanı). Nach Scaccnı kommt.
noch jetzt an verschiedenen Stellen Ischias als Produkt der
Fumarolen wasserhaltige schwefelsaure Thonerde (Halotrichit)
vor. (Sostanze che si formano presso i fumaroli della regione
flegrea, Memoria di Scacchi).
Reich an Exhalationen ist auch das nordwestliche Ende
‚der Insel, welches aus den Trachytmassen des Monte Vico,
des Monte Mareeoco und des Monte Zale besteht; es sind dort
namentlich die Stufe di Sa. Restituta und di S. Lorenzo. An
letzterem Orte zeigte man mir eine Grotte in zersetztem Tra-
chyt, in welcher ehemals Schwefel gewonnen wurde. Jetzt
aber scheint sich dort kein Schwefel mehr zu bilden, wie üuber-
haupt auf Ischia, im Gegensatze zum Phlegräischen Gebiete des
Festlandes, Schwefelsublimationen sehr ungewöhnlich sind. Die
Schwefelbildung scheint in den Solfataren nur nahe der Erd-
oberfläche vor sich zu gehen, was bereits durch BRrEISLAK,
welcher Gelegenheit’ hatte, einige tiefe Grabungen auf dem Kra-
terboden der Solfatare von Pozzuoli ausführen zu lassen, her-
vorgehoben wurde. ScAccHI, dem wir eine sorgsame Beschrei-
bung der Schwefelkrystalle dieses letzteren Fundorts verdanken,
fand daselbst Schwefeladern, Gesteinsklüufte erfullend, bis 9 Centi-
meter dick. Der Ansatz des Schwefels erfolgt von beiden Sei-
ten der Spalte, welche sich entweder gänzlich füllt oder in der
Mitte leer bleibt, in welchem letzteren Falle zierliche Schwefel-
632
krystalle in den Hohlraum hineinragen. In den Umgebun--
gen der genannten Stufe finden sich die trachytischen Gesteine
in eigenthümlicher Weise zersetzt, und als Ursache dieser Zer-
setzung nennen die Inselbewohner allgemein erloschene Fuma-
rolen; so bekannt sind dieselben mit dieser Erscheinung. Un-
ter den Erzeugnissen der Fumarolen von S. Lorenzo, von le
Falanghe und anderen Orten der Insel ist noch Hyalith zu
nennen, welcher die Poren eines zersetzten Trachyts bekleidet.
ScaccHI bestimmte den Wassergehalt des Hyaliths von S. Lo-
renzo in zwei Versuchen zu 4,94 und 5,10 pCt. In dem Thale,
welches von Lacco gegen Nordwesten zieht, die Berge Zale
und Vico von einander scheidend, kann man deutlich beobach-
ten, wie der Trachyt des letztgenannten Berges durch den
Bimssteintuff emporgedrungen ist. Von der kleinen Bai, in
welche jenes Thal ausläuft, überstieg ich die eigenthumlich
wildzerrissene Trachytmasse Zale, deren Gestein zahlreiche
5 bis } Zoll grosse Sanidintafeln, Glimmer, Augit, Magnet-
eisen umschliesst. Viele Einschlüsse oder Ausscheidungen,
Aggregate von Sanidin, dem Laacher Trachyte ähnlich, bemerkt
man im Gesteine. Von den nackten Trachytfelsen zu der rei-
zenden Küstenebene von Forio hinabsteigend, beobachtet man,
dass 'Trachytconglomerate den Uebergang zwischen dem Tra-
chyt und dem unterlagernden Tuff vermitteln. Das sudöst-
liche Felsgestade der Insel von der Punta dell’ Imperatore bis
zur Halbinsel S. Angelo, welches durch die meist von Süden
her andrängende Meerfluth in viele Buchten zerschnitten ist,
zeigt in deutlichster Weise das Verhalten des Trachyts zum
Bimssteintuff. Das Eruptivgestein“bildet an diesen Steilabhän-
gen bankformige Lagergänge, meist horizontal oder wenig ge-
neigt, welche zwischen die Bimssteinstraten sich einschieben.
Mehrfach theilen sich auch diese Gänge und keilen sich zwi-
schen den Tuffen aus. Auch finden sich vertikal aufsteigende
Massen, welche mit bankartigen Lagerungsformen zusammen-
hängen. Die lehrreichsten Punkte sind die Punta dell’ Impera-
tore, Punta dello Schiavo und die Bucht Scarrupa. Nahe dieser
Oertlichkeit liegt das Dörfchen Panza; dort. erblickt man in
den zahlreich umherliegenden und zu Mauern aufgethürmten
Blöcken einen Trachyt, dessen Grundmasse sich deutlich als
ein Aggregat unzähliger feinster Sanidinblättchen darstellt.
Eisenglanz ist häufig in diesem Gesteine zu beobachten.
633
‘Die Gestalt Ischias unter Berücksichtigung der petrogra-
phischen Zusammensetzung derselben lehrt, dass die Insel
durch den Wogenschlag des Meeres grosse Einbusse ihres Ter-
rains müsse erfahren haben. Dies beweisen jene Landzungen
oder vorgelagerten kleinen Felsinseln, welche aus Trachyt be-
stehen oder aus Tuffmassen, welche durch Trachytgänge gleich-
.sam gegen die Zerstörung geschützt wurden, so das Vorgebirge
Zale, die Punta dell’ Imperatore, die Punta S. Angelo, S. Pan-
crazio, die Rocca d’Ischia u. s.w. Der Tuff, in welchem diese
Trachytmassen ursprünglich ohne Zweifel aufsetzten, ist zer-
stört worden, nur die festen Gerüste haben bis jetzt Widerstand
geleistet.
i Dreierlei Gesteine sieht man beim Bau Neapels verwandt,
Vesuvlava, meist von La Scala und Granatello (1631), Phlegräi-
schen Tuff und endlich eine eigenthümliche trachytische Lava,
den Piperno. Der letztere fällt Jedem auf durch seine son-
derbare, flammenformige Farbenstreifung. „An den Palästen
Neapels, die aus diesem Gesteine erbaut sind, fahren grosse
Flammen horizontal parallel über die Fagade weg“ (v. Buch).
In Bezug, auf ihre Verbreitung im Vergleiche mit dem Phlegräi-
schen Tuffe erscheinen die Massen festen Gesteins in die-
sem Gebiete nur sehr untergeordnet; es sind die Trachyte vom
Monte di Procida, Cuma, Olibano, dann- der Piperno; doch
erheischen sie eben deshalb ein genaueres Studium. Denn
Tufie und Conglomerate weisen immer zurück auf feste Ge-
steine, in denen erst die wahre Natur jener zum Vorscheine
kommt. Während der Trachyt bei Cuma und am Seegestade
des Monte di Procida eine kuppenförmige oder gangförmige
Lagerung einzunehmen scheint, die Masse des Monte Olibano
einen offenbaren Lavastrom bildet, ist die Lagerung und die
Natur des Piperno-Gesteins schwieriger zu erforschen.
Das bekannte Camaldulenser-Kloster Camaldoli bei Nea-
pel liegt auf dem höchsten Punkte eines weiten Kraterwalls
(des grössten im Phlegräischen Gebiete), welcher sich gegen
Südwesten in der Richtung des Kraters Astroni und des Lago
d’Agnano öffnet. Vom Kraterwall umschlossen, am nördlichen
Ende der Kraterebene liegt das Dorf Pianura, in dessen Nähe
der Piperno gebrochen wird. Andere Brüche dieses Gesteins
liegen unfern- des Dorfes Soccavo am südöstlichen äusseren
. Abhange des Ringwalls. Der Piperno bildet mächtige, bank-
Zeits. d.d. geol. Ges. XVII. 3. 41 :
634 | .
formige, horizontale Massen im Tuff, deren Entstehung man-
ches Räthselhafte hat, da man nirgendwo die Ausbruchsstelle
des Gesteins sieht. Tuff und Piperno sind zuweilen an ihrer
Grenze innig mit einander verschmolzen, so dass es nicht leicht
ist, eine scharfe Scheidung zwischen den Gesteinen zu ziehen.
Bei Soccavo enthält der den Piperno überlagernde Tuff bis in
einer Entfernung von etwa 5 Met. von der Grenze viele grosse
Blöcke eines schlackigen. obsidianähnlichen Trachyts (s. ScacchI
a. a. OÖ. p. 36; Roru, der Vesuv, 8.517). Unter den verschiedenen
Ansichten, welche über die Entstehung des Piperno aufgestellt
sind, möchte sich diejenige am meisten empfehlen, welche diese
Masse als horizontale, über den Tuff oder zwischen die Tuff-
banke ergossene Lavabänke betrachtet. Der Piperno besteht
aus einer lichtgrauen, ziemlich lockeren Hauptmasse, welche
linsen-, scheiben- oder flammenförmige Theile einer schwärz-
Hchakeie, sehr zahen Masse umschliesst. Im anstehenden
Fels erscheinen nach Scaccars Angabe diese Streifen oder
Flammen vertikale Sowohl der lichte, als der dunklere Theil
sind reich an Poren, deren Wandungen in der dunklen Masse
von mikroskopischen Kryställchen erglänzen. Sanidine, bis
einen halben Zoll gross, finden sich mehr im dunklen, als im
lichten Theile. Meist nur von mikroskopischer Kleinheit findet
sich Augit, röthlicher Glimmer und Magneteisen. RorH nennt
auch Eisenglanz; das Gestein wirkt nur wenig auf die Magnet-
nadel. Der interessanteste Gemengtheil des Piperno, wenig-
stens einer bei Pianura anstehenden Varietät, ist ein in quadra-
tischen, Mizzonit ähnlichen Prismen krystallisirendes Mineral,
_ über welches sogleich Genaueres mitzutheilen sein wird. Wir
verdanken ABıcH eine Analyse des Gesteins von Pianura und
Roru eine neue Berechnung derselben; demnach besteht das-
selbe aus: Chlor 0,19, Natrium 0,13, Kieselsäure 61,74, Thon-
erde 19,24, Eisenoxyd 4,12, Kalkerde 1,14, Magnesia 0,39,
Kali 5,50, Natron 6,68, Wasser 1,12; Summe = 100,12.
Spec. Gew. — 2,638. Nicht ohne Interesse bemerken wir,
dass dieser Piperno in chemischer Hinsicht nahe übereinstimmt
mit der ersten Varietät des Trachyts von Scarrupata. Ein er-
heblicher Unterschied liegt nur im Chlorgehalte. Betrachtet man
denselben auch im Pianura-Gestein an Sodalith gebunden, so
berechnet sich die Menge dieses Bestandtheils zu 3,7 pCt.,
635
gegen 10,7 im Scarrupata- Trachyt. Im Piperno konnte ich
mit Sicherheit Sodalith nicht erkennen.
Die kleinen quadratischen Prismen, theils in der
Grundmasse liegend, theils von den kleinen Poren des Gesteins
umschlossen, sind in grösster Menge in demselben ausgeschieden.
Sie sind farblos oder mit einem Stich in’s’Röthliche oder auch
fast schwarz. Betrachtet man diese kleinen Prismen durch
das Mikroskop, so erkennt man, dass zwei fremde Mineral-
körper von den wasserhellen Krystallen umschlossen werden,
Magneteisen und röthlichgelber Glimmer. Je nach der ver-
schiedenen Menge dieser ein- und aufgewachsenen, kleinsten
Krystalle erhalten die an sich stets farblosen Prismen einen
schwach röthlichen oder dunklen Farbenton. Der in zierlichen
sechsseitigen Täfelchen ausgebildete Glimmer ist stets nur in
äusserst geringer Menge vorhanden, dem Ansehen nach höch-
stens 1 bis 2 pCt. der quadratischen Prismen bildend; grösser
ist die Menge des Magneteisens. Beide fremdartige Mineralien
sind indess so klein, dass man sie mit blossem Auge niemals
sehen, demnach auch für die Analyse die wasserhellen Prismen
von jenen nicht vollständig befreien kann. In Fig. 13 Taf.X.
ist die Krystallform der quadratischen Prismen dargestellt, eine
Combination folgender Gestalten:
Hauptoktaöder . 2.20.00 >= (a:a:e)
Erstes stumpferes Okta@der t = (a:owa:c)
Erstes Prisma SM: = (a:32906)
Zweites Prisma . . ...W=3(32904:00c)
Achtseitiges Prisma . f = (a:}a:o0c)
* Basis ; ce 98: 008).
Mittelst einer ungefähren Messung (eine andere liess die
Flächenbeschaffenheit und Kleinheit der Krystalle nicht zu)
bestimmte ich den Endkantenwinkel des Hauptoktaöders = 136°.
Die Krystalle sind in ihrer Endigung nicht immer so sym-
metrisch ausgebildet, wie die Fig. 13 es darstellt, sondern von den
vier Oktaöderflächen dehnt sich zuweilen eine, zuweilen dehnen sich
aber auch zwei zu einer Endkante zusammenstossende Flächen über
die anderen aus, ganz so wie es beim Mejonit häufig zu be-
obachten ist. Häufig sind die Oktaöderflächen nicht eben,
sondern tragen kastenförmige- Vertiefungen. Niemals fehlt die
Basis, und immer herrscht das zweite quadratische Prisma über
das erste, Das specifische Gewicht der durch etwas Magnet-
41*
: 636
eisen und sehr wenig röthlichen Glimmer verunreinigten Kry-
stalle bestimmte ich = 2,626 (bei 19° C.), und ihre Zusammen-
setzung, wie folgt:
" Kieselsäure . 59,50
Thonerde . . 20,70
Eisenoxyd . . 4,45
Kalkerde . . 4,39
Magnesia . . 0,29
Kahn da 4 0057598
Natron!» '%9:.38:890
Gluhverlust . 0,00 -
99,32.
Die vorstehende Analyse lehrt durch ihren geringen Mag-
nesia-Gehalt, dass der Glimmer nur in sehr geringer Menge
vorhanden sei, was auch durch den Augenschein bestätigt wird.
Wir können, ohne einen merklichen Fehler zu begehen, gänzlich
vom Glimmer absehen. Die vollkommene Farblosigkeit der
quadratischen Prismen (wie dieselben sich unter dem Mikros-
kope zeigen) bürgt uns dafür, dass dieselben frei von Eisen sind,
und giebt uns ein Mittel, aus dem gefundenen Eisenoxyd die
Menge des eingemengten Magneteisens zu berechnen. Es be-
trägt dieselbe demnach 4,30 pCt., und die nach Abzug des
Magneteisens auf 100 berechnete Mischung der quadrati-
schen Prismen ist:
R Sauerstofl.
Kieselsäure . 62,72 33,45
Thonerde '. 21,82 10,19
Kalkerde. . 4,63 1,32 2
Magnesia. . 0,31 0,13
Kali ash te 0,19
Natron. 1..3%159;37 2,42
100,00.
Da wir die Menge des Magneteisens (4,30 pCt.) kennen,
welche den quadratischen Prismen (deren specifisches Gewicht
oben bestimmt wurde) beigemengt war, so ist es leicht, das
wahre specifische Gewicht des reinen Minerals, dem die vor-
stehende Mischung zukommt, zu finden. Dasselbe beträgt 2,53,
wenn das specifische Gewicht des Magneteisens =5 angenom-
men wird. Die vorstehende Analyse beweist, dass die qua-
dratischen Prismen im Piperno ein neues Mineral bilden, von
637
der Form des Mejonits und mehrerer anderer quadratischer
Mineralien vom Vesuv und von einer Zusammensetzung, welche
ungefähr dem sogenannten Oligoklas entspricht. Und so
glaube ich hier dasjenige Mineral gefunden und nachgewiesen
zu haben, dessen Existenz uns bei Erwähnung des Trachyts
von Cuma wahrscheinlich geworden war. Ich werde hier für
dies Mineral vorläufig den Namen Mizzonit von Pianura ge-
brauchen. Sollte es nöthig erscheinen, dem neuen Minerale
einen eigenthümlichen Namen zu geben, so erlaube ich mir,
als solchen Marialith vorzuschlagen. Mit diesem Namen
bezeichnete schon Ryıno den weissen Hauyn von Albano,
welcher Name jedoch durch meine Analyse wieder frei ge-
worden ist. Die Krystalle aus dem Piperno gehören zu der
merkwürdigen Gruppe quadratischer Vesuv-Mineralien, welche
trotz einer verschiedenen Zusammensetzung eine gleiche oder
fast gleiche Krystallgestalt besitzen. Bekannt sind bereits aus
dieser Gruppe folgende:
Sarkolith, spec. Gew. 2,932. Okt.-Endk. = 135° 58’,
Melilith, spec. Gew.2,90. Okt.-Endk. = 135" 1’(pes CLo1zsAux),
Mejonit, spec. Gew. 2,735. Okt.-Endk. = 136° 11’,
Mizzonit vom
Vesuv, spec. Gew. 2,623. Okt.-Endk. = 135° 59’,
Mizzonit von
Pianura, spec. Gew. 2,530. Okt.-Endk. = 136° 0° ungefähr.
Wie verschieden die Zusammensetzung dieser fünf Mine-
ralien ist, ergiebt sich aus folgendem Schema ihrer wesent-
licheren Bestandtheile:
Kieselsäure. Thonerde. Kalkerde. Magnesia. Kali. Natron.
Sarkolith 40,5 21,5 32,4 — 1:9,2.3,5
Melilith 43,9 2.2 31.9 6:5..3.0,4.7.43
Mejonit 41,95 81,94 26,11 _ =
Mizzonit vom
Vesuv 54,7 23,8 8,8 0,2 2.5 .:,.9:8
Mizzonit von
Pianura 62,7 21,8 4,6 0,3 1.1.5794.
Es erscheint unmöglich nach dem Gesetze der Isomorphie
zu erklären, wie die obigen so verschiedenartigen Mischungen
“eine gleiche Krystallform besitzen können, wie es in der That
der Fall ist. Vielleicht lässt es sich rechtfertigen, diesen und
6358
. einige verwandte Fälle von Formengleichheit bei verschiedener
Mischung aus einem anderen Gesichtspunkte zu betrachten.
In dem regulären Krystallsysteme sehen wir die verschieden-
sten Stoffe und Mischungen in gleichen Förmen erscheinen.
Sollte sich nicht etwas Aehnliches auch in anderen Systemen
finden und namentlich im hexagonal- rhomboädrischen und im
quadratischen ? Sollte es nicht gewisse Formen (Rhomboeder
und Oktaöder) ‚geben, in welchen eine grössere Zahl von Mi-
neralien ganz unabhängig von ihrer Mischung erscheinen könnte?
Jedem Mineralogen werden in den beiden genannten Systemen
Thatsachen bekannt sein ‚ welche die oben ausgesprochene
Vermuthung zu besründen scheinen. Nicht anders möchte es
auch mit der obigen Mineralgruppe sich verhalten.
Was das Vorkommen des Mizzonits von Pianura betrifft,
so glaube ich, dass dasselbe zunächst in den Gesteinen Nea-
pels eine allgemeine Verbreitung besitzt. Wie in dem Soda-
lith- Trachyt von Cuma scheint es sich auch‘in den Trachyten
des Monte di Procida und der Insel Procida zu finden. Von
dem Gesteine des ersteren Punktes sagt ScAccHL: „es enthält
nur wenige wohlgebildete Sanidin -Krystalle, ausserdem graue,
quadratische Prismen.“ Die losen Trachytblöcke, welche sich
an der Marina di S. Cattolico auf Procida finden, charakteri-
sirt derselbe Forscher: „sie bestehen vorzugsweise aus Sanidin,
wozu sich gesellen Augit, Hornblende, Magneteisen und pris-
matische Krystalle vom Ansehen des Vesuvischen Mejonits.“
Die Zusammensetzung mancher oligoklasfreier Sanidin-
Trachyte, welche bei hohem Kieselsäure-Gehalte reich an Na-
tron sind, macht es wahrscheinlich, dass in diesen Gesteinen
neben Sanidin in mikroskopischen Kryställchen ein Mizzonit
vorhanden ist. Es ist wenigstens jetzt ein Mineral aufgefun-
den, durch dessen Anwesenheit sich die Mischung vieler oli-
goklasfreier, natronreicher Gesteine erklären lässt, welche
sich bisher jeder Deutung entzog. Das Auftreten quadratischer
Mineralien als Gesteinbildner ist bisher wenig beachtet wor-
den*). Wenn ich nicht irre, war es. RortH, welcher zuerst für
die Eifeler Laven die Conjectur aufstellte, sie enthielten als
wesentlichen Gemengtheil Melilith (s. Mirscueruich, Vulcan.
Ersch. d. Eifel, herausgegeb. v. Rora, S. 23), für welche An-
*) Vergl. auch G. Rosı „Bemerkungen über Melaphyr‘‘, Diese Zeit-
schrift XI. S. 292 (Mitte).
639
nahme sich LAsPEYRES in seiner letzten Arbeit (Beitr. z. Kenntn.
d. vule. Gest. d. Niederrheins, s. d. Zeitschr., Jahrg. 1866, S. 332)
in zweifelloser Weise ausspricht. Es wurde auch oben wahrschein-
lichgemacht, dass Melilith ein wesentlicher Gemengtheil einiger
Albanischer Leueitophyre sei. Für die Laven des Vesuvs ist
es in hohem Grade wahrscheinlich, dass Mejonit oder Mizzonit
in ihnen vorhanden sei; denn man sieht in mikroskopischen
Plättchen Prismen, welche den genannten Mineralien gleichen.
Den kieselsäurereichen Mizzonit von Pianura möchte ich in
den Vesuvischen Laven wegen ihrer geringen Kieselsäure-
Menge nicht annehmen. Nachdem einmal die Aufmerksamkeit
der Petrographen auf jene Gruppe quadratischer Mineralien
als Gesteinbildner gelenkt ist, werden dieselben vielleicht häu-
figer gefunden werden.
| Anhang.
Quarzführender Trachyt von Campiglia maritima.
Campiglia maritima liegt in der Toskanischen Maremme,
unfern des Städtehens Piombino, nahe dem südlichen Rande
einer Höhengruppe, deren Culminationspunkt der Monte Calvi
ist. Die Berggruppe von Campiglia bildet eine jener mehr
oder weniger isolirten Erhebungen, welche in ihrer Gesammt-
heit mit dem Namen des Toskanischen Erzgebirges (Catena me-
tallifera) belegt werden, ausgezeichnet durch das Auftreten‘
älterer sedimentärer Schichten (als im Toskanischen Hügellande
und im Appennin erscheinen) und denselben untergeordneter
Erzlagerstätten. Indem ich die höchst merkwürdigen geogno-
stischen und petrographischen Verhältnisse Campiglias (nament-
lich seine vielleicht einzig dastehenden Gänge von strahligem
Augit mit Schwefelmetallen) der Fortsetzung dieser „Fragmente“
vorbehalte, sei hier nur noch eines Trachyts gedacht, welcher
nebst anderen Trachytvarietäten jenes niedere Hügelland con-
stituirt, welches im Westen, dem höheren, nackten Kalkgebirge
vorgelagert, sich fast bis an’s Meer erstreckt und durch dich-
tere Vegetation sich von jenem auf den ersten Blick unter-
scheidet.
Das Gestein ist von kleinkörnigem Gefüge; die meist we-
niger als eine Linie grossen Gemengtheile liegen in einer
dunklen, spärlichen Grundmasse. Durch diese fettglänzende,
640 | |
unter dem Mikroskope nicht auflösbare Grundmasse erhält das
Gestein einige Aehnlichkeit mit Pechstein. 8
Ausgeschieden sind folgende Mineralien:
Sanidin von ‚weisser und graulichweisser Farbe, meist .
klein, selten bis vier Linien gross. Neben diesem rechtwinklig
spaltbaren Feldspathe ist auch in kaum geringerer Menge
ein gestreifter vorhanden, sogenannter Oligoklas, welchen man
nur durch die Zwillingsstreifung von jenem unterscheiden kann.
Quarz, in meist kleinen (nur selten bis eine Linie grossen)
Dihexa&dern mit gerundeten Kanten, im Inneren häufig zerklüftet,
an der Oberfläche mit einer matt weissen Hülle bedeckt.
Glimmer von dunkelbrauner Farbe, in scharfbegrenzten,
sechsseitigen Blättchen, welche in allen Richtungen liegen, so
dass man im Schliffe zuweilen nadelförmige Krystalle zu sehen
glaubt. Weder Augit, noch Hornblende scheint vorhanden zu
sein. Wohl aber wird wenig Magneteisen aus dem grobge-
pulverten Gesteine durch den Magneten ausgezogen. Der in-
teressanteste Gemengtheil des Gesteins ist
Cordierit, bisher in vulkanischen Gesteinen noch nicht
bekannt. Von schönster violblauer Farbe, pleochroitisch, in
zahlreichen kleineren, wenigen grossen (bis 3 Linien) Krystallen
der Grundmasse eingemengt, begrenzt von einem zwölfseitigen
Prisma, der Combination zweier rhombischer Prismen, von
denen das eine in der vorderen Kante 119° 10’, das andere
59° 10° (nach Des Croizeaux’s Winkeln) misst, nebst Quer-
und Längsfläche. In der Endigung erscheint nur die Basis.
Die Oberfläche dieser Krystalle ist matt und erlaubt keine
genaue Messungen.
Specifisches Gewicht des Trachyts von Campieiis
— 2,478 (bei 20 C.). Meine Analyse ergab folgende Zusam-
. mensetzung:
= Sauerstoff.
Kieselsäure . 70,64 37,67
Thonerde . 14,11 6,59
Eisenoxydul . 2,86 2 0,63
Kalkerde . 2,02 0,58
Magnesia . 0,72 0,29
Kali. 232255295 0,50
Natron . . 4,67 1,20
Glühverlust . 2,30
100527.
Sauerstoffquotient = 0,260.
e 641
Inhaltsverzeichniss.
I. Rom und die Römische Campagna.
Einleitung und geographische Uebersicht .
Literatur (Broccar, v. Buca, Parerto, Poxzi) . . .» 2» 2...
Blaugrauer Thon und gelber Mergelsand. . .
ERLERNEN DEE ee EIRIE
Vulkanischer Tuff. . . SENSOR. Fe
Sand und Geschiebe der ke
Travertin (Rusconı’s Funde im Travertin des Piano ai Tivoli) .
Veränderungen des Stadtgebiets in historischer Zeit. . .
Eruption von Lagopuzzo, 28. October 1856. . . .. .»
II. Das Albaner-Gebirge.
Ansichten und geographischer Ueberblick
Der grosse peripherische Ringwall . -
Der centrale Kraterkegel, Campo di kan
EEE ee
Der See von Nemi
Die Valleriecia, Laghetto 3
Lava Sperone und Schlackentuffe
Leueitophyr (Wollastonit, Phillipsit), Tarastrane von Mole von
Ciampino, von Capo di Bove, von Acquacetosa etc.
TaiyaBanke und Lavapanpe — „— . one. ae se,
Peperin, Einschlüsse desselben NA, EBEN.
Kalksteinstücke und deren chemische ee
Augit .
Fe De an en ne
Mablih.. ..:. . ee ER Te
Haüyn; Berzelin ist weisser Hana
Sodalith Sum
Andere a im Pin >
Lagerung des Peperins . . sc
Anmerkung, betreffend die Mittheilungen de are Dr. Be Eee
die Albanischen und Vesuvischen Laven
III. Die Gegend von Bracciano und Viterbo,
Allgemeine Charakterisirung des nordrömischen Vulkangebiets
Der See von Braceiano. . . . Seen en
Geognostische Bildung seiner ee a < Sn
Sanidin-Leucitophyr, Vergleichung mit den Ve Dr von
La Scala En
Trachyt 2
Die Krater von Mia, en Baccano, Sans -
Krater und Lavastrom von Monterosi. . . . .
Das Ringgebirge Vico mit dem Monte Venere.
Phonolithischer Trachyt des Ciminischen Gebirges .
Leucit- Tuf und Lava ... :
+
642
IV. Das Bergland von Tolfa.
Geographische Uebersicht . . ... Li Eu ee
Geognostische Zusammensetzung . 2 2 or no 22.589
Erzlagerstätten. . . 2 00.0392
Sanidin - Oligoklas- rat. di ET. Trachyt 2 dl
Alaunstein - Lagerstätten, Vergleichung derselben mit den Vorkomm-
nissen der Solfatare bei Pozzuoli und der Insel Mio . . . 598
Bedingungen der Alaunstein-Bildung. . . :. . 2» 2 2 2.604
‚Darstellung des Alauns aus dem Alaunsteine -. . . 2. 2.2...606
V. Monte di Cuma, Ischia, Pianura.
Der Sodalith- Trachyt des Monte di Cuma. . . . 9607
Aufgewachsene Olivin-Krystalle von re Ausbildung . 609
Chemische Mischung dieses Trachyts . . . 610
Horrmann’s Angabe von Leucitophyr - Banken am Aa See
konnte nicht bestätigt werden. . . . 042
Trachyt von Monte Olibano bei Pozzuoli A seine oe tt
Ischia, das Trachyt-Eiland, beweist den Zusammenhang der vulka-
nischen Erscheinungen '-. 2 u... 0.0 ae
. Sodalith-Trachyt von ee Chemische Untersuchung zweier
Varietäten... a ee ee A 57}
Der Lavastrom dell’ RE ER .. 625
Monte Tabor;; neugebildete Silikate in einem RL, Trachyt . 628
en SCACCH!s über an durch Sublimation 630
Der Piperno . . ER
Die a rain Koysealle (Marialith) - in en en BE
Anhang. Quarzführender Trachyt mit Cordierit von DE
TNARUITRAN EN re ee Be ee are SR
Erklärung der Tafeln.
Tafel X. Fig. 1. Wollastonit, einfacher Kıystall. Fig. 2. Wollastonit,
Zwilling, s. S. 528, vom Hügel Capo di Bove bei Se Fig. 3. Phillipsit,
Doppelzwilling mit ausgedehnten Prismenflächen. Fig. 4. Phillipsit, Doppel-
zwilling mit verkürzten Prismenflächen, s. $. 530, von Tre Fontane bei
Rom. Fig. 5 und 5a. Augit in Auswürflingen von Albano, s. S. 549.
Fig. 6. Glimmer von Albano, s. S.943. Fig. 7. Melilith, Albano, s. 8.944.
Fig. 8. Weisser Haüyn, sogenannter Berzelin, mit rinnenartig vertieften
Kanten, Albano. Fig. 9. Weisser Haüyn, sogenannter Berzelin, Zwilling,
Albano, s. S. 546. Fig. 10. Sodalith, Zwilling, Albano, Cuma, Scarru-
pata (Ischia), s. S. 550, 609, 620. Fig. 11. Alaunstein, Grube Castel-
lina bei Tolfa, s. S. 599. Fig. 12 und 12a. Olivin, tafelförmig durch
Vorherrschen der Längsfläche, Cuma, s. S. 609. Fig. 13. Mizzonitähn-
liches Mineral, Marialith, aus dem Piperno von Pianura, Neapel, s. S. 659.
Tafel XI. Ansichten des Albaner-Gebirges. Die beiden oberen
Ansichten (des Centralkraters und des Monte Cavo) sind ausgeführt nach
älteren Handzeichnungen SARTORIUS VON WALTERSHAUSEN’s, welche sich im
Besitze Ponzı’s befinden. — Die drei unteren Ansichten der Tafel wur-
den nach Skizzen Ponzı’s gezeichnet.
Tafel XII. Karte des Römischen Gebietes, Maassstab 1 : 210,000.
643
6. Vorläufige Mittheilung über die typischen Verschie-
denheiten im Bau der Vulkane und über deren
Ursache.
Von Herrn v. Sersacn ın Göttingen.
Die bisherige Eintheilung der Vulkane und vulkanischen Er-
scheinungen überhaupt, wie sie noch A. v. HUMBOLDT im vierten
Bande des Kosmos giebt, beruht auf der Hypothese der vulkani-
schen Erhebungen und der L. v. BucH’schen Erhebungskratere.
Dass es aber dergleichen nicht giebt, haben schon früher Consr.
PREVOST, VIRLET, P. ScroPpe und Sir CHARLES LYELL, in Deutsch-
land besonders Horrmann gezeigt. Alle jüngeren Geologen,
die sich mit dem Studium der Vulkane beschäftigt haben, schei-
nen diese Theorie jetzt vollkommen aufgegeben zu haben, Har-
TUNG, HOoCHSTETTER, Reıss, K. v. Fritsch und auch ich selbst
haben nirgends Erhebungskratere auffinden können. Die letzte
Stütze der Erhebungstheorie, die Kaymeni-Inseln im Golfe von
Santorin, ist ebenfalls geschwunden, seitdem auch in ihnen bloss
die Resultate massiger Lavaausbrüche erkannt worden sind.
Dabei hat sich zugleich die v. Humsotpor'’sche Definition für den
Begriff Vulkan als zu eng erwiesen, indem hier keineswegs
eine dauernde Verbindung zwischen dem Erdinneren und dem
Luftkreise existirt. Dies Merkmal scheint in der That einer
ganzen Kategorie von Vulkanen zu fehlen.
Eine wirklich allseitig entsprechende Definition für den
Begriff Vulkan können wir zur Stunde noch nicht geben, eben
weil unsere Einsicht in das Wesen derselben noch nicht ab-
geschlossen ist. Die Schwierigkeit, einen Vulkan gegen den
anderen abzugrenzen, ist besonders gross in den Phlegraeischen
Feldern, auf den atlantischen Inseln, in gewissen Krater-Quer-
reihen in Central- Amerika und Java und bei den Explosions-
krateren ; hier werden noch lange die Meinungen auseinander-
gehen, wie weit man den Begriff Vulkan ausdehnen solle. Am
einfachsten und zweckdienlichsten erscheint es immer noch,
644
als Vulkan jeden Berg zu bezeichnen, der aus Gesteinen be-
steht, die an Ort und Stelle aus feurigem Fluss erstarrt sind
und der in seinen Structurverhältnissen durch radiale oder
concentrische Anordnung der Massen sich auf eine mehr oder
minder vertikale Axe beziehen lässt. Man umgeht hierbei die
Nothwendigkeit eines dauernd geöffneten Hauptschlundes und.
schliesst gleichzeitig alle parasitischen Seitenkratere als unselbst-
ständig aus. ;
In einem früheren Aufsatze über den Vulkan Izalco (Nach-
richten d. Königl. Gesellsch. der Wissensch. z. Göttingen, 1865,
S. 521) habe ich zu zeigen versucht, dass die Vulkane ent-
weder ausser einem centralen Hauptschlunde noch zahlreiche
radial stehende Nebenkratere, oder nur einen Hauptschlund
ohne dergleichen besitzen. Ich habe die ersteren nach dem
Vorgange von SARTORIUS v. WALTERSHAUSEN, aber vielleicht nicht
ganz glücklich, als Central-Vulkane und die zweiten, die
sich in engstehende Reihen zu ordnen pflegen, als Reihen-
Vulkane bezeichnet. Zu meinem Erstaunen sind mir gegen
die Existenz dieser letzteren öfters Zweifel geäussert worden,
allein wie in Java, so sind in Amerika die ganglosen Reihen-
Vulkane ohne Seitenausbrüche trotz ihrer oft so gewaltigen
relativen Höhe nicht nur sicher vorhanden, sondern auch fast
ausschliesslich entwickelt. Dass indessen auch diese Trennung
keine absolute sein kann, wird wohl jeder einsehen; es giebt
eben auch hier Ausnahmen und allmälige Uebergänge.
Bei meinem Aufenthalte in Santorin im vergangenen Früh-
Jahre habe ich mich indessen überzeugt, dass diese beiden Typen
wieder nur Modalitäten eines gemeinsamen Haupttypus sind,
der zwar die Mehrheit der gewöhnlich sogenannten Vulkane
repräsentirt, aber nicht allein steht. Beide zeigen nämlich einen
Wechsel von gewöhnlich nicht sehr mächtigen Schichten von
ausgeflossenem und ausgeworfenem Materiale. Sie sind beide
geschichtete Vulkane (Strato-Vulkane). Ihnen stehen die vul-
kanischen Berge gegenüber, bei denen die Auswürflinge ganz
oder fast ganz fehlen. Sie entstehen durch Massen - Ausbrüche
zähflüssiger Laven. Hierher gehören 'z. B. die, welche Har-
TunG von den Azoren beschrieben, und die Kaymeni-Inseln bei
Santorin. Bald verdanken diese Hügel nur einem einmaligen
Ausbruche ihre Entstehung, bald werden die vorhandenen von
neuen Ausbrüchen überdeckt. Sie zeigen entweder gar keinen
645
Krater, oder doch nur sehr kleine von sehr oberflächlicher Be-
deutung. So entstehen Kegel von fast gleichartiger petrogra-
phischer Beschaffenheit ohne jeden oder doch ohne jeden dauern-
den Krater und Schornstein. Es sind dies homogene Dom-
"Vulkane. Ihre Entstehungsweise war in der Neubildung zu
Santorin trefllich zu studiren, und ihre Analogie und innige
Verwandtschaft mit den Trachyt- und Basalt-Domen und Kup-
pen war unverkennbar in den gleichartig gebildeten älteren
Kaymenis ausgeprägt. Sie führen hinüber zu den älteren Eruptiv-
massen bei denen die Auswürflinge ebenfalls fehlen oder doch
fast fehlen und keine Schichtung vorhanden ist.
Alle diese drei Typen setzen eine Ooncentrirung der vul-
kanischen Eruptionen auf oder um einen Punkt während län-
gerer Zeit voraus. Es giebt nun aber auch Fälle, wo dies nicht
der Fall zu sein scheint, wie auf Madeira, den Canaren und
Azoren und an anderen Punkten mehr; ob hier noch ein be-
sonderer Typus vorliegt, oder wie die Verhältnisse im Einzelnen
sich gestalten, vermag ich nicht anzugeben, da ich keinen der-
artigen Platz aus Autopsie kenne.
Alsdann ist noch zu berücksichtigen, dass ein Vulkan
während einer Zeit seit seiner Existenz zu dem einen und dann
zu dem anderen Typus gehören kann. Santorin war anfänglich
ein ‚geschichteter Vulkan, fast ohne Nebenspalten. Rocca Mon-
fina lıefert ein analoges Beispiel. Derartige Vulkane verdienen
den Namen „gemischte Vulkane“. ”
Die Ursache dieser verschiedenen Vulkan - Typen ist leicht
einzusehen. Homogene Dom- Vulkane können nur bei sehr
strengflüssigen, ihrem Erstarrungspunkte nahen Laven vorkom-
men. Es lag nahe, zu vermuthen, dass die geschichteten Vul-
kane leicht und dunnflüssig sein würden, und unter ihnen ver-
langten wieder die Centralvulkane für die Ausfüllung der Gang-
spalten eine besonders dunnflüussige Lava. Das Experiment
hat dies bestätigt. In den Schmelzversuchen, die ich begon-
nen, und die noch weiter fortgesetzt werden sollen, zeigten sich
durchweg die Gesteine der Dom-Vulkane schwerer schmelz-
bar als die der geschichteten Vulkane, und unter diesen waren
wieder die Felsarten der Reihen-Vulkane schwerer schmelzbar
_ als die der Centralvulkane, die bei einer Hitze, bei der Nickel
eben an den Rändern zu erweichen anfing, schon völlig flüssig
646
waren. Der specifieirte Nachweis dieser Thatsache soll später
noch anderorts geliefert werden.
Ausser der Lava kommen aber bei jedem Vulkane ar
bei jedem vulkanischen Paroxysmus auch noch die entwei-
chenden Gase in Betracht. Es ist für uns ganz gleichgültig,
ob diese Dämpfe die Lava erzeugen oder von der Lava erzeugt
werden, wie mir am wahrscheinlichsten ist, oder ob beide
unabhängig von einander sind. Auch ob die Gase die eigent-
liche motorische Ursache der Eruption seien oder nicht, wie
Manche neuerdings wollen, kommt hier nicht in Frage, genug,
die Gase sammeln sich in oder unter Lava an und entweichen,
sobald ihre Spannung grösser ist als der Druck, der auf’ ihnen
lastet. /
Bei den homogenen Dom-Vulkanen muss die so. ausser-
ordentlich zähe Lava dem Dnrchbruche der Gase einen ganz
ungeheueren Widerstand entgegensetzen, und dem entsprechend
zeigen sich hier auch verschwindend wenig Auswürflinge, die
in einzelnen gewaltigen Explosionen ausgeworfen wurden, aber
nie eigene Schichten bilden können. Der Intensität der aus-
werienden Kraft entsprechend sind die Massen auch von ganz
ungeheueren Dimensionen und erinnern kaum an die gleichartig
gebildete Asche. Eine Eigenthümlichkeit der geschichteten
Vulkantypen liegt auch darin, dass bei den Reihenvulkanen
die losen Materialien die festen und geschlossenen weit über-
wiegen. Ich habe dies früher durch Lavaarmuth oder, wie ich
es auch hätte ausdrucken können, Gasreichthum zu erklären
versucht. Wenn man indess bedenkt, dass die Lava: der Rei-
henvulkane von mittlerer Flüssigkeit (Schmelzpunkt) ist, so
werden hier die Gase zwar stets durchbrechen, sie werden aber
immer noch eine bedeutende Spannung vorher erreichen müssen
und werden so ebensowohl Material von ihrem Schornsteine mit
losreissen, als auch Partieen der glühenden Lava mit fortschleu-
dern. Dies vorherrschend lose Material und die verhältniss-
mässig geringe Flussigkeit verhindern. beide gleichzeitig die
Bildung seitlicher Parasitenkegel. Der Schornstein kann in
Folge längerer Ruhe völlig verstopfen, und der Vulkan bricht
sich dann eine ganz neue Oeffnung.
Bei den Centralvulkanen scheinen die Gase eh; nur eine
weit geringere Spannung zu erreichen, sondern die Lava ist
wohl oft so dünnflüssig, dass sie völlig zerstiebt und nur we-
647
/
nig aus dem Kraterschlunde herauskommt. Die dünnflüssige
Lava und die vorherrschend aus festen Lavabänken bestehen-
‚den Wände begünstigen hier die Bildung von Gängen und la-
teralen Eruptionen. Der Hauptschlund wird hier auch nach
langen Pausen wieder geöffnet.
Die ganze Vergleichung des Schmelzpunktes und desFlussig-
keitsgrades bei einer gegebenen Temperatur setzt natürlich die
Hypothese voraus, dass die verschiedenartigen Laven ursprüng-
lich einen nahezu gleichen Hitzgrad besessen haben. Einzelne
Ausnahmen sollen natürlich nicht in Abrede gestellt werden,
allein sowohl eine Reihe aprioristischer Speculationen, als auch
eine grosse Anzahl von positiven Thatsachen machen diese
einfache Voraussetzung sehr wahrscheinlich, wie ich hoffe noch
ausführlich darthun zu können.
Die Ursache der verschiedenen Schmelzbarkeit liegt offen-
bar in der verschiedenen chemischen Zusammensetzung des
ursprünglichen, glühendflussigen Breies.. Eine rationelle Formel,
welche diese Beziehung erkennen liesse, ist leider unmöglich,
da uns hier bekanntlich die Physik völlig im Stiche lässt. Da
wir jedoch die Gläser als schnell erkaltete Laven ansehen
können, so dürfen wir uns die empirisch gefundenen Sätze der
Glasfabrikanten zu Nutze machen und mit den Erfahrungen
aus den gemachten Schmelzversuchen verbinden. Dabei ergiebt
sich denn, dass eine Zunahme an alkalischen Erden ebenso-
wohl, als an Kieselsäure den Schmelzpunkt erhöht, eine Zu-
nahme dagegen an Alkalimetall (und Thonerde?) ihn erniedrigt.
Doch sind hierüber noch weitere methodisch gruppirte und
sehr zahlreiche Schmelzversuche nothwendig, nur so viel ist
offenbar, dass eine sehr basische Lava eben so schwer und
schwerer schmelzbar sein kann als eine sehr saure, wenn in
ihren basischen Bestandtheilen nur recht viel alkalische Erden
sich vorfinden.
Als allgemeinste geologische Thatsache würde sich auch
bei dieser Betrachtung ergeben, dass die recenten Vulkane vor-
herrschend eine leichter flüssige Lava und eine beträchtliche
Einwirkung der Gase zeigen, während die tertiären und älteren
Eruptivmassen zähflüssiger waren und wenig oder gar keinen
Einfluss von Wasserdampf und anderen Gasen erkennen lassen.
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Zıeitschrift
der
Deutschen geologischen Gesellschaft.
4. Heft (August, September u. October 1866).
A. Verhandlungen der Gesellschaft.
l. Protokoll der August - Sıtzung.
Verhandelt Berlin, den 1. August 1866.
Vorsitzender: Herr RANMELSBERG.
Das Protokoll der Juli- Sitzung wurde verlesen und ge-
nehmigt.
Für die Bibliothek sind im Austausch eingegangen:
Jahrbuch der kais. königl. geologischen Reichsanstalt.
Jahrg. 1866. Bd. XVI. N. 2. Wien.
Bulletin de Pacademie imperiale des sciences de St.-Peters-
bourg. Tome IX. N. 1—4.
Memoires de l’academie imperiale des sciences de St.- Peters-
bourg. Tome IX. N. 1—T7. — Tome X. N. 1, 2.
Memoirs of the geological survey of India. Vol. IV, part 3,
Vol. V, part 1. Calcutta. 1865.
Memoirs of the geological survey of India. Palaeontologia In-
dica. III. 6—9. IV. 1. Calcutta. 1865.
Annual report of the geologicat survey of India and of the
Museum of Geology. Ninth year. 18. Caleutta. 1865.
Catalogue of the specimens of meteoric stones and meteoric
irons in the Museum of the geological survey. Calcutta. 1869.
Catalogue of the organic remains belonging to the Echino-
dermata in the Museum of the geological survey of India. Cal-
cutta. 1865.
Der Vorsitzende gab der Gesellschaft Kenntniss von dem
Inhalte eines Briefes des Herrn TrasensLer in Lüttich, in
welchem derselbe die Gesellschaft aufgefordert hatte, zu der
am 17. Juli d. J. stattfindenden feierlichen Enthüllung der
Zeits. d.d. geol. Ges. XVII. 4. 42
650
[2
Statue Dumonrt’s in Lüttich eines ihrer Mitglieder zu delegiren.
Der Vorsitzende theilte ferner mit, dass in Folge eines Vor-
standsbeschlusses Herr v. DECHEN ersucht worden sei, die Ge-
sellschaft bei dieser Feier zu vertreten, und dass derselbe sich
hierzu bereit erklärt habe.
Herr A. SınkBecKk legte Gesteinsstücke vor, welche von
dem Africa- Reisenden Herrn Dr. STEUDNER gesammelt und an
das hiesige königl. mineral. Museum geschickt worden sind.
Redner knüpft daran eine kurze Uebersicht der geographischen
Verhältnisse eines Theiles der durchreisten Landstriche mit
besonderer Bezugnahme auf die vielfachen geognostischen Be-
obachtungen, welehe sich in Steupxer’s Reiseberichten finden.
Diese Berichte sind in einer Reihe von Heften der Zeitschrift
für allgemeine Erdkunde veröffentlicht. Der geographische
Umfang dieser geognostischen Skizze war bedingt durch den
Umfang der speciellen Karten, welche in Prrermann’s Mitthei-
lungen, Ergänzungsband III. 1863 und 1864, vorliegen.’ Diese
Karten lassen die Route von Massowa nach Keren und von
da nach Adoa und Axum verfolgen.
Zwischen dem Küstengebirge, welches ungefähr pärallel
der Küste des rothen Meeres sich hinzieht, und dem Meere
liegt in dem Striche von Massowa bis zu dem Flusse Lebka
ein 6— 7 Meilen breites Gebiet. Dasselbe soll Alluvium sein,
und zwar’ Meeressand, in welchem hier und da Gyps oder
Mergel zu Tage tritt. An Einförmigkeit verliert dieses Gebiet
durch das Auftreten vulkanischer Berge; so tritt bei Mai-Ualid
säulenformig abgesonderter Basalt auf, und die herumliegenden
Hügel sind nach STEUDNER auch vulkanischen Ursprungs, ebenso
wie der weiter nördlich liegende Berg Göneb.
Dieses Gebiet durchreiste STEUDNER quer von Massowa
aus bis zu der Stelle, wo der Lebka aus dem Küstengebirge
heraustritt. Von hier an folgte er dem Laufe des Lebka auf-
_ wärts, das ganze Ainthal durchreisend bis zu seiner Quelle,
Dann trat er über in. das Flussgebiet der Anseba und reiste
nach Keren, von da nach Zarega, in dessen Nähe die Quellen
des Anseba liegen. Dieses ganze Gebirge hat eine sehr ein-
förmige geognostische Beschaffenheit, indem es theils aus Granit,
theils aus krystallinischen Schiefern besteht.
Der Granit tritt in der Umgegend von Keren auf, und
zwar in zwei Abänderungen, mit weissem und mit rothem Feld-
i 651
spathe. Ersterer giebt dem Zad’ambe (weisser Berg) seinen
Namen, letzterer bildet die Berge in den nächsten Umgebungen
von Keren. Der 6000 Fuss hohe Debre Sina besteht auch
aus Granit. In diesem Granit-Gebiete hat Steupner Platten
von Kaliglimmer gesammelt, welche nach zwei Richtungen ge-
streift sind, und zwar schneiden sich die Streifen unter einem
Winkel von 57°. Ferner finden sich in demselben sehr zier-
liche Eindrucke von Leucito&dern, von welchen der Vortra-
sende glaubt, dass sie von Granat herrühren.
Der Glimmerschiefer steht in dem ganzen Ainthale
an bis uber Mohaber hinaus. Dann tritt er wieder in der
Nähe von Keren bei dem Dorfe Xabi- Mendel auf und zuletzt
beiZarega. Von Zarega befindet sich ein Belegstück in STEUDNER’S
Sammlung, welches jedoch Gneis ist. Das Gestein besteht aus
einem weissen, nicht mehr frischen Feldspathe, einem grün-
lichen Glimmer und Quarz, welcher letztere in abgerundeten
Krystallen auftritt. Die Krystalle zeichnen sich durch den
deutlich blättrigen Bruch aus und haben im Vergleich zu den
anderen Gemengtheilen eine bedeutende Grösse.
Südlich von Zarega ist die Wasserscheide des Quellge-
bietes des Anseba und des Mareb, welche auch von geognos-
tischer Wichtigkeit ist, weil hier das krystallinische Gebirge
aufhört zu Tage zu stehen und von vulkanischen Gesteinen be-
deckt ist.
Dieses Gebiet vulkanischen Ursprungs erstreckt sich von
dieser Wasserscheide bis zu der Stelle, wo der Mareb sich in
einem grossen Bogen nach Westen biegt, an welcher Stelle
ihn auch STEUDNER überschritten hat. Von Gesteinen erwähnt
er auf diesem (sebiete Basalt, Leucitophyr und Trachyt; ausser-
dem fuhrt er an, dass der Az Schemer, ein etwas westlich
von seiner Route gelegener Berg, ein erloschener Eruptions-
Kegel sei. Dieses vulkanische Gebiet beginnt an den Quellen
des Mareb mit dem sogenannten rothen Plateau, welches
von dem Thoneisenstein, welcher es bildet, seinen Namen hat.
Trotz des vulkanischen Ursprungs ist nach STEUDNER horizon-
tale Schichtung vorhanden, was er auf die Weise erklärt, dass
secundäre Bildungen vorliegen, deren ursprüngliches Material
Trachyte, Leucitophyre etc. waren. Eine klare Vorstellung
liess sich nach STEUDNER’s Angaben von dieser Formation nicht
erlangen, besonders da sich keine Proben des sogenannten
42*
652
Thoneisensteins in seiner Sammlung vorfinden. Der Verbrei-
tungsbezirk dieser Bildungen ist ein sehr bedeutender; zwischen
Adoa und Axum liegt auch ein solches rothes Plateau und er-
streckt sich noch über Axum hinaus. Derartige Plateaus
sollen überhaupt im ganzen südlichen Tigre auftreten. Die
Thoneisensteine, deren Mächtigkeit nicht angegeben wird, ru-
hen direct auf krystallinischen Schiefern. Auf diesen Plateaus
finden sich häufig Achat- und Chalcedonkugeln, über deren
Vorkommen, ob im anstehenden Gestein oder unter Geröll,
nichts erwähnt wird.
Hinter Gundet treten der Granit und die krystallinischen
Schiefer wieder hervor und in den nächsten Umgebungen von
Adoa steht Thonschiefer an.
Ferner legte der Redner einige tertiäre Muscheln vor,
welche Herr Dr. STEUDNER wahrscheinlich in Aegypten gekauft
hat. Dieselben sind ausgezeichnet durch Schwerspathkrystalle,
welche zwischen den einzelnen Windungen liegen. Durch das
Löthrohr war bei diesen Krystallen ein Gehalt an Strontian
zu erkennen, welches schon nach den gemessenen Winkeln zu
vermuthen war. Die Winkel liegen nämlich zwischen denen des
Schwerspaths und des Coelestins. Bei den Krystallen sind vor-
wiegend ausgebildet die Flächen o(wa:b:c); in derselben
Zone liegt noch k (x a: wb;c), und die Endigung bilden die
Flächen d(a: ©b:c), s(a:®05:»0c) und M (a: b:o0c).
Hierauf ward die Sitzung geschlossen.
v. w. 0.
RAMMELSBERG. BEYRICH. Eck.
653
B. Briefliche Mittheilungen.
li. Herr v. Hrımersen an Herrn G. Rose.
29. Oct. -
St. Petersburg, den gNov. 1806.
Magister Schmipr hat das von Ostjaken angezeigte Mam-
muth wirklich aufgefunden; es befand sich etwa 100 Werst
westlich von Dudino, einem Dorfe am unteren Jenissei. Vom
Cadaver war nichts mehr vorhanden, sogar das Skelett nicht
mehr vollständig; es fanden sich jedoch noch Stücke der ver-
rotteten Haut und einige Haare vor. Schuipr hat Alles sorg-
fältig gesammelt. Bald nachdem diese Nachricht eingegangen
war, erhielt ich einen vom 23. August aus Tschita (am Argun
unweit Nertschinsk) von meinem Neffen PrrTer v. HELMERSEN
datirten Brief mit der Anzeige, es hätten heftige Regengüsse
bei der Festung Tschindan an der chinesischen Grenze an
einem Flusschen zwei Mammuthskelette blosgelegt. Mein
Brudersohn, Capitain im kaiserlichen Generalstabe, wollte so-
gleich selbst nach Tschindan reisen, um zu sehen, wie man
jene Skelette für unsere Sammlungen gewinnen könne. SCHMIDT
ward von hier aus telegraphisch.von diesem Funde benachrich-
tigt und erhielt Auftrag, auch hinzureisen, wenn Zeit und
Geld es erlauben. Es scheinen doch diese Mammuthreste in
Sibirien sehr häufig zu sein. Nach mehr oder minder gut er-
haltenen COadavern dieser Thiere sollte man aber abgerichtete
Hunde, wie nach Trüffeln, suchen lassen. Dafür kann man
wohl bürgen, dass diese kolossalen Thiere einen hinlänglich
starken Geruch verbreiten, selbst wenn sie noch von etwas
Erde bedeckt sind.
654
2 Herr Wessky an Herrn G. Rosr.
Breslau, den 15. December 1866.
Herr Ober-Bergrath Runee in Breslau brachte neulich
von einer Excursion nach Kupferberg einige Handstücke von
den dortigen Erzgruben mit, die er mit dem Bemerken, dass
an denselben lichtes Rothgültigerz und Xanthokon vorkommen,
dem mineralogischen Museum der Universität überliess.
Es sind Gangstücke, bestehend aus Braunspath von fast
weisser Farbe, durchwachsen von chloritischen Schaalen; so-
wohl in letzteren, als auch in Klüften des Braunspathes zeigen
sich, wenn auch sparsam, doch sehr nett Krystallgruppen von
liebtem Rothgültigerz, dünne sechsseitige Säulen mit spitzer
skaleno@drischer Endigung, dazwischen kleine Partieen eines ähn-
lichen Minerals von hoch orangefarbenem Striche.
Die sehr kleinen und undeutlichen Krystalle, von denen
dieses Strichpulver herrührt, und die Herr Rune» als Xanthokon
bezeichnete, haben eine morgenrothe Farbe und unterscheiden
sich deutlich von dem Rothgültigerze, dessen Färbung ihnen
gegenüber eine Neigung in's Bläuliche erkennen lässt. Da Herr
Rusee in der Zeit seines Aufenthalts in Freiberg Gelegenheit
gefunden, einige Studien am Xanthokon zu machen, so trat
ich nach einigen Widerreden dieser Ansicht bei, obgleich ich
unter dem Mikroskope die Form. des Rittingerits gesehen zu
haben glaubte, der ein ähnliches Strichpulver giebt.
Inzwischen wurde die Frage zu beiderseitigen Gunsten
entschieden ; ich erhielt namlich von dem Bergwerks - Director
Herrn KLose in Kupferberg vor einigen Tagen einige Exem-
plare derselben Erze, sowie genaue Nachrichten von dem Vor-
kommen derselben. Hu
Auf Anrathen der Werks-Genossen, welche die reichen
Anbrüche von Silbererzen am Ende vorigen Jahrhunderts auf
der Grube Friederike Juliane, von denen die Berliner Samm-
lung so ausgezeichnete Exemplare besitzt, auf ein Kreuz des
Alt-Adler-Ganges mit dem Silberfirsten-Gange zurückführten, hat
man in 50 Lacht. Teufe des Neue-Adler-Schachtes begonnen, den
Silberfirsten-Gang zu untersuchen, und ist auf obige Silbererze
mit dem Auslenken gegen Südosten gestossen; sieht man von
dem Mitvorkomwmen von Buntkupfererz ab, das dem Alt-Adler-
655
Gange angehört, so gleichen die nn Anbrüche sehr den
bekannten älteren, obgleich beide Punkte noch etwa 100 Lacht.
von einander entfernt sind.
Die übersendeten Stufen bestehen gleichfalls wieder aus
Braunspath in gross- und kleinkörnigen Aggregaten, stark
perlmutterglänzend, ziemlich viel Magnesia, etwas Eisen und
nicht unbedeutend Mangan haltend; der Braunspath ist theils
mit chloritischen Schnuren, theils mit eckigen Brocken eines
Gemenges von Arsenik- und Schwefelkies durchzogen, die einer
älteren Bildungsperiode angehören und fast kein Silber enthalten.
In Kluften des Braunspathes und der chloritischen Schnüre
treten dunne Krusten von Kupferkies und Graueisenkies auf,
die mit kleinen Krystallen von Rothgültigerz und Sprödglaserz
besetzt sind, von denen das letztere sich oft in dunnen La-
mellen in dem Braunspathe ausbreitet, sogenannte. „Tigererze*
bildend; dazwischen sitzen — freilich ausserordentlich sparsam
— sehr kleine Krystalle von zwei anderen, dem Rothgültigerz
nahe stehenden Mineralien, an denen ich sowohl die Form
des Xanthokons, als auch die des Rittingerits zweifellos er-
kannt habe, beide durch Färbung verschieden.
Die von mir als Rittingerit in Anspruch genommenen Kry-
stalle haben genau die von ScHABUS beschriebene Form spitz-
winkliger rhombischer Tafeln, gerandet durch mehrere pa-
rallelkantige augitische Paare; die durch die Tafeln gesehene
Färbung ist ein bräunliches Gelb, das durch die Säulenflächen
hindurch fallende Licht bräunlichroth, ähnlich rother Zinkblende.
‘Die für Xanthokon zu haltenden Krystalle sind sechssei-
tige, etwas blättrige Tafeln von morgenrother Farbe, gerandet
durch die Flächen eines spitzen Rhomboöders.
Der Farben-Unterschied tritt am deutlichsten in den Im-
prägnationen auf der Unterlage des fast weissen Braunspathes
‘ hervor, wo die von dem Rittingerit herruhrende Farbe ein mit
Schwarz gemischtes Gelb, die vom Xanthokon herrührende
Farbe ein blasses Orange ist.
Eine chemische Prüfung der beiden fraglichen Minerale hat
bei der geringen Menge der zur Verfügung stehenden Substanz
allerdings noch nicht stattgefunden; ich glaube aber bereits
aus den Krystallformen auf die genannten Species schliessen
zu können; hoffentlich wiederholt sich das Vorkommen, so
dass auch von jener Seite her Gewissheit verschafft werden kann.
656
3. Herr v. Unser an Herrn Beyrıch.
Seesen, den 15. Januar 1867.
Es ist mir die Auffindung eines, wie ich glaube, bisher
unbekannt gewesenen Aufschlusspunktes für den’ Septarienthon
in hiesiger Gegend vergönnt worden. Als ich im verwichenen
Herbste die nahe bei dem Dorfe Klein Freden — Station an
der Hannover - Göttinger Eisenbahn — mir seit lange bekannt
gewesenen Fundstellen für oberoligocäne Petrefacten nochmals
besuchen wollte, fand ich sie nicht mehr vor; sie waren bei
der vor einigen Jahren ausgeführten Separation auf betreffen-
der Feldmark eingeebnet und mit Ackerkrume überdeckt.
Meine Bemühung, dort neue Aufschlüsse aufzufinden, blieb
ohne Erfolg, indessen traf ich auf eine nahe bei der dortigen
Ziegelei belegene, vor etwa zwei Jahren angelegte Thongrube.
Wie am Ausgehenden der Thonschicht sehr deutlich zu be-
obachten ist, ruht sie unmitttelbar auf Muschelkalk , der nach
Westsüdwest mit etwa 25 bis 30 Grad einfällt. Versteinerun-
gen vermochte ich in der Thongrube nicht aufzufinden, wohl
aber enthielt der Schlämmrückstand der mitgenommenen Thon-
probe eine grosse Menge Foraminiferen, die sie als unzweifel-
felhaften Septarienthon erkennen liessen, als:
Haplophragmium placenta Reuss.
Gaudryina siphonella Reuss.
- chilostoma REuss.
Quinqueloculina impressa REUSss.
Lagena vulgaris P. et Jon.
- Isabella d’OR».
- tenuis Born.
- apiculata Reuss.
- striata d’ORB.
- gracilicosta REUSS.
Fissurina alata Reuss.
Nodosaria bactrydium BEuss.
- Ludwigi Reüss.
- Ewaldi Reuss.
- exilis NEUGEB.
- capitata BOLL.
- soluta Reuss.
657
Nodosaria conspurcata REUSS.
indifferens REuss.
elegans d’ORB.
pygmaea NEUGER.
consobrina d’ORB.
calomorpha ReEuss.
laxa Reuss.
vermiculum ReEuss.
inornata d’ORB.
spinescens REUss.
cf. Adolphina d’Ore.
cf. Böttcheri Russ.
Glandulina laevigata d’ORB.
Cristellaria
globulus Russ.
rotundata Russ.
depauperata Russ.
simplexz d’Ore.
deformis Reuss.
paucisepta REuss.
brachyspira REUSss.
concinna REuss,
arcuata d’OR®.
Böttcheri Reuss.
nitidissima REuss.
dimorpha ReEuss.
Gerlachi REuss.
inornata d’ORB.
Beyrichi Born.
Hauerina d’Ore.
tumida REuss.
subangulata Russ.
cassides REUSS.
simplicissima Rauss.
Pullenia bulloides d’Or».
compressiuscula REUSS.
Uvigerina gracilis Reuss.
Polymorphina inflata Reuss.
amplectens REUSs.
amygdaloides REUSss.
acuta Reuss.
658
Polymorphina minuta ROEMER.
.- problema d’OR».
- semiplana ReEuss.
- lanceolata Reuss.
- turgida Reuss.
Sphaeroidina variabilis REuss.
Chilostomella cylindroides Russ.
Allomorphina triloba Russ.
Bolivina Beyrichi Russ.
Textilaria carinata d’OR».
- pectinata Russ.
- cognata Rruss.
Truncatulina communis ROEMER.
- Weinkauffi Reuss.
- Dutemplei d’OR».
- Ungerana d’OR».
- lucida Reuss.
- cf. Aknerana d’OrB.
- cf. tenella Reuss.
Pulvinulina umbonata Russ.
Rotalia Girardana REuss.
- hulimoides REuss.
- cf. Haidingeri d’ORB.
Nonionina affinis REuss.
Zu dem Vorstehenden erlaube ich mir noch zu bemerken,
dass jene Thonschicht eine nicht geringe Mächtigkeit besitzt,
da das bei der Grube befindlich gewesene, 30 Fuss tiefe Bohr-
loch den Thon noch nicht durchsunken hat.
Die jetzt nicht
mehr vorhandenen Aufschlüsse im dortigen Öberoligocän be-
finden sich von der Thongrube nur einige hundert Schritte in
östlicher und sudöstlicher Richtung entfernt, und ist daher hier
ein Zusammenhang beider Tertiärschichten mehr als wahr-
Wo jener Septarienthon in oder neben der Thon-
grube zu beobachten ist, an seinem Ausgehenden nämlich, wird
er von einer etwa 4 Fuss mächtigen Diluvialmasse überlagert.
659
(. Aufsätze
1. Notiz über die Auffindung von Conchylien im mitt-
leren Muschelkalke (der Anhydritgruppe v. Alb.) bei
Rüdersdorf.
Von Herrn Hkınrıcn Eck ın Berlin.
In den Gesteinen des mittleren Muschelkalks, welche we-
gen ihrer dolomitischen Zusammensetzung und der häufigen
Vergesellschaftung der Dolomite und dolomitischen Kalksteine
mit Anhydrit, Gyps und Steinsalz von Herrn v. ALBERTI mit
Recht zu einer selbstständigen Abtheilung zusammengefasst und
von den vorwiegend kalkigen Niederschlägen des unteren und
oberen Muschelkalks getrennt wurden, sind organische Reste
bisher nur an wenigen Localitäten aufgefunden worden. Ausser
vereiuzelten Pflanzen- Fragmenten beschränken sich dieselben
fast allein auf diejenigen Fisch- und Saurierreste, welche aus
den „dolomitischen Saurierkalken“ des Rauthales bei Jena und
zwischen Unter-Esperstädt und Schrapplau (vergl. ScHMip,
über den Saurier- Kalk von Jena und Esperstädt, in LECNHARD
und BRonN’s neuem Jahrb. für Mineralogie u. s. w., Jahrg. 1852,
S. 911) beschrieben wurden, während Conchylien ausser der
weiter unten zu erwähnenden Lingula tenuissima Br. aus den
in Rede stehenden Gesteinen noch gar nicht bekannt gewor-
den sind. \ &
Die im Saurierkalke von Jena aufgefundenen organischen
Reste sind nach den Angaben der Herren Schmp und SCHLEIDEN
(Geognostische Verhältnisse des Saalthals bei Jena, Leipzig,
1846), v. Meyer (Palaeontographica, Bd. I, 1851, S. 195) und
Saurier des Muschelkalks, Frankfurt a. M. 18:2, S. 97, und
Scamip (Fischzähne der Trias bei Jena, in Nov. aet. acad.
Caes. Leop. Car. Germ. nat. eur., Bd. 29, 1862) folgende;
660
Pflanzen: Fragmente von Endolepis elegans SCHLEID., En-
. dolepis vulgaris SCHLEID. |
Fische: Kiefer- Fragment von Colobodus varius GIEB. (gleich
Sphaerodus globatus Schm.), Schädel und Unterkiefer von Sau-
richthys tenuirostris MUnsT., Unterkiefer von Saurichthys gracilis
und procerus ScHm., Unterkiefer von Charitodon glabridens und
granulosus ScHhm., die von Herrn v. Mxyer, Pal.I, t.31, f. 35
— 41 abgebildeten Schuppen, eine wahrscheinlich aus dem
Kiemendeckel- Apparat herrührende Platte und ein Hybodus-
Flossenstachel.
Saurier: Schädel von Nothosaurus clavatus sp. MrrY., ein
Schnauzenende von derselben Species oder von Nothosaurus
Münsteri Mer., nothosaurusartige Zähne, Wirbel, Rippen, Ha-
kenschlüusselbeine, Schulterblätter, Schlüusselbeine, Schambeine,
Sitzbeine, Darmbeine, Oberarme, Oberschenkel und andere
Gliedmaassenknochen. \ |
Aus den gleichen Schichten von Esperstädt ‘werden von
den Herren Acassız (Recherches sur les poissons fossiles,
Neuchätel, 1822, T. II, p. 105.), GieBEL (LEonHARrD und Bronn’s
neues Jahrb. für Mineralogie u. s. w., Jahrg. 1848, S. 149 und
Jahrg. 1849, S. 77) und v. MEYER (Palace Bd. I
und Saurier des Muschelkalks, S. 105) erwähnt:
Fische: Gaumenplatten von Colobodus varius GIEB., Schädel
von Saurichthys tenuirostris MÜNsT., Unterkiefer von Saurichthys
apicalis Ag., Unterkiefer von Charitodon Tschudü Mey., ein
fraglich zu Pygopterus gestellter Unterkiefer, Amblypterus Agas-
siziüi Münst. (fast vollständiger Fisch), Amblypterus ornatus (voll-
ständiger Fisch) und latimanus GieB. (Kopf mit Brustflossen),
Gyrolepis tenuistriatus und maximus Ag. (Schuppen), Zähne von
Acrodus Gaillardoti Ac., Acrodus falsus GieB., Strophodus an-
gustissimus AG., Strophodus ovalis GiEB., Hybodus plicatilis, Mou--
geoti und Flossenstachel von Hybodus major Ac.
Saurier: Unterkiefer von Nothosaurus mirabilis MUNST.,
Schädel und Unterkiefer von Nothosaurus clavatus MerY., ein
weiterer Schädel von nothosaurusartiger Bildung, Zähne von
Placodus gigas A. und Placodus rostratus Münst., Wirbel,
Rückenrippen, Bauchrippen, ein Hakenschlüsselbein, Darmbein,
Sitzbein, Oberarme, Oberschenkel, Vorderarmknochen und
Handwurzelknochen.
Was sonst noch von organischen Resten aus Gesteinen des
es
661
mittleren Muschelkalkes bekannt geworden ist, beschränkt sich
auf eine fraglich »als Voltzia heterophylla bestimmte Voltzia,
Reste von „Znerinus lilüformis“ (d. h. wohl nur Stielglieder
vom Typus des E. lilüformis) und einen Zahn von Acrodus
minimus Ag., welche von Herrn v. ALBERTI (in seinem Ueber-
blick über die Trias, S. 301, 303 und 321) ohne nähere Fund-
ortsangabe aus der Anhydritgruppe Süddeutschlands aufgeführt
werden, und endlich auf die Lingula tenuissima Br., welche
durch Herrn v. SEEBACH im mittleren Muschelkalke bei Göt-
tingen (Zeitschr. d. deutsch. geol. Gesellsch., Bd. XIII, S. 657)
und durch Herrn v. Könen in gleichem Niveau bei Rüdersdorf
(Zeitschr. d. deutsch. geo). Gesellsch., Bd. XV, S. 649) auf-
gefunden worden sind.
Von um so grösserem Interesse war mir daher die Auf-
findung mehrerer conchylienführender Schichten in den Gestei-
nen des mittleren Muschelkalks bei Rudersdorf, wo dieselben
neuerdings durch einen vom Schaumkalk an nach dem oberen
Muschelkalke hin ausgeführten Einschnitt von der ersten bis
zur letzten Schicht entblösst worden sind.
Sie sind in einer Mächtigkeit von 177- Fuss entwickelt
und bestehen aus wechsellagernden Schichtengruppen von gel-
bem dolomitischem Kalkstein und dunkelgrauem Thon. In der
ersten versteinerungsführenden dolomitischen Kalkschicht an
der Basis der ganzen Abtheilung wurden nur Fischschuppen
aufgefunden; in der zweiten, 73; Fuss über der unteren Grenze
lagernden und aus 2 Fuss gelblichgrauem dolomitischem Kalk-
stein bestehenden Schicht fanden sich Lingula tenuissima Br.
und Saurierreste in grosser Häufigkeit. Die dritte 104 Fuss
über der unteren Grenze liegende, 8 Zoll mächtige und aus
braunem dolomitischem Kalkstein bestehende Schicht, welche
zunächst von 5 Fuss weisslichem dolomitischem Kalkstein und
gelbem Thon bedeckt wird und mit diesen in eine Ablagerung
von blauem Thon eingeschaltet ist, lieferte in ausserordent-
licher Häufigkeit Myophoria vulgaris SCHLOTH. sp., Monotis Al-
bertiü GoLpr., Myacites sp. (höchst wahrscheinlich ident mit
der von v. ALBERTI in seinem Ueberblick über die Trias Taf. III,
Fig. 9 als Myacites Muensteri abgebildeten Form aus der Letten-
kohlengruppe), Gervillia socialis SCHLOTH. sp., Gervillia costata
SCHLOTH. sp., Acrodus lateralis Ac., Strophodus angustissimus AG.,
Gyrolepis tenuistriatus Ac., Hybodus plicatilis Ac. und Saurier-
662
- knochen. Eine vierte, 134 Fuss über der unteren Grenze lie-
gende Schicht gelben dolomitischen Kalksteins lieferte wiederum
zahlreich Lingula tenuissima Br., Fischschuppen und Saurier-
knochen.
Der Umstand, dass in unseren Gesteinen bisher nur solche
organische Reste aufgefunden wurden, welche die zunächst auf-
lagernden Schichten des oberen Muschelkalks von Rüdersdorf in
ausserordentlicher Häufigkeit erfüllen ; ferner das Auftreten einer
höchst wahrscheinlich mit einer Form der Lettenkohlengruppe
identischen Versteinerung; die Thatsache, dass von den bei Jena
und Esperstädt in unseren Schichten aufgefundenen organischen
Einschlussen Saurichthys tenuirostris Münst. seitdem zwar im
oberen Muschelkalke (von Oberlauter und von Öpatowitz),
nieht aber im unteren entdeckt wurde; endlich das anschei-
nende Fehlen der dem unteren Muschelkalke eigenthümlichen
Conehylien und namentlich der in seinen obersten Schichten
zu Tausenden angehäuften Myophoria orbicularis Br. — deuten
vielleicht auf eine innigere Beziehung‘ der Anhydritgruppe zur
oberen, als zur unteren Abtheilung des Muschelkalkes hin; eine
Frage, über welche indess endgiltig erst durch fortgesetzte
Untersuchungen entschieden werden kann.
"Dieser Annahme möchte die Angabe von Herrn GÜüMBEL
(die geognostischen Verhältnisse des fränkischen Triasgebiets,
München, 1865, S. 42), dass der mittlere Muschelkalk der
Umgegend von Bayreuth mit 8 Fuss mächtigem, gelbem Mergel
mit vielen Dolomitplatten voll Myophoria orbicularis beginne,
nicht im Wege stehen, da diese nur 8 Fuss mächtigen Schich-
ten wohl dem obersten Wellenkalk noch zugerechnet werden
dürfen.
Eine Ausschliessung der Saurierkalke von Jena und Esper-
städt aus der Anhydritgruppe wegen der in ihnen aufgefundenen
organischen. Reste (vergl. Würzburger naturwissenschaftl. ‘Zeit-
schrift, Bd. V, 8. 228) wäre daher jetzt nicht mehr gerecht-
fertigt. et‘
663
2. Neuere Beobachtungen über das Vorkommen mariner
Conchylien in dem oberschlesisch - polnischen Stein-
kohlengebirge.
Von Herrn Ferp. Rormer ın Breslau.
In einem früheren Bande dieser Zeitschrift*) habe ich
über die Auffindung einer marinen Conchylien -Fauna in einem
gewissen tieferen Niveau des oberschlesischen Steinkohlenge-
birges auf der Caroline-Grube bei Hohenlohehütte und auf
der Königs-Grube bei Königshütte berichtet und es schon
damals als wahrscheinlich bezeichnet, dass dieselbe versteine-
rungsführende Schicht allgemeiner in Oberschlesien verbreitet
sei. Die letztere Vermuthung hat sich bestätigt. Es sind mir
seitdem von mehreren anderen Punkten dieselben Versteinerun-
gen, zum Theil mit einigen an jenen ersten Fundorten
noch nicht aufgefundenen Arten vereinigt, bekannt geworden,
welche beweisen, dass auch hier dieselbe Schicht mit marinen
Resten vorhanden sei. Der erste dieser neuen Fundorte ist
Rosdzin unweit Myslowitz. Schon vor zwei Jahren wurde
durch den Director der Gruben bei Rosdzin, den königl.
Bergrath a. D. Herrn v. KrenskY, dem Verfasser eine An-
zahl von Versteinerungen zugesendet, welche auf der Grube
Guter- Traugott bei Rosdzin gefunden waren. Die Mehrzahl
der Arten sind solche, welche auch auf der Caroline -Grube
und auf der Königs-Grube vorkommen, wie namentlich Produc-
tus longispinus und Goniatites Listeri. Einige andere Arten, zu
denen namentlich ein gekielter Nautilus und ein grösserer Ortho-
ceras gehören, sind dagegen von jenen beiden anderen Loka-
litäten bisher nicht bekannt. Am bemerkenswerthesten erscheint,
dass ein paar Trilobiten-Arten alle anderen Fossilien der Fauna
an Häufigkeit übertreffen. Namentlich ist eine vielleicht mit
*) Ueber eine marine Conchylien-Fauna im produktiven Steinkohlen-
gebirge Oberschlesiens. Jahrg. 1563, S. 567 ff.
\)
664
Griffithides meso-tuberculatus M’Coy identische Art der Gattung
Phillipsia mit feinen Körnchen auf den Querringen der Mittel-'
achse des Pygidium, von welcher sich auf der Königs-Grube
nur wenige Schwanzschilder fanden, hier so haufig, dass ein
vorliegendes, kaum handgrosses Gessteinsstuck mehr als zehn
Schwanzschilder derselben einschliesst. Weniger häufig ist eine
andere Art derselben Gattung, welche sich durch die sehr grobe
und doch zierliche Granulation der Oberfläche auszeichnet und
vielleicht mit PorrtLock’s Phillipsia Maccoyi identisch ist. In
petrographischer Beziehung verhalten sich die versteinerungs-
führenden Schichten von Rosdzin in mancher Beziehung eigen-
thümlich. Namentlich ist das Vorkommen einer mehrere Zoll
dicken Kalksteinschicht zwischen denselben bemerkenswerth.
Auch fehlen die auf der Caroline-Grube und auf der Königs-
Grube so bezeichnenden gelblichgrauen Sphärosiderit-Nieren.
Ein anderer Punkt, an welchem dasselbe Niveau mariner
Thierreste erkannt wurde, ist die Königin - Louise -Grube bei
Zabrze. Es ist ein Verdienst des Herrn Berg - Inspectors v.
GELLHORN, dem man auch verschiedene andere fur die Kennt-
‚niss der geognostischen Verhältnisse Oberschlesiens wichtige
Beobachtungen verdankt, an dieser Stelle die fraglichen Thier-
reste aufgefunden zu haben. Dieselben fanden sich hier in
einem dickschiefrigem, grauen Schieferthone in dem Skalley-
Schachte der Königin -Louise-Grube bei 53 Lachter Teufe.
Die Erhaltung der Petrefacten ist hier viel unvollkommener
als an den zuvor bekannten Punkten. Die Exemplare sind ge-
wöhnlich verdeckt oder nur in Bruchstüucken erhalten. Mit
Sicherheit liess sich unter den durch Herrn v. GELLHORN ge-
sammelten und dem Verfasser mitgetheilten Stucken Produectus,
longispinus, Chonetes Hardrensis und eine kleine, mit Lingula my-
tiloides identische Lingula-Art bestimmen. Productus longispinus
ist die häufigste Art auf der Caroline- Grube und auf der
Königs- Grube, und Lingula mytiloides wurde an der ersteren
dieser beiden Lokalitäten ebenfalls beobachtet. Da auch die
Lagerungsverhältnisse dazu passen, so ist nicht zu bezweifeln,
dass die versteinerungsführende Schichtin dem Skalley-Schachte
in das gleiche Niveau mit der Schicht der Caroline -Grube,
der Königs-Grube und der Grube Guter-Traugott bei Rosdzin
gehört. ; ;
Während uns an diesen sämmtlichen bisher genannten
665
Lokalitäten die marinen Conchylien in den Schieferthonen oder
in den von diesen umschlossenen Sphärosiderit- Nieren vor-
kommen, so treten nun auch noch ein paar andere Fundstel-
len hinzu, an welchen die marinen Thierreste in Sandstein-
schichten des produktiven Kohlengebirges sich finden. Die
eine dieser neu aufgefundenen Lokalitäten liegt an der von
Beuthen nach Neudeck führenden Landstrasse, der Unterför-
sterei Koslowagora gegenuber. Theils durch die Gräben der
Landstrasse, theils durch andere kleine Entblössungen neben
der Landstrasse sind hier gegen Norden einfallende, dunn ge-
schichtete, graue Sandsteinschichten aufgeschlossen, von denen
einige auf den Schichtflächen mit den Abdrücken und Stein-
kernen von Schalthieren bedeckt sind. Am häufigsten ist unter
diesen Chonetes Hardrensis Prıtnıps (cf. Davıpsox, Brit.
Carbonif. Brachiop. p. 186, t: 47. f. 12 —-18). Ausserdem
wurde Bellerophon Urü, Phillipsia sp. (dieselbe Art, welche bei
Rosdzin so häufig ist) beobachtet. In einem wenige Schritte
östlich von dem Aufschlusse an der Landstrasse gelegenem, klei-
nen Steinbruche sind hellgraue, den Schichten mit marinen
Thierresten augenscheinlich aufruhende Sandsteinschichten auf-
geschlossen, welche Abdrüucke von Lepidodendron und anderen
bezeichnenden Pflanzenformen des produktiven Steinkohlen-
gebirges enthalten und ausserdem zwei kleine, taube Kohlen-
flötze einschliessen.
Die andere, durch Herrn Berg-Assessor DEGENHARDT auf-
gefundene Lokalität ist ein Eisenbahneinschnitt an der War-
schau-Wiener- Bahn östlich von Golonog, einem Orte unweit
des durch seinen grossen Tagebau auf Steinkohlen und seine
Hüttenwerke bekannte Dabrowa (Dombrowa). Hier stehen
Sandsteinschichten von ganz ähnlichem petrographischem Cha-
rakter wie diejenigen von Koslowagora an. Auch paläonto-
logisch stimmen diese Schichten im Wesentlichen mit denjeni-
gen der genannten oberschlesischen Fundstelle überein. Cho-
netes Hardrensis ist auch hier das häufigste Fossil. Auf einem
gemeinschaftlich mit Herrn Berg-Assessor DEGENHARDT ausge-
führten Besuche der Lokalität im August dieses Jahres wurden
ausserdem noch folgende Arten beobachtet: Streptorhynchus
- (Orthis) crenistria (sehr häufig!) Bellerophon Urü, Orthoceras
undatum, Phillipsia sp. und Littorina obscura Sow.(?). Die mei-
sten dieser Arten sind solche, welche auch auf der Caroline-
Zeits. d. d, geol. Ges. XVIII. 4. 43
666
Grube, Königs-Grube u. s. w. vorkommen, und es ist nicht zu
bezweifeln, dass auch das geognostische Niveau der Sandstein-
schichten von Golonog und Koslowagora wesentlich dasselbe
ist wie dasjenige der versteinerungsfuhrenden Schieferthonschich-
ten an den genannten Lokalitäten.
So ist daher die Schicht oder Schichtenfolge mit marinen
Thierresten über eine weite Ausdehnung in dem oberschlesisch-
polnischen Steinkohlenbecken — von Zabrze bis Golonog —
nachgewiesen worden, und es kaun nicht mehr zweifelhaft sein,
dass sie auch überall anderwärts in dem Becken vorhanden ist.
Die Auffindung dieser Schicht bei Koslewagora und Gonolog
ist noch von besonderem Interesse, weil sie sich für: die Fest-
stellung der Grenzen des oberschlesisch - polnischen Kohlen-
beckens wird benutzen lassen. Da es jedenfalls Schichten sind,
welche der unteren Abtheilung des produktiven Steinkohlen-
gebirges angehören, so wird man auch die nordöstliche Abla-
gerungsgrenze des Kohlenbeckens nicht weit von diesen Punkten
vermuthen dürfen. Durch die Auffindung der devonischen
’ Kalkstein-Partieen nördlich und nordöstlich von Siewierz, uber
welche ich $. 433 berichtet habe, erhält jene Vermuthung er-
höhte Wahrscheinlichkeit. Ueber Golonog und Koslowagora
hinaus gegen Nordosten, noch mehr aber über Siewierz hin-
aus, werden Versuche zur Auffindung von Steinkohlen auf kei-
nen Erfolg rechnen dürfen.
‚667
d. Geognostische Beobachtungen im Polnischen Mittel-
gebirge.
Von Herrn Ferv. Rormer ın Breslau.
(Hierzu Tafel XIII.)
In demjenigen Theile des südlichen Polens, welcher im Süden
und Osten durch die Weichsel, im Norden und Westen durch
die Pilica begrenzt wird, erhebt sich ein. bemerkenswerthes
kleines Gebirge, welches ausser Zusammenhang ebenso mit
den Karpathen, wie mit den anderen benachbarten Gebirgen
sowohl nach seinem orographischen Verhalten, als auch nach
seiner inneren geognostischen Zusammensetzung als eine durch-
aus selbstständige Erhebung sich darstellt.
Der verdienstvolle PuscH hat, da es an einer gemeinsamen
Benennung fehlte, „für dasselbe den Namen Sandomirer oder
Polnisches Mittelgebirge vorgeschlagen, und mit diesem
ist es seitdem meistens bezeichnet worden. Passender würde sein,
es dasKielcer Gebirge zu nennen; denn die Kreisstadt Kielce
liegt ganz im Bereiche desselben, während Sandomir an der
Weichsel schon ganz ausserhalb desselben gelegen ist und nur
die äusserste Grenze seiner östlichen Ausläufer bezeichnet.
Es besteht dieses kleine Gebirge aus einer Anzahl (5 bis 6)
schmaler, zum Theil steil abfallender Bergrucken, welche durch
breite, flache Thäler von einander getrennt werden und bei
einer Richtung von Westnordwesten nach Ostsudosten fast
genau mit einander parallel laufen. Während die grösste Länge
des Gebirges, wie sie durch die Lage der Städte Malagoszez
und Sandomir bezeichnet wird, gegen achtzehn deutsche Meilen be-
trägt, ist die Breite nur zwei bis drei Meilen; die grössten Hö-
hen erreicht das Gebirge in dem nördlichsten der parallelen
Bergrücken, der Lysagöra (Kahler Berg). Oberhalb des Klo-
ster Swienta Katharina beträgt die Erhebung dieses Rückens
nach PuscH, 1813 Fuss, und bei dem dem östlichen Ende des
Rückens genäherten Kloster Swientp Krzyz (Heiliges Kreuz) er-
5 E 43 *
/
668
hebt er sich sogar zu 1908 Par. Fuss. Steht man bei diesem
in ganz Polen als Wallfahrtsort berühmten und zur Zeit des
jüngsten Polnischen Aufstandes als Schauplatz kriegerischer
Vorgänge viel genannten Kloster und blickt über den. pracht-
voll bewaldeten, steil abfallenden Nordabhang des Berg-
ruckens in die weit ausgedehnten, fruchtbaren Ebenen, welche
sich gegen Norden und Nordosten ausdehnen, so glaubt man,
an den vorherrschend flachen Charakter des polnischen Lan-
des gewöhnt, nieht mehr in Polen zu sein und könnte glau-
ben, von den Höhen des Harzes oder eines anderen deutschen
Mittelgebirges in das Flachland hinabzuschauen. Befindet man
sich andererseits in einem der mit Diluvial-Sand ausgefüllten,
flachen und breiten Längsthäler, welche, zwischen den ein-
zelnen Bergrücken sich hinziehen, so hat man freilich nicht
den Eindruck, sich in einem Gebirgslande zu befinden.
Pusch*), der mehr als zehn Jahre (1816 — 1827) als
Lehrer an der seitdem längst aufgehobenen Bergschule in
Kielce lebte, hat eine sorgfältige und eingehende geognostische
Beschreibung des Mittelgebirges geliefert und in seinem geo-
gnostischen Atlas von Polen eine besondere Karte der Dar-
stellung desselben gewidmet. Natürlich ist, die Altersbestim-
mung der einzelnen in dem Gebirge auftretenden Formationen,
der damaligen beschränkten Kenntniss von der Gliederung der
sedimentären Ablagerungen entsprechend, eine unvollkommene,
und namentlich werden die den Haupttheil des Gebirges zu-
sammensetzenden Gesteine nur einfach als dem Grauwacken-
oder Uebergangsgebirge zugehörig bezeichnet.
Seit dem Erscheinen der Puscu’schen Darstellung ist nur
wenig für die Kenntniss des merkwürdigen Gebirges gesche-
hen. Die Seltenheit wissenschaftlicher Beobachtung in dem
Lande selbst und die geringe. Zugänglichkeit des abgelegenen
Gebietes für fremde Forscher sind daran Schuld. MurcuHıson,
E. DE VERNEUIL und Graf Keryseruing erklärten zuerst einen
Theil des Kalksteins bei Kielce für devonisch. Ganz neuer-
lichst hat L. ZEUSCHNER, der, seit vielen Jahreu mit der geo-
gnostischen Untersuchung Polens beschäftigt, schon manche
werthvolle Beiträge zur Kenntniss des Landes geliefert hat,
*) Gergnostische Beschreibung von Polen u. s. w. Stuttgart und
Tübingen. Th. I, S. 323, S. 61, — 131.
„
669
einen Aufsatz über gewisse Schichten des Kielcer Uebergangs-
gebirges veröffentlicht *).
Die auf die Mittbeilungen von PuscH sich stüutzende Er-
wartung, für die Altersbestimmung gewisser in Oberschlesien
und Polen verbreiteter Gesteine am Nordabhange des Kielcer
Uebergangsgebirges den Schlüssel zu finden, veranlasste mich,
im August 1866 in Gesellschaft des Herrn Berg - Assessors
O. DEsENnHARDT einen Ausflug dahin zu unternehmen. Die
nachstehenden Bemerkungen sind das Ergebniss desselben.
1. Devonische &6esteine.
Eruptiv- Gesteine sind in dem Bereiche des Sandomirer
Mittelgebirges vollig unbekannt. Quarzite, Kalksteine und
Kalkmergel setzen die von Westen nach Osten streichenden
Bergrücken zusammen, aus denen die ganze Gebirgserhebung
vorzugsweise besteht. Für einen Theil dieser Gesteine ist die
devonische Natur direct nachweisbar, für die übrigen wenig-
stens durchaus wahrscheinlich.
Eine Viertelstunde westlich von der Stadt Kielee ragt ein
kleiner, felsiger Kalksteinhügel, der Kanzelberg (Kadzielnia-
göra) aus dem Thale auf. Mehrere Steinbrüche, in welchen
das Material für einen Kalkofen gewonnen wird, gewähren,
abgesehen von den natürlichen Entblössungen an den Wänden
der überall hervortretenden Klippen guten Aufschluss über die
Natur der den Hügel zusammensetzenden Gesteine. Es ist ein
fester, weisser oder hellgrauer Kalkstein ohne erkennbare
Schichtung. Er hat die Natur devonischer Korallen-Kalke und
gleicht namentlich denjenigen von Grund am Harz. Bei ein-
wirkender Verwitterung treten auf der Oberfläche der Fels-
wände unzählige Durchschnitte von Korallen hervor, und na-
mentlich gewisse Lager des Kalksteins erweisen sich als ein
wahres Aggregat von Korallen. Zwischen den Korallen liegen
die Schalen verschiedener Brachiopoden. Auch eine Trilobiten-
Art wurde beobachtet. Im Ganzen sammelten wir folgende
*, Ueber das Alter des Grauwackenschiefers und der bräunlichgrauen
Kalksteine von Swientomarz bei Bodzentyn im Kielcer Uebergangsge-
birge, Neues Jahrb., 1866, S. 513 ft.
670
Arten, deren Zahl sich freilich durch fortgesetzte Nachforschun-
gen sehr vermehren lassen wird: \
1) Alveolites suborbicularis Lan. Die zum Theil faust-
grossen, knolligen Massen nehmen einen wesentlichen Antheil
an der Zusammensetzung des Kalksteins. Gewöhnlich erhält
man nur Durchschnitte des Korallenstocks, wie M. Enwarns
und J. Hame (Brit. Devon. Corals t. 39, f. 1) einen solchen
abbilden, auf den angewitterten Flächen des Gesteins zu
sehen. |
2) Calamopora cervicornis (Calamopora polymorpha GOLDE.
var. _ramoso- divaricata. Favosites cervicornis M. EDwArns et
Haıne). Die walzenrunden Zweige dieser Art sind sehr häufig
und treten auf der Verwitterungsfläche des Gesteins am deut-
lichsten hervor. |
3) Stromatopora polymorpha GoLDF.*Die knolligen Massen
sind häufig, treten aber selten deutlich erkennbar aus dem Ge-
steine hervor.
4) Cyathophyllum caespitosum Goupr. (?) Die kleinen, spe-
eifisch nicht sicher bestimmbaren, eylindrischen Stämme sind
nicht selten.
5) Atrypa reticularis Daum. Unter den. vorkommenden
Brachiopoden die häufigste Art; theils in der typischen ‚Form,
theils in der Form einer zusammengedrückten, vielfaltigen Varietät.
6) Rhynchonella acuminata MorrıS (Terebratula acuminata
Sow.). Fig. 8 Taf. XIU stellt ein vollständiges Exemplar der typi-
schen Form dar. Im Sinus und auf dem Wulst ist keine Spur von
ausstrablenden Falten wahrnehmbar. Auf den Seitentheilen der
Schale erkennt man Andeutungen von solchen gegen den Rand
hin. Das Exemplar gleicht in Form und Grösse durchaus der
typischen Form des englischen Kohlenkalks. In den devoni-
schen Schichten Deutschlands. erreicht die Art.nicht diese Di-
mensionen und ist'stets mit Falten im Sinus versehen. Mit dieser
typischen Form finden sich häufig Exemplare einer kleineren,
breiteren Form, bei welcher die Breite viel grösser ist als
die Höhe.
7) Ehynchonella primipilaris. Eine kleine Form mit breitem,
9 Falten enthaltendem Sinus. Eine ganz ähnliche kleine Form
kommt im Kalke von Grund vor.
8) Orthis striatula pe Konınck. Es wurden zwei vollstän-
671
dige Exemplare gesammelt, welche durchaus mit der typischen
Form der Eifel übereinstimmen.
9) Pentamerus galeatus DaLman var. Eine kleine Form
mit zwei Falten im Sinus. Eine ganz ähnliche kleine Form
ist im Kalke von Grund nicht selten.
10) Terebratula (2) Kielcensis m. (Terebratula amphitoma
L. v. BucH (pars), non Broxn). L. v. Buch, welcher Exem-
plare dieser Art durch PuscH zugeschickt erhielt, identifieirte
dieselbe mit der durch Bronx aus triassischem Kalke von Dür-
renberge bei Hallein beschriebenen 7. amphitoma, während in
Wirklichkeit, wie es sich bei der Altersverschiedenheit der be-
treffenden Bildungen erwarten liess, beide Arten sehr verschie-
den sind. Die von L. v. BucH gegebenen Abbildungen der
T. amphitoma stellen ein Exemplar von Kielce dar. Pusch
(Polens Palaeontol., S. 16, t. 3, f. 10) nahm die v. Buc#’sche
Bestimmung an und gab neue Abbildungen der Art. Die von
Pusca, Fig. 10c, gegebene Ansicht der Innenfläche einer
Klappe mit Spiralkegeln ist jedoch nicht nach einem Exemplare
von Kielce, sondern nach einem angeblich von Vise an der
Maas herrührenden Stücke genommen worden, dessen Zugehö-
rigkeit zu unserer Art, wenn es wirklich von Vis&e herrüuhrt,
durchaus unwahrscheinlich ist. Die generische Bestimmung ist
gauz unsicher, da von dem inneren Armgeruste nichts bekaunt
ist. Die Zugehörigkeit zu Terebratula (im engeren Sinne) ist
nach dem allgemeinen Habitus durchaus unwahrscheinlich.
Nach Pusc#’s Angabe ist die Art an einer gewissen Stelle
am Kanzelberge in dichter Zusammenhäufung der Individuen
vorgekommen. Ich selbst habe die Art dort nicht beobachtet,
aber ich erhielt ein Exemplar in Kielce und sah Pusc#’s
Original-Exemplare in Warschau).
11) Bronteus flabellifer GoLpF.
Pusca (Polens Palaeontol., S. 166, t. XIV, f. 5) hat ein
kleines Pygidium der Art: aus dem Kalke des Kanzelberges
*, Es ist als ein besonders glücklicher Umstand anzusehen, dass die
Sammlung von Gesteinen und Versteinerungen, welche der hoch ver-
diente Pusch als Belegstücke der in seinen Werken über die Geognosie
und Paläontologie von Polen mitgetheilten Beobachtungen zusammenge-
bracht hat, in der ursprünglichen Anordnung vollständig erhalten ist. Sie
ist in dem mineralogischen Museum der Warschauer Universität auf-
gestellt.
672
beschrieben und abgebildet, ohne eine specifische Benennung
derselben vorzuschlagen, aber die generische Verwandtschaft
mit dem Bronteus flabellifer der Eifel schon erkennend. Ich selbst
sammelte am Kanzelberge zwei Exemplare des Schwanzschildes,
von denen das eine doppelt so gross wie das von Pvsch# ab-
gebildete ist. Die Körnelung der ausstrahlenden Rippen ist
gröber als bei den Exemplaren des Bronteus flabellifer der
Eifel, etwa wie bei dem B. granulatus GoLDF., welcher wohl
nur als eine Varietät des DB. flabellifer anzusehen ist. ,
Die devonische Natur des Kalksteins am Kanzelberge kann
nach diesen organischen Einschlussen nicht zweifelhaft sein,
und nur um die Bestimmung des näheren Niveaus-innerhalb
der devonischen Gruppe kann es sich handeln. Die Korallen
sind für diese Bestimmung wenig zu benutzen. ‘Auch die be-
obachteten Brachiopoden sind als mehreren Abtheilungen der
‚devonischen Gruppe gemeinsam der Mehrzahl nach nicht dafür
geeignet. Nur Zhynchonella acuminata weist auf die. obere
Abtheilung der devonischen Schichtenreihe, auf ein Niveau über
dem Eifeler Kalke hin. Am Rhein kennt man Rh. acuminata
wohl aus den Schichten mit Spirifer Verneuilü, welche unmit-
telbar unter dem Kohlenkalke liegen, nicht aber aus dem Kalke
der Eifel oder der mittleren Abtheilung der devonischen Gruppe.
Da nur eine Gleichstellung mit dem Eifeler Kalke oder eine
noch höhere Stellung fraglich sein kann, so würde ich deshalb
die letztere vorziehen. Ich würde den Kalkstein des Kanzel-
berges etwa für gleichalterig mit dem Kalksteine von Grund am
Harze halten, welcher entschieden jünger ist, als die Haupt-
masse des Eifeler Kalkes, aber älter als die Goniatitenschiefer
von Büdesheim und als die nassauischen Cypridinenschiefer.
Kalksteine von ganz ähnlicher Beschaffenheit wie diejeni-
gen des Kanzelberges kommen übrigens auch noch an anderen
Punkten der Gegend von Kielce vor, ohne dass mir ihr paläon-
tologisches Verhalten näher bekannt wäre.
Mit noch grösserer Sicherheit und Schärfe lässt sich das
geognostische Niveau einer anderen devonischen Schichtenreihe
bei Kielce bestimmen. Zwischen dem Kanzelberge und der
Stadt Kielce sind in den Gräben der nach Chencin führenden
Landstrasse dünne Schichten eines dunkelgrauen oder schwärz-
lichen, bituminösen Kalksteins aufgeschlossen, welche theils
mergelig zerfallen, theils etwas grössere Festigkeit und Luft-
673
beständigkeit besitzen. Auf den Ackerfeldern zu beiden Sei-
ten der Landstrasse liegen eckige Bruchstücke desselben dun-
kelen Kalksteins umher, der augenscheinlich den Untergrund
(dieser Felder bildet. Das Gestein ist reich an organischen
Einschlüssen, und kaum wird man irgend ein Stück des Kalk-
steins zerschlagen, ohne Spuren derselben zu treffen. Freilich
sind es der Mehrzahl nach kleine Formen, welche wohl über-
sehen werden können.
Das häufigste Fossil ist Posidonomya (?) venusta*), die
dunnschalige kleine Muschel, welche Graf Münster zuerst aus
dem Clymenien-Kalke des Fichtelgebirges beschrieb und abbildete,
und welche sich seitdem in der durch das Vorkommen von
Goniatiten und Clymenien vorzugsweise bezeichneten obersten
Abtheilung an so zahlreichen Punkten, wie namentlich im
Nassauischen, bei Büdesheim in der Eifel, im Harze, bei Saal-
feld, bei Ebersdorf in der Grafschaft Glatz gefunden hat, dass
sie als eine der bezeichnendsten Fossilien dieser obersten de-
vonischen Schichten gelten muss.
Nächst dieser kaum in irgend einem Stucke des Kalk-
steins fehlenden und gewöhnlich in grösserer Zahl der Indivi-
duen auftretenden Art sind gewisse mit feinen Längsleisten ge-
zierte, ellipsoidische kleine Körper von der Grösse eines Mohn-
kornes am häufigsten. Obgleich in dem unverdrückten Erhal-
tungszustande anders erscheinend, erweisen sich bei näherer
Vergleichung diese Körper mit der Oypridina serrato-striata der
nassauischen Cypridinen-Schiefer so übereinstimmend, dass
namentlich in Anbetracht der Vergesellschaftung mit den übri-
gen Fossilien kaum ein Zweifel an der specifischen Identität
übrig bleibt. Bekanntlich hat sich die Oypridina serrato-striata,
deren erste Auffindung wir dem Scharfblicke der Gebrüder
SANDBERGER verdanken, ausser in Nassau auch noch an vielen
anderen Punkten in Schichten gleichen Alters gefunden, wie
*) Die Gebrüder Sınnserger (Rhein. Schichtensyst. in Nassau, S. 285,
t. XXX, f. 1a—c) haben diese Art unter der Benennung Avicula
obrotundata beschrieben. Aber obgleich die Muschel einen anderen Ha-
bitus als die typischen Arten der Gattung Posidonomya. hat, so würde
ich doch vorziehen, sie vorläufig dabei zu belassen, da auch die Zuge-
hörigkeit zu Avicula sich keinesweges bestimmt nachweisen lässt, viel-
mehr die anscheinende Gleichklappigkeit kaum dazu passt.
674
—
namentlich bei Saalfeld und in den Goniatiten - Schiefern von
Büdesheim in der Eifel.
Sehr häufig ist ferner in den Gesteinen ein kleiner Tri-
lobit, dessen allgemeiner Habitus mit demjenigen von Phacops
übereinkommt, aber durch die vollständige Augenlosigkeit aus-
gezeichnet ist (vgl. Fig. 6,7 Taf. XIIl.). Nach dem Zusammenvor-
hommen mit Posidonomya venusta und Cypridina serrato - striata
und nach der allgemeinen Form wird man zunächst an Phacops
cryptophthalmus EMMRICH denken. Allein diese von EMmMRICH
aus den Cypridinen-Schiefern von Wailburg in Nassau be-
schriebene Art soll nach dem übereinstimmenden Zeugnisse von
EumricH selbst wie auch der Gebrüder SANDBERGER Augen
besitzen, wenn auch nur kleine und versteckt liegende. Die
Kopfschilder von Kielce sind aber völlig augenlos. Es lässt
sich das mit völliger Sicherheit behaupten, weil eine grössere
Anzahl: von Exemplaren der Kopfschilder in vortrefflichster Er-
haltung auch: der äussersten Schalenschicht vorliegt. Man
würde daher annehmen müssen, dass hier eine verschiedene
Art vorliegt, wenn nicht auch RıcHter (Beitr. zur‘ Pal. des
Thüring. Waldes. Wien. 1856. S. 31) die Angabe machte,
dass die Exemplare des Ph. eryptophthalmus von Saalfeld eben-
falls völlig augenlos sind. Es scheint daher nur, dass die
immer sehr kleinen Augen dem Ph. eryptophthalmus auch ganz
fehlen können. Uebrigens ist bei den Exemplaren von Kielce
die Oberfläche des Kopfschildes glatt, mit Ausnahme einer
feinen Granulation auf dem dem vorderen Rande genäherten
Theile der Glabella. Der Bau des Rumpfes und des Pygidiums
ist ganz derjenige der Gaitung Phacops. Uebrigens liegen in
dem Gesteine von Kielce die einzelnen Körpertheile fast immer
getrennt von einander,
Viel: seltener sind die Kopfschilder einer anderen kleinen
Phacops- Art mit sehr grob gekörnelter Oberfläche.
Ziemlich häufig ist dagegen wieder eine Art der Gattung
Goniatites, obgleich sie bei der meistens schlechten Erhaltung
leicht zu übersehen ist. Es ist eine kleine, kaum + Zoll grosse
Art mit einfachen Loben, welche ausser dem kleinen Dorsal-
Lobus lediglich nur eine einzige, einem IJ.ateral-Lobus ent-
sprechende Inflexion auf den Seiten zeigt. Die Erhaltungsart
ist ganz derjenigen in den bekannten Goniatiten- Schiefern in
der Eifel gleich, obgleich sich die Exemplare bei der grösseren
>
675° |
Festigkeit des Gesteins nicht wie dort leicht und vollkommen
aus dem Gesteine auslösen. Es sind aus erdigem Brauneisen-
steine bestehende Steinkerne. Die ursprüngliche Versteinerungs-
masse war Schwefelkies, und zuweilen ist dieser auch noch in
unverändertem Zustande erhalten. Eine sichere Artbestimmung
ist bei der Abwesenheit der Schale nicht thunlich. Wahrschein-
lich ist es eine der zahlreichen Formen des @. retrorsus.
Uebrigens hat auch Pusch diese Goniatiten bereits von der-
selben Stelle gekannt. Er hat sie unter der Benennung Am-
monites Humboldti und A. Buchü beschrieben und freilich nur
unvollkommen abgebildet (Vergl. Polens Palaeontol., S. 151,
t. XIII, f. 1 und 2). Was er A. Buchi nennt, ist wahr-
scheinlich nur eine Varietät der als A. Humboldtü beschriebenen
Art. Die übrigen in dem bituminösen Kalke vorkommenden
Fossilien scheint dagegen Pusch nicht gekannt zu haben.
Endlich wurde auch noch ein Exemplar eines Brachiopo-
den,. welches wahrscheinlich mit der in den oberdevonischen
Schichten bei Saalfeld häufigen T'erebratula subeurvata MUNSTER
(vergl. RıcHTer a. a. O. S. 29, t. IE, f. 37— 39) identisch ist,
beobachtet.
Auf diese Weise findet sich also hier, weit im Osten, bei
Kielce eine oberdevonische Fauna, welche auffallend mit der-
jenigen der Goniatiten-Schiefer von Büdesheim und der Oypri-
dinen-Schiefer von Nassau und von Saalfeld übereinstimmt.
Ein Glied der devonischen Schichtenreihe, welche die Höhen-
zuge des Polnischen Mittelgebirges zusammensetzt, ist damit
sicher und zweifellos in seinem Alter bestimmt. Es ist unbe-
dingt die jüngste unter den überhaupt dort "bekannten devoni-
schen Ablagerungen. In der That könnten ja nur etwa die in
Beigien und in der Gegend von Aachen entwickelten Schichten
mit Spirifer Verneuilii darüber liegen, von denen aber nichts
nachgewiesen ist.
Das Lagerungsverhältniss dieser Goniatiten führenden, bi-
tuminösen, schwarzen Kalke gegen den hellgrauen Korallenkalk
des Kanzelberges ist nicht unmittelbar zu beobachten. Da sie
sich aber bis nahe an den Fuss des Kanzelberges verfolgen
lassen, so ist mit Wahrscheinlichkeit auzunehmen, dass beide
Gesteine in dem Verhältniss von zunächst angrenzenden Schich-
- tenfolgen stehen. Ist dieses aber der Fall, dann ist der Kalk-
676
/
stein des Kanzelberges unzweifelhaft das ältere, die schwarzen,
bituminösen Schichten mit Goniatiten das jüngere Glied*).
Von ganz anderer petrographischer Beschaffenheit sind
gewisse ältere Gesteinsschichten, welche südöstlich von Kielce
anstehen. An einer etwa - Meile südöstlich von Kielce gele-
genen Lokalität Bukowkagöra werden in mehreren Stein-
brüchen hellgraue, an der Luft gelbbraun anlaufende, zum
Theil in Quarzit übergehende Sandsteinschichten, welche mit
25° gegen Norden einfallen, gebrochen, um als Bausteine in
Kielce verwendet zu werden. Das Gestein erinnert sehr an
gewisse devonische Sandsteine des Oberharzes, wie namentlich
diejenigen des Kahleberges. Im Ganzen ist das Gestein sehr
arm an organischen Einschlüussen. Nur einzelne dünne Lagen
des Gesteins sind mit Steinkernen und Abdrücken einiger we-
niger Brachiopoden-Arten erfüllt. Die häufigste unter diesen
ist eine kleine Orthis mit convexer grösserer Klappe und flacher
kleinerer Klappe und mit dachförmigen ausstrahlenden Rippen
auf der Oberfläche der Schale. Die allgemeine Gestalt dieser
Art erinnert an diejenige von Orthis calligramma der untersi-
lurischen Schichten. Allein die Zahl der ausstrahlenden Falten
ist geringer und beträgt nur 11 (statt 17 bei O. calligramma)
auf jeder Klappe. Auch ist die Wölbung verhältnissmässig
grosser als bei der genannten untersilurischen Art. Ich
halte die Art für neu und nenne sie OÖ. Kielcensis. Ausserdem
wurde in dem Sandsteine nur eine kleine Form der Atrypa re-
*) In ein nahezu gleiches, aber doch wohl etwas tieferes geognosti-
sches Niveau wie die goniatitenführenden Mergel müssen gewisse mer-
gelige Schichten gehören, welche 4 Stunde nördlich von Kielce bei dem
Hofe Szydlowek östlich von der Landstrasse austehen. Es sind graue
Mergelschiefer, welche durch mehrere kleine Entblössungen aufgeschlos-
sen sind. Die beiden häufigsten Fossilien dieser Schichten sind Atrypa
relicularis (die gewöhnliche grössere devonische Form!) und ein Brachiopod,
welches durch den allgemeinen Habitus an Äihynchonella formosa Scunur er-
innert und wahrscheinlich ebenso wie diese zur Gattung Camarophoria gehört.
Nur die jugendliche Form gleicht übrigens der Ah. formos«. Im aus-
gewachsenen Zustande ist sie viel gewölbter und erinnert durch den
tiefen Stirnlappen an gewisse Formen der Akynch. cuboides. Ich halte
diese Art für neu und nenne sie Camarophoria (?) Polonica (S. Fig. 9,
i0 Taf XIIl). Ausserdem wurde in diesen Schichten nur noch ein Exem-
plar einer Art der Gattung Cyrtoceras beobachtet. Für eine ganz sichere
Feststellung des Alters dieser Schichten genügen diese bisher daraus be-
kannten Arten allerdings nicht.
677
ticularis, eine nicht näher bestimmbare, fein radial gestreifte
Orthis und eine kleine, wahrscheinlich mit Calamopora fibrosa
identische Koralle. Dieselben Versteinerungen fanden sich
auch an einer } Meile weiter östlich gelegenen Stelle, wo einige
kleinere Steinbruche betrieben werden. Von anderen Punkten
als den genannten sind bisher meines Wissens aus dem Quarz-
fels der Kieleer Gegend organische Einschlüsse nicht bekannt.
Auf der Grenze des Quarzits gegen kalkige Schichten finden
sich im Liegenden des Eisensteinlagers von Dabrowa, ? Meilen
nordöstlich von Kielce, Spiriferen, welche Pusch (a. a. O.
S. 120 — 122) zu Sp. speciosus, Sp. alatus und Sp. ostiolatus
bringt. Wir sammelten auf den Halden der Eisensteingruben
von Dabrowa eine Anzahl von Exemplaren dieser in ein dun-
kelgraues, kalkig mergeliges Gestein eingeschlossenen Spiri-
feren. Es sind kurz und lang geflügelte Formen einer und
derselben Art mit glattem, ungefaltetem Sinus und 10 bis 12
ausstrahlenden Falten auf jeder Seite des Sinus. Die lang ge-
flugelten Formen gleichen der Art der Eifel, welche GoLpFuss
Spürifer micropterus nannte, die kurz geflügelten dem Spirifer
ostiolatus v. BucH (Sp. laevicosta ScunuUR). Die verschiedenen
Exemplare der Art stellen eine ganz ähnliche Formenreihe dar,
wie sie ScHNnuR (Brachiop. der- Eifel, t. XXXIlb. f. 3a—h)
abbildet. Ich führe deshalb die Art von Dabrowa hier vor-
laufig als Sp. laevicosta (Sp. ostiolatus) auf, da die Beziehun-
gen, in welcher die als Sp. micropterus bekaunten Formen der
Eifel zu den verwandten Formen mit glattem Sinus stehen,
noch immer nicht genügend festgestellt sind,
Die sehr festen, hellgrauen Quarzitbänke, welche den das
Kloster von Swienty Krzyz tragenden, hohen Rücken der Lysa-
göra zusammensetzen, haben bis jetzt keine Spur von organi-
schen Einschlussen erkennen lassen.
Freilich ist es auch durchaus unsicher, ob sämmtliche
Quarzite und Sandsteine des Mittelgebirges demselben geogno-
stischen Niveau angehören.
Versucht man das Altersverhältniss des Quarzits zu den
kalkigen Schichten zu bestimmen, so wird man zunächst nur
für die versteinerungsführenden einen Erfolg erwarten dürfen.
Da zwischen den Kalksteinschichten des Kanzelberges und den
Sandsteinen von Bukowkagöra eine andere Schichtenfolge
nicht gekannt ist, so werden wir diese beiden Gesteine als
678
aneinander grenzende betrachten dürfen, und da die gonitatiten-
führenden, dunkelen, bituminösen Kalke jedenfalls das zunächst
jüngere Glied über dem Kalksteine des Kanzelberges sind, so
werden die Sandsteine als im Alter beiden vorangehend be-
'trachtet werden müssen. In der That weist Orthis Kielcensis
weit eher auf ein tieferes als ein höheres Niveau der devoni-
schen Schichtenreihe hin. . Da diese Art ihre nächsten Ver-
wandten in den silurischen Schichten hat, so könnte man -
daran denken, die quarzitischen Sandsteine von Bukowkagöra
für silurisch zu halten. Allein dann würden silurische Schich-
ten von verhältnissmässig jungen devonischen Schichten über-
lagert werden. Man wird daher bei dieser engen stratographi-
schen Verbindung in welcher die Sandsteine von Bukowka-
g0ra zu den anderen devonischen Schichten bei Kielee stehen,
vorziehen, sie ebenfalls als devonisch anzusehen. ‘In der näch-
sten Umgebung von Kielce wurden also auf diese Weise drei‘
devonische Schichtenfolgen nachgewiesen sein, nämlich der
Sandstein von Bukowkagöra, der hellgraue Korallen - Kalk-
stein des Kanzelberges und die dunkelen, bituminösen Kalk-
mergel mit Goniatiten, Posidonomya (?) venusta u. Ss. W.
Ausser den bisher angeführten Gesteinen der näheren Um-
gebungen von Kielce finden wir nun auch noch an einigen an-
deren Punkten devonische Schichten; allein theils weil die
Zahl der darin beobachteten Fossilien zu gering ist, theils weil
die Untersuchung derselben eine zu flüuchtige war, unternehme
ich nicht, denselben eine bestimmte Altersstellung anzuweisen.
Zunächst gehören dahin diejenigen bei Chenein. Der die maleri-
sche Schlossruine tragende, steil abfallende und auffallend
schmale Schlossberg, der sich unmittelbar über der Stadt er-
hebt, besteht aus sehr steil aufgerichteten, mit 80° gegen Süden
einfallenden Schichten eines dunkelgrauen, diebten Kalksteins.
Eine mir sonst nicht in devonischen Kalkschichten bekannte
petrographische Eigenthumlichkeit bilden “flache Nieren von
leberbraunem Hornstein in gewissen Schichten des Kalksteins,
welche gerade auf dem scharfen Kamme des Berges, neben der
Schlossruine, zu Tage gehen. Die einzigen organischen Ein-
schlusse, welche ich wahrnahm, waren Korallen, namentlich
jene vielleicht mit Cyathophyllum fasciculare GoLDF. identische
Cyathophyllen, und eine kleine Calamopora oder Chaetetes-Art, .
welche auch in den neu aufgefundenen devonischen Kalkstein-
679
schichten bei Dziwki unweit Siewierz so häufig ist. Nach
diesen Korallen und dem allgemeinen Habitus würde ich diese
Kalksteinschiehten des Schlossberges von COhenein für mittel-
devonisch halten und dem Eifeler Kalke gleichstellen.
Von ganz anderem äusseren Verhalten sind die in der
Nähe des etwa 6 Meilen ostnordöstlich von Kielce gelegenen
Städtehens Bodzentin aufgeschlossenen devonischen Schichten.
Längs eines Bachufers ist auf einer längeren Erstreckung zwi-
schen den Ortschaften Swientomarz und Rzepin eine Reihe
von mehr oder minder steil aufgerichteten, dunkelen Sandsteinen,
Thonschiefern, Mergeln und dichten Kalksteinen entblösst.
Pusch hat diese Partie devonischer Gesteine bereits gekannt
und sie auf seiner Karte mit der Farbe des Uebergangs-Kalk-
steins bezeichnet. Neuerlichst hat ZEUSCHSER *) diese Schichten
naher beschrieben und eine Anzahl von Versteinerungen aus
denselben aufgeführt. Wir selbst besuchten diese Lokalität
unter der gefälligen Führung des mit den geognostischen Ver-
hältnissen des Mittelgebirges wohl bekannten Herrn Kosısskı
in Biallogor bei Kielee und sammelten die dort vorkommen-
menden organischen Einschlüsse. Die letzteren finden sich
theils in violettröthlichen Mergelschiefern, theils in dünnen
Bänken eines dunkelgrauen oder schwärzlichen, dichten Kalk-
steins.. In den Mergelschiefern ist das häufigste Fossil eine
radial gestreifte Orthis von fast rundlichem, nur wenig in die
Quere ausgedehntem Umriss und mit fast gleicher Wölbung der
beiden Klappen, welche bei näherer Vergleichung als identisch
mit O. lunata Sow. in der Auftassung von E. DE VERNEUIL (M.V.
K. II, 8.189, t. XIII, f£.6) sich erweist. Nächstdem ist Atrypa
reticularis in diesen Mergelschiefern das gewöhnlichste Fossil.
In den schwarzen Kalken sammelten wir namentlich Stropho-
mena depressa, Pentamerus galeatus und einen vielleicht mit
Spirifer concentricus SCHNUR identischen ungefalteten Spirifer.
ZEUSCHNER führt aus dieser Schichtenfolge noch einige andere
Arten und namentlich auch Phacops latifrons auf. Die devo-
nische Natur dieser Schichten bei Bodzentin kann nicht zweifel-
haft sein, und nur um die Bestimmung ihres näheren Niveaus
kann es sich handeln. Die wenigen mit Sicherheit daraus be-
kannt gewordenen Versteinerungen weisen auf die mittlere Ab-
*) Siehe Neues Jahrbuch, 1866, S. 513.
680
theilung- der devonischen Schichtenreihe hin. In jedem Falle
sind diese Schichten bei Bodzentin älter als der Kalkstein
des Kanzelberges bei Kielce und wahrscheinlich auch älter als
die Sandsteine von Bukowkagöra. Sie würden dann. über-
haupt die ältesten versteinerungsführenden Schichten des Mittel-
gebirges sein. Nur die sehr festen, anscheinend versteinerungs-
leeren‘, hellen Quarzite, welche den Höhenzug der Lysagora
und einige andere Rücken zusammensetzen, würde man etwa
nach der Gesteinsbeschaffenheit für noch älter zu halten ge-
neigt sein.
Hiernach würde sich die nachstehende Aufeinanderfolge
devonischer Schichten im Mittelgebirge in absteigender Reihe
ergeben:
l) Schwarze, bituminöse Kalke und Kalkmergel zwischen
dem südlichen Ausgange von Kielce und dem Kanzelberge mit
Posidonomya (?) venusta, Cypridina - serrato-striata, Phacops
cryptophthalmus und Goniatites retrorsus.
2) Hellgrüner Korallenkalk des Kanzelberges bei Kielce
mit Calamopora cervicornis, Alveolites suborbicularis, Stromato-
pora polymorpha, Atrypa reticularis, Rhynchonella acuminata,
Bronteus flabellifer u. s. w.
3) Bräunlichgrauer Sandstein von Bukowkagöra bei Kielce
mit Orthis Kielcensis m.
4) Dunkele, kalkig thonige Mergelschiefer der Eisenstein-
gruben von Dabrowa bei Kielce mit Spirifer ostiolatus.
5) Dunkele Sandsteine, violette Mergelschiefer und dichte
dunkelgraue Kalksteinbanke zwischen Swientomarz und Rzepin,
bei Bodzentin mit Orthis lunaris, Atrypa reticularis, Pentamerus
galeatus, Strophomena depressa u. Ss. w.
6) Versteinerungsleere Quarzite der Lysagöra u. s. w.
Freilich ist diese Aufstellung wahrscheinlich ebensowenig
vollständig in der Unterscheidung der in dem Mittelgebirge
überhaupt entwickelten Glieder des devonischen Gebirges, als
völlig zweifellos in der Anordnung der einzelnen Glieder, na-
mentlich der unteren. Erst einer eingehenden Untersuchung
des ganzen. Gebietes, wie sie nur von einem in dem Lande
wohnenden Beobachter ausgeführt werden kann, wird es mit
Hülfe einer vollständigen Kenntniss der organischen Einschlüsse
und unter sorgfältiger Berücksichtigung der Lagerungsverhält-
nisse gelingen, den Bau dieser so merkwürdigen Erhebung von
681
devonischen Gesteinen in der Gegend von Kielce im Einzel-
nen klar darzulegen.
2. Permische Gesteine.
Von Gesteinen des Steinkohlengebirges ist im Polnischen
Mittelgebirge nichts bekannt. Dagegen sind Gesteine der Per-
mischen Gruppe unzweifelhaft vorhanden. Aechter Zechstein
mit Productus .horridus. tritt bei Kajetanow, 1% Meile nordöstlich
von Kielce, zu Tage. Zur Zeit als Pusch sein Hauptwerk
über die Geognosie von Polen verfasste, war ihm dieses Vor-
kommen noch nicht bekannt. Erst in einem später erschiene-
nen Aufsatze*) bestimmt erihn als solchen nach Exemplaren von
Produetus .horridus, die von Herrn Rosr aufgefunden und ihm
mitgetheilt worden waren. Herr ZEUSCHNErR**) hat neuerlichst
eine nähere Beschreibung von diesem Zechstein- Vorkommen
geliefert. Mehrere hart an der von Kielce nach Suchedniow
und Warschau führenden Landstrasse, ganz in der Nähe des
Dorfes Kajetanow gelegene Steinbrüche, in welchen Wegebau-
Material gebrochen wird, gewähren gute Aufschlüsse des Ge-
steins. Es ist ein dunn geschichteter, selten Bänke von mehr
als , Fuss Stärke bildender, dunkelgrauer bis schwärzlicher,
bituminöser Kalkstein, welcher mit dünnen Lagen von zerreib-
lichem -dunkelem Mergelschiefer wechselt. Die Schichten sind
mit 10 bis 15° gegen Norden geneigt. Productus horridus ist
sehr häufig. Die Erhaltung ‚mit perlmutterglänzender Schale
gleicht der typischen Erhaltungsweise in dem Zechsteine von
Gera, Schmerbach u. s. w. zum Verwechseln. Andere Fos-
silien sind selten. Ich fand nur noch einige wenige, aber sicher
bestimmbare Exemplare der Strophalosia Goldfussü. |
Das Vorkommen von ächtem Zechsteine an einem so weit
gegen Osten gerückten Punkte ist von grossem Interesse.
Eine weite Strecke trennt dieses Vorkommen von den nächst-
liegenden Ablagerungen des Zechsteins in Deutschland, denjeni-
sen von Löwenberg und Goldberg in Nieder - Schlesien. Nir-
- *) Ueber die geognostischen Verhältnisse von Polen nach neueren
Beobachtungen und Aufschlüssen; in Kansten’s Archiv, Bd. XII, 1839,
S. 159 — 179,
**) Ueber den Zechstein von Kajetanow zwischen Kielce und Su-
chedniow. Neues Jahrb. f. Min., Jahrg. 1866, S. 520 - 522.
Zeits. d.d.geol. Ges. XVIIL, 4. 44
682
gends ist namentlich in dem Umfange des grossen oberschle-
sisch-polnischen Steinkohlenbeckens der Zechstein gekannt.
Nach seiner Ausdehnung ist das Vorkommen des Zech-
steins ein auffallend beschränktes. Der Flächenraum, in wel-
chem es nachgewiesen ist, beträgt nur wenige Morgen. Ver-
geblich hat man sich bemüht, die Schichten in ihrem Fortstrei-.
chen gegen Osten und Westen weiter zu verfolgen. Uebrigens
liest der Zechstein nicht sowohl an dem Nordabhange der
devonischen Erhebung von Kielce, als vielmehr in einer Bucht
dieser letzteren; denn nordwestlich von dem Vorkommen des
Zechsteins von Kajetanow erscheint nochmals bei dem Dorfe
Zagdansk *) devonisches Gestein. Die Kirche des letzteren Dorfes
steht, auf einer Anhöhe, welche weiter östlich zu einem steil
‘abfallenden, schmalen Bergrücken ansteigt. Dieser ganze Berg-
rücken besteht aus steil aufgerichteten gegen Norden einfallen-
den Bänken eines dunkelgrauen oder schwärzlichen Dolomits
und ebenso gefärbten Kalksteinschichten. Die Kirche selbst
steht auf dunkelem stinkendem Dolomit, und weiter östlich findet
man an dem mit Buschwerk bewachsenen, nördlichen Abhange
des Ruckens einen anderen deutlichen Aufschluss, in welchem
dunne Bänke von dunkelgrauem Kalkstein steil nordwärts ein-
fallen. Man könnte über die Natur des Gesteins in Zweifel
sein, wenn nicht glücklicher Weise zuweilen undeutliche orga-
nische Einschlusse bemerkt würden. Manche Stücke des Do-
lomits sind namlich mit denselben walzenrunden, dünnen Korallen-
stämmchen erfüllt, welche in gewissen Schichten des devonischen
Kalks bei Chencin häufig sind, und welche in gleicher Weise fur
die erst jüngst aufgefundenen devonischen Kalkschichten bei
Dziwki unweit Siewierz eines der bezeichnendsten Fossilien
sind **).
Leider ist das Liegende des Zechsteins bei Kajetanow
ebensowenig wie das Hangende deutlich zu beobachten. Da-
gegen sind an einigen anderen Punkten in der Gegend von
Kielce eigenthümliche conglomeratische und breecienartige Ge-
steine aufgeschlossen, welche wohl das im Liegenden des
*) Nach Zeuschser ist Zagnansko zu schreiben. Die russische
Generalstabskarte schreibt Zagdansk.
**) Pusch, a. a. O. Ba. I, S. 199, hat: irrthümlich diese dunkelen
devonischen Kalke als Einlagerungen in dem Bunten Sandsteine angesehen
6853
Zechsteins zunächst zu erwartende Rothliegende vertreten
könnten. Der westlich von Kielce sich erhebende Karczowka-
berg besteht aus aufgerichteten Bänken eines hellgrauen, dem-
jenigen des Kanzelberges ähnlichen devonischen Kalksteins.
Am Fusse des Berges und zum Theil auch höher an dem Ab-
hange hinauf beobachtet man wagerechte Bänke eines kalkigen
Gesteins, welches aus eckigen, seltener gerundeten Brocken
desselben Kalksteins, die durch ein eisenschussiges und mei-
stens röthlich gefärbtes, kalkiges Bindemittel zu einem sehr
festen Aggregate verbunden sind. Dieses Gestein erinnert in
manchen Abänderungen an die kalkigen Conglomerate der Ge-
gend von Krzeszowice, namentlich an diejenigen im Thale von
Filippowice, welche ich früher”) als wahrscheinlich dem Roth-
liegenden angehörig erwiesen habe. Auch vor Chenein sind
an der von Kielce nach Chencin führenden Landstrasse ganz
ähnliche Brececien dem devonischen Kalksteine aufgelagert.
Pusc#*) hat diese kalkigen Gesteine unter der Benennung
„Bunte Uebergangskalk-Breccien* beschrieben und betrachtet sie
als untergeordnete Lager des Kalksteins selbst. Allein ich
selbst glaube mit Bestimmtheit beobachtet zu haben, dass sie
dem devonischen Kalksteine abweichend aufgelagert sind, und
damit ist auch die von PuschH selbst anerkannte Thatsache im
Einklange, dass diese Breccien nur am Fusse und an den Ab-
hängen der Kalksteinberge erscheinen. Uebrigens ist dieses Ge-
stein durch seine technische Verwendung als Marmor wohl be-
kannt. Die Säulen vor dem Schlosse von Kielce sind daraus
gearbeitet, und PuscH bemerkt, dass auch die grosse Säule in
Warschau, welche die Statue König Siegmund’s III. trägt,
daraus besteht.
3. Bunter Sandstein.
Dieses unterste Glied der Trias-Formation ist in der
Umgebung des Kielcer Uebergangsgebirges in weiter Ausdeh-
‚nung gekannt. PuscH, der es unter der Benennung „Nördliche
bunte Sandstein - Formation* beschreibt, hat diese Verbreitung
auf seiner Karte des Mittelgebirges näher angegeben. Die
Haupt-Verbreitung des Sandsteins ist am nördlichen Abfalle
*) S. diese Zeffschrift, Jahrg. 1864, 8. 633 ff.
**) Geognost. Beschr. von Polen, I, S. 6öff.
44*
684 . Ems
des Gebirges. Hier bildet er eine breite Zone in der ganzen
Länge des Gebirges. >
Die Beschaffenheit des Sandsteins betreffend, so ‘ist es
sehr bemerkenswerth, dass hier im Mittelgebirge der Bunte
Sandstein wieder mit allen Merkmalen seines typischen deut-
schen Vorkommens erscheint, während er in Oberschlesien
und in dem Krakauer Gebiete in einer sehr abweichenden Form
entwickelt ist. In Oberschlesien ist der Bunte Sandstein eine
Schichtenfolge von geringer Mächtigkeit, welche vorherrschend
aus zähen, braunrothen Letten und losen Sandschichten oder
zerreiblichen, lockeren Sandsteinen besteht und bei dieser un-
bedeutenden Mächtigkeit und geringen Festigkeit auch durch-
aus nicht in selbstständigen Bergformen auftritt. In der Ge-
gend von Kielce dagegen ist der Bunte Sandstein wieder wie
in Deutschland eine vorherrschend aus braunrothen, zur Verar-
beitung in Werkstüucken geeigneten, festen Sandsteinbanken be-
stehende Bildung von ansehnlicher Mächtigkeit, welche selbst-
ständig mehrere hundert Fuss hohe Hügel und Höhenzüge zu-
‚sammensetzt. Nur nach oben, gegen den Muschelkalk hin,
sollen nach Pusch braunrothe Schieferletten herrschend werden.
Die Lagerungsverhältnisse dieser Sandsteinbildung betreffend,
so ruht sie gewöhnlich mit flacher Neigung der Schichten ge-
gen Norden den devonischen Schichten ungleichförmig auf, wäh-
rend sie nach oben von Muschelkalk gleichformig bedeckt
wird. Die Hauptmasse des Sandsteins liegt auch in jedem
Falle uber dem Zechsteine von Kajetanow. Hiernach kann die -
. Bildung nur Bunter Sandstein sein. Eben so sicher wurde frei-
lich die Zugehörigkeit der etwa im Liegenden des Zechsteins
von Kajetanow nachweisbaren, ähnlichen Sandsteinschichten
zum Rothliegenden sein.
Während in der Hauptmasse des Sandsteins organische
Einschlüsse durchaus zu fehlen scheinen, so haben wir-dagegen
in den obersten, dem Muschelkalke genäherten Schichten der-
gleichen entdeckt. Wir fanden nämlich bei Mniow 2 Meilen
nordwestlich von Kielce, in den dort verbreiteten, vom Muschel-
kalke bedeckten, weissen Sandsteinschichten mehrere plattenför-
mige Stücke, welche auf den Schichtflächen mit den Abdrücken
von Myophoria fallax v. SEEBACH (M. costata ZENKER nach
H. Eck) bedeckt sind. Bekanntlich ist die®e früher mit der
M. Goldfussii des Keupers vielfach verwechselte, durch v. SEE-
685
BACH zuerst unterschiedene Art eine weit verbreitete Leitmuschel
des Röths, welche namentlich auch überall in Oberschlesien
und dem Krakauischen Gebiete diese oberste Abtheilung des
Bunten Sandsteins bezeichnet. Durch die Auffindung dieser
Muschel bei Mniow wird nicht nur das dortige Vorhandensein
des Röths erwiesen, sondern auch die Bestimmung des rothen
Sandsteins als Bunter Sandstein erhält dadurch erhöhte
Sicherheit.
4. Muschelkalk.
Unzweifelhafter Muschelkalk ist sowohl auf der Nord-,
wie auf der Sudseite des Kielcer Uebergangsgebirges verbreitet.
Pusc# hat ihn bereits mit Bestimmtheit als solchen erkannt
und seine Verbreitung näher angegeben. Auf der Nordseite
bildet er eine schmale Zone, welche überall die nördliche Grenze
des Bunten Sandsteins bezeichnet. Ohne Zweifel werden sich
auch die einzelnen Abtheilungen, welche in Oberschlesien und
in den angrenzenden Theilen von Polen im Muschelkalke sich
unterscheiden lassen, auch hier in der Umgebung des Kielcer
Uebergangsgebirges nachweisen lassen. Wir sahen auf dem
Huüttenwerke Mroczkow Haufen von Muschelkalk , welche an
einer nahe gelegenen Stelle gebrochen waren, und welche nach
petrographischem Verhalten und organischen Einschlussen der
obersten Abtheilung des oberschlesischen Muschelkalks (H. Eck’s
Kalke von Rybna) durchaus entsprechen.
“5. Keuper.
. Nördlich von der dem Nordabfalle des Kielcer Uebergangs-
gebirges angelagerten, breiten Zone von Buntem Sandstein und
dem sie begrenzenden, schmalen Muschelkalk - Streifen breitet
sich eine vorherrschend aus weissen Sandsteinen und bunten
Thonen bestehende Bildung über ein mehr als 50 Quadratmeilen
grosses, dicht bewaldetes und spärlich hevölkertes, flach wellen-
förmiges Gebiet aus. Durch den grossen Reichthum an vor-
trefflichen thonigen Spaerosideriten hat diese Bildung bedeu-
tende technische Wichtigkeit. Zahlreiche durch das waldige
Gebiet zerstreute ärarische und private Eisenhütten verarbeiten
diese Erze. Die weitaus wichtigste Eisen-Industrie Polens hat seit
alter Zeit hier ihren Sitz. Die unabsehbaren Wälder liefern das
j 656
Material für die Verhüttung der Erze. PuscH*) hat diese
eisenerzführende Bildung unter der Benennung „Nördliche
weisse Sandstein-Formation* eingehend beschrieben. Er unter-
scheidet in derselben eine untere steinkohlenführende und eine
obere eisensteinreiche Abtheilung. Die erstere bestelit nach
ihm aus dunkelen Schieferthonen und schiefrigen Sandsteinen
mit untergeordneten, wenig mächtigen, unregelmässigen Lagern
von unreiner Steinkohle, die obere aus weissen Sandsteinen
und bunten Thonen mit Einlagerungen von thonigen Sphäro-
sideriten. Die Mächtigkeit der ganzen Bildung kann gegen
500 Fuss beitragen. Die Neigung ist ganz flach gegen Norden
oder Nordosten. Wir lernten diese Gesteine auf einer Exeur-
sion kennen, welche wir ebenfalls uuter der freundlichen Fuh-
rung des Herrn Kosınskı von Kielce aus über Suchedniow,
Mroczkow, Odrowanz, Mokra, Dziadek und Gliniany Las aus-
führten.
Die bunten Thone sahen wir zuerst bei dem Dorfe Odro-
wanz. Die die flachen Umgebungen weit beherrschende An-
höhe, auf welcher das Dorf gebaut ist, besteht daraus, und in
dem Dorfe selbst sahen wir sie an mehreren Stellen gut auf-
geschlossen. Gleich auf den ersten Blick ist die. Aehnlichkeit
dieser Thone mit den Keuper-Thonen von Woischnik, Lub-
linitz u. s. w. in Oberschlesien auffallend. Dieselben braun-
rothen Letten und bunten Mergel wie dort. Auf der Halde
eines hinter der Kirche des Dorfes in den braunrothen Letten
abgeteuften Schachtes fanden wir ausserdem Stücke der grauen
und bunten Kalkbreecien, deren Einlagerungen für die Keuper-
Thone Oberschlesiens und der angrenzenden Theile von Polen
so sehr bezeichnend sind.
Das Vorkommen der Eisensteine beobachteten wir zunächst
auf den Eisensteingruben bei dem Dorfe Mokra. Mit den dor-
tigen Schächten wurden zuoberst 5 Lachter weisse Sandstein-
schichten, dann 6 Lachter rothe Thone durchsunken. Mit dem
elften Lachter ‘wurdefi die Lager von thonigem Sphärosiderit
angetroffen, deren Gesammtmächtigkeit hier 15 Zoll beträgt.
Auf den Gruben von Dziadek, welche wir zunächst be-
suchten, unterscheiden sich die Erze in dem äusseren Ansehen
nur wenig von den bunten, bandförmig gestreiften Thonen, in
*) Geognostische Beschreibung von Polen, Th. I, S. 292 ff.
687
denen sie vorkommen. Es sind handdicke Lager derselben
braunrothen und grünlichgrauen Thone, mit kohlensaurem Eisen-
oxydul durchdrungen. Auch hier werden die Thone von weissen
Sandsteinen bedeckt. In dem ganzen Gebiete von Puscn’s
„Nördlicher weisser Sandstein-Formation* sieht man überhaupt
als zu Tage anstehendes Gestein fast nur den weissen Sand-
stein. Namentlich erscheint er auf den Höhenzügen, während
in den dazwischen liegenden Thälern Diluvialsand abgelagert
zu sein pflegt. Die bunten Thone haben sich als leichter zer-
stöorbare Gesteine viel seltener an der Oberfläche erhalten.
Durch dieses scheinbare Vorherrschen ist wohl auch PuscH zu
seiner Benennung „Nördliche weisse Sandstein-Formation* ver-
anlasst worden, obgleich dieselbe doch in Wirklichkeit keines-
weges ausschliesslich aus Sandsteinen, sondern zu einem
grösseren Theile aus Thonen und: Thonmergeln besteht.
Von Dziadek fuhren wir zu den Eisensteingruben von Gliniany
Las. Die hier vorkommenden Eisensteine gelten als die besten
des ganzen Gebietes. Es sind zolldicke bis handdicke Platten
von röthlichgrauem, thonigem Sphärosiderit, welche auch hier
wie auf den anderen Gruben bunten 'Thonen untergeordnet
sind. Eine an keiner anderen Stelle beobachtete Eigenthüm-
lichkeit bildet aber hier das Vorkommen einer zwischen den
Eisensteinlagen liegenden, 6 Zoll dicken Lage von röthlich ge-
färbtem Tutenmergel oder Nagelkalk. Aus dem Keuper Ober-
schlesiens ist mir nichts Aehnliches bekannt.
Organische Einschlüsse sind in der ganzen von Pusch
als „Nördliche weisse Sandstein-Formation* beschriebenen Bil-
dung äusserst selten und beschränken sich auf einige wenige
Pflanzen-Abdrücke und noch sparsamere thierische Reste. Von
Pflanzen führt PuscH *) Neuropteris Scheuchzeri, Pecopteris Scheuch-
zeri STERNB., Oycadites Nilssonii STERNB. und nicht näher be-
stimmbare schilfähnliche Abdrücke auf. Die specifischen Be-
stimmungen dieser Pflanzen werden kaum als zuverlässig zu
betrachten sein und für die nähere Altersbestimmung der Bil-
dung nur ein geringes Anhalten gewähren. Wichtiger ist in
dieser Beziehung‘ ein Vorkommen von Farrnkraut-Abdrücken
in einem grauen Schieferthone bei Miedzieczo. Ein Stück dieses
Gesteins, welches ich durch Herrn Kosınskı erhielt, ist mit
» A: 2.0. 1,8. 38.
688 :
den Blättern eines Farrnkrautes erfüllt, welches sich bei nä-
herer Vergleichung mit der in den Thoneisensteinen von Lud-
wigsdorf, Matzdorf, Wilmsdorf u. s. w. in der Gegend von
Kreuzberg und Landsberg in Oberschlesien häufigen Pecopteris
Ottonis Göpp. als identisch erweist.
Von thierischen Resten führt PuscH zunächst „deutliche
Steinkerne einer kleinen, fachgedrückten Myaciten-Art, welche
bei 1 bis 1: Zoll Länge z Zoll Breite haben,* aus einem fein-
körnigen Sandsteine zwischen Mirkowice und Kossowice auf.
Exemplare dieser Art: sahen wir in Pusc#’s Sammlung‘ in
Warschau. Es ist, obgleich die Schlosstheile nicht deutlich zu
erkennen waren, dem allgemeinen Habitus nach, entschieden
eine kleine Art der Gattung Unio. Dieselbe Art fanden wir
selbst in dem weissen Sandsteine in dem Dorfe Mokra. Ein-
zelne Lager der dortigen Sandsteine sind ganz erfüllt mit den
zusammengedruckten Schalen dieser Art. Ausserdem ‘enthält
der Sandstein von Mokra nur noch Steinkerne eines ‘kleinen
Gastropoden, welches wahrscheinlich zur Gattung -Paludina
gehört.
Wenn PuscHh*) ausserdem „Mytuliten, Myaciten, Peectini-
ten, gefaltete Terebrateln und wenige einschalige Schnecken*
von einer einzelnen Stelle, nämlich in einem rothen Thoneisen-
stein-Flötze bei Tychow anführt, so gehören die Schichten,
welche diese augenscheinlich marine Fauna einschliessen, ge-
wiss nicht seiner „Nördlichen weissen Sandstein- Formation“
an, welche allen übrigen Einschlüssen nach durchaus für eine
Süsswasserbildung anzusehen ist.
Nach der gleichformigen Auflagerung auf unzweifelhaften
Muschelkalk, wie nach dem paläontologischen Verhalten kann nun
diese in Rede stehende „Nördliche weisse Sandstein-Formation*
von Pusch nicht wohl etwas Anderes als Keuper sein. Wie
sich nach der geographischen Lage erwarten liess, zeigt sich
die meiste Verwandtschaft mit dem Keuper Oberschlesiens und
der an Oberschlesien angrenzenden Theile von Polen. Die
rothen und bunten, fast kalkfreien Letten, die Einlagerungen
von grauen oder bunten, kalkigen Breccien in diesen Letten und
das Vorkommen reicher Ablagerungen von thonigen Sphärosi-
deriten in den Thonen sind Eigenthümlichkeiten, welche diese
*, A. 2a..0.-8. Si und 323. -
689
Aehnlichkeit mit dem, oberschlesischen Keuper im Gegensatze
zu den typischen Keuper-Bildungen im mittleren Deutschland
vorzugsweise begründen. Andererseits ist die mächtige Ent-
wicklung weisser Sandsteinschichten in dem Keuper vom Nord-
abhange des Kielcer Uebergangsgebirges auffallend unterschei-
dend; deun“ in dem Keuper Oberschlesiens sind Sandsteine
zwar nicht ganz ausgeschlossen, aber gegen die thonigen Ab-
lagerungen immer ganz untergeordnet. Auch haben sie nie-
mals die rein weisse Farbe und die eine Verarbeitung zu Werk-
stucken zulassende Festigkeit wie die Sandsteine der weissen
Sandstein-Formation von PuscH, sondern sind grau von Farbe
und mürbe und zerreiblich. Auch darin tritt ein wesentlicher
Unterschied hervor, ‘dass in dem Keuper‘ nördlich von dem.
Kieleer Uebergangsgebirge die thonigen Sphärosiderite zum
Theil wenigstens in einem sehr viel tieferen geognostischen
Niveau liegen, wie diejenigen in den früher für jurassisch ge-
haltenen Keuper-Schiehten der Kreuzburger und Landsberger
Gegend. Das gilt namentlich von denjenigen von Gliniany Las
und anderen der Auflagerungsgrenze des Keupers auf den
Muschelkalk sehr genäherten Punkten. Es scheint, dass der
Keuper am Nordabhange des Kielcer Uebergangsgebirges in
verschiedenen Niveaus Lager von thonigen Sphärosideriten
führt, während in dem Keuper Oberschlesiens die bauwürdigen
Sphärosiderite auf ein einziges, weit über der Mitte der gan-
zen Bildung liegendes Niveau beschränkt sind.
Die für den oberschlesischen Keuper im Gegensatze zu
dem Keuper Mittel - Deutschlands so bezeichnenden, versteine-
rungsleeren, gelblich weissen, dichten Kalksteine, wie diejenigen
von Woischnik, Lublinitz u. s. w. scheinen in dem Keuper
nördlich von dem Kielcer Uebergangsgebirge, nach den Anga-
ben von PuscH*), nicht ganz zu fehlen, aber doch nicht die
Mächtigkeit und Verbreitung wie in Oberschlesien zu besitzen.
Die dem Alter nach auf die „weisse Sandstein-Formation“
zunächst folgenden, jüngeren Gesteine sind nicht bekannt.
Die nach Pvsch am Nordrande des Keuper- Gebietes an meh-
reren Stellen auftretenden, oolithischen , weissen Jurakalke
gehören nach der wichtigen Beobachtung von ZEUSCHNER, der
zufolge sie zum Theil Exoyyra virgula enthalten, der Kim-
meridgebildung an und sind augenscheinlich ungleichförmig
oder uübergreifend aufgelagert. Die versteinerungsführenden,
mitteljurassischen Schichten, welche bei Bodzanowitz, Wichrow
‘und Sternalitz in Oberschlesien das nächste paläontolo-
*) Wir selbst beobachteten mit Exogyru virgula erfüllte, dünn ge-
schichtete, hellgraue Kalksteine auf dem Wege von Petrikan nach Kielce
vor dem Uebergange über die Pilica,
5
690
'gisch scharf bestimmbare Glied über dem Keuper bilden, sind über
der „Nördlichen weissen Sandstein-Formation* von Pvsch nir-
gends nachgewiesen worden. Vielleicht gehören hierher die
schon erwähnten Schichten von Tychow, wo nach Pusca*) ein
Flötz von rothem Thoneisenstein „Mytuliten, Myaciten, Pecti-
niten, gefaltete Terebrateln und wenige einschalige Schnecken“,
also eine entschieden marine Fauna, einschliesst.
Nach dem Vorhergehenden dürfen als die bisherige geo-
logische Kenntniss des Polnischen Mittelgebirges erweiternde
Thatsachen, zu deren Feststellung der kurze Ausflug geführt hat,
namentlich folgende gelten:
1) DieNachweisung der obersten, durch Gonia-
titen, ÖUypridina serrato-striata, Posidonomya ve-
nusta u. Ss. w. bezeichneten Abtheilung der devo-
nischen Gruppe.
2) Die Ermittelung des Röths durch Auffindung
der Myophoria fallax v. SEEBACH (M. costata ZENKER
nach Eck) in weissen Sandsteinen bei Mniow.
3) Die Gleichstellung von Pusca’s „Nördlicher
weisser Sandstein-Formation* mit. dem Keuper
Oberschlesiens.
Erklärung von Taf. XI.
Fig. 1. Goniatites retrorsus var. Ansicht eines in ein Stück des bi-
tuminösen. dunkelen Kaiksteins eingeschlossenen Exemplars von der Seite,
Fig. 2. Posidonomya (?) venusta Münster. Ansicht der linken Klappe
in natürlicher Grösse. f
Fig. 3. Vergrösserte Ansicht derselben Klappe.
Fig. 4. Cypridina serralo-striata. Ansicht eines Stückes Kalksteins
mit mehreren eingewachsenen Exemplaren in natürlicher Grösse.
Fig.5. Vergrösserte Ansicht eines Exemplars von der Seite.
Fig. 6. Phacops cryptophthalmus. Das Kopfschild in natürlicher
Grösse.
Fig. 7. Dasselbe vergrössert.
Fig. 8. ARhynchonella acuminata. Ansicht eines Exemplars aus dem
grauen Kalke des Kanzelberges in natürlicher Grösse von der Seite.
Fig.9. Camarophoria (?) Polonica n. sp. Gegen die nicht durchbohrte
Klappe gesehen.
Fig. 10. Ansicht gegen die Stirn.
Fig. 11. Spirifer ostiolatus. Ansicht gegen die nicht durchbohrte
Klappe.
Fig. 12. Orthis Kielcensis n. sp. Ansicht der grösseren Klappe in
natürlicher Grösse.
Fig. 13. Ansicht der kleinen Klappe.
Fig. 14. Ansicht der vereinigten Klappen im Profile.
*) A, a. O. S. 311 und 323.
4. Ueber die Bestimmung des Schwefeleisens in
Meteoriten.
Von Herro (. Rammeussere ın Berlın.
Bei der chemischen Untersuchung von Meteoriten haben
GREWINGK und ScHmipt*) ein neues Mittel benutzt, um Nickel-
eisen von den Sulfureten des Eisens zu trennen und diese
Körper quantitativ zu bestimmen. Dieses Mittel ist das Queck-
silberchlorid. Sie sagen darüber:
„Erwärmt man Eisensulfuret, FeS, mit einer Lösung
von Quecksilberchlorid, so entsteht Quecksilbersulfuret, und
die Flussigkeit enthält nur Eisenchlorür, Sie ist neutral und
wird von Chlorbaryum nicht getrübt.
Wendet man Magnetkies an, so ist der Erfolg der-
selbe, allein die Flussigkeit enthält eine gewisse Menge freier
Schwefelsaure.“ |
Die Verfasser betrachten den Magnetkies als Fe’ S°, und
erklären den Vorgang:
4Fe’S® + 31HgCl’ - AH’O = 28Fe Cl”
3lHgS
6H Cl
1 20.
Hiernach müssen 100 Theile Magnetkies eine Flüssigkeit
geben, in welcher
12325 308650 --3,(81H »0-
enthalten sind.
Wenn nach meinen Versuchen der Magnetkies besser als
Fe° 5° bezeichnet wird, so könnte der Vorgang sein:
4Fe® S’ 435 Hg Cl’+4H?0O=32FeCl’
35 HgS
6H Cl
H° SO";
*) Ueber die Meteoritenfälle von Pillistfer, Buschhof und Igast in
Liv- und Kurland. Dorpat, 1864.
692
oder 100 Theile würden geben
31.087 =80° 2,1717 = H’S0" 3,322.
Wendet man Schwefelkies, FeS’ an, so ist die Flüssig-
keit noch saurer: x
'uu4& Pe 844 7 HgCl? 4.4H:0=4Fe0l?
7HgSs
6 “ Cl
2,0
In diesem Falle geben 100 Theile Zn en in der -
sauren Flussigkeit
8.06,666— SO; 16.66 =.H?’.SO° 20,417:
Behandelt man aber metallisches Eisen- Nickel oder Me-
teoreisen mit einer Lösüng von Quecksilberchlorid, so wird
Quecksilber gefällt, und die Flüssigkeit enthält bloss Eisen-
oder Nickelchlorür. |
Auf diese Weise haben die Verfasser gesucht, , Eisensul-
furet (Troilit), Magnetkies und metallisches Eisen ‚ihren rela-
tiven Mengen nach zu bestimmen.
Da sie indessen keine Versuche über die Einwirkung des
Quecksilberchlorids auf die verschiedenen Sulfurete des Eisens
mitgetheilt haben, so will ich die Resultate eigener Erfahrun-
gen hier anführen.
A. Magnetkies von Bodenmais, 3,408 ee ., sehr fein
gepulvert. Nach sechstägiger Digestion im Weasserstoffstrome
war noch viel unzersetz. Aus der Flüssigkeit wurden 0,019
Ba SO* und 0,887 Fe?’ O° == Fe 0,6209 erhalten. Letztere sind
—=1,02 Magnetkies d. h. 30 pCt. des Ganzen und hatten
0,006585 SO’ = 0,64 pCt. (anstatt 2,7) gegeben.
B. Schwefelkies. 1,491 lieferten 0,1145 Ba SO* und
0,0979 Fe? O° = Fe 0,0685, welche 0,1468 FeS’ entsprechen,
die 0,03927 SO? gegeben haben. Es waren also nahe 10 pCt.
Schwefelkies zersetzt, und diese hätten etwa 27 pCt. SO’ er-
geben (anstatt der berechneten 16- pCt.):
Wiederholte Versuche mit Magnet- und Schwefelkies zeig-
ten, dass selbst nach tagelanger Behandlung mit Quecksilber-
chlorid der grösste Theil unzersetzt bleibt, und dieser Umstand
sowohl, als die der Berechnung durchaus nicht entsprechende
Menge Schwefelsäure, welche man in der Flüssigkeit findet,
lassen die Methode von GREWINGK und ScHuipt auch für Me-
teoriten als unsicher erscheinen.
693
5. Ueber die Erzgänge des nordwestlichen Oberharzes.
Von Herrn A. v. Groppeck ın Clausthal.
(Hierzu Taf. XIV, XV, XVI)
Einleitung.
Es giebt wohl kaum ein Ganggebiet, welches bei so be-
trächtlicher Ausdehnung so gründlich durch den Bergbau auf-
geschlossen ist, wie das Ganggebiet des nordwestlichen Ober-
harzes.
Die anhaltende Erzführung der mehrere tausend Lachter
langen Gangzüge bis in eine relative Tiefe von über 2000 han-
noversche Fuss, das insularische Auftreten des von tiefen Thä-
lern durchschnittenen Gebirges, welches zur Anlage bedeuten-
der Stolln Gelegenheit bot, der Wasserreichthum der höchsten
Gebirgsgegenden etc. begunstigten den Bergbau und gaben zu
immer erneuerten Aufschlüssen Veranlassung.
So ist denn jetzt ein uber 7000 Lachter langer und 5000
Lachter breiter Flächenraum, von vielen erzführenden Gängen
durchzogen, bis in eine Tiefe von 200 bis 300 Lachter recht
genau bekannt.
Die Ganguntersuchungen, durch rein bergbauliche Rück-
sichten geleitet und ausschliesslich von den Markscheidern aus-
geführt, bezogen sich hauptsächlich auf das räumliche Verhal-
ten der Gänge und Gangzüge; sie zeigten die Wege, auf de-
nen die in den Gangräumen regellos vertheilten Erzmittel mit
Hoffnung aufzusuchen waren.
Eine umfassende und sehr gründliche Beschreibung der
räumlichen Verhältnisse der Erzgänge des nordwestlichen Ober-
harzes hat bereits im Jahre 1837 Zimmermann geliefert (Kar-
STEN’s Archiv, R. II, Bd. 10). Dieser Beschreibung ist eine
vom jetzigen Bergmeister BoRCHERS entworfene Gangkarte bei-
gefugt.
694
Die Fortschritte des Bergbaues während der verflossenen
29 Jahre haben natürlich wieder viele neue Aufschlüsse gege-
ben, und dadurch sind manche Ansichten jener Zeit modifieirt
oder gänzlich geändert. |
Die genannte, Jedem leicht zugängliche Arbeit, genügt
aber trotzdem auch jetzt noch zur allgemeinen Orientirung über
die Harzer Gangverhältnisse.
Eine der jetzigen Kenntniss entsprechende Gangkarte ist
auf Veranlassung des Königlichen Berg- und Forts- Amtes
zu Clausthal von dem durch die markscheiderischen Arbeiten
beim Ernst-August-Stolln-Betriebe rühmlichst bekannten Berg-
meister BORCHERS ausgeführt.
Diese Gangkarte, die sich durch grosse Genauigkeit und
Schönheit auszeichnet, wird demnächst in weiteren Kreisen be-
kannt werden; nach ihr ist der Verlauf der wichtigsten Gänge
auf das ÖOrientirungsblatt (Taf. XIV) annähernd richtig auf-
getragen.
Ausser diesen wichtigen Arbeiten ist wenig Umfassendes
über die in Rede stehenden Gänge veröffentlicht.
Folgende Schriften enthalten Beiträge zur näheren Kennt-
niss derselben:
v. TReBRA, Erfahrungen vom Inneren der Gebirge. Dessau
und Leipzig. 1785.
O. Lasıus, Beobachtungen über die Harzgebirge. 2 Th.
Hannover. 1789.
J. ©. Freiestegen, Bemerkungen über den Harz. 2 Th.
Leipzig. 1795.
Hausmann, Skizze zu einer Oryktographie des Harzes.
Hercynisches Archiv von Horzmans. 1805. 8. 9—29 und
Ss. 239 — 251.
Fortsetzung davon: Ueber das Vorkommen und die Ver-
gesellschaftung verschiedener erdiger und metallischer Minera-
lien auf den Harzer Erzlagerstätten. Norddeutsche Beiträge
zur Berg- und Hüttenkunde. Braunschweig. 1806 — 1810.
Stuck II, S. 1— 18.
Osruann, Bemerkungen über das Verhalten der Gänge
der Grube St. Katharina bei Clausthal. Norddeutsche Beiträge
zur Berg- und Hüttenkunde, Braunschweig. 1807. Stück II,
S. 32.
Ostmans, Bergmännische Aphorismen mit besonderer Rück-
695
sicht auf den Zellerfelder Hauptzug am Harz. Norddeutsche
Beiträge etc. Stuck IV,S. 1—8.
ScHuLtz, Bemerkungen über den Bergbau am Harz. Kuar-
sten’s Archiv, R. I, Bd. IV, $S. 229 —317 und Bd. V, 8.95 —
157. 1821 und 1822.
OSTMANN, Ueber die Anwendung der bisherigen Gang-
theorien auf den Oberharzer Bergbau mit Rucksicht auf dessen
Gangverhältnisse. Karsten’s Archiv, R.I, Bd. V, S. 33 — 67.
1822.
ZIMMERMANN, Die Wiederausrichtung verworfener Gänge,
Lager und Flötze. Darmstadt uud Leipzig. 1828.
ZIMMERMANN, Das Harzgebirge. 2 Th. Darmstadt. 1834.
ZIMMERMANN, Die Erzgänge und Eisensteins - Lagerstätten
des Nordwestlichen Hannoverschen Oberharzes.. Karsten’s
Archiv, R. II, Bd. X, S. 27— 91. 1837.
Hausmans, Ueber die Bildung des Harzgebirges. Göttin-
gen. 1842. ,
Fr. Av. Roermer, Notiz über die Harzer Erzgänge. Neues
Jahrbuch für Mineralogie ete. 1844. S. 57.
C. GREIFENHAGEN, Ueber das Vorkommen des Rothgiltig-
erzes auf der Grube Bergwerks-Wohlfahrt bei Zellerfeld. Be-
richt über die dritte (seneralversammlung des Clausthaler natur-
wissenschaftlichen Vereins Maja, 1854. S. 11— 1A.
Fr. W. Wimmer, Die Gänge im Felde der Gruben Ring
und Silberschnur zu Zellerfeld. Ibid. S. 14—20.
C. GREIFENHAGEN, Das Nebengestein der Bockwieser Blei-
glanzgänge. Ibid. S. 20 — 34.
B. Osass, Ueber ein neues Vorkommen von Zinnober im
Grauwackengebirge des nordwestlichen Öberharzes. Mitthei-
lungen des ÜClausthaler naturwissenschaftlichen Vereins Maja,
1856. S. 20.
Fr. ULLricH, Ueber ein Vorkommen von Kupfererzen bei
Hahnenklee unweit Clausthal. Berg- und Huüttenmännische
Zeitung, 1859. S. 55 — 56.
B. Kerz. Die in den Oberharzer - Erzgängen vorkommen-
den Mineralien. Berg- und Hüttenmännische Zeitung, 1859.
S.,.21 u. £,
B. Kerr, Die Oberharzer Blei- und Kupfererzgänge und
die darauf bauenden Gruben. Berg- und Hüttenmännische Zei-
tung, 1859.-S. 421 u. f£.
696
B. v. Corta, ‘Ueber den sogenannten Gangthonschiefer
von Clausthal. Berg- und Hüttenmännische Zeitung, 1864.
S. 393 — 39: ;
J. Kroos, Die Erzgänge des III. Burgstädter. Revieres
(der Gruben Herzog Wilhelm, Anna Eleonore und Kranich)
bei Clausthal. Berg- und Hüttenmännische‘ Zeitung,‘ 1865.
5,3881, ET. tun“
A. v. GRODDECK, Ueber das Zusammenvorkommen der
wichtigsten Mineralien in den Oberharzer Gängen westlich vom
Bruchberge und die von Herrn Corxu bemerkten. Beziehungen
ihrer Aequivalentgewichte. Berg- und Hüttenmännische Zeitung,
1866. S..115 — 117. ;
Die genannten Schriften enthalten, ausser. der von C.
GREIFENHAGEN über das Nebengestein der Bockswieser Blei-
glanzgänge, nur vereinzelte Angaben über das Verhalten des
Nebengesteins zu den Gängen. Ebensowenig ist in denselben
ausführlich der Ausfüllungsmassen der Gänge und ihrer ' BaRar
genetischen Verhältnisse gedacht.
In der Hoffnung, zu bestimmteren Anschauungen uber die
Bildungsweise der in Rede stehenden Gänge zu gelangen, ist
es mein Bestreben gewesen, das Verhalten der Gänge zum
Nebengestein und die Ausfullungsmassen der Gangspalten in
weitester Ausdehnung zu beobachten.
Im. Folgenden sollen diese Beobachtungen, und die sich
daraus ergebenden Schlusse auf die Entsichungesyeige der Gänge
. niedergelegt werden.
Geognostische Vorbemerkungen.
Das durch seine Tannenwälder, Wiesen und Teiche cha-
rakterisirte, ca. 2000 hannov. Fuss hohe Clausthaler Hoch-
plateau, welches der Sitz des Oberharzer Bergbaues ist, ge-
hört bekanntlich der unproductiven unteren Steinkohlenforma-
tion, und zwar der Facies des Culm, an. |
Geographisch wird dasselbe im Norden durch die Höhen-
zuge des Bocksberges und Kahleberges, im Osten durch das
Okerthal, im Süden durch das Lösethal und im Westen durch.
das Innerstethal gut begrenzt. Geognostisch aufgefasst muss
demselben jedoch eine etwas grössere Ausdehnung gegeben
werden.
-697
‘In diesem Sinne wird es im Norden von der Devon-
formation des Kahle- und Bocksberges begrenzt, welche nach
den neuesten Aufschlüssen durch den Bergbau bei Lautenthal
und Bockswiese in concordanter Lagerung die Culmformation
flach unterteuft und 5{:0—600 hannov. Fuss das Oulmplateau
überragt.
Im Osten erhebt sich bis uber 3000 hannov. Fuss der
Quarzfelsrücken des Bruchberges, der als eine jüngere Schicht
die OCulmschiehten wahrscheinlich concordant überlagert.
Im Süden und Westen ist die Grenze des Plateaus das
Zechgesteingebirge, welches am Abfalle des Gebirges in flacher
Lagerung den Schichtenköpfen des Culm aufliegt.
' Diese so ringsum begrenzten Culmschichten bilden im
grossen Ganzen ein einziges Plateau, welches von den Thä-
lern der Oker, Sose und Innerste tief durchschnitten wird und
so in einzelne kleinere Plateaus zerfällt.
Die Gänge durchsetzen erzführend in nordwestlicher Rich-
tung die Thäler der Innerste und Oker; sie sind aber nicht im
Quarzfelse des Bruchberges bekannt, und sicher ist es, dass
sie nicht in das Zechgesteingebirge hineinsetzen. Auch im
‘Norden bildet das Devon die Grenze der Erzführung. Bau-
würdige Gänge durchsetzen zwar noch devonische Schichten an
der Grenze, weiter nördlich werden die Gänge jedoch wahr-
scheinlich unbauwürdig und verschwinden:schliesslich ganz.
Es ergiebt sich daraus also, dass die Erzgänge im We-
sentlichen auf das Seognostisch rings umher gut abgegrenzte
Culmplateau beschränkt sind.
Die Culmformation dieses Gebietes ist höchst einförmig
aus einer sich immer wiederholenden Wechsellagerung von
Grauwacke, Grauwackenschiefer und Thonschiefer gebildet.
Viele Bänke dieser Gesteine sind versteinerungsleer, die mei-
sten Thonschieferschichten dagegen, welche zwischen Grau-
wackenbänken liegen, sind reich an organischen Resten. Die
Versteinerungen dieses Gebietes sind von Fr. A. RoEMER be-
schrieben. (Die Versteinerungen des Harzgebirges von Fr.
A. Rormer, Hannover, 1843, und Beiträge zur geologischen
Kenntniss des nordwestlichen Harzgebirges von Fr. A. RoEMER,
Cassel, 1850, 1852 und 1854.)
Als ein bis jetzt vollständig räthselhaftes Gebilde tritt mitten
Zeits.d.d geol.Ges XVII. 4. 45
698
im Gebiete des Culm der berühmte Grünsteinzug auf, welcher
von Osterode bis Harzburg bekannt ist und in Verbindung mit
_ devonischen Schichten, Wissenbacher Schiefern und Stringoce-
phalen Kalk, von den Culmschichten lagerförmig eingeschlossen
wird. Ebenso räthselhaft ist in diesem Gebiete der oberde-
vonische Korallenustock des Iberges bei Grund, da sich die
Culmschichten demselben nicht ringsum mantelförmig anlagern,
sondern in ihrem Streichen an demselben abschneiden.
Es ist sehr schwierig, von der Schichtenstellung der Ober-
harzer Culmformation und der angrenzenden Gebirgsglieder
sich. eine ganz klare Vorstellung zu bilden. Es wären dazu um-
fassende und langwierige Untersuchungen nothwendig, indem
man an allen Stellen, wo die Gesteinsschichten klar vorlie-
gen, Streichungsrichtung und Fallen beobachten und in eine
Karte von sehr grossem Maassstabe eintragen musste. Lasıus
hat den Wunsch, dass das geschehen möge, schon im Jahre 1789
(l. ec. I, S. 63) ausgesprochen.
Das ‚Streichen der Oberharzer Gebirgsschichten schwankt
zwischen den Stunden 3 und 5 des bergmännischen Compasses.
Lasıus sagt, (l. c. I, S. 63), dass das Streichen noch
öfter wechselt als das Fallen, aber immer, mit äusserst weni-
gen Ausnahmen, zwischen der l2ten und 6ten Stunde.
ZIMMERMANN giebt in seinem Werke: „Das Harzgebirge*
S. 80 an, dass er das Streichen der Schichten nordwestlich
vom Brocken und Bruchberge in der Regel zwischen Stunde
3 und 4 beobachtet habe.
Hausmann erwähnt in seinem Werke über die Bildung des
Harzgebirges S. 7, dass das Streichen der Schichten in den
verschiedenen Theilen des Harzes sehr gleich sei, indem es
zwischen der 3. und 5. Stunde des bergmännischen Compasses
zu schwanken pflegt.
Diese im Wesentlichen übereinstimmenden Angaben, so-
wie einzelne an verschiedenen Stellen des Gebirges leicht an-
zustellende Beobachtungen bestätigen das genannte allgemeine
Resultat.
Ich muss hier noch erwähnen, dass in der Gegend von
Lautenthal, wo die Schichten des Culm den devonischen Schich-
ten auflagern, die Streichungsrichtung Stunde 6 vorherrscht,
und dass die Grenze beider Formationen wahrscheinlich eben-
falls in dieser Richtung streicht. Dass Verhältniss der Schich-
699
tenstellung an den Grenzen der Formationsglieder ist am Harz
im Allgemeinen, nach den bisherigen Aufschlussen, am schwer-
sten klar zu erkennen, und wären gerade pn umfassende Un-
tersuchungen wunsehenswerth.
Das Fallen der Schichten wird meistens als ein Seh: steiles
bezeichnet. %
Lasıus sagt (l. c. I, S. 60 u. 61), dass das Fallen des
Gesteins seine Richtung sehr oft ändere und alle Zwischen-
stufen zwischen der seigeren und wagerechten Lage annehme.
Er setzt hinzu, dass letztere Lage sich selten finde und selten
auf beträchtliche Strecken fortdauere.
ZIMMERMANN, in seinem Harzgebirge S. 75, erwähnt, dass
die Schichten des Harzes eine ziemlich aufrechte le
hätten, und zwar im Durchschnitte 60 — 70° Fallen.
Havsmansn (Bildung des Harzgebirges S. 7.), giebt ein
durchschnittliches Fallen von 50 — 70°’ an und berechnet
S. 11 die Höhe, bis zu welcher bei einer mittleren Neigung
der Schichten von 60° dieselben erhoben sein müssten, wenn
das ganze Gebirge im Zusammenhange gehoben wäre, auf
mehr als 4 geographische Meilen. Hausmann bemerkt freilich
ausdrücklich, dass auch kleinere Fallwinkel beobachtet wer-
den, ja dass sogar horizontale Lagen der Schichten vorkämen.
Die Angaben solcher Autoritäten, sowie die leicht zu
wiederholende Beobachtung steiler Schichtenstellungen an
geognostisch besonders interessanten Punkten, so bei Grund,
Osterode, Goslar, in der Schalke, haben die Ansicht von der
durchschnittlich sehr steilen Stellung der Schichten verbreitet
und befestigt. Man hat dabei wohl das sehr vielfach und
auf nicht unbeträchtlichen Erstreckungen vorkommende flache,
ca. 25 — 40° betragende Einfallen der Schichten nicht genug-
sam beachtet. Ein Gang durch das Innerstethal und seine
Nebenthäler bietet ebenso oft Gelegenheit, ein flaches, wie ein
steiles Einfallen der Schichten zu beobachten. — Durchfährt
man die meilenlangen Revierstolln, so beobachtet man viel
öfter ein flaches, wie ein steiles Einfallen der Schichten.
Statt vieler Angaben will ich nur auf das Flügelort des Ernst--
August-Stollns hinweisen, welches in nördlicher Richtung vom
Schreibfeder-Schacht bei Zellerfeld nach Bockswiese hin getrie-
ben wird, und zwar durch feste Grauwackenbänke, welche nur
ca. 30° nach Südosten einfallen.
45 *
I 700
Beobachtungen an vielen Stellen im Bezirke der Lauten-
thaler Gänge geben ein durchschnittliches Einfallen as Schich-
ten von 20— 30°. -
Schunz giebt in seinen Bemerkungen über den Bergbau
am Harz (l. c. Bd. IV, p. 287) ein Einfallen der Grauwacke
von 23 — 45° an, und zwar im Bereiche des Stuffenthaler Zuges,
der nach den Angaben daselbst dem jetzigen Zellerfelder Haupt-
zuge entspricht.
Ich habe diese EEE über das Fallen der Schichten
so speciell gemacht, da die Ansicht von dem sehr steilen Ein-
fallen derselben mit zu der Annahme sogenannter Contactgänge,
zwischen den Schichten des Culm und des Devon, Veranlas-
sung gegeben hat.
C. GREIFENHAGEN (]. c. S. 30 u. f.) hat zuerst nachgewiesen,
‚ dass die Gänge bei Bockswiese nicht Oontactgänge im gewöhn-
lichen Sinne seien. Er beobachtete, dass die Gänge nur da
als Contactgänge auftreten, wo die Gesteinsschichten eine starke
Biegung zeigen, und nimmt an, „dass sich die Gangspalten da
am leichtesten bilden mussten, wo das Gestein den geringsten
Zusammenhang zeigte, d. i. auf den Oontactflächen zweier un-
gleichartiger Gebirgsschichten, zumal diese gegen einander meist
abweichende Lagerung zeigen, wie z. B. der Culm gegen die
devonischen Schichten.“
Diese Erklärung würde GREIFENHAGEN nicht gegeben ha-
ben, wenn er die neuesten Aufschlüsse gekannt hätte, aus de-
‘nen sich ergiebt, dass die Devonformation die Culmschichter
flach in concordanter Lagerung unterteuft.
Alle Angaben der Schriftsteller, sowie alle Beobachtungen
stimmen darin überein, dass das Fallen der Schichten, mit eini-
gen Ausnahmen, ein sudliches oder sudöstliches ist, und dass
Schichten vielfach Mulden und Sättel bilden. Gerade die
vielen Mulden- und Sattelbildungen erschweren es sehr, über
das Generaleinfallen der Schichten eine sichere a zu ge-
winnen. Ä
Eine fernere Schwierigkeit, die. Schichtenstellung des
Harzes klar zu machen, liegt in dem bereits von HAUSMANN
(Bildung des Harzgebirges, S. 12) erwähnten Umstande, dass
man oft beim Verfolgen der Schichten dem Streichen. nach
plötzlich von einer Gebirgsschicht in eine andere, von Grau-
wacke in den Thonschiefer und umgekehrt, gelangt.
701
Hausmann stützt darauf wesentlich seine Theorie von der
stuckweisen Hebung des Gebirges durch den Grünstein und
erklärt so „das partielle Vorhandensein von horizontalen oder
schwach geneigten Schichten, die also noch in ihrer ursprüng-
lichen Lage sich befinden, und ihre Uebergänge in die aufge-
richtete Stellung“ (l. c. S. 13).
Wir werden sehen, dass sich dieser eigenthümliche Um-
stand durch mächtige Verwerfungen des Gebirges bei der Bil-
dung der Gaugspalten erklären lässt.
Allgemeines über das räumlıche Verhalten der Gänge.
Es liegt nicht im Zweck dieser Arbeit, das räumliche Ver-
halten der Gänge bis in’s Einzelne zu schildern.
Folgende allgemein geltende Bemerkungen werden zum
näheren Verständnisse genügen.
Die Gänge treten in dem Clausthaler Culmplateau in meh-
reren Zugen gruppirt auf.
Man unterscheidet von Norden nach Suden folgende Gang-
zuge (s. Taf. XIV): |
I. Gegenthaler und Wittenberger Zug.
II. Lautenthaler und Hahnenkleer Zug. Ge-
neralstreichen desselben ca. Stunde 7,75. Es baut auf ihm ge-
genwartig die Grube Lautenthalsglück mit den drei Schächten:
Gute- des-Herrner-Schacht, Maassner- Schacht und Schwarze-
Gruber - Schacht. |
Il. Bockswieser - Festenburger und Schulen-
berger Zug: Generalstreichen desselben ca. Stunde 8. Es
bauen auf ihm gegenwärtig die Gruben Herzog-August, Johann-
Friedrich und Juliane - Sophie mit den Schächten gleichen
Namens.
IV. Hütschenthaler und Spiegelthaler Zug. Ge-
neralstreichen desselben ca. Stunde 7.
V. Haus Herzberger Zug. Generalstreichen dessel-
ben ca. Stunde 8. Es baut auf ihm nur die Grube Silber-
blick.
VI. Zellerfelder Hauptzug. Generalstreichen des-
selben ca. Stunde 8,5. Es; bauen auf ihm gegenwärtig die Gru-
ben Ernst-August mit dem Schachte gleichen Namens, Regen-
-
702
bogen mit dem Schreibfeder- und Jungfrauen-Schacht, Ring und
Silberschnur mit dem Rheinischweiner-Schacht.
VI. Burgstädter Zug. Generalstreichen desselben
ca. Stunde 10. Es bauen auf ihm gegenwärtig die Gruben Char-
lotte, Herzog-Georg-Wilhelm, Anna-Eleonore, Alte-Margarethe,
Elisabeth, Bergmannstrost, Dorothea: und Caroline mit den
Schächten gleichen Namens. Nur die Grube Bergmannstrost
hat keinen eigenen Schacht.
VII. Rosenhöfer Zug. Generalstreichen desselben ca.
Stunde 8. Es bauen auf ihm gegenwärtig die Gruben Neuer-
Thurm-Rosenhof, Altersegen und Silbersegen mit den Schäch-
ten gleichen Namens.
Die Fortsetzung des vereinigten Burgstädter und Rosen-
höfer Zuges nach Osten bilden den Schulthaler Zug bei Altenau.
IX. Silbernaaler Zug. Generalstreichen desselben ca.
"Stunde 8. Es bauen auf ihm gegenwärtig die Gruben Hulfe-
Gottes mit dem Schachte gleichen Namens und Bergwerkswohl-
fahrt mit dem Meding-Schachte und Haus-Braunschweiger-
Schacht. |
X. Laubhütter Zug.
Bei dieser Aufzählung sind nur die wichtigsten Gruben
und Schächte berücksichtigt worden.
Man sieht aus dieser Zusammenstellung, dass, mit Aus-
nahme des Burgstädter Zuges, die Gangzuge annähernde Gang-
parallelen bilden, deren Streichen der Stunde 3 entspricht.
Das ist eine Richtung, welche dein Nordrande oder der
Längenaxe des ganzen Harzgebirges parallel ist. Sämmt-
liche Gänge dieser Zuge haben, mit sehr wenigen Ausnahmen,
ein sudliches Einfallen von ca. 70— 80°. Ein Einfallen nach
entgegengesetzter Richtung wird als verkehrtes Einfallen be-
zeichnet.
In diesen Gangzüugen unterscheidet man immer einen sehr
mächtigen, im Wesentlichen mit verändertem Nebengestein er-
füllten Hauptgang, in welchem gewöhnlich mehrere, Erze und
“ Gangarten führende, Trümer auftreten. Von diesen Trü-
mern bezeichnet man das mächfigste, nach Streichen und.
Fallen ausgedehnteste, als eigentlichen Hauptgang, die übrigen
als liegende, mittlere und hangende Trüumer. Die Ausdeh-
nung dieser sich vielfach schaarenden und wieder ablaufenden
Trümer ist im Verhältnisse zur ganzen Ausdehnung der mit
703
verändertem Nebengesteine erfüllten Gangspalte gewöhnlich sehr
gering.
Die Trümer thun sich oft zu einer bedeutenden, viele
Lachter betragenden Maächtigkeit auf, und verfolgt man sie
ihrem Streichen oder Fallen nach, so. nehmen sie früher oder
später an Mächtigkeit ab, werden bis auf wenige Zolle zusam-
mengedruckt, behalten diese geringe Mächtigkeit noch einige
Zeit bei, um sich dann wieder aufzuthun oder gänzlich auszu-
keilen. |
Solchen Charakter zeigen in ausgezeichneter Weise der
Burgstädter Hauptgang auf den Gruben Carolina, Dorothea,
Bergmannstrost und Alte-Margarethe, ferner der Zellerfelder
Hauptgang, der Lautenthalsglücksgang und andere.
Nimmt eines dieser Trumer ein entschieden anderes Strei-
chen an als der Hauptgang und setzt weit in das Nebenge-
stein fort, so wird man auf einen anderen Gang geführt, der
sich dem Hauptgange gewöhnlich unter spitzem Winkel an-
schaart, ohne ihn zu durchsetzen. An der Schaarungslinie
sind die Gänge gewöhnlich schwer zu unterscheiden, da der
von ihnen eingeschlossene spitze Gebirgskeil gewöhnlich sehr
zersetzt und von vielen Erztrümern durchschwärmt zu sein
pflegt. Erst in einiger Entfernung tritt ächtes Nebengestein
zwischen den sich schaarenden Gängen auf. Der sich an
den Hauptgang anschaarende Gang hat gewöhnlich denselben
Charakter, wie er soeben für den Hauptgang geschildert ist.
Solche unter spitzem Winkel sich einem Hauptgange an-
schaarende Gänge sind z. B. der Isaaks-Tanner Gang, der
sich im Hangenden dem Silbernaaler Gange anschaart, der
Liegende-Alte-Segener Gang, der sich im Liegenden dem Thurm-
höfer Gange anschaart und in seiner östlichen Fortsetzung die
sogenannte Faule Ruschel bildet, ferner der Kranicher Gang,
der sich im Hangenden dem Burgstädter Hauptgange, und der
Kronkahlenberger Gang, der sich im Liegenden dem Zeller-
felder Hauptgange anschaart und andere.
Nach der Schaarung zweier Gänge behält der vereinigte
Gang manchmal das Streichen des einen dieser Gänge bei.
So z.B. setzt der Stunde 10,5 streichende Burgstädter Haupt-
gang nach seiner Schaarung mit dem Stunde 9 streichenden
Kranicher Gange in der Streichungsrichtung des letzteren fort
und wird deshalb wohl angenommen, dass der Burgstädter
704
Hauptgang nach der Schaarung ganz verschwindet und die Fort-
setzung der vereinigten Gänge der Kranicher Gang sei.
In anderen Fällen nimmt der vereinigte Gang eine mitt-
lere Streichungsrichtung ‚an. So streicht z. B. der Kron-
kahlenberger Gang Stunde 8, der Burgstädter Hauptgang Stunde
10,5. Nach ‚ihrer Schaarung setzen sie vereint als Zellerfelder
Hauptgang mit dem mittleren ‚Streichen Stunde 9,5 fort.
Wieder in anderen Fällen nimmt der: vereinigte Gang ein
total anderes Streichen als die einzelnen Gänge an.
Dieses gilt z. B. von dem :vereinigten: Burgstädter und
Rosenbuscher Gange. |
Laufen von einem Gange an' zwei verschiedenen Stellen
nach entgegengesetzter Richtung zwei Gänge in’s Liegende oder
Hangende unter spitzem Winkel ab, so müssen sich ‚dieselben
in ihrer Fortsetzung treffen, und es werden die drei Gänge ein
längliches, an beiden schmalen Enden keilformig zugespitztes
Gebirgsstuck 'einschliessen.
So verhält sich z.B. der Rosenbüscher Gang, der in sei-
ner Fortsetzung nach Westen Thurmhöfer Gang genannt wird,
der Liegende-Alte-Segener Gang, der in seiner Fortsetzung nach
Osten die Faule Ruschel bildet, und. der Burgstädter Hauptgang.
Ferner schliessen ein solches Gebirgsstück ein: der Kron-
kahlenberger Gang, die Faule Ruschel und der Burgstädter
Hauptgang.
Betrachtet man das Orientirungsblatt Taf. XIV, so sieht
man, dass dieses Verhältniss sich im Kleinen und Grossen
immer wiederholt, und dass durch die Gangbildung der Boden .
des Plateaus in lauter von Westen nach Osten lang gezogene,
an beiden schmalen Enden keilförmig auslaufende Gebirgsstucke
zertheilt ist. |
Wenn man sich die Vereinigung des Charlotter Ganges
mit dem. Thurmhöfer Gange nach Westen und des Schulen-
berger Zuges mit den vereinigten Burgstädter- und Rosenbüscher
Gange nach Osten vollendet denkt, so schliessen diese Gänge
ein ‘solches Gebirgsstück ein. Dieses grosse Gebirgsstück
enthält wieder mehrere kleinere, ihm ähnliche. ' Solche Stücke
schliessen ein:
1) Der Charlotter Gang, der Zellerfelder Hauptzug, der
Burgstädter Hauptzug bis zur Faulen Ruschel, die Faule
Ruschel, der Liegende-Alte-Segener Gang und der Thurmbhofer
Gang in seiner westlichen Fortsetzung.
2) Der Kronkahlenberger Gang, die Faule Ruschel und
der Burgstädter Hauptgang.
3): Der Thurmhöfer Gang mit seiner östlichen Fortsetzung,
dem Rosenbüscher Gang, der Burgstädter Hauptgang, der
Kranicher Gang und der Liegende-Alte-Segener Gang u. s. w.
Eine bei den Gängen sehr häufige Erscheinung sind die
sogenannten Bogentrümer.. Es sind das Trüumer, welche unter
spitzem Winkel von einem Gange ablaufen und ihre Streichungs-
richtung in einem flachen Bogen so ändern, dass sie weiter
entfernt dem Gange wieder unter spitzem Winkel zulaufen.
(Taf. XV. Fig. 1.)
In manchen Fällen liegen diese Bogentrumer ganz in
der aus zersetztem. Nebengestein bestehenden Gangmasse
z.B. das hangende Bogentrum im Tiefbaue der Grube Doro-
thea. In anderen Fällen entfernen sie sich so wenig von dem
Hauptgange, dass das Nebengestein, welches diese von letz-
terem trennt, bei der Gangbildung durch mechanische und. che-
mische Einflüsse sehr in seiner Structur verändert ist. Bei
solchen Trümern kann es zweifelhaft sein, ob man sie’ als
besondere selbstständige Gänge zu bezeichnen hat. Grössere
Bogentrumer der Art hat man mit besonderen Gangnamen
belegt, wenn sie besondere bergmännische Wichtigkeit erlangt
haben, so z. B. den Haus-Israeler Gang, welcher ein Bogen-
trum des: Burgstädter Hauptganges ist und andere. . Zwischen
dem ausgedehnten Haus-Israeler Gange und dem Burgstädter
Hauptgange ist aber nirgends regelmässig geschichtetes, unver-
ändertes Nebengestein zu finden.
In wieder anderen Fällen setzen die Bogentrumer : in
festes Nebengestein, z. B. Grauwacke, hinein und bilden hier
wenig mächtige, mit‘ besonderen Namen belegte Gänge oder
Trumer, wie das z. B. auf dem Rosenhöfer Zuge eine häu-
fige Erscheinung ist.
Man wird aus dem Gesagten leicht ersehen, dass die Bo,
gentrumer die Wiederholung derselben Erscheinung im Klei-
nen sind, welche im Grossen auftritt, dass nämlich die Bogen-
trumer und ihre Hauptgänge längliche, an beiden Enden sich
auskeilende Gebirgsstücke resp. Gangmassen einschliessen.
Wenn ein Trum in seinem Streichen zwei parallele oder
706
in ihrer Streichungsriehtung wenig verschiedene Trümer oder
Gänge verbindet, so nennt man es ein Diagonaltrum (s. Taf. XV,
’Fie. 2. ER j
Von diesen Diagonaltrumern gilt ganz dasselbe, was von
den Bogentrumern gesagt ist; sie liegen entweder in der Gang-
masse eines Hauptganges, z. B. das Diagonaltrum im Tiefbaue
der Grube Anna-Eleonore, oder sie setzen in festes Neben-
gestein hinein und bilden selbstständige Gänge.
So kann man z. B. den Zellerfelder Hauptgang mit dem
westlichen Theile des Burgstädter Hauptganges als einen Dia-
gonalgang zwischen dem Charlotter Gange und der Faulen
Ruschel betrachten.
Ebenso ist der Burgstädter Hauptgang als Diagonalgang
zwischen dem Zellerfelder Hauptgange und Kronkahlenberger
Gange einerseits und dem Rosenbüuscher Gange andererseits
anzusehen.
Man ersieht leicht, wie auch dies Verhalten zur Bildung
der bezeichneten länglichen, keilförmig sich ausspitzenden Ge-
birgsstucke beiträgt.
Bei der bergmännischen Untersuchung der Gänge kommt
es häufig vor, dass man ein unter spitzem Winkel ablaufendes
Trum nicht weiter verfolgt, wenn die Erzführung aufhört, das
Trum sich auskeilt. Man nennt ein solches Trum ein ablau-
fendes Trum, wenn es grössere Ausdehnung hat; einen Aus-
reisser, wenn es nur auf kurze Erstreckung fortsetzt.
Durch eine beständige Wiederholung von sich schaarenden,
ablaufenden Trümern oder Gängen entsteht im Wesentlichen
das bogenförmige Streichen mancher Gangzüge (s. Taf. XV,
Fig. 3), wie ZIMMERMANN in ‚seiner Arbeit über die Erzgänge
des nordwestlichen Oberharzes |]. ec. S. 40 und 41 vom Lauten-
thaler und S. 52 vom Zellerfelder Hauptzuge entwickelt. So
entstehen theils nach Suden, theils nach Norden convexe flache
Bögen, welche Gebirgsstücke einschliessen, deren horizontaler
Querschnitt dem Querschnitt einer Linse mehr oder weniger
gleicht.
In vielen Fällen hört die Untersuchung ablaufender Truü-
mer auf, weil man dabei wirklich in reines Nebengestein ge-
langt, — in anderen Fällen, weil das Trum taub wird und
bis zu einem schmalen. Bestege zusammengedrückt ist. Im
letzteren Falle kann die Untersuchung natürlich, unter 'geeig-
707
neten Umständen, noch mit einiger Hoffnung fortgesetzt wer-
den, und es ergiebt sich dabei oft, dass das ablaufende Trum
sich im Streichen wendet und in ein Bogentrum übergeht.
- Analoges kommt im Grossen bei der Untersuchung von Gän-
gen oder Gangzügen vor.
Wir haben bisher nur das verschiedene Verhalten der
Gänge ihrem Streichen nach betrachtet. Verfolgt man die
Gänge in ihrem Fallen, so zeigen sich auffallende Analogieen.
Es ändern die Gänge sehr oft ihr Fallen, gehen vom
flachen Fallen in ein steiles und schliesslich sogar in ein ver-
kehrtes über. Ein ausgezeichnetes Beispiel dafür bietet der
Burgstädter Hauptgang am Eleonorer Schacht.
Haben zwei in der Nähe auftretende Gänge oder Trü-
mer ein verschiedenes, rechtsinniges Fallen, so vereinigen sie
sich in der Tiefe zu einem Gange, und eben so kommt es vor,
dass ein Gang in der Tiefe sich in zwei Trumer theilt, die
dann verschiedenes Fallen haben.
Sehr viele Beispiele von diesem Verhalten könnten aus
allen Gangzugen angeführt werden. Statt aller sei hier auf die
Profile Taf. XV, Fig. 4, 5 und 6 verwiesen, welche ich der
Güte des Herrn Markscheider PoLze verdanke. Fig. 4 stellt
einen vertikalen Schnitt durch den Silber-Segener Schacht dar.
Fig. 5 einen vertikalen Schnitt durch das dritte hangende
Trum, 35 Lachter westlich vom Alte - Segener Schachte.
Fig. 6a stellt einen vertikalen Schnitt 22 Lachter westlich vom
Alte-Segener Schachte und Fig. 6b 4 Lachter westlich vom
‘' Alte-Segener Schachte dar.
In ausgezeichneter Weise veranschaulichen das Gesagte
auch die Profile, welche J. Kroos von den Gängen des III.
Burgstädter Reviers entworfen und veröffentlicht hat (l. c.).
Wenn ein Bogentrum in der Tiefe einen Hauptgang an-
schaart und mit ihm vereinigt fortsetzt (wie z. B. der Haus-
Israeler Gang und der Burgstädter Hauptgang), so ist es klar,
dass ein Gebirgsstück von ihnen eingeschlossen wird, welches
sich nach allen Seiten hin spitz auskeilt und demnach die Ge-
stalt einer halben Linse hat.
Im Wesentlichen hat die Bildung der Gangspalten auf dem
nordwestlichen Oberharze viel Aehnlichkeit mit der Ruschelbil-
dung im Andreasberger Gangbezirk, wie aus den Abbildungen
hervorgeht, die H. CREDNER in seiner geognostischen Beschrei-
%
708 |
bung‘ des Bergwerksdistriktes von St. Andreasberg (Zeitschrift
d. deutsch. geolog. Ges., Bd. XVII, S. 163) veröffentlicht hat.
Aus den angeführten Thatsachen ergiebt sich, dass die
häufigste Erscheinungsweise, in welcher die Gänge auf ‚dem
nordwestlichen Oberharze mit einander in Verbindung treten, die
einfache Schaarung ohne. Durchsetzung oder VermerTon resp.
Ablenkung ist.
Durchsetzungen und Verwerfungen resp. Gangablenkun--
gen, die in anderen Gangrevieren eine so häufige Erscheinung
sind, fehlen in dem in Rede stehenden Gebiete nicht gänzlich,
sind. aber doch eine verhältnissmässig seltene Erscheinung.
Durchsetzungen zweier Gänge dem Streichen nach, ohne
Verwerfungen, zeigt. das Orientirungsblatt (Taf.,XIV) mehrere
in der Gegend von Wildemann. ;
Sie kommen ferner vor auf der Schwarze - Grube bei
Lautenthal (Leopolder Gang und Erzläuferstolln-Gang), auf. der
der Grube Neuer-Thurm-Rosenhof (Alte-Segener Hauptgang, und
Zillertrum auf der. zehnten Feldortstrecke) und vielleicht noch
an anderen Stellen.
Eine Durchsetzung zweier Gänge dem Fallen nach ohne
Verwerfung, also ein Durchfallungskreuz, bilden der Burgstädter .
Hauptgang und der Josuaer Gang im Felde der Grube “on
Charlotte.
Das ist das einzige Vorkommen der Art, welches mir hier
bekannt geworden ist.
ZIMMERMANN: sagt in seinem Werke über die Wiederaus-
richtung verworfener Gänge, Lager und Flötze (l. ce. 8..163),
dass in den Clausthaler und Zellerfelder Revieren Verwer-
fungen durch eigentliche Gänge sehr selten auftreten, ‚und er
beschreibt S. 64 nur eine solche Erscheinung. aus dem, Felde
der Grube Margarethe.
Gegenwärtig sind ‚auf dem ganzen nordwestlichen Ober-
harze, so viel ich erkunden konnte, nur zwei derartige Erschei-
nungen bekannt.
Erstens verwirft die Faule Ruschel den Kranicher- nid
den Burgstädter Hauptgang, und zweitens verwirft der Char-
lotter Gang, den man auch als Charlotter Ruschel bezeichnen
kann, den Zellerfelder Hauptgang, der in seiner westlichen
Fortsetzung als Dreizehn-Lachter-Stollngang bezeichnet wird.
| | 709
Diese Erscheinungen lassen sich eben so gut nach der
alten Scuumr’schen Theorie von der Senkung im Hangenden
des Verwerfers, als auch nach der neueren Theorie von den
Gangablenkungen erklären, die zuerst von österreichischen
Geologen aufgestellt (Oesterreichische Zeitschrift für das Berg-
und Hüttenwesen, 1866, S. 121 und 129) und neuerdings von
H. OREpneErR zur Erklärung mancher Verwerfungs-Erscheinungen
im Andreasberger Bergwerksdistrikt mit Erfolg angewandt ist.
Die Theorie von den Gangablenkungen erklärt bekannt-
lich die Verwerfungs-Erscheinungen als das ursprüngliche Re-
sultat der Spaltenbildung, indem an einer bereits schon vor-
handenen, aber noch nicht ausgefüllten Spalte die Kraft bei
dem Aufreissen einer neueren Spalte gewissermaassen abge-
lenkt, d. h. aus ihrer Richtung gebracht sein muss.
Wir werden später sehen, dass bei der Entstehung der
Gangspalten auf dem ÖOberharze bedeutende Bewegungen des
Gebirges, Hebungen oder Senkungen, stattgefunden haben
mussen, und dem entsprechend ist es nicht unwahrscheinlich,
dass die genannten Verwerfungen wirklich durch Senkung des
Hangenden der verwerfenden Spalten entstanden sind.
Die Hebungen oder Senkungen sind aber gewiss, analog
den in der Jetztzeit noch zu beobachtenden Hebungen oder
Senkungen ganzer Länder, keine plötzlichen gewesen, sondern
ganz langsame, allmälig wirkende. So war in den langsam
sinkenden, bereits vielfach zerklüfteten Gebirgsstucken, immer
wieder Gelegenheit zur Aufreissung neuer Gangspalten, die an
den bereits vorhandenen abgelenkt werden konnten.
Man sieht daraus, dass die beiden Erklärungsweisen sich
nicht gegenseitig ausschliessen.
Wären die besprochenen Verwerfungs-Erscheinungen durch
wirkliche Verwerfungen zu erklären, so müssten die Faule
Ruschel und .die Chagotter Ruschel junger sein als die ver-
worfenen erzführenden Gänge, hat ' man es aber mit Gangab-
lenkungen zu thun, so müssen jene im Gegentheil älter sein
als diese. Die Entscheidung dieser Altersfrage hat aber vor-
laufig kein besonderes Interesse, da, wie wir sehen werden,
die Ruscheln keinen Einfluss auf die Ausfüllung der erzfüh-
renden Gänge haben.
Eine sehr häufige Erscheinung sind die Durchsetzungen
und Ablenkungen kleiner, mit Gangarten und Erzen erfüllter
710
Trümchen, welche das Ganggestein sowie das Nebengestein
der Gänge nach allen Richtungen durchschwärmen. An diesen
Vorkommnissen erläuterte ZIMMERMANN die Scumipr’sche Theorie
und seine darauf gegründete Regel zur Wiederausrichtung ver-
worfener Gänge. Dass dieselben keine Verwerfungen, son-
dern Ablenkungen sind, ist unzweifelhaft, da Senkungen und
Hebungen in diesen compakten, in sich zertrümerten Massen
nicht anzunehmen sind. |
Schliesslich sei hier noch der Gangverwerfungen durch
Schichtungsklufte oder sogenannte Geschiebe erwähnt, welche
sehr haufig auf dem Rosenhöfer Zuge vorkommen.
Dass ein Gang durch eine Schichtungskluft verworfen
wird, scheint im directen Widerspruch mit der Scumipr’schen
Theorie zu stehen. ZIMMERMANN löste diesen Widerspruch
(l.c. 8.181) leicht, indem er annahm, dass die Gänge, welche
durch die weiche Masse der Geschiebe hindurchsetzten, noch
als offene Spalten durch Sinken des Hangenden des Geschiebes
verworfen seien. Dieser Vorgang ist sehr leicht begreiflich,
doch lassen sich die Erscheinungen auch durch Ablenkungen
wohl ‚erklären und naturgemässer durch solche wohl besonders
dann, wenn der verworfene Gang an der einen Seite des Ge-
schiebes zertrumert ist und an der andern Seite desselben
unzertrümert fortsetzt.
Das Nebengestein der Gänge.
Während man in vielen Gangrevieren, besonders in denen
des sächsischen Erzgebirges, einen entschiedenen Einfluss des
Nebengesteins auf die Erzführung der Gänge nachwies, waren
alle Bemühungen, einen solchen auch auf dem Oberharze zu
entdecken, vergeblich. Auf dem Rosenpöfer Zuge schien sich
ein solcher Einfluss bemerklich zu machen; denn das. dritte
hangende Alte-Segener Trum, welches hauptsächlich in Grau-
wacke auftritt, zeigte sich besonders reich an derben Bleiglanz-
stuffen, während das zweite und dritte hangende Alte-Segener
Trum, welche Thonschiefer zum Nebengesteine haben, sich
erzarm oder taub zeigten.
Diese Beobachtung steht jedoch vereinzelt da, und es hat
sich ergeben, dass die Gänge ebensowohl in der Grauwacke
711
wie auch im Thonschiefer erzführend und taub auftreten. Ja,
sogar der devonische Kalk, welcher bei Lautenthal und Bocks-
wiese mit den erzführenden Gängen in. Berührung tritt, übt
auf die Erzführung durchaus keinen Einfluss aus. So konnte
man sich also von einer genauen Untersuchung des Nebenge-
steins der Gänge keinen praktischen Nutzen versprechen, und
da ausserdem eine höchst ermüdende Wiederholung von Grau-
wacke und Thonschiefer die gewöhnliche Erscheinung ist, so
interessirte man sich nicht weiter lebhaft dafür.
Die Angaben über das Nebengestein der Gänge sind des-
halb auch in der Literatur sehr kurz und sporadisch.
Bei dem Studium des Erzganges der Grube Hülfe- Gottes
bei Grund fiel es mir auf, dass man im Liegenden dieses Gan-
ges nur dünn geschichteten, unregelmässig gelagerten Thon-
schiefer und im Hangenden vorwaltend mächtige, in der Stunde
3 streichende Bänke eines grobkörnigen Grauwackenconglo-
merates und nur sehr wenig Thonschiefer findet. Diese Be-
obachtung wurde mir auch von den Herren Betriebsbeamten
bestätigt.
Da die streichende Länge des Erzfeldes, in welcher durch
den Bau das Liegende und Hangende des Ganges an verschie-
denen Punkten aufgeschlossen ist, 80 bis 90 Lachter beträgt
und in dieser Länge bis zu einer Tiefe von 113 Lachtern die
angegebene Erscheinung immer wieder zu beobachten ist, so
kann wohl keine andere Erklärung derselben statthaben, als
dass durch das Aufreissen der Gangspalte eine Verwerfung
der Gebirgsschichten eingetreten ist.
Eine andere Erscheinung, die auch nur durch eine Ver-
werfung zu erklären ist, zeigt das Nebengestein auf dem Burg-
stadter Zuge am Anna-Eleonorer Schacht.
Hier finden sich im Hangenden des Burgstädter Haupt-
ganges mehrere Schichten einer dichten, schönen Grauwacke,
welche zur Anlage eines unterirdischen Steinbruchs Veranlas-
sung. gegeben haben. Diese Schichten, welche in der Stunde
3 bis 4 streichen und ca. 49° südöstlich einfallen, sind am
Hangenden des Ganges bis in eine Tiefe von 50 Lachtern be-
kannt und genau untersucht. Da die Steine, welche diese
Grauwackenschichten liefern, ein sehr werthvolles Material für
den Grubenbetrieb sind, so ist man vielfach bemuht gewesen,
dieselben Schichten im Verfolge ihrer Streichungsrichtung auch
i 712
im Liegenden des Ganges aufzufinden, aber vergebens, — sie
sind verworfen. |
In dem einförmigen Einerlei der Grauwacke und des Thon-
schiefers, welche die südlichen Gangzuge begleiten, konnte ich
keine weiteren Thatsachen ermitteln, welche die an und für
sich sehr wahrscheinliche Theorie stützen, dass bei der Auf-
reissung der Gangspalten Verwerfungen der Gebirgsschichten
stattgefunden haben. Die nördlichen Züge dagegen, welche
bei Lautenthal und Bockswiese bebaut werden, gaben darüber
sehr erfreuliche Aufschlüsse. Diese Zuge treten, wie das
Orientirungsblatt (Taf. XIV) zeigt, an der Grenze des Culm
und der Devonformation auf. | |
Wir finden, dass das Liegende dieser Gänge an vielen
Stellen der Devonformation, das Hangende dem Culm an-
gehört. | | j
Die Erscheinung erklärt sich leieht durch Annahme einer
Verwerfung.
Wir wollen über das Nebengestein der Gänge bei Lauten-
thal und Bockswiese ausführlicher sprechen.
a. Nebengestein der Gänge bei Lautenthal.
Im Süden der Bergstadt Lautenthal hat der Lautenthals-
glücker Gang und der in seinem Liegenden auftretende Leo-
polder Gang, welcher ein Bogentrum des ersteren ist, sein
Ausgehendes (s. Orientirungsblatt Taf. XIV). Hangendes und
Liegendes der Gänge, ebenso das zwischen den Gängen auf-
tretende, bis 40 Lachter mächtige Nebengesteinsmittel ist Culm-
grauwacke.
Zum Aufschlusse der Gänge ist im Niveau des Innerste
Flusses schon vor mehreren Jahrhunderten der Tiefe-Sachsen-
stolln in östlicher Richtung getrieben. Bis in eine Tiefe von
ca. 130 Lachtern unter diesem Stolln hat man als Nebenge-
stein der Gänge nur immer Culmgrauwacke und Culmthonschiefer
beobachtet. Die Schichten dieser Gesteine lassen sich sehr
gut am östlichen Abhange des Innerstethales beobachten und
zeigen hier, wie an mehreren Stellen in der Grube, ein Strei-
chen, welches zwischen der Stunde 5 und der Stunde 7 wech-
selt, und ein wechselndes Einfallen von 20-—-30° nach Süden.
An einigen Stellen ist das Einfallen auch steiler, 40 —60'.
713
In der genannten Tiefe unter dem Sachsenstolln tritt plötz-
lich im Liegenden der Gänge Kieselschiefer und devonischer
Kalk auf, während das hangende Nebengestein Culmgrauwacke
bleibt.
Der Kieselschiefer tritt in seiner normalen Beschaffenheit
dunn geschichtet und vielfach Mulden und Sättel bildend auf.
Der devonische Kalk ist ein dichter, bläulicher, sehr thoniger
Kalkstein mit splittrigem Bruche, der beim Streckenbetriebe
sehr schwer eine deutliche Schichtung wahrnehmen lässt. Vor
nassen Oertern zeigt das reingewaschene Gestein an vielen
Stellen ein streifiges Ansehen, wie wenig verwitterter Kra-
menzelkalk auf frischem Bruche.
Diese petrographische Beschaffenheit sowie die Lage
direct unter dem Kieselschiefer und der Culmgrauwacke lassen
keinen Zweifel darüber, dass der Kalk wirklich Kramenzelkalk
ist, und dass seine Schichten mit denen im Norden der Berg-
stadt Lautenthal, am Bielstein, auftretenden zusammenhängen.
Die hier zu beobachtenden Kramenzelkalkschichten, auch von
Kieselschiefer und Culmgrauwacke überlagert, fallen ganz flach
nach Süden ein und konnten desswegen erst in der genannten
Tiefe durch den Bergbau aufgeschlossen werden (s. S. 715).
Wir wollen mit dem Namen Kramenzelkalk den Inbegriff
der nördlich vom Culmplateau auftretenden oberdevonischen
Schichten, die Kramenzelkalke, Clymenien- und Goniatitenkalke
und die Cypridinenschiefer verstehen. Ich wähle diese Be-
zeichnung vorläufig. da die durch den Grubenbau herbeigeführ-
ten Aufschlüsse dieser Schichten bisher noch keine Versteine-
rungen geliefert haben, sondern nur durch ihre dem Kramenzel-
kalke entsprechende petrographische Beschaffenheit und ihre
Lagerung als solche bestimmt sind.
Die Lagerungsverhältnisse der genannten Gesteine sind
sehr schön durch den Gute-des-Herrner Richtschacht und zwei
von ihm aus in östlicher Richtung getriebene Wasserstrecken
aufgeschlossen.
Die Hängebank *) des Güte-des-Herrner Richtschachtes
befindet sich am östlichen Gehänge des Innerstethales im Lie-
genden des Lautenthalsglücker Ganges (s. Orientirungsblatt
*) Unter Hängebank eines Schachtes versteht der Bergmann die
Mündung desselben am Tage.
Zeits. d.d. geol. Ges. X VIII. s. 46
714
Taf. XIV). Eristin dem ca. 40 Lachter mächtigen Grauwacken-
mittel zwischen letzterem und dem Leopolder Gange abgeteuft
und steht in diesem bis zu,ca. 110 Lachter Tiefe, wo er den
nach Süden einfallenden Leopolder Gang trifft. Der Schacht
hatte bereits im Jahre 1849 eine Tiefe von 94 Lachtern erreicht,
und 70 Lachter unter dem Niveau des Tiefen - Sachsenstollns
war von ihm, in östlicher Richtung, eine erste tiefe Wasser-
strecke im Liegenden des Lautenthalsglücker Ganges getrieben,
welche ganz in Grauwacke steht. Aus dieser Wasserstrecke
werden die Wasser mittelst einer im Richtschachte aufgestellten
Wassersäulenmaschine bis zum en. Sachsenstolln gehoben
(s. Karsten’s Archiv, R. II, Bd. 26, S. 244).
Die Grubenverhältnisse erforderten das weitere Absinken
des Schachtes zum Einbau einer zweiten Wassersäulenmaschine,
welche aus einer 60 Lachter tiefer angesetzten zweiten tiefen
Wasserstrecke die Wasser gewältigen soll.
Diese zweite tiefe Wasserstrecke ist im Liegenden des
Leopolder Ganges getrieben und steht ganz im devonischen
Kalke und im Kieselschiefer.
Der Richtschacht «a (s. Taf. XV, Fig.7c) hat ac Durch-
teufung des Leopolder Ganges D erst Kieselschiefer B und
dann devonischen Kalk, Kramenzelkalk A erreicht.
Der Grundriss (Taf. XV, Fig. 7a) mit den drei. Vertikal-
schnitten (Fig. 7b, 7e, 7d) erläutert die Lagerung der Ge-
steine am Güte-des-Herrner Richtschachte im Niveau der zwei-
ten tiefen Wasserstrecke.
Es bedeutet:
a Gute-des-Herrner Richtschacht,
b Zweite tiefe Wasserstrecke,
c Querschlag nach dem Gange,
d Hülfsquerschlag,
A Kramenzelkalk,
B Kieselschiefer,
C Culmgrauwacke und Culmthonschiefer,
D Leopolder Gang.
Die angegebenen Dimensionen sind abgeschritten, können
daher auf grosse Genauigkeit keinen Anspruch machen.
- Folgende Beobachtungen liegen der Darstellung zu Grunde:
715
1) Beobachtungen im Richtschachte a.
Der Richtschacht @ steht bis zum Leopolder Gange D in
Culmgrauwacke. Nach Durchteufung des Leopolder Ganges
tritt in seinem Liegenden Kielschiefer 3 auf, der wie gewöhn-
lich viel Mulden und Sättel bildet. Unter diesem Kieselschiefer
erscheint der Kramenzelkalk, welcher hier deutlich geschichtet
ist, in der Stunde 6 bis 7 streicht und 20 — 30° nach Süden
einfällt. Die Beobachtung - zeigt deutlich die concordante La-
gerung des Devon und des Culm (vergl. S. 713).
Dieses Profil entspricht vollkommen dem am Bielstein
nördlich von Lautenthal, wo auch vom Hangenden zum Lie-
senden aufeinander folgen: Gulmgrauwacke, Kieselschiefer,
Kramenzelkalk.
Die Höhe des Kramenzelkalkes am Bielstein über der
Innerste beträgt ungefähr 100 Lachter, die horizontale Entfer-
nung des Bielsteins vom Richtschachte beträgt ungefähr 550
Lachter. Die Tiefe uuter dem Niveau der Innerste ( Tiefer-
Sachsenstolln), in welcher der Kramenzelkalk auftritt, ist
130 luachter. i
Daraus berechnet sich das General-Einfallen der Kra-
menzelkalkschichten zu ungefähr 22°, was sehr wohl mit den
Beobachtungen übereinstimmt.
2) Beobachtungen im Querschlage c.
Ungefähr 6 Lachter vom Richtschachte entfernt trifft man
die Grenze des Kalkes, dessen Schichten hier etwas steiler
fallen. Der Kieselschiefer tritt dann 1 Lachter mächtig auf;
seine Schichten stehen unregelmässig steil und treffen unter
spitzem Winkel die flacher einfallenden Kramenzelkalkschichten
(s. Fig. 7ec). Im Hangenden des Kieselschiefers tritt der Leo-
polder Gang auf; sein Streichen in der Stunde 11 entspricht
hier dem Streichen der Grenze zwischen Kalk und Kiesel-
schiefer (s. Fig. 7a). Im Hangenden des Leopolder Ganges
finden sich flach nach Süden einfallende, in der Stunde 6 strei-
chende Grauwackenbänke bis zum Hauptgange, auf dem hier
der Güte-des-Herrner Treibschacht liegt.
3) Beobachtungen in der zweiten tiefen Wasser-
strecke b. |
Der Richtschacht « steht im Niveau derselben ganz im
Kalke A. Ungefähr 12 Lachter vom Schachte entfernt tritt
46*
716
Kieselschiefer auf, welcher den Kalk concordant überlagert,
in der Stunde 6 streicht und ein Einfallen nach Süden besitzt.
Er ist, viele Mulden und Sättel bildend, auf eine Länge von
ungefähr 37 Lachtern zu beobachten. Dann tritt wieder Kalk
auf; die Grenze des letzteren gegen den Kieselschiefer ist hier
aber nicht so klar wie früher. Die Kalkschichten sind 'sehr
schwer vor Ort zu unterscheiden; sie sind sehr wasserreich und
zeigen mehr oder weniger deutlich die Eigenthümlichkeiten des
Kramenzelkalkes.
4) Beobachtungen im Hilfsquerschlage d._
Derselbe ist von der Wasserstrecke 5 nach dem Haupt-
gange in einem 22 Lachter höheren Niveau als erstere getrie-
ben. . Von der Wasserstrecke aus liegt der Querschlag unge-
fähr 5 Lachter lang in Kieselschiefer, dann folgt Grauwacke
bis zum Leopolder Gang, und im Hangenden desselben trifft
man wieder Grauwacke. \
Diese Beobachtungen sind gar nicht anders als durch An-
nahme einer Verwerfung beim Aufreissen der Gangspalte zu
erklären. Das Hangende derselben hat sich gesenkt, der de-
vonische Kalk ist in die Tiefe gesunken, und an seiner Stelle
finden wir jetzt Culmgrauwacke. Ueber die Grösse der Ver-
werfung wird man erst urtheilen können, wenn der Bergbau
so tief eingedrungen sein wird, dass man den Kieselschiefer
und den Kramenzelkalk im Hangenden der Gänge wieder findet.
Weitere Beobachtungen auf der Grube Lautenthalsglück
ergeben, dass in höheren Niveaus als das der zweiten tiefen
Wasserstrecke in Querschlägen, die in’s liegende Nebengestein
getrieben sind, kein Kramenzelkalk zu finden ist, wohl aber
schon Kieselschiefer. So trifft man in einem 80 Lachter lan-
gen Querschlage, der vom Maassner Schachte, im Niveau der
ersten tiefen Wasserstrecke, in’s Liegende der Gänge getrie-
ben ist, zunachst Grauwacke, später Kieselschiefer.
In tieferen Niveaus als die zweite tiefe Wasserstrecke
dagegen findet man an allen Aufschlusspunkten im Liegenden
des Leopolder Ganges Kramenzelkalk, im Hangenden flach ge-
lagerte Grauwacke, z. B. auf der vierten und fünften Maassner
Feldortsstrecke. Wohl zu bemerken ist es, dass hier am
Kramenzelkalke nicht mehr Kieselschiefer beobachtet wird. Das
ist leicht erklärlich, da dieser ja gewissermaassen eine Decke
717
über dem Kalke bildet, die bei der Verwerfung zerrissen ist.
Der unregelmässig gelagerte, nur 1 Lachter mächtige Kiesel-
schiefer im Querschlage ce (Taf. XV, Fig. 7c) stellt ein bei der
Verwerfung herunter gebrochenes oder gezogenes Stück dieser
Kieselschieferdecke dar. Der Kieselschiefer fehlt in grösseren
Tiefen nicht ganz, er kommt hier aber nur in einzelnen, un-
regelmässigen, heruntergestürzten Partieen in die Gangmasse
eingebettet vor, so z. B. auf der Gute-des-Herrner Feldort-
strecke. ‚
Nach Angaben der Herren Betriebsbeamten wird Kiesel-
schiefer dagegen höher als die zweite tiefe Wasserstrecke in
den Gängen nicht gefunden.
Eine Notiz im Jahrbuche für Mineralogie ete., 1844, S. 57
giebt an, dass auf der Schwarzen-Grube viel Kieselschiefer
vorgekommen sei. Dieses Vorkommen ist noch näher zu unter-
suchen.
b. Nebengestein der Gänge bei Bockswiese.
VILLEFOSSE hat in seinem beruhmten Werke: „De la richesse
minerale* (Paris, 1819) auf Taf. 34 ein Profil des Auguster
Ganges (Pisthaler Hauptgang) am Herzog-Auguster Schachte
abgebildet und bemerkt dazu im dritten Theile S. 43:
„Au mur de ce filon on distingue des bancs de schiste
argileux dur, qui alternent avec des bancs de calcaire de tran-
sition: au toit on ne trouve que des bnnes de schiste argi-
leux dur.* ;
ScHaipt, der Begründer der Verwerfungstheorie, citirt diese
Stelle (Karsten's Archiv, R. I, Bd. VI, 1823, S. 37) und be-
merkt dazu: „dass bei Entstehung des Herzog Auguster Gan-
ges eine sehr beträchtliche Senkung des Nebengesteins statt-
gefunden hat, scheint aus der Verschiedenheit des hangenden
Nebengesteins von dem im Liegenden vorkommenden hervor-
zugehen. Letzteres fuhrt bis in die bekannte grösste Tiefe
von mehr als 100 Lachter Kalksteinlager, von welchen im
Hangenden keine Spur zu bemerken ist.*
Jetzt hat es sich, hauptsächlich durch die Forschungen
meines hochverehrten Chefs, Herru Bergrath F. A. RoENER,
herausgestellt, dass die im Liegenden vorkommenden kalkigen
Schichten der Devonformation, und zwar den Calceolaschich-
ten, angehören, während die hangenden Schichten Culmschich-
i18
ten sind, besonders durch das Vorkommen vou ee
Becheri charakterisirt.
In einer Tiefe von 130 Lachtern sind diese Culmschichten
durch das Flügelort des Tiefen-Georg-Stollens, der in südlicher
Richtung nach Zellerfeld zu getrieben ist, ausgezeichnet auf-
geschlossen.
Als der Bergbau eine grössere Tiefe erreichte, traf man
im Ganggebiete unter den Calceolaschichten einen oft quarzit-
ahnlichen, weissen bis grauen Sandstein, den zuerst ©. GREI-
“FENHAGEN seiner petrographischen Beschaffenheit und seiner
Lage nach richtig als Spiriferen-Sandstein erk:nnte.
Dieser Spiriferen-Sandstein muss mit dem auf dem Bocks-
berge auftretenden zusammenhängen. Es ist eine sehr auf-
fallende Erscheinung, dass sich weiter im Liegenden der Gänge
unter dem Sandsteine wieder Thonschiefer finden, welche wahr-
scheinlich den Calceolaschichten angehören (s. ©. GREIFENHAGEN,
l.c. S, 29). Das Auftreten solcher Schichten mitten im Spiri-
feren -Sandsteine, auch uber Tage, z. B. in einem langen,
schmalen Zuge, ‚der sich von Bockswiese über den Auerhahn
in’s Gosethal hinzieht, bietet eine einigermaassen befriedigende
Analogie dieser Erscheinung.
Grosse Verwunderung erregte es nun, als man 60 Lachter
unter dem Tiefen-Georg-Stolln beim‘ Betriebe des Ernst-Au-
gust-Stolln-Flugelortes im Hangenden der Gänge ganz flach
südöstlich einfallende Kalk- und Kieselschieferschichten bis auf
eine Länge von uber 800 Lachtern aufschloss. Das streifige
Ansehen dieses Kalkes, das Auftreten des Kieselschiefers und
die flache Lagerung beider unter den Culmschichten, welche
der Tiefe-Georg-Stolln aufgeschlossen hat, lassen keinen Zweifel
darüber, dass man es mit Kramenzelkalkschichten zu thun hat.
Unter Annahme einer Verwerfung sind diese Erscheinun-
gen nun auch wieder leicht zu erklären, wie das ideale Profil
durch den Johann-Friedricher Schacht (Taf. XV, Fig. 8) er-
läutert.
Ich habe mich leider darauf ee müssen, nur ein
ideales Profil zu entwerfen; eine der Wirklichkeit ganz genau
entsprechende Darstellung der Lagerungen jener Gesteine zu
geben, konnte ich vorläufig nicht unternehmen, da in dem
Ganggebiete der Gruben zu Bockswiese ein so buntes Durch-
einander der Gesteine und eine solche Unregelmässigkeit der
719
Lagerung nach Streichen und Fallen vorkommt, dass der Er-
folg einer detaillirten Aufnahme sehr zweifelhaft ist.
©. GREIFENHAGEN, dem der Aufschluss des Kramenzelkalkes
durch den Ernst-August-Stolln noch nicht bekannt war, hat
es versucht, die Lagerung der Gesteine genau der Wirklich-
keit entsprechend darzustellen. Er schildert lebhaft die Schwierig-
keiten, mit welchen er dabei zu kämpfen hatte, und diesen ist
es auch wohl zuzuschreiben, dass seine Darstellung noch so
vielen Zweifeln Raum lässt.
Wir haben. es in diesem Gebiete, wie das ÖOrientirungs-
blatt (Taf. XIV) zeigt, im Wesentlichen mit drei nach Westen
sich schaarenden Gängen zu thun, zwischen denen bei Auf-
‚reissung der Gangspalten und der Senkung des Hangenden
die Gesteinspartieen eine sehr unregelmässige Lage einnehmen
mussten.
Alle Beobachtungen stimmen jedoch darin überein, dass
das reine hangende Nebengestein der Gänge bis unter den
Tiefen - Georg - Stolln der Culmformation, tiefer dem Kiesel-
schiefer und dem Kramenzelkalke angehört, und dass zwischen
den Gängen und im Liegenden derselben nur unterdevonische
Schichten (Calceolaschichten und Spiriferen - Sandstein) gefun-
den wurden. Diesen Beobachtungen entspricht das entworfene
ideale Profil, ‘und sie genügen, das Vorhandensein einer Ver-
werfung zu constatiren, worauf es hier ja hauptsächlich an-
kommt.
Weiter östlich finden wir in oberen Teufen, z.B. auf dem
Grumbachstolln, auch im Liegenden der Gänge Kieselschiefer
und Kramenzelkalk, was sehr wohl mit der Verwerfungstheorie
vereinbar ist. Leider fehlen hier in der Tiefe die Aufschlusse
im Hangenden.
Die Beobachtungen am Johann-Friedricher Schacht ge-
statten auch eine Schätzung der Grösse der Verwerfung, da
wiv nahe unter Tage im Liegenden Calceolaschichten (nach
C. GREIFENHAGEN, 1]. c. S. 23, Orthocerasschiefer mit Kalk-
einlagerungen) und 190 Lachter tiefer im Hangenden Kra-
menzelkalk finden.
Die seigere Höhe der Verwerfung ist also wohl auf min-
destens 190 Lachter zu schätzen.
n
|
720
Theorie der Gangspaltenbildung.
Im Jahre 1821 hat Schmipr zuerst die Ansicht ausgespro-
chen, dass sich die Gangspalten während sehr langer Zeitperioden
unter ganz allmäliger Senkung ihres Hangenden gebildet hät-
ten (s. Kırsten’s Arch., R. I, Bd. IV, S. 13). Dies konnte
er besonders gut bei den Gängen nachweisen, welche das
Zechsteingebirge durchsetzen und das Kupferschieferflötz ver-
werfen; bei den Gängen im älteren Gebirge war der Beweis
dagegen sehr schwer zu führen, und deshalb hat sich die An-
sicht Scuum'’s keiner allgemeinen Anerkennung zu erfreuen
gehabt.
ZINMERMANN, der gründliche Kenner des Harzgebirges und
der eifrige Nachfolger ScHhmipr’s, erkannte die Schwierigkeit
eines solchen Beweises für das Ur- und Uebergangsgebirge
auch an. (Wiederausrichtung verworfener Gänge etc. S. 35,
45 und 57). Er konnte die mächtigen Verwerfungen der
Harzer Gebirgsschichten durch die Gänge noch nicht nach-
weisen, da zu seiner Zeit die oben beschriebenen Aufschlüsse
in der Tiefe noch nicht vorhanden waren. Diese Aufschlüsse
sind eine kräftige Stutze der alten Ansicht ScHmipr’s.
Wir können jetzt sagen: wie durch eine Verwerfungskluft
im Kohlengebirge die Kohlenflötze im Hangenden der ersteren
oft über 100 Lachter und mehr in die Tiefe geworfen sind,
so sind durch die Harzer Gangspalten die devonischen Schich-
‘ten und die Culmschichten auch werworfen; die denudirende
Kraft des Wassers hat aber dort sowohl wie hier die Spuren
so mächtiger Störungen an der Tagesoberfläche verwischt.
Nur beim Bockswieser - Festenburger - Schulenberger Zuge
ist die Spur der Verwerfung auch über Tage sichtbar, indem
der im Liegenden dieses Zuges auftretende Spiriferen-Sandstein
des Bocksberges und Kahleberges um 500 bis 600 hannoversche
Fusse die im Hangenden auftretenden Culmschichten überragt
(s. S. 697 u. S. 722). Analog den noch jetzt zu beobachtenden
Senkungen und Hebungen der Erdrinde an einzelnen Stellen
sind jene Verwerfungen gewiss nicht die Folge einer kurz an-
dauernden, gewaltsamen Erschütterung, sondern eines durch
sehr lange Zeiträume andauernden, allmälig wirkenden Pro-
cesses.
en 721
Ebensowenig wie die Erhebungen der Gebirge im Allge-
meinen nach dem jetzigen Stande der Geognosie und Geologie
den eruptiven Wirkungen einzelner Gesteine zuzuschreiben
sind, ebensowenig können wir die Bildung der Oberharzer
Gangspalten der Eruption der Harzer Grünsteine oder Granite
zuschreiben, wie es früher geschehen ist (Hausuans, Bildung des
Harzgebirges, S. 135 u. f.).
Forschen wir nach den Ursachen der Spaltenbildung, so
fällt es zunächst auf, dass die Hauptstreichungsrichtung der
Gänge oder Gangzüge der Stunde 8 oder der Längenaxe des
Gebirges entspricht (s. S. 701 u. f.).
Die Thatsache gewinnt noch grössere Bedeutung, wenn
man erwägt, dass die Edelleuter Ruschel und die ihr parallelen
Gänge, der Bergmannstroster- und Gnade-Gotteser Gang des
Andreasberger Gangbezirks, welche der Längenaxe des letzteren
entsprechen, in der Stunde 7,4 streichen (s. H. CREDNER: geogn.
Beschreibung des Bergwerksdistriktes von St. Andreasberg,
Zeitschr. d. deutsch. geol. Ges., Bd. XVII, S. 182 u. f., Taf. III);
ferner, dass auch die Gänge des östlichen Harzes bei Gernrode
vorherrschend von Sudosten nach Nordwesten streichen. (H.
CREDNER: Uebersicht der geognostischen Verhältnisse Thürin-
gens und des Harzes. Gotha, 1843, S. 123.)
_ Auch Hausmann (Bildung des Harzgebirges, S. 136) führt
an, dass die Streichungsrichtung der Gänge am Harze der Län-
gen-Erstreckung des Gebirges entspricht.
Der Parallelismus der Gänge mit der Längenaxe des Ge-
birges, der Nachweis bedeutender Verwerfungen bei der Gang-
bildung, die Annahme allmäliger Senkungen resp. Hebungen,
die Eigenschaften der später beschriebenen Ausfullungsmassen
der Gänge und die bekannte Anlagerung jüngerer Formationen
an das Harzgebirge sind die Grundlagen zu folgender Theorie
über die Bildung der Oberharzer Gangspalten, die ich mit der
Nachsicht aufzunehmen bitte, welche geologische Theorieen im
Allgemeinen beanspruchen können. |
Es wird angenommen, dass vor der Ablagerung der pro-
ductiven Steinkohlenformation das ganze nordeuropäische palao-
zoische Gebirge, und mit ihm der Harz, durch einen von Nord-
westen kommenden Druck aufgerichtet und gefältelt ist.
Nach diesem Ereignisse muss sich die von Nordwesten
nach Südosten langgestreckte Harzinsel gebildet haben, wie
722 A
die mantelföormige Anlagerung des Zechsteins lehrt. Dabei
rissen die Hauptgangspalten parallel der Längenaxe der Insel
auf. (Vielleicht nach der Theorie von Jauzs D. Dana durch
den Seitendruck auf die Meeresküsten.) Schwer zu erklären
ist es, dass die Spalten fast alle ein südliches Einfallen an-
nahmen. |
Mit der Bildung der ersten Spalten begann das allmälige
Sinken der im ’Hangenden derselben befindlichen Gebirgsstücke,
welches naturgemäss nicht gleichmässig stattfand, so dass wäh-
rend des Sinkens in den Gebirgsstüucken neue Spalten entste-
hen mussten.
Solche Spalten konnten leicht in einer diagonalen Rich-
tung zwischen zweien anderen parallelen aufreissen, und an
solchen diagonalen Spalten musste wiederum ein Sinken des
Hangenden stattfinden. Dadurch wurden, wie früher entwickelt
(s. S. 704 u. f. und S. 706), jene grossen, länglichen, an bei-
den schmalen Enden sich auskeilenden Gebirgsstücke gebildet,
die sich gegen einander allmälig verschoben. Solche Diagonal-
spalten sind z. B. der Charlotter Gang, die Faule Ruschel und
der Burgstädter Hauptgang (s. Orientirungsblatt, Taf. XIV).
' Die Niveau-Unterschiede, welche durch diese Senkungen
allmälig an der Tagesoberfläche entstanden, wurden ebenso all-
mälig durch Regenfluthen wieder ausgeglichen, welche das
Material zu neuen Sedimenten von der Insel herunterspulten.
Da das Fallen der Gangspalten, wie gesagt, nach Süden
gerichtet ist, so sanken die Culmschichten im Suden immer
tiefer, während die im Norden höher liegenden immer mehr
und schliesslich ganz abgetragen wurden, so dass gegenwärtig
der Spiriferen - Sandstein des Bucksberges und Kahleberges,
wie schon früher erwähnt, wegen seiner Schwerverwitterbarkeit
500 bis 600 hannoversche Fusse höher liegt als das Culm-
plateau (s. S. 720).
Man hat früher angenommen, dass die im Norden des
Clausthaler Plateaus auftretenden devonischen Schichten früher
gehoben sind als die Culmschichten, und (dass letztere dem
entsprechend discordant auf ersteren aufliegen (s. die neuesten
Fortschritte der Mineralogie und Geognosie, zusammengestellt
von F. A. Roemer, Hannover, 1865, S. 22 und 23).
Da aber jetzt nachgewiesen ist, dass das Devon die Culm -
723
schichten in concordanter Lagerung flach unterteuft (s. S. 715),
so ist diese Annahme jetzt nicht mehr statthaft.
Die verschiedene Höhe, in welcher wir den Zechstein am
Harzrande abgelagert finden, das Fehlen des Jura und der
Kreide im Süden des Gebirges, die grossartige Ueberkippung
der Schichten am Nordrande vor Ablagerung der Quadraten-
Kreide und das Vorkommen von eratischen Blöcken im Nor-
den in einer Höhe von 1000 Fuss, lassen auf vielfache He-
bungen und Senkungen des Gebirges und des angrenzenden
vorweltlichen Meeresbodens schliessen.
Diese Senkungen und Hebungen, gewiss öfters mit ge-_
waltsamen Erschütterungen in Verbindung, übten ihren Einfluss
sicher auf die Gangspalten aus, an denen immer von Neuem
Zerstörungen der Ausfüllungsmassen und Bewegungen des Ne-
bengesteins, Senkungen des Hangenden resp. Hebungen des
Liegenden stattfanden. Ja, es ist sogar sicher, dass auch
jetzt noch ganz allmälige Bewegungen im Gebirge stattfinden,
wie ZIMMERMANN an den Gesteins-Senkungen auf dem Julianer Ort
nachgewiesen hat (s. Wiederausrichtung verworfener Gänge etc.
Suhl).
So ist denn die Spaltenbildung ein durch ungeheuer lange
Zeitperioden fortdauernder, ganz allmälig wirkender Process.
Wir werden später sehen, dass er mit der Ausfüllung der
Gangspalten wahrscheinlich Hand in Hand ging, da die Eigen-
schaften der Ausfüllungsmassen einer solchen Annahme durch-
aus entsprechen.
Niemals können die oft 20 Lachter und mehr mächtigen
Gangspalten vollständig offen gestanden haben. Diese Ansicht
_ vertritt schon der Zehntner Ostmann im Jahre 1822 (s. Kar-
sten s Archiv, R. I, Bd. V). Er sagt 1. e. S. 45: „Möchte
auch ein schmaler meist saigerer Gangraum im Urgebirge sich
eine Zeit lang offen erhalten haben können, so ist dies doch
von den mächtigen Harzer Gängen in Grauwacke und Thon-
schiefer nicht denkbar“, und S. 53: „Sollten die Gangraume
vormals offene Spalten gewesen und späterhin äusgefullt sein,
so sehe ich noch immer nicht ein, wie bei so mächtigen mei-
lenlangen Gangräumen das hangende Gestein bis zur Ausfül-
lung sich halten konnte.*
Auch ZIMMERMANN ist dieser Ansicht und, die Anschauun-
gen SCHMIDT’s vertretend, sagt er: „Die Gänge haben sich mit
724
Senkung des Hangenden allmälig geöffnet und sind schon wie-
der ausgefüllt gewesen, als neue Oeffnungen und Senkungen
_ entstanden“. (Wiederausrichtung verworfener Gänge $. 35.)
Dabei ist nicht‘ ausgeschlossen, dass einzelne grössere,
hohle Räume während längerer oder kürzerer Zeit wirklich
offen gestanden haben, wie auch schon Schuipr entwickelt.
- „Gingen die Spalten in einer geraden Ebene nieder, so
konnte keine Oeffnung derselben durch die Niedersenkung des
Hangenden entstehen. Machten solche aber niederwärts Bie-
gungen, so mussten sie sich, aus leicht begreiflichen Ursachen,
durch das Niedersinken des Hangenden zugleich aufthun; denn
es wurden dann die Konvexitäten des Hangenden gegen die
des Liegenden verschoben“ (s. Karsten’s Arch., R.I, Bd. VI,
5.792): i
Wir finden also in den Schriften von ScHmipT, OSTMANN
und ZIMMERMANN Ansichten, denen wir nach den jetzigen Auf-
schlüssen unsere volle Zustimmung nicht versagen Können.
Die Annahme ScHuipr’s aber, dass die Senkung einzelner
Theile der Erdrinde durch die Erweichung und Zersetzung
eines unter dem Granite befindlichen Stoffes, durch galvani-
sche Thätigkeit und Zutritt des Wassers veranlasst sei, oder
die Congenerations- Theorie, welcher Osruans huldigt, — das
sind Ansichten, welche gegenwärtig nur noch historisches In-
teresse haben. |
Als die ersten Gangspalten auf dem Harze parallel der
Längenaxe des Gebirges aufrissen und die Gebirgsstücke im
Hangenden der Spalten in eine allmälig sinkende Bewegung
geriethen, da begann die mechanische und chemische Zerstoö-
rung des Nebengesteins der Gänge. Regenwasser sickerte oder
strömte in die Spalten und erzeugte mit dem mechanisch zer-
riebenen Gestein einen Schlamm; chemische Zersetzung, durch
die mit dem Wasser eingeführte Kohlensäure veranlasst, beför-
derte diesen Process, so dass immer mehr und mehr vom Ne-
bengesteine zerstört wurde. Die Folge davon musste sein, dass
die Gangspalten immer mächtiger wurden. Grössere Stücke
vom Nebengesteine lösten sich los und wurden in die Schlamm-
massen eingebettet oder stürzten in grössere sich öffnende.
Räume und zertrummerten hier. Neben den Hauptspalten a
(Taf. XV, Fig. 9) entstanden andere Spalfen 5 und c, indem
mächtige Gebirgsstücke A und B am, Hangenden oder Liegen-
725
den sich loslösten und, von der Zerstörung mehr oder weniger
ergriffen, allmälig niedersanken. So entstanden Bogentrumer
. und ablaufende Trümer.
Diese wenige Andeutungen werden genügen, die Entste-
hungsweise der Gangspalten des nordwestlichen Oberharzes,
wie sie ihrem räumlichen Verhalten nach bereits geschildert
sind, zu erklären. Da Durchsetzungen und Verwerfungen in
diesem Ganggebiete so selten vorkommen und so schwer zu
beobachten sind, so hat man niemals eine Altersverschieden-
heit der Gänge nachweisen können. Aus dem Vorigen ergiebt
sich, dass das auch, streng genommen, gar nicht möglich ist,
da die Entstehung eines Ganges keine vollendete Thatsache
war, als sich ein neuer Gang bildete, vielmehr mit geringen
Unterbrechungen die Bildung aller Gänge eine gleichzeitige war.
Ist die entwickelte Theorie richtig, so sind allerdings die
in der Stunde 8 oder wenig davon abweichend streichenden
Gänge diejenigen, welche zuerst als wenig mächtige Spalten
aufrissen (Lautenthaler und Hahnenkleer Zug, Bockswieser-
Festenburger- Schulenberger Zug, Rosenhöfer Zug und Silber-
naaler Zug).
Während diese Gangspalten unter Senkung des Hangen-
den sich allmälig ausbildeten, entstanden vielleicht die in der
Stunde 5 bis 6 streichenden diagonalen Spalten, der Charlotter
Gang und die Faule Ruschel. An ihnen wurden die in den
sinkenden Gebirgsstucken später sich aufthuenden Spalten ab-
gelenkt (Hütschenthaler und Spiegelthaler Zug, Haus-Herzber-
ger Zug, Zellerfelder Hauptzug und Burgstädter Zug).
Man könnte auch annehmen, dass der Dreizehn - Lachter-
Stollugang, der Zellerfelder Hauptgang und der Kronkahlenberger
Gang zusammen eine in der Stunde 8 streichende älteste Gang-
spalte bilden, dass zwischen dieser Spalte und der des Rosen-
höfer Zuges der diagonale Burgstädter Hauptgang aufriss,
worauf der Charlotter Gang und die Faule Ruschel sich bildete,
welche Verwerfungen des Zellerfelder Hauptzuges und Burg-
städter Zuges veranlassten. Später entstanden dann der Hut-
schenthaler und Spiegelthaler und der Haus - Herzberger Zug,
deren Spalten an dem Charlotter Gang ausgelenkt wurden (8.
S. 709). i
Ob die eine oder die andere Annahme richtig sei, — dies
‘ zu entscheiden, dafür liegen, so viel mir bekannt, noch keine
726
schlagenden Beweisgrüunde vor. So viel scheint sicher, dass
alle Gänge im Laufe der Jahrtausende sich in der oben an-
gedeuteten Weise, im Wesentlichen gleichzeitig ausbildeten,
mag die Reihenfolge, in welcher die Gangspalten zuerst auf-
rissen, sein, welche sie wolle.
Vergleichen wir die räumlichen Verhältnisse unserer Gänge
mit denen andere Reviere, z. B. mit denen bei Freiberg, so
wird es wahrscheinlich, dass nicht alle Gänge auf gleiche
Weise entstanden sind. EN
v. Corra unterscheidet einfache und zusammengesetzte
Gänge (s. Berg- und Hüttenmännische Zeitung, 1864, 8. 395) und
bezeichnet für erstere die Freiberger, für letztere die Olausthaler
Gänge als charakteristisch. Die Freiberger Gänge bezeichnet
v. Cotta als einfache Spalten-Ausfüllungen von geringer, selten
über 1 Lachter betragenden Mächtigkeit, in denen sich vorherr-
schend nur krystallinische Mineralien als Erze und Gangarten
finden. Sie haben meist deutliche Saalbänder und umschliessen
selten Fragmente des Nebengesteins. Die Clausthaler Gänge da-
gegen haben immer eine grosse, bis 20 Lachter und mehr be-
tragende Mächtigkeit, sind in der Hauptsache mit verändertem
Nebengesteine (Ganggestein) erfüllt, in welchem sich unregel-
mässige Erz-Einlagerungen finden, und haben selten deutliche
Saalbänder. Erstere bilden ein Netzwerk sich vielfach kreu-
zender und nach allen Himmelsgegenden streichender Gänge.
Letztere bilden mehrere parallele Gangzuge, die aus sich viel-
fach schaarenden Gängen, Bogentrümern, Diagonaltrümern und
ablaufenden Trumern gebildet sind und durch wenige diagonal
durchsetzende Gänge mit einander verbunden werden.
Diese auffallenden Unterschiede müssen doch wohl ihre
Ursache in einer verschiedenen Entstehungsweise haben.
Die Entstehung eines einfachen Ganges kann man sich,
nach der gewöhnlichen Anschauungsweise, in zwei getrennten
Perioden vorstellen. Erstens, es bildete sich in einem festen
Gestein eine offene Spalte ohne beträchtliche Verschiebungen
des Nebengesteins. Zweitens die offene Spalte wird vollständig
durch chemische Niederschläge aus wässeriger Lösung erfüllt.
Damit ist die Gangbildung vollendet.
Die Entstehung eines zusammengesetzten Ganges ist da-
gegen mit einer allmäligen Senkung des Hangenden verbunden,
wodurch beständige Veränderungen des Nebengesteins und der
727
bereits gebildeten Ansfüllungsmassen veranlasst wurden. Die
Grenze zwischen diesen beiden Arten der Gangbildung ist selbst-
verständlich keine scharfe. 2 |
Einfache Gänge fehlen in dem Ganggebiete des nordwest-
lichen Oberharzes nicht ganz. Solche sind z. B. die in wenig
zersetzter Grauwacke auftretenden Trümer des Rosenhöfer
Zuges, so das liegende Zillertrum, welches gegenwärtig auf
der Grube Neuer-TFhurm-Rosenhof in der fünften Firste be-
baut wird; es ist dort 10 — 15 Zoll mächtig und symmetrisch
ausgefüllt. Solche einfache Gänge sind hier entstanden, in-
dem niedersinkende mächtige Gesteinsmassen (s. 8. 724) er-
schüttert wurden und so Risse und Spalten bekamen, die sich
später ausfullten.
Die unendlich vielen Quarz-, Kalkspath-, Spatheisenstein-
und Bleiglanztrümehen, welche die Grauwacke und den Thon-
schiefer in und neben den Gängen nach allen Richtungen durch-
setzen, sind wohl so entstanden und können als einfache Gänge
betrachtet werden. Andererseits fehlen zusammengesetzte Gänge
unter denen bei Freiberg nicht, wie z. B. aus den Abbildungen °
merkwürdiger Gangverhältnisse aus dem sächsischen Erzgebirge
von WeıssengacH (Leipzig, 1836, Fig. 2, 15, 16 u. s. w.) her-
vorgeht.
Die Ausfüllungsmassen der Gangspalten.
Im Verlaufe dieser Arbeit ist schon öfters erwähnt worden,
dass die mächtigen Gänge des nordwestlichen Oberharzes
srösstentheils mit mehr oder weniger verändertem Nebengesteine
erfüllt sind, in welchem unregelmässive Einlagerungen von
Erzen und Gangarten gefunden werden.
Wir wollen das in den Gängen sich findende veränderte
Nebengesiein als Ganggestein bezeichnen und nach einander
betrachten:
I. Das Ganggestein.
Il. Die Gangarten und Erze.
I. Das Ganggestein.
Das Ganggestein ist zum Theil deutliches, in seiner Be-
schaffenheit und inneren Structur wenig verändertes Nebenge-
stein, Grauwacke, Grauwackenschieier und Thonschiefer, in
728
verworrener Lagerung und in Bruchstücken von der verschie-
densten Grösse. Häufig finden sich zollgrosse oder auch noch
kleinere Stücke, z. B. in den Ringelerzen, oft sind die Bruch-
stücke so gross, dass die 60 bis 90 Zoll hohen und 40 bis 60
Zoll breiten, auf dem Gange getriebenen Strecken ganz im
festen Nebengesteine zu stehen scheinen und keiner Zimme-
rung bedürfen.
Die Bruchstücke der Grauwacke und des Grauwacken-
schiefers zeigen meistens nicht mehr ihre ursprüngliche graue
bis blauliche, lebhafte Farbe, sie sind milde, matt und oft hell-
gelblich gefärbt. Die Thonschieferbruchstücke haben auch an
vieien Stellen ihren Glanz und ihre dunkele Farbe verloren,
sie sind ebenfalls vielfach hellgelblich gefärbt, ganz mürbe und
fettig anzufühlen.
Selbstverständlich kommen alle Uebergangsstadien von
ganz frischen Gesteinen bis zu den von der chemischen Zer-
setzung durch und durch ergriffenen vor.
Zum grössten Theile besteht das Ganggestein aber aus
einem milden, fettig anzufühlenden, meistens glänzend schwar-
zen, manchmal jedoch auch hellen, gelblichen, grünlichen oder
röthlichen Schiefer, der äusserst fein und verworren geschie-
fert ist und unendlich viele Reibungs- oder Quetschungsflächen
zeigt. Dieser im Einzelnen sehr verworren, im grossen Gan-
zen 'aber den Saalbändern der Gänge parallel gelagerte Schiefer
ist sehr oft in linsenförmigen Massen abgesondert, welche wie
an einander abgerutscht erscheinen. Zerbricht man eine grös-
sere Linse der Art, so zerfällt sie in lauter kleinere linsen-
förmige Stücke, welche aus sehr feinen, vielfach gekrümmten,
leicht trennbaren, glänzenden Blättchen bestehen.
Diesen eigenthumlichen schiefrigen Massen, die sich so
wesentlich vom Nebengesteine unterscheiden, haben die Harzer
Bergleute den Namen „Gangthonschiefer* gegeben.
Der am häufigsten in allen Gangzügen massenhaft vor-
kommende Gangthonschiefer ist glänzend schwarz mit hell-
grauem Strich. Wenn man ein Stück dieses schwarzen Gang-
thonschiefers in einer Glasröhre stark erhitzt, so entwickelt
sich ein eigenthümlicher brenzlicher, bituminöser Geruch. Ueber
einer Spirituslampe unter Luftzutritt erhitzt, verliert er seine
schwarze Farbe sowie seinen Glanz und nimmt eine matte,
hellgraue Farbe an.
729
W. Kayser hat einen Gangthonschiefer von der Grube
Neue-Margarethe analysirt und folgendes Resultat gefunden:
Rrescheaten. en 0 ee, AST
Einneme u. wm ne 20
Bnsenoxydule. . 2 00.0 0 ed
Kalk e . e. en e o
Bere an. ne et NOEBT
KEIN ee re
NEN Re in),
Bdeanosyd. 0. 0 2 ll
Seen 002 08
Schwefel NT ae ee: 003
Kohle (als Kohle) und Kohlensäure 0,65
| 100,075.
(S. Neues Jahrb. für Mineral. 1850. S. 682).
Der Nachweis der Kohle durch diese Analyse und das
Verhalten des schwarzen Gangthonschiefers im Feuer lassen
darauf schliessen, dass er seine Farbe organischen, kohligen,
bituminösen Substanzen verdankt. Wir wollen ihn deshalb
„schwarzen, bituminösen Gangthonschiefer* nennen und ihn
unterscheiden von dem „bunten, nicht bituminösen Gangthon-
‚schiefer.*
Letzterer, hellgelblich, grünlich oder röthlich gefärbt, ent-
wickelt, in einer Glasröhre stark erhitzt, keinen brenzlichen,
bituminösen Geruch; er kommt verhältnissmässig selten vor,
am ausgezeichnetsten im Hangenden des Isaaks-Tanner Ganges
auf der Grube Hülfe-Gottes bei Grund, ferner auch auf dem
Burgstädter Zuge auf der Grube Königin - Charlotte.
Der Gangthonschiefer, besonders der schwarze, ist überall
in und bei den Gängen verbreitet. Er erfüllt oft die Schich-
tungsklufte des reinen Nebengesteins, der Grauwacke und des
Thonschiefers, dringt in feinen Schmitzen oder unregelmässi-
gen Massen in die Bruchstücke dieser ein und findet sich in
der verschiedensten Weise als Begleiter der Erze und Gang-
arten.
Linsenförmige schwarze Gangthonschiefermassen umschlies-
sen manchmal Bruchstücke von Nebengestein, oder unregel-
mässige, auch flach linsenförmig oder plattenförmig gestaltete,
Erzkörper finden sich vom schwarzen Gangthonschiefer eingehüllt.
Zeits. d. d. geol. Ges. XVII. a. 47
730
Am ausgezeichnetsten ist dieses. Vorkommen ‚im Silber-
naaler Gange auf der Grube Bergwerkswohlfahrt; auch auf der
Grube Dorothea und an anderen Stellen ist es gut zu beobach-
ten. -Auf letztgenannter Grube werden die vom schwarzen
Gangthonschiefer eingehüllten plattenförmigen Erzstücke Blech--
stucke genannt. |
Dieser soeben näher charakterisirten, verworrenen, milden
Schiefermassen erwähnen mehr oder weniger ausführlich und
genau die meisten älteren und neueren Schriftsteller über den
Harz. Wunderbarer Weise bedienen sie sich aber nicht der
Bezeichnung „Gangthonschiefer“, welche jetzt ganz gebräuchlich
ist. Der erste, welcher den Namen „Gangthonschiefer“ in die
Literatur eingeführt hat, ist, so viel ich erkunden konnte, v. CoTTA
(s. Lehre von den Erzlagerstätten. Freiberg, 1859, II, S. 100).
Da die Eigenschaften des Gangthonschiefers so sehr von
denen des reinen Nebengesteins abweichen, so ist man uber
seine Entstehungsweise sehr verschiedener Ansicht gewesen.
Osrtumasn, welcher der Congenerations-Theorie, und Lasıus,
welcher. der Lateralsecretions - Theorie huldigte, sahen diesen
Schiefer natürlich als verändertes Nebengestein an.
HaAUSMANN, der entschiedene Anhänger der Ascensions-
Theorie, nimmt an, dass die milden Thonschiefermassen, welche
sich vom Nebengesteine auffallend unterscheiden, „aus der unter-
teufenden Thonschiefergruppe in einem durch Reibung und die
Einwirkung von Dämpfen mehr oder weniger veränderten Zu-
stande in die Höhe gefördert seien.“ (Bildung des Harzgebirges,
SuuhaT,)
Ebenso nimmt Schamrt, seiner Theorie von dem Sinken
der Erdrinde entsprechend, von dem milden Thonschiefer in
dem Herzog- Auguster Gange bei Bockswiese an, dass er aus
der Tiefe in einem schlammigen Zustande emporgetrieben sei
(s,,Kunsten’s, ‚Archiv, R. 1,;Bd..I1L,.S: 36).
Die beiden letztgenannten Schriftsteller nehmen also ge-
wissermaassen eine besondere Gesteinsbildung in den‘ Gang-
spalten an, und sie sind wahrscheinlich die Urheber der Unter-
scheidung eines besonderen Gangthonschiefers.
Den sehr unwahrscheinlichen Annahmen Hausmann’s und
SCHMIDT’s gegenüber hat man schon lange die Ansicht ausge-
sprochen, dass der Gangthonschiefer wohl nichts weiter als
ein verändertes Nebengestein sei. Vertreter dieser Ansicht ist
731
unter Anderen z. B. immer F. A. RoEMmER gewesen, der aber
leider niemals etwas darüber veröffentlicht hat.
v. Corta hat diese Ansicht auch schon im Jahre 1859 in
seine Lehre von den Erzlagerstätten aufgenommen. Er sagt
(l..e. U, S. 100): „Der zerspaltene Schiefer (Thonschiefer des
Nebengesteins) ist .. dabei, sei es durch Wasser, oder. durch
Dämpfe, zugleich einigermaassen verändert, und man. unter-
scheidet ibn deshalb als sogenannten Gangthonschiefer von
dem gewöhnlichen.“
Es fragte sich immer nur, wie hat man sich die Umwand-
lung zu denken, wie konnten aus den verhältnissmässig dick-
geschichteten Oulmthonschiefern, die übrigens im Nebengesteine
sehr häufig gegen die Grauwacke zurücktreten, jene massen-
weis auftretenden, so milden, zartschiefrigen, schwarzen, glän-
zenden Massen entstehen ? : e
Wenn nun v..CortA in seiner Abhandlung „Ueber den so-
genannten Gangthonschiefer von Clausthal“ (1. e. S. 395, 1864)
sagt: „Unter diesen Umständen stehe ich nicht an zu behaup-
ten, dass der sogenannte Gangthonschiefer und Alles, was zu
ihm gehört, in den Öberharzer Gängen nichts als ein Theil
des Nebengesteins ist, welcher zwischen zonenartigen Zerspal-
tungen verschoben, zerquetscht, imprägnirt und sonst noch ver-
ändert wurde,“ so ist damit nichts Neues gesagt und, wie mir
scheint, kein Beitrag zur näheren Erklärung des Umwandlungs-
processes gegeben.
BıscHor ist der erste und einzige, welcher eine Erklärung
zu geben versucht hat. Durch ZimMERMANN auf den eigentlichen
Gangthonschiefer aufmerksam gemacht, hat er durch zwei Ana-
lysen nachgewiesen, dass der Gangthonschiefer des Silbernaaler
Zuges und der Thonschiefer seines Nebengesteins nahezu die-
selbe chemische Zusammensetzung haben.
Thonschiefer des Neben- Gangthonschiefer
gesteins (nach Kjerulf). (nach Bischof).
Iieselsaure . 0... ,0150.82 «3,99
Thonerde ar DOT 1979
Bisenoxydı.) .naupl. 432018,41 10,54
Nalkesdesr 0 ern 20,18 Spur
Mapnesta. sa... 6587 0,18
Ralıı se N 419 3,02
Natron a a aa 0,96 _
Koblensaure . .. ...0 2,96 —
Glühverlust . . .2722.76,98 7,90
100,00 098,04.
47*
u
732
„Die Zusammensetzung beider Thonschiefer zeigt eine so
. nahe Uebereinstimmung, dass ein gleicher Ursprung nicht zu
bezweifeln ist. Der grössere Eisengehalt im Gangthonschiefer
ist ihm wahrscheinlich durch Gewässer aus dem Nebengesteine
zugeführt und dagegen der Kalk und der grösste Theil der
Magnesia durch sie fortgeführt worden.“ (S. Lehrbuch der
chemisch. Geologie, 1852. II. S. 1645.)
Es ist zu wünschen, dass derartige zu vergleichende Ana-
lysen auch von den Gesteinen anderer Gangzüge angestellt
werden. Was vorauszusehen, dass die Gangthonschiefer keine
constante Zusammensetzung haben, lehrt der Vergleich der
Analysen von BıscHor und Kayser (S. 74 u. 80). Der sehr
hohe Alkaligehalt der Gangthonschiefer lässt aber vermuthen,
dass die chemische Zerstörung der Masse des T'honschiefers
keine tief eingreifende gewesen ist.
BiscHoF meint, dass es Tagewasser waren, welche, bela-
den mit schwebenden Theilchen des Thonschiefers, aus den
Umgebungen der Spalte die Ausfüullung derselben mit Gang-
thonschiefer bewirkt haben.
Die Annahme einer mechanischen Zerstörung des Thon-
schiefers und der Bildung eines Thonschieferschlammes scheint
mir sehr einleuchtend. Es fragt sich nur, wie konnte die me-
chanische Zerkleinerung des Thonschiefers zu einem feinen
Pulver in so grossartigem Maassstabe erfolgen, und wie konnte
der entstehende Schlamm zu so feinschiefrigen, verworrenen
Massen erstarren.
Der Nachweis der bedeutenden Verwerfungen des Neben-
gesteins durch die Spaltenbildung und die Annahme allmäliger
Senkungen des Hangenden, geben die Erklärung dafür von
selbst.
Indem das Hangende der Gangspalten allmälig über 100
Lachter und tiefer sank, konnten grosse Massen Nebengestein
zu dem feinsten Pulver zerrieben werden. Dieses Pulver
wurde durch die einsickernden Tagewasser zu Schlamm auf-
gelöst, dieser drang in die feinsten Fugen hinein und erhärtete
unter dem Drucke der langsam bewegten Gebirgsmassen zu
Gangthonschiefer.
Der fein vertheilte Kohlegehalt in dem schwarzen, bitu-
minösen Gangthonschiefer erklärt sich so auch auf einfache
Weise. Pflanzeureste sind in der Culmgrauwacke und in den
733
zwischen den Bänken derselben liegenden Thonschiefern in
grosser Masse vorhanden. Die Schichten der letzteren sind
meist mit den kohligen Resten von Calamitenstengeln wie
übersäet. Oft finden sich zwischen den Grauwackenbänken
diese so angehäuft, dass Steinkohle oder anthracitartige Massen
entstehen, so z. B. in dem unterirdischen Steinbruche am Anna-
Eleonorer Schachte.
SCHULTZ sagt vom Nebengesteine bei der Grube Caroline:
„Merkwurdig ist es, dass hin und wieder ein förmlicher Koh-
lenbesteg zwischen den Gebirgsschichten liegt, welcher, in
Feuer gebracht, in Gluth geräth.“ (S. Karsten’s Archiv, R. I.
Bd. VI. S. 116.)
Nach Allem scheint es also, als wenn man den Gang-
thonschiefer doch als eine besondere Gesteinsbildung in den
Spalien anzusehen hätte, wogegen sich v. Cotta entschieden
ausspricht.
B
II. Die Gangarten und Erze.
Während einige Gänge (besonders diejenigen, welche sich
in ihrem Streichen dem des Nebengesteins nähern), z. B. die
Faule Ruschel und die Charlotter Ruschel (Charlotter Gang),
fast ausschliesslich mit Ganggestein ausgefüllt sind, treten in
dem Ganggesteine aller übrigen Gänge Gangarten und Erze in
unregelmässig gestalteten, bald grösseren, bald kleineren Ein-
‚lagerungen auf. |
Hat eine solche Einlagerung eine Ausdehnung von wenig-
stens einigen Lachtern, und enthält sie so viel Erz, dass sie
abbauwürdig ist, so nennt man sie ein Erzmittel.
Was von den Erzmitteln zu sagen ist, gilt ebenso von
jeder kleineren oder erzarmen Einlagerung.
Wir wollen nach einander betrachten:
1) Das Vorkommen der Erzmittel.
2) Die Formen der Erzmittel.
3) Die innere Structur der Erzmittel.
4) Die Texturverhältnisse der Gangarten und Erze.
- 5) Die Paragenesis der Mineralien.
1. Das Vorkommen der Erzmittel.
Die Aufsuchung der Erzmittel ist der wichtigste Zweig
der bergmännischen Thätigkeit, leider hat sich aber dafür keine
734 5
Regel aufstellen lassen, und es ist gar keine Aussicht vorban-
den, dass das jemals möglich 'sein wird, so durchaus rezellos
ist die Vertheilung der Erze und Gangarten in den Gangräumen.
Das einzige Anhalten bietet die Erfahrung, dass die Gänge
da am reichsten sind, wo sie sich schaaren. So liegen z. B.
die Erzmittel des Roseuhöfer Zuges da, wo der Thurmhöfer
und Liegende-Alte-Segener Gang sich schaaren.
Auf dem DBurgstädter Zuge sind die reichsten Erzmittel
da gefunden, wo sich der Hauptgang einerseits mit dem Ro-
senbüscher, andererseits mit dem Kranicher Gange schaart.
Das bedeutendste Erzmittel des Zellerfelder Hauptzuges
liegt an der Schaarungslinie des Hauptganges mit dem Kron-
kahlenberger Gange u. s. w. ZIMMERMANN hat schon darauf
hingewiesen (Harzgebirge S. 339 u. 540), dass die alten Berg-
leute ihre Hauptschächte immer da hingelegt haben, wo Gänge
sich schaaren. :
Erzmittel finden sich aber auch vielfach an Stellen, wo
keine Schaarung von Gängen vorhanden ist, so z. B. auf der
Grube Bergwerkswohlfahrt im Silbernaaler Gange, auf der
Grube Bergmannstrost im Burgstädter Hauptgange und. an an-
deren Stellen.
9. Die Formen der. Erzmittel.
Ebenso wie das Vorkommen der Erzmittel ein durchaus
unregelmässiges ist, so ist auch die Form derseiben unregel-
mässig und wenig, scharf begreuzt.
Unter den vielen unregelmässigen Formen, die sich kaum
beschreiben lassen, kommt häufig, eine annähernd linsenföormige
Form der Erzmittel vor, indem sich dieselben nach allen Sei-
ten hin allmälig auskeilen, so z. B. die Erzmittel im Lauten-
thalsglücker Gange und andere.
Eine häufige Form ist die der sogenannten Erzfälle, das
sind meistens schmale, längliche Erzmittel, deren Längenaxe
gegen den Horizont gewöhnlich fach (ec. 45°) geneigt ist.
Die Erzfälle haben sehr oft eine Neigung nach Westen,
so z. B. auf den Gruben: Hülfe-Gottes, Bergwerkswohlfahrt,
Herzog-August und Johann-Friedrich, Lautenthalsglück u. s. w.
Selten sind die Erzfälle nach Osten geneigt, so am aus-
gezeichnetsten auf der Grube Ring und Silberschnur. i
| Ostmarn führt schon im Jahre 1822 als Ausnahme von
735
dem gewöhnlichen Verflächen der Erzmittel von Morgen nach
Abend ein Erzmittel auf der Grube Juliane-Sophie bei Schu-
lenberg an, welches sich von Abend nach Morgen verflacht,
ohne dass man in dem Gange Geschiebe oder Klüfte bemerkt,
denen man dies Verhalten zuzuschreiben hätte (s. Karsren’s
Archiv, R. I. Bd. V. 8. 48.)
Man hat in einzelnen Fällen nachgewiesen, dass die Erz-
fälle den Schaarungslinien einzelner Trümer oder Gänge fol-
gen, so z. B. im Bockswieser Grubenreviere (s. ZIMMERMANN,
Harzgebirge S. 339).
In anderen Fällen ist das aber durchaus nicht der Fall; so
fallt z. B. das Erzmittel an der Schaarungslinie des Zellerfel-
der Hauptganges mit dem Kronkahlenberger Gange nach Osten
ein, während die Schaarungslinie dieser beiden Gänge in der
Tiefe immer mehr nach Westen ruckt. Auch der nach Westen
einschiessende Erzfall auf den "Gruben Caroline, Dorothea und
Bergmannstrost ist nicht mit der Schaarungslinie des Burg-
städter Hauptganges und Rosenbüscher Ganges in Verbindung
zu bringen.
Erwägt man ferner, dass Erzfälle auch da auftreten, wo
keine Schaarungslinien vorhanden sind, so ergiebt sich, dass
eine Beziehung zwischen der eigenthumlichen Erscheinung der
Erzfälle und dem Auftreten der meisten Erzmittel an Schaa-
rungslinien nicht vorhanden ist.
SCHMIDT hat die Erscheinung der Erzfälle unter der Vor-
aussetzung zu erklären gesucht, dass „das Einschieben der Erz-
mittel mit dem Einschiessen, welches die Gebirgsschichten ne-
ben den Gängen niederwärts bemerken lassen, parallel ist.“
(S. Karsten’s Archiv, R. I. Bd. VL S. 57.)
Ein solcher Parallelismus ist aber auf dem Oberharze nicht
vorhanden, da ja die Schnittlinien der meist nach Südosten
einfallenden Gebirgsschichten mit den südlich einfallenden
Gangspalten östlich einschiessen, während ja, wie gesagt, die
meisten Erzfälle eine Neigung nach Osten haben. Auch durch
Einfluss des Nebengesteins sind die Erzfälle hier nicht zu er-
klären, wie das in anderen Gangrevieren bekanntlich möglich
gewesen ist.
Wir müssen daher gestehen, dass die die Erzfälle in den
Oberharzer Gängen bedingenden Ursachen bis jetzt vollkom-
men unbekannt sind.
136
Vielleicht sind es zufällige Erscheinungen, analog dem
ganz unregelmässigen Erzvorkommen überhaupt.‘ Die jeden-
falls unregelmässige Circulation der die Erze und Gangarten
absetzenden Gewässer in den mit Ganggestein erfüllten Spal-
ten, sowie die beim Sinken des Hangenden erfolgte mechani-
sche Zerstörung oder Verschiebung bereits 'gebildeter Aus-
füllungsmassen, lassen solche Zufälligkeiten vermuthen.
3. Die innere Structur der Erzmittel.
Die Erzmittel bestehen keinesweges ausschliesslich aus
Gangarten und Erzen, sie sind vielmehr ein unregelmässiges
buntes Gemenge der letzteren mit Ganggestein.
- Unter Structur der Erzmittel verstehe ich die Form und
Lage, in welcher Gangarten und Erze zwischen dem Gangge-
steine oder zwischen älteren Gangarten und Erzen auftreten.
Diese Structur wird also wesentlich von der mechanischen
Zerstörung des Nebengesteins oder bereits gebildeter Aus-
füllungsmassen während der Senkung des Hangenden abhängen.
Man kann drei verschiedene Structuren unterscheiden:
a. die Trumerstructur,
b. die Imprägnation,
c. die Breccien- resp. Conglomeratstructur.
a. Die Trümerstructur.
Die Trumerstructur ist die in allen Gängen und Gangzü-
‚gen am häufigsten auftretende. Sie besteht darin, dass das
Ganggestein von wenige Linien bis viele Fuss mächtigen Spal-
ten oder Trümern durchsetzt ist, welche gewöhnlich nicht weit
fortsetzen, nach allen Himmelsrichtungen streichen, das ver-
”
schiedenste Fallen haben, sich vielfach schaaren, kreuzen, schlep-
pen, ablenken und so ein oft complicirtes Trümernetz bilden.
Grössere Trümer der Art, öfters gesellig auftretend, zeigen
gewöhnlich annährend das Streichen und Fallen des Ganges,
dem sie angehören.
Diese Trümer sind in der verschiedensten Weise mit Gang-
arten und Erzen erfüllt.
Es ist bereits früher, als von den einfachen Gängen die
Rede war, die Entstehung dieser Trümerstructur angedeutet.
b. Die Imprägnation.
In der Nähe durchtrümerter Gangmassen sind die Gang-
737
gesteine gewöhnlich mit Gangarten und Erzen imprägnirt, d.h.
diese finden sich in ersteren in grösseren oder kleineren, ganz
unregelmässig gestalteten, meist unzusammenhängenden Par-
tieen.
Dieser Structur gehören im weitesten Sinne alle ganz
unregelmässigen Vorkommnisse von Erzen oder Gangarten im
Ganggestein an. Haben diese Vorkommnisse grössere Aus-
dehnung, so kann man. die Structur auch wohl mit dem Namen
„Nesterstructur“ bezeichnen.
Diese Structurform ist wohl auf die Weise. entstanden,
dass die Solutionen, welche Erze und Gangarten aufgelöst ent-
hielten, durch die feinsten Poren, Risse und Sprünge in die
zerrütteten Ganggesteinsmassen eindrangen und hier an geeig-
neten Stellen auskrystallisirten. Es ist klar, dass, wenn diese
Entstehungsweise die richtige ist, damit die wirklich vorhän-
denen Uebergänge von der feinsten Imprägnation bis zur deut-
lichen Trumerstructur erklärt sind. Ebenso ist es leicht ein-
zusehen, wie eine oft wiederholte Durchtrumerung einer Masse
schliesslich eine Breecienstructur derselben herbeiführen muss.
ec. Die Breceien- resp. Conglomeratstructur.
- . Die Breceien- resp. Conglomeratstructur findet sich mit
Ausnahme der Gänge bei Lautenthal und Bockswiese, wo ich
sie noch nicht beobachtet habe, recht häufig in den Gängen.
Sie besteht darin, dass unregelmässig gestaltete, scharf-
kantige (Breceien) oder seltener abgerundete (Conglomerate)
Bruchstücke des Nebengesteins von der verschiedensten Grösse
in Gangarten oder in einem Gemenge der letzteren mit. Erzen
so eingebettet siud, dass sich die einzelnen Bruchstücke ge-
wöhnlich gar nicht mehr berühren. Die die Bruchstücke um-
hullenden Gangarten und Erze bilden gewissermaassen das
Cäment der Breccie oder des Conglomerates.
Die Entstehung dieser Structur ist leicht begreiflich. Ent-
weder es zogen sich einzelne Schollen vom Nebengesteine los
und wurden so von den auskrystallisirten Erzen und Gangar-
ten oder auch wohl von Thonschieferschlamm, der später zu
Gangthonschiefer erhärtete, umgeben, oder es stürzten in hohle
Räume, welche beim Sinken des Hangenden entstanden, Ne-
bengesteinsmassen und zertrümmerten hier.
Diese Bruchstücke wurden beim Auskrystallisiren der Erze
735
Sn
und Gangarten durch die Kraft der Krystallisation ans einander
getrieben, ebenso wie gefrierendes Wasser Bruchstücke des
alten Mannes trennt. (S. Rrıch, Beobachtungen über die Tem-
peratur des Gesteins in verschiedenen Gruben des sächsischen
Erzgebirges. Freiberg, 1834. S. 186.)
Wir haben bisher nur immer davon gesprochen, dass Gang-
gestein durchtrüumert, imprägnirt oder als Breceienbruchstücke
vorkommt.
Bei der allmäligen Entwickelung der zusammengesetzten
Oberharzer Erzgäange mussten aber auch die bereits gebildeten
Gangarten und Erze in gleicher Weise wieder mechanisch zer-
stört werden. In der That finden wir Gangarten, z. B. Kalk-
spath, von Quarz- und Erztrümern durchzogen, ferner Erzmas-
sen, z. B. Bleiglanz und Blende, von Quarztrumern; auch
Breccien werden oft von Kalkspath, Quarz und Spatheisen-
steintrümern durchsetzt.
An Stelle der Bruchstücke des reinen Nebengesteins in
den Breccien finden sich auch Bruchstücke von bereits imprä-
gnirtem Nebengestein, von Kalkspath oder Zinkblende.
Imprägnationen bereits krystallisirter Gangarten und Erze
müssen häufig stattgefunden haben, sie lassen sich nur schwerer
nachweisen. Zu den Imprägnationen der Art gehört das Vor-.
kommen feiner Quarzlamellen zwischen Spaltungsflächen des
Bleiglanzes, ferner von feinen Bleiglanzlamellen oder Blei-
glanzpünktchen zwischen den Spaltungsflächen des Kalkspaths,
wie man sie häufig beobachten kann.
‘In den Kalkspathmassen des Lautenthalsglücker Ganges
bemerkt man eigenthümliche ziekzackförmig gewundene Blende-
streifen, die schon die Aufmerksamkeit von SCHULTZ auf sich
gezogen haben, die er aber nicht genau beschreibt, wenn er sagt:
„Die braune Blende durchzieht in Kreisen und mancherlei krum-
men Zügen den Gang“ (s. Karsrmen’s Archiv, R.1.’Bd.IV. 8. 299).
Betrachtet man dieses Vorkommen genauer, so bemerkt
man lauter theils mit grossen Kalkspathmassen an einer Stelle
noch zusammenhängende, theils ganz isolirt liegende Kalkspath-
spaltungsstüucke (Rhombo&der), die zunächst von einer feinen
Quarzlage und dann von brauner Blende umgeben sind. Das
Ganze macht den Eindruck, als wenn zuerst die Kalkspath-
massen zertrümmert seien, darauf sich die Wände der
739
Hohlräume mit (Quarz überzogen und schliesslich alle Hohl-
räume ganz mit brauner Blende erfüllt hätten.
Es ist wahrscheinlich, dass wir fast alle Erze und Gang-
arte gegenwärtig nicht mehr an der Stelle finden, an der sie
sich ursprünglich gebildet haben; denn betrachtet man die
Firstenstösse in den Gruben, so findet man ein so unregel-
mässiges Durcheinander von grösseren und kleineren Partieen
reinen und durchtrümerten oder imprägnirten Ganggesteins,
von Breccien, von Gangarten und Erzen, die ebenfalls in der
verschiedensten Weise durchtrümert und imprägnirt sind, dass
die Vorstellung, dies habe sich Alles so an Ort und Stelle
gebildet, viel Unwahrscheinliches hat.
Hält man die Vorstellung von dem durch Jahrtausende
fortdauernden allmäligeri Senken des Hangenden fest, so erklärt
es sich leicht, wie diese verschiedenen Massen unter verschie-
denen lokalen Umständen entstanden, gegen einander verschoben
und in eine unregelmässige Lage_zu einander gebracht werden
konnten. |
In diesem Sinne können wir die Struetur der OÖberharzer
Gänge im grossen Ganzen als eine breecienförmige bezeichnen,
welche Structur nach der Entstehungsweise allen zusammen-
gesetzten Gängen eigen sein muss.
4. Die Textur der Gangarten und Erze.
Unter Textur eines Mineral - Aggregates versteht man be-
kanntliceh die durch die Grösse, Form, Lage und Verwach-
sungsart seiner einzelnen Individuen bedingte Modalität der Zu-
sammensetzung. Die Verbindungsweise einfacher Mineral-Aggre-
gate nach Form und Lage zu Aggregationsformen höherer
Ordnung bezeichnet man als Structur (NAUMANN).
Diesen beiden Begriffen lassen sich nicht alle betreffenden
Erscheinungen «genau unterordnen. In der Petrographie hat
man diese Unterscheidung bereits aufgegeben, und dasselbe ist
in der Lehre von den Erzen oder Erzlagerstätten nothig.
Unter Textur wollen wir ganz allgemein die verschiedenen
Asgregationsformen der Mineral-Aggregate verstehen. Diese Ab-
weichung, in welcher ich mich in einer Beziehung an v. OoTTA
anschliesse (s. Lehre von den Erzlagerstätten, 1859, 8.29), sei
gestattet, um den wesentlichen Unterschied hervorheben zu kön-
nen, der in der Aggregation der Mineralien überhaupt von den
. 740
Formen ı der Räume liegt, in welchen diese Mineral-Aggregate
sich bildeten. wie
Diese Räume waren also entweder 'gangartige Räume
(Trumer) oder unregelmässige, grössere oder kleinere Hohl-
räume in zersetzten oder zertrümmerten Massen (Imprägnation)
oder Zwischenräume zwischen Bruchstucken zertrümmerter Mas-
sen (Breccien). Wir haben nun also diese verschiedenen For-
men der Räume als Structurformen bezeichnet (s. S. 733 u. f.).
Die für unseren Zweck wichtigsten Texturformen der
Erze und Gangarten sind:
a. Die lagenförmige Textur, und zwar:
die eben lagenformige Textur, ;
.. die concentrisch lagenförmige Textur.
b. Die drusenförmige Textur, und zwar:
a. ‚die offen drusenförmige Textur,
3. die geschlossen drusenförmige Textur.
c. Die massige Textur.
Für unsere Zwecke weniger wichtige Texturformen sind:
die körnige, ‚blättrige, schuppige, stängliche, faserige, dichte etc.
Die Abweichung dieser Darstellungsweise in mancher Be-
ziehung von der v. CorrA wird auffallen. Meine Gründe dafür
sind in dem Vorherigen bereits enthalten.
a. Die lagenfürmige Textur.
:@. Die eben lagenförmige Textur,
Beispiele dieser Textur giebt Taf. XVI. Sie findet sich
in vielen Trümern deutlich ausgebildet, und’zwar sowohl mit
einfacher, als auch mit sich wiederhelender Symmetrie der Lagen.
Eine häufige, sehr oft sich wiederholende Erscheinung ist
es, dass sich an den Saalbändern der Trumer zunächst feine,
unregelmässige Quarzlagen finden, darüber folgen dann Lagen
von Bleiglanz, der oft innig mit Quarz verwachsen ist, und in
der Mitte tritt wieder Quarz auf oder Kalkspath mit Quarz,
auch wohl Spatheisenstein oder Schwerspath. j
Die einzelnen Lagen sind durchaus nicht immer ganz eben,
sondern stellen oft vielfach gebogene Flächen dar; niemals lau-
fen die gebogenen, gekrümmten Flächen jedoch wieder in sich
zurück wie bei der concentrisch lagenförmigen Textur.
Die einzelnen Lagen wechseln sehr in ihrer Mächtigkeit,
sie verschwinden stellenweise manchmal ganz und dehnen sich
dafür an anderen Stellen zu desto grösserer Mächtigkeit aus.
DI DD
.
7a
Die einzelnen Lagen zeigen sich im Querschnitte niemals
durch gerade oder gleichmässig gekrümmte Linien getrennt, sie
greifen vielmehr zickzackföormig oder ganz unregelmässig in
einander. Man kann sich die lagenförmige Ausfüllung der
Gangtrumer in zwei verschiedenen Weisen gebildet denken.
Einmal ist es möglich, dass die Spalte eines Gangtrumes
vor ihrer Ausfullung in der ganzen Mächtigkeit, die wir jetzt
beobachten, offen stand.
Die Solutionen konnten dann an den Spaltenwänden herab-
sickern, also z. B. erst eine Kieselsäuresolution, welche Quarz-
krystalle absetzte, dann Solutionen, welche uber den Quarz-
krystallen BleigJanzkrystalle absetzten u. s. w. Viel wahrschein-
licher ist es aber, dass die Spalte ganz mit einer Solution
erfullt war, welche nach einander, je nach den Löslichkeits-
verhältnissen, verschiedene Mineralien absetzte, oder in der
sich durch Zuflusse anderer Solutionen verschiedene krystalli-
nische Niederschläge bildeten.
Wenn wir die Krystallisation künstlich dargestellter Salze
beobachten, so zeigt es sich, dass sich die Krystalle in der
verschiedensten Weise in Krystallkrusten ansetzen oder zu
kugelförmigen oder eylinderförmigen oder unregelmässig ge-
stalteten Krystall-Aggregaten anschiessen.
Nehmen wir dasselbe für die Krystallisation der Gang- _
arten und Erze an, so erklären sich dadurch die Unregelmässig-
keiten der lagenförmigen Textur und die Uebergänge derselben
in die massige Textur, wovon später die Rede sein soll.
Eine etwas andere Erklärungsweise hat ScHuminpt gegeben.
Er nimmt an, dass die Spalte des Gangtrums früher eine ge-
ringere Mächtigkeit hatte, als wir jetzt beobachten, und dass
sie durch spätere Erschütterungen und die Kraft der Krystalli-
sation zu einer grösseren Mächtigkeit erweitert sei, indem sich
an die Seitenwände der Spalte zunächst Krystallkrusten an-
setzten, zwischen ihnen neue Solutionen anderer Mineralkörper
eindrangen und bei ihrem Auskrystallisiren die Spalte erwei-
terten (s. Karsten’s Archiv, R. I. Bd. VIII. S. 216 u. Taf. 1.
Fig. 1—5).
Nehmen wir an, dass bereits lagenförmig erfüllte Gang-
tramer durch spätere Erschütterungen an irgend einer Stelle
wieder aufrissen und neue Krystallisationen eintraten, so wei”
den damit manche Unregelmässigkeiten der Ausfullung erklärt. So
742
muss man sich z. B. die Ausfüllungsart des Taf. XVI. Fig. 3
abgebildeten Gangtrums in ‘folgender Weise denken. An’ den
Saalbändern bildete. sich zuerst ein Gemenge. von; Quarz ‚und
Bleiglanz (a u. b.), darauf. krystallisirte der Spatheisenstein (d)
aus und später, in der Mitte des Trums, der weisse Schwer-
spath (/). Nach solcher vollständigen Ausfullung riss das Trum
an der rechten ‚Seite auf, und die so gebildete, unregelmässige
Spalte wurde durch Braunspath (g) ausgefüllt.
Beobachtungen über die Entstehung symmetrisch Ben
miger Ausfüllungen der Trümer werden schwerlich ‚jemals. in
der Natur anzustellen sein; es ist aber vielleicht nicht. unmög-
lich, durch Versuche mit künstlichen Salzen die Vorgänge zu
‚verfolgen. ö |
Die eben lagenförmige a, aber, ohne symmetrische
Anordnung der Lagen, findet sich ferner se ausgezeichnet in
den bekannten Banderzen der Grube Herzog-Georg -Wilhelm.
Es sind das eigentlich nur mächtige Kalkspathmassen, in. de-
nen sich in unendlicher Wiederholung unregelmässige, meistens
sehr schmale, unter sich annähernd parallele und gewöhnlich
nur wenige Linien oder Zolle von einander abstehende Schnüre
von Bleiglanz, Zinkblende, Kupferkies und Quarz finden.
Diese Banderze finden sich nicht als Ausfüllungen beson-
derer Trümer mit deutlichen Saalbändern, sondern in unregel-
mässig gestalteten Massen inmitten der mächtigen Gänge, be-
gleitet von durchtrümerten und imprägnirten Gangmassen, auch
wohl von Breecien. Die einzelnen Lagen der Banderze sind
aber immer den Saalbändern der mächtigen Gänge parallel.
Am ausgezeichnetsten haben sich die Banderze auf der
verlassenen Grube St. Lorenz auf dem Burgstädter Zuge ge-
funden. Gegenwärtig treten sie noch in der achten und elften
Wilhelmer Firste westlich vom Wilhelmer Schachte auf.
Auf der Grube Lautenthalsglück ist, so viel bekannt, nur
ein einziges Mal Banderz vorgekommen, und zwar in der zehn-
ten Firste östlich vom Güte-des-Herrner Schacht inmitten un-
regelmässig gelagerter Gangmassen; ein ausgezeichnetes Stück
von diesem Banderze wird in der Olausthaler Bergakademie auf-
bewahrt. | ,
Die nach den gemachten Angaben selten vorkommenden
Banderze sind eine sehr räthselhafte Erscheinung, und zwar
deswegen, weil in ihnen Lagen von Kalkspath mit Lagen von
743
=
Quarz, Bleiglanz, Blende und Kupferkies ‚in so vielfacher Wie-
derholung. wechseln. Kalkspathlagen zwischen den Lagen ver-
schiedener Mineralien finden sich sonst niemals, weder bei
symmetrisch ausgefüllten Trümern, noch bei lagenförmig um-
hüllten Breccien (s. S. 744).
Der Kalkspath kommt sonst immer nur in der Mitte
symmetrisch ausgefüllter 'Trümer drusenförmig vor oder als
Bindemittel von Breceien, die unregelmässigen Hohlräume zwi-
schen ihnen erfüllend, oder in mächtigen, derben, vielfach zer-
trumerten und imprägnirten Massen.
Ob daher die Banderze eine gleiche Entstehungsweise ha-
ben, wie die lagenförmige Ausfullung mancher Trumer, bleibt
noch späteren Untersuchungen zu entscheiden übrig.
B. Die concentrisch lagenförmige Textur.
Beispiele dieser Textur giebt Taf. XVI. Sie findet sich
sehr häufig bei Breccien- resp. Conglomeratstructur, indem die
einzelnen Bruchstücke von mehr oder weniger mächtigen Lagen
verschiedener Gangarten und Erze umgeben sind. Dieses Vor-
kommen wird mit dem Namen „Ringerze oder Ringelerze* belegt.
Die häufigste Erscheinung ist es, dass zunächst um ein
Bruchstuck eine .Quarzlage von meist radial krystallinischer
Textur (Sphärentextur) liegt, darüber folgt‘ dann eine Lage
Bleiglanz, gewöhnlich innig mit Quarz verwachsen, und als
letzte Ausfüllungsmasse der noch übrig bleibenden Zwischen-
raume findet man Quarz oder Quarz mit Kalkspath oder
Spatheisenstein, auch Schwerspath.
Wie bei der eben lagenförmigen Textur, so findet auch
bier ein -vielfacher Wechsel in der Mächtigkeit ein und der-
selben Lage statt, und die einzelnen Lagen greifen ebenfalls
unregelmässig, ziekzackförmig ineinander.
Es wird sogleich auffallen, dass eine vollständige Analogie
zwischen der eben und der concentrisch lagenförmigen Textur
vorhanden ist, und dass dieselbe Altersfolge der Lagen bei bei-
den vorkommt. Beide Texturformen sind auch im Wesentlichen
identisch, erscheinen nur in verschiedenen Formen, durch die
Verschiedenheit der Trumer- und Breccienstructur bedingt.
Für eine concentrisch lagenförmige Textur haben wir eine
analoge Entstehungsweise wie für die eben lagenförmige an-
zunehmen.
744
Die Zwischenräume zwischen den Bruchstücken waren
gänzlich mit einer Solution erfüllt, welche nach einander ver-
schiedene Mineralien absetzte, also z. B. erst Quarz, dann
Bleiglanz und Quarz, dann wieder Quarz oder Kalkspath mit
Quarz u. S. w.
Hier sei noch einmal des Umstandes erwähnt, dass wir
niemals concentrische Lagen von Kalkspath beobachten. Kalk-
spath kommt nur als letzte Ausfüllungsmasse der unregelmässig
gestalteten Zwischenräume der concentrisch umhüllten Bruch-
stücke vor.
b. Die drusenförmige Textur.
Die drusenförmige Textur ist eine unmittelbare Folge der
sich allmälig entwickelnden lagenförmigen Textur. In der Mitte
symmetrisch ausgefüllter Spalten finden sich bekauntlich die
meisten Drusen, und ebenso finden sich solche zwischen den
Bruchstucken der Breceien. *
Wir haben oben (S. 740) eine offene drusenförmige und
eine geschlossen drusenformige Textur unterschieden. Letztere
entsteht, wenn eine offene Krystalldruse durch irgend ein Mi-
neral oder Mineralgemenge erfüllt wird, welches die freistehen-
den Krystalle der Druse umsgiebt.
Den einfachen Begriff der geschlossen drusenförmigen Textur
bedürfen wir besonders zur Erklärung der Erscheinung, dass sich
so häufig Krystalle in den Gangmassen eingewachsen finden.
Sehr gewöhnlich sind Quarzkrystalle in Kalkspath, Blei-
glanz, Blende oder Schwerspath eingewachsen. Man sieht ent-
weder die Eindrücke der Quarzdihexaöder in den genannten
Mineralien, oder man beobachtet, was seltener vorkommt, auf
dem Bruche derselben sechseckige Quarzpartikelchen, die Durch-
schnitte der eingewachsenen Quarzkrystalle.
Häufig finden sich auch Bleiglanzwürfel in Quarz oder
Kalkspath eingewachsen. Sie erscheinen auf dem Bruche als
kleine Rechtecke oder Quadrate, umgeben von Quarz oder Kalk-
spath. Hatten sich in einem Gangtrume über einer Quarzunter-
lage Bleiglanzwürfel gebildet, und wurden diese später von
Quarz oder Kalkspath umhüllt, so wird ein Bruch, welcher
parallel zu den Saalbändern durch die Lage geht, das be-
schriebene Ansehen haben. Sehr deutlich. ausgebildet finden
sich Kalkspathskaleno&der (älterer Kalkspath) eingewachsen
745
in den Gangmassen des Burgstädter Zuges, des Zellerfelder
Hauptzuges, des Rosenhöfer Zuges und der Gänge bei Bockswiese.
Das auf Taf. XVI, Fig. 8 abgebildete Gangstück von der
Grube Bergmannstrost zeigt z. B. in einer Bleiglanzmasse ein-
gebettet, neben Bruchstücken des Nebengesteins, deutliche Kalk-
spathskalenoeder in verschiedenen Durchschnitten. Die Bruch-.
stucke des Nebengesteins sowohl, wie auch die Kalkspath-
skaleno@der, sind zunächst von einer feinen Quarzhülle umge-
ben, dann folgt Bleiglanz, und als letzte Ausfullungsmasse der
unregelmässigen Zwischenräume tritt Kalkspath mit Quarz auf.
Legt man ein solches Stück in verdünnte Salzsäure, welche
den Kalkspath auflöst, so kann man deutlich die unregelmässig
‘durch einander liegenden, zusammenhängenden, skaleno&derför-
migen Hohlräume beobachten, in welchen die Kalkspathkry-
stalle sassen, und welche alle mit einer dunneren oder dickeren
Quarzlage bekleidet sind. Wenn man die Deutung dieser Er-
scheinung unternimmt, so muss man sich zunächst klar machen,
dass die eingewachsenen Kalkspathskalenoeder älter sein mus-
sen als ihre Quarzhüullen und der sie zunächst umgebende
Bleiglanz; sie können sich nicht etwa wie Gyps- oder Schwe-
felkieskrystalle im Thon gebildet haben. Einen teigigen, brei-
artigen Zustand des Bleiglanzes vor seiner krystallinischen Er-
härtung anzunehmen, ist gegen alle Erfahrung bei künstlich
herbeigeführten Krystallisationen. Können aber die Kalkspath-
skalenoeder in Beziehung auf ihre Umhüllung gleiches Alter
haben wie die Bruchstücke des Nebengesteins? Können sie
vielleicht von zertrummerten Kalkspathmassen herrühren, die
zwischen den Bruchstücken des Nebengesteins gelegen haben?
In diesem Falle wurden wir unregelmässig gestaltete Bruch-
stucke oder regelmässige Spaltungsstücke des Kalkspaths fin-
den, wie es auch vorkommt, aber keine Kalkspathkrystalle.
Die Deutung wird leicht, wenn man die Breccien mit la-
.genförmiger und offen drusenförmiger Textur der benachbarten
Gruben Dorothea und Carolina beachtet. Die Abbildung auf
Taf. XVI, Fig..7 stellt eine solche Breccie von der Grube
Carolina dar. Hier sind die Bruchstücke des Nebengesteins
(A) lagenförmig umgeben von Quarz (a) und Bleiglanz (b).
Die unregelmässigen Zwischenräume sind mit Kalkspath erfüllt,
welcher sehr viele Drusenräume enthält, in welchen spitze
Kalkspathskaleno@der in unregelmässiger Stellung frei ausge-
Zeits. d.d. geol. Ges. XV III. 4. ? 48
746
bildet sind. Ueber diesen Kalkspathskalenoödern liegen kleine
Quarzkryställchen oft in solcher Menge, dass sie die Kalkspath-
skalenoöder ganz überkrusten oder kleinere Drusenräume schon
ganz erfüllen. Ueber dem Quarze folgt dann. wieder Bleiglanz,
die Kalkspathkrystalle lagenförmig umhüllend. ;, Denkt man sich
diese Bleiglanzbildung so ausgedehnt, dass alle Drusenräume
damit erfüllt werden, so muss eine geschlossen drusenförmige
Textur entstehen, wie sie das Gangstück Fig. 8 zeigt.
Die auf einander folgenden Bildungen sind also:
1) Quarz und Bleiglanz, lagenförmig die Bruchstücke
des Nebengesteins umgebend,
2) Aelterer Kalkspath, drusenförmig die Zwischen-
räume der Bruchstücke erfüllend,
3) Quarz und Bleiglanz, lagenförmig die Kalkspath-
krystalle der Drusen umhullend.
Eine andere hierher gehörige Erscheinung sind die in
Schwerspath eingewachsenen Bournonitkrystalle, die auf dem
Rosenhöfer Zuge, und zwar auf der Grube Silbersegen, gefun-
' den sind. Sie erscheinen als kleine dunkle Rechtecke in dem
weissen Schwerspathe. An einigen Stücken, an welchen auch
Kalkspath zu beobachten ist, bemerkt man zwei geschlossen
drusenförmige Texturen über einander. Löst man den Kalk-
spath eines solchen Stückes mit verdunnter Salzsäure heraus,
so-werden zusammenhängende skaleno&derföormige Hohlräume
sichtbar, die in einem massigen Gemenge von Bleiglanz und
Spatheisenstein sitzen. Ueber diesem Gemenge liegen die
Bournonitkrystalle, die später von älterem Schwerspathe einge-
hüllt wurden. Wir haben also folgende Bildungen:
1) Aelterer Kalkspath in Skalenoedern, -
- 2) Bleiglanz und Spatheisenstein,
3) Bournonit,
4) Aelterer Schwerspath.
c. Die- massige Textur.
Unter massiger Textur versteht v. Cotta „eine bei Erz-
lagerstätten vorzugsweise häufige Modification der körnigen
Textur, bei welcher die einzelnen individuellen Theile. sehr
ungleich gross, sehr ungleich gestaltet und sehr ungleich ver-
theilt sind.* (S. Lehre von den Erzlagerstätten, 1859, S. 29.)
Solche massige Textur zeigen häufig einzelne Lagen bei
747
‘ der lagenförmigen Textur, indem sie ein lagenförmiges Ge-
menge von Bleiglanz und Quarz, von Bleiglanz und Blende,
von Blende und Kupferkies, von Spatheisenstein und Bleiglanz,
von Spatheisenstein und Quarz u. s. w. sind, in denen die
Körner der einzelnen Mineralien sehr ungleich gross, sehr un-
gleich gestaltet und sehr ungleich vertheilt sind.
Massige Textur zeigen ferner manche Ausfullungsmassen
von Trumern oder grössere unregelmässig gestaltete Gang-
massen, z. B. sehr ausgezeichnet aus einem Gemenge von
Kupferkies, Quarz und Kalkspath bestehende Ausfüllungsmas-
sen des Burgstädter Hauptzuges auf der Grube Königin-Char-
lotte und andere.
Es ist wohl nicht zu leugnen, dass gemengte krystallinische
Niederschläge in Solutionen verschiedener Stoffe entstehen kön-
nen, wodurch massige Texturen herbeigeführt werden konnten.
In vielen Fällen ist aber wohl die massige Textur durch
Imprägnation, Breccienstructur oder geschlossen drusenförmige
Textur entstanden. Durch Imprägnation, indem z. B. Blende-
oder Bleiglanzmassen durch Erschütterungen Risse und Sprünge
bekamen, in welche Solutionen eindrangen, welche an geeigne-
ten Stellen etwa Quarz oder Kupferkies absetzten. Waren die
Erschütterungen stärker, so konnten die Massen ganz zertrüm-
mert werden und sich Breceien bilden. So habe ich z. B. ein
Stuck aus dem Lautenthalsglucker Gange, welches ein Gemenge
von lanter kleinen, höchstens + Zoll langen, scharfkantigen
Bruchstucken von brauner Blende, Quarz und Kalkspath ist.
Ueber den Blendebruchstücken, welche vorherrschen, liegt ein
ganz feiner Ueberzug von Kupferkies, welcher die Breccie zu-
sammen zu halten scheint. Das ganze Stück ist aber noch
porös und von unendlich vielen feinen, unregelmässigen Hohl-
räumen zwischen den Bruchstücken durchzogen; denn, wenn
man das Stück in Wasser legt und es dann trocknen lässt, so
fliesst noch einige Zeit Wasser aus den Poren, und es dauert
sehr lange, ehe das Stück ganz trocken wird. Denkt man sich
nun die feinen Kanäle zwischen den Blendebruchstucken ganz
mit Kupferkies erfüllt und das Stück durchgeschlagen, so wird
der Bruch eine massige Textur zeigen.
Die Entstehung der massigen Textur zeigen manche Spath-
‚ eisensteinstücke, welche ein drusiges Aggregat von lauter klei-
nen Spatheisensteinkryställchen sind. Denkt man sich in solche
48*
748
Massen eine Lösung eindringen, welche Bleiglanz' absetzt, so
muss ein massiges Gemenge von Spatheisenstein und Bleiglanz
entstehen, welches man so oft beobachtet. Ein Stuck aus dem
Lautenthalsglücker Gange zeigt ferner diese Entstehungsweise
“sehr schön. An demselben beobachtet man deutliche Spaltungs-
rhomboäder von Kalkspath, zwischen denen unendlich viele
kleine, zusammenhängende, aber ganz unregelmässig liegende
Quarzkryställchen sich befinden, die viele grössere und kleine
Drusenräume bilden. Einige dieser Drusenräume sind bereits
mit Kupferkies erfüllt. Denkt man sich nun auch wieder diese
drusige Quarzmasse von einer Solution durchdrungen, welche‘
Bleiglanz, Blende oder Kupferkies absetzt, so wird eine Masse
mit massiger Textur entstehen.
5. Die Paragenesis der Mineralien.
Die für die Constitution der Oberharzer Erzgänge wesent-
lichen Mineralien sind: Bleiglanz, Zinkblende, Kupferkies,
Quarz, Kalkspath, Schwerspath und Spatheisenstein, also drei
Erze und vier Gangarten.
Ich habe in der Berg- und Hüttenmännischen ER 1866,
S. 116 gesagt, dass die drei Erzarten und der Quarz überall,
wenngleich in sehr verschiedener Vertheilung in den Oberhar-
zer Gängen zu finden sind, und dass das gesonderte Auftreten
von Kalkspath einerseits und Schwerspath und Spatheisenstein -
andererseits zur Unterscheidung zweier Mineralcombinationen
(Gangformationen) Veranlassung giebt, einer nördlichen, ent-
haltend: Bleiglanz, Zinkblende, Kupferkies, Quarz und Kalk-
spath, und einer südlichen, enthaltend: Bleiglanz, Zinkblende,
Kupferkies, Quarz, Spatheisenstein und Schwerspath.
Die Bezeichnung „nördliche und südliche Mineralcombina-
tion* war in der Meinung gewählt, dass Spatheisenstein und
Schwerspath nur in den beiden südlichen Zügen (Silbernaaler
Zug und Rosenhöfer Zug) auftreten und Az nur in-den
nördlicher liegenden Zügen.
Ich habe mich in der letzten Zeit davon überzeugt, dass
diese Meinung falsch und deshalb auch die Unterscheidung
einer südlichen und nördlichen Mineralcombination nicht haltbar
ist. Folgende Thatsachen verdienen in dieser Beziehung be-
merkt zu werden:
l) Auf dem Lautenthaler- Hahnenkleer Zuge tritt östlich
\
749
von der Innerste kein Schwerspath auf. Dieser Zug scheint
aber: westlich von der Innerste schwerspathfuhrend zu werden;
denn das Ausgehende des Lautenthalsglücker Ganges, welches
man am Steileberg auf der Chaussee von Lautenthal nach
Seesen beobachten kann, führt hier viel Schwerspath.
2) Der Bockswieser-Festenburger und Schulenberger- Zug
führt niemals Schwerspath.
8) Der östlich von der. Innerste liegende Spiegelthaler
Gang des Hütschenthaler und Spiegelthaler Zuges führt Quarz,
Kalkspath und viel Spatheisenstein, der westlich von der In-
nerste auftretende Hütschenthaler Gang dieses Zuges führt ne-
ben Quarz und Kalkspath viel Schwerspath. (S. Berg- und
Hüttenmänn. Zeitung, 1859, S. 431.)
4) Der Haus-Herzberger Zug führt Quarz und Kalkspath
und stellenweise auch viel Spatheisenstein, wie z. B. auf der
Grube Silberblick gegenwärtig. z
5) Der 13-Lachter-Stolln-Gang bei Wildemann führt ne-
ben Quarz, Spatheisenstein und Schwerspath auch etwas Kalk-
spath. Westlich von der Oharlotter Ruschel (Gang) führt der
Zellerfelder Hauptzug und der Burgstädter Zug hauptsächlich
Quarz und Kalkspath, sehr wenig Spatheisenstein und keinen
Schwerspath als wesentlichen Bestandtheil. Erst da, wo der
Burgstädter Hauptgang sich an den Rosenbüscher Gang an-
schaart, tritt in den oberen Teufen der Grube Caroline etwas
Schwerspath auf.
6) Die Gänge bei Altenau führen viel Quarz und wenig
Kalkspath. (S. Berg- und Hüttenm. Zeitung, 1859, S. 467.)
7) Die beiden südlichen Zuge (Rosenhöfer Zug und Sil-
bernaaler Zug) führen hauptsächlich Spatheisenstein und Schwer-
spath; der Rosenhöfer Zug mehr Spatheisenstein,, der Silber-
naaler Zug mehr Schwerspath. Der Kalkspath fehlt nicht ganz,
tritt jedoch sehr zurück.
Aus den angeführten Thatsachen ergiebt sich:
1) Da, wo die Gänge vorherrschend Kalkspath führen,
fehlt der Schwerspath gewöhnlich ganz oder tritt sehr zurück,
und umgekehrt.
2) Die nördlich vom Rosenhöfer Zuge auftretenden Gang-
züge führen östlich von der Innerste hauptsächlich Kalkspath,
westlich von der Innerste Schwerspath.
3) Der Spatheisenstein tritt sowohl mit dem Schwerspathe,
750
als auch mit dem Kalkspathe zusammen auf, und ist sein Vor-
kommen dem des Quarzes sehr ähnlich. (Vergleiche. 8. 751.)
Wir müssen also unterscheiden:
.D) eine nordöstliche Kalkspath-Combination,
enthaltend Bleiglanz, Zinkblende, Kupferkies, Quarz, Spath-
eisenstein und Kalkspath und
2) eine südwestliche Schwerspath-Gombina-,
tion, enthaltend: Bleiglanz, Zinkblende, Kupferkies, Quarz,
EEE und Schwerspath.
Die Unterscheidung dieser beiden Mineral- Combinationen
bekommt durch eine Verschiedenheit der in ihnen auftretenden
‘ Drusenausfüllungen noch mehr Bedeutung. (8. 8. 753 u. 794.)
In den Gängen der nordöstlichen Kalkspath - Combination
ist die Unterlage der in Drusen auftretenden Mineralien ge-
wöhnlich 'älterer Kalkspath in Skalenoe@dern (s. $. 751) oder
Quarz, sehr selten Spatheisenstein, und ‚in den Drusen tritt
niemals oder als grosse Seltenheit Kammkies auf.
In den Gängen der südwestlichen Schwerspath - Combina-
tion ist die Unterlage der in Drusen auftretenden Mineralien
gewöhnlich Spatheisenstein, Bleiglanz oder Schwerspath, und
in den Drusenräumen tritt sehr häufig Kammkies auf. (Rosen-
hof, Silbernaal, Grund, Wildemann.) In der Berg- und Hütten-
männischen Zeitung, 1866, S. 116 ist näher besprochen, wie
ungleich die genannten Erze und Gangarten in den. Gangräu-
- men vertheilt sind, und dass die unterschiedenen Mineral-Com-
binationen nicht mit den in anderen Gegenden vorkommenden
zu vergleichen sind. Auf das dort Gesagte muss ich hier ver-
weisen. Als Mineralien von untergeordneter Bedeutung treten
in den Gängen auf: Fahlerz, Bournonit, Zundererz, Rothgiltig-
erz, Schwefelkies, Binarkies, Selenquecksilber, Selenkobaltblei,
Zinnober, Braunspath (Perlspath), Strontianit. Als unzweifel-
haft secundäre Mineral-Erzeugnisse in oberen Teufen der Gänge
treten auf: Weissbleierz, Bleivitriol, Malachit, Kupferlasur,
Kupferschwärze, Grunbleierz, Brauneisenstein, ‚Rotheisenstein,
Manganit, gediegenes Kupfer und gediegenes Silber, Gyps,
Bittersalz. Eine genaue mineralogische Beschreibung der ge-
nannten Mineralien zu geben, würde die Grenzen dieser Arbeit
weit übersteigen, und muss ich deshalb auf die S. 694 — 696
angeführte Literatur verweisen.
Sehr auffallend ist der gänzliche Mangel an Arsenikkies,
751
Flussspath und Manganspath in den Gängen des nordwest-
lichen Oberharzes.
Die Altersfolge der Mineralien lässt sich meistens sehr
gut bei lagenförmiger oder drusenförmiger Textur beobachten,
bei massiger Textur ist es dagegen unmöglich, solche Beob-
achtungen anzustellen. Nach den früheren Betrachtungen über
die Entstehungsweise der massigen Textur (S. 747) ist
aber wohl der Schluss erlaubt, dass bei ihr, wenn auch nicht
mehr direct nachweisbar, dieselbe Altersfolge der Mineralien
stattgefunden hat, wie wir sie bei lagenförmiger oder drusen-
föormiger Textur beobachten. Nach den bisherigen Beobach-
tangen über die Altersfolgen der Mineralien lassen sich zunächst
- folgende allgemein- geltende Bemerkungen machen.
1) Quarz und Spatheisenstein, ebenso Schwefelkies, der
sehr untergeordnet auftritt, haben sich zu allen Zeiten der
Gangbildung gebildet. Es lässt sich also für diese Mineralien _
kein bestimmtes Alter angeben. Mineralogische Verschieden-
heiten der verschiedenaltrigen Bildungen dieser Mineralien sind
bisher nicht nachgewiesen.
2) Bleiglanz und Zinkblende und wahrscheinlich auch
Kupferkies haben sich nachweisbar (s. S. 752 — 754) in zwei
durch die Bildung des älteren Kalkspaths getrennten Zeitperio-
den gebildet. Mineralogische Verschiedenheiten dieser verschie-
denaltrigen Bildungen sind ebenfalls bisher nicht nachgewiesen.
Es bleibt fraglich, ob mehrere Bildungen älteren Kalk-
spaths vorhanden sind, die immer durch Bildungen der ge-
nannten Schwefelmetalle getrennt werden. Einschlüsse von
älterem Kalkspath in Breccienbruchstücken (Taf. XVI. Fig. 7,
8 u. 12) Kalkspathtramer, welche Kalkspathbreecien durch-
setzen (Fig. 10) und die Beschaffenheit der Banderze lassen das
vermuthen.
3) Man kann in vielen, ja den meisten Fällen einen
älteren und jüngeren Kalkspath und ebenso einen älteren und
jüngeren Schwerspath deutlich unterscheiden, die sich durch
verschiedene mineralogische Ausbildung auszeichnen.
Der ältere Kalkspath: Das Skalenoeder (a:ta:ta:c)
herrscht vor, seltener tritt es in Combinationen mit dem ersten
stumpferen Rhomboeder (20:2«:coa:c) auf; andere Formen
(Hauptrhomboäder u. s. w.) sind selten. Die Krystalle sind
meistens ziemlich gross, bis 2 Zoll lang, trübe, milchweiss und
152
ihre Flächen gewöhnlich rauh. Die Krystalle treten in der
Regel in Drusenräumen derber älterer Kalkspathmassen auf.
Letztere sind ebenfalls trube, milchweiss, oft mit einem: Stich
in’s Rothe oder Violette. Die Spaltungsflächen sind nicht eben,
sondern gewöhnlich gewölbt und zeigen oft Zwillingsstreifung
(Zwillingsgesetz: die Krystalle haben die Fläche des ersten
stumpferen Rhombo&ders (2@:2a: ca:c) gemein und liegen
umgekehrt.) Liegt der ältere Kalkspath auf Halden lange an
der Luft, so nimmt er eine gelbliche bis bräunliche Farbe an
und verliert seinen Glanz, was von einem Gehalte an Eisen-
oxydul und Manganoxydul herrührt, welche sich höher oxydiren.
Der jüngere Kalkspath: Das erste stumpfere Rhom-
boeder (20: 2a‘: &a:c) in Combination mit einem. gewöhnlich
kurzen, säulenförmigen, spitzen Rhomboeder (4a:+a:®Xa:c) .
herrschen vor. Der Formenreichthum ist grösser wie beim
älteren Kalkspathe. Die Krystalle sind meistens klein, oft zu
kugeligen oder büschelförmigen Krystall-Aggregaten vereinigt,
oft wasserhell, manchmal jedoch auch trübe, weiss oder gelb-
lich. Die Krystalle treten in Drusenräumen über verschiedenen
Mineralien, gewöhnlich als jüngste Bildung, auf. Haben sich
jüngere Kalkspathkrystalle auf älteren gebildet, so fallen die
Spaltungsrichtungen der älteren Individuen mit denen der jun-
geren stets zusammen. Die Unterschiede zwischen älterem und
jungerem Kalkspathe sind denen sehr ähnlich, welche H. Crep-
NER vom Andreasberger älteren und jüngeren Kalkspathe anfuhrt
(s. Geognostische Beschreibung des Bergwerks-Distriktes von St.
Andreasberg. Zeitschr. d. d. geol. Ges. Bd. XVII, 1865, S. 223).
Der ältere Schwerspath: Gewöhnlich ist es der
krummschalige Schwerspath WErner’s, milchweiss oder röth-
lich gefärbt; seltener tritt er körnig bis ganz dicht auf, von
weisser bis gelblicher oder grauer Farbe.
Der jüngere Schwerspath: Kleine meist tafelförmige,
gewöhnlich wasserhelle Krystalle, verschieden gefärbt, als
weiss, gelb, roth, auch bläulich oder grünlich. Er tritt ebenso
wie der jüngere Kalkspath als sehr junge Bildung in Drusen-
räumen auf.
Geht man nun näher auf die bisher gemachten Beobach-
tungen der Altersfolge der Mineralien ein, so ergeben sich fol-
gende allgemeine Resultate:
753
I. Bei lagenförmiger Textur beobachtet man folgende
"Altersfolge der Mineralien:
1) Quarz und Spatheisenstein,
3) Bleiglanz, Blende und Kupferkies.
Wo Bleiglanz und Blende zusammen lagenförmig auftreten,
ist Blende stets junger als Bleiglanz. Kupferkies kommt äusserst
selten deutlich lagenförmig vor, sondern meistens mit Bleiglanz
oder Blende massig verwachsen.
4
3) Quarz und Spatheisenstein.
4) Entweder älterer Kalkspath oder älterer Schwerspath.
Zur Erläuterung dieser und der folgenden Altersreihen sei
bemerkt, dass durchaus nicht alle der genannten Mineralien an
jedem Stücke auftreten müssen, dass sehr wohl eines oder meh-
rere der genannten Mineralien fehlen können; ferner, dass zwei
oder mehrere Lagen, z. B. Quarz und Bleiglanz, oder Bleiglanz
und Spatheisenstein u. Ss. w., oft massig verwachsen vorkom-
men. ‘ (Vergl. $S. 751.) Letzteres gilt nicht in Beziehung auf
den älteren Kalkspath und den älteren Schwerspath, die nie-
mals als Lagen zwischen zwei Lagen verschiedener Mineralien
eingeschlossen vorkommen (s. S. 743). In einigen Fällen wie-
derholen sich mehrere Bleiglanz- oder Blendebildungen,, ge-
trennt durch Quarz oder Spatheisenstein (s. S. 760, Beobach-
tung No. 19). Dieses Vorkommen muss vorläufig als Aus-
nahmefall betrachtet werden.
DO. In den Schwerspath enthaltenden Gängen (sudwest-
- liche Schwerspath - Combination, s. S. 750) ist bis jetzt über
dem älteren Schwerspathe niemals Blende, als grosse Seltenheit
Bleiglanz, häufiger Kupferkies in einzelnen Krystallen oder
Krystall-Aggregaten beobachtet.
In den Drusenräumen findet sich neben Fahlerz, Bour-
nonit, Perlspath, jüngerem Kalkspathe, jüngerem Schwerspathe
hauptsächlich charakteristisch Kammkies,.
Die Altersfrage der in Drusen vorkommenden Mineralien
der südwestlichen Schwerspath-Combination ist:
1) Bleiglanz und Spatheisenstein, meistens die Unterlage
der in Drusen vorkommenden Mineralien bildend.
2) Fahlerz mit Kupferkiesuberzug und Bournonit.
754
3) Aelterer u, | ATREHRN
Die Kupferkieskrystalle sind in den
Schwerspath, ; | |
4) Kuptenkies : Schwerspath theils eingewachsen, theils
(selten Bleiglanz). | auf ihm aufgewachsen. Fr
5) Perlspath.
6) Kammkies.
7) Jungerer Kalkspath.
Jüngere Schwerspathkrystalle finden sich von verschiede-
nem Alter über dem älteren Schwerspathe. Diesen Mineralien
gesellt sich Quarz, Spatheisenstein und Schwefelkies von eben-
falls verschiedenem Alter hinzu (s. 8. 124).
III. In den Kalkspath enthaltenden Gängen (nordöstliche
Kalkspath-Combination, s. S. 750) treten en über dem älte-
ren Kalkspathe auf:
1) Quarz.
2) Bleiglanz, Blende, Kupferkies, Fahlerz.
3) Spatheisenstein und Quarz.
4) Jüngerer Kalkspath, Zundererz und Bournonit,
Jüngere Schwerspathkrystalle treten (als Seltenheit) so-
wohl jünger, als älter wie der jüngere Kalkspath auf. Perl-
spath tritt als grosse Seltenheit über Quarz und unter jüngerem
Schwerspathe auf. Kammkies kommt sehr selten ver. Vom
Quarz, Spatheisenstein. und Schwefelkies gilt dasselbe wie ad II.
Tritt älterer Kalkspath in den Schwerspath enthaltenden Gän-
gen auf, so ist er älter wie der ältere Schwerspath m Beob-
achtung No. 75, S. 769).
IV. Nach der Bildung des älteren Kalkspaths, wie auch
- wahrscheinlich zu anderen Zeiten der Gangbildung, haben be-
deutende Zerstörungen der bereits gebildeten Ausfullungsmas-
sen stattgefunden. Dafür spricht das Vorkommen von Kalk-
spath und Blende in Breccienbruchstücken und die Durchtru-
merung mancher Breccien. Die Umhüllung dieser Bruchstücke
ist in der bei III. angegebenen Art erfolgt. Verwunderung er-
regt es, dass bis jetzt noch niemals reiner Quarz und Bleiglanz
deutlich als Brececienbruchstücke beobachtet sind. Dagegen findet
man, wie früher schon angedeutet, Bleiglanz mit Kalkspath und
one in unregelmässigen Stücken, oft von schwarzem, bitumi-
nösen Gangthonschiefer eingehullt.
V. Beweise von vielfachen mechanischen Zerstorungen der
739 .
bereits gebildeten Gangmassen während des Sinkens des Han-
genden geben:
1) Das Vorkommen der sogenannten ‚Schlechten oder
Sehlichten, das sind feine Klufte, welche gewöhnlich, aber nicht
immer,‘ parallel den Saalbändern der Gänge sind, und an wel-
chen sich Rutschflächen oder sogenannte Spiegel (Harnische)
befinden.
2) Das Vorkommen von allerhand Bruchstucken in Drusen-
räumen.. Die Altersfolge der Mineralien ist dabei dieselbe wie
früher II und Il.
Diesen Resultaten liegen viele Beobachtungen zu Grunde
und es soll im Folgenden eine grosse Anzahl derselben mit-
getheilt werden, einmal, um die Analogie der Altersfolge der
Mineralien in den verschiedenen Gangzugen darzuthun, und so-
dann, um die Mannichfaltigkeit zu veranschaulichen, in welcher
‚dasselbe Gesetz erscheint.
Ad I.
A. Symmetrisch ausgefüllte Trümer (Lagenförmige
Textur).
a. Nordöstliche Kalkspath - Combination.
Beobachtung Nr. 1.
Häufiges Vorkommen in allen hierher gehörigen Zugen:
1) Quarz und Bleiglanz, massig verwachsen durch geschlossen
drusenförmige Textur, — der Bleiglanz wahrscheinlich
immer jünger als ein Theil des Quarzes (s. S. 744).
2) Quarz oder Quarz mit älterem Kalkspathe, massig verwach-
sen durch geschlossen drusenföormige Textur, — der Kalk-
spath erscheint manchmal auf dem Bruche als Skalenoeder-
Durchschnitt.
Beobachtung Nr. 2,
Grube Bergmannstrost.
s. Taf. XVI, Fig. 5.
“ In mit Quarz und Kalkspath durchtrumertem Ganggesteine:
1) Quarz — radial krystallinisch, weiss — bis + Zoll mächtig.
2) Bleiglanz, grobkörnig, mit Quarz massig verwachsen, —
bis + Zoll mächtig.
3) Braune Blende, a meine, bis + Zoll starke Lage.
4) Quarz und Kalkspath, — der Quarz krystallinisch
— sehr wenig älterer Kalkspath.
756
Beobachtung Nr. 3.
Grube Alte- Margarethe. |
1) Quarz, — radial krystallinisch, weiss, mit einigen u
fünkchen, bis 4 Linien mächtig.
2) Spatheisenstein, ganz dünne, feinkörnige Et die Dihexa-
Ederspitzen der unteren Quarzlage umhullend.-
3) Bleiglanz, grobkörnig, bis 4 Zoll mächtig.
4) Quarz, wie 1), bis - Zoll mächtig.
5) Spatheisenstein, drusig, die Dihexa@derspitzen der Quarz:
lage 4 einhüllend, bis + Zoll mächtig.
6) Jüngerer Kalkspath und Schwefelkies, kleine nn
in den Spatheisensteindrusen.
b. Südwestliche Schwerspath -Combination.
Beobachtung Nr. 4,
Grube Hülfe- Gottes.
In von Quarz, Spatheisenstein und Schwerspath durchtrü-
mertem Ganggesteine:
1) Quarz, dicht, ee grau, bis 1 Linie mächtig.
2) Bleiglanz, feinkörnig, bis + Zoll mächtig.
3) Spatheisenstein, stellenweise drusig, bis — Zoll mächtig.
Beobachtung Nr. 9.
Grube Hülfe-Gottes.
Im rothen Grauwackenconglomerate:
1) Quarz, dicht, grau, hornsteinartig, bis 1 Linie mächtig.
2) Bleiglanz und Blende, grobkörnig, massig verwachsen, der
Bleiglanz in einzelnen Krystallen (Würfeln) in den Quarz
der nächsten Lage eingewachsen, (geschlossen drusenför-
mige Textur), bis „ Zoll mächtig.
3) Quarz und älterer Kalkspath. Der Quarz krystallinisch
körnig, weiss. Der Kalkspath in Krystallen BUBEN: in
den Quarz eingewachsen.
Beobachtung Nr. 6.
Grube Hülfe- Gottes.
s. Taf. XVI, Fig. 1.
In einem röthlich gefärbten und von Quarz und Spatheisen-
stein durchtrümerten und damit imprägnirten Ganggesteine:
1) Quarz, radial krystallinisch, weiss, bis 5 Zoll mächtig.
2) Bleiglanz, feinkörnig, bis 5 Zoll mächtig.
3) Quarz, wie 1), bis 5 Zoll mächtig.
757
4) Spatheisenstein und Schwefelkies, drusig, die Krystalle an
einigen Stellen mit einer dünnen, opalartigen Schicht über-
zogen, bis # Zoll mächtig.
Beobachtung Nr. 7.
Grube Huülfe-Gottes.
s. Taf. XVl, Fig. 2.
In einem vielfach von Quarz und Bleiglanz durchtrümerten
und damit imprägnirten Ganggesteine:
1) Quarz und Spatheisenstein, dünne Lagen, der Quarz kry-
stallinisch, weiss, bis 1 Linie mächtig.
. 2) Bleiglanz, grobkörnig, bis $ Zoll mächtig.
3) Quarz und Spatheisenstein, massig verwachsen und drusig,
in den Drusen erscheinen sowohl Quarz, als auch eat
eisenstein-Krystalle, bis „ Zoll mächtig.
Beobachtung Nr. ®.
Grube Hülfe-Gottes.
s. Taf. XVI, Fig. 3.
In einem gebleichten, von Spatheisenstein und Schwer-
spath durchtrümerten Grauwackenconglomerate:
1) Quarz und Bleiglanz, unter sich und an der Grenze mit
der folgenden Spatheisensteinlage massig verwachsen, beide
krystallinisch feinkörnig, bis $ Zoll mächtig.
2) Spatheisenstein, krystallinisch körnig, bis 4 Zoll mächtig.
3) Aelterer Schwerspath, ohne Drusen, bis * Zoll mächtig.
4) Braunspath (s. S. 742), krystallinisch körnig.
Beobachtung Nr. 9
Grube Bergwerkswohlfahrt.
In einem mit Quarz durchtrümerten Ganggesteine :
1) Quarz, dicht, hornsteinartig, grau, bis 1 Linie mächtig.
2) Bleiglanz, feinkörnig, mit grauem, hornsteinartigem Quarz
massig verwachsen, bis + Zoll mächtig.
3) Quarz, radial krystallinisch, weiss, mit Bleiglanzfünkchen,
bis 2 Zoll mächtig.
4) Spatheisenstein, feinkörnig bis dicht, mit Quarz und Blei-
glanz an einzelnen Stellen noch massig verwachsen.
Beobachtung Nr. iO.
Grube Silbersegen.
Häufiges Vorkommen bei Trümerstructur, besonders auf
dem Thurmhöfer Gange:
-
758
1) Quarz mit Bleiglanz, massig verwachsen.
2) Aelterer Schwerspath, ohne Drusen.
Beobachtung Nr. 11.
Grube Neuer-Thurm-Rosenhof.
s. Taf. XVL; Fig; 4
In einem mit Spatheisenstein, Quarz und Schwefelkies
durchtrümerten und imprägnirten Ganggesteine:
1) Spatheisenstein und Quarz, massig verwachsen, krystalli-
nisch feinkörnig.
2) Quarz und le grobkörnig bis feinkörnig, massig
verwachsen, bis * Zoll: mächtig.
3) Aelterer Kalkspath mit Quarz und Spatheisenstein, massig
verwachsen, wahrscheinlich durch geschlossen drusenför-
mige Textur.
B. Lagenförmig umhüllte Breecien resp. Conglomeraäte.
a. Nordöstliche Kalkspath -Combination.
| Beobachtung Nr. 12.
Grube Carolina und Dorothea.
s: Tal XV]; Bie..7.
Unregelmässig gestaltete, grössere und kleinere Bruch-
stücke von Ganggestein, durchtrümert und imprägnirt von Quarz,
Bleiglanz und älterem Kalkspath.
1) Quarz, theils radial krystallinisch, weiss, theils dicht, horn-
steinartig, grau, bis 1 Zoll mächtig.
2) Bleiglanz, feinkörnig bis grobkörnig, gewöhnlich mit kry-
stallinischem, weissen oder dichten, hornsteinartigen Quarz
massig verwachsen, bis - Zoll mächtig.
3) Aelterer Kalkspath, drusig, in den Drusen Quarz, Blei-
glanz, Spatheisenstein, jüngerer Kalkspath, oft eine ge-
schlossen drusenförmige Textur herbeiführend a S. 745
und Ad IIl).
Beobachtung Nr. 19.
Grube Oarolina.
Bruchstück von Ganggestein.
1) Quarz, grau, hornsteinartig. Bleiglanz, feinkörnig. Spath-
eisenstein; die drei Mineralien theils lagenförmig, theils
massig verwachsen, bis + Zoll mächtig.
2) Quärz, radial krystallinisch.
159
Beobachtung Nr. 14.
Grube Bergmannstrost.
s. Taf. XVI, Fig. 8.
Unregelmässig gestaltete eckige Bruchstücke von Gang-
gestein:
1) Quarz, al krystallinisch, weiss, bis 2 Linien mächtig.
2) Bleiglanz, feinkörnig bis grobkörnig, mit wenig 22
massig verwachsen, bis 53 Zoll mächtig.
3) Aelterer Kalkspath, drusig, in den Drusen Quarz und Blei-
glanz, die Kalkspathkrystalle umgebend und geschlossen
drusenförmige Textur herbeiführend (s. S. 745--746 und
Ad II.
Beobachtung Nr. 15.
Grube Carolina.
s. Taf. XVI, Fig. 11.
Unregelmässig gestaltete, grössere und kleinere Bruchstücke
vom Nebengestein. Ein Bruchstück zur Hälfte mit Quarz und
Bleiglanz imprägnirt. |
1) Quarz und Bleiglanz. Der Quarz theils hornsteinartig,
dicht und grau, theils radial krystallinisch, weiss. . Der
Bleiglanz, theils kleinkörnig, theils grobkörnig. Beide Mi-
neralien theils lagenformig, theils massig verwachsen.
Beobachtung Nr. 10.
Grube Bergmannstrost.
s. Taf. XVI, Fig. 13 und 14.
Unregelmässig gestaltete, von Quarz durchtrümerte Bruch-
stüucke des Nebengesteins:
‘1) Quarz, dicht, hornsteinartig, grau, bis 1 Linie mächtig.
2) Bleiglanz, grobkörnig, bis 3 Linien mächtig.
3) Braune Blende, grobkörnig, bis 3 Linien mächtig.
4) Aelterer Kalkspath, in Skalenoedern; durch Quarz ge-
schlossen drusenförmig.
9) Quarz, theils krystallinisch körnig, theils dicht, hornstein-
artig, grau. Die Drusenraume des älteren Kalkspathes
erfüllend oder als Trum die Breccien durchsetzend.
| Beobachtung Nr. 17.
Grube Ring und Silberschnur.
s. Taf. XVI, Fig. 16.
Bruchstücke von Ganggestein, mit Quarz durchtrümert. Ein
Bruchstuck ist eine Breceie von kleineren Bruckstücken, deren
Bindemittel Quarz ist.
760
1) Quarz, radial krystallinisch, weiss; oft gesellt sich diesem
noch Spatheisenstein lagenförmig zu.
2) Bleiglanz und Quarz, feinkörnig, massig oder lagenförmig
verwachsen.
3) Quarz, krystallinisch, weiss.
Beobachtung Nr. 18.
Grube Alte-Margarethe.
Ebenso wie Fig. 17.
Oft fehlt die letzte Ausfullung zwischen den lagenförmig
umhüllten Bruchstucken fast ganz, so dass diese nur lose zu-
sammenhängen und als kugelförmige oder ellipsoidische Bruch-
stucke gewonnen werden, an denen man noch die Eindrücke
der anliegenden, ebenfalls lagenformig umhullten Breccienbruch-
stüucke bemerkt. In den Hohlräumen zwischen so lose zusam-
menhängenden Breccienbruchstucken oft Kalkspath in buschel-
förmig gruppirten kleinen Skalenoedern.
Beobachtung Nr. 19,
Grube Silberblick.
s. Taf. XVI, Fig. 17.
Bruchstücke des Nebengesteins von Quarz und Spatheisen-
stein durchtrümert und imprägnirt.
1) Quarz und Bleiglanz. Der Quarz meist dicht, hornstein-
artig, grau, mit feinkörnigem Bleiglanze massig verwachsen,
bis + Zoll mächtig.
2) Quarz, radial krystallinisch, weiss, bis + Zoll rnachtiee
3) Bleiglanz und Spatheisenstein, beide feinkörnig, gewöhnlich
in 2 bis 3,2 Linien mächtigen Lagen wechselnd.
b. Südwestliche Schwerspath - Combination.
Beobachtung Nr. 20, =»
Grube Huülfe-Gottes.
Bruchstücke eines röthlichen, dichten Ganggesteins.
1) Quarz, dicht, hornsteinartig, grau, bis ] Linie mächtig.
3) Bleiglanz und Kupferkies, feinkörnig, unter sich und an
einigen Stellen mit Quarz und Spatheisnestein massig ver-
wachsen.
3) Spatheisenstein und Quarz, drusig, in den Diaketttdume
manchmal Schwerspathkrystalle.
761
Beobachtung Nr... 21.
Grube Hülfe-Gottes.
s. Taf. XVI,, Fig. 18:
Grössere Bruchstücke eines dichten Ganggesteins (A) oder
eine Breccie eines röthlichen, hellen, dichten Ganggesteins (4),
deren Bindemittel ein massiges Gemenge von feinkörnigem Blei-
glanz, Quarz und Spatheisenstein ist.
1) Quarz, Bleiglanz und Spatheisenstein, feinkörnig, massig
verwachsen, oft etwas lagenförmig, bis 2 Zoll mächtig.
2) Aelterer Schwerspath, ohne Drusen. 5
Beobachtung Nr. 22.
Grube Bergwerkswohlfahrt.
Bruchstücke von schwarzem bituminösen Gangthonuschiefer
oder anderem Ganggestein.
1) Quarz, Bleiglanz und Spatheisenstein, feinkörnig, massig-
verwachsen.
2) Aelterer Schwerspath.
3) Spatheisenstein, theils in älteren Schwerspath eingewach-
sen (geschlossen drusenförmige Textur), theils als Trum
die Breccie durchsetzend.
Beobachtung Nr. 28.
£ Grube Bergwerkswohlfart.
1) Quarz.
2) Bleiglanz, Kupferkies und Quarz, massig verwachsen.
3) Fahlerz und Kupferkies. Krystalle in den älteren Schwer-
spath eingewachsen.
4) Aelterer Schwerspath.
Beobachtung Nr. 24.
Grube Silbersegen.
Auf dem Thurmhöfer Gange häufig. Bruchstücke von
Ganggestein, hauptsächlich von Spatheisenstein durchtrümert.
1) Quarz und Bleiglanz, massig verwachsen.
2) Aelterer Schwerspath.
Beobachtung Nr. 25.
Grube Neuer-Thurm-Rosenhof.
Bruchstücke von Ganggestein.
1) Quarz, theils hornsteinartig, theils krystallinisch, bis
+ Linie mächtig.
Zeits. d.d.geol. Ges. XVIII, 4. 49
2)
3)
4)
1)
2)
3)
4
Si
762
Bleiglanz, grobkörnig, bis 1# Linie mächtig.
Aelterer Kalkspath, drusig.
Spatheisenstein, theils in den Kälkspariee als kleine
Krystalle, theils als Trum die Breccie durchsetzend.
Ad I.
A. Drusenausfüllung auf dem Rosenhöfer Zuge.
Beobachtung Nr. 26.
Grube Silbersegen.
Ueber mit Quarz und Bleiglanz imprägnirter Grauwacke:
Spatheisenstein und Bleiglanz, in Krystallen.
Fahlerztetraäder mit Kupferkiesüuberzug, die Bleiglanzkry-
stalle zum Theil umfassend.
Jüngerer Schwerspath, gelbliche, kleine, tafelförmige
Krystalle.
Perlspath, in einzelnen Krystall - Aggregaten uber den
vorigen Mineralien liegend.
Beobachtung Nr. 27.
Spatheisenstein.
Fahlerztetra&der mit Kupferkiesüberzug.
Perlspath und jüngerer Kalkspath.
Beobachtung Nr. 28.
Spatheisenstein.
Bournonit und Kupferkies.
Beobachtung Nr. 28.
Grube Alter-Segen.
Spatheisenstein.
Jüngerer Schwerspath und Kupferkies-Krystalle.
Kammkies, nur über den Kupferkies-Krystallen.
Beobachtung Nr. 30.
Grube Alter-Segen.
Spatheisenstein.
Jungerer Schwerspath.
Beobachtung Nr. 31.
Grube Alter-Segen.
Spatheisenstein und Bleiglanz, in Krystallen.
Perlspath, in unregelmässig zerstreut liegenden Krystall-
gruppen.
763
3) Kammkies in kugeligen Krystall-Aggregaten.
4) Jüngerer Kalkspath in kleinen Krystallgruppen.
Beobachtung Nr. 32.
Grube Alter-Segen.
1) Spatheisenstein und Quarz.
2) Perlspath. |
3) Jüngerer Schwerspath.
Beobachtung Nr. 33.
Grube Silbersegen.
1) Quarz und Spatheisenstein.
2) Perlspath.
3) Kammkies.
Beobachtung Nr. 34.
Grube Neuer-Thurm-Rosenhof.
1) Spatheisenstein und Bleiglanz.
2) Perlspath.
3) Jüngerer Kalkspath.
Beobachtung Nr. 35.
1) Spatheisenstein.
2) Kammkies.
3) Jüngerer Kalkspath.
Beobachtung Nr. 36.
Grube Alter-Segen.
Ueber Grauwacke:
1) Quarz und Bleiglanz.
3) Spatheisenstein.
3) Jüngerer Schwerspath.
4) Kammkies und jüngerer Kalkspath.
Beobachtung Nr. 937. |
Grube Silbersegen.
1) ‚Spatheisenstein und Bleiglanz.
2) Jüngerer Kalkspath.
3) Jüngerer Schwerspath.
Beobachtung Nr. 38.
Grube Neuer-Thurm-Rosenhof.
1) Spatheisenstein und Bleiglanz.
2) Jüngerer Kalkspath.
49 *
764
Beobachtung Nr. 39.
Grube Alter-Segen.
1) Aelterer Schwerspath.
2) Bleiglanzkrystalle.
3) Spatheisenstein.
4) Perlspath.
Beobachtung Nr. 40.
Grube Alter-Segen.
1) Aelterer Schwerspath.
2) Perlspath.
3) Kammkies.
4) Jüngerer Kalkspath.
Beobachtung Nr, 4t.
i Grube Alter-Segen.
1) Aelterer Schwerspath.,
2) Kammkies.
3) Jüngerer Kalkspath.
Beobachtung Nr. 42.
- Grube Braune-Lilie.
1) Aelterer Schwerspath.
2) Jüngerer Kalkspath.
B. Drusenausfüllungen auf den Gängen bei Wıldemann.
Beobachtung Nr. 49.
Hütschenthal.
Ueber von Schwerspath durchtrumerter Grauwacke:
1) Quarz als dünne Lage.
2) Spatheisenstein.
3) Kupferkieskrystalle, auf diesen in kleinen, kugeligen
Aggregaten.
4) Kammkies.
5) Jüngerer Schwerspath.
Beobachtung Nr. 44.
Grube Ernst-August.
1) Quarz mit Bleiglanz.
2) Spatheisenstein mit Quarz.
3) Kupferkies in bis 2 Zoll grossen Oktaädern.
4) Schwefelkies und Quarz.
769
Beobachtung Nr. 45.
-1) Quarz und Bleiglanz.
2) Spatheisenstein.
3) Quarz.
4) Kammkies.
5) Jüngerer Kalkspath.
Beobachtung Nr. 46.
Wen
or
1) Spatheisenstein.
2) Kammkies.
Beobachtung Nr. 47.
1) Spatheisenstein.
2) Quarz.
3) Jüngerer Schwerspath.
Beobachtung Nr. 48,
Auf Thonschiefer:
1) Spatheisenstein, dünne Lage.
2) Jüngerer Schwerspath.
Beobachtung Nr, 4%,
1) Aelterer Schwerspath.
2) Kupferkies in Krystallen, über diesen
3) Kammkies.
Beobachtung Nr. &%.
1) Aelterer Schwerspath.
2) Quarz, die tafelartigen Schwerspathkrystalle überkrustend.
3) Spatheisenstein und Kupferkies in Krystallen.
Beobachtung Nr. 51.
1) Aelterer Schwerspath.
2) Quarz, die tafelartigen Schwerspathkrystalle ganz über-
krustend. Löste sich später der Schwerspath auf, so blieb
der sogenannte zerhackte Quarz zurück.
C. Drusenausfüllungen auf dem Silbernaaler Zuge.
Beobachtung Nr. 52,
Grube Huülfe-Gottes.
1) Kammkies.
2) Jungerer Kalkspath und jüngerer Schwerspath.
Beobachtung Nr. 53.
Grube Bergwerkswohlfahrt.
1) Aelterer Schwerspath.
2) Jüngerer Schwerspath.
766
Ad IM.
A. Drusenausfüllungen auf dem Burgstädter Zuge.
Beobachtung Nr. 54.
: Grube Dorothea.
1) Aelterer Kalkspath in Skaleno£dern.
2) Quarz und Bleiglanz. Die Quarzdihexaäder bilden einen
mehr oder weniger gleichmässigen Ueberzug. In der Rich-
tung der Endkanten der Skalenoeder erscheint der Quarz
oft streifenweise bläulich gefärbt von fein eingesprengtem
Bleiglanz.
3) Spatheisenstein, einzelne sattelformig gebogene Rhombo-
öder, meistens mit kleinen Schwefelkieskugelchen besetzt.
4) Jüungerer Kalkspath. |
Beobachtung Nr. 5.
Grube Anna-Eleonore.
1) Aelterer Kalkspath in Skalenoödern.
2) Quarz, Ueberzug über dem Kalkspathe. -
3) Blende, in einzelnen Krystallen.
Beobachtung Nr. 50.
Grube Herzog-Georg-Wilhelm.
1) Aelterer Kalkspath, in Skaleno&dern. i
2) Quarz. Ueberzug über dem Kalkspathe.
3) Schwefelkies, als dünner Ueberzug.
4) Kupferkies, in einzelnen Krystallen.
Beobachtung. Nr. 97.
Grube Herzog-Georg-Wilhelm.
1) Aelterer Kalkspath, in Skaleno@dern.
2) Quarz, als Ueberzug uber dem Kalkspathe.
ö) Blende und Kupferkies in einzelnen Krystallen.
4) Jüungerer Kalkspath.
Beobachtung Nr. 58.
Grube Carolina.
1) Aelterer Kalkspath, in Skälenoädern.
2) Quarz, Ueberzug über dem Kalkspathe.
3) Spatheisenstein-
4) Zundererz.
—
Beobachtung Nr. 59.
Grube Anna-Eleonore.
1) Quarz und Bleiglanz. |
2) Jüngerer Kalkspath.
767 &
Beobachtung Nr. 60.
Grube Dorothea.
Auf Ganggestein:
1) Quarz und Bleiglanz.
2) Spatheisenstein.
3) Jüngerer Kalkspath.
Beobachtung Nr. 61.
Gruben Oarolina, Dorothea und Bergmannstrost.
Es kommt häufiger vor, dass über Quarz, Spatheisenstein,
Bleiglanz und jüngerem Kalkspathe, Zundererz sitzt. Das
Zundererz hüllt diese Mineralien oft ganz ein, mit dem jün-
geren Kalkspathe kommt es oft innig verwachsen vor.
Beobachtung Nr. 62.
Grube Anna-Eleonore.
Als grosse Seltenheit. Ueber Ganggestein:
1) Quarz.
2) Perlspäth.
3) Jüngerer Schwerspath.
Beobachtung Nr. 69.
Grube Alte-Margarethe.
Als grosse Seltenheit. Ueber Ganggestein:
1) Quarz mit Kupferkies.
2) Spatheisenstein.
3) Jungerer Kalkspath.
4) Jüngerer Schwerspath, in sehr kleinen Krystallen uber dem
Kalkspathe.
Beobachtung Nr. 04
Grube Dorothea.
Als grosse Seltenheit.
1) Blauer schaliger Schwerspath.
2) Jüngerer Kalkspath.
B. Drusenausfüllungen auf dem Spiegelthaler Zuge.
Beobachtung Nr. 69.
1) Spatheisenstein.
2) Perlspath.
Beobachtung Nr, 66.
1) Braunspath.
2) Kammkies,
En u 2 nn nn
%
768
N Beobachtung Nr. 67.
1) Braunspath.
2) Jüngerer Kalkspath.
C. Drusenausfüllungen auf dem Bockswieser - Festen-
burger und Schulenberger Zuge.
Beobachtung Nr. 68.
Grube Juliane-Sophie.
1) Aelterer Kalkspath, in Skalenoedern.
2) Quarz und Bleiglanz, Ueberzug über dem Kalkspathe.
3) Blende, in einzelnen Krystallen.
4) Jüngerer Kalkspath.
Beobachtung Nr. 69,
Grube Juliane-Sophie.
1) Aelterer Kalkspath, in Skalenoedern.
2) Quarz, Ueberzug über dem Kalkspathe.
3) Bournonit uud jüngerer Kalkspath.
Beobachtung Nr. 70.
Grube Herzog-August und Johann-Friedrich.
1) Braune Blende, in grossen Krystallen.
2) Quarz.
3) Jüngerer Kalkspath.
D.. Geschlossene Drüsen über Krystallen des älteren
Kalkspaths aus verschiedenen Gangzügen.
Beobachtung Nr. 71.
Grube Dorothea und Bergmannstrost
8.8.2740. .3.
Beobachtung Nr. 72.
Gruben Bergmannstrost, Elisabeth, Anna-Eleonore
und Herzog-Georg-Wilhelm.
1) Aelterer Kalkspath in Skalenoedern.
2) Quarz und Bleiglanz, gewöhnlich massig verwachsen und
eire dünne Lage bildend; an einigen Stücken fehlt sie
ganz.
3) Braune Blende und Kupferkies.
4) Quarz.
5) Jüngerer Kalkspath.
769
Beobachtung Nr. 73,
Grube Herzog-August und Johann-Friedrich.
1) Aelterer Kalkspath in Skalenoedern.
2) Quarz, krystallinisch, weiss, bis ! -Zoll mächtig.
3) Braune Blende, bis + Zoll mächtig,
4) Quarz, bis + Zoll mächtig.
5) Braune Blende, bis ? Zoll mächtig.
| Beobachtung Nr. 74,
Grube Neuer-Thurm-Rosenhof.
1) Quarz mit Bleiglanz. 5
2) Aelterer Kalkspath, + Zoll lange, spitze Skalenoeder.
3) Quarz und Bleiglanz, dünne Lage über den Kalkspath-
Krystallen.
4) Spatheisenstein mit Fahlerz und Bleiglanz - Krystallen.
Beobachtung Nr. 79. Sr
Grube Silbersegen.
s. S. 746,
Beobachtung Nr, 76.
Grube Herzog-August und Johann-Friedrich.
1) Aelterer Kalkspath, rauhflächiges, 2 Zoll grosses Haupt-
rhombo£öder mit einem Seitenkanten-Skaleno£der.
2) Quarz, radial krystallinisch, weiss, bis 1 Linie mächtig.
3) Bleiglanz, grobblättrig.
Ad IV.
Beobachtung Nr. 77,
Grube Carolina.
1) Aelterer Kalkspath, unregelmässig geformtes, 5—6 Zoll
langes Bruchstück.
2) Quarz und Bleiglanz, feinkörnig, massig.
3) Quarz, krystallinisch, grosskörnig, mit wenig Blende.
Beobachtung Nr. 78.
Grube Carolina.
1) Aelterer Kalkspath. Kleine Skalenoöder verbunden durch
hornsteinartigen Quarz und Bleiglariz, bilden ein Breceien-
bruchstück (s. Beobachtung Nr. 80).
2) Bleiglanz, feinkörnig. Quarz, hornsteinartig, und Spath-
eisenstein, feinkörnig. Die drei Mineralien theils massig,
theils lagenförmig verwachsen.
3) Quarz.
770
Beobachtung Nr. 79,
Grube Bergmannstrost.
Ss. +haf,. XV Eig. 9,
1) Aelterer Kalkspath in Bruchstucken, neben Bruchstüucken
von Ganggestein, die von älterem Kalkspath, Quafz und
Kupferkies imprägnirt sind. ne
2) Quarz, theils radial krystallinisch, weiss, theils dicht, horn-
steinartig, grau, bis > Zoll mächtig.
3) Bleiglanz und Quarz.
Beobachtung Nr, 80.
Grube Bergmannstrost.
8.- Tal. XV]. Eig, 12, ?
1) Aelterer Kalkspath, die eine Hälfte des grösseren Breccien-
bruchstückes bildend, die andere Hälfte desselben besteht
aus von Quarz, Bleiglanz und Kalkspath durchtrumertem
Ganggestein. Das kleinere Bruchstüuck wie in Beobach-
tung Nr. 78.
2) Quarz, hornsteinartig, und Bleiglanz, feinkörnig, theils massig,
theils lagenförmig verwachsen.
3) Quarz, krystallinisch, weiss, mit wenig Fünkchen brauner
Blende.
Beobachtung Nr. 81.
Grube Alte-Margarethe.
l) Aelterer Kalkspath, in unregelmässig gestalteten Bruch-
stüucken.
2) Quarz, Bleiglanz und Spatheisenstein, feinkörnig, theils
massig, theils lagenförmig verwachsen.
3) Quarz und Spatheisenstein.
Beobachtung Nr. 82,
Grube Bergmannstrost.
s. Taf. XVI: Eie. 10.
1) Aelterer Kalkspath, in Bruchstücken.
2) Quarz, dicht, hornsteinartig, grau, bis $ Linie mächtig.
3) Quarz und Bleiglanz, der Quarz hornsteinartig, massig
oder lagenförmig verwachsen, bis + Zoll mächtig.
Braune Blende, bis 2 Zoll mächtig.
Quarz, krystallinisch, weiss. |
Kalkspath, als Trum die Breccie durchsetzend.
771 “
Beobachtung Nr. 83.
Grube Bergmannstrost.
s. Taf. XVI. Fig. 15.
l) Braune Blende und Quarz, hornsteinartig, beide massig
verwachsen, als Bruchstücke.
2) Bleiglanz und Blende, massig verwachsen, bis + Zoll
mächtig.
3) Aelterer Kalkspath und Quarz, geschlossen drusenförmig.
Beobachtung Nr. 84.
Grube Neuer-Thurm-Rosenhof.
er Tal XV. Bir, 19.
1) Aelterer Kalkspath, braune Blende, Bleiglanz und Gang-
gestein, als Breccienbruchstücke.
2) Quarz und Bleiglanz, massig verwachsen. Der Quarz
theils krystallinisch, theils hornsteinartig.
3) Spatheisenstein und Quarz.
Beobachtung Nr. 85.
Grube Lautenthalsglück.
1) Aelterer Kalkspath, in deutlichen Spaltungsrhombo&dern,
bis zu 2 Zoll Grösse.
2) Quarz, radial krystallinisch, weiss, bis „ Zoll mächtig.
3) Bleiglanz und Quarz, massig verwachsen, bis # Zoll.
mächtig.
4) Blende und Kupferkies, massig verwachsen.
NB. An einigen Stücken liegt über dem Quarze (2) direkt
Blende, Kupferkies und Bleiglanz, sehr grobkörnig, massig
verwachsen.
Beobachtung Nr. 56,
Grube Oarolina.
s. Taf. XVI, Fig. 6,
1) Aelterer Kalkspath, in grossen Massen im Gange liegend.
2) Quarz und Bleiglanz, ein bis 2 Zoll mächtiges Trum an
Kalkspath bildend; der Quarz krystallinisch, grobkörnig,
weiss, manchmal etwas radial krystallinisch; der Bleiglanz
- in kleinen Fünkchen an den Saalbändern des Trums.
Beobachtung Nr. 87.
Die Beobachtungen Nr. 15, 17 und 21 beweisen ebenfalls
Zerstörungen bereits gebildeter Gangmassen, indem die Breceien,
welche sich wiederum als Breccienbruchstücke finden, älteren
Gangausfüllungen angehören.
772
Ad V.
I. Die Schlechten der Schlichten.
‚ Beobachtung Nr. 88,
Ausgezeichnete Schlechten finden sich im älteren Kalkspathe,
mit deutlich gefurchten Rutschflächen, bei Lautenthal, auf den
Gängen des Burgstädter Zuges und an anderen Stellen.
Das sogenannte Haus-Israeler Schlechte (siehe Berg- und
Hüttenmännische Zeitung, 1865, S. 383 und 391) des Burg-
städter Zuges stellt eine ganz feine Kluft von grosser Aus-
dehnung dar, an welcher man noch jetzt ein Sinken des Han-
genden wahrnehmen kann. |
Dieses Sinken erfolgt ganz langsam, und zwar nach Beob-
achtungen, die seit dem Jahre 1858 angestellt sind, während
eines Jahres etwas über einen Zoll.
Wenn nun auch dieses Sinken unzweifelhaft durch die in
den Tiefbauen befindlichen, nur mit altem Manne erfüllten, hoh-
len Räume veranlasst wird, so gehört doch die Entstehung des
Schlechten ebenso unzweifelhaft einer früheren Periode der
Gangbildung an.
Auf den Gruben des Rosenhöfer Zuges findet man oft
Rutschflächen mitten im älteren Schwerspathe.
Auf der Grube Alter-Segen beobachtete ich auf dem lie-
genden verkehrt fallenden Trum (Firste über dem Rabenstolln)
ein nur 2 Zoll mächtiges Schwerspathtrumchen, durch dessen
Mitte, parallel zu den Saalbändern, ein deutliches, parallel der
Fallungsriehtung gefurchtes Schlechte ging.
2. Bruchstücke ın Drusenräumen.
Beobachtung Nr. 89.
In Drusenräumen finden sich häufig, besonders auf den
Gängen der nordöstlichen Kalkspath - Combination, plattenför-
mige Quarzstücke, die gewissermaassen auf der hohen Kante
aufgewachsen sind und nur an einer breiten Seite deutliche
grosse Dihexaöderspitzen zeigen, an der anderen breiten Seite
dagegen eine fast rauhe Fläche haben.
Solche plattenförmige Stücke sind meistens, bis auf die
Anwachsstellen, mit jungerem Kalkspathe überzogen.
Die Quarzplatte muss früher mit ihrer rauhen, fast ebenen,
breiten Fläche aufgewachsen gewesen sein, später hat sie sich .
773
durch mechanischen Druck losgelöst, und dann hat sich über
ihr der jüngere Kalkspath abgesetzt.
Beobachtung Nr. 90.
So finden sich auf dem Silbernaaler Zuge Platten von
Ganggestein, welches mit Bleiglanz und älterem Schwerspathe
imprägnirt ist. Diese Platten sind auf beiden breiten Seiten
mit jüngeren Schwerspathkrystallen bedeckt und mussen daher
früher auch in Drusenräumen auf der hohen Kante aufgewach-
sen gewesen sein.
Beobachtung Nr. 9!.
In der bergakademischen Sammlung liegt ein Stuck Fes-
tungsquarz von der Grube Juliane-Sophie, auf dessen Etiquette
bemerkt ist, dass sich dieser Festungsquarz als loses Stuck in.
Drusenräumen gefunden hat.
Beobachtung Nr. 92.
Grube Alter-Segen.
Bruchstücke von Schwerspathtafeln (Aelterer Schwerspath),
unregelmässig durcheinanderliegend, durch kleine dazwischen-
liegende Perlspath- und jüngere Kalkspathkrystalle verbunden.
Beobachtung Nr. 9.
Wildemann.
Kleine Bruchstücke von Ganggestein, mit Spatheisenstein
überzogen, werden von jüngeren Schwerspathkrystallen zum
Theil umschlossen und zusammengehalten.
Beobachtung Nr. 94.
Grube Dorothea.
Unregelmässige Brocken von Bleischweif werden durch
blaue Schwerspathkrystalle zum Theil umschlossen und zu-
sammengehalten,
Beobachtung Nr. 3%.
Grube Herzog-Georg-Wilhelm
s. Taf. XV, Fig 1.
Unregelmässig durch einanderliegende ältere Kalkspath-
skaleno@äder, von Quarz überkrustet, sind bei « in der Druse
festgewachsen, an welcher Stelle allein der ältere Kalkspath sicht-
bar ist und zwar in deutlichen, glänzenden, glatten, gebogenen
Spaltungsflächen. Das überkrustete ältere Kalkspathskalenoeder
A, welches im Durchschnitte dargestellt ist (@’ gleich Kalkspath,
774
b gleich Quarz), muss früher mit seiner Fläche ec fest aufge-
wachsen gewesen sein und ist dann abgebrochen; denn wir
finden diese Fläche nicht mit Quarz uberkrustet. Auf ihr finden
wir ausser einem feinen Ueberzuge von jüngeren Kalkspathkry-
stallen einen grösseren jüngeren Kalkspathkrystall (d) von
2 Zoll Durchmesser und * Zoll Höhe. In ihn finden wir
kleine Bournonitkryställchen eingewachsen. Ueber dem Quarze,
welcher den älteren Kalkspath uberkrustet, sitzen ebenfalls
jüngere Kalkspath- und Bournonitkryställchen.
Wir können also folgende Perioden der Bildung unter-
scheiden. j
1) In einem Drusenraume des älteren Kalkspaths finden sich
aufgewachsene Kalkspathskaleno&der.
2) Die Skalenoöder werden von Quarzdihexaödern überkrustet.
3) Durch mechanischen Druck werden einige Kalkspathska-
leno&der abgebrochen.
4) Bildung des jüngeren Kalkspaths und des Bournonits.
Beobachtung Nr. 96.
Aehnliche Bildungen, wie die soeben beschriebenen, sind
mir bekannt von den Gruben Carolina, Dorothea und Juliane-
Sophie.
Angaben über die paragenetischen Verhältnisse der Mine-
ralien auf den Erzgängen des nordwestlichen Oberharzes finden
sich in der Literatur sehr vereinzelt und zerstreut.
Von besonderer Bedeutung sind die Angaben BREITHAUPT’S
in seinem epochemachenden Werke über die Paragenesis . der
Mineralien (Freiberg, 1849), S. 172, 205, die sehr wohl mit
meinen Beobachtungen übereinstimmen.
Ferner die Angaben von v. Cotta in seinem Werke „Die
‘ Lehre von den Erzlagerstätten“ (Freiberg, 1859), I, S. 78. Die
Angabe daselbst, II, S. 99 muss ich jedoch nach meinen Beob-
achtungen als nicht genau bezeichnen (s. S.96 und Beobach-
tung Nr. 85).
Auch die Arbeit von J. K1oos (Berg- und Hüttenmänni-
sche Zeitung, 1865, S. 392, Taf. XIII) enthält werthvolle Beob-
achtungen.
779
Schlussbemerkungen.
Seitdern der grosse WERNER den Satz „Gänge sind aus-
gefüllte Spalten“ aufgestellt hat, ist das klare Ziel aller wissen-
schaftlichen Gangstudien gewesen, die beiden Fragen zu be-
antworten:
1) Wie haben sich die Spalten gebildet?
2) Wie sind die Spalten ausgefüllt worden?
Die Frage nach der Kraft, welche die Spalten aufriss,
wird, je nach den Theorieen, welche man zur Erklärung der
Bewegungen der festen Erdrinde aufgestellt hat, verschieden
beantwortet, und bleiben in dieser Beziehung noch viele Zweifel
zu lösen ubrig.
Aus den Erscheinungen aher, welche wir im Nebenge-
steine und in den Ausfüllungsmassen der Gänge beobachten,
lassen sich sichere Schlüsse auf die Bewegungen machen, welche
beim Aufreissen der Gangspalten stattgefunden haben müssen.
Der Nachweis bedeutender Verwerfungen des Nebenge-
steins bei der Gangspaltenbildung in einem Gebirge, älter als
das produktive Kohlengebirge, ist, so viel mir bekannt, hier
zum ersten Male geführt.
Dieser Nachweis giebt uber die Lagerung der Gebirgs-
schichten des Clausthaler Hochplateaus einigen Aufschluss; er
erklärt die eigenthümlichen räumlichen Verhältnisse der Erz-
sänge dieses Gebietes und gestattet, die Bildung des Gang-
thonschiefers durch einen wesentlich mechanischen Process zu
erklären; schliesslich führt er zur Anschauung uber die Bil-
dungsweise der zuerst von v. Cotta unterschiedenen zusam-
mengesetzten Gänge im Gegensatze zu der Bildungsweise ein-
facher Gänge.
Bei der zweiten Frage ist es von besonderer Schwierig-
keit, zu entscheiden, wo die Stoffe, welche sich in den Gang-
spalten tinden, besonders die metallischen, ihren Ursprung
haben. So viel ist ausgemacht, dass sie in wässeriger Lösung
in die Gangspalten geführt wurden.
Das Auftreten einzelner gesonderter Erzmittel in den mäch-
tigen, hauptsächlich mit verändertem Nebengesteine erfüllten
Gangspalten giebt der Idee von einzelnen, aus grosser Tiefe
in den Gangspalten aufsteigenden Quellen viel Wahrscheinlich-
keit. In wie weit die Stoffe aus dem Nebengesteine in die
776
Gangspalten eingeführt wurden, muss chemischen Untersuchun-
gen zu entscheiden überlassen bleiben.
Das weit verbreitete Vorkommen des schwarzen bitumi-
nösen Gangthonschiefers in Begleitung der geschwefelten Erze
ist besonders wichtig, weil dadurch die Ansicht, es haben sich
die Schwefelmetalle aus schwefelsauren Salzen durch Reduction
mittelst organischer Substanzen gebildet, eine starke Stütze er-
hält. Auch der ältere Kalkspath enthält bituminöse Bestand-
theile; denn wenn man ihn zur Darstellung kohlensauren Was-
sers benutzt, so erhält dieses einen widerlichen bituminösen
Geschmack, der wohl von einem Kohlenwasserstoffe herruhrt.
Die Beobachtungen der paragenetischen Verhältnisse der
Mineralien sind eine wichtige Vorarbeit für den Chemiker,
welcher nach den Reactionen forscht, welche bei der Bildung
der Erze und Gangarten in den Gängen stattgefunden haben.
' Aus dem bunten, unregelmässigen Gemische von Gangge-
steinen, Erzen und Gangarten, welches das hiesige Vorkommen
charakterisirt, und welches schon so oft bewundert und ange-
staunt ist, diejenigen Stücke herauszufinden, welche Fingerzeige
für die Altersfolge der Mineralien geben, war eine besonders
mühevolle und zeitraubende Arbeit, der ich mich während
zweier Jahre mehr oder weniger eifrig unterziehen konnte.
Auf die so gesammelten Beobachtungen gestützt, ist ein
erster Versuch gemacht, die Altersreihen der Mineralien zu
entwickeln. Die Resultate sind im Ganzen einfach, lassen aber
noch manche Lücken, welche durch spätere Beobachtungen
hoffentlich ergänzt werden.
Der Schluss, dass die entwickelten Altersreihen auch für
die häufigsten Vorkommnisse Gültigkeit haben, bei denen we-
gen unregelmässiger Imprägnationen oder wegen massiger
Textur Beobachtungen unmöglich werden, scheint mir durch
die Beobachtungen und Betrachtungen uber die geschlossen
drusenförmige Textur und die Entstehungsweisen massiger
Textur gerechtfertigt. +
Mögen die im Vorigen niedergelegten Beobachtungen dazu
beitragen, dem Ziele der Gangstudien um ein Kleines näher
zu fuhren.
777
6. Ueber die Bildung des unteren Oderthals.
Von Herrn Be»m ın Stettın.
Sämmtliche aus der norddeutschen Ebene der Nord- und
Ostsee zuströmende Flüsse bilden ihre Betten in einem meistens
lockeren, leicht zerstörbaren, namentlich unter der Einwirkung
des Wassers sehr veränderlichen Boden, so dass ihre Ufer
überall wenig Stabilität besitzen und fast alljährlich nicht un-
bedeutenden Veränderungen unterliegen. Diese Veränderungen
verleihen den Gegenden einen eigenthümlichen Charakter, wel- -
cher sich ganz besonders an der Oder bemerkbar macht, so
dass diese sehr wohl als Vorbild auch für die übrigen Flüsse
angenommen werden kann. Oberhalb Frankfurt und durch
ganz Schlesien hinauf bieten die Ufer in unwiderleglicher Weise
und mit höchst geringfügigen Ausnahmen das Bild abgespülter,
ausgewaschener, lockerer, von leicht veränderlichen Erdschich-
ten gebildeter, flach gesenkter Hugelländer dar. Sie sind all-
gemein in sanft abfallenden, ungleichen Profilen ausgesäumt,
und da sie überall aus den zugeführten Sanden der schlesischen
Ebene bestehen, denen nur wenige feste oder Festigkeit ge-
bende Materialien beigemengt sind, dieser Sand aber für sich
allein keine Bindekraft besitzt, so werden sie von jedem Re-
gen verändert, in die Niederungen geführt, von jedem Winde
verwehet und sind kaum im Stande, sich in einer Böschung
von 10 Graden gegen den Horizont zu tragen. Zwar treten an
einzelnen Stellen etwas steilere Gehänge auf, aber dann ist
das Erdreich bereits mit fremdem Materiale gemengt, wohin
insbesondere diluvialer Lehm, diluvialer Thon oder auch in
einzelnen Fällen Kalk und Kies gehören. Die natürliche Folge
der grossen Veränderlichkeit des genannten Materials und seiner
Transportabilität durch die Atmosphärilien ist es, dass das -
Flussbette selbst in jedem Augenblicke die frisch eingeschwemm-
ten Bestandtheile der Ufer mit sich führt, ohne dass diese auch
Zeits.d.d.geol.Ges XVII. 4. 50
778
selbst hier eine Festigkeit gewinnen können, die etwa die Entste-
hung vegetabilischer Thätigkeit zu begünstigen vermöchte; denn
wenn‘ auch die Unfruchtbarkeit des Sandes an sich einer sol-
chen sehr hinderlich ist, so unterliegt es doch keinem Zweifel,
dass bei gewonnener Beständigkeit des Bodens durch die Ein-
wirkung der Feuchtigkeit nach und nach Pflanzenwuchs ent-
stehen musste. Die Beweglichkeit ist aber so gross, dass da-
durch die Unsicherheit des Flussbettes in Bezug auf die Schiff-
fahrt begründet wird, und die alljährlich sich steigernde Schwie-
rigkeit in dem Betriebe dieses wichtigen Verbindungsweges der
See mit dem Binnenlande beruht nicht ausschliesslich in der
zunehmenden Versandung des Flussbettes überhaupt durch die
von den Nebenflüssen herbeigeschwemmten Massen des aus
dem schlesischen Gebirge entführten Sandes, sondern wesent-
lich in der Beweglichkeit desselben, indem selbst bei über-
haupt ausreichendem Wasserstande die eigentliche Fuhrt oder
Rinne nicht selten im Verlaufe eines Tages sich von einem
Ufer bloss durch den vom Winde veranlassten en
in die Nähe des jenseitigen Ufers verlegt. |
Die hier geschilderte ‚Beschaffenheit muss ohne Zweifel
für alle im lockeren Erdboden liegenden Flussbetten die glei-
che sein, und es wird dieselbe daher für die gleichen Verhält-
nisse als maassgebend angesehen werden können. Anders ge-
stalten sich natürlich die Verhältnisse derjenigen Auswaschungs-
Flussthäler, die in einem der Zerstörung grösseren Widerstand
leistenden Boden liegen. Je grösser der Widerstand ist, wel-
chen eine solche Unterlage zu leisten vermag, desto längere
Zeit wird erforderlich, dem Strome einen freien Lauf zu ver-
schaffen, und es bedarf dauernder und oft gewaltsamer Ein-
wirkungen der Gewässer, um ihnen den endlichen Sieg über
' die Gesteine zu verschaffen. Wie viel indess auch bei den här-
testen Gesteinen durch blosse Ausnagung oder Auswaschung
erreicht werden kann, zeigt der Simeto auf Sicilien, dem es im
Laufe der Zeit gelungen ist, seinen durch einen der festesten
Lavaströme gesperrten Lauf durch allmälige Zerstörung des
Gesteines vollständig wiederherzustellen. Wie gewaltig die
Einwirkungen der Gewässer und der Atmosphäre auf Quader-
sandstein sind, zeigen die Zerstörungen dieses Gesteins in der
sächsischen Schweiz, bei Adersbach und an anderen Orten, und
welche mechanische Zertrümmerungen Flüsse herbeizuführen
779
vermögen, davon giebt das Bette des Niagara und sein be-
rühmter Fall ein lautes Zeugniss.
So werden noch mehrere Abweichungen in der Bildung
der Erosionsthäler gedacht und nachgewiesen werden können,
die aber, als von dem vorliegenden Gegenstande verschieden
und darauf nicht unmittelbar Bezug habend, übergangen werden
mögen. Für den vorliegenden Gegenstand aber wird zunächst
die vorher erwähnte allgemeine Physiognomie der diluvialen
Erosionsthäler in’s Auge zu fassen sein. 'Nächst dieser allge-
meinen Oberflächen-Physiognomie ist es nun aber einleuchtend,
dass, wie zerstörbar die diluviale Grundlage eines Erosions-
thales auch sein möge, die Auswaschung nicht anders als von
oben nach unten, d. h. von der Oberfläche anfangend, in die
Tiefe fortschreiten kann, und dass daher, so lange die Aus-
waschung währt, die Schichten der Ufer nothwendig in ihrer
natürlichen Lagerung verbleiben müssen und nur durch das
fortdauernde, allmälige Abnagen des Wassers verändert werden
können. Unterwaschungen, Unterspülungen und dadurch her-
beigeführte Abstürze kommen natürlich hierbei vor, wenn die
Schichten einen gewissen Grad von Cohäsion besitzen, um
sich. eine Zeit lang in steilerer Böschung tragen zu können;
aber so weit dies geschieht, sind die eben genannten Einflüsse
deutlich erkennbar und auf die genannten Veränderungen be-
schränkt; je weiter aber vom eigentlichen Flussbette die La-
gerung sich entfernt, um so weniger ist eine Störung des bis-
herigen regelmässigen Verhältnisses denkbar und möglich. Das
abgeschwemmte, zertrümmerte Material des Ufers muss aber
nothwendig ohne alle und jede regelmässige Lagerung seiner
einzelnen Glieder, sondern vielmehr in inniger Vermengung
derselben das Flussbette erfüllen, möglicherweise sogar in seine
constituirenden Bestandtheile wieder geschieden werden können.
Dass diese Erscheinungen an beiden Ufern des Flusses die .
gleichen sein oder, wo verschiedene Lagerungsverhältnisse ob-
walten, wenigstens einander geologisch entsprechen müssen,
und dass sie sich auch bis auf so weite Entfernungen parallel
den Ufern und selbst auf Nebenthäler und Nebenflüsse er-
strecken müssen, als die ursprüngliche Beschaffenheit des Bo-
dens reicht, braucht wohl kaum erwähnt zu werden.
Die hier genannten Eigenschaften der im lockeren dilu-
vialen Boden gelegenen Flussthäler, welche nicht allein vom
50*
=
780
theoretischen Standpunkte sich ergeben, sondern an grösseren
und kleineren Flussthälern der genannten Kategorie beobachtet
werden können, werden kaum nennenswerthe Einwürfe gegen
ihre Richtigkeit aufstellen lassen, so dass sie als normale Ver-
hältnisse der in Rede stehenden Flussthäler angesehen werden
können und für die obere Oder volle Geltung haben, da sie
zum Theil von dieser entnommen wurden. ;
Vergleichen wir aber hiermit die Beschaffenheit der Oder-
ufer abwärts von Frankfurt, so stossen wir bald auf wesent-
liche Abweichungen nnd Verschiedenheiten rücksichtlich ihrer
allgemeinen geologischen Physiognomie. Schon in der unmit-
telbaren Nähe von Frankfurt fangen die Ufer an steiler, zer-
rissener zu werden; sie bieten in der Linie ihres allgemeinen
Profils isolirtere Kuppen dar, die Seitenthäler werden schroffer,
jäher, und diese Beschaffenheit setzt sich über Lebus fort bis
in die Gegend von Küstrin. Von hier ab gewinnt das Oder-
thal beträchtlich an Breitenausdehnung, und während es in der
Nähe von Frankfurt und weiter oberhalb mit Ausnahme der
Erweiterung bei Neuzelle kaum mehr als 1000 Schritte breit
sein mag, verbreitert es sich in der Nähe von Wriezen und
Freienwalde bis auf fast 2 Meilen, indem es auf der ganzen
Strecke von Küstrin bis Oderberg die zu den gesegnetsten Ge-
genden unseres Landes gehörenden Niederungen — das Oder-
bruch — bildet. Von Oderberg bis Schwedt wird das Thal
wieder enger, die Ufer hugeligter, zerrissener. Von Schwedt
bis unterhalb Stettin jedoch treten alle geologischen Verhält-
nisse in eine noch entschiedener veränderte Physiognomie, und
dieser Theil des Oderthales ist es ganz besonders, welcher
den gegenwärtigen Untersuchungen zu Grunde gelegt werden
konnte. =
Kurz unterhalb Schwedt nämlich öffnet sich auf dem lin-
ken Oderufer von Nordwesten herkommend ein breites Thal,
in dessen Mündung gegen das Oderthal das Städtchen Vier-
raden am Ausflusse der Welse in die Oder gelegen ist. Die-
ses Seitenthal zieht sich in einem gegen Westen convexen Bo-
gen nach Norden, nimmt bei der zwischen Süden und Norden
gelegenen Wasserscheide den Namen des Thales der Randow
an, welches den Randowschen Kreis gegen Westen abgrenzt,
und mündet weiter nördlich in das Ueckerthal aus, um bald
nachher bei Ueckermünde die Gewässer der Randow mit denen
781
der Uecker vereinigt dem Haff zuzuführen. _ Die Ränder
dieses Thales bieten fast überall alle Eigenthumlichkeiten rei-
ner Erosionsthäler dar, ja in der Nähe des Fleckens Löckenitz
ist sogar ein doppeltes Bette des ursprünglichen Stromes an-
- gedeutet, gleichsam als habe derselbe sich nach einer grösse-
ren Breite erst noch auf ein engeres Bette zurückgezogen, be-
vor er seine jetzige Unbedeutendheit erlangte. Nachdem nam-
lich hier ein sandiges Diluvialland mit vielen kleinen Hügeln
bis an die Niederung heran getreten ist, folgt eine gleich-
mässige Ebene von schwarzem, fruchtbarem Bruchboden (altes
Flussbett); diese staffelt sich wieder uferartig ab und geht in
eine mehrere Fusse tiefer gelegene tiefere Ebene über, welche
jetzt gleichfalls theilweise im agriculturistischen Betriebe steht,
aber noch überwiegend Wiesen hat (mittleres Flussbett); und
nun folgt endlich das Flusschen selbst mit seinem neusten,
ziemlich unbedeutenden Bette. Weiter hinauf nach Süden zu
ist der Wasserstand noch ein verhältnissmässig höherer, und
der Uebergang der \Viesen in Ackerland ist noch nicht zu
Stande gekommen, wie sich dies bei der Eisenbahnstation
Passow auf weite Strecken nach Norden und Süden übersehen
lasst; aber auch hier tragen die Ufer un den diluvia-
len Charakter an sich.
- Verfolgt man dagegen von Vierraden das linke Ufer des
Oderthales weiter nach Norden, so trifft man nach mehreren
weniger bedeutenden Einschnitten zuerst bei der Stadt Garz
ein zweites weit in's Land hineingehendes und wenigstens eine
Viertelmeile breites Thal, das Salweythal, welches, parallel
dem Randowthale vom Salweybache durchströmt, sich unter
allmäliger Verflachung nach Norden bis zur Eisenbahnstation
Tantow fortzieht, in seinen Wiesenniederungen aber noch be-
trächtlich weiter verfolgt werden kann. Weniger tief in’s Land
hinein reichend, aber ebenfalls in schroffen Höhen und jähe
absturzenden Thälern wechselnd sind die malerischen Partieen
eines Gehölzes, welches der Stadt Garz zugehört und unter
der Benennung der „Schrei* wegen seiner überaus mannichfal-
tigen Flora allen Botanikern der Provinz Pommern bekannt
ist. Ihm folgen nach einer mehr sandigen Uferbildung bei
dem Dorfe Mescherin die wiederum stark zerrissenen Ufer-
gehäange der Dominien Staffelde, Pargow, Schöningen,
Schillersdorf, welche zwar sämmtlich noch mit einer starken
Diluvialdecke uberkleidet sind, dennoch bei zunehmender Bearbei-
tung des Bodens schon an vielen Stellen die Hauptglieder der
Stettiner Tertiar-Formation durch Bloslegung erkennen lassen.
Nördlich von Schillersdorf hat man bald die schon längst vor-
her aus der Ferne sichtbare Windmühle von Hohen- Zahden
vor sich, auf einer 208 Fuss über den OÖderspiegel empor-
ragenden Anhöhe gelegen, welche den Anfang des Höhenzuges
bildet, der im weiteren Verlaufe gegen Westen und Norden die
südliche und westliche Grenze des von mir näher untersuchten
Stettiner Tertiär-Reviers in engerer Beziehung bildet. Dieser
Höhenzug ist in seinem Abfalle gegen das Oderthal dergestalt
zerrissen, dass er hier fast nur kolossale Trümmer eines ehe-
maligen Berges darstellt, und die Abhänge sind so steil, dass
sie, ungeachtet aus fruchtbarem Boden bestehend, dennoch der
landwirthschaftlichen Bearbeitung kaum oder doch nur mit
grosser Mühe zugänglich sind. Sie enthalten bereits durchweg
die Glieder der Tertiär-Formation, Glimmersand und Septarien- .
thon, und bei dem Dorfe Hohen-Zahden wurde bekanntlich in
60 Fuss Tiefe ein Kohlennest erschürft. Ganz gleiche Ver-
hältnisse wie die Ufer von Zahden bieten diejenigen des nächst-
folgenden Dorfes und Dominiums Cunow dar, schroffe Höhen
mit dazwischen liegenden Thälern, in ersteren von den Glie-
dern der Tertiär- Formation besonders den Septarienthon zei-
gend, welcher in den hiesigen Ziegeleien reichlich zu techni-
schen Zwecken verwendet wird und zuerst Herrn PLETTNER
auf die geologische Wichtigkeit der hiesigen Gegend aufmerk-
sam machte, Zwischen den Dörfern Gustow und Pomeräns-
dorf mündet wieder ein bedeutenderes Bachthal in die Oder-
niederung ein, nämlich das Buckowthal, welches von der
Berlin - Stettiner Eisenbahn mittelst des ersten bedeutenderen
Viaduets überschritten wird und von diesem Uebergangspunkte
aus die grossen Zerstörungen und Verwerfungen seiner Ufer
erkennen lässt, ungeachtet sie, fruchtbaren Ackerboden bietend,
durch vielfältige und langjährige Bearbeitung bedeutend in ih-
ren Formen verändert sind. Dieses Thal, eines der grösseren,
lässt sich durch seine Niederungen bis nach den Orten Kra-
kow und Brunn verfolgen, bei welchem letzteren Orte aus
dem am Fusse der begrenzenden Anhöhen lagernden Septa-
rienthone Quellen hervortreten. Zwischen Pomeränsdorf und
der Stadt Stettin öffnet sich nun wiederum ein Thal, welches
783
für die unmittelbare Umgebung dieser Stadt eine grössere geo-
logische Bedeutung hat als fast alle bisher genannten Seiten-
thäler und Einschnitte. Es ist das Thal der sogenannten
Galgwiese, welches, die Stadt Stettin südlich begrenzend, zu-
nächst in eine feuchte Niederung zwischen dem Fort Preussen
und der- Vorstadt Torney ausgeht und dann durch eine flache,
sattelförmige Erhöhung sich an. das viel bedeutendere nördlich
von Stettin und Grabow liegende Bachthal, „Grüne Wiese‘“ ge-
nannt, anschliesst, um mit ihm die grosse Niederung zu bil-
den, welche wiederum parallel mit dem Verlaufe des Randow-
thales, aber in einem kleineren Bogen, durch verschiedene Seen
_ bis nach Neuwarp verfolgt werden kann, wo dasselbe gleich
dem Randowthale in das Haff ausmundet. Dass zwischen die-
sen beiden Thälern das Terrain, auf welchem die Städte Stettin
und Grabow gelegen sind, in einer wahren Deltabildung be-
steht, ist an einem anderen Orte*) nachgewiesen worden.
Die weiteren Ufer bis zum Städtchen Politz bieten nun
aber an Zerrissenheit ihrer Gehänge, Schroffheit der Abfälle,
Unregelmässigkeit der Lagerungsverhältnisse, Verworrenheit
des Materials Alles dar, was die ausschweifendste Phantasie
in dieser Hinsicht in einem Terrain erdenken kann, welches
unter dem Namen eines Flachlandes eine, man könnte sagen,
traurige Berühmtheit erlangt hat. Muldenartige Auswaschun-
gen, steile Abgründe, Erdrutsche, Ueberkippungen, vorgescho-
bene Hügel mit dahinter gelegenen Abgründen, Spaltungen,
. Einschiebungen diluvialer Ablagerungen in tertiäre kommen
aller Orten vor, überall deutlicher oder undeutlicher in ihrer
natürlichen Bildung durch die verschiedensten Schichtungen oder
. Lagerungen erkennbar, so dass das Ganze nur einem colossa-
len Trümmerhaufen ähnlich wird, dessen einzelne Theile erst
gewürdigt und erkannt werden können, wenn man sie von
einem allgemeineren, in seiner Gesammtheit aufgefassten Stand-
punkte betrachtet. Hierher gehören ganz besonders die Berge
von Frauendorf, Stolzenhagen, Scholwin bis herab an das
Oderufer zu den Dörfern Zullchow, Bollinken, Herrnwiese,
Gotzlow, Glienke, Kratzwyk, Kavelwisch.
Vergleichen wir mit diesen Verhältnissen diejenigen des
rechten Oderufers, so treffen wir gegenüber von Schwedt
*) Deutsche geologische Zeitschrift, Jahrg. 1863, S. 442.
784
zunächst die ziemlich steilen Höhen von Kranig. Von hier ab
bleiben die Uferränder eine Strecke weit etwas ebener, unter
geringer Böschung zur Oder abfallend, von weniger tiefen Sei-
tenthälern und Schluchten zerrissen. Erst wenn man der
Windmühle von Hohen-Zahden sich nähert, wird das Ufer
wieder hügeligter, und das Dorf Klütz, fast der genannten Mühle
gerade gegenüber, 206 Fuss über der Oder gelegen, bezeichnet
ziemlich deutlich die Fortsetzung desselben Höhenzuges auf
dem rechten Ufer, der auf dem linken Ufer die Umgrenzung
des Stettiner Reviers bewirkt. Da jedoch auf dem rechten
Ufer bei dem Dorfe Klütz die auf mehrere Quadratmeilen sich
erstreckende königliche Forst beginnt, welche durch die Schön-
heit ihres Baumwuchses den Stolz unserer Gegend und beson-
ders unserer Forstmänner ausmacht, so ist die genaue Unter-
suchung aller Bodenverhältnisse wesentlich erschwert, indessen
treffen wir hier bald auf die der Industrie bereits zugänglich
gewordenen Braunkohlenablagerungen von Podejuch und Fin-
kenwalde und die bei diesen Orten liegenden Kalköfen und die
Cementfabrik, deren Betrieb bereits einen Einblick in die obe-
ren tertiären Bodenverhältnisse gewährt. Die Gehänge des
Oderufers bilden hier bis weit in den Wald hinein die ganz
ähnlichen Unregelmässigkeiten ihrer Bildung, doch wendet sich
der Höhenzug unmittelbar bei Finkenwalde unter grösserer
Verflachung seiner Abhänge mehr nach Osten und eröffnet die
Aussicht in eine weitere Niederung, welche den bei der Stadt
Damm gelegenen See umzieht, in einzelnen Punkten noch
untergeordnete geologische Erscheinungen darbietet, im Allge-
meinen aber für den gegenwärtigen Zweck .ein geringeres In-
teresse gewährt. r
Es braucht kaum erwähnt zu werden, dass eine Beschaffen-
heit der Stromufer, wie sie hier angegeben wird, der Phy-
siognomie und Profilirung der Gegend einen eigenthumlichen
Charakter aufprägen muss, und so möchte ich von der hiesi-
gen Gegend sagen, sie sei in den Ufern des Stromes einiger-
maassen ein Abbild der beruhmten Ufer des Rheines zwischen
Bingen und Coblenz, sich von ihnen nur unterscheidend durch
die grössere Breite des Stromthales, welche hier etwa gegen
1 Meile beträgt, und durch die verschiedene Beschaffenheit
der bildenden Bestandtheile. Aber wie dort, treffen wir auch
hier die isolirt stehenden, oft wenig abgerundeten Kuppen, die
785
schrofien Gehänge, die tiefen Schluchten zwischen den einzel-
nen Höhen, uberall aber an dem Fusse derselben ein mässi-
ges, allmälig in die weite Wiesenebene des ganzen Thales sich
absenkendes Vorland.
Nach dieser allgemeinen Schilderung der: orographischen
Beschaffenheit der-Oderufer sind nun zunächst die geognosti-
schen Bestandtheile derselben in’s Auge zu fassen. Sand und
Thon, die beiden Hauptglieder der Stettiner Tertiär-Formation
bilden uberall den Kern dieser schroffen, steil abfallenden Ho-
hen, die fast überall noch in ihren jetzigen Benennungen die
Gedächtnissnamen ihrer früheren Bedeutung und Bestimmung
tragen: Weinberg, Schlossberg, Burgwall, Julo u. s. w. An
verschiedenen Stellen bieten diese beiden mächtig entwickelten
Glieder selbst in ihrer Zerrissenheit noch jetzt die unverkenn-
baren Zeichen ihrer früheren regelmässigen Lagerung, gleich-
wie ihres früheren petrographischen Verhaltens, so dass der
Eindruck einer früherhin bestandenen, wahren Gebirgsbildung
sich unabweisbar aufdrängt. An vielen anderen Stellen des
Reviers sind sie aber im Laufe der Zeit dergestalt in ihrer
ursprünglichen Beschaffenheit umgeändert, dass erst eine sorg-
fältige Untersuchung aller in Betracht kommenden, besonders
genetischen Umstände zu einem richtigen Verständnisse führt.
Ueberall aber vermisst man in diesen vereinzelten Hohen,
Kuppen, Schluchten u. s. w. eine wahre, sich überall gleich-
mässig- und übereinstimmend darstellende Lagerung und Schich-
tung, so dass es gänzlich unmöglich ist, von einem einzigen,
allenfalls nachweisbaren derartigen Verhältnisse mit nur eini-
ser Wahrscheinlichkeit des Erfolges auf ein anderes benach-
bartes zu schliessen. Nur nach einer ganz allgemeinen, in
grossartigerem Maassstabe aufzufassenden Anschauung und
unter Zuhulfenahme entfernterer Entdeckungen und Ermitte-
lungen ist es möglich, die Ueberzeugung zu gewinnen, dass
diese zerrissenen Uferränder ein Trümmerwerk der umfassend-
sten Art darstellen, und dass erst nach ganz allgemeiner Auf-
fassung ein einigermaassen ‘sicheres Lagerungsverhältniss auf-
gestellt werden kann. Was die einzelnen Erscheinungen be-
trifft, welche sich hierbei der Beobachtung darbieten, so ist
zwar in meinen früheren Mittheilungen angegeben worden, dass
durch Bohrungen, welche in etwas weiterer Ferne von den
Gehängen des Oderufers angestellt wurden, die allgemeine
786 s
Lagerung derartig ist, dass unmittelbar unter dem Diluvium
der Septarienthon und unter diesem erst der Glimmersand
lagert, gleichwie an den Stellen, wo das Diluvium abgespült
oder spärlich abgelagert ist, der hervortretende Thon die Frucht-
barkeit des Bodens begründet; dieses Lagerungsverhältniss
schliesst aber nicht aus, dass in den zertrummerten Oderufern
das entgegengesetzte Verhältniss auftritt, ja es liegen Thon und
Sand dergestalt neben einander, dass an schmalen Wänden
. die eine Seite vom Thon, die andere vom Sande gebildet wird,
dass der Sand den Thon überlagert oder in ihn bruchstück-
weise eingebettet ist und umgekehrt, ja dass beide zertrümmert
über dem wagerecht darunter lagernden Diluvium liegen, wo-
bei dann die an ihnen oft noch wahrnehmbaren Streichungs-
oder Schichtungslinien in den abweichendsten Richtungen zu
einander getroffen werden. Mehrere dieser Einzelheiten sind
von mir in meinen früheren Mittheilungen erwähnt worden, es
möge indess hier noch gestattet sein, zu erwähnen, dass ähn-
lich wie bei Kavelwisch gelber tertiärer Sand über wagerechtem
Diluvialsande, so auch der bei Curow in der Ziegelei verar-
beitete Septarienthon einer neueren Bloslegung zufolge über-
wagerecht geschichtetem Diluvialsande lagernd gefunden wurde,
und dass bei der neuen Cementfabrik „‚Stern“ zu Finkenwalde
über diluvialem Sande Septarienthon lagert, aus welchem sogar
einige der bezeichnenden Conchylien gewonnen wurden, und
dass dieser Thon wieder von Kreide überlagert wird, ein
Verhältniss, welches demjenigen im „Thal der Liebe‘ bei
Schwedt gefundenen ähnlich ist, wo Kreide über Braunkohle
lagert. Auf der Höhe der eben genannten Cementfabrik lagert
dann wieder Septarienthon zwischen diluvialem Sande und bil-
det eine tiefe Grube, den sogenannten Hertha-See, welcher
nichts Anderes ist, als ein jetzt ausgebeutetes früheres Kreide-
geschiebe, worin die Spuren und Ueberreste noch jetzt in der
Tiefe bemerkbar sind. Kurz, wohin man blickt, wo man in
die Tiefe dringt, überall ist nichts als die grossartigste Zer-
trümmerung auch der älteren Formationsglieder, verbunden mit
der grossartigsten Verwerfung der kolossalen Trümmer.
Was aber nun für die fernere Deutung dieser Zerstörun-
gen bezeichnend wird, das ist die Ausbreitung derselben
nach Osten und Westen, je mehr man sich vom Oderthale
nach beiden Richtungen entfernt. Hier tritt uns, um Aufschluss
787
zu gewinnen, vornehmlich das rechte Ufer erläuternd und be-
lehrend entgegen. Je mehr man nämlich landeinwärts gegen .
Östen vordringt, um so mehr fängt die Gegend an in ihrer Zer-
rissenheit nachzulassen, und obgleich Hugelungen und Schluch-
ten noch bis etwa auf eine Viertelmeile hinein, oft sogar in
ziemlich bedeutender Weise auftreten, so wird sietloch jenseits
dieser Entfernung im Allgemeinen ebener, bis sie endlich in
die allgemeine Beschaffenheit der gewöhnlichen Profilirung über-
geht. Weit mehr aber als die Oberfläche geben nunmehr sehr
bald die Lagerungsverhältnisse der unterirdischen Schichten
ein überraschendes’ Bild der Regelmässigkeit. Während in der
Grube ‚‚Gottesgnade“, unmittelbar in den schroffen Gehängen
bei Podejuch gelegen, die Braunkohle ein so jähes Einfallen
nach Osten zeigt, dass sie von den Sachverständigen für "ein
blosses Kopfflötz erklärt wurde, während bei Finkeuwalde die
verschiedenen Kohlensehurfe der CGementfabrik „‚Stern‘‘ bald
sattel-, bald muldenförmige Bruchstücke der Kohle darstellen,
liegt letztere in den Gruben Adolph und Zwillingsstern bei
Mühlenbeck vollständig regelmässig, so dass nicht allein ihre
Mächtigkeit, Ausdehnung, ihr Streichen und Einfallswinkel sicher
festgestellt werden konnten, sondern dass der vollgultige Be-
weis geführt werden kann, dass die Zerstörung sich nur strei-
fenformig bis auf eine mässige Parallelausdehnung längs des
Oderbettes erstreckt. i
Auf dem linken Ufer ist die Kohle in der Nähe Stettins
noch nicht als anstehendes Flötz aufgefunden worden, vielmehr
zeigt sie sich nur in kleineren oder grösseren Bruchstücken
dem Septarienthone oder selbst den Gliedern des Diluviums
eingefügt, und verschiedene Versuche von Bohrungen oder an-
deren Bergwerksunternehmungen haben nur dahin geführt, die
aufgewendeten Kosten zu beklagen. Selbst der grössere Fund
von Kohlen in der Nähe des Dorfes Hohen-Zahden, welcher
seiner Zeit grosses Aufsehen erregte, hat wieder aufgegeben
werden müssen und kann nach den neueren Ermittelungen nur
als ein grösseres Fragment angesehen werden. Dagegen bietet
sich innerhalb -des allgemeinen Feldes der Zertrümmerungen,
wenn wir dies, wie weiter oben erwähnt, von der Oder bis
zum Randowthale abgrenzen, die kolossale losgebrochene Ter-
tiärscholle dar, welche, fast eine Quadratmeile gross, das Hoch-
plateau bildet, das in meinen früheren Mittheilungen zuerst- als
788
nördliche Hälfte des ganzen Stettiner Reviers erwähnt und
beschrieben wurde, umgrenzt im Osten durch das Oderthal, im
Süden durch die Grüne Wiese, im Westen durch die Seen und
Niederungen, welche von hier ab sich bis nach Neuwarp ver-
folgen lassen, und im Norden durch den Häkelwerksbach.*)
Auch an dieser Scholle machen sich die vorher vom rechten
Ufer erwähnten Erscheinungen, jedoch in viel augenfälligerer
Weise bemerkbar; denn während von dem höchsten Punkte bei
der Kolonie Vogelsang (400 Fuss über der Oder) nach
‚allen Richtungen zahlreiche Bäche den Niederungen zuströmen,
sind die Betten derselben auf der östlichen Seite, also dem
ÖOderthale zustromend, um so tiefer, schroffer, zahlreicher, die
Ufer zerrissener, wogegen sie auf der westlichen Seite flacher,
weniger steil abfallend sind und selbst mehr in reinem Dilu-
vialboden verlaufen. Die Fläche des Hochplateaus selbst zeigt
wieder, je naher dem Oderthale, desto .mehr, das Hervortreten
der tertiären Gebilde, wogegen in weiterer Entfernung nach
Westen hin, diese mehr und mehr verschwinden, und der Bo-
den bis in die Niederung nur von diluvialem Sande oder we-
nigem Lehm gebildet wird. (Dörfer Warsow, Wussow, Pol-
chow). Nur die mehr am südlichen Abhange des Plateaus ge-
legenen Ortschaften Nemitz und Zabelsdorf zeigen auf ihren
Territorien hervortretende Septarienthone. Die Erscheinungen
aber, welche dieses Plateau in auffälliger Weise darbietet, fin-
den sich im ganzen Verlaufe des linken Oderufers, nur erfor-
dern sie nach den Verschiedenheiten der Lokalität eine etwas
sorgfältigere ‚Behandlung für die Nachweisbarkeit.
Zur genaueren Charakteristik der ganzen Beschaffenheit
der Oderufer ist endlich noch die Erhebung derselben über
dem allgemeinen Niveau der ganzen Gegend zu erwähnen.
Durch die trigonometrischen Messungen des preussischen Ge-
neralstabes .ist die Lage Berlins über der Ostsee auf eirca
70 bis 80 Fuss festgestellt. Dasselbe Niveauverhältniss. findet
sich auch im Allgemeinen in der ganzen Umgegend Stettins
vor, wenn man die sandigen Diluvialhügel, die jeden Augen-
blick unter der Einwirkung der Atmosphäre verändert werden,
und die Erhebungen, welche in ihrem Inneren Bruchstücke des.
Tertiären enthalten, ausschliesst. Am deutlichsten und am
-
*) Deutsche geologische Zeitschrift, Bd. IX, 1857, S. 327.
789
wenigsten der Veränderung unterworfen zeigt sich dasselbe
jedoch in dem südlichen Theile des Stettiner Reviers, der rings
von Höhenzugen umgrenzt wird. Gegen dieses allgemeine
Niveauverhältniss treten nun aber die zerrissenen Oderufer
entschieden abweichend auf, und namentlich nimmt von Garz
aus die Erhebung derselben mehr und mehr zu, je weiter sie
den Lauf des Stromes begleiten, so dass die Höhe von Hohen-
Zahden und gegenüber bei Klütz bereits 208 und 206 Fuss
beträgt. Unterhalb sind die Höhen von Frauendorf über Stol-
zenhagen nach Scholwin in beständiger Zunahme begriffen, bis
der höchste Punkt in der Mitte des nördlichsten Theils, wie
dies schon erwähnt, 400 Fuss erreicht. Ganz diesen entspre-
chend sind die Erhebungen des rechten Ufers, jedoch sind hier
die einzelnen Punkte noch nicht in gleicher Weise einer ge-
nauen Messung unterworfen worden.
Was nun die Beschaffenheit des eigentlichen Oder-
thales selbst betrifft, so bietet die unbefangene Beobachtung
auch hier Erscheinungen dar, welche die grösste Aufmerksam-
keit erregen. Es wurde bereits weiter oben erwähnt, dass von
Frankfurt und Kustrin ab die ganze Breite des Oderthales
eine fruchtbare, im uppigsten Kulturzustande stehende Ebene
bildet. Von Oderberg aber und besonders von Schwedt ab-
wärts bis zur Mündung desselben in die weite Wasserfläche
des Dammschen Sees und des Haffs ist dasselbe noch nicht
bis zu diesem Grade der Trockenlegung vorgeschritten; es
bildet vielmehr eine weite Wiesenfläche, welche noch jetzt an
verschiedenen Stellen mit Elsenwäldern bestanden ist und von
zahlreichen Armen des Oderstromes durchschnitten wird. Für
den Zweck der gegenwärtigen Untersuchungen bin ich nur im
Stande diese letztgenannten Theile des Oderthales zu benutzen,
theils weil sich hier mehr Gelegenheit zu eigenen Beobach-
tungen überhaupt darbot, theils weil die höher und entfernter
gelegenen Gegenden nur der grösseren Entfernung von meinem
- Wohnort wegen zu schwer erreichbar waren. Für diese Zwecke
genügt aber in dem genannten Theile die Kenntniss der Tiefe
des Oderthales im Allgemeinen und die Kenntniss der Bestand-
theile, welche die gegenwärtige Ausfüllung zusammensetzen.
Als Grundlagen für diese Ermittelungen dienen mir die ver-
schiedenen baulichen Anlagen grösserer Art, welche besonders
in der unmittelbaren Nähe der Stadt Stettin im Laufe der Jahre
| 790
unternommen wurden, theils weil sie überhaupt ergiebiger sind,
theils weil in den höher hinauf gelegenen Gegenden, wie
Schwedt, Oderberg u. A., durch die grössere Austrocknung und
ackerwirthschaftliche Behandlung die Untersuchung an Zuver-
läassigkeit verliert.
Was hier zunächst die Tiefe betrifft, so boten die Brücken
auf der Chaussee zwischen Tantow und Greiffenhagen die erste
Gelegenheit, bei Einrammung der Pfähle die Tiefe zu bemessen.
Da indess die Strasse nur eine für Pferdebetrieb bestimmte
ist, so können die Brucken nur als leichte Holzbrucken be-
trachtet werden, bei denen die Befestigung der Pfähle im Bo-
den nicht weiter nothwendig wurde, als dem angegebenen
Zwecke entspricht. Den eingezogenen Nachrichten zufolge sind
die Pfähle durchschnittlich nicht über die gewöhnliche Länge
ähnlicher Brückenpfähle eingetrieben worden.
Wichtiger war die Anlage der Eisenbahn zwischen Stettin
und Damm. Nachdem in der Mitte der vierziger Jahre dieses
Jahrhunderts die ersten Versuche über die Tragfähigkeit des
Wiesenbodens unternommen waren, konnte der Bau selbst in
Angriff genommen werden. Hierbei zeigte sich, dass nicht
allein bei den Dammschüttungen die aufgehäuften Erdmassen
an denselben Punkten zu wiederholten Malen spurlos in die
Tiefe versanken, nachdem sie den Wiesenboden durchbrochen
hatten, sondern die zum Bau der langen Holzbrücken einge-
rammten Pfähle reichten ungeachtet ihrer Länge bis zu 60 Fuss
nicht aus, um die erforderliche Festigkeit zu erlangen, und es
mussten an vielen Stellen, ja auf längeren Strecken, wie mir
dies aus den damaligen Mittheilungen der Baumeister noch
‚wohl erinnerlich ist oft zwei bis drei solcher Pfähle auf einander
gesetzt werden, deren Verbiudung unter einänder mit eisernen
Bolzen und Klammern bewirkt wurde. Der nähere, befreundete
Verkehr, in welchem ich damals sowohl mit den Baubeamten
als besonders mit dem derzeitigen Ober-Bürgermeister, Geheim-
Rath MascHE stand, so wie meine damalige Mitgliedschaft im
Verwaltungsrathe der Eisenbahn und mein lebhaftes Interesse
an der Förderung des grossartigen Werkes machten mir damals
eine Menge der von mir gewünschten Nachrichten zugänglich;
inzwischen bin ich jetzt nicht mehr im Stande die obigen An-
gaben durch amtliche Belege zu verbürgen, und die Acten sind
mir jetzt nicht mehr zugänglich, dürften auch rücksichtlich
791
mancher hierher gehörigen Einzelheiten nicht mehr existiren.
Indess geben die folgenden verburgten Nachrichten den Be-
weis, dass die obige Angabe über die Tiefe der Pfahlbauten
der Wahrheit nicht allzu fern stehen wird. Innerhalb der
Stadt Stettin sind nämlich an verschiedenen Stellen Bohrungen
vorgenommen worden, um nutzbares Wasser zu gewinnen. Die-
selben sind in meinen früheren Mittheilungen schon ausführ-
licher erwähnt worden. Jedoch “scheinen mir vorzugsweise
drei derselben von so grosser Wichtigkeit für den Gegenstand
zu sein, dass ich sie bis in die Einzelheiten besprechen will,
welche sich dabei herausstellten, zumal da es mir nachträglich
gelungen ist, die erbohrten Erdschichten theilweise zur eigenen
Untersuchung zu erhalten. Das erste Bohrloch, dessen ich
hier gedenke, ist dasjenige, welches auf dem Hofe der pommer-
schen Zuckersiederei im eigentlichen Oderthale eingestossen
wurde; die Arbeit war auf die Gewinnung eines trinkbaren
und überhaupt für den Betrieb nutzbaren Wassers gerichtet
und bis auf 140 Fuss Tiefe fortgesetzt, wo sie aufgegeben
werden musste, weil das Bohrzeug wegen eines härteren Ge-
steins, welches getroffen wurde, nicht tiefer zu treiben war.
Durch die Gute der Direktion der Siederei sind mir die bei
der Bohrarbeit in 21 kleinen Glasgefässen aufbewahrten Pro- _
ben der durchsunkenen Erdschichten zur Benutzung überlassen
worden, und ich gebe sie in der Reihefolge, wie die bezeich-
nete Tiefe sie ergiebt, wieder:
bis 134 Fuss fand sich aufgeschütteter Biden, bei der genann-
\ ten Tiefe mit Pflanzenwurzeln und Holzresten
durchsetzt;
bei 16! Fuss grössere Stücke verwittertes Holz;
bei 24 Fuss grauer, sehr sandiger Thon mit unbestimmbaren
Schalthierresten ;
bei 27 Fuss grauer, sandiger Thon, ähnlich dem vorigen, mit
bestimmbaren Bruchstücken von Leda Deshayes-
\
vana ;
bei 29 Fuss Quarzsand mit rothen Feldspathbrocken ;
bei 42 Fuss desgleichen mit kleinen Braunkohlenstückchen ;
bei 58 Fuss ebenso;
bei 70 Fuss ebenso;
bei 74 Fuss grober diluvialer Sand mit kleineren und grösse-
ren Kiesgeschieben der verschiedensten Art;
Zi.
bei
u
80 Fuss
bei 82 Fuss
bei 92 Fuss
792 .
ebensolcher Sand mit grösseren Geschieben nor-
discher Gesteine bis zur Grösse eines Cubik-
zolles. Darunter erkennbare silurische Kalk-
stucke mit Agnostus pisiformis;
feiner diluvialer Sand;
ebensolcher Sand mit kleinen Braäunkirkdenkiek:
chen;
bei 123 Fuss ebensolcher Sand;
bei 125 Fuss derselbe Sand mit Braunkohlenstuckehen und
nordischen Geschieben;
bei 129 Fuss: ebenso;
bei 130 Fuss sandiger, blauer Thon mit grösseren Braunkohlen-
stuckchen;
bei 132 Fuss grober diluvialer Sand mit Dita a
bei 133 Fuss ebenso mit grösseren Stückchen Braunkohle;
bei 135 Fuss diluvialer Sand ohne solche;
bei 139 Fuss sehr feiner Quarzsand, die Körner von ungleicher
Grösse, kantig abgerundet, mit vielen Glimmer-
blättchen und sehr kleinen weissen Kreidekörn-
chen, auch Braunkohlenpartikelchen, aber nicht
absolut frei von Feldspathbrocken ;
bei 140 Fuss sehr feiner, glimmerreicher Quarzsand von fast
gleichmässigem Korne, mit wenigen sehr kleinen
Braunkohlenspuren, ohne Feldspath, wie es scheint.
Die zweite hier besonders hervorzuhebende Bohrung ist
diejenige, welche im Jahre 1836 auf dem Hofe der Kaserne
am Schneckenthore unternommen wurde. Sie wurde auf der
Sohle eines bereits vorhandenen Brunnens bei einer Tiefe von
24 Fuss unter dem Nullpunkte der Oder begonnen, und die
erbohrten Schichten ergaben unter dem Nullpunkte der Oder:
bei 41 Fuss
bis 44 Fuss
bis 48 Fuss
bis 52 Fuss
bis 60 Fuss
bis 88 Fuss
bis 90 Fuss
bis 105 Fuss
bei 106 Fuss
Letten mit Geschieben von 3 bis 6 Zoll Grösse;
Letten und Sand mit kleinen Geschieben ;
gelber Sand mit einzelnen Geschieben;
Letten und Steine;
scharfen, weissen Triebsand; |
feinen, weissen, schwimmenden Triebsand;
Gemenge von Sand und Thon; -
feinsten, weissgrauen, Triebsand mit Thonschleim
-
und einigen Braunkohlenstückchen; ‘
schwarzer Thon;
793
bei 112 Fuss feinster, weisser, Triebsand mit Kohlenstuckchen;
bei 114 Fuss Thonadern mit feinem Sande;
bis 132 Fuss weissgrauer Triebsand, in welchem von 122 bis
130 Fuss verschiedene Stückchen Bernstein von
der Grösse einer Erbse bis Bohne gefanden wurden;
bis 145 Fuss weissgrauer Triebsand mit verschiedenem Gehalt
an Thon; jetzt traf man einen schwarzen Thon,
der so bindend war, dass das Rohr nur durch
Rammen weiter getrieben werden konnte; der-
selbe hielt
bis 1684 Fuss an, wo man wieder auf fliessenden Sand stiess.
Bei 163 Fuss war ein Stuck Bernstein von 2 Zoll
Durchmesser gefördert worden. Der zuletzt ge-
troffene Sand wurde in so grosser Menge in das
Rohr geschwemmt, dass er mit den Schöpfappa-
raten nicht bewältigt werden konnte. Man ver-
suchte daher, durch verstärktes Rammen der Röh-
ren die Schicht schneller zu durchsinken, indess
widerstanden diese der stärkeren Gewalt nicht,
° sondern wurden zertrummert, so dass
bei 192 Fuss Gesammttiefe, von der Oberkante des Brunnens
gerechnet, die Arbeit aufgegeben werden musste.
Das dritte Bohrloch ist dasjenige, welches in der grünen
Schanzstrasse an der Grenze der Neustadt und an dem Be-
ginne der Senkung des Terrains gelegen ist. Bei der von mir
aufgestellten Ansicht über die Entstehung des Oderthals halte
‚ich gerade diese Bohrung für ungemein wichtig, theils weil
- sie überhaupt die tiefste der hier ausgeführten ist, theils weil
sie gerade in der Bruchstelle des gehobenen Stromufers liegt.
Ich gebe die Schichtenfolge nach einem Vortrage, welchen der
Köhrmeister Prürz, der die Arbeit ausführte, in der hiesigen
polytechnischen Gesellschaft gehalten hat, welchem ich nur das-
jenige aus seiner unmittelbaren Mittheilung beifüge, was später
„noch erbohrt wurde. Der Brunnen wurde anfangs in einer
Weite von 9 Fuss angelegt und bis zu einer Tiefe von 75 Fuss
mit Holz -ausgebaut. Da man bei dieser Tiefe einen sehr
wasserreichen Thon fand (die gewöhnliche Wasserader der
oberstädtischen Brunnen), so wurden jetzt eiserne, 8 Fuss lange
und 8 Zoll weite, gegossene Röhren eingesetzt, mit denen man
. . = . . . a
bei einer Belastung bis zu 900 Centnern bis zu 280 Fuss Tiefe
Zeits. d.d. geol. Ges. XVIIl. 4. 51
7.
gelangte, wo sie nicht mehr weiter zu treiben waren. Es wur-
den daher nunmehr schmiedeeiserne Röhren von starkem Eisen-
blech und geringerer Dimension in die früheren Röhren herab-
gesenkt und mit: diesen bis zur gegenwärtigen Tiefe vorge-
drungen. Die erbohrten Schichten waren:
6 Fuss aufgeschütteter Boden;
- bis 30 Fuss Lehm mit Sandadern;
bis 71 Fuss Thon, worin ein wohlerhaltenes Exemplar von
Fusus multisulcatus ;
bis 101 Fuss Triebsand;
bis 147 Fuss blauer Thon;
bis 153 Fuss feiner, graublauer Triebsand;
bis 162 Fuss grauer, sandiger Thon;
bis 186 Fuss scharfer Sand mit Muschelbrocken und Braunkoh-
lenstucken;
bis 256 Fuss grauer, sandiger Thon;
bis 264Fuss Sand mit verschiedenen kleinen Geschieben von
Quarz, Kalk, Schiefer und bituminösem Holze;
bis 275 Fuss Thon mit Sand;
bis 290 Fuss Kies mit Quarzbrocken und Sand:
bis 303 Fuss schwarzer Thon;
bis 335 Fuss blauer Thon mit vielem Sande, kleinen Geschie-
ben der norddeutschen Diluvialsande und nadel-
knopfgrossen Muschelfragmenten;
bis 355 Fuss schwarzer, sehr fester Thon;
bis 361 Fuss Kreide.
Mehrere dieser Erdschichten sind von mir persönlich in
Augenschein genommen und zum Theil selbst untersucht wor-
den, doch habe ich sie nicht Schicht für Schicht genau verfolgt,
weil der Anfang des Baues keine von den gewöhnlichen Dilu-
vialgliedern abweichende Funde gewährte, später die Arbeit
mehrfach unterbrochen war, während des Sommers 1863 aber
durch die bevorstehende Versammlung der Aerzte und Natur-
_forscher meine Zeit zu sehr in Anspruch genommen wurde.
Jetzt ruht die Arbeit seit längerer Zeit, und es ist wenig Aus-
sicht vorhanden, dieselbe wieder aufgenommen zu sehen, uu-
geachtet das Auffinden von Kreide sehr dazu ermuntert. Um
die Natur und Beschaffenheit dieser Kreide näher bestimmen
zu können, habe ich dieselbe selbst durch Abschlämmen geprüft,
und Herr Apotheker MARQUARDT hat dieselbe chemisch unter-
795
l
sucht. Die erstere Operation ergab als Rückstand eine be-
deutende Quantität diluvialen Sandes und kleiner Kiesgeschiebe,
zugleich Fragmente von Muscheln, Cidaritenstacheln, Stielgliedern
von Crinoiden u. s. w. Bei der chemischen Analyse wurden der
Vergleichung halber auf meinen Wunsch noch einige andere
pommersche Kreiden untersucht, und es ergaben sich daraus
folgende Resultate:
1) Rügener Kreide, bei 100° C. getrocknet, gab
Kalk Thon
9259844 102.
2) Lebbiner Kreide, ebenso behandelt, . 87,3 12,7.
3) Kreide aus der Wolfsschlucht bei Fin-
kenwalde . . . 18,69. 21431.
4) Kreide von der amentierhrils „Stern
; bei Finkenwalde . . 18:19 225.
5) Kreide aus dem hole. an ie grü-
nen Schanze . . ddr AnldiX.
6) Dieselbe nach der. ae 1
Bandes. u,"1. a armen:
Der Thon aus der seen ae ist fast weiss, fuhrt sehr
wenig Koble; der Thon aus der Lebbiner Kreide spielt sehr
wenig in’s Graue; dann folgt der noch etwas dunklere Thon
‚der Kreide aus dem Bohrloche und zuletzt die Kreide von
Finkenwalde, die einen blaugrauen Thon enthält. Dieser Ana-
Iyse zufolge steht die Kreide von der Cementfabrik ‚Stern‘
derjenigen von der Wolfsschlucht bei Finkenwalde in Bezug auf
die chemischen Bestandtheile so nahe, dass sie wohl unzweifel-
haft als identisch angesehen werden können, was auch aus dem
nahen Aneinanderliegen zu schliessen und von mir auch früher
so gedeutet worden ist. Es möge hierbei noch erwähnt wer-
den, dass bei der Oementfabrik aus derselben bereits zahlreiche
der charakteristischen Kreideversteinerungen ausgewaschen wur-
den, namentlich Gryphaea vesicularis, Terebratula carnea, pumile,
elegans,, Ananchytes ovata u. m. a. Die Kreide aus dem hie-
sigen Bohrloche steht der Lebbiner Kreide am nächsten, und
es. kann dabei überraschen, wie nahe sie durch das Aus-
schlämmen des diluvialen Sandes der Finkenwalder Kreide
tritt. Die wichtige Frage, ob diese Kreide, in welcher das
Bohrloch gegenwärtig steht, ein blosses Geschiebe sei, oder
ob sie ‚bereits anstehe, ist bei der Aufgabe der Arbeit freilich
ol?
796
nicht, mehr zu erledigen, indess wird es mir sowohl aus dem
grossen Gehalte an diluvialem Sande, als auch aus der grossen
Aehnlichkeit mit der Lebbiner Kreide wahrscheinlicher, dass
sie aus einem blossen Geschiebe bestehe. Wollte man sie
unter den jetzigen Verhältnissen als anstehend ansehen, so
würde eine grössere Aehnlichkeit mit der im Kamminer und
Saatziger Kreise, höchstens der auf der Insel Gristow anste-
henden erwartet werden mussen, von welcher sie jedoch wesent-
lich verschieden ist.
Fünfzig bis sechszig Schritte von obiger Bohrung entfernt,
auf dem Hofe der Apotheke „„zum Greifen‘, befindet sich ein
Brunnen, der nach der Mittheilung des Besitzers derselben,
Herrn Apotheker MarquArpr, bei 75 Fuss Tiefe ebenfalls im
Thon ein Wasser gab, welches seiner thonigen Beschaffenheit
wegen unbrauchbar erachtet werden musste. Die Bohrung
wurde daher fortgesetzt, und als man bis auf 150 Fuss Tiefe
gelangt war, füllte sich plötzlich die Röhre mit Wasser bis zu
dem ungefähren Stande der allgemeinen Wasser oder der ober-
städtischen Brunnen (zwischen 70—80 Fuss). Dieses Wasser
war anfangs ebenfalls noch stark thonhaltig, zeigte aber nach
fleissigem Auspumpen viel Gyps, so dass im Destillirkolben
bei der Bereitung von Aqua destillata statt des gewöhnlichen
Kesselsteins sich schöne Gypskrystalle bildeten. Gegenwärtig
nach mehrjährigem Gebrauche sind die mineralischen Bestand-
theile ziemlich auf das gleiche Verhältniss aller übrigen ober-
städtischen Brunnen herabgesunken, und das Wasser ist zu
allen ökonomischen Zwecken brauchbar. Da die nächstgele-
genen städtischen Strassenbrunnen nach verschiedenen Rich-
tungen hin nur die gewöhnlichen Verhältnisse darbieten, so
kann das in den beiden genannten Bohrbrunnen getroffene
Thonlager nur in einem grossen diluvialen Thongeschiebe be-
stehen.
' Ich halte die bisher angegebenen Thatsachen, denen sich
noch zahlreiche andere, mit geringerer Genauigkeit aufgenom-
mene, aber in ihren Resultaten gleiche an die Seite stellen
lassen, fur ausreichend, um den vollgiltigen Beweis zu führen,
in wie hohem Grade alle geologischen Erscheinungen, welche
das Oderthal darbietet, von denjenigen verschieden sind, welche
oben in Bezug auf Erosionsthäler in diluvialem Boden angegeben
wurden. Esist nicht eine einzige unter allen Erscheinungen, von
797
welcher man eine Uebereinstimmung mit jenen nachweisen
könnte, wenn man nicht etwa, um doch einen Einwurf zu ma-
chen, die allerjüungsten geringen Abschwemmungen der Ufer
dahin rechnen will, welche ein schmales Vorland der Höhen
bilden, aus ganz bunt durcheinander geschobenem Materiale
bestehen, sich nicht selten bis über die Wiesen des eigentlichen
Thales herabsenken, mit der Bildung des grossen, breiten Oder-
thales zwischen den beiderseitigen Höhenzügen aber gar keine
Gemeinschaft haben. Eine nähere Vergleichung zeigt dort
seichte, abgeflachte Ufer mit geringerer Böschung, die sich fast
gleichmässig wie am Ufer selbst, so in das Flussbette hinein
fortsetzt, hier jahe, steile Gehänge, welche in geringer Pa-
rallelrichtung mit dem Thale im schroffsten Absturze bis meh-
rere hundert Fuss tief fast senkrecht abfallen; dort ebene, vom
‘ Winde und Wasser abgeschliffene Uferlinien, hier schroffe,
kuppen- oder domartige Hugel von tiefen, oft erst weiter hinter
ihnen landeinwärts gelegenen Thälern umgeben; dort Ufer, de-
ren Inneres die gleichen allgemein verbreiteten Materialien des
Diluviums in leidlich regelmässiger, übereinstimmender Lage-
rang in sich schliesst, hier in den kuppenartigen Höhen einen
dem Diluvium fremden, einer besonderen Gebirgsformation ent-
nommenen, in sich einigen Kern, der in verschiedenartigster
Lagerung seiner Schichten das zweifelloseste Bild eines gross-
artigen Umsturzes der nächstvorhergehenden geologischen Ge-
birgsformation an sich trägt, überdeckt auf allen Seiten von
einem durchaus verschiedenen Materiale, welches einer viel
neueren Epoche angehört; dort Flussthäler, angefullt mit den
unter einander gespülten Gliedern des Diluviums, hier die sicht-
baren Trümmer der zerbrochenen Uferränder, gleich den Bau-
stucken eines mächtigen umgestürzten Mauerwerkes, die der
gewaltigste Zahn der Zeit, ungeachtet sie der Einwirkung eines
der mächtigsten Zerstörungsmittel ausgesetzt sind, durch tau-
sende von Jahren noch nicht aufzulösen und mit anderen Be-
standtheilen des Bodens zu einem gleichartigen Gemenge zu
verarbeiten vermochte, wechsellagernd vielmehr mit den reinen
Schichten des Diluviums und zuletzt mit den jüngsten Forma-
tionen der Jetztwelt überdeckt! Bei einer unbefangenen Prü-
fung aller dieser unleugbaren Verschiedenheiten kann man sich
dem Urtheile nicht verschliessen, dass eine so grosse Ver-
schiedenheit in der ganzen Bildung, wie in allen einzelnen Er-
798 |
scheinungen, unmöglich den gleichen Ursachen ihre Entstehung
verdanken könne.
Ebensowenig aber, wie diese Erscheinungen mit den
Flussbetten oder Flussthälern im lockeren Diluvialboden uber-
einstimmen, tragen sie die Eigenthümlichkeiten derjenigen Ufer
und Flussbetten an sich, welche durch Auswaschung harter
Gesteine entstanden sind, d. h. der Erosionsthäler im harten
Gesteine, wie sie z. B. die Ufer der Elbe in der sächsischen
Schweiz oder des Niagara darbieten. Die petrographische Be-
schaffenheit unserer geologischen Glieder zeigt, dass die locke-
ren Glimmersande hervorgegangen sind aus der Zertrümmerung
eines überaus harten Sandsteins, welchen wir noch in den ein-
zelnen Brucehstucken des grossen Trümmerwerkes wieder zu
erkennen vermögen, und dessen in früheren Mittheilungen aus-
führlicher Erwähnung geschehen ist. Nach den Beispielen,
welche wir an anderen Orten bei ähnlichen Felsarten beobach-
ten, würde mit Sicherheit angenommen werden können, dass
die dauernde Einwirkung der Gewässer auch diesen Sandstein
bewältigt haben würde, gleichwie wir jetzt in den Bruchstücken
desselben das Wasser als wesentlichstes Auflösungsmaterial
anerkennen. In diesem Falle aber mussten die Ufer dieselben
Erscheinungen darbieten, die wir an anderen Orten antreffen,
wo derselbe Weg der Zerstörung nachweisbar wird; wir wur-
den hohe, glatte, steil abfallende Wände finden, an denen die
Wirkungen langsam nagender Gewässer bemerkbar wären, also
Reibungstlächen, wie wir sie als Wirkungen des Gletschereises
sehen, selbst Unterwaschungen wurden nicht fehlen dürfen,
oder im Falle, dass Brüchigkeit des Unterlage-Gesteins einge-
treten wäre, mussten die Erscheinungen denen ähnlich werden,
welche der Niagara darbietet; das Oderthal wurde dann bei
gleicher Tiefe, wie es sich durch die Bohrungen nachweisen
lässt, lediglich rein diluviale Materialien im innigsten Gemische
mit aufgelösten Tertiärbestandtheilen, Thon und Sand, darbie-
ten müssen, höchstens in den oberen Schichten mit Spuren
beginnender Vegetation wechsellagernd, je nachdem diese durch
periodisch verschiedenen Wasserstand begünstigt wäre. Nie-
mals aber würden so grossartige Zerstörungen der Ufer bis
auf weite Entfernungen landeinwärts mit den vorher angege-
benen Veränderungen möglich geworden sein, niemals würden
so grossartige Blöcke des an sich leicht zerstörbaren Thones,
“
799
nirgend ähnlich :zertrümmerte Bruchstücke des harten Gesteins
sich haben erhalten können, welche nach allen Anzeichen ihre
Zerstörung und Auflösung zu Sand erst erfuhren, nachdem die
grossartigste Zertrümmerung vorangegangen war; niemals würden
das Oderthal oder seine Uferränder bis auf mehrere Hunderte
von Fussen hinab die grossen, isolirten Blöcke Thon in sich
haben bergen und erhalten können, die wir noch jetzt und
zum Theil in ganz unveränderter petrographischer Beschaffen-
heit daselbst antreffen.
Ueber die Art und Weise aber, wie die Entstehung eines
so abweichend gebildeten Flussthales gedeutet werden könne,
geben uns die entfernteren Lagerungsverhältnisse unserer Erd-
schichten Aufschluss, wenn wir diese von einem allgemeineren
und weiteren Standpunkte aus in’s Auge fassen.
Durch ältere geologische Untersuchungen GIRARD’s *) ist
es bereits festgestellt, dass die Aufeinanderfolge der Gebirgs-
schichten in Norddeutschland von Südosten nach Nordwesten
vorschreitet; ihre Streichungslinie ist von Nordosten nach Sud-
westen, ihr Einfallen nach Nordwesten; die Einfallswinkel
scheinen aber noch nicht überall und übereinstimmend festge-
stellt zu sein. Was nun die dem Oderthale nahe liegenden
und zu ihm gehörigen Schichten betrifft, so findet sich, nach-
dem die durchaus zerstörte und verworfene Parallelstrecke der
Oderufer verlassen ist, jenseits dieser die erste regelmässige
Lagerung der Schichten etwa eine bis anderthalb Meile land-
einwärts auf dem rechten Öderufer in den Braukohlengruben
von Mühlenbeck, woselbst die fast regelmässig gelagerten Koh-
lenflötze unter einer Streichungslinie von Nordosten nach Süd-
westen, jedoch unter einer geringen Neigung von etwa 5 Grad
nach Südosten, also gerade in der entgegengesetzten Richtung
einfallen, als das regelmässige Lagerungsverhältniss es erfor-
dern würde. Auf dem linken Ufer ist nicht nur an keinem
Punkte ein regelmässiges Einfallen oder Streichen der Schich-
ten mit Sicherheit nachweisbar, sondern die zertrümmerten
und verworfenen Bruchstücke der tertiären Glieder senken sich
so bald von dem höchsten Punkte bei der Kolonie Vogelsang
(400 Fuss), welchen sie in der Mitte des Hochplateaus einneh-
men, nach Westen abfallend in die Ebene, dass schon in der
*) Deutsche geologische Zeitschrift, Bd. I, S. 339 fg.,
800
Entfernung von kaum einer Viertelmeile die ganze Erhebung
des Bodens nicht mehr über das allgemeine Niveau von 70 bis
‘80 Fuss über dem Nullpunkte der Oder herabsinkt, sofort aber
auch das Diluvium dergestalt die Oberfläche deckt, dass in
den Höhenzugen nur noch stark mit diluvialem Sande ver-
mischte Ueberreste des Septarienthones als oberste Glieder
erkennbar werden, der tertiäre Sand und Sandstein aber gar
nicht mehr aufgefunden werden. Regelmässige Lagerung der
Schichten findet sich auf diesem (linken) Ufer erst in weiter
Entfernung südlich von Stettin bei dem Dorfe Flemsdorf un-
weit Schwedt, aber nach PLerrxer’s Mittheilungen *) streicht das-
selbe in h. 6, also ziemlich genau von Östen nach Westen
und fällt mit 60—70 Grad gegen Süden ein. Die Kohlenflötze
in der Nähe der Städte Pyritz und Stargard dürften für die
gegenwärtigen Untersuchungen als von den Oderufern zu ent-
fernt liegend von geringerer Bedeutung sein.
Die unbefangene Prüfung dieser ungewöhnlichen und auf-
fallenden Lagerungsverhältnisse im Ganzen in Verbindung mit
der Beschaffenheit des ganzen Oderthales bieten eine so über-
einstimmende Unregelmässigkeit dar, die Gesammtheit ihrer
Einzelheiten steht dergestalt nach allen Richtungen hin im
Widerspruche mit allen Erscheinungen, welche wir bei reinen
Erosionsthälern anzutreffen gewohnt sind, dass die Annahme einer
Entstehung des Oderthales auf dem Wege diluvialer Auswa-
schung gänzlich abgewiesen werden muss, und dass der einzige
Weg der Erklärung für die Entstehung desselben nur zu der
Annahme führt, dass das Oderthal eine plutonische Erhebungs-
spalte ist, bei welcher die Hebung nicht genau senkrecht von
innen nach aussen erfolgt ist, sondern sich zugleich in gerin-
gem Grade von Osten nach Westen gerichtet hat, so dass der
Druck in etwas stärkerem Maasse gegen das linke Ufer als
gegen das rechte ausgeübt wurde. Nimmt man aber diese Ent-
stehungsweise zum Ausgangspunkte weiterer Betrachtungen, so
werden nicht allein alle lokalen Erscheinungen in der unge-
zwungensten Weise anschaulich, sondern es knüpfen sich daran
ebenso ungezwungen sehr wichtige Ergebnisse rücksichtlich
der Zeit der Entstehung und rücksichtlich anderer Thatsachen,
welche mit den hier sich darbietenden in näherem Verhältnisse
*) Deutsche geologische Zeitschrift, Bd. IV, 8. 421.
801
zu stehen scheinen. Für die Oderufer selbst ist augenfällig
die Erklärung der furchtbaren Zertrümmerung derselben mit
ihren in umfassendster Weise sich darstellenden Verwerfnngen
nicht den geringsten Schwierigkeiten unterworfen, und gleicher-
weise erklärt sich die ausserordentliche Tiefe der ganzen Spalte
leicht, da die Mächtigkeit der durchbrochenen Schichten noch
nirgend weiter als höchstens bis zu den aufgefundenen Braun-
kohlenlagern nachgewiesen worden, eine tiefere anstehende
Schicht aber auch hierbei noch nicht einmal aufgeschlossen
worden ist, alle ermittelten Schichten dagegen den Charakter
diluvialer Absätze noch nicht eingebüsst haben. Aber auch
die regelwidrige Lagerung der Kohlenflötze bei Mühlenbeck
und bei Flemsdorf erklärt sich leicht dadurch, dass die ur-
sprünglich nach Westen einfallenden Schichten des rechten
Oderufers durch die Hebung nicht allein bis zur Horizontale,
sondern sogar noch über diese hinaus bis zum schwachen Ein-
fallen nach entgegengesetzter Richtung emporgehoben wurden.
Auf dem linken Ufer musste natürlich der Einfallswinkel nach
Westen oder Nordwesten noch bedeutender werden, und da
die Hebung, wie weiterhin noch nachgewiesen werden soll,
wahrscheinlich mit einer Senkung im Randowthale verbunden
war, so verschwanden die gesenkten Schichten sowohl dort,
als auch auf der westlichen Seite des nördlichen Plateaus bei
Stettin sehr bald in die Tiefe und wurden später vom Dilu-
vium bedeckt. Auch die ganz abweichende Einfallsrichtung der
Kohle bei Flemsdorf lässt, sofern bei der Angabe nicht etwa
ein Irrthum untergelaufen ist, eine Erklärung zu, wenn man
annimmt, dass mit dem Durchbruche des Haupt- Öderthales
eine Parallelspaltung im Randowthale erfolgte, von wo aus die
Hebung dann noch nach Süden fortschritt, wobei jedoch der
hohe Einfallswinkel der Flemsdorfer Schichten einiges Beden-
ken erregt. Die vollständige Erklärung wird daher weiteren
Untersuchungen vorbehalten bleiben müssen. >
Was die geologische Zeit betrifft, in welche die er-
wähnte-grosse Katastrophe zu setzen ist, so kann diese nur als
eine jüngst vergangene angenommen werden, und zwar, da die
ganze Gegend des unteren Oderthales, gleichwie die weiter
entfernt gelegenen Gegenden des Landes vom Diluvium über-
lagert sind, ältere Gebirgsschichten hier aber nicht in Rede
kommen, ist sie in die Zeit nach Ablagerung des Oligocäns zu
802 | a:
stellen. Durch die Bekanntwerdung zahlreicher fossiler Ueber-_
reste der untergegangenen Stettiner Fauna ist es festgestellt,
dass die hiesige Formation dem Mittel-Oligoeän angehört, wo-
gegen die noch jüngeren, Ober-Oligoecän und Mioeän, hier noch
nicht mit Sicherheit haben nachgewiesen werden können, un-
geachtet sie bekanntlich in den benachbarten Ländern, Mek-
lenburg und Priegnitz, vorkommen. Es muss mithin die He-
bung nach der Ablagerung des Mittel-Oligocäns und vor der-
jenigen des Diluviums erfolgt sein. In diese geologische Epoche
fällt dem gegenwärtigen Standpunkte der betreffenden For-
schungen gemäss das Hebungssystem der Westalpen, dem die
jüngsten Hebungen der skandinavischen Gebirge als gleich-
zeitige angenommen werden. Von letzteren scheint es wenig-
stens als ausgemacht angesehen werden zu können, dass sie
erst nach der Ablagerung des Miocäns und jedenfalls vor der
Ablagerung des eigentlichen Diluviums erfolgt seien. Andere
noch jetzt in Schweden fortgesetzte Beobachtungen weisen,
wie bekannt, nach, dass die Erhebung der ganzen skandinavi-
schen Halbinsel noch dauernd stattfindet, ja es ist als sicher
anzunehmen, dass diese fortdauernde Hebung im Nordwesten
der ganzen Halbinsel stärker erfolgt als in der entgegengesetz-
ten Richtung, und dass sogar im Sudosten an einigen Punkten -
Erscheinungen beobachtet werden, welche auf eine geringe Sen-
kung hinweisen. Mit diesen Hebungsverhältnissen Skandina-
viens stimmen nun aber diejenigen der hiesigen Gegend auf
das Vollständigste überein; denn auch hier ist die Hebung im
Norden des Reviers am bedeutendsten (400 Fuss), und ebenso
ist dieselbe auf der westlichen Seite stärker als auf der ost-
lichen. Da nun zugleich die Richtung des unteren Oderthales
mit der Streichungslinie der skandinavischen Gebirge ziemlich
genau übereinstimmt, so entsteht die an Gewissheit grenzende
Wahrscheinlichkeit, dass beide einer und derselben geologischen
Katastrophe ihre Entstehung verdanken. In dieser Annahme
liegt dann zu gleicher Zeit die Bedingung, dass sich die geologi-
schen Erscheinungen, welche sich hier an der Ausmundung des
Oderthals in unverkennbarer Weise darbieten, zugleich im wei-
teren Verlaufe des Thales nach Süden, und namentlich bis in
die Mark hinein, verfolgen lassen mussen, und es ist Aufgabe
weiterer Untersuchungen, diesen Nachweis zu führen. Da in-
dess der ganzen Natur des Thales und den angegebenen Ver-
803
hältnissen gemäss in diesen Gegenden nur die letzten Ueber-
reste, gleichsam die Ausläufer der Spalte getroffen werden
können, so werden die Untersuchungen mit etwas grösseren
Schwierigkeiten verbunden sein, jedenfalls aber würden schon
die Lagerungsverhältnisse der Braunkohlenflötze von Schwedt,
Freienwalde und Wriezen mit Nutzen verwendet werden können.
Das Randowthal, welches schon von GiIRARD a. a. O. als
ein früherer Arm der Oder angesehen wird und ohne Zweifel
ein solcher ist, kann der hier aufgestellten Ansicht zufolge
lediglich als ein grosser, paralleler Seitenspalt neben der durch
das jetzige Oderthal bezeichneten Hauptspalte betrachtet wer-
den, so dass aus dem ganzen früher bestandenen Mittel-Oligo-
cän-Gebiete ein grosses, gleichsam inselförmiges Fragment durch
die gewaltige Katastrophe der Erhebung ausgesprengt wurde,
_ im Süden und Westen begrenzt durch das jetzige Welse- und
Randow-Thal, im Osten durch das Oderthal, im Norden durch
das Haff. Alle im Eingange der gegenwärtigen Mittheilungen
erwähnten und petrographisch nachweisbaren Thäler sind aber
nur als weitere Zertrümmerungen dieser grossen Insel anzu-
sehen, und unter ihnen stellt die jetzige Niederung der Grünen
Wiese in ihrem weiteren Verlaufe durch die erwähnten Seen
bis nach Neuwarp offenbar einen mittleren Nebenarm zwischen
der Oder und Randow dar.
Eine grössere Schwierigkeit als die Erklärung der hiesigen
nächsten Lokalverhältnisse aus der vorgetragenen Ansicht ist
die Erklärung des Verhältnisses der Ostsee aus derselben. Da
es jedoch geologisch feststeht, dass mit grossartigen Erhebun-
gen der Gebirge meistentheils entsprechende Senkungen be-
nachbarter Gegenden Hand in Hand gehen, so erscheint die
Annahme zulässig, dass die Ostsee einer solchen Senkung,
welche in diesem Falle die centrale Erhebung rings umgiebt,
ihre Entstehung verdanken möge. Dieser Ansicht würde nicht
allein die Beschaffenheit der schwedischen Küsten das Wort
reden, die an Zerrissenheit, Schroffheit und Ungleichheit alles
Erdenkbare übertreffen, wogegen die deutschen Ufer eben,
sandig, abgeglättet sind, sondern es würde auch die Erschei-
nung dadurch erklärbar werden, dass die skandinavische Halb-
insel noch fortwährend emporsteigt, die deutschen Küsten da-
gegen nicht.
Für die Beurtheilung aller besprochenen Verhältnisse zu-
804
gleich mit Hinblick auf. weitere Umgebungen unserer Gegend
scheinen noch folgende Umstände in Betracht gezogen werden
zu müssen. Für die Stettiner Formation ist der Sandstein eines
der wichtigsten Glieder. Er stellt sich an den verschiedenen
Fundorten in allen Abstufungen der Härte dar. Soweit meine
Literaturkenntniss reicht, ist derselbe im Bereiche der märki-
schen Tertiärglieder noch nicht in gleicher Beschaffenheit wie
in Pommern aufgefunden werden, und die Magdeburger Sande,
welche ihm in Bezug auf das geologische Alter gleich stehen,
sind in Bezug auf Oohäsion unseren Sanden gleich zu stellen,
welche aus der Zersetzung des harten Gesteins hervorgegan-
gen sind. Entweder fehlt also das harte Gestein gänzlich, oder
‚es liegt verhältnissmässig viel tiefer als in Pommern. Dagegen
traten die Septarienthone überall an die Oberfläche, oder sie
liegen dicht unter dem Diluvium. Das Letztere ist zwar im
Allgemeinen auch bei Stettin der Fall, aber die regelmässige .
Lagerung tritt erst entfernt von den Ufern auf, in deren Ge-
hängen diese Thone selbst nicht mehr regelmässig gelagert
sind, und die allgemeine Erhebung hier ist eine bedeutende
und übertrifft die Niveauverhältnisse der Mark beträchtlich.
Durch Leor. v. Buch wurde nun zuerst darauf aufmerksam
gemacht, dass die Oder bei ihrem Austritte aus Schlesien an
der Grenze der Mark plötzlich ihre bis dahin verfolgte Rich-
tung von Südosten nach Nordwesten ändert und in fast gerader
nördlicher Richtung der Ostsee zuströmt. GiRARD*) hat diesem
Gegenstande eine umfassende Arbeit gewidmet und den fru-
heren Lanf der Oder durch das Spreethal zur unteren Elbe
hinuber nachgewiesen. Ebenso hat er für die obere Elbe das
frühere Bette durch die Oehre und Aller zur Weser nachge-
wiesen und den älteren Lauf der Weichsel bis zur Oder durch
das Netze- und Warthethal verfolgt. Verstehe ich dabei seine
Meinung a. a.0., S. 345, richtig, so spricht er schon dort die
Vermuthung aus, dass bei der Veränderung des Laufes der ge-
nannten Strome plutonische Kräfte in’s Mittel getreten sein
könnten. Setzt man aber die von mir angenommene Aufstel-
lung mit diesen früher gesammmelten Materialien in Verbin-
dung, so wird es bei einem prüfenden Blicke auf die Landkarte
wahrscheinlich, dass das alte Bette der Weichsel nach der
*) Deutsche geologische Zeitschrift, Bd. I.
805
_ Durehströmung der Netze- und Warthe-Niederung ihren Lauf
noch weiter gegen Westen durch die leichter auflöslichen Thone
der Mark im jetzigen Finow-Bette bis zur Havel genommen,
um mit dieser vereinigt sich in den grossen Binnensee zu er-
giessen, dessen Ueberreste und Grenzen wir jetzt in dem
fruchtbaren Havellande wieder zu erkennen vermögen, von wo
aus dann der allgemeine Wasserabfluss der ostwärts herkom-
menden Ströme durch die jetzige untere Elbe oder frühere
untere Oder erfolgte. Als nun später die jetzige untere Oder-
spalte sich aufriss, stürzten die Gewässer der Weichsel zu-
nächst in die doppelten neuen Betten der Oder und Randow,
von denen das letztere als flacheres, mit schrägeren Ufer naus-
gestattete Nebenbette später wieder versandete, wogegen das
Hauptbette Stand hielt und die Strömung zum Meere führte,
Indem aber die Spalte noch weiter nach Suden vorschritt,
wurden auch die Gewässer der aus Schlesien kommenden Oder
nach Norden geleitet,. bis endlich überall die Ablagerung des
Diluviums die jetzt noch sichtbaren Umwandlungen allmälig zu
Stande kommen liess. Zu letzteren gehören die Versandungen
fast aller Nebenspalten, welche weiter oben aufgeführt wurden
und die Bildung der Wasserscheiden in ihnen, die dadurch
hervorgebrachte Deltabildung, auf der die Stadt Stettin mit
Grabow steht, die Ausfullung des grossen Oderthales selbst
mittelst diluvialer Schichten, welche mit Thonbänken der zer-
trümmerten Fragmente der grossen Septarienthonmassen wechsel-
lagern, und deren grosse Fragmente wir im Diluvium überall
in kuchenförmiger oder muldenförmiger Gestalt antreffen, und
die ich in dieser Umänderung, da sie stets mit diluvialem Sande
gemischt sind, mit dem Namen der diluvialen Septarienthone
oder der unreinen blauen Thone zu bezeichnen pflegte, da sie
sich von den in einzelnen grossen Blöcken abgelagerten, sand-
freien, reinen Septarienthonen, in welchen die Septarien selbst
in trefflichster Lagerung angetroffen werden, wesentlich unter-
scheiden.
Seit ich zuerst die hier weiter ausgeführte Ansicht der
Oeffentlichkeit übergab, *) hat auch Herr Dr. Born in Neu-
Brandenburg in Folge seiner Studien über die Ostseeländer
seine Ansicht dahin ausgesprochen, dass das Oderthal eine
*) Deutsche geologische Zeitschrift, Bd. XV, 1863, S. 452,
806
Hebungsspalte sei. *) Da derselbe ohne die genaue Kenntniss
der hiesigen Lokalität und von anderen Vordersätzen ausgehend
zu demselben Resultate gelangt ist, wie ich selbst durch die
unmittelbare Anschauung, so gewinnt die ganze Auffassung
wesentlich an wissenschaftlicher Sicherheit. Um dieselbe in-
dess zu einer allgemein angenommenen wissenschaftlichen That- .
sache zu erheben, werden noch weitere Untersuchungen noth-
wendig werden, und es ist namentlich im höchsten Grade
wünschenswerth, festzustellen, wie die Parallelstrome der Oder
— Weichsel und Elbe — sich in- dieser Beziehung auf den
betreffenden Strecken ihrer Ablenkung vom früheren Laufe, also
von Bromberg bis zur See resp. von Magdeburg bis in die
Gegend von Havelberg und Wittenberge, verhalten. Wahr-
scheinlich werden die Hebungserscheinungen nicht in ebenso
vollständiger Entwickelung erkennbar sein, da beide Ströme
gleichsam nur die Nebenwirkungen der eruptiven Thätigkeit
erfahren haben, und wurde dieser Umstand bei den Untersu-
chungen nicht aus den Augen zu verlieren sein.
*) Meklenburgisches Archiv für 1869.
807
7. Analyse der Glimmer von Utö und Basten und Be-
merkungen über die Zusammensetzung der Kaliglimmer
überhaupt.
Von Herro €. Rammeıssere ın -Berlın.
Keine der grossen und wichtigen Mineralgruppen bietet
in krystallographischer, optischer und chemischer Hinsicht so
viel Eigenthümliches und zum Theil Unerklärbares, wie die
Glimmer. Ihre Structur und ihre meist wenig messbaren
Krystalle liessen sie lange für sechsgliedrig halten; eine gut
krystallisirte Abänderung (vom Vesuv) wurde als zwei- und
eingliedrig erkannt, später für _zweigliedrig-partialflächig er-
klart, bis sich zeigte, dass ihre Form geometrisch in aller
Strenge ebensowohl sechsgliedrig, als zweigliedrig oder zwei-
und eingliedrig gelten könne.
Uebrigens ist neuerlich die angebliche zweigliedrige Partial-
flächigkeit durch ann Beobachtungen widerlegt (Hrs-
SENBERG).
In optischer Beridhind unterschied man lange ein- und
zweiaxige Glimmer. Allein man nimmt jetzt gewöhnlich an,
dass die anseheinend einaxigen solche sind, deren beide Axen
einen sehr kleinen Winkel machen, da man gefunden hat, dass
optisch zweiaxige Blättchen, in einer um 90° gekreuzten Stel-
lung auf einander gelegt, so dass die Ebenen ihrer optischen
Axen sich gleicher Art schneiden, die Erscheinungen optisch
einaxiger Krystalle zeigen. ' :
Aber nicht allein ist der Winkel der optischen Axen bei
den Glimmern ein äusserst veränderlicher, von 0° bis 77° ge-
hend, obwohl die Mittellinie immer senkrecht zur Spaltungs-
fläche steht und negativ ist, sondern die Ebene der optischen
808
Axen ist bei manchen Glimmern senkrecht gegen diejenige
anderer. Die Untersuchungen lassen erkennen, dass solche
verschiedene Glimmer, verschieden in der Grösse des Winkels
und in der Lage der Ebene der optischen Axen, an einem
Fundorte vorkommen (WARWwICcK). 3
Unwillkürlich erinnern diese Verhältnisse der Glimmer
an die von ScaccHı zur Sprache gebrachten Fälle von Poly-
symmetrie. Das zweigliedrige, optisch zweiaxige schwefelsaure
Kali ist geometrisch gleich dem schwefelsauren Kali -Nairon,
welches sechsgliedrig und optisch einaxig ist. Wenn dies be-
weist, dass die künstlichen Abtheilungen, welche wir den Sym-
metriegesetzen der Krystalle anpassen — unsere Krystallsysteme
—, dem Reichthume der Erscheinungen nicht Genüge leisten,
so müssen die Glimmer besonders zu einem weiteren Studium
anregen, und es wäre wohl denkbar, dass es unter ihnen auch
wahre optisch einaxige gäbe. ;
Die chemische Unterscheidung der Glimmer erfolgt
vorläufig am besten nach der Natur der sogenannten starken
Basen, welche die Analyse aus ihnen darstellt. Denn finden
wir auch manche derselben in allen Glimmern wieder, so tritt
doch eine in der Regel bei einer ganzen Abtheilung als herr-
schend hervor.
Alkaliglimmer nenne ich daher solche, welche durch
ein Alkali charakterisirt sind. Unter ihnen sind die wichtig-
sten die Kaliglimmer von heller Farbe, 46 — 50 pCt. Kiesel-
saure und im Mittel 10 pCt. Kali gebend, neben ihm nur
wenig Magnesia und höchstens 8 pCt. Eisenoxyd. Viele
scheinen nur Spuren von Natron, einige bis 5 pCt. zu ent-
halten. Fluor ist wohl, wenn auch nur in kleiner Menge, doch
wahrscheinlich in allen enthalten, und vom Wasser, glaube
ich, gilt dasselbe. Der Winkel ihrer optischen Axen ist. gross.
Die Natronglimmer (Paragonit), feinschuppige, helle
Glimmer, sind bis jetzt wenig bekannt. Ausser Natron, dem
stets Kali beigesellt ist, sind kaum andere starke Basen darin
enthalten. i
Die Lithionglimmer, optisch den Kaliglimmern gleich,
enthalten neben vorherrschendem Kali auch Lithion und Na-
tron und sind durch ihren hohen Fluorgehalt und ihre Schmelz-
barkeit ausgezeichnet. Theils eisenfrei ( Lepidolith), theils
eisenhaltig, entbehren sie aller anderen starken Basen fast ganz.
809
Vor Kurzem habe ich zwei Kaliglimmer untersucht, den
goldgelben von Utö, den H. Rose vor 50 Jahren in BerzeLıus’
Laboratorium analysirte bei Gelegenheit der Arbeit, welche
ihn zur Entdeckung des Fluors in den Glimmern führte. Ich
wünschte zu wissen, in wie weit die Fortschritte der Mineral-
analyse bei einer Wiederholung Aenderungen des früheren Re-
sultats bewirken können, was in’s Besondere fur Fluor, Wasser
und die Alkalien in Frage kommt.
Der zweite ist hellbräunlicher, in dünnen Blättchen farb-
loser Glimmer, der, von Orthoklas und Quarz begleitet, in
grossen sechsseitigen Prismen zu Easton in Pensylvanien vor-
kommt.
Das Volumengewicht des Glimmers von Utö ist —= 2,836,
des von Easton = 2,904, und das Resultat der Analysen, wo-
bei ich H. Rose‘; s Zahlen beifüge ist:
Uto Easton
H. Rose
Masger;s :.! = 19:91, 2.923,30 2,50 - 3.96
Bier ba: ,;....:.0,96 1,32 1,05
‚ Kieselsaure . .. . ...47,50 45,75 46,74
Ehonerde usa: 35848420 395,48 35,10
Bisenaxyd.. ur 20.2. 8,20 1,86 4,00
Eisenoxydul . . . _— 1,93
Manganoxydul . . " 0, 90 0,52 ——
Masnesa,. ..0. .. 0. 0,42 0,80
Bat Dee. .....%..9, ‚60 10,36 9,63
Natronss.t, + 4.0 u... — 1,58 Spur
101,66 3923 10221
Der Glimmer von Utö enthält so wenig Eisen, dass eine
besondere Prüfung auf die Oxyde desselben nicht nöthigist. Was
zunächst den Glimmer von Uto betrifft, so stimmen H. Rose’s
und meine Analyse in dem Verhältnisse von Kieselsäure und
Thonerde sehr genau überein. Es ist nämlich
Al:Si=1:2,18 At. bei H. Rosz,
| —1 2,20: At,»bei mir.
Auch wenn das sämmtliche Eisen als Eisenoxyd voraus-
‚gesetzt und sein Aequivalent dem Al hinzugerechnet wird, bleibt
das Verhältniss ziemlich unverändert, trotzdem H. Rosz fast
doppelt so viel Eisen (2,24 pCt.) fand als ich (1,3 pCt.); es
wird nämlich: |
Zeits. d.d. geol. Ges. XVIII.4. n 52
810
(Al, Ee):Si=1: 2,07 H.R.
| == It. 2/l33»Re;
Anders aber gestaltet sich das Verhältniss des Kaliums
zu jenen beiden Elementen. Denn jenes ist bei H. Rose
= 7,97, bei mir aber, mit Zurechnung des Natriumäg., = 10,60,
d. h. ich habe $ mal so viel gefunden als H. Rose. Auch-
wird diese Differenz nicht ausgeglichen durch die kleinen Mengen
Mangan und Magnesium, welche bei mir = 1,39, bei H. Rose
nur = 0,9 Kalium sind. Daher kommt es, dass das Atomen-
verhältniss K (Na, Mg, Mn): Al oder Si in beiden Analysen
nicht unerheblich differirt. Es ist namlich:
K.Al,(Ee) = 1:1,10° .-K: ss = PS 3ER.
— 16 — Leo:
Wird das Eisen als Oxydul berechnet oder, richtiger ge-
sagt, als zweiwerthig dem Mangan und Magnesium zugetheilt,
so ist nach seiner Verwandlung in das Kaliumäquivalent:
K«Fe):Al=1:1,1&% KiFe): Ss =1:2,@u
1:29 =1:3,9 Be
In der früheren Art in Sauerstoffverhältnissen ausgedrückt,
würden diese Berechnungen geben: Sauerstoff von
(H. Rose) (RAMMELSBERG)
R:R=1: 9,6 1: 70
R:Si=1: 1,38 1: 1,42
R:Si=1:13,2 1:10
R, R:Si=1: 1,25 1: ‚1,24
also:
R:R:Si=1: Be ee
Oder, wenn das Eisen lediglich als Oxydul berechnet wird:
(H. Rose) (RAMMELSBERG)
R:Al=1:7 1.,5,9
M1:Si=1: 1,45 1-35
R:Si=1:10 1:8,65
R, ÄAl:Si=1: 1,27 1: 1,26
also
RER 10 8,65
REA1I,SI LT: 1: 1 5,9: 1 gran
810.15
81l
Bei diesen Berechnungen ist aber auf das Wasser keine
Rücksicht genommen. H. Rose hatte bereits das Wasser als
chemisch gebundenes bezeichnet, und ich habe mich überzeugt,
dass die Glimmer, nachdem sie bei einer dem Glühen nahen
Temperatur erhalten worden, in starker Hitze oft eine bedeu-
tende Menge Wasser liefern, welches von Fluorkiesel oder
vielmehr Kieselsäure und Kieselfluorwasserstoffsäure begleitet
ist. Bei dem Glimmer von Utö betrug dieser Verlust 4,3 pCt.*).
Rechnet man die dem gefundenen Fluorgehalte entsprechende
Menge Fluorkiesel ab, so bleiben 2,3 pCt. Wasser.
Den neueren Ansichten zufolge ist der Wasserstoff des
Wassers ein Vertreter des gleich ihm einwerthigen Kaliums;
er muss folglich bei der Berechnung diesem zugefügt werden.
Thut man dies bei den beiden von mir untersuchten Glimmern,
so werden die Atomverhältnisse viel einfacher wie sonst.
Atomverhältniss von
Bu. 220.K,:Al:;Sı H.K:Al: Si
Be 0473°7),20,86. 712,193 = 1,65#1 :2,13
Bastom- 1,0) »0,8 2:1 2212 = 1,8: 1 :2,12:
Mit einer kleinen Correktion für die am schwersten genau
bestimmbaren Elemente H und K sind also nicht allein beide
Glimmer gleich, sondern auch höchst einfach zusammengesetzt,
denn das Atomverhältniss 2:1:2 giebt, wenn H=K,
H
K
Al |
Si?
Mit der Analyse der Glimmer von Aschaffenburg und von
Gossen beschäftigt, hoffe ich später über die chemische Oon-
stitution der Kaligllmmer mehr sagen zu können, will aber
schon jetzt bemerken, dass die Glimmer von Utö und Easton
mit der Mehrzahl aller anderen 1 Atom Al (Fe) gegen 2 Atome
Si, eine Minderzahl 1:3 Atome enthalten, und dass in jener
O°, entsprechend 2H' SiO%.
*) Die Angaben älterer Analysen lassen sich schwer corrigiren,
H. Rose fand im Glimmer von Utö 0,53 pCt. Flusssäure und 2,63 Wasser.
Diese Zahlen wären in 0,96 uud 2,3 zu verwandeln.
**) Diese Zahlen sind in der Wirklichkeit sicher grösser, weil der
geglühte Glimmer nicht alles Fluor verloren hat.
52*
812
ersten Abtheilung But 1 Atom Al(Fe) stets 2 Atome der ein-
werthigen Elemente, K und H, kommen. ’
Verwandelt man in der eben entwickelten Formel die
2 Atome einwerthiger Elemente (K und H) in ihr Aequivalent,
d. h. in 1 Atom eines zweiwerthigen, z. B, Magnesium, so
‘erhält man Mg Al Si’ O°. Beide Formeln drucken die Zusam-
mensetzung von Singulosilikaten aus.
Nun habe ich langst zu zeigen gesucht *), dass die Magnesia-
slimmer Singulosilikate sind. Die vorhergehenden Betrachtungen
lehren, dass auch die untersuchten und noch viele andere
(vielleicht alle) Kaliglimmer Singulosilikate sind. . Es ist meines
Wissens dies der erste auf factischen Grundlagen ruhende
Schritt, die Analogie der Zusammensetzung für beide Glimmer-
arten zu erweisen.
*), Handbuch der Mineral-Chemie, S. 669.
I. Namenregister.
A. hinter den Titeln bedeutet Aufsatz, B. briefliche Mittheilung, P. Pro-
tokoll der mündlichen Verhandlungen.
Seite
Ahr, Muscheikafk bei Saarbrücken .B. . rasen Dh. 19010,4 A00
Bsnm, Ueber die Bildung des unteren Bdecchal. A, DERNDRE 727
Benenot, Marine Diluvial-Fauna in West-Preussen. A. . . . . 174
Beyrıcn, Nekrolog auf Panner und Hagenow. P. . ... 1
— Marine tiluvial-Fauna im Weichselgebiet und dorinischen
SastembeiaMagdesprungr! Prul I vor „usstapiih gob, 19083 716
— Carcharodonzahn von Freienwalde. P. . 2 2 2 2.220.2.088
— Rauckwacken des südlichen Harzrandes. P.. . . . 391
BöLscue, Die Korallen des norddeutschen Jura- und Pireies@es
binges»s! AR 333); ER
H. Creonst, Geognostische Size) aus yreinteh, "Nordamerika: ZEN 207,
Eck, Sandstein von Piekar und Koslawagura in Oberschlesien ; über
das Bildungsalter des Galmei in Oberschlesien. P. . . . .179
— Versteinerungen im Grenzdolomit von Bayreuth... P . . . .. 38
— Ueber die Reichensteiner Quarzzwillinge. A . .. .. 426
- Notiz über die Auffindung von Conchylien im niittieren Bei
schelkalke bei Rüdersdorf. A. . . . A Dilosiieargogr 659
v. EıcuwaLn, Ueber die Neocomschichten Eisslände A. RED AS
v. Gaoppeck, Ueber die Erzgänge des nordwestlichen Oberharzes. A. 695
Günssr, Ueber das Vorkommen hohler Kalkgeschiebe in Bayern 4. 299
v. Heımersen, Ueber neue Mammuthreste in Sibirien. B. . . . 653
v. Kossen, Ueber einige Aufschlüsse im Diluvium südlich und öst-
lich von Berlin. A... 2 FTIR AA REBEL A -20
— Ueber Gastropoden im Hitteloltgocän. a Nr 198
-- Ueber das Alter der Tertiärschichten bei Bünde in WWestpha-
leute rA.n9078u ae are Bobo 2. 4.8:8287
Kuxtn, Ueber die von GerHarnp RokHtrs auf der Reise: von Tripoli
nach Ghadames im Mai und Juni 1805 gefundenen Verstei-
Berungen A... en. Nalllecsciil areas
814
Lasınp, Diluvium. in Westphalen. IB, Sin. „u... u re
— Trias in Helgoland. P., ee...
LAspEyBEs, Ueber Hohlgeschiebe,. PL ....: ..... .. ma
— Pfälzische Eruptivgesteine. P. 2
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rheins. A. a
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— Ueber das Buntkupferz von ro in ifexiko Ana 8 Bin:
stitution dieses Minerals überhaupt A. N
— Ueber den Castillit, ein n.ues Mineral aus Mexiko. A.
— Ueber den Xonaltit, ein neues ee Kalksilikat und
den Bustamit aus Mexiko. A. 5
— Ueber die chemische Natur der Heidepathe, mit ; Rücksicht anf
die neueren Vorstellungen in der Chemie. A... . ». 2...
— Ueber den Enargit aus Mexiko und einen neuen Fundort des
Berthierits. A RT arten nr vuubiill Sb ee
— Ueber Cottait, Carlsbader Zwillinge, Brushit, Metabrushit,
Zeugit, Ornithit, Eozoon canadense. P. ;
— Ueber die Bestimmung des Schwefeleisens in Mefeaniten. A.
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393
691
807
409
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ständen des Eisens. P.
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untergeordneten Glieder im südwestlichen Polen. A...
-
Il. Sachregister.
Seife Seite
Acanthodes-Schichten beiSaar- |: Berthierit ss Safe ee 244
brücken.. . un 406,,.)|;;Bollicame „>; ERS &
Alaunstein von Tolfa . . 598 | Bonebed im Teutoburger e
Albaner Gebirge . . . . 510 | Walde ".- 20 = enge
Alıt. +4». ERIT Braceiano' '? Pe23ugusgEre ul
Ambilypterus nemopterus . 405 Brevismilia conica . . . . 469
Ammonites angulatus . . 42 Brushit.. . .. So wrsere s
= Barmasısı a... Vereine Buntkupfererz . . 19
— WAuerbachi 20,2 Buntsandstein im Polnischen
—aBizchu, 2..02..2 2,00 el er FB
—. Coaninefoni ..- .. .2.22264 Bustamit . . ee
— een 2200.20 %.0264
— «Gmündenss . .. ..4 Camarophoria polonica . . 676
— =Jamesoni =; 2230 | Campagna di Roma . . . 487
—s, Mayorıanusı.. 2072.82 Candona ...: „un 2 2
— obliquestriatus . . ..49 | Carcharodon: u Se
= Oppelir 0.0 2 um eat Cardiola Ba er
—. Banden... '...2,20=299 — striata . . ee
— perampluse.7 0 0 ae Cardium coneinnum - „ . 263
=, "snbtriearınatus. Tu. 22273 Caryophyllia ceylindracea . 461
Anomophyllum Münsteri . 480 Castillit _ - 22 ee
Anerthili ... RE Cephalites infundibuliformis 252
Anthophyllum sessile ir Au — ventricosus . . . . . 20
—. explanatum -. . . „481 Ciminisches Gebirge . . . 579
Astarte mosquensis . . . 262 Cladophyllia grandis . . . 448
Astraea cerıstata” „2... A480 — _nana a. en
== »Jormesa ar. 3480 Coelosmilia cupuliformis . 463
nr BBeunisie. 5. vensl uern dsl — laxa „ u Wu
— oelmbata,. 2..22.2.2%2.580 — -minima. >... 0 a
— sexradiata . . 2.2400 — Sacher „2. a0
Astrocoenia suffareinata .. 458 Conularia retienlata . . . 410
Aucella mosquensis . . . 278 Cordierit’ ». 9.27 wre
Ausit2 2 Per .2008 le Gottait .. su .2r 202 20 Se
Auswürflinge am Laacher See 350 Bumaı..xs > ‚u
Avicula pernoides . . . . 412 | Cyelabacia Fromenteli nn AA
-- semiglobosa .. . . Fu
nn a de — stelliffera . - ,
Basalt . . ar, FASDESNG Cypridina serrato- a abs
Bauxit '. 2...» 11. 180. 481 -|: "Cyprina- nuciformis = u 25
Devon in Polen
im Polnischen Mittelge-
birge .
Diluvial-Fauna .
Diluvium in Westphalen
römisches >
Dimorphastraea Edwardsi
tenuiseptalis -
varioseptalis
Discina Forbesi .
Discoidea infera .
Darren . . ..58ie
Enargit :
Eozoon canadense .
Epiaster brevis
Erzgänge im nordwestlichen
Oberharze
Erzmittel, Form der
Structur der Eiyga
Vorkommen der . . .
Exogyra conica .
Matheroniana .
Overwegi
Pyrenaica
Favia conferta
Feldspath
Fungia coronula
— obliqua
Gabbro an der Nahe
Gangarten im nordwestlichen
Oberharze
Textur der .
Ganggesteine im nordwestli-
chen Oberharze . .
Gangspaltenbildung
Gangthonschiefer
Gault in Mesphaien
Gismondin F
Glimmer
von Utö und Easton
Gold in Virginia
Goniocera socialis
Graptolithen . -
Grenzdolomit in Franken
Gryphaea vesicularis
Hauyn .
Hohigeschiebe !
Holocoenia micrantha
Inoceramus suleatus 2
Insekten im Kohlengebirge .
Isastraea Goldfussiana
193.
Isastraea helianthoides
Koechlini
Ischia . . Set 8;
Jura in Polen
in Pommern
— 242.
Kainit . .
Keuper am Teutoburger Walde
in Polen
im Polnischen "Mittelge-
biege .. ». E
Kohlengebirge bei ae
brücken .
Kreideformation am Teuto-
burger Walde.
in Westphalen
Lagopuzzo e
Latimaeandra plicata 3
Lava sperone \
der latinischen Berge
Schmelzbarkeit der .
Leptaena corrugata
fugax
laevigata
lata
Verneuili .
Leptophyllia alta- .
Grotriani
neocomiensis
recta .
Lettenkohle am Teutoburger
Walde
Leueit-Nosean-Gesteine .
Lias am ae Walde
- bei Rom
Lima abrupta
Fischeri .
Hoperi
Royeriana
Lingula subovalis
Lithodendron gibbosum
similis
stellariaeformis
Maar von Nemi .
Val d’Ariceia .
Maeandrina astroides .
Mammuth in Sibirien
Marialith
Martignano
Megerlia tamarindus
Melanit
Melilith
Metabrushit :
Micrabacia senoniensis
Microsolena Roemeri .
Mittelgebirge, Polnisches
Montlivaultia brevis
excavata
obesa .
sessilis
Strombecki ,
subdispar
turbinaia
Muschelkalk im Tentobutger
Walde
— mittlerer ß
im Polnischen Mittelge-
birge .
Myoconcha eretacea
PS
un
Ne.
Nebengestein der Erzgänge im
nordwestlichen Oberharze
— bei Lautenthal
— bei Bockswiese
Nemi, Maar von .
Neocom in Russland
Nephelin . .
Oderthal
Oligocän in Westphalen
Olivin , Ä
Oolith bei om
Ornithit
Ortbis callactis .
distorta
Kielcensis
pecten
Ostrea armata
gibba .
= lege
larva .
—
Palaeacis compressa
cuneiformis .
— cymba
enormis SE
ObDIUSaH a % 04 0:0
-— umbonata
Palagonit . B
Paragenesis der Miner alien i
Parasmilia conica
cylindrica
Gravesiana .
laticostata .
Pecten concentrice punctatus
Cottaldinus . . .
-—- - erassitesta
— laevis a
— lens
membranaceus 6
818
Pecten orbicularis .
septemplicatus .
Penningerz -
Pentamerus oblongus -
Peperin
Permische Gesteine im Pol-
nischen Mittelgebirge
Phacops a
Phillipsit £ )
Pholadomya radiata
Zhonolith .ı =
Pianura mE
Pinna Cottae Be
cretacea „ee Sr
— Robinaldina
Piperno
Placuna truncata
Plerastraea tenuicostata .
Plieatula placunea .
Pliocän bei Rom -.
Posidonomya venusta .
Protaraea vetusta
Protolycosa anthr acophila
Quarzzwillinge
Rauchwacken am Harz
Rhynchonella acuminata .
antidichotoma .
— deflexa
Gibbsiana
Grayi
Nympha en
pecten Ye
plieatilis .
succisa
sulcata
Rothliegendes bei Saarbrücken
Salenia granulosa . Ä
Salpeterhöhlen in Virginien
Sanidin
Schlacke, krystallisirte
Schwefeleisen, De des
Seeerz .
Septarienthon im Hannöver-
schen . .
Serpula antiquata .
— uneinella R
Silbererze in Schlesien
Silikate, sublimirte
Silur in Thüringen
Sodalith
Spatangus gibbus
Spirifer ne
RB alcoN; "AUBR
"539.
550. "609.
Spirifer heteroclytus .
Nerei
plicatellus
Spirigera obovata
Spirigerina micula .
— reticularis Br
Steinsalz in Lothringen .
Strophomena curta
depressa .
imbrex 2
Stylaraea Roemeri .
Stylina Labechei
limbata
Styliola ferula
Synhelia Meyeri
Terebratella Astieriana
Terebratula albensis
biplicata .
capillata .
depressa
Haidingeri .
ornithocephala
psendojurensis
revoluta Sagen
Robertoni
sella
tenuissima .
vulgaris .
Thamnastraea vulgaris
concinna.
Credneri
dimorpha
Moutoniana . . 267.
454
819
Seite
Thecocyathus cenomaniensis 462
— mactra 3 441
— tintinnabulum . 442
Thecosmilia trichotoma 447
Tolfa 85
Trachyb, = 7; 2 150
— von Cimini. 981
— von Cuma 610
— von Scarrupata . 620
— ‘von Campiglia maritima 639
Travertin . : D01
Trias auf Helgoland 386
Trochus Zetes : 296
Tuff, vulkanischer, = Bor 496
Turbinolia centralis - . 481
— conulus 481
Unteroligocän in Westphalen 288
Ventrieulites costatus 292
Vico : 876
Viterbo >61
Vulkane, Deere der 643
ee Gesteine am
Niederrhein gl
Wollastonit 328
Xonaltit RL.
Zechstein im Polnischen Mittel-
gebirge 681
eu N Er Re SE RE
Verbesserungen.
Seite 18 Zeile 5 von oben lies „‚23“ statt 29,
Seite 179 Zeile 9 von unten lies „Muquardt“ statt Mugenot
Seite 191 Zeile 21 von oben lies ‚„intusiv“ statt intrusiv.
Seite 19! Zeile 24 von oben lies „Trapp, Diorit‘ statt Trappdiorit.
Seite 206 Zeile 13 von unten lies „Kaliumoxydhydrür“ statt Kalium-
oxyhydrür.
Seite 209 Zeile 1 von unten lies „Sis“ statt Si“.
Seite 287 Zeile 12 von oben lies „Brandhorst“ statt Schwarzhorst.
Seite 287 Zeile 9 von unten lies „„Göpner“ statt Göpne.
Seite 258 Zeile 14 von oben lies „Brandhorst‘‘ statt Schwarzhorst.
Seite 29V ist N. 42 Crassatella tenuistria Desn., var. a Nyst zu streichen,
die Namen Astarte subquadrata Puır. und Crassatella tenuistriata
Des». var. a PoıL., non Nvst, sind als Synonyme zu Crassatella Bos-
quelti Kon. zu betrachten, die Nummern entsprechend abzuändern.
Seite 290 Zeile 11 von unten lies „Brandhorst‘‘ statt Schwarzhorst.
Seite 321 Zeile 1 von unten lies „statt“ statt neben.
Seite 321 Zeile 13 von unten lies „ist es ganz gleich, ob man sie ferner,
wie Herr Roru thut, Nephelinit‘“‘ u.s w. statt ist es, wie Herr Roru
thut, ganz gleich, ob man sie ferner Nephelinit u. s. w.
Seite 328 Zeile 2 von oben lies „sogenannten“ statt genannten.
Seite 329 Zeile 9 von unten lies „beiläufige“ statt vorläufige.
Seite 3öl Zeile 3 von unten lies „Dichroit (?)‘‘ statt Dichroit.
Seite 390 Zeile 11 von oben lies „Sodalith (Nosean nach den Untersu-
chungen u. s. w.)‘‘ statt Sodalith (nach den Untersuchungen u. s. w.).
Seite 367 steht der Holzschnitt verkehrt.
Seite 3bS Zeile 9 von oben ist hinter zurückkehrenden einzuschalten:
„übergehen, indem nämlich von den nahe der Stirn gelegenen
Umbiegungsstellen aus die rückkehrenden“.
Seite 369 Zeile 7 von oben lies ‚nähere‘ statt mehr.
Seite 370 Zeile 20 von oben fehlt mich hinter ich.
Seite 372 Zeile 14 von oben lies ‘,,Astierana“ statt Arzierensis.
Seite 372 Zeile Ib von unten ist zwischen ocioplicata und U. Scur. ein
. — einzuschalten,
Seite 373 Zeile 10 von unten lies „den‘ statt dem und Zeile 1 von un-
ten lies „Rheinl, Westph. 1858“ statt Rheinl. 1858, Westph.
Seite 376 Zeile 8 von oben lies „Terebratella“ statt Terebratula.
Seite 46U Zeile 19 von unten lies „13 Cm.“ statt 13 Mm.
Seite 46) Zeile 2 von ‘oben lies „Mahnerberg‘ statt Mehnerberg.
Seite 463 Zeile 3 von oben lies „Kothwelle‘ statt Bothwelle.
Seite 465 Zeile 9 von oben lies „p. 103“ statt p. 509.
Seite 470 Zeile I von unten lies „Apelnstedt“ statt Agelnstedt.
Seite 471 Zeile 18 von oben „, ) » D)
Seite 471 Zeile 25 von oben „ ,„ Re 3
Seite 471 Zeile b von unten lies „19 Mm.“ statt 14 Mm.
Seite 647 Zeile 13 von unten lies „Alkali, Metall“ statt Alkalimetall.
Durck- von J. F. Starcke in Berlin.
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Verzeichnifs der Schächte.
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3. Schwarze-6rubr- 14. Blisabether
4. Vohann Friedercher 15.Derotheer
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6. Juliane Sophie 7. Silbesegene-
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9. Schreibfeder 20 Haus-Braunschmeiger Seht,
10. Kheinischweiner 21/.Meding Schacht .
W.Wilheimer 22. Hilfe-Goteser Schacht .
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Devon Culm Quarzit des Bruchbergs Grünstein Granit Kechstaie u, Türe En en
Zeitschr.d. Tafel XV.
Leopolder Ganges am Güte-des-Herrner —
u der 2 " Tiefen Wasserstrecke zu Lautenthal.
Vert.Schnitt nach A B.
Grundriss
ales Profil durch den Johann-Friedricher Schacht
Be bei Bockswiese.
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Durchschnitt 22 Leite, westl.
vom Alte-Segener Schachte.
TuferCcerg. Stollu
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6 Stwcke
7. Strecke
Se Strecke
Kasendemmer Strecke
Mittel Strecke
Ziefer- Gcorg- Stolln
Obere Zeller Strecke
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Durchschnitt 35 Lehtr.westl
vom Alte-Segener Schachte.
Futten Strecke
Hasendammern Strecke
a — Mittel Strecke
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Durchschnitt A Lehtr.westl.
vom Alte -Segener-Schachte.
St Strecke
Fig.7°
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Nebengestein des Leopolder Ganges am Güte-des-Ierrner —
Tafel AV.
Richtschachte im Nivean der 2 ©" Tiefen Wasserstrecke zu Lautenthal.
"t.Schnilt nach CD. Vert.Schnitt nach A B.
‚Jdeales Profil dureh den Johann-Friedricher Schacht
bei Bockswiese.
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Zeitschrift
Deutschen geologischen Gesellschaft.
XVIHM. Band.
Il. Heft.
November, December 1865 und Januar 1866.
Berlin, 1866. £;
Bei Wilhelm | Hertz (Bessersche Bnchhandung)-
Behrenstrasse No. 7 en 5 GERT
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Inhalt des IV. Heftes.
A. Verhandlungen der Gesellschaft.
Seite.
1. Protokoll der August-Sitzung, vom 1. August 1866 . . .. 649
B. Briefliche Mittheilungen
der Herren v. Heımersen, Wessev und v. Üncer . . 20.0. 685
GC. Aufsätze.
1. Notiz über die Auffindung von Conchylien im mittleren
Muschelkalke (der Anhydritgruppe v. Aıs.) bei Rüders-
dorf. Von Herrn Heınsıc# Eck in Berlin . . 639
Neuere Beobachtungen über das Vorkommen mariner one
chylien in dem oberschlesisch - polnischen en,
birge. Von Herın Ferv. Rormer in Breslau. . . . 663
3. Geognostische Beobachtungen im Polnischen Mittelgebirge.
Von Herrn Fzrp. Roruer in Breslau. (Hierzu Tafel XIII.) 667
4. Ueber die Bestimmung des Schwefeleisens in Meteoriten.
Von Herrn C. Rımmeıszeng in Berlin . . . a 691
5. Ueber die Erzgänge des nordwestlichen Oberharzen Von
Herrn A. v. Groppeck in Clausthal. ee Taf. XIV,
[N9)
BEN RNEN. 695
eh. Ueber die Bildung des taken a Yon Bern Beim
| in Stettin... . a
7. Analyse der Clinmer- von Urö En Fasten a Behierkun-
gen über die Zusammensetzung der Kaliglimmer überhaupt.
Von Herrn C. Rammersserc in Berlin . - 2 2... 807
Die Autoren sind allein verantwortlich für den Inhalt ihrer Abhandlungen,
Im Verlage von Adolph Marcus in Bonn ist jetzt vollständig erschienen:
Lehrbuch
der chemischen und physikalischen
Geologie
“von
Dr. Gustav Bischof.
Drei Bände.
Zweite gänzlich umgearbeiteie Auflage,
in gedrängter Kürze, mit Zusätzen und Verbesserungen.
Mit einer colorirten Karte und Holzschnitten.
Preis pro Band 5 Thlr.
Beiträge für die Zeitschrift, Briefe und Anfragen, betreffend .
Versendung der Zeitschrift, so wie Anzeigen etwaiger Veränderungen des
Wohnortes sind an Dr. Eck (Lustgarten No. b.) zu richten. Die Bei-
träge sind pränumerando an die Bessersche Buchhandlung (Fehren-
strasse 7) einzureichen.
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