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ZEITSCHRIFT
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GESELLSCHAFT FÜR ERDKllDE
zu BERLIN.
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HEBAOSOEOBBEN
TnC Dr. W. EOSIB.
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BERLIN.
TEBLAG TON DIBTBICH BEIHBE.
1869. -
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Inhalt des vierten Bandes.
f
I. Ic^ber die wahre Lage der in Costarica vergeblich gcsuohten reichen
Goidntinen von Tisin^al and Entrclla. Von Dr. A. v. Frantziiis 1
11. Zur Geschichte der Geographie. Von Dr. Breusinfr «51
[ 1) Flavio Gioja und der SchiHskompais.
I ^n. Die Djüaitmündun(;en und die an der Siiliua vorgeiionini^nen Kegu-
I iirunj^'sarbeiten Ton W. Kon er, mit einem Nacliwort von H. Kiepert.
(Hierzu eine Karte, Tat'. I.) 52
iV Zur Geschichte der Geo^-aphie. Von Dr Brcusing. (Schbifs.) , ^)7
T) Reß"iomontanus, Martin Behaim und der Jakob=tab.
3) Die Catena a poppa bei Pigafetta und die Lo^ge.
V. V. V. Sscm.inofs Forschunßfsreiscn in den Trans-llischon Al'^itnu nr.-]
zum Issyk-Kul, ausgefiihrt in den Jahren 1856 und 1S57. Narh dcno
Kii-ssischen von F. Marthe IIG
v'I. Tu'ilat.ir»^n und Würden in einigen Centralnegerläiidern. Von Ger-
hard Kohlfs ia7
V II- Beitrug! zur Geographie von Hoch- Armenien. VonWilh Srrocker.
t Hierzu zwei Karten, Taf. III n. IV.)
1) Die Ebene von Erzerum Mö
2) Ein Ausflug zu der Quelle des Euphrat auf dem Dumly-Di-.gh l.>7
\I!^ Kritische Mit^cellen zur Geographie. Von Prof. Dr, K tuschle . i".'8
TX P. V. Sscmenof's Forschungsreisen in den Trans- 11 K-^rhcn Ahu.iu un'^i
zum Isäyk-Kni, ausgeführt in den Jahren IBoG un«^ 1857. Nach. d«.n)
Ruafrischen von F. Marthe. (Schlafs.) 2v^8
X. Die Ovahererö. Von Josaphat ITahn. (Zwmo Abtheilung.) . . CL'^
XI. Böhlenbauten aus der jüngeren Steinzeit auf .S>lt. Von Ernst
Friedel J^^
XII. Eine kritische Revision der bihVi>v.hen Geographie. Von L. Nou.'k 2"'»
Xill. Briefe des Dr. G. Schv.einfurth.
a) an Vro[. AI. Braun «in
b) an '•eine Mutter L'i6
itoen dar Bpg«-Sprache iwitchon Stinkin anH Berber.
let 1868 von Dr. SrbvvcLnfnrth 334
he SkizT.e i)er Umgc|{end von Axum um! A<!o.i in Ti^e.
ufnahmFn von W. Kchimper bearbeitet von Dr. Snde-
: einem Nachwort von Rinh. Kiepert. (Hierzu zwei
fei V. and V:.) 3*1
Höhanmegsungeo von dem grorshenoglich weimarBcheo
eim vor der Rbim, im eisenaoher Oberlande. Au£g«-
Majnr b. D. A. W. Fils aus UracnaQ i, J. 1868 . . 385
von Caricaä, Von Fran» Enfiel 40^
itik TOD Persicn. Von Dt. J. C. Hämische in Dresden 429
er Pase des Jupiter Ammon oder Sinuh. Von Gerhard
aieran eine Karte. Tafel VII.) 45C
■erii. VuQ Joeaphai Hahn. (Sehlnfs der iweiten Ab-
485
r Geographie von Hochann enien. Von Wilh. Slreekcr.
ffieriu eine Karte, Taf. VI]I.)
Erzerum auf den Bingöl-Dagh 513
RiickmarBch der Zehntausend vom Euphrat bis an da«
ane Meer 524
läinng des Bückiugs der Zehntaasend. Von H. Kiepert. 53^
lie wahrBcheinliche allere Form des Wan-Sees. Von
Miscelleo und Literatur.
üon bei Plewna in Bulgarien 73
Spuren des Menacbcn am We^e nach Büj/en und auf
n selbfL Vom Baron F.F. V. Dücker. Berlin 1868. 83
latein, Specialkane von Deatfichland , der Schweiz
en Ländern. 12 Bl. Hildbarghausen 1868 .... 85
1 Borlepsch, Süd - Frankreich und seine Kurorte.
. 18G9 ■. , 86
nd J. J. Weilenmann, Die Bäder von Borraio nnd
inde GebirgswelL -St. Gallen 1868 88
leen und AlpcngeKiiss^ir 164
'naniagen in der Ufrzegovina 174
icr Eis imd Schnee. 1. Abthl. Bern 1869 .... 185
irung im Königreich der Niederlande nach der Zählung
nher 1867 368
Inhjüt. V
B«n>iii<:ter-HOhenmPfisangen von dem Kreise Ziegenrück im Konigl. Rc-
p'*.ruoj^shezirk Erfurt uud »'om nahen Auslande. Ausgeführt von
A- W. Fila. Pöfsneck 1868. — Hohen schichten-Karte vom Thüringer-
waide und rmgebang. Nördl. Theil. Nach eigenen Messungen entw.
a-n.} gex, von Major a, D. A, W. Fils. Gotha I8r»9 380
Die Hindns 60
u. T. Schla G^intweit-Sakünlünski, Reisen in Indien und Hoch-
rts-en «tc. Bd. I. Jena 1869 179
CrocrJilo in Palastina '2C^1
Or^-htFiimmungcn in Türkist&n "210
Mittheilungen über den Aufenthalt der französischen Conimission in der
Prok'inz Yünnan 274
Moselmanißchc Zeitrechnung und der Todestag Adolphs v. S<.'hlagiiitweit 3.";^»
lüirr.püer in Ost-Türkistan r..'>:>
Lriibeberi in Choc^eng und Taschkend !»57
A frika.
Marokko 172
Die Entdeckung der Mündnng des Limpopo o67
Di« *jöhlenbewohnenden Kannibalen in Siid-AtVika .'^H9
W. Z c n k er. Der Snez-Caual und seine conimercielle Bedeutung, beson 't«*
Tür Deutschland. Bremen 1869 -^71
Otto Schneider, Der climatische Cnrort Algier. Schilderungen nich
dreijähiiger Beobachtung in Stadt und Provinz, zugleich ein Rathgcbcr
für Reise und Aufenthalt. Dresden 18H9 ."79
■
Wnier Manziger*8 Reise durch die grf.f«-e Salzebcne zwischen llanfila und
dem Fufae der Abyssinischen Alpen 1.V2
[lel tr die von portugiesischen Seefahrern zur Bestimmmg ihrer Ent-
deckungen errichteten Wappenpfeiler 4.07
l.v ige nähere NoK/en über die Ermordung des Fraulein Tinne . . . 460
Amerika.
Entdeckung von Goldlagem im Osten von Bolivia 1^'>6
Notizen über die Goldminen Califomicns 270
Die mittlere Padflc-Ki^enbahn 27?
Der Ipacaray .36o
'^; Erdb^bfu in Sonorn und LUiier-CaÜformcn am l.'>., J7. und 18. Ücl. l
Der ViJli«n Lwseii's l'cHk in Califurnien
Powell',; I.:rfor^rhiint; lies Green Kiver
Die Insd Jnan Fernandei
SBiituncriLaniijchc Grenz bestimmuD gen
Greni-Bericbügung zwischen den hu 3tr<ili sehen Colanieea Süd-Auitralien,
■ Viciorift, Neu-Süd-Walea und Quccnsiand 67
Die Eisenbahnen in der CoIodLc Keu-Siid -Wales 74
Di« Fidschi -Inseln und die Poljnvsische Ciirapagnie - . I67
Die luael .Swain oder .SolilnriH 171
Ein in d<:r Culanie Victoria anlief und eni^s KoMcnUgfr 175
Correspondeni von I.alie KilHlpinaimsugcuaunicnLake-Disirikii^Far-Noith,
Süd-Aüsiralien 3ä3
Aus dem Far-North in Süd -Austritticn 354
Die drille Northcrn-Terriiory-Expedition der Nortbern Terriiort Survcy
Parti 362
Zum Leben in Australien 36G
A. de Quatrefage'e /.K. PoV'"'»" <■''«'"'■' "li"-""™'- P""« ■ ■ 37(i
Die drille Northern -Territory- Expedition 454
Das neue Cabel zviiscbca Aostraliea und Tasmanien 46{t
Lord ngwe ItUnd 466
Capitän Janias Cook's Denkmal in Sydnej 468
Die Great -Southern Railwsy der Colonie Kcw Suuib Wales in Anstralien 5Ö3
Miäcellen und Literatur allKemeineren InhaJts.
Ans rier Welllhoilen. Ein Reise Tai^bu.h in Briefen von Max Wiohura.
Breslau I86S ST
Die zweite deutsche Nordpol- Expedilioo ^/"3
BevülkoruDgs-Swtistik der rraniÖBiBchenColoiiicn «m Ende des Jahres ISfiS. 361
Tod MujelckaHea, Hiiiiptlinüi lier MotPbeli'B. — Zustand von
juBstalion Otyuibingue. — Einwanderung von Cbinesan in d»i
iMmiretsch^nsk. — Kupfer in Transbaikalien. fluinkohten am
- Kohlen auf der Ualbinbcl Hangiechlak. — Ausbreitung der
Inhalt. v{i
/ «Hie
Li- ! .^ CÄaaJensH. — Zu-stÄnde in Eiipatoria. — Crdbe^uMi iij C-ulifon.if n.
-- Ki>'*'i'_-. H'in{2^^'"ü:st^n in TV"<'St- Australien. — Areal der iJoKriie \i"toria.
— S&ndi'cin- Kijf ofetlich vo'i KinpV Island. — Plf-H_.iiil lal.md und die
Pr^/itifnct»-Ini»eitfruppe. — Neue Karte de» St. Vincont - Uulf .... 7b
Au' .ran-^firtjrc auH den Häf^-n Bremen, Hamburg, Antwor[«nn und Liverpool
'r. *' iMtr löGH. — Volk Äz all lang in Norwec^en am 1. Januar l*^(»i.. — Ke-
st-^.'i» «^»fv iu Cherra Punji. — Aus «>inem Brit'tV G^rh. Ko>.if'> au^ Iripoli. —
I',>ji, ■•'•:' »h»;r Canal durch den Ihthmus von Darien. — W-'inbiu In M>-
■[.\iT\. — Karte von Süd -Australien. — Goldi-xport auH der C<*lonie Vittoria I7b
A*D«^u .)Vmn<; von Hamburg nach Brasilien. — Eisenbaimnetz in d*»r 'lür-
i'i Si^nd der Aufnahme uud Beschreibunp den adriatiachea Metr»:s.
- 1 1 5-. •»*»>' Ucher TeU^raph zwischen Habana und Omoa. — Thcecultur
n i' nf'».-*'e. — Expedition nach den südafrikanischen Goldfeldern. — Der
-*.- ': .1- luanier, — Neue Eisenbahn durch die Colonie Victoria . . . 2'7^
SJiiir.g der geographischen Gesellschaft zu Berlin vom 7. Decemher 1S68 . «S9
- 2. Januttf 18G9 . 92
- - - - 15. Januar - . 94
- 6. Februar - . Iv^G
- 6. März - . 'J^l
- 10. April - . 283
- 8. Mai ' - . ^SIJ
- - - - 5. Juni - 3.^:^
- 7. Juli - .4 75
lK*i Ünmboldtieier der Berliner Gesellschaft für Krdk. am 14. September - 4^:1
^V?,ai2^ dei geographischen Gesellschaft zu Berlin vom 2. October - . i77
- - - 7. Novtinber - . j^O
- - - 4. December - . 562
Kecnter Bericht der Carl Ritter-Stiftung . . l'^9
l'JrMiicht der vom December 18H8 bis November 18li9 ki dem Ge-
biete der Oeographie erschienenen Werke, Aufsätze, Karten und Plane.
Von W. Koner 3o5
Karten.
T»f. L Das Donan-Delta reducirt aus der Karte des Capt. T. Si»ratt, mit
Berichtigun(;en von H. Kiepert. Maa!sstab 1 : 51)0,00*).
IT Dä.1 Vorrücken der Küste an der Po-M indniij^ ecit ?.wei .lihr-
bunderten, nach officiellen Dokumenten reducirt. M.is'.j.-,-5ta'j 1 : 10<''.1'00.
- lU. Di« Ebene von Erzerura. Von W. Sr. reck er. Maa-s.^tab 1 : J.'>(V.-'/0.
IV. Die Ebene von Erzingjau. V.>ü vV. Strecker Maa^s^^b l :2.yj,'Hi ;.
i
Ytn Inhalt.
Taf. V. Umgegend von Axum und Adoa in Tigre. Trigonometrisch auf^
genommen von W. Schimper, reduc. von R. Kiepert.
• VI. Profile and Umrisse der Umgegend von Axum und Adoa.
- VIL Die Ammons-Oaae oder Siuah. Aufgenommen 1869 von Gerhar^j
Rohlfs.
- VIII. Entwurf eines Theiles von Hoch -Armenien, von W. Strecker. Maas-
Stab 1 : 5*25,000.
\
•1
f
1.
Ceber die Wcohre Lage der in Costarica vergeblich
suchten reichen Goldminen von Tisingal und
Estrella,
Von Dr. A. v. Frantzias.
Mit Ausnabme der dürftigen MittbeiliiDgen über die Entdeckung
und Eroberung Costaricas ist dieses Land bis zur Unabbfingigkeits-
*.rLIarnug der spanischen Colonien so gut wie gänzlich unbt^kannt
g«^l>iiebeD. Als darauf durch den Verkehr mit fremden Nationen Cen-
traiainerika die Aufmerksamkeit Europas auf sich zu lenken begann,
traf es sich, data die ersten Schriftsteller, welche MittLeilungen über
Co.-taiica lieferten, durchaus nicht ihrer Aufgabe gewachsen waren;
es worden daher durch dieselben eine Menge von Unrichtigkeiten und
Irthumern verbreitet, die von späteren Schriftstellern nachgebetet
worden und znm Theil noch in den allerneuesten Schriften über Costa-
liCi* angetroffen werden. Einige der wichtigsten dieser Unrichtigkeiten
zu berichtigen und auf die Fehlerquelle zurückzufahren, ist der Zweek
dieser Untersuchung.
DJH Geschichte der Entdeckung und Eroberung von Costarica,
•fsi Zeitraum, der zwischen den Jahren 1502 und 1580 liegt, lehrt,
dalö G>starica nicht wie andere spanische Colonieen schnell von einer
groisen Menge beutegieriger Abenteurer besucht und überfluthet wurde.
Tili Gegentheil war die Zahl derjenigen Europäer, die überhaupt bis
tPiQ Anfange dieses Jahrhunderts nach Costarica gekommen sind, eine
^Kiir geringe. Trotzdem liest man fast in alU^n Schriften, welche über
C^'ötarica handeln, dieses Land verdanke seinen Namen „reiche Küste"
iunem Goldreichthum; <lie Minen von Tisingal, denen von Potosi an
K'^ichtbum kaum nachstehend, wären einstmals von den Spaniern
oearbeitet worden, seien aber in Folge einer Empörung, wobei die
Z«j'..-:jr. d. Ge»elhc.*i. t Erdlt. Bd. IV. ^
^
A. T. Frantzini:
Spanier von den Indianern ermordet wurden, verlassen nnd seitdem
nicht wieder aafiufinden.
Gewifs mafs es Jeden, welcher weifs, was man nnter einem Minen-
besirk versteht, besonders wenn dieser, wie wir weiterbin sehen werden,
mit vollem Rechte mit dem von Potosi verglichen werden konnte.
Wander nehmen, dafs derselbe später verloren gehen konnte. Waren
die Minen wirklich so reich, wie es angegeben wird, so war noth-
wendiger Weise aach eine grofse Anzahl von Menschen in denselben
beschäftigt^ und es mufsten eine Menge von schriftlichen Urkunden ')
vorhanden sein. Selbst, wenn bei einem Aufstände der Eingeborenen
sammtiicbe anwesende Spanier getödtet worden wären, so roafsten
immer noch eine Menge Personen an anderen Orten existircn, die
entweder einstmals in den Minen gearbeitet oder mit denselben in
m
Verkehr gestanden hatten, und daher über den Ort, wo die Minen
lagen, Auskunft geben konnten. Wir dürfen daher mit Bestimmtheit
sagen, einzelne Silber- und Goldgruben können wohl verloren gehen,
wenn sie durch Zufall verschüttet oder abäichtlich verdeckt werden,
dafs aber die Lage eines ausgedehnten, in Betrieb gewesenen Minen-
bezirkes wieder vollständig der Vergessenheit anheimfallen konnte,
ist undenkbar.
Als ich vor zwölf Jahren nach Costarica gekommen war, intcr-
essirte ich mich natürlich auch zu erfahren, welche Bewandtnifs es
mit den räthselhaften Minen von Tisingal habe, von denen ich schon
in Europa in mehreren Schriften über Costarica gelesen hatte; doch
erhielt ich hierüber selbst von denjenigen, die sich am meisten für das
Minenwesen interessirten , in keiner Weise genugende Auskunft. Ich
fragte nach den Documenten, welche über d^is Vorhandensein der
Minen Kunde geben sollten, nnd erhielt zur Antwort, die betreffenden
Documente seien aus dem Archiv von Cartago entwendet und würden
verborgen gehalten; doch niemals gelang es mir ausfindig zu machen,
wer die Hehler seien.
Als ich mich später eingehender mit der Geschichte des Landes
beschäftigte, war es mir sehr auffallend, dafs in den ältesten Ur-
kunden nirgends Andeutungen über das Vorkommen reicher Minen in
Costarica zu finden waren, während die Werke, welche von den reichen
*) In den spanischen Colonien wurde von dem Goldgewinn eine Abgabe, der
sogenannte „Quint". an die Krone y('/.ah]t , mul hiezu ei^uns l)f'sti!ninte Schätz*
nieister nafamt>n diesen Antheil in F.nij.f.inii und filhricii dariiber Kechnung. Diese
R.^chnungcn mtifsten sich, da es sieh um line in Cosiarioa gelegene Mine handelt,
in Guatemala oder in Spanien finden. Hat man dort aber etwas der-irtiges ge-
funden?
r
Die Tcrgeblich gesuchten reichen Goldminen von Tisingal und Estrella. 3
Mifi^n von Tidingal and Eatreila . bandelten , sehr spaten Datums
waren.
Das älteste Werk, in welchem ich den Namen Tisingal fand,
isi das geographische Wörterbocb über Amerika von Alcedo *)
v^»in Jahre 1786, welches bei den Spaniern in damaliger Zeit als be-
deutende Aatorit&t gegolten tu haben scheint. Älcedo sagt: „Den
Namen „reiche Käste'* gaben ihr die Spanier wegen des vielen Goldes
und Silbers, welches es in seinen Minen verschliefst, und aus der Mine,
welch*' man Tisingal nennt, hat man nur wenig geringere Reich-
c^ifimer herausgeholt, als aus den Bergen von Potosi in Peru.** Leider
giebt Alcedo die Quelle, aas welcher er diese Angabe entnommen hat,
nicht an, indessen bin ich zufälliger Weise so glüokHch gewesen, die-
ät'Ibe aa&aiinden, worüber ich weiter unten ausführlicher sprechen
werde. Diese Stelle des Alcedo ist deshalb so wichtig, weil aUe späte-
ro-n Schriftsteller, welche Tisingal erwähnen, fast wörtlich das von
A?«*edo Mitgetheilte wiederholen. So sagt z. B. Macculloch in seinem
Dif^fiouary geograpMcal Statistical and historical im Artikel y^Guatetnala^ i
„ Fnnn the tnine called Tisingal (Costarica) says Alcedo, not less riches
hire been extracted than from tkat of Potosi in Peru;^ welch© Stelle
.%:cli in einer kleinen 1851 in London erschienenen Schrift wiederßndet:
i'rfncessions of extensive Territory in CostaricOy einer der vielen Ten-
d<?naschriften, welche zur Colonisation und Einwanderung nach Costa-
ri<'a auffordern.
In einem kleinen in Costarica p^edruckten Scbulbuche von Rafael
(.>«cjo finde ich, nachdem dieser über die Minen von Aguacate ge-
sprocbt-n, folgende Stelle'): „aufserdcra giebt es unzweifelhaft welche
j«in allen Gebirgen, die bis jetzt besucht worden sind, und vor Allem
'in^efindet sich die von Tisingal in der Nähe der üeberreste der alten
Stadt £strella, an einem der ausgezeichneten Häfen gelegen, welche
die Bucht von Bocatoro enthält. Einige glauben, dafs der ungeheure
Reicbthum dieser Mine und der Umstand, dafs sie sich an der Küste
') Diccionario geografico -hisiorico dt las Jndias occidfmtale» o America por
Ant. tU Alcedo. Madrid 1786. Tom,!, p. 670. Costa- liica: dieronU el nombre
de Co^ta'Rica los JEspanohs por el mucho oro y plata que encierra en sus mmas;
y de la gue llaman Tisingal se ha tacado poco menos riqueza que del cerro ae Po
.'*>*'* €71 el Peru etc,
*} Ademas de estas Kay positivamente en todas las serranias, que hnsta ahora
h'in sidf visiladas, y sobre todo se halla la del Tisingal en las tnmcdinctonts de
''■■T r^liquias de la antigua Ciudad de la Estrella sita en uno dt los tj-eUntes pturtos
: '^uj'fendidos en la ensenada de Bocatoro. Attjunos cren que In iumtma rii^u-'za,
»• *-i'a mina y la circnnsiancia de kallarse sobre la cnsta dtl mar car.rt du origen
/i uomhre Ae Costu-ricn que conserva nucstro Estado. J.ecaones de Geografia.
:>a.^ Jos4 183.??. p, 86.
4 A. T. FranUinf:
d«6 CarribiBcben Meeres befindet, den Ursprang des Namens Cost»-
ric* TeranlaTst habe, welchen unser Staat behalten hat*'
Osejo, welcher als Lehrer in Gostarioa in den dreiisiger Jahren
gewirkt, und ein unterrichteter Mann war, ist der erste, bei welchem
wir eine genauere Angabe über die Lage von Tisingal finden. EjT
mauste sich naturlich fragen, wo kann das verlorene Tisingal gelegen
haben? Nun £and sich in alten Urkunden, dab in der ersten Zeit
nach der Entdeckung des Landes eine spanische Ansiedelung Concep*
don am Estrellaflusse existirt habe, dais diese aber Tsrlassen wurde,
nachdem im Jahre 1610 die bis dahin unterjochten Bingeborenen sich
empört und die Spanier getödtet hatten; Osejo zog daher den Schluls,
dafs hier auch die verlorene Mine von Tisingal gelegen haben müsse,
denn einen anderen bestimmten Grund oder Gew&hrsmaon fuhrt er
nicht an; er ist demnach der erste Schriftsteller, welcher Tisingal in
die N&he der Stadt Estrella verlegt Seit der Zeit sprechen daher
fast alle sp&teren Schriftsteller so, als wenn Tisingal und Estrella swei
reiche, nahe aneinander gelegene Minenst£dte gewesen seien.
Nur wenig abweichend von dem, was wir bei Osejo lesen, ist
die MittheiluDg des englischen Ingenieurs H« Cooper» der im Aof-
trappe der Regierung den Weg von Cartago nach Moin untersucht
hatte, und im Jahre 1838 einen Bericht darüber herausgab. Er sagt
daselbst '): „Der Hafen von Limon befindet sich in der N&he des alten
Hafens von Estrella und den reichen Minen von Tisingal, welche aus
einer mir unbekannten Ursache verlassen wurden.^ — „Nach den Ueber-
lieferungen, welche an dieser Küste vorhanden sind, waren die Minen
von Tisingal ebenso reich, wie die von Potosi in Peru, und es ^xistir-
ten directe Verbindungen mit Spanien; doch in Folge eines unklugen
Verfahrens wurden die Bewohner und die kleine Besatzung, welche in
dem befestigten Platze war, in einer von den Indianern angestifteten
Empörung niedergemacht, nachdem diese unglückliche Colonie von dem
General-Capitain von Costarica und Talamanca ihrem Schicksal über-
lassen worden war." Weiterhin fordert Cooper zu Expeditionen auf,
um jene Minen wieder aufzufinden, wobei er, abweichend von der An-
sicht von Osejo, es als ausgemachte Sache annimmt, dafs dieselben in
der Nähe eines Estrellaflusses lägen, den er in die Bucht zwischen
') El Puerto del Limon r^fa en las immefiiaciones del antiguo Puerto della
Estrella i ricos minerales del Tisingal, gue fueron abandonados no sv por qu^
catMa.** — „Lros minas de Tisingdl segun las tradiciones que kai en esta cjvsta,
fueron tan ricos como las de Potosi en el Peru i habia relaciones directamen tf^ con
Espaha; pero por una imprudencia los habitantes i la pequena fucrza que "habia en
el Castillo fueron degollados en una revolucion que formaron los tndioa*, Jiabiendo
sido abandonada esia Colonia infeliz a tu auerte por el Capitan Je^neral de Costa-
fica i Talamanca,*
Die TMgeblidi geraehten meben Ooldminen toh Tlaingal lud Bttr^la. Jfc
CiguiU «na PanU Garet« verlegt, wobei er bemerkt, dafa die Entfer-
nang tod Gartago bis kn jenem Flatse nur ange(khr 22 L^uae betrage.
Ich glftttbe, hier anch dae eine Menge von Unrichtigkeiten est«
haltende, im Jahre 1649 erschienene Werk von A. von Bfilow «Aoa-
wandemng and Colonisadon etc^, erwfihnen so mSssen. y. Balow sagt
daselbst S. 292: „Die vorsfigHchsten Minen sind im Gebirge von Agaa-
este TisingaU San Mateo, San Felipe etc.» sie wurden von der Anglo-
Costa-Rica Economical- Mining Company in England bisher anter der
Direetion eines Deutschen J. Barth bearbeitet.^ Nach dieser Angabe
mfifiste man glauben, daüs Tisingal im Aguacate liege und jetzt noch
bearbeitet werde. San Mateo ist keine Mine, sondern ein Dorf am
FWse des Aguacategebirges, und San Felipe ist ein in Costarica nicht
vorhandener Ortsname.
Fast gleichzeitig erschien ein Werk, von dessen Verfasser man
am allerersten Aufschlüsse über deo betrejQPenden Gegenstand erwarten
dürfte, weil er der erste und bis jetzt einzige ist, welcher sich mit
dem Quellenstudium der filtesten Geschichte Costaricas beschfifUgt hat.
Der Verfasser dieses bis jetzt noch unfibertroffenen Werkes fiber Coeta-
rica') ist der bekannte Felipe Molina. Er wurde im Jahre 1850 von
der costarioensischen Regierung nach Spanien gesandt, um daselbst Do-
comente aufzusnchen, welche die Legalit&t der Ansprache Costaricas in
den Grenzstreitigkeiten mit den Nachbarrepubliken Nen-Granada und
Nicaragua beweisen sollten. Er fand in Sevilla eine ^nzahl für die
Sltere Gresehichte von Costarica sehr wichtiger alter Urkunden. Da
es wohl anzunehmen ist, dafs er aus eigenem Antriebe oder im Auf-
trage der Regierung zugleich auch sein Augenmerk auf alte Akten-
stücke gerichtet hat, die über Tisingal Auskunft geben könnten, so ist
es gewifs sehr auffallend, dafs er dort nichts über diesen Gegenstand
aufgefunden hat. Wir finden daher in seinem Werke nur dasselbe,
was wir von Osejo erfahren, und zwar mit folgenden Worten p. 33 '):
^Man vermaUiet, dafs die Goldmine, genannt Tisingal, welche dem
Laude den Namen gab, nahe an der Grenze von Neu -Granada am
atUn tischen Ocean liege. *^ Ferner spricht er p. 12') ausführlicher über
*) Bosquejo de la Rqmblica de Costarica, Ntteva Torh 1851. Deutsch nnUr
dem Titel: Costarica, Obenetst von A. v. Bttlow 1860 nach einem früheren Werk
T<m F. MoUna: C<h^ ^oeil f^ide «nr la Repnblique de Costa Rica. Pari* 1S4S.
•) 8e tvpOHt que la mina de oro llamada el lUingalf jwe did nombre al paie,
Uta eiiiuada eerca de la frontera de Nueua Granada «m el AtlanUeo,
') La tradicion generalmenU recibida, y qae $e apoya en documentoa gae m
«i»«eo ttun reciente exiitian en loa arthivoe y que deegraciadamenie han deeapareeidOf
eä eamo en la antoridad de algunoa etcritoree e$ gve e$ta tignifieatha dmotnänadon
la debe Costa Rica a la existencia de ciertas minas de oro llamadas el Tisingal,
sümda$ m la Costa del Atlantieo, eerca de Boea TorOf donde emstid la emti»
y
y
0 A. ▼• Franttimt:
dieteii Gegenstand and sagt: ^Die allgemein angenommene Lage,
wekhe sich auf Handschriften stfitst, die noch in der jfingsten Zeit in
den Archiven existirten, anglncklicher Weise aber verloren gegangen
sind, sowie auf die AatoritSt einiger SdiriftsteUer, ist die, da(s Costa»
rica diese beEeichnende Benennung dem Vorhandensein gewisser Oold-
minen, genannt Tisingal, verdanke, welche an der Efiste des atlanti-
schen Oceans, nahe bei Boca Toro lagen, woselbst die alte Stadt
Estrella lag. Dennoch bin ich geneigt za glaaben, dafs sie keinen
anderen Ursprang hat, als denjenigen von der übertriebenen Vorstellong,
welche sich der Admiral Columbas vod den Reichthümern jener Gegend
bildete, als er an deren Euste vorbeifuhr.^ Ferner sagt er noch p. 13 '}:
^Es ist kein Zweifel, dafs die Provinz im Laufe der Jahre 1560 bis
1600 einen hohen Grad von Bluthe erreichte, sowohl durch die Be-
arbeitung der Minen von Tisingal, als auch durch die Entwickelung
seines Ackerbaues.^
Beiüe Stellen weisen, wie gesagt, darauf bin, dafs Molina sowohl
den AIcedo als auch die Angaben von Osojo vor Augen hatte, indem
er Tisingal an den Estrellaflnfs verlegt und gestützt auf alte Quellen,
die er in seiner Abhandlung über die Grenzstreitigkeiten *) anführt,
behauptet, dafs dieser Plufs sich in die Chiriquilagune ergiefse. Was
IfoUna über Tisingal mittbeilt, ist nur eine Wiederholung desjenigen,
was wir bei AIcedo und Osejo gefunden haben. Wenn er aber be-
hauptet, dafs Costarica zwischen 1560 und 1600 schon eine blühende
Provinz war, so läfst sich aus einem erst kürzlich in Guatemala auf-
gefundenen, höchst interessanten Aktenstücke, welches ich im Mane-
script besitze und der Güte des Herrn Francisco Iglesias verdanke,
gerade das Gegentheil beweisen, indem aus jenem Aktenstücke her-
vorgeht, dafs die ersten spanischen Eroberer und Ansiedeier damals
mit der grÖfsten Notb zu kämpfen hatten.
In dem vortrefflichen Geschieh tswerke von Pelaez') findet sich
nur an einer einzigen Stelle (Tom II p. 169) der Name Tisingal er-
wähnt, wobei sich der Verfasser ebenfalls auf die oben angeführte
Stelle des AIcedo bezieht
dndad de la Ettreila. Sin «mbargo yo me inclino a pensar que no ha tenido
otro origßn, que el concepto exagerado, que te formö el Almirante Colon de las
riquezas de aqttella region^ cuando recorrio eu litoraL
') No cabe duda que la provineia alcamö un alio grado de proitperidad etUre
los anoi 1560 g 1600 ga por el laborio de la» minas de Tisingal j ga por el desor-
rollo de su agricultura.
') Costarica g Nueva Granada ^ cuestion de limites por Felipe Molina. Wa^
shmgton 1S52. p. 10.
'} Memorias para la historia del antiguo Heino de Owitemala. GvaUnuUa IS(2-
Die rerg«bUch gesacbten reiekea Gfoldminen Ton Tüingal nnd EstreÜa. 7
Was M. Wagner aber die llinea Yon Tisingal im Aobange seines
Boehes (Die R^oblik Costarica 1856) sagt, beruht aof einer sehr
oDgenaaen Uebersetsong des von Molina Mitgetfaeilten , nnd steht in
eioem auffallenden Widerspräche mit den Beroerkangen seines Reise«
gcfihrten G. Scherser, der S. 562 in sehr verständiger Weise ^den
Mangel an jeder authentischen Kunde über den wirklichen Bestand
to geheimnifsToUen Ooldbergwerkes von Tisingal^ hervorhebt.
Aach in Frankreich ist der Rof von dem alten Tisingal verbreitet
worden. Lafond de Lurcy spricht in seiner kleinen Schrift fiber
Golfo Dulce') in sehr positiver Weise über Tisingal und sagt: On y
iCoiiariea) exphiia langiemps ceile de Tisingal qui produisait anwueüe'
MMl ptusieurs miUions de piasires. Les mauvais traitementt et les
pexaiicns amxqueh les Colone ätaieni expoeie de la pari du gotneruO'
■teal eepagnoly nan moins que les incursiom qu'ih ettreni ä souffHr de
nambreux piraiee les forctreni d*abandonner leurs exploUations et leurs
etabUssemenis,
Auch dasjenige, was der durch den Secessionskrieg bekannte
Unionsgeneral Thomas Francis Meagher in seinen y^HolidajfS in
Costariea*)^ fiber den Reichthum der Minen von Tisingal und Estrella
aogiebt, rfihrt nur aus mündlichen Mittbeiluugen her, die ihm während
seines Aufenthaltes in Gostarica von einzelnen Personen zugingen,
mit welchen er in näherem Verkehr stand, und entbehren jeder zuver*
lässigen Begründung. Er sagt daselbst: „Vor drei Jahrhunderten
gingen jährlich zwei Galieonen, beladen mit dem Staub und Erz der
berohmten Silber- und Goldminen von der Mundung des Estrella nach
Cadix. — Der undurchdringliche Wald verwischte die Fufstapfen der
Spanier, er verlöschte sie gänzlich und vielleicht für immer; und Alles,
was man in Gostarica und anderswo von den wunderbaren Minen von
Estrella ond Tisingal weifs, ist das, was uns die Volkssage und die
Binbildnngskraft der Indianer überliefert'^
Eine eigentliche Volkssage über jene Minen existirt fiberhaupt
in Costarica nicht, am wenigsten im Gebiete der Talamanca-Indianer,
wo man sie sucht, nnd wo der Name Tisingal gänzlich unbekannt ist
Aach anderswo beim niederen Volke ist er wenig bekannt, nur die
sogenannten gebildeten Gostaricenser wissen davon zu erzählen, und
zwar nicht mehr und nicht weniger, als dasjenige, was in den ange-
führten Schriften mitgetheilt worden ist
Es wurde gewifs den Leser ermüden, wenn ich in ähnlicher Weise
aUe diejenigen kleinen Flug- und Tendenzschriften aufnehmen wollte,
') Notice mr U Oolfo Dulce par Gab. Lafond de Lurcy, Paris 1866. p, 9
*) Horp^s Ne» Mimtkly Magazine, 1860. Vol. XX. p. 810.
9 A« ▼• Vvaatsivi:
die in der Absieht, Cotlwioa s« enpfeUen, giiis baModers md £e
raichea GoUnuaen von TiBiagd and Sttrelln lutfaMcluMii mnchen»
deren Lege man noch immer niefat kennt, ja deren Vorhandeneeia
nock nicht einmal festotehl.
Der Tellatftndigkeit halber erwAhne ich jedoch hier noch die ia
einer im Jahre 1663 in Cartago erschienenen Zeitschrift, La Bstrella
del Norte, anter dem Titel ^Andgoidades^ Tcröffentlichten IGtdieilaBr
gen über die Altere Geschichte Costaricas von Felix Mata, Da ia-
deasen der Verfasser selbst sie nor als Erinnerangen ron Erzfthlangeo
ansgiebt, die er als Knabe aas dem Mande einiger alten Missionlre
hörte, so haben dieselben, besonders anch, da sie nichts Nenes enthalten,
kein historisches Interesse. Ich unterlasse es daher, aasföhrlicher dai^
aaf einsogehen. Da Mata ein Schiller von Osejo war, so verlegt er
ebenfalls wie jener Tisingal in die Nfihe von Estrella, and dieses letz-
tere nach Boca del Toro.
Ein Rfickblick aof die bis jetrt angefahrten Schriften lehrt nna'
dab Alcedo der erste Schriftsteller ist, bei welchem sich das Wort
Tisingal findet; er sagt, dafs Tisingal eine sehr reiche in Gostaricm
gelegene Bline sei, and da& dieses Land derselben seinen Namen ver-
danke. Osejo verlegt darauf, ohne einen Grand dafür aosugebea,
diese Mine in die Nähe der Stadt Estrella, and behauptet ebenso will-
kürlich, dab sie an der Cbiriqoilagune liege. Seitdem werden Tisingal
und Estrella als zwei sehr reiche Minen identificirt, und da, wie wir
weiter unten sehen werden, die Ansichten der Schriftsteller über die
Lage von Estrella sehr von einander abweichen, so ist dasselbe natar*
lieh auch mit der Lage von Tisingal der Fall.
Ebenso wie der Name Tisingal in den filteren historischen Werkea
vergebens gesucht wird, vermissen wir ihn auch auf den älteren Karten.
Dagegen findet er sich erst auf einigen gans neuen Karten, und swar
auf der von M. Wagner und der von H. Kiepert*). Auf der erste-
ren, einer genauen Copie der in Molinas j^Bosquejo^ enthaltenen, ist
Tisingal nördlich vom Pico de Rovalo angegeben, da wo sich in Wirk-
lichkeit das Gebiet des Chanqueneflnsses befindet Auf der anderen
li^ Tisingal in der Nähe eines Estrellaflusses, den Kiepert südlich
von Caguita in's Meer münden l&fst.
Es ist sehr auffallend, dafs ungeachtet des bedeatenden Rafes, in
welchem nach den genannten Schriften die Minen von Estrella nnd
Tisingal gestanden su haben scheinen, dennoch erst in so q^ter Zeit
Anstrengungen gemacht worden sind, um sie wieder aufsnfinden.
Ebenso auffallend ist es, dafs die dasu unternommenen Expe-
>) Nene Karte von Mittelamerika, von H. Kiepert B«rlin (D, Reimer) 1S&8.
Die Teigelklidi gtfiieltten reSdim Goldminen ron Tbingal und EitrelU. 9
liiidneo weder von geeigiMten PersSnIidikeiten aaegefilhrt wurden,
•imiiitlicfae waroD lOgeDeiiiHe OHSektritter, keiner ein Bergmann
Fach, noch dafs binreiohenile Geldmittel dam verwendet worden
wiieo. Dies Allea deolet darauf bin, dafs die schrifdlchen Ueberliefe^
raagca in Besag auf die Oertliebkeiten der Mine sehr ungenau sein
auiftten, und dab die oben angefahrten Bebauptangen fiber das Vor-
handenaein jener reichen Minen bei den Einsiebtigeren keinen rechten
Olaoben fanden. Nichtsdestoweniger sind eine ganse Anzahl kleiner
wod grSfaerer Expeditionen, welche die Auffindung der Mine zum Zweck
hatten, wirkHeh gemacht worden. Zuerst ging Jos6 Maria Figueroa
SOS Cartago im J. 1843 von Moin nach Gaguita, von hier über Cuabre den
Sizaulafliifs hinauf, dann zu Lande nach Bribri und weiter landeinwärts
Us aaf den Kamm des Gebirges von Pico Blanco; er blieb sechs Monate
nnterw^^ Im Jahre 1845 wiederholte er die Reise, ging aber diesmal
von Caguita zu Lande nord^vestlich nach dem North «River ') bis zu
deaaen Quellen, und blieb vier Monate in jener Qegend. Figueroa be-
hauptet, dafa die goldreichste Stelle zwischen den Quellen des Teliri, des
■SrdliehMen Nebenflusses des Sixaula, und dem North-River liege, welche
FKsae hier höchstens 4 bis 5 Leguas von einander entfernt sind. Hier
hatte man ein StSck eines Mahlsteines gefunden, wie sie im Lande zum
Ersmahlen geraucht werden, und er sieht darin einen Beweis, dafs hier
sdion frftber nach Gk>ld gesucht worden sei; er fand auch in einem
kleinen Bache, Namens Orosi, der dem Coenflusse zuströmt, Wascb-
fjoldj and traf bei den Indianern dieser Gegend reichen Goldschmuck,
der offenbar alter Arbeit war.
Bald darauf ging Francisco Gutierrez, ein Mann von hoch-
fahrenden Plftnen, im Jahre 1852 auf dem alten Wege der Spanier
nach dem Talamancagebiet in jene Gegend. Das erste Stück dieses
Weges von Angostura bis zum Pacuarfiusse wurde damals gerade von
der Berliner Colonisationsgesellschaft unter der Leitung des verstorbe-
nen Baron von Bulow zu einem Fahrwege hergerichtet; vom Pacuar
l^g er dann nach dem Chirrip6flu&, woselbst sich die daselbst an-
Indianer anfangs feindselig gegen ihn benahmen, und sich
Vonrathes von Lebensmitteln bemächtigten, dann aber finderten
sie ihr Benehmen und blieben in der Folge freundschaftlich gegen ihn
gesonnen. Br kehrte jedoch bald zurSck und lernte zwischen dem
GhirrqNS und dem Pacuar eine schöne Hochebene, genannt Schara,
kennen, die er spiter als Staatsland von der Regierung kaufte und
*) Ich wUila in Veilanfe dieMr Arbeit abskhtlieh, «m d«n Leser nicht s«
▼crwirmi, den Kamen North-River, obgleich derselbe Flufs heote anch den Namen
Batrollaflafs führt. Ich vermeide diesen Namen ans dem Grande, damit der Leser
dadareh nicht vtileitai werde, n glauben, dies sei der alte Estrellaflurs.
tO A. V. Fraatsiai:
MoravU aannte. Hier erhielt er Kuniie tod dem Vorkottmen von Ooid
in einem nahebei, oberhalb der IndianeraneiedelaBgea von Chirrtpi
gelegenen Berge , welcher den Namen Cerro de San Maleo *) fahrt,
Yon den Indianern aber Acabä genannt wird. Um diesen niher keoBen
zji lernen, schickte er im folgenden Jahre Lieute dortbin, am von Mo*
tavia ans einen Weg nach diesen Berg sq eröffnen, welche ain süd-
östlichen Fals desselben Sparen von Erzgängen antrafen. Noch in
demselben Jahre ging Outierrez mit einigen Arbeitern, anter welchen
sich ein gewisser Jose Maria Coronel befand, dorthin. Da jedoch die
Arbeiten an diesem Berge keinen Ertrag lieferten, so kehrte er nach
Moravia zarück and begann daselbst Taback za banen.
Zwei Jahre spfiter (1855) ging ein gewisser Canuto Picado
nach demselben Cerro de San Mateo, um daselbst sein Gluck in Minen-
arbeiten zu versuchen, doch stellte auch er seine Arbeit bald ein, nacb*
dem er einige Zeit vergebens gearbeitet hatte. Ebensowenig Erfolg
hatte eine Expedition, die der obengenannte Coronel im n&chsten Jahre
auf eigene Rechnung unternahm.
Nur als Beweis, wie wenig umsichtig die Untersuehungsreisen in
jene Gegenden ausgeführt wurden, führe ich hier eine Reise von zwei
Deutschen an, die im Jahre 1856 von Texas nach Matina gekommen
waren, und, ohne der spanischen Sprache mächtig zu sein, sich von
einem Mulatten in das Gebiet des Sizaulathales führen lielsen. Sie
kehrten nach achtzehn Tagen zurück und wufsten nicht einmal anzu-
geben, wo sie gewesen waren; sie konnten daher nur sagen, dafs sie
beständig bergauf und bergab im dichten Urwalde gegangen wären,
dais sie eine Anzahl Flusse passirt und hin und wieder einige In-
dianer gesehen hätten ; von Gold, welches zu suchen der Zweck ihrer
Reise gewesen war, hatten sie natürlich keine Spur gefunden.
Der Cerro de San Mateo war, wie wir gesehen haben, in d^r letz*
ten Zeit das Ziel aller derjenigen gewesen, die in jenen Gegenden
nach Gold suchten. Daher wurde ein gewisser Pedro Iglesias auf
Kosten einiger wohlhabender Bewohner von Cartago im Jahre 1858
ebenfalls nach jenem Berg geschickt, woselbst er ebensowenig bauwür-
dige Erzgänge fand, als seine Vorgänger; keinen besseren Erfolg hatte
eine nochmalige Expedition des bereits erwähnten Coronel im Jahre
1859.
Im Jahre 1862 nahm sich ein junger Mann aus Cartago, Namens
Manuel Marchena, dessen Vater in den Besitz von verschiedenen
auf die Missionen im Talamancagebiet bezüglichen Dokumenten aus
dem Convent von Orosi gekommen war, den North-River zum Ziel,
^) Auf den meisten Karten flüschlich Cerroe de HatinA genaanC.
Die Tergeblich g^nchten reichen Goldminen ron Tisingal and Estrella. ] i
weä er glaabte, dieser Flafs, der beate aacfa EatrellaflaTs genannt wird,
sei der in den alten Urkunden erwfibnte Flaue gleichen Namens. £r
ging von Moin naeb der Mündnng dieses Flusses, doch kehrte auch
er, nachdem er ihn eine Strecke flufsanfwfirts verfolgt hatte, anver^
ijchleter Sache zurück.
Eine nochmalige gröfsere, gut ausgerüstete Expedition unternahm
der oben genannte Pedro Iglesias im Februar des Jahres 1863, und
xwar dehnte er diesmal seine Reise auch auf das Sizanlathal aus. Er
ging 2u Wasser von Moin nach Gaguita, dann zu Fnfs nach Cuabre
and von hier in einem Boote den Sixaulaflufs hinauf. Zunächst fand
er im Urenflusse, einem der Nebenflüsse des Sizaula, Spuren von Gold
and Kupfer, und in einigen Bächen nahe bei San Jos^ de Cabecar am
CoeDflnsae ebenfalls einiges Waschgold. Von hier ging er zum North-
River und fand daselbst in einigen Quarzscbichtcn sowie in einigen
Quellen einzelne Goldkorner, doch war das Gold in so geringer Menge
vorhanden, dafs es nicht die Muhe des Waschens belohnte. In dieser
Gegend erbot sich ein Indianer, ihm eine reiche Mine zu zeigen, die
vier Legnas vom Hafen entfernt, am rechten, südlichen Ufer des North-
Rivers liegen sollte. Doch waren gerade um diese Zeit sämmtliche
Beiner Leute erkrankt, weshalb er sich genöthigt sah, ohne die Mine
aa&usucben, die Rückkehr anzutreten, nachdem er sechs und einen
halben Monat unterwegs gewesen war.
Aufser diesen von Costaricanern unternommenen Entdeckungsreisen
hat es indessen auch nicht an solchen gefehlt, die mit bedeutenderen
Opfern an Geld von Ausländern unternommen wurden. Mehr als ein-
mal kamen in Nordamerika besonders dazu ausgerüstete Schiffe nach
der Chiriquilagune, deren Mannschaft hier Nachforschungen nach den
venchollenen Goldminen anstellte, indessen hatten auch diese keinen
besseren Erfolg, als die erwähnten Expeditionen der Gostaricaner.
Der genannte Gerro de San Mateo, welcher die meisten Gold-
soeher, die auf die Auffindung der Minen von Tisingal und Estrella
ausgingen, zu genaueren Nachforschungen veranlafste, ist ein nörd-
licher Alisläufer des Chirripo's und liegt am linken Ufer des oberen
Laufes des Chirripoflusses; sein Gipfel ist mit Savannen bedeckt, und
eine Anzahl von Quarzgängen deutet auf Metallgehalt hin.
Anfser diesem Cerro de San Mateo wird ein anderer Berg für
goldhaltig gehalten, welcher zwischen dem North-River und Teliri liegt.
Femer finden sich auch noch in verschiedenen Bächen, die im Pico*
Blancogebirge entspringen und den Nebenflüssen des Sixaula zuströmen,
Sporen von Waschgold.
Daa ganze Resultat der vielen Reisen beschränkt sich demnach
12 A. T. FrmDttinf:
danmfy d^b man an Teraehiedenen Stellen der Berge goldhaltiges Oe*
stein antraf, nirgend aber Sparen gröfserer alter Minenarbeiten. Zwar
behaupten mehrere Reisende, dafs sie an einigen Stellen Spnren k6nst*
Kch hergestellter nnd Tielbetretener Wege gefanden hätten,
woraus sie folgern, da die Herstellung derselben einstmals einen grofsen
Kostenaufwand erfordert habe, dafs diese Wege nur sehr reicher Minen
wegen angelegt worden sein könnten.
Derartige Sparen finden sich in der N&he des Chirripoflusses an
seinem linken Ufer, eine Legua flufsabwftrts von der Stelle, wo sich
die einzelnen Indianeraosiedelangen befinden. 'Hier sieht man an einer
steilen Felswand von 30 bis 40* Böschung in einer Lfinge von 50 bis
60 Fufs, in den Felsen eingehauene Staffeln, auf welchen deutlich die
Abnutzung durch Maulthierhufen zu erkennen ist. Femer sah ich selbst
an einer Stelle zwischen dem Facuarflusse und Moravia, die den Na-
men Surtnval fuhrt, grabenartige Vertiefungen, die offenbar knnstlidi
gemacht worden sind und fSr alte Wege gehalten werden. Auch in
der Nfihe des North-River sollen derartige grabenartige Einschnitte an-
getroffen werden, die man für alte Maulthierpfade hfilt. Da sich in
Costarica auch an vielen anderen Stellen ähnliche, zuweilen sehr tiefe
Binschnitte, sowie auch gepflasterte Wege finden, von denen die letz-
teren ebenfalls nur mit grofsem Aufwand an Menschen krfiften herge-
stellt werden konnten, diese aber offenbar aus der alten vorspanischen
Zeit herrühren, als noch die indianische Bevölkerung eine sehr zahl-
reiche war, so müssen wir, so lange nicht Beweise für das Gegentheil
geliefert werden, auch jene Spuren kunstlicher Verkehrswege für alt-
indianische halten. Im lockeren mit Sand gemischten Brdreich, nament-
anf etwas abschüssigem Terrain waschen die heftigen Tropenregen die
durch die Tritte der Menschen und Thiere aufgelockerte Erde bestfin-
dig fort, nnd die Gewalt des Wasser macht diese Rinnen schliefslich
zu sehr tiefen Einschnitten, sanjones genannt, die bei oberflfichlicher
Betrachtung leicht für künstliche Arbeiten gehalten werden können.
Demnach können wir diesen Beweis für das einstige Vorhandensein
eines ehemaligen grofsartigen Minenbetriebes nicht gelten lassen.
Nach Aufzfihlung der mir bekannten Schriftsfeiler und Karten, in
welchen sich der Name Tisingal findet, sowie der Versuche, die in
neuerer Zeit unternommen wurden, um die verlorene Mine wieder auf-
zufinden, hätte ich nun den oben versprochenen Nachweis zu liefern,
woher Alcedo seine Angabe fiber Tisingal entnommen hat.
Durch Zufall erfuhr ich, dafs ein kQrzlich neu verlegtes Buch:
^the Hisiory of ihe Buccaneert of America^ einige Angaben über Tisin-
gal enthalte. Ich war so glScklich, sehr bald dasselbe in einer neuen
V
i
Die T8fgebUch geeuchteii reichen Goldminen Ton TIsingel und CUtrelle. 1 3
Boetoner Aasgabe «ib New-Tork sa erhalten» und machte mich sofort
daran, alle diejenigen Stellen aofiasachen, in welchen der Name Ti-
sbgal vorkommt
Von der Idee befangen, Tisingal mnsse an der atlantischen
Kiste von Costarica liegen, fiel es mir sofort anf, dafe der Name jener
Mine so oft während einer Expedition erwfthnt worde, die an der Küste
des stillen Oceans, und swar von der Tigerinsel in der Concha-
gpabay ans aber Cholateca nach Segovia antemommen wurde. Die
hier angegebenen Entfemnngen, das Datum von Briefen, die von Ti-
•ing^ kamen, wiesen deatlich darauf hin, dafs es sich nicht um einen
in Costarica gelegenen Ort, sondern vielmehr um einen in der N&he
jener genannten Oertlichkeiten liegenden handle. Als dies feststand,
kam es darauf an, ausfindig au machen, wo dieses Tisingal gelegen
habe. Erst jetzt bemerkte ich , was ich bisher beim fiuchtigen Lesen
öbersehen hatte, dals der Name nicht Tisingal, sondern Tinsigal
geschrieben war. Indem ich mich nun zuerst an eine Stelle hielt,
worin ein Qeneral vom neuen Gouverneur von Tinsigal spricht, so
• ging daraus mit Bestimmtheit hervor, dafs es eine der Hauptstädte
jener Gegend sein müsse, und nun lag es nahe, dafs dies nur die in
jener Gegend gelegene Hauptstadt Tegucigalpa sein könne. Die
onzweifelhafte Bestätigung dieser Yermuthang ergab sich sofort bei der
genauen Prüfung sämmtlicher übrigen Stellen.
Der Verfasser jener Schrift und zugleich Anfuhrer dieses höchst
merkwürdigen, mit unglaublicher Unerschroekenheit und seltenem Glück
aosgefohrten Zuges ist Sieur Ravenau de Lussan, welcher seit
1684 an der Küste des stillen Oceans als Freibeuter die verschieden*
sten Abenteuer erlebte und endlich im Jahre 1687 beschlols, mit
seiner ganzen Mannschaft, bestehend aus 280 Mann, nach seinem Vater-
lande Frankreich zurückzukehren. Da seine Schiffe sich in einem sehr
schlechten Zustande befanden, so wählte de Lussan den ungewöhnlichen
Weg von der Conchaguabay über Gholuteca und Segovia bis zum Se-
goviafloTs, dann fuhr er auf selbst gefertigten Flössen diesen reifsen-
den Flufs voller Stromschnellen bis nach Gap Gracias a Dies hinab,
schiffte sich hier ein und erreichte glücklich sein Vaterland.
EIhe er seine Reise erzählt, spricht er S. 435 zuerst im Allgemei-
nen von der Westküste Amerika's, und vergleicht die Westküste Mittel-
amerika's mit der von Südamerika. „Das Land, welches sich von der
Bay von Salt Pits ') bis Acapulco «erstreckt, ist das bevölkertste an
der Südsee, woselbst auch einige berühmte und sehr reiche Städte He-
>) Die Bay von Salt Pits ist der Golf von Nicoya, der damals bis Anfang
dieses Jahrhunderts den Namen Grolfo de las Salinas führte.
14 A. T. Frantsiai!
gen; auch findet man daselbst mehr Ooldminen als in Peni, ob^ekA
das Metali nicht so fein ist, nnd allein diejenigen von Tinsigal
werden von den Spaniern mehr geschfitst, als die Minen
TonPotosi; daher wird diese KOste nicht ohne Grond ,,r eiche
Kdste* genannt, obgleich auf anseren geographischen Karten dieser
Name nur einem kleinen Theil dieses weiten Landstriches gegeben
wird.*
Diese Stelle ist offenbar die wichtigste von allen, die fiberTisin-
gal handeln; denn zuerst sehen wir, dafs hier nur von der Westküste
gesprochen wird, so dafs also unmöglich Tisingal an der Ostkaste
liegen kann.
Zweitens sagt der Verfasser, dafs die Seefahrer Jener Zeit cfine
weit grofsere Strecke Landes mit dem Namen Costarica benannten,
ab das Territorium, welches die damalige Provinz Gostarica im p<^-
tischen Sinne umfafste. Denn so wie an der Ostkuste die ganze Stredke
von der MSndung des San Juanflusses bis Portobelo Gostarica genannt
wurde, so benannte man auf der Westseite sogar die ganze Küste von
Nicaragua und, wie wir es hier sehen, fauch die von Honduras and
San Salvador mit dem Gesammtnamen Costarica.
Drittens ist der Vergleich zwischen Tegucigalpa und Potosi ein
sehr treffender und ganz richtiger; denn selbst in neuerer Zeit finden
wir einen ähnlichen Vergleich beiDunlop*) fast mit denselben Worten
ausgedrückt; auch er sagt: „Die in der Umgegend von Tegucigalpa
vorhandenen Schätze an edlen Metallen übertreffen die der berühmten
Minen von Potosi in Bolivia.^ Man mufs dabei berücksichtigen, dafe
beide Orte ausgedehnte Minenbezirke bilden, welche schon seit Jahr-
hunderten durch ihren ungeheuren Reich thum an Silbererzen be-
rühmt waren.
Potosi') ist bekanntlich der Name eines Districtes in BoUvia
mit einer Stadt gleichen Namens, dessen reiche Silberminen sich in
einem Gebirge von ungefilhr sechs Leguas Umfang befinden. Dieses
Gebirge ist von Schachten und Stollen gänzlich durchbohrt und unter-
minirt; es befinden sich daselbst mehr als 300 Erzgruben. Die ersten
Erzgänge wurden im Anfange des sechszehnten Jahrhunderts entdeckt,,
und 1545 wurde Potosi als Mine einregistrirt, und seit dieser Zeit
zahlte dieselbe den sogenannten Quint an die spanische Krone. Aus
') Rob. Glasgow Dunlop, Travels 'in Central -America, London 1847.
') The London Encyclopaedia. London 1888. VoL XVI JL p. 9 and 10.
Ferner: Die Silberminen von Potosf etc. von E. 0. Ruecke in der Berg- und hatten-
mttnnischen Zeitung. 1858. No. 84 — 36. Der Mineralreich thum und der Verfall des
Bergbaues auf dem Hochplateau der Republik Bolivia von H. Reck. Ebd. 1866..
No. 87—89.
Die Tergeblich gerachten reichen GoldDunen Ton TSsingal nnd EstreUa. j 5
den daraber geführten noeb vorbaDdeoen Bechnongen hat Hamboldt
den Wertfa des seit 1545 bis tarn Jahre 1803 gewonnenen Silbers anf
160,087,901 Mark (£ 234,698,840) berechnet, wobei man noch in An>
sddag bringen laiifs, dafe ein betrfichtlicher Tfaeil des Metalls nicht
mit einbegriffen ist, welcher, ohne Abgaben za lahlen, der Beaufsichd-
gniig der königlichen Beamten durch Yerantreaung entsogen wurde.
Aach Tegucigalpa') ist sugleich der Name eines Bezirkes und
einer im Centrum desselben gelegenen Stadt. Dieser Bezirk enthfilt
10, früher sogar 13 Minendistricte, von denen jeder eine Menge Gra-
ben besitzt. Um sich von dem Reichthum dieser Minen einen Begriff
zu machen, mnfs man wissen, dals im vorigen Jahrhundert eine ein-
sige derselben, la Onayavilla, in einem Zeitraum von fBnfzig Jahren
Silber im Werthe von zwölf Millionen Pesos lieferte; eine andere Mine,
d Corpus, die berfihmteste von allen, gab einen so anglaablich reichen
Ertrag, dafs man für sie allein eine besondere königliche Kasse ein-
richten muTste, um die gesetzmfifsige Abgabe derselben in Empfang zu
nehmen. Diese beiden reichen Minen lagen in dem berühmten Minen-
districte Yuscaran; ein anderer Minendistrict Namens San Antonio
enthält allein mehr als 30 Gruben.
Viertens endlich ist es augenscheinlich, dafs Alcedo beim Sam-
meln der geographisch-amerikanischen Materialien für sein Diccionario
die de Lussan'sche Stelle vor Augen gehabt, gelesen und benutzt hat.
Dadurch aber, dafs er den Satz: „nnd allein diejenigen von Tin-
sigal werden von den Spaniern mehr geschfttzti als die
Minen von Potosi; daher wird die Küste nicht ohne Grund
reiche Küste genannt*', aus dem Zusammenhang herausrifs, ohne
die nachfolgenden Worte zu berücksichtigen, ist er selbst in den Irr-
thom verfiEJlen, als l&ge Tisingal in der Provinz Costarica, nnd so hat
er alle übrigen Schriftsteller, die sein Werk benutzten, zu demselben
Irrtbum verleitet.
.Ueber die Lage von Tinsigal erfahren wir etwas genaueres aus
einer zweiten Stelle, in welcher Lussan von drei Gefangenen spricht,
welche wfihrend ihrer Gefangenschaft so grünstige Berichte über den
Beichthum einer Goldmine erhielten, die nahe bei Tinsigal liegt, dafs,
obgleich sie spfiter ausgewechselt wurden, sie dennoch wieder zu den
Spaniern entflohen und eine Anzahl ihrer Gefährten zu bereden such-
ten, ein Gleiches zu thun. Die Stelle ^ S. 404 lautet so : „die sehr an-
sebnliche Ooldmine war 14 Leguas von der Küste entfernt (d. b. von
der Conchaguabaj) und ebenso weit von Tinsigal^ a. s. w. Diese Ent-
■) Exploraiioni and Adventures in HonduroM hy W, V. Weltt, New TorJs 1867.
p, 425 «. 622.
Ig A. V. Frantsimti
fernttAg» 88 LegoM, pafiit mit BerOckmhtiiiig dar WiadnngMi dm We-
ges g«ns gut «uf die Lag^ der Stadt TegbcigiliMi, welche in gerader
Biehtnng nogeflBhr 25 L^oa» von der Kfiste eotfenift iit
Da(s in der That kein anderer Qii ala Tegucigalpa unter
Tinsigal ca verstehen ist, sehen wir aus den nhrigen Stellen, in
welchen de Lossan bei der Schildemog sdnes kühnen Marsches Ton
einem Ocean aom andern diesen Namen erwihnt»
De Lassen lag an der Tigeriosel (AmapaUL) rar Anker und sdiüfte
seine aus 280 Mann bestehende Mannschaft am 25. December 1687
ans, theilte sie in vier Compagnien und brach mit denselben den 2. Jap
nuar 1688 auf. Den 8. Januar kam er in die Nähe der Stadt Cholnteea,
die schon früher, den 19. December, von einer kleinen Zahl seiner
Leute überrumpelt und genommen, am folgenden Tage aber wieder
verlassen worden war. Hier gelang es seinen Leuten, einen Spanier
gefangen zu nehmen, der ihnen über die St&rke des Feindes Ansknnft
geben mulste. Derselbe sagte aus, dals alle Streitkräfte des Feindes
sich vereinigen wollten, um ihnen den Durchsug streitig su machen,
und dafs sie auf dem Punkte ständen, mit den 300 Mann ausammen-
zutre£fen, die von Tinsigal kämen. In der That stiefsen sie auf diese
300 Mann noch am selben Tage, doch vermieden dieselben den Kampf,
blieben aber als Beobachtungsoorps einige Tage hindurch, su beiden
Seiten im dichten Tannenwalde marschirend, stets in einiger Entfer-
nung, so dafs sie nie zu sehen, sondern nur ihre Signaltrompeten an
hören waren.
Den 11. kamen sie nach der Stadt Segovia^), woselbst sie nur
geringen Widerstand fanden, indem die Spanier, gedeckt durch die
Tannen, welche daselbst einen dichten Wald bilden, von Zeit zu Zeit
Schasse abfeuerten, sich zurückzogen und die Stadt dem Feinde nber-
lielsen. Leider trafen sie hier keine Lebensmittel an, da diese von
den Spaniern sämmtlich vernichtet oder mitgenommen waren. Zum
Glück aber machten sie einen Gefangenen, der sie nach dem Segovia-
flusse fuhren mulste, welcher noch 20 Leguas von hier entfernt war;
die bisherigen Führer waren nämlich weiterhin des Weges nicht mehr
kundig.
Schon am folgenden Tage brachen sie von hier auf und nach sehr
beschwerlichem Marsche über hohe, dicht bewaldete Bergrücken trafen sie
am 13. Januar in einem engen Thale die -vereinigte Macht des Feindes
>) Diese Stadt liegt etwas weiter östlich, durch einen Bergzng getrennt von
der hentigen Stadt Nueva Segovia; sie fUhrt daher den Namen Tieja Segovia (siehe
die Sonnenstem'sche Karte von Centralamerika. 1860). Bekanntlich giebt es in
dieser Gegend ausgedehnte Tannenwaldnngen; daher der Name Ocotal, von ^Ocotel'^
Tanne, den Neu- Segovia heute führt.
Die Teigeblich gesuchten reidMa CMtetnen yon Tiiingal und EsIrelUu f J
ia drei stiurk venchamten Lagern, welclM dai Thal beliemchten imd
den Weitermarsch TolUtfiDdig onmögBidi maehten, beacmdera da aaeh
der im Orande des Thalas sich hinaiebeiide Weg an TerBcfaiedeneo
Stellen Terbamkadirt war. In dieaer schwierigen Lage wnrde folgen-
der Ejriegsplan entworfen: man liefs, am den Feind an t&oschen, 80
llaon im JLager, die wahrend des Nachts die Lagerfeuer unterhalten
and darch Abfeaem ihrer Qewehre den Feind glauben machen moüi^
tea, als sei das Lager nicht verlassen worden. Unterdessen stieg die
iibrige Mannschaft, vom Mondlicht b^finstigt, das Thal hinab und an
der anderen Seite hinauf, die Yerschanaungen der Feinde umgehend.
Auf diese Weise konnten sie den folgenden Tag dem nidits ahnenden
Feind ron oben her in den Rücken fallen, und sie erreichten diesen
Zweck so YoUstandig, da£s sie unter den Spaniern ein fürchterliches
Blutbad anrichteten, welche nach kurzem, aber heftigem Kampfe ohne
weiter Stand zu halten die Flucht ergriffen. Bei dieser Gelegenheit
tödteten sie den spanischen General und fanden bei demselben den
oachfolgenden, für unsere Untersuchung wichtigen Brief, dessen Ueber-
schrift so lautet:
^Ein Brief vom General der Provinz Costa-Rica an den Ghef-
Commandenr in den Yerschanzungen vom 6. Januar 1688.^
Aus dieser Uebei-schrift geht wiederum hervor, dafo de Lussan den
Xamen Costa-Rica auch auf Honduras ausdehnte, aufserdem steht das
Datum des Briefes vollkommen im Einklänge mit der Entfernung von
Tegucigalpa, woselbst sich der Sitz der Regierung befand.
Hier war die Kunde von der Ausschiffung der Freibeuter, die in den
letzten Tagen des December erfolgt war, in den ersten Tagen des
Janaar angelangt; es vergingen dann noch einige Tage mit den nöthi-
gen Rüstungen,* und so konnte der General von Tegucigalpa den
6. Januar an den bereits in den Yerschanzungen befindlichen Offizier
schreiben, der den Brief dann in wenigen Tagen erhielt, also immer^
hin vor dem 14. Januar.
Der Brief enthielt nun folgende Stelle: ,^Ich war im Begriff, Ihnen
8000 Mann zu schicken, hätten Sie mir nicht sagen lassen, dafs 1500
hinreichend wären. ^ Und weiter heifst es: „Im Falle, dals sich einige
von ihnen durch die Gebirge durchschlagen soUten, so soll Don Ro-
drigo Sarmado, der neue Gouverneur von Tinsigal, an der Spitze von
300 Mann, ihnen in den Rücken fallen, sobald sie im Kampfe begrif-
fen sind etc.^
Ein Heer von 8000 Mann konnte nur in einer der Hauptstädte
in Eile Busammengebracbt werden, wo ein ansehnlicher Truppenkörper
bestandig unter Waffen gehalten zu werden pflegt. Femer wird hier
vom neuen Gouverneur von Tinsigal gesprochen, welches deutlich be-
Zeftschr. d. G«s«U8oli. f. Brdk. Bd. IV. ^
Ig A. ▼. Frantst««:
woist, imb Tmigßl Hmiptttadt vsd Sits einas OottTerneors sein
mofiite, diM war aber Tegucigalpa daraala in der That Da bud aadi
das StSdtehen Cbolateea im Parlido de Tegneigalpa lag, 00 war es
gerade aach der Gk)aY6niei]r Ton T^;acigalpa, welcher rar Vertb^di-.
gang dieses Ortes Terpftichtet war.
Wir wollen nnn noch, um die Neugierde der Leser so befriedigeii,
kim erwähnen, dafls die Freibeater giücklich den Segoviaflob den
17. Januar erreichten. Erst hier gönnten sie sich einige Ruhe, bau-
ten sich Flöfee, und weiter unten flufsabwfirts, wo sie sich vor den.
Verfolgungen von Seite der Spanier sicher glaubten, Ganoes, auf denen
sie den 9. M&rs die Möndung des Flufses bei Gap Gracia a Dios er-
reichten,
Wenn wir nun auch durch diese Erzählung Lussan's hinreichend
überzeugt worden sind, dafs er mit dem Namen Tinsigal keinen an-
dern Ort als Tegucigalpa meint, so müssen wir noch nachweisen, wie
jene eigen tbümliche Verstümmelung des Namens entstanden ist.
Es ist dies keineswegs die einzige derartige Verstümmelung von
Ortsnamen in dem Lussarf sehen Werke, sondern der grofste T^eil
derselben findet sich daselbst in so veränderter Orthographie, dafs es
dem Leser oft schwer wird, den wirklichen Namen daraus wieder zu
erkennen. Als Beispiele dienen folgende Namen: Guayaquil heifst bei
Lussan Queaquilla, AmapallÄ Mapalla nnd Napalla, Esparza Lesparso,
Realejo Realeguo, die Insel Quibo, südwestlich von Panama, Gueblo,
Sonsonate Sansonnat, Segovia Legoria, Galdera Galdaira, Burica Ba-
rica, Maria Pnercos Mome a Puercos , Boca chica Bocha del Chica,
Otoque Ottoqua, Ghepilla Sipilla, Tehuantepec Teconatepeqna, Ghulo-
teca Ghiloteca, Ghinandega Ginandega u. s. f. Man sieht bei fast allen
diesen Abweichungen von der richtigen Schreibart, dafs die Namen
nach dem Wortklange aufgeschrieben worden sind, es wird uns daher
auch nicht so sehr wundern, wenn wir sehen, dafs Lussan die Endsilbe
pa von Tegucigalpa weggelassen hat. Nach Deutschland zurückge-
kehrt, war ich so glucklich, in der Baseler Universitätsbibliothek das
französische Original des Lussan'schen Werkes ') zu finden. In demsel-
ben heifst es an den betreffenden Stellen p. 362, 390, 414 nicht Tin-
sigal, sondern Tiusigal, welches offenbar dem Worte Tegucigalpa noch
ähnlicher klingt. Demnach hätte Lussan statt Tegucigalpa Tiusigal,
der englische Uebersetzer statt Tiusigal Tinsigal und Alcedo statt Tin-
sigal Tisingal geschrieben; aus diesen drei Schreib- oder Druckfehlern
ist also aus Tegucigalpa Tisingal geworden.
') Journal du voyctge fait ä la mer de Sud av0c les filibustiers de VAmerique
par Sieur Ravena» de Lutsan. Parit 1699.
Die Terg«blich gesachteii reiehon GoldmiBeD Ton Tisingal nnd EttrcUa. ] 9
Naehdem wir irao naehgewiesen bftlMD, dafs die Namen TinsigBl,
Tinsigal and Tinogal niehts weiter als VeTStdmmelangen des Namene
Tegociga^ seieo, dab also ein in Costarica gelegener Minenort
diases Namens gar nicht existirt nnd überhaupt vollständig als Orts-
name ra streichen sei, bleibt ans noch übrig, eine andere Frage sn
beantworten, die die meisten Leser sich gewifs sch^on selbst gestellt
haben: wo liegt das so oft erw&fante Estrella? Dieser Name
ist, wie wir sabMi, so sehr mit dem von Tisingal verkettet nnd iden-
tiftcirt worden, dafo ich meine Untersnchnng über Tisingal nicht gut
abschliefeen kann, ohne weitere Aafkl&mngen über Estrella za geben.
Während im Volksmunde der Gostaricen^er der Name Estrella
gleichbedeatend ist mit einer alten reichen verschollenen Mine, so fin-
det sich aaffallender Weise in den filteren geschichtlichen Urkunden,
in welchen dieser Name vorkommt, keine Andeutong davon vor. Ja
noch mehr, die historischen Quellen, welche wir über die Geschichte
von Costarica besitzen, sprechen überhaupt fast nirgends von Minen,
ki^neswegs wird aber irgendwo von reichen Minen gesprochen. Mit
dem Namen Costarica, der seinen Ursprung einigen reichen Minen
verdanken soll, hat es aber seine ganz besondere Bewandtnifs, worüber
wir später aosfuhrlicher sprechen werden.
Während meine Untersuchnngen über Tisingal mich zn dem Re-
snltate geführt haben, dafs dasselbe gar nicht in Costarica existirt,
so bin ich in Bezug auf Estrella zu dem entgegengesetzten Resultate
gekommen. Es giebt nfimlich nicht weniger als fünf verschiedene
Oertlichkeiten, die diesen Namen führen.
Wie wir oben gesehen haben, behaupten Osejo and Molina, dafs
der durch die dabei befindlichen Minen berühmte Estrella flufs sich
in die Chiriquilagune ergiefse. Dabei erwähnt Osejo auch einer
Stadt dieses Namens '): „in der ersten dieser Epochen (der Geschichte
Costaricas) füllt die Gründung und das Verschwinden der berühmten
Stadt Estrella, sowie das der grofsen Ortschaften von Atirro, Chir-
ripö und Garavito^ u. s. w. Da Osejo es jedoch unterläfst, anzageben,
woher er diese Angabe entnommen habe, so ist sie fQr uns von ge-
ringem Werth.
F. Molina sagt in seiner Schrift über die Grenzstreitigkeiten zwi-
schen Costarica und Neu-Granada Folgendes*): „Es existiren Beweis-
*) Osejo a. a. 0. p. 90 ^Ä la primera de esUu q^ocas* (de la hUtoria de
Cottarica) „corresponderia tl establecimiento y detaparicion de la fafnosa Ciudad de
Estrella y de los grandes Pueblos de Atirro^ Chirripö y Garavito €tc.*^
^) Costarica y Nueva GranadOf Cuestion de limites. Washington 1852. p. 10:
^Existen eon^robantes de que ya por el ano 1601 emprmdieron por primera vez
los Gohemadores de Costarica la reducdon de aquellos salvajes poniendo los cimientm
2*
20 ^ ^« TrABtitas:
stficke, daCs die Gob«niadore von Costftrica aehon um das Jabr 1601,
als sie die Bekehniog jener Wilden begannen, eine Stadt, die sie Gon-
cepcion nannten, an den Ufern des Estrellaflosses gründeten, welefaer
einer yon den Fliesen ist, welche sich in die grobe Bucht von Gari*
baro ergiefsen, die in der neueren Zeit den Namen Chiriquilagnne er-
halten haf Leider giebt auch Molina nicht an, welches die Beweis*
st&cke sind; er beruft sich aulserdem (p. 15 und 16) auf drei alte Kar-
ten ^), auf denen Goncepcion angegeben sein soll, doch bleibt es, da
mir diese Karten nicht sur Ansicht vorliegen, fraglich, ob auch ein
Bstrellafluls ebendaselbst angegeben ist
Unter den neueren Specialkarten von Gostarica finde ich diesen
Bstrellaflufs in der Chiriqailagnne nur auf der Karte von Molina
in seinem ,|Bosquejo^ und auf der Gopie derselben von M. Wagner
angegeben. Molina nennt denjenigen Flufs Estrellaflofs, welcher auf
den englischen Admiralit&tskarten (West-Indies, Sheet XI from Cajos
Batones to San Juan de Nicaragua by Gomd. £. Barnett 1837 und
Ghiriqui Lagoon by Gomd. Edw. Bamett 1839), sowie auf Kiepert's
Karte Ghirica Mola genannt wird. Eine Stadt Estrella in der Nfihe
der Ghiriqailagune finde ich nur auf der Karte von Gapt. 6. Lafond
(Garte de la R^publiqoe de Gostarica. Paris, Robiquet, 1851).
Bei den heutigen fremden Ansiedlern, welche die Inseln derGhi-
riquilagune bewohnen, soll die Sage existiren, dals die Spanier da-
selbst einstmals eine Ansiedelang Namens Goncepcion an einem
Estrellaflosse besessen hätten, woselbst sie viel Grold gewonnen haben
sollen. Auch erzählt man sich, dafs ein seit langer Zeit in Boca del
Toro lebender nordamerikanischer Gapitain alle Jahre von einem alten
^Estrellaindianer*^, dem er frSher einmal Dienste geleistet hatte, aus
Dankbarkeit Gold ^es^henkt erhalten haben soll, und dafs ein Schwar-
ser daselbst, der früher lange Zeit bei jenen Indianern lebte, sich
jetzt im Wohlstand befinden solle.
Im Gegensatze zu diesen Sagen, sowie auch zu den Behaup-
tungen von Osejo und Molina, ersehen wir aus dem sehr interessanten
Buche von Roberts *), der sich im Jahre 1821 längere Zeit in einem
de una dudad, que apeUidaron Concepcion^ ä las mar genes del rio de la Estrella,
vno de los, que desembocan en la gran bähia de Caribaro, que en tiempos mos mo-
demos ha recibido el nombre Laguna de Chiriqyi,
*) 1. Mappe du Mexiqw et de la Nouvelle Espagne par 8anson dAbbevUle,
Paris 1656.
2. Carte du Mexique et de la Floride par de Viste, dressee swr un grande
nombre de memoires par d'Yverville le Sueur 1708.
8. Ä Map of the British Empire in America. Amsterdam by J. Gonvents
and C. Mortier.
•) Narrative of Voyages and Excursiens on the East-Coast and in the Interior
üf Central America by Orlando W, Roberts. Edingburgh 1827.
Die Teigeblich gesuchten reichen Goldminen Ton Hiingal nnd EfttrelUu 2 1
Indianerdorfe am Chiriqoimolaflafse aufhielt, dafs weder die Bingebore-
oeD den Namen Ealrella kennen, noch nberhaapt ein Flols dieses Na*
mens in jener Oegend erwähnt wird, was Roberts sicherlich nicht mit-
intheilen unterlassen haben würde, wenn er von einem Flafse dieses
Namens und von reichen Ooldminen, die einstmals von den Spaniern
an diesem Orte bearbeitet wurden, gehört hfitte.
Ein sweiter Estrellaflufs liegt weiter nördlich von der Chiriqui-
lagnne and ist derjenige, welcher heute diesen Namen fuhrt. Seine
Mfindung befindet sich nordlich *) von Punta Caguita und seine Quel-
len liegen am Ostabhange des Chirripogebirges. Er fuhrt auf einigen
Karten auch den Namen North-River. Ich habe denselben bereits
früher bei Aufzählung der verschiedenen Reisen zur Auffindung von
llsingal öfter unter dem Namen North-River erwähnt und habe hier
nur noch hinzuzufügen, dafs er im Vergleich zum Reventazon, Matina-
flafs und Sizaula ein kleines Flüfschen ist, während die älteren Be-
richte den alten Estrella als einen grofsen Flufs schildern.
Einen dritten Estrellaflufs finde ich auf der oben erwähnten
Karte desCapt. Lafond'), doch ergiefst er sich in den stillen Ocean.
Wahrscheinlich ist er nach alten Karten oder nach der Angabe von
Aleedo hierhin gezeichnet. Alcedo erwähnt nämlich in seinem gro*
fsen Werke nur diesen einen Estrellaflufs und sagt von demselben
(s. Tom. II. p. 111), dafs er nach Westen läuft und sich zwischen dem
Higueron und Cartagoflufs in die Südsee ergiefst; der Higueron aber
ergiefst sich nach demselben Autor (s. Tom. IL p. 361) in den Puerto
Ingles, und dieser Hafen befindet sich (s. Tom. IL p. 447) zwischen
dem Oolfo Dalce und dem Estrellaflusse, also südlich von dem letzte-
ren; der Rio de Cartago ist aber (s. Tom. L p. 408) ein Flufs, der
nach Westen läuft und sich im Hafen von Herradura in die Südsee
ergiefst, es ist also unser beutiger Rio grande de Tarcoles, welcher
durch den Zusammenflufs des Virilli nnd des in der Nähe von Cartago
entspringenden Tiribi entsteht. Der Faerto Ingles, ein Name, der sich
übrigens sehr häufig wiederfindet, und mit dem jede geschützte Bucht
belegt wurde, in welcher die Freibeuter ihre Schiffe auszubessern oder
Wasser einzunehmen pflegten, liegt ein wenig nördlich von Punta Mala
an der Mündung des Rio Grande de Terraba und wird durch die kleine
Landzunge Uvita und zwei kleine Inseln, Bailena, geschützt; noch
M Nicht sfldlich, wie es auf Kiepert's Karte nnriolitig angegeben ist.
*) Aaf Lafond's und Kieperts Karte sind Puntamala, Higueron, AtiUo nnd
andere Namen, die sämmtlieh unmittelbar an der Kttste liegen, im Innern des Landes
angegeben, wahrscheinlich nach einem Itinerariam. Der Weg von San Jostf nach
Terraba läuft aber von Sav^gre bis Puntamala hart am Meeresstrande hin.
22 ^ ^- FrftDtsiac:
heate fahrt eiii kleui^a in denaelben einmfindendes FföfiMsben den Na-
men Higaeron. Uuter den nl^rdlieh von diesen in den atiMen Ooean
sich orgiefiBenden Fliisaen ist nun der bedeutendste der Barn nnd da-
her dieser als der Estrelia des Alcedo antusehen.
Unier dem Namen Barn ^) findet sich ders^be fast anf allen
neueren Karten angegeben. Aus suverlfissigen mündlichen Mitthei-
lungen habe ich Folgendes fiber diesen Flufs erfahren. Seine Mündung
ist so breit und tief» dafs sich Haifische und Caimans darin finden.
Er kommt weit aus dem Innern, wo seine Quellen nahe bei denen
yd es Estrelia^ liegen sollen; auch hier sollen Indianer wohnen,
welche jeden Verkehr mit Fremden meiden und nur mit den Viceitar
Indianern, die bei dem nahegelegenen San Jos6 de Cabeear wohnen,
einen Verkehr unterhalten. Audi sollen sich an den Quellen desselben
Ooldminen finden.
Ein gewisser Cornelio Monje, welcher im April und Mai 1865
von Gartago nach Terraba ging, um statt des bis jetzt gebr&nchlichen
höchst beschwerlichen Weges einen nfiheren directen Weg ku suchen,
überschritt die meisten Flüsse, welche auf dem gewohntichen Wege
an der Küste bei ihren Mündungen überschritten werden, an dem obe-
ren Lauf derselben oder an ihren Quellen. Nach ihm bildet das Bette
des Bani in seinem oberen Lauf eine tiefe Feisenscblucht, welche sei-
ner Reise ein bedeutendes Hindernifs entgegensetzte, so dafs er ge-
nothigt war, um einen Uebergang zu suchen, ihn eine bedeutende
Strecke flufsabwarts und flufsaufwärts zu verfolgen, wobei er überall
denselben febigen Charakter des Flufsbettes antraf. Bald nachdem er
den Baru überschritten hatte, kam er in südwestlicher Richtung an das
Flufsbett des Rio Grande de Terraba. Von einem Vulkan und von
Indianern traf er keine Spur.
Der vierte Ort, welcher den Namen Estrelia f^rt, ist ein Berg-
abhang, fiber welchen der Weg von dem Indianerdorfe Pacaca nach
dem Tavarciathale hinauffuhrt. Die Strecke diesseits der Stelle, wo
der Weg sich theilt und einen Nebenweg nach dem Puriscal abgiebt,
heifst el Camino por la Estrelia. Der Name ist ein sehr alter
und scheint einem Theile des Weges beigelegt worden zu sein, anf
welchem seit dem Jahre 1601 oder vielleicht noch früher die Maulthier-
transporte nach Panama gingen. Auffallend ist es, dafs auch in der
Nähe dieses Ortes, welcher den Namen Estrelia führt, eine alte Mine
') A. ▼. Humboldt fragt in seinen »»Kleineren Schriften'' Bd. I. 185$. p. 41:
«(Mebt ee nordöstlich vom Golfo Dolce einen Vnlkan de Bama, den Bratf anfführt?
Galindo kennt dort blos einen Rio Barll zwischen Terrava und BaUar, keinen
Vnlkan Bama*.
Die Teiig;eblich gesuchten reioban OeldaiiDeii von Titingal and Estrella. 23
liegt, asd s««r Me fdte «m Bio del oio im Samt» Aii»*Tbale gelegene
YeifUleoe Mina abogada de les EspanoleB.
Fanftens habe ich endlich den Sixaulaflnfs *) an nennen, den
ich far den eigentlichen alten Estrellaflafe halte; anf iha besiehen eich
efiramtlicbe filtere hietoxisehen Mittheilnngen, sowie die jetst noch ezi*
Btlrenden Sagen.
Der SixanlafloTs, dessen Man dang anter diesem Namen fast anf
allen neaeren Karten von Centralamerika richtig angegeben ist, ent-
steht aas dem Zusammenflofs der fünf Flosse Teliri, Goen, Lari, Ureil
and Jnrqain. Die Quellen dieser fünf Flösse befinden sich an den
nordöstlichen Abhangen der Berge Chirripo, Pico Blanco and Rovalo-
Der SizaalaflaTs hat das Eigenthumliche in seinem unteren Laafe, dals
er sich der Meeresküste in der Bucht swischen Panta Caguita and
Pnnta Gareta bis auf drei Legaas n&hert, dann aber eine Biegung
nach Südost macht und eine bedeutende Strecke Ifings der E8ste
Jbrtlfioft, bis er sich dann nahe der Sansanlagune in's Meer ergiefst
Die Trefflichkeit des Landungsplatzes in jener Bucht hat aber seit den
filtesten Zeiten die Fahrseuge veranlafst, dort zu ankern *), weshalb
diese Stelle heute noch Puerto vicjo, Oldharbor, d. h. alter Hafen,
genannt wird. Von diesem Hafen ans wurde dann der Verkelir mit
dem naheliegenden Flusse zu Lande bewerkstelligt und man benutzte
dann den Flufs, so weit er für Boote schiffbar ist. Dies ist noch heute
die gewöhnliche Art, um in's Innere des Landes hineinznkommen.
Der Hafen für diesen Flufs liegt also ungewöhnlicher Weise weit
von seiner Mundung entfernt. Ob einstmals wirklich, wie be-
hauptet wird, Seeschiffe durch die Mundung in den Flufs eine Strecke
weit hinauffahren konnten, läfst sich heute schwer entscheiden, da die
ganze Küste von Cap Gracias a Dios bis Darien durch die starke
Meeresströmung und Flufsanschwemmungen, sowie durch das Wachsen
der Goralienbänke, so verändert worden ist, dafs die in alten Karten
angegebenen Verhältnisse der Flufsmßndongen , Haffe ( Esteros} und
Deltabildungen heute kaum mehr wieder zu erkennen sind.
Das Flufsgebiet des Sixaula, eines der gröfsten Flüsse Gostari-
eas, hat %in sehr ausgedehntes Quellgebiet nnd ist zagleich das eigent-
liche Gebiet ^der Tal am an ca-In dianer, d. h. der Oesammtheit der
hier wohnenden Stämme, bestehend aus den Viceitas, Gabecaras und
Terrbis. Die Eroberung des Talamancagebietes, die Unterjochung, so
>) Sizaala ist nur der Name fUr die MOndnng dieses Flusses, der Name ist
neoeren Ursprungs und wurde von den Mosqnito -Indianern, welche diese Kttsten
jUnlich des SohildkrGtenfanges wegen besuchen , eingeitlfart und beibehalten.
*) Durch später entstandene Korallenbftnice ist dieser Hafen heut zu Tage als
solcher gftnzlich unbrauchbar geworden.
24 ^ ▼• VtAVtsUt:
wie die fiiedUdM Bninihrnng jener IndtmaertHmnie Mdete einen der
interessanteeten and wicbtigiton Tbeile der an intereisanten Begeben*
heiten so armen Oesdiichte dea Landes. In den meisten hiatoriacben
Qnellen über die bieraaf besflgUcben Begebenheiten findet man datier
den Namen EiBtrella immer mit dem von Talamanca verbunden und
cwar wird der FluTs stets als ein sehr ansehnlicher geschildert, was
für uns aas dem Gmnde von Wichtigkeit ist, weil der heute so ge-
nannte Estrellafiuls oder North-River ein kleiner Flufs ist und daher
mit Unrecht jenen Namen fBhrt Wahrscheinlich hat er den Namen
Bstrella deshalb erhalten, weil man irrthfimlicher Weise die Mondang
des alten Estrellafluflses in oder nahe bei der genannten Bucht sachte.
Einen positiven Beweis, dafis der Sizaulaflufs der alte Bstrella
sei, finde ich in einem alten Missionsbericht, welcher im Jahre
1851 in einer hiesigen Zeitung ' ) veröfientlicht wurde. Hier heifst es
klar und deutlich: „die Flusse Lari und Coen ergiessen sieh
in einen gröfseren, genannt Estrella^. Ferner behauptet der-
genannte J. M. Figueroa, dals die Eingeborenen heute noch den Teliri
für den alten Estrella erklären. Da nun der Teliri der Hauptzuflufis
ist und auch der ganze FluDs nach Aufnahme der fibrigen in seinem
unteren Laufe diesen Namen behalten zu haben scheint, indem noch
heute die von den Mosquito-Indianern sogenannte Sixaulamündnng bei
den Eingeborenen Teliri n ac *) heifst, so ist dies gewifs als eine wich*
tige Bestätigung zu betrachten.
An demselben E^trellaflusse haben nach dem genannten Missions»
berichte auch die Stadt St Jago de Talamanca, das Castillo de San
Udefonso und Goncepcion gelegen, ober deren bekanntlich im Jahre
1610 stattgefundene Zerstörung der Bericht ausfuhrlich haudelt.
F. Molina ist offenbar in einem Irrthum befangen gewesen, wenn
er die erste spanische Colonie an der Ostkaste Gostarica's, Namene
Castillo de Austria, die im Jahre 1560 schon von einiger Bedeutung
gewesen zu sein scheint, nach der Chiriquilagune verlegt. Er bernft
sich dabei auf drei königliche Schreiben vom Jahre 1561 '), in welken
gesagt wird, dals Juan de Estrada Rabago gegen 70 Leute im Hafen
von San Oeronimo ausgeschifft habe, der in der Provinz Cartago
und Costarica liegt, woselbst er die Stadt Castillo de Austria gegrün-
det habe etc. Nun findet sich aber die Bahia de San Geronimo
') Gaceta tenutnaria oßcial del Gobiemo de Costa Rica, 1851. No. 160
nnd 161.
') Di« Endung nac kommt bei Flafsnamen im TaUunancagebiete öfter vor nnd
heirst Einmündung, z.fi. Dicarifiac, Caratagrü&ac , d. h. Einmttndnng der Flüaae
Dicäri und Caratagri.
') F. Molina, Cuettion de limitet. p, 89 — 41.
Die fCVgeUich gefachten leidwa Oeidminen ron Tisingal und Ettrella. 25
Mif einer der Karten i« dem berahmten Oesefaiehte werke ron Her-
cer« '), swiaehen dem Rio de Snerre, dem beotigen PacoarfloBBe und
der Bahia de Garavaro, der beatigen Cbiriqnilagane, angegeben and
etwas landeinwfirts davon das Castillo de Aastria. Demnaeb bat diese
Colonie nlebt aa der Gbiriqailagane, sondern siemlicb weit nord-
lieb Ton derselben gelegen; also in der Gegend unseres beatigen
Sixanlafluaees. Aocb aof der dem Roberts'scben Werke beigefSgten
Karte liegt Castillo de Aostria in dieser Gegend.
Zwar finde icb nirgends direct angegeben, dafs das Castillo de
Aostria am EstreUaflasse angelegt worden sei, doeb stebt dieser An-
nabme nicbt nar nicbts entgegen, sondern im Gegen tbeil sprecben alle
IHeren bistoriscben Data bierfur. Denn Pelaez (I. p. 215) sagt: „Die
Stadt ond der Hafen von Talamanca worden im Jabre 1601 mit dem
Castillo de lldefonso befestigt und die Provinz verlieb durcb ibre Mi-
nen und Landesprodacte (frutos) dem Handel derselben jene Wicbtig-
keit, die ibr den Namen Gostarica erwarb.^ Femer sagt er (I. p. 149):
^Das Castillo de lldefonso bescbützte den Estrellaflofs, in welcben die
Scbiffe hineinfubren , die von Spanien kamen und an dem genannten
Castillo anlegten.'' Aus diesen Stellen gebt bervor, dafs im Jahre 1601
sehon eine ansehnliche Stadt im Innern existiren mufste, so dafs sie
einen solcben Schutz bedurfte, und daher müssen wir annehmen, dafs
diese Stadt schon vor einer längeren Reihe von Jahren entstanden war.
Es liegt daher nicbts näher, als anzunehmen, dafs die oben genannte
Colonie Castillo de Austria, die 1560 noch ziemlich unbedeutend war,
den Anfang für die später im Jabre 1601 am Estrellaflusse zuerst ge-
nannte Stadt St. Jago de Talamanca gebildet habe, und dafs die
Festungen Concepcion und San lldefonso später zu deren Schutze ange-
legt wurden.
Nacbdem wir nun wissen, welcbes der alte Estrellaflufs ist *), so
ist es meine Aufgabe, nachzuweisen, ob denn wirklich an demselben
einstmals so reiche Minen beobachtet wurden, wie von Einigen be-
kanptet wird.
Es ist gewifs als sicher anzunehmen, dafs die alten Spanier, wie
in andern Gegenden des spanischen Amerika's, so auch in den Gebir-
gen des Talamancagebietes, es nicht unterlassen beben werden, nacb
Gold zu Sueben. Um aber Minen bearbeiten zu können, bedarf man
der Wege, und um so mebr, je zerrissener, gebirgiger und unzugäng-
licher eine Gegend ist Spuren von alten Wegearbeiten finden sich.
*) Ksrte Ko. 6. Mar del Sur. Deacripcion dt la Äwdimda d% GMatßmala,
*) Auch H. Cooper's Angaben ttber den alten EetrellaflnA passen auf den
Sixaiila nnd Oldharbor. S. oben.
26 A. ▼. FranUini:
wie "vir frulier aalieii, io der Tkat in jener Gegend, nnd der oben nvtA
bei Pelaes (L p. 149) erwähnte MteeioDsberieht ans dem Torigen Jahr-
hundert sagt über jene Wegd[>aaten Folgendes: ^Bewunderung enregt
eSt SU sehen, wie die ersten Spanier in fast undurchdringliche Bog-
rficken tiefe Einschnitte für den Maulthiertransport ausführten, so dafo
nur das grofse Interesse, welches sie hatten, sie bewegen konnte, eieh
in die Herstellung so schwieriger und ausgedehnter Wegestreeken eln-
sulassen.^ Sowohl die frfihere aus Pelaes citirte Stelle (I. p. 215), so
wie diese sprechen aber keinesweges davon, dafs die Minenarbeiten
der Spanier von einem glanzenden Erfolge gekrönt worden seien, son-
dern an der einen Stelle wird aus den grofsen Wegearbeiten auf reiche
Mineuarbeiten geschlossen und in der anderen sucht man darin eine
Erklärung für den Namen Costarica. Wenn diese Folgerungen aber
richtig wären, wie läfst es sich erklären, dafs bei den von verschiede-
nen Oobernadoren unmittelbar nach dem im Jahre 1610 erfolgten Auf-
stande unternommenen und mit Erfolg ausgeführten Eroberungssügen,
worüber wir hinreichend genaue historische Mittheiiungen besitzen '),
niemals von reichen Minen die Rede ist? Oewils hätten die Spanier
es nimmermehr unterlassen, in den wiedereroberten Districten vor allem
Anderen die unterbrochenen Minenarbeiten wieder aufzunehmen, sumal
es in diesen damab noch starkbevölkerten Gegenden nicht an Arbeitern
fehlte. Wenn wir aber in dem gänzlichen Schweigen fiber reiche
Minen im Estrellagebiete einen Beweis dafür sehen, dafs solche in je-
nen Gegenden nicht bearbeitet worden sind, so dürfen wir ja nicht
daraus schliefsen. dafs auch keine goldführenden Gänge daselbst vor-
kommen. Im Gegentheil haben wir oben gesehen, dafs sich an den
Quellen der Zuflüsse des Sizaulaflusses an verschiedenen Stellen wirk-
lich Spuren von Gold vorfinden, und da der Gebirgszug des Chirripd,
Pico Blanco und Rovalo nicht aus vulkanischem Gestein, sondern eben-
so, wie das Tiiaran-., Aguacate- und Dotagebirge, aus Urgestein und
zwar zum grofsen Theil aus Grünstein und Syenit besteht, so ist es
gar nicht unwahrscheinlich, dafs sich einstmals auch in dieser Gebirgs-
kette bauwürdige gold- und silberhaltige Gänge finden werden. Dafs
solche aber bereits früher gefunden und mitErfolg ausgebeutet wor^
den seien, dafür fehlen durchaus die positiven historischen
Nachweise.
'} Pelaez a. a. O. (Tom. II. p. 170 u. 171) nennt die Goberaadore Jnan de
Ocon y Trillo 1610, Alonzo de Guzman 7 Casilla 1622, Rodrigo Arias Haldonado
1660 und Lorenzo Antonio de la Gran da Baibin 1710 als solche, die sich mit der
gewaltsamen Unteijocbnng der Talamanca- Indianer beschüftig^n. Seit 1686 ttber-
nabmen dagegen die Franciscaner die Bekehrung und Givilisation deraelben auf fried-
lichem Wege (siehe ebendaselbst Tom. III. p. 20 o. folg.).
Die rergeblich ^esachten reiehan QoMminen ron Tisingal und Estrella. 2T
Die MiB«D von Bstrella können «ko anmAglich die Veranlamng
gewesen sein, dafs man dem Lande den Namen gab. Wie stand es
denn aber überhaupt mit den Mineralsch&tsen der Prorins
Costariea cur Zeit der Eroberung?
Obgleich auch wir der Klage von Jnarros beistimmen, dafo die
hisCorischen Quellen über Costarica ungemein dfirftig sind, so sind sie
dennoch immerhin ausreichend genug, um hierüber genugende Auskunft
m geben.
Die beiden ältesten Historiker Oviedo und Bensoni, von denen der
eistere selbst eine Zeit lang in Nicaragua lebte, der Eweite sogar den
unglScklichen Zug des Diego Outierrez in den Jahren 1541 bis 1545
fon der Ostküste aus in's Innere Costarica's mitmachte, schweigen beide
über diesen Punkt.
Herrera ist der erste, welcher von Mineralsehätzen Costarica's
spricht, und zwar in folgender Weise: einmal sagt er bei der Beschrei-
bung des Landes, ,^eB besitzt guten Boden mit yielen Anzeichen von
Gold und einigen von Silber*' (es iierra buena con muchas mueitras de
oro i aigwuu de pUUa '). Ferner sagt er an der Stelle, wo er von
der Gründung der Stadt Brnselas am Golf von Nicoya spricht *):
^ohlola el ako 1524 el Capi, Fr. Hemandez en el Esireeho Dudoto^
em el Äsiento de Uruiina^ i por una parte tenia la Mary por otra lo$
Uanos y por la iercera la Sierra de las Minas^ etc.
Anfser diesen beiden Stellen im Herrera habe ich nur noch eine
gefunden, welche über Minen in Costarica handelt Pelaez (Tom. H.
p. 169) erwähnt eines Gapitains Alonso de Anguziana Gamboa, der
im Jahre 1587 in Costarica Eroberungen ausführte, und sagt von ihm:
er entdeckte die Gold- und Kupferminen dieser Provinz, wo-
bei er mehr als 20,000 Pesos ') verausgabte etc. Aus diesen drei
Stellen, den einzigen, welche ich überhaupt gefunden habe, geht
zwar unzweifelhaft hervor, dafs die Spanier in der ersten Zeit der Er*
oberung in der Ho£Pnung, reiche Schätze zu finden, einige Minen zu
bearbeiten begonnen haben; das gänzliche Schweigen der späteren
Schriftsteller über diesen Gegenstand deutet indessen darauf hin, dars
diese Arbeiten, da sie nicht den gehegten Erwartungen entsprachen,
bald verlassen wurden. Zur Eridenz wird dies aber durch ein offi-
eielles Schreiben vom Jahre 1736 bewiesen, welches sich im Ar^
ehiv von Cart^o befindet. Als nämlich in jenem Jahre von der
Provinz Costarica eine neue Abgabe verlangt wurde, machte der Pro-
•) Ducripe, d. l Ind. oeeident. Bd. I. p. 29. edit. Madrid 1729.
') EbtndaMlbst p. 28.
*) Wie viel er aus diesen Minen gewonnen, findet eich nicht angegeben.
23 ^^ ^* Frantiias: •
•sralnr yon Cottariea Gegenvontellangen, and noter dieMD findet sich
«ach, nebst yielen anderen Orfinden, angegeben, ^dafs Costarica
weder Minen yon irgend welchem Metall, noch Zackermühlen,
noch sonst irgend eine Indnstrie besessen habe.*^ Anfiier diesem
Sohriftstacke, aas welchem der gftnsliche Mangel an ergiebigen
Minen in den ältesten Zeiten aaf das Bestimmteste hervorgeht, giebt
es noch eine Menge anderer Berichte und Schilderangen des Landes,
die sfimmtlich darin übereinstimmen, dafs Costarica seit der Erobe*
rang, besonders aber im vorigen Jahrhandert, ein anfserordentlich
armes Land gewesen sei. Dafs es aber auch in der allerersten
Zeit nicht besser gewesen sei, beweist das oben erwähnte, dorch Fr.
Jglesias in Onatemala aufgefundene Manuscript '), in welchem einer
der Officiere des damals mit der Eroberung des Landes beschäftigten
Gobernadors Perafan de Rivera, Namens Alvaro de Acana, in den
Jahren 1570 bis 1580 die Armuth der ersten spanischen Eroberer so-
wie die der Ansiedler mit den grellsten Farben schildert. Die Of&ciere
and Soldaten waren zuweilen genöthigt, um nicht Hungers zu sterben,
von Cartago aus Streifzüge in die umliegenden Gebirge zu unterneh-
men und die Indianerdorfer zu plündern. Da aber die Eingeborenen
sich meistens beim Herannahen der Spanier entfernten, so waren diese
genöthigt, ihre Beute, die fast nur aus Mais bestand, selbst auf dem
Rucken über die beschwerlichen Gebirgspfade fortzutragen.
Wenn wir nun also nachgewiesen haben, dafs in der ältesten Zeit
keine reichen Minen in Gostarica vorhanden waren, weiche die Be-
nennung ,)reiche Eüste^ veranlassen konnten, so fragt es sich, welches
war denn die wirkliche Veranlassung, dem Lande diesen sosehr
bezeichnenden Namen zu geben.
Zunächst müssen wir den Irrthum Molinas widerlegen, dals Co-
lumbus derjenige gewesen sei, der dem Lande den Namen Cost^rica
gegeben habe. Columbus segelte bekanntlich auf seiner vierten Reise
im Jahre 1502 von Cariari, dem heutigen Bluefield, längs der Küste
von Costarica entlang, ohne an derselben anzulegen, bis zur
Chiriquilagune und weiter nach Südosten; er nannte aber diesen Theii
des von ihm entdeckten Festlandes nicht Costarica, sondern Yera-
guas. Das Land und der Küstenstrich vom Golf von Darien bis
Cabo Oracias a Dios, anfanglich Castillo de Oro genannt, erlitt im
Laufe der Zeit die Eintheilung und Namens Veränderung: Tierra firme,
Yeraguas und la nueva Cartago in dem Sinne einer Eintheilong von
Süden nach Norden hinauf. Der Name la nueva Cartago gefiel indes-
^) Dieses B^annscript ist aach deshalb wichtig, weil sich hier der Name Estnlla
zum ersten Male findet.
Die TcifoUieh gerachlMi rtkhmk OoMmhieii ron TUing»! und EatreUft. 99
ae& dem mit dieser Prorins belehnten Diego Ontierres nicht sonder-
lieh. Zar Beeitxnahme derselben 1541 angelangt, lieft er diesen
Namen bei Strafe verpönen, seine Provins solle Nneva Gar*
tago oder Costarica heifsen. Es geschah dies in der doppelten
Absicht, nm bei der Werbung seiner Mannschaft doroh den Klang
des Namens die Lente herbeisolocken und gleichseitig das Land von
dem obrigen Yeragaas so nnterscheiden. Officiell kommt der Name
Costarica merst in einem Schreiben vom Jahre 1561 vor, in welchem
die Krone dem Lic Jaan de Estrada Ravago, welcher, wie wir oben
sahen, die Stadt Castillo de Anstria angelegt hatte, jeden Schatz von
ihrer Seite zusagt Aach in dem im Jahre 1574 aosgefertigten konig*
liehen Besitztitel des Oobemadors Diego Artiedo y Chirinos wird die
Provinz noch mit dem Namen Nueva Cartago y Costarica benannt.
Der Name Costarica wurde also dem Lande nicht wegen
der Reichthümer gegeben, die man bereits gefunden hatte,
sondern wegen der Reichthümer, die man zu finden hoffte.
Diego Ootierrez begann seinen Eroberungszng zunächst damit, dafs er
von den Indianern der Ostküste einige Tausend Ducaten erprefste.
Dieser Schatz war jedoch sein Verderben ; ein von ihm hart bedräng-
ter Cazike lockte ihn in's Innere des Landes, woselbst er ihn im
Schlafe überfiel und ihn mit fast sämmtlichen seiner Leute niedermachte.
Ton diesen retteten sich nur fünf ^), welche über das unglückliche
Ende ihres Führers Bericht erstatteten und auch zugleich von den ge-
sammelten Schätzen erzählten. Der Schatz des Diego Gutierrez hat
später ohne Zweifel in ähnlicher Weise, wie der verlorene Schatz
des Badajoz ') bei Natä im Jahre 1515, zu neuen Expeditionen an-
geregt, und gewifs gaben diese Veranlassung zur ersten Ansiedelung
und Gründung der oben erwähnten Stadt Castillo de Austria. Wie
aus dieser Ansiedelung die Estrella-Ansiedelung entstand, die sich zum
späteren Talamancagebiet ausdehnte und als solches ein Ziel der Er-
oberungssucht einiger Gobernadoren und bekehrungseifriger Franciscaner
wurde, haben wir bereits oben auseinandergesetzt.
In Costarica wurden in den beiden verflossenen Jahr-
hunderten keine Minen bearbeitet. Erst einige Jahre nach der
Unabhängigkeitserklärung im Jahre 1821 begann der nicht unansehn-
Hche Ertrag der im Jahre 1823 entdeckten Goldmine von Agua-
cate den Reichthum des Landes zu erhöhen, seit welcher Zeit der
Mineralreichthum des Landes immer mehr Bedeutung gewann und
*) Einer derselben war der bekannte HieronymuB Benzoni, dessen Beschrei-
bung seiner Erlebnisse in damaliger Zeit grofses Aufsehen erregte.
') O. Peschel, Geschichte des Zeitalters der Entdeckungen. 1868. p. 509.
80 A. r. VrftBtsins: Die reiseblidi geraehten rafehan Ooltetets ete.
fremde Cftpitalleii sar Aasbeotnng der Minen in'e Land eog. Beson-
dere war die« der Fall, als man im Jahre 1857 die Goldminen in
Paires und im Jahre 1864 die angewöhnlich reioben Minen Ton
Cirnelitas*) entdeckt hatte. Hier in diesem letstgenannten Afinen*
besirk, der erst seit wenigen Jahren von kundigen Bergleuten nnter-
SQcht wird, stehen noch manche bedeatende Bntdecknngen in Anssidit
Es ist keinem Zweifel unterworfen , dafs auch die Oebirge am
Estrellaflasse im Talamancagebiet, die Berge Chirripö, Pico Blanoo
nnd Roralo, wenn sie einmal von tüchtigen Fachmftnnem darchforseht
sind, reiche Minen aufweisen werden; doch w^rde die Ausbeutung
derselben unter den jetsigen Verhältnissen fast ein Ding
der Unmöglichkeit sein. So lange die dortigen Indianer in ihrem
jetsigen Ursustande verharren, so lange es in dem sehr gebiigigen
Lande an Verkehrs- nnd an Lebensmitteln fehlt, würden die Unkosten
des Minenbetriebes und die damit verbundenen fast nnubersteiglichen
Schwierigkeiten derartigen Unternehmungen keineswegs forderlich sein.
Erst wenn von Old harbor aus von europäischen Ansiedlem ein swei-
tes Castillo de Austria am alten Estrellaflusse gegründet sein wird
und die fruchtbaren Thäler und Ufer seiner Zuflüsse urbar gemacht
sind, erst dann wird die Zeit gekommen sein, den schönen Tranm
von den EstrellaschStzen zur Wirklichkeit zu machen.
^) Offenbar ist dies die oben bei Herren erwähnte Sierra de las minas;
dieselbe wurde frOher auch Cordillera deTilaran genannt (s. Pelaez. IIL p. 148),
aber nicht Teliran, wie der Name auf der neuesten Karte von Gnanacaste von
Prof. V. Seebach f&lschlich angegeben ist (siehe Petermann*s Geographische Mitthei-
Inngen. 1867).
3t
Zur Geschichte der Geographie.
Von Dr. Breasing,
Oirecior der Steaermannssohnle in Bremen.
1. Flavio Gioja nnd der Schlffskompass.
Es ist ein eigenthamliches Geschick, welches Flavio Oioja betrof-
fen hat, dafs man seinen Namen nicht mehr lesen kann ohne sicher
lo sein, die Bemerkung daran geknöpft zu sehen, dafs er lange 2<eit
ganz mit Unrecht als der Erfinder des Kompasses genannt sei; dafs
die Nordweisong der Magnetnadel lange vor ihm bekannt gewesen und
bei diesem and jenem Schriftsteller schon weit froher erw&hnt sei; dafs
namentlich die Chinesen dieselbe schon einige Jahrhunderte vor unse-
rer Zeitrechnung gekannt hfitten u. s. w. u. s. w. Will man ihm etwas
lugestehen, so spricht man sich etwa so über ihn aus, wie Hnmboldt
im Kosmos 11, 295: „Dem Flavio Oioja aus Positano, unweit des
schönen und durch seine Seegesetze so berühmten Amalfi, hat man
lange die Erfindung des Seekompasses zugeschrieben; vielleicht war
von demselben (1302) irgend eine YervoUkommnong in der Vorrich-
tung angegeben.*^
Da Humboldt sich sonst gern über die Greschichte selbst unwich-
tiger Erfindungen verbreitet, da er ganz insbesondere für die Entwicke-
lung der Schifffahrtskunde und nautischen Astronomie ein so grofses
Interesse hegte, dafs er ein eigenes, leider unvollendetes Werk darüber
verfafst hat, so kann es nur befremden, dafs er gerade bei dem wich-
tigsten Werkzeuge, womit die Schiiffahrt je beschenkt ist, und welches
von ihm selbst zu denjenigen Instrumenten gezählt wird, durch deren
Einfuhrung grofse Epochen der Kulturgeschichte bezeichnet werden,
mit einer so kurzen Andeutung sich begnügt Noch auffallender aber
ist, dafs er hier eine Wendung gebraucht, wodurch deutlich gesagt
wird, man habe dem Flavio Gioja die Erfindung des Seekompasses
flUschlich zugeschrieben. Er macht sich hier desselben Irrthums schul-
dig, dem man fast immer begegnet, wenn von Oioja die Rede ist, des
Irrthums nämlich, dafs er die Entdeckung der Nordweisung der Ma-
gnetnadel mit der Erfindung des Scbifi^skompasses verwechselt. Dafs
Gioja jene nicht entdeckt hat, ist nachgerade so allgemein bekannt,
dajfs es sich nicht der Mühe verlohnt, darüber auch nur ein Wort zu
verlieren. Ganz anders aber liegt die Sache in Bezug auf unseren
3} Brenting:
SeekompaCs. Wenn auch die Nordweisang der Magnetnadel den Chi-
ne0en schon vor swei Jahrtausenden bekannt war, nnd es somit immer-
hin möglich, T^enn aoch keineswegs aasgemacht ist, dafs uns die Kande
davon aus dem Osten durch die Araber vermittelt ist, so können wir
gerade von unserem Schiffskompafs mit Gewifsheit behaupten, daüs er
eine ursprunglich europäische Erfindung ist; denn der Eompafs, den
die Chinesen bis auf den heutigen Tag auf See gebrauchen, ist kein
anderer als unser Landkompafs. Humboldt meint, Oioja habe viel-
leicht irgend eine Vervollkommnung in der Vorrichtung angegeben,
spricht sich aber nicht darüber aus, worin dieselbe bestanden haben
mag. Und doch liegt gerade hierin der Schwerpunkt der ganzen Un-
tersuchung. DaCs er diese Vervollkommnung nicht darin gesehen hat,
worin Andere sie haben finden wollen, nfimlich darin, dafs Oioja die
Nadel entweder zuerst auf einer Spitze habe schweben lassen oder gar
darin, dafs er sie in eine Büchse eingeschlossen habe, dürfen wir ala
gewifs voraussetzen. Diese Vervollkommnungen wären denn doch so
unbedeutend gewesen, dafs sie Oioja sicher nicht den Ruhm des Ent-
deckers verscha£ft hätten, ganz abgesehen davon, dafs die erstere, wie
D'Avezac dies nachgewiesen hat *), schon vor Oioja benutzt wurde.
So wird Humboldt sie geflissentlich unerwähnt gelassen haben, um
nicht eine Albernheit auszusprechen. Und doch wäre er, der als Berg-
mann mit dem deutschen Orubenkompafs bekannt war und auf seinen
Seereisen auch den Schiffskompafs hatte kennen lernen, vor jedem
Andern berufen gewesen, hier Aufschlafs zu geben. Er konnte sich
sagen, worin der wesentliche Unterschied zwischen dem aaf dem Lande
und dem auf der See gebrauchten Eompafse besteht. Er würde dann
auch gesehen haben, dafs in dem bekannten Verse:
Prima dedit nautis usum magnetis Amalphis
gar nicht gesagt sein soll, dafs in Amalfi die Nordweisung der Magnet-
nadel entdeckt sei, sondern dafs der Eompafs, wie ihn jetzt die See-
leute gebrauchen, aus dieser Stadt stamme, und dafs usum magnetis
nichts anders als eine poetische Wendung ist für „brauchbaren Eom-
pais^. Hätte man übersetzt:
„Den Schiffern gab erst Amalfi einen brauchbaren Eompafs^
so wurde man das Richtige getroffen haben.
Ohne auf die Entdeckung der Nordweisung der Magnetnadel ein-
zugehen, will ich im Folgenden das Wichtigste aus der Geschichte des
„Schiffskompasses'' anführen. Daraus wird sich nicht allein die Ge-
') Vergleiche seine kurzen aber reichhaltigen Aufsätze: Anden» Umoignages
hUtoriques relatifs ä la bouatole^ und: AperpLs historiquea sur la boutsoU im B»/-
letin de la Societe de Geographie. 1868 u. 1860.
Zur Qeflcfaiclite der Geofniiliie. 1. Fl. Oioja. 38
m
wiisheit ergeben^ dab er aoft ItaKen stammt, sondern audi die gfoibe
WahrBeheinlichkeit, dab er Amalfi verdankt wird. Es wird damit
aach die Frage erledigt, ob irgend ein Grund rorli^, Flavio Gkja
diese för den Seemann so höchst wichtige Erfindung abaostreiten, dto
die Ueberliefemng ihm snerkennt.
ZonSchst ist es die Winkeltheilang des Horizontes, die hier zur
Sprache kommen mnb. Natargem&b wnrde seit den ältesten Zeiten
der Kreisnmfang darch rwei rechtwinklige Querachsen in die Tier
Grondiichtungen Nord, Sud, Ost und West zerlegt. So finden sich
diese z. B. schon bei Homer (Od. V. 295) :
£vr d* EvQOg ts Norog t* ineaot^, ZetpvQog ta dvcca^g
Kai Bogitig ai&Qijyapdnjgf fieya KVfia xvXipdmp,
Unter sich kämpften der Ost und der Süd und der sausende West-
wind, *
Auch hellluftiger Nord, der gewaltige Wogen daherw&lzt
Natürlich konnte diese einfache Theilung auf die Daner nicht ge-
nügen, und so finden sich denn auch bald Zwischenrichtungen einge-
schoben, wobei es der Erwähnung werth scheinen mag, dafs man in
einzelnen Fällen auch schon, wie wir das heute durchgängig thun, den
Namen des zwischenliegenden Windes ans den Namen der beiden zu-
sammensetzte, in deren Mitte er fiel, und z. B. ans Eurus und Notas,
d. h. aus Ost und Süd, den Euronotus, d. h. den Ost -Sud bildete.
Freilich unterschied sich die Anschauung des Alterthums in einem
wesentlichen Punkte von der unsrigen. Wir sind seit unserer Eennt-
nib von der Kugelgestalt der Erde und ihrer Umdrehung um die Erd-
achse gewohnt, Nord und Süd als die eigentlichen Cardinalpunkte, da-
gegen Ost und West schon als abgeleitete zu betrachten. Im Alter-
thume war dies nicht der Fall. Während wir die Erdoberfläche natur^
gem&b in die nördliche und südliche Halbkugel theileo, kennt Homer
nur die Tag- und Nachtseite der Erde, den Osten und den Westen.
Ihm sind Ost und West die vornehmsten Weltgegenden. Und diese
Anffassung hat sich lange,' man kann sagen bis zur Entdeckung der
Nordweisung der Magnetnadel erbalten; sie spricht sich noch gegen-
wartig aus in dem Ausdrucke: „orientiren.^ Man suchte die Himmels-
gegenden nach dem Aufgange der Sonne auf. Im Mittelalter kam noch
dazu, dab das Land, nach dem Aller Blicke gewandt waren, das ge-
lobte Land, im Osten lag, und daher wird auf den alten Eompafsrosen
der Osten stets durch ein Kreuz bezeichnet. Daraus müssen wir denn
auch einige sonst räthselhafte Ausdrücke in mittelalterlichen Schriften
erklären, wonach die Magnetnadel „Ost* zeigen soll. Es soll damit
nicht gesagt sein, dafs die Nadel sich in die östliche EUchtung legt,
ZelUebr. d. OeielUeh. f. Erdk. Bd. IV. ^
34 Brevtingt
•ondeni nur» dab Me den „Osten'^ keimen lehrt, dafo sie ,,orientirt*.
Genug, iraher fanden Ost and West den Vorrang vor Nord und Süd,
■nd deshalb entepricht es auch nnserem jetiigen Grandsatee, wonad
wir bei Benennung der Zwischenrichtnngen immer die romehniere
Richtung voransetsen, dafs Homer aoa dem Sud- und Ostwinde nicht
einen Süd -Ost, sondern einen Ost-Sud bildet. Auch die Reihenfolge,
in der Homer die Winde aufsählt, ist deshalb nicht ohne Bedentnng.
Während wir bei Nord beginnen und durch Ost und Sud nach Weat
a&hlen, f&ngt er mit dem Ostwinde an und zählt durch Sud und West
nach Nord.
Durch Einschaltung von vier Mittelrichtungen hatte man nun im
Ganzen 8 Winde gewonnen, und diese waren es, die man auf dem
achtseitigen Tempel der Winde zu Athen eingegraben hatte. Als nun
aber auch diese picht mehr genügten, verfiel man nicht etwa darauf,
die Anzahl der vorhandenen zu verdoppeln, sondern man schaltete nnr
4 neue Winde ein, wodurch ihre Zahl im Ganzen auf 12 gebracht
wurde, die man dann gleich mfifsig vertheilte. Yeranlafst wurde diese
Zwolftheilung wohl dadurch, dafs der Horizont durch den Meridian,
den Aequator, die beiden Wendekreise und die beiden Polarkreise in
1 2 Punkten geschnitten wird. Bei dieser Zahl blieb es nun auch, denn
wenn Yitruv^ erzählt, man habe sie später verdoppelt and auf 24 ge-
bracht, so findet sich doch nirgend bestfitigt-, dafs diese Theilung Ein-
gang gefunden hat Viel eher ist die Yermutbung begründet, dafs die
gelehrte Theilung in 12 Winde schwerlich bei dem gemeinen Manne
die Achttheilung verdrängt hat, denn schon Plinius klagt, dafs die
Zwolftheilung zu fein und zu genau sei. Genügt doch auch bei uns
im gemeinen Leben die Bezeichnung der Windrichtung nach acht Him-
melsstrichen.
Auch noch in einem andern wesentlichen Punkte unterschied sich
die im Alterthume gebräuchliche Eintheilung des Horizontes von der
unsrigen. Während jetzt Nord, Nordost, Ost u. s. w. ganz bestimmte
Punkte am Himmel sind, umfafsten diese Benennungen früher einen
ganzen Bogen. Der Norden im zwölftheiligen Horizonte bedeutete den
Bogen von 30 Graden, in dessen Mitte unser Nordpunkt fällt Da-
nach ist denn auch der Ausdruck „Windrose" für die Windscheiben
des Alterthums durchaus ungeeignet. Die Richtungen dürfen nicht,
wie wir es bei den Strahlenscheiben unserer Eompa&rosen sehen, in
Spitzen auslaufen, und thatsächlich tritt denn auch der Name und Bild
der Windrose erst mit der Erfindung des Kompasses als rosa veniormn^
sieOa maris auf. — Es mag hier Erwähnung finden, da£B der deutsche
Seemann Punkt und Bogen genau unterscheidet. Der Punkt ist ein-
silbig, der Bogen zweisilbig. Das Schiff steuert Ost oder West, denn
Norden
4
2
1^
Zur Oesehichte d«r Gtoognyhie. 1. Fl. Gioja. 3{j
te ist ein Punkt de« Homontes gemeüit; die Sonne «ber geht im
Orten «if und im Werten nnter, d. h. in dem öeüichen oder weetlicbeii
Bogen. Oenan Oet and West im Horizonte kann eie natürlich nur
iireima^ mi Jahre stehen, dann, wenn sie den Aeqaator schneidet
HsD soUte sich den Vortheü dieser Unterscheidung, um so mehr, da
er sprachlich begründet ist, auch in nicht seemännischen Kreisen nicht
»tgehen lassen. Das Ued der Kinder: „Dort sinket die Sonne im
Werten* ist sprachlich richtig; das Geibers: „Fem im Sfid das
sofaSne Spanien* unrichtig.
Die ZwÖlftheilung des Horizontes
hat sich bis auf den heutigen Tag er-
halten. Im Mittelalter finden wir sie
wieder in der berühmten Stelle bei
Einhart, wo dieser berichtet, dafs Karl
0 der Grofse den 12 Winden deutsche
1 Benennungen beigelegt habe. Es heirst
dort * ) :
lietn foentos duodecim propriis appeUa-
' iionibus insignivii; cum prius non am-
plius quam vix quaituor eentorum to-
cabula posseni inveniri. — VetUis vero
hoc modo nomina imposuity ut SuhsO''
lanum tocaret Ostronivint, Eurum Ost-
nmdroni, Euroaustrvm Sundosironi, Austrum Sundroniy Austroafricum
SnnubDCstroni^ Afiricum Westsundroni, Zefyrum Westroni, Chorum West-
nordrofUj Circwm Piordwestroni^ Septemtrionem Nordroniy Aquilonem
fhrdosironiy Vuiiumum Ostnordroni,
Man sieht bei Einhart wie bei Homer beginnt die Zählung vom
Ostponkte.
Es mag gelegentlich dieser deutschen Windnamen darauf hinge-
wiesen werden, dafs die oft wiederkehrende Ansicht, als ob die Namen
inserer Himmelsstriche aus dem Niederdeutschen (Holländischen oder
Vlamischen) stammten, eine durchaus irrige ist Wie weit die Verirrung
in dieser Beziehung gegangen ist, davon folgendes Beispiel. Man hat
von dem bekannten Augsburger Kartographen Konrad Lotter aus der
ersten H&lfte des vorigen Jahrhunderts eine grofse Tafel (Tabula ane"
mograpkica seu pyxis nauHca^ eulgo Compafscharte, qua ventorum no-
mima teptem Unguis repraeseniantur) cur übersichtlichen Yergleichung
der Kompafsrosen in sieben verschiedenen Sprachen, unter denen merk-
würdigerweise, aber charakteristisch für die damals im deutschen Bin-
Sfiden
Windscheibe der Alten.
') EiDharti: Vita KaroU Magnu ed. Jaffe, Cap. 89.
nenUiide herrsehende beBchrinkte Andobt vooi Weltretkehre, die wkli*
tigste unter «lien, die englische, diese «eemfinnieche Weltspraebe, gans
fehlt Lotter bat nan aaeb geglaubt, die Benennungen Nord, SSd,
Oit und West als niebt bochdentsch betrachten und daffir die U^>er-
•etsnngen Mittemadit, Mittag, Morgen und Abend einfuhren cn mfis-
ten. Es macht einen unsäglich komisehen Eindruck, wenn man aidi
denkt, wie ein deutscher Matrose dem Schiffer auf die Frage, weichen
Kurs er steuert, statt NNO^O die Antwort geben soll: Mittemacht
Mittemacht Morgen halb Morgen. Und das steht doch thatsiehlidi
auf dieser Tafel tu lesen. Wie wenig niederländisch jene Namen Inr
die Himmelsstriche sind, beweist uns das Wort ^Ost^, welches die
Gegend bedeutet, wo die Sonne aufsteht oder aufgeht Wort und Be-
griff treten unirerfindert auf in dem Namen far das Fest der Auf-
erstehung unseres Herrn, das Osterfest Dieser urdeutsche Name des
Festes ist aber uur dem Hochdeutschen und Angelsächsischen (Easter)
eigen. Holländer und Viamingen, Dänen und Schweden kennen ihn
nicht; sie gebrauchen dafür Paascken oder Pask nach dem hebräisefa-
griechischen Worte Pascka, — Andererseits sind unsere deutschen
Windnamen durch die Franken auf die Franzosen übergegangen, yon
diesen £u den Spaniern und Ton diesen wieder su den Portugiesen
gekommen, denn von den letzteren wurde noch im 16. Jahrhundert,
wie Nuoez das ausdrücklich bezeugt, die Eompafsrose mit den dent-
sehen Benennungen die ^ spanische^ genannt
Erhalten hat sich nun zwar die Zwölftheilung des Horizonts nor
bei dem Orubenkompafs des deutschen Bergmannes. In der Mark-
scheidekunst wird nämlich bis auf den heutigen Tag der Horizont in
zweimal 12 Standen getheilt, die von Nord durch Ost und von Sad
durch West gezählt werden. Aber sie war noch im 16. Jahrhundert
bei allen gelehrten Oeographen -und Eosmbgrapben allgemein. In den
ersten Ausgaben der damals überall verbreiteten und in fast alle leben-
den Sprachen (Französisch, Spanisch, Italienisch, Niederländisch) über-
setzten Eosmographie von Apianus findet sich nur die Angabe von
12 Windnamen, freilich schon mit der Bemerkung, dafs die Seeleute
sich ihrer aber nur im Alterthume bedient hätten. Ventorum duodecim
9vnt, quibus veieres nautae fuerufU t»t, nomina '). Erst Oemma FrisiuB
hat in seinen Zusätzen zu dßn späteren Ausgaben dieser Eosmogra-
phie, die er veranstaltete, die Namen der Winde nach der neuen Ein-
theilung hinzugefügt: Ex veterum senieniia ct^sque regionü karÜKm
in 12 spatia dividitur. — NauHs aUa ratio ventorum est. Hi ewim
koriMtUem in 32 partes dividunt *).
*) Jpiani Cotmographicu Cap. XV. de Ventis.
•) Gemtna F^risiw, Ibidem. Append.
Zur Geschichte der Geographie. 1. Fl. Oioja. 37
Man bat einmal tod einer oontinentalen and eiqer maritimen Qeo-
gnplne beim Wiederaufleben der Wiesenschaften geeprocben. In dem
Sinne, wie es geschehen ist, wo man fBr jene nur Tadel, far diese
nar Lob hat '), läTst sich der Gegensatz nicht rechtfertigen, aber man
kann in der That am diese Zeit von einer (^ntinentalen oder gelehr-
ten ond einer maritimen oder seemfinnischen Kartographie sprechen«
Wo aaf einer Karte 12 Winde am Rande auftreten, kann man sicher
Mn, dafs dieselbe von einem Gelehrten des Festlandes herrührt; alle
Seekarten am diese Zeit theilen schon den Kompafs in acht Theile
mit fortgesetzter Zweitheilung.
Woher stammt diese neue Theilung des Horizontes? Gewifs nicht
ans Ostasien durch Vermittelung der Araber. E^laproth in seiner be-
kannten ^Lettre au Mr, Humboldt^ sagt (p. 103) von der Theilung des
dunesiflchen Kompasses: „La ditision, dont an se seri gänäraiemeni
ians tous ies auvrages nauliques, est celle des ringt qnatre*^; und von
der des japanesischen: y^La ditision de rhoriion en dou%e rumbs est
\
■) Es llfst sich schwer begreifen, wie Lelewel sich so darüber ereifern kann,
dafo die Deutschen derzeit nicht in die Fafsstapfen der italienischen Hydrographen
getreten aind, sondern es vorgezogen haben, dem Ptolemäns zu folgen nnd aaf dieser
Omndlage die Geographie nen anfzubaoen. Als ob die Deutschen vom Wissenschaft--
fiehen Standpunkte ans anders h&tfen handeln dürfen! Wie grofse Achtung man
sach vor den italienischen Kartographen des 14. und 15. Jahrhunderts haben mag —
wwt damals erreicht werden konnte, haben sie erreicht — aber weiter kommen lieft
sich auf dem tou ihnen eingeschlagenen Wege nicht. Wir wissen jetzt, dafs die
loxodromischen Karten vom mittellftndischen Meere eine überraschende Genauigkeit
besJtzen. Damals konnte man das nicht wissen, im Gegentheil man mufste von
leektswegen daran zweifeln. — Als Newton, um das Gesetz der Schwere aufteilen
ta kSnnen, eine genaue Kenntnifs vom Erdumfange haben mufste, konnte er zwi-
leben den Gradmessuogen von Norwood und Snellius wählen. Die letztere beruhte
aaf einem streng wissenschaftlichen, die erstere auf einem rohen unwissenschaftlichen
Ter&hren ; so wfthlte er jene, nnd es ist bekannt, dafs der erste Versuch, das Grar
▼itationagesetz zn begründen, gerade hieran scheiterte; er gelang erst, als die ge-
nauere Messung Picart*s vorlag. Jetzt, wo wir auf dem von Snellius eingescUa-
gsoen Wege weiter fortgegangen sind, wissen wir auch, dafs die Norwood'sche Grad-
Boorang von überraschender Genauigkeit gewesen ist Newton konnte das nicht
wissen und hätte Tadel verdient, wenn er sie benutzt htttte. Ganz ähnlich ist die
Stellung der deutschen Geographen zu den italienischen Hydrographen. — üeber-
kaapt mSchte Lelewel's Berechtigung zu einem Urtheil über strenge geographische
Wiasenachaft sehr in Zweifel zu ziehen sein. In seiner Giographi% du mojftn äge,
II, pag. 181 sagt er: Gerard Mtrcator, U c&ryphee des geographes de cette ^oque,
domMii ä la cireonference de la ierre 6400 millet germaniques o« 21,600 italiquest
mim ^ ^aluaU le degri ä 12} miUes d'AUemagne ou 60 d^Italie, Jl pensaU,
foe ceUe ophwm moderne etait tCaccord avec Vancienne de PtolenUe. — Par con'
»ifmtmt mnatU Mercator le mille dAllemagne avait 4^f millet italiques. Da hier
kein Druckfehler vorliegt, wie der Nenner 61 beweist, so sieht man, dafs Lelewel
kein Freund der rechnenden ptolemäischen Geographie gewesen sein kann. Das
Beehncn mufs ihm sehr unbequem gewesen sein. Aber dafs ein Mann, der es unter-
niaunt eine Geschichte der Geographie zu schreiben, nicht weifs, dafs auf 1 deutsche
MeOe 4 italienische gehen, wie sich das in jedem geographischen Werke des 16. Jabr-
himderta angegeben findet, das ist doch etwas stark.
38 Breu«iiig:
gin4faiemeni tuitäe. en Japon,^ Und was hier darcbschlagend ist: nach
Leiewel (Oiographie da moyen äge; EpUogue p, 184) hatten aodi die
Araber die Zwölftheilung: y,Le$ Arabes imvireni la dodrine greeque
d^ 12 eents.^
Sicher ist die neue Theilong aach nicht dadarcb entstanden, dafa
dieselbe den Vorzug einer gröfseren Bequemlichkeit hat. Mit dersel-
ben Zirkelöffhnng, mit der der Kreis beschrieben ist, wird er aiH^
anmittelbar in sechs Theile zerlegt, ein Vortheil, den nicht einmal die
Yiertheilung bietet. Wenn die Zwölftheilung trotzdem nicht in's Volk
gedrungen war, so geschah dies deshalb, weil sie für den gemeinen
Mann schon zu viel Theile hatte. Wünschte man einmal vermehrte
Theilung, so bot sich der Ausgang vom Sechseck mit demselben, wenn
nicht noch gröfserem Rechte als der vom Viereck. Ist dies doch, wie
schon erwfihnt, beim Gruben kompafs des deutschen Bergmannes ge-
schehen.
Sie wird im 16. Jahrhundert allgemein als die der Seeleute be-
zeichnet, und wenn bis zur Entdeckung Amerika's, bis auf den Ge-
nuesen Columbus und den Florentiner Vespucci die Italiener das erste
seefahrende Volk waren, so könnte man schon daraus abnehmen, wo
der Ursprung der neuen Theilung zu suchen ist. Und die folgende
Thatsaebe läfst darüber keinen Zweifel.
Es versteht sich von selbst, dafs kein einziges Volk von der ur-
sprünglichen, naturgemäfsen Eintheilung des Horizontes in vier rechte
Winkel abgewichen ist. Aber während alle übrigen Völker der Neu-
zeit nur die vier Grundrichtungen mit eigenem Namen bezeichnen und
die Benennung der Zwischenrichtungen durch Zusammensetzung ans
jenen vier ableiten, so zwar, dafs dadurch die Dreitheilung des rechten
Winkels, wie wir dies an den Windnamen Karls des Grofsen sehen,
nicht ausgeschlossen zu sein braucht, theilen die Italiener, und diese
allein, den Horizont sofort in acht Theile mit ebensoviel eigenthüm-
liehen, ursprünglichen Namen, und damit ist denn die Zweitbeilang
des rechten Winkels von Hause aus gefordert und festgesetzt. Eis
werden deshalb diese acht Richtungen auch in der alten seemännischen
Kartographie als die acht vollen oder ganzen Winde bezeichnet Und
weil sie im Bilde der Windrose als Rhomben gezeichnet wurden, so
wurde dies Wort die technische Bezeichnung für die Gompafsstriche
in allen romanischen Sprachen. Ihre Namen sind, wenn man von
Nord durch Ost und Süd nach West zählt,
Tramontana (N.), Greco (NO.), Levante (O.), Scirocco (SO.),
Ostro (S.), Libeccio (8W.), Ponente (W.), Maestro (NW.).
Streng genommen sollte man diese Benennungen nicht als ita-
lienische, sondern speciell als süditalienische bezeichnen; denn dafs
Zur Geschichte der Ctoographie. 1. Fl. Gioja.
m
sie aoB Snditalien itammeo mdaaen, l^hrt miB der ISUme Qr^eo fBr
den Nordoatwiod.
Indem man nnn zar genaoeren Theilong fortachreiteBd die mittflD
twischen die acht Haoptwiode fallenden Richtungen doreh Halbieriing
gewann, bezeichnete man dieselben als halbe Winde und bildete ihre
Namen dnrch Nebeneinandersetzang der Winde in deren Mitte da
fielen, ging inde£s hierbei nicht von wissenschaftlichen Gesichtspunkten
aus, wonach man die naturgemäfs vornehmere Richtung }\ß,Ue voran-
setcen müssen, sondern wurde wohl mehr durch die Gesetze des Toiifalies
geleitet. So z. B. heifst die mittlere Richtung zwischen TramotU4ma
and Greco nicht Tramontima' Greco j sondern Greeo^Tramantana und
ebenso die zwischen Lwanie und Greco nicht LeeatUe^Greeo, sondern
GreeO'l0evttni€; so sagt man zwar Ponente- Maestro ^ aber nicht TVif-
moniama^ Maestro y sondern Maestro ^Tramontana; ein Beweis dafür, dab
die acht vollen Winde in der Anschauung der Italiener durchaus glei«-
eben Rang hatten.
"%>
PkM
Windrose der Itftliener.
^ Br««iiBg:
flSwitehsn ite «af dkse Weite erlaiigleii 16 Winde schaltete nuui
nan durch wiederholte Zweitheilong 16 neue Mittelriehtangen ein«
nnaale dieaelheD Yierteiwinde und bildete ihre Namen eo, da£B man
▼on dem vollen Winde, neben dem sie lagen, ausging and daneben
bemerkte, dafe sie einen Yiertelwind nach der einen oder andereo
Seite Toa ihm abwichen.
Diese Eintfaeilang des Horisontes in 32 Theile ist nan, durch den
Sehiffskompafs rennittelt, zugleich mit der eigenthumlichen Bezeich-
aongsweise im Weaentlichen sunüchst auf alle romanischen Völker
übergegangen. Nur insofern mufsten diese abweichen, als ihre aas
dem Deutschen entlehnten Namen Nord, Süd, Ost und West nur für
Wer Hauptrichtungen ausreichten, so dafs sie sich für die vier Mittel-
riofatungen, für welche die Italiener ebenfalls ursprüngliche Benennungen
haben, nut Zosammensetiungen helfen mufsten. Setzt man aber fSr
Qreco Nordost, für Scirocco Sudost, für Liöeedo Südwest und fSr
Maestro Nordwest, so stimmt die Windrose der übrigen romanisdien
Völker ganz mit der italienischen überein. So ist z. B.
r^C? = N i NE und GiT = NE^N
nach der französischen Benennung.
Bei dem bedeutenden Uebergewichte, welches w&hrend des Mittel-
alters die Schifffahrt der romanischen Völker über die der germani-
schen hatte, ist es nun nicht zu verwundern, dafs bei den letzteren
allmShlig die Dreitheilung des rechten Winkels durch die Zweitheilong
verdr&ngt wurde. Aber es erfolgte dieselbe bei ihnen auf eine selbst-
ständige und in der That rationellere Weise. Man kann sagen, da(s
ihnen ihre Armuth an Namen für die Winde, worüber Einbart zur
Zeit Karl's des Grofsen klagte, dabei zu Gute kam. Während die
romanischen Völker den Kreis sofort in acht Theile zerlegten und die
Namen der Zwischenrichtungen auf diese acht Grundrichtungen be-
zogen, sahen sich die germanischen Nationen gezwungen, die sämmt-
üchen Zwiscbenrichtungen auf nur vier Grundrichtungen zu beziehen.
Der Rhombus, z. B. den die Italiener T | G und die Franzosen N \ NE
nennen, heifst bei uns NzO (Nord zu Ost), d. h. der Strich, der vom
Nordpunkte um ein Achtel des rechten Winkels nach Ost abweicht.
Die Romanen betrachten den Rhombus oder Strich als ein Viertel
vom halben rechten Winkel, aber die Germanen als ein Achtel vom
ganzen. Es ist dies die wissenschaftlichere Anschauung, denn bei der
Rechnung mufs schliefslich doch jede Zwischenrichtnng auf die beiden
durch den Meridian und den Breitenparallel dargestellten Coordinaten-
achsen bezogen werden.
Audserdem ist die Auffassung der Himmelsrichtungen bei den nor-
dischen Völkern durchaus frei von irgend welchen äufseren Beziehun-
r
Znr Geschichte der Oeogniphie. 1. Fl. Gioja.
41
geft. Die Weifgegenden, die doch Ton Hause ans nidite mit dem Winde
in thnn haben und eich von selbst verstehen würden , auch wenn nie
ein LBftohen in der Atmosphfire sich bewegte, heifsen bei den ItaÜe-
aem ganae, halbe and viertel ^Winde^ und die Zeichnung der Rhom-
ben hat den Namen ^Windrose^ (ro$a dei venii). Ja, die Windnamen
selbst sind recht eigentlich landschaftlich wie TremoiUanaf Greco n. s. w.
Ten dieser einseitigen Anschauung haben sich die germanischen Yöl-
ker gans frei erbalten. Allerdings findet sich der Ausdruck „Wind-
rose'' auch in deutschen Schriften, aber er ist von den Gelehrten durch
die Uebersetzung der rosa veniorum aufgebracht. Das deutsche Volk,
namentlich der deutsche Seemann kennt das Wort „Windrose^ gar
nicht; er nennt die bildliche Darstellung der verschiedenen Richtungen
entweder „Eompafsscheibe^ oder „Strichrose^ und die einzelne be-
stimmte Richtung den „Strich^, wie auch der deutsche Bergmann die
Lsgerung der Oebirgsschichten in Beziehung auf den Eompafs das
«Streichen^ derselben nennt. In englischen Werken wfirde man sich
nach dem Worte „ Windrose^ vergebens umsehen.
Strichrose der Deutschen.
42 Br^nsiig:
Der UmBUnd, dafs die afidUchen Völker die Hälfte des rechteo
Winkels and die nordlichen dss Aditel desselben als Einheit ange-
nommen haben, giebt den letsteren einen groisen Vortheil für die Be-
leiebnnng weiterer Unterabtheilangen. AUe Zahlen auf der nordischea
Strichrose besiehen sich auf den ^Strich^ (engl, poini) als Einheit.
Um anderthalb Strich anszudrucken, setzt man also einfach 1-j^, und
NzO|0 kann bezeichnet werden als MljO, d. h. von Nord ändert*
halb Strich nach Ost Das ist den romanischen Nationen nicht mög-
lich. Um anderthalb Strich aaszadruoken , müssen sie entweder, wie
die Italiener, Brachzahlen in eigenthümlicher Weise neben einander
setzen, wonach z. B. •} | einen Viertelwind and noch die Hälfte eines
Viertel Windes bedeutet, so dafs NzO|0 oder Nl^O durch Tj ^Q
bezeichnet wird» oder sie müssen sich, wie die Franzosen, dadurch
helfen , dafs sie neben der Eintheilung in 32 Rhomben auch noch die
in Graden und Minuten benutzen. Diese deuten NsO^O durch
N-J^NE 5*^ 38' E an. Es bedarf keiner weiteren Auseinandersetzung,
um die grofse Ungefugigkeit einer solchen Bezeichnungsweise sofort
erkennen zu lassen.
Wenn aber auch die „Stricbrose^ der Germanen eine vervoll-
kommnete „Windrose*^ der Romanen ist, so verdanken doch alle see-
fahrenden Völker ihre jetzige Kompafstheilung den Italienern, speciell
den Süditalienern.
Ich mochte noch einen Punkt zur Sprache bringen und das ist
die in Italien häufig vorkommende Benennung cakanita oder ago ca^
lamiiato für die Magnetnadel. Seit dem Hydrographen Fournier ^) hat
man sich darin gefallen, diese Benennung mit dem Worte caiamite in
Zusammenhang zu bringen, mit dem die Griechen zufolge Plinias ')
den Laubfrosch bezeichneten. D^Avezac nennt das eine grofse Absur-
dität, und ich glaube man wird ihm darin vollständig Recht geben
müssen. Griechisch ist das Wort allerdings, aber sollte dasselbe eben
nicht deshalb wieder auf Süditalien hinweisen, wo noch so viele Spa-
ren griechischer Cultur und Sprache erhalten sind ? Und was die Ab-
leitung betrifft, möchte nicht dieser Ausdruck aus der ersten Zeit stam-
men, wo man die Nordweisung der Magnetnadel entdeckt hatte, und
wo man die Nadel noch auf dem Wasser schwimmen liefs? Man legte
dieselbe für den Gebrauch in ein der Länge nach gespaltenes Inter-
nodium von Schilfrohr (griech. xoAajUiV) und daher nannte man die
nach Norden zeigende Nadel ago calamitato. Auf die Gefahr hin, mir
von Herrn d'Avezac den Vorwurf der Geschmacklosigkeit zuzuziehen.
') Hydrographie, Lib. XL Ch. 1. (Paris 1648. Fol.)
*) Bütoria naturalU. XXXII. 42.
r
Zur Geschiebte der Geogn^^Aie. 1. FI. Gtoja. 43
afiehte ich daran erinnern, dafs anch ein anderes Werkseng, wo ein
Bisenatab in ein hohles Rohr gelegt wird, von den Griechen mit nor
iMfug benannt wnrde; es ist das Brenneisen des HaarkrSaslers. Jeden-
fikUa liegt hier die Ideen -Association näher als beim Laubfrosch.
Und wenn so Alles and Jedes auf Suditalien als das ursprfing-
liehe Oebortsland unseres Kompasses hinweist, wie, wenn sich ein be-
stimmter Anhaltspunkt dafür böte, dafs gerade Amalfi der Geburtsort
wire? Es ist eine Thatsache, dafs mit der Zweitheilung des rechten
Winkels zugleich auch die Bezeichnung des Nordpunktes durch eine
Lilie auf die Kompasse aller Nationen übergegangen ist. Die Lilie
nun ist das Wappen der Bourbonen und so hat man wohl geglaubt,
sie stamme von den Franzosen. Aber diese selbst haben ihren Kom-
paCs von den Italienern erhalten und sollte es nicht von Hause aus
wahrscfaeiniicher sein, dafs sie ebensogut wie die äbrigen Völker mit
dem Kompafe auch die Lilie von dort herüber genommen haben? Seit
Amalfi seine Freiheit und mit ihr seine GrÖfse und seinen Ruhm' ein^
gebufst hatte, schien ihm noch einmal eine glückliche hoffnungsreiche
Zeit aufleuchten zu wollen. Es war das die Zeit, wo das bourbonische
Hans Anjou über Neapel und damit auch über Amalfi herrschte. „Die
Angiovinen, zumal Karl von Anjou, nahmen sich der Amalfitaner ganz
besonders an. Bei ded weitaussehenden Plfinen Karl's auf Unterwer-
fung des byzantinischen Reiches und Syriens mnfste ihm die aufrich-
tige Ergebenheit einer ihm selbst unterworfenen maritimen Macht um
so erwünschter sein, als die Freundschaft der grofsen Seemächte sehr
precfir war, dieselben überall, von gerechtem Mifstrauen gegen seine
ehrgeizigen Pläne erfüllt, eine grofse Zurückhaltung beobachteten, zum
Theil wie Genua offen mit ihm Krieg führten. Von 1270 an finden
sich in dem SyUabus tnembranorutn regit Archiviy von Scotto heraus-
gegeben, eine wahre Unzahl von Amalfitanern in Angiovinischen Diensten
angestellt; Camera führt an, dafs der Patron der königlichen Galeere
immer ein Amalfitaner habe sein müssen u. s. w. ').^ Liegt es nun
nicht nahe, dafs der Amalfitaner Flavio Gioja aus Dankbarkeit gegen
das Haus Anjou diesem eine Huldigung zu bringen wünschte und zu
diesem Zwecke als Bezeichnung des Nordpunktes die bourbonische
Lilie wählte?
Und damit wäre ich zu dem eigentlichen Ziele meines Vorhabens
gelangt, nämlich nachzuweisen, worin denn eigentlich die Vervol^
kommnung des bisher von den Seeleuten gebrauchten Kompasses be-
standen haben wird, eine Vervollkommnung Ton solcher Bedeutung,
1) Die obenstehenden HittheiliiDgen verdanke ich dem ausgezeichneten Kenner
der italiemaohen OMchichte, dem Herrn Assessor Dr. WUstenfUd in Gottingen.
44 Breasia^
dafe der Dtditer sagen durfte; Binen braaclibBreii Kontpafo habe
den Seeleoten erst Amalfi gegeben.
Wie schon erwAhnt, kann diese nicht darin bestanden haben, dafs
man die Nadel auf einer Spitse schweben liefs, oder sie in eine Büehee
einscblofs. Aach die Windrose als solche hat Oioja nicht erfanden;
D'Avesac hat darauf aufmerksam gemacht, dafs diese schon bei Raj*
mnnd LuUy als sieila maris vorkommt; sie hat eben nur deshalb, weil
sie von Oioja su seinem verbesserten Schiffskompafs benutst wurde,
mit diesem sugleich bei den Seefahrern aller Nationen Eingang ge-
funden. Die Vervollkommnung, die wir Gioja verdanken, besteht in
der Binrichtungy durch die sich der Schiffskompafs vom Landkompafe
unterscheidet.
Als Beispiel der auf dem Lande gebrauchten Kompasse mag uns
der GrubeDkompafe dienen. Bei diesem schwebt die Nadel frei aaf
einer Spitze und ist in eine Bfichse eingeschlossen, auf deren Boden
die TheiluDg des Horizontes eingeschnitten ist. Es ist somit genau
der Kompafs, der schon vor Plavio Oioja existirt hat, und eben dieser
Kompafs ist für den Seemann unbrauchbar. Um dies deutlich an
machen, wollen wir annehmen, ein solcher Kompafs sei aof dem Schiffe
befestigt und die Linie Süd -Nord habe die Richtang des Kieles. Dann
wird sich natürlich mit dem Schiffe auch die Kompafsbüchse und die
aof ihrem Boden befindliche Strichrose drehen. Steuert nun das Schiff
Nord, so wird auch die Nadel auf dem Nordpunkte einspielen und
Alles hat seine Richtigkeit. Wie nun aber, wenn sich das Schiff von
N nach NW wendet? Dann wird sich der Nordpunkt der Strichrose
unter der ruhenden Nadel mit dem Schiffe nach NW bewegen, die
Nadel selbst aber nach NO weisen, der Kompafs also nicht die Richtung
zeigen, in der das Sdiiff steuert. Und umgekehrt, wenn das Schiff
einen östlichen Kurs steuert, wird die Nadel auf einen westlichen Strich
deuten. Bei dem Orubenkompafs, der so angelegt wird, dafs die Strei*
chungslinie parallel mit der Linie des Nullpunktes (der 0. oder 12. Stunde)
läuft, hat man aus diesem Orunde die Richtungen Ost und West ver-
tauscht, ein Umstand, der dem Nichtkundigen auf den ersten Blick
sonderbar genug vorkommt Aber wenn man das bei dem wissen-
schaftlich gebildeten Markscheider thun kann, darf man dem gemeinen
Matrosen, der am Steuerruder steht, zumuthen, dafs er sich ebenso
leicht in die Umstellung von rechts und links, in die Verwechselung
von Ost und West findet? Doch angenommen, das sei erlaubt, und
auf dem Schiffskompafs wie beim Orubenkompafs geschehen. Wie
nun, wenn das Schiff, wie wir der Einfachheit wegen annehmen wollen,
wieder Nord steuert? Wenn dann Ostwind weht, so steht auf dem
Kompafs in dieser Richtung West, und wenn Westwind weht, zeigt
r
Zur Oesehichte der Qeognplue. 1. Fl. Oiojs. 45
der Kompab Oflt. Alio «m JBiae Verwimmg sa heben, aoU eine an-
dere eiogefobrt werden? Der Markscheider aUerdings wurde eich an
helfen wiesen, er brfichte die 12. Stande in die Richtung des Windes,
and die Nadel wurde den Strich, woher der Wind weht, richtig an-
geben. Aber soll der Seemann immer erst das Schi£f in den Wind
laufen lassen, damit er seine Richtung ablesen könne? Und nicht ge^
nagt Eine der widitigsten Anwendungen findet der Eompals bei den
Peilungen (Aaimuthbeobachtungen) von Kustenpnokten. Wie sollte es
doch möglich sein, auf der jeder seitlichen Bewegung des Schiffes fol-
genden Strichrose, die unter der Nadel auf dem Boden der Eompafs-
buchse befestigt ist, die Richtung eines Punktes am Lande mit der
hiem erforderlichen Genauigkeit absulesen? Jeder Seemann wird
sagen 9 dafe das eine Unmöglichkeit ist. Und es ist von grofser Be-
deutung, dals die Tradition sagt, Oioja sei ein Seemann gewesen. Als
solcher wird er die M&ngel der damals gebrftnchlichen Kompasse ein-
gesehen haben ; er machte bei dem gemeinen Seemann die Erfahrung,
dafs die Benutsung des Landkompasses mit seiner Vertauschung der
Weltgegenden an Bord eines Schiffes Verwirrung aber Verwirrung im
Qefolge hatte; er erfuhr an sich selbst, dals eine zugleich mit dem
Schiffe sich drehende Strichrose genaue Aximutbbeobachtungen un-
möglich machte; er sann auf Abhülfe und fand sie darin, daüs die
Stricbrose oben auf die Magnetnadel gelegt und fest mit ihr verbanden
wurde. Dann konnten lUle Striche ihren richtigen Namen bebalten,
man konnte Wind und Kurs darauf ablesen und sie nahm nicht an
der Drehung des Schiffes Theil, sie behielt, wie die Magnetnadel selbst,
ihre feste, ruhige Lage gegen die Weltgegenden. Wie einfach dieser
Gedanke uns jetzt auch vorkommen mag, die Einfachheit raubt ihm
nichts von seinem hohen Werthe; und wenn er uns auch als nahe
liegend erscheint, gerade das nfichstliegende pflegt sich dem Auge des
Forschers am Längsten su entziehen.
Eis ist Gioja, wie anderen grofsen Erfindern, es ist ihm wie James
Watt ergangen; der Mjthus hat sich ihrer bem&chtigt und hat sie zu
Entdeckern gemacht. Beide haben die Anwendung einer schon vor
ihnen bekannten Kraft, die Einrichtung einer schon vor ihnen be-
kannten Maschine vervollkommnet; im Volksmunde gelten sie für die
Entdecker' der Kraft selbst. Man hat einen hubseben, viel verbreiteten
Kupferstich mit der einfachen Unterschrift: James Watt. Darauf sieht
man den jungen Mann vor einem siedenden Wasserkessel am Kamine
nachdenklich sitzend, den Deckel des Oefäfses mit dem Schfireisen
niederdrfidLend, um ihn durch die Spannung des Dampfes wieder heben
zu lassen. Er wird hier dargestellt als Entdecker der Dampfkraft
Und doch war diese längst vor ihm bekannt, hatte lange vor ihm in
46 Br«iisin^:
der DMBpfmaaelnDe Anwendung gefunden. Was wurde man nun aber
wohl sagen, wenn Watt fortan nur genannt wurde, um an seinen Na-
men die Bemerkung eu knüpfen, man habe ihm ganz mit Unrecht die
Entdeckung der Dampfkraft, die Erfindung der Dampfmasdbine rage-
schrieben; es lasse sich unwiederleglich nachweisen, dafs Papin und
De Gaus, Newcomen und Sarary diese Ifingst vor ihm gekannt hatten
Und ist es Oioja besser ergangen?
Man bat gesagt, der Name Gioja's schwebe in der Luft; er sei
nicht durch gleichzeitige Dooumente historisch bezeugt. Kann das
etwas an der Thatsache andern, dafs ein Seemann — denn mn sol-
cher mufs es gewesen sein — unseren Schiffiskompafs erfunden hat?
Diesen Seemann bezeichnet die Tradition mit dem Namen Flavio
Güoja; einen Mitbewerber hat er nicht; so liegt auch kein Grund von
die Tradition f&r unglaubwürdig zu erklären.
Eben weil es für mich von dem Augenblicke an, wo ich Tor län-
ger als 20 Jahren zuerst ein Seeschiff betrat, keinem Zweifel unter»
legen hat, dafs die Befestigung der Strichrose auf der Magnetnadel als
das eigentliche und grofse Verdienst Gioja's betrachtet werden müsse,
wäre es mir unbegreiflich gewesen, wenn nicht ein einziger der vielen
Forscher, die über den Kompafs geschrieben haben, auf dieselbe Idee
gekommen wäre. Und bei weiterem Nachforschen hat sich mir denn
auch ergeben, dafs ich allerdings auf die Priorität des Gedankens
keinen Anspruch machen kann. Schon Riccioli sagt '): „Möglich, dads
Flavio die Kompafsscheibe oben auf der Magnetnadel befestigt hat^.
Dafs sich diese Stelle der Aufmerksamkeit der Physiker und Hydro-
graphen so gänzlich entzogen hat, kann nur dem Umstände zugeschrie-
ben werden, dafs eigentliche Sachkenotnifs vom Seewesen und der
Schifffahrt sich bei den Gelehrten so gut wie gar nicht findet *), und
andererseits die Seeleute sich auch nur um das kümmern, was ihr
Fach unmittelbar angeht.
Oben ist erwähnt, dafs der Schiffricompafs jedenfalls eine ursprüng-
lich europäische Erfindung ist und nicht aus China stammen kann.
Ich bin im Besitze mehrerer chinesischer Schiffskompasse aus der
neuesten Zeit. Sie tragen alle eine kleine Magnetnadel frei schwebend
') Geographiae '^ Hydrographiae reformatae Libri XII. (Bonontae 1661. Fol.)
pag. 474: Fieri potuit, itt Flavius rotam chartae rotundae uucriptam svperadaptaverit
chalyhi magnetico.
') Eine rühmliche Ausnahme, wie ich hier mit Freuden ausspreche, macht einer
unserer ersten wissenschaftlichen Kartographen, Hermann Berghaus in Gotha, der
die technischen Ausdrücke des deutschen Seemanns, wie Strichrose, Stillte u. a. kennt
und auf seinen schönen Seekarten zum Stieler'schen Handatlas auch benutzt. Rara
amst
Zur Geschichte der Geographie. 1. FL Gioja. 4?
in einer flmehen hdlsernen Büefase, auf deren breitem Bande die ESin-
theüang des Horixontee gemalt ist.
Es wfire nicht nnmöglieb, daHs wir GioJa noch ein weiteres, wenn
lach nicht so wesenüicbes Verdienst am die YerroilkommnuDg des
ScfaiflUompasses zu verdanken hätten. Es ist dies die Vorrichtang,
durch welche er in der horizontalen Lage schwebend erhalten wird
and die man als die ^Cardanische*' zu bezeichnen pflegt Nnn sagt
sber Cardanns selbst '): ^Man hat die Erfindung gemacht, den Stahl
des Kaisers so einzurichten, dafs derselbe beim Fahren trots aller
Schwankungen immer unbeweglich und bequem sitzt. Es geschieht
dies dorch eine besondere Verbindung von Bügeln. Denn wenn drei
bew^liche Ringe so mit einander verbunden werden, dafs sich die
Zaf^en des einen oben und unten, die des anderen rechts und links,
und die des dritten vorn und hinten befinden, so mufs eine solche
Yorrichtung, da eine jede Bewegang immer nur um höchstens drei
Achsen erfolgt, bei jeder Lage des Reisewagens vollkommen in Ruhe
bleiben. Das Frincip ist den Lampen entlehnt, die, man mag sie
halten wie man will, doch das Oel nicht verschütten^. Hieraus geht
wenigstens so viel hervor, dafs man Cardanus nicht als Erfinder der
Vorrichtang ansehen kann, und sie nur deshalb nach ihm nennt, weil
sie von ihm wohl zuerst erw&hnt wird. Trotz aller meiner Nachfor-
sdmngen ist es mir nicht gelungen, etwas weiteres aber den Ursprung
dieser so höchst sinnreichen Erfindung festzustellen. Welchen Kaiser
aberiiaopt mag Cardanus meinen? Da er ohne weiteren Zusatz vom
Stahle „des Ejiisers^ spricht, so liegt es wohl am n&chsten, an seinen
Zeitgenossen, den Kaiser Karl V. zu denken, um so mehr als dieser
ein so grofser Liebhaber mechanischer Kunstwerke und Oerftthe war.
Aber ich finde nirgends erwähnt, dafs dieser im Besitze eines solchen
Wagens gewesen ist. Oder sollte dem Cardan in der Erinnerung die
Beschreibung des Reisewagens vorgeschwebt haben, der sich im Nach-
lasse des Kaisers Commodus vorfand und so eingerichtet war, dafs
die Sitze „durch verschlungene und bewegliche Ringbügel nach jeder
beliebigen Richtung gedreht werden konnten, wie es Sonne und Wind
forderten^ *). Dann hätte t/ardan sich die etwas undeutliche Beschreib
bung auf seine Weise, aber wahrscheinlich durchaus richtig interpretirt,
and die Erfindung würde schon dem Alterthnme angehören. Da nun
>) De subtilitate. Lib. XYII. De artihut ariificioeisque rebtu, -wo er an den
Anfuig des Baches als die Krone aller Erfindungen den Kompafs setzt.
>) Ser^U. ffisior. Augustae: Pertinax, Cap. 8: VeMeula arte fabrieae nova,
ferplexis diverntque roiarum arbibut et exqmsitis sedilibtu mmc ad soltm declinan-
mmc ad apiritut opportuniiatem per veriigmem.
48 Breufing:
die Vorriehtaiig «uf dem Bchwankenden Boden des Schilfes so recht
eigeDtlich ihre Anwendung findet, so wire immerhin die Yermathniigi
sie rnhre arsprCUigiich yon einem Seemanne her, nicht gans nnberech-
dgt. Aber dann wurde sie doch früher bei den SchijSslampen als bei
dem Kompasse in Oebranch gewesen sein, und so bleibt för die Mög»
lichkeit, Flavio Gioja könne ihr Erfinder sein, so gut wie gar keine
Wahrscheinlichkeit übrig.
Es wäre eine dankbare Aufgabe, einmal in unfassendem Sinne
nachzuweisen, wie wahr das WortHumboldt's ist, dafs durch die £<iii-
fuhmng des Kompasses eine neue Epoche in der Culturgeschichte be-
grfindet wird. Hier kann dazu der Ort nicht sein. Aber ich mochte
doch xnm Schlüsse noch, wenn auch nur mit wenigen Worten, eine
wissenschaftliche Frage erörtern, die bisher, wie ich glaube, nicht gaos
richtig aufgefafst ist. D' Avezac sagt in seinem : Geschichtlichen lieber-
blick über die Projectionsarten bei den Landkarten ')• Dep%iis le cam^
mencement du XIVsiäcle les Ginois, le» Vänetiens, fes Pisasu, Us Ma§or^
quins de cette äpoque ei du siäcle suwant nous ont Ugue tout une sirie
des caries nauUques dessinSes avec une pr^cision gue nous atons Hern
d'admirer encare ai^ourd^hui. Solche Seekarten zu Stande zu briogen,
die wir noch heute als Kunstwerke bewundern müssen '), dazu hat
erst der Schiffskompafs das Mittel an die Hand gegeben. Ohne ihn
w&re es dem Manne am Steuerruder rein unmöglich gewesen, das
SchüF so fest auf seinem Kurse zu halten, dafs die Lozodrome, welche
von ihm beschrieben wird, auch nur einigermafsen hätte auf Genauigkeit
Anspruch machen können. Einzig und allein aber auf Grund der von
den Seeleuten eingehaltenen Sebiffskurse oder Loxodromen sind jene.
Karten entworfen. Man hat sie Kompafskarten genannt und behauptet,
ihnen fehle jede Frojection. Der Name ist nicht bezeichnend und die
Behauptung ist irrig. Auch Landkarten können fuglich Kompafskarten
genannt werden, wenn sie auf blofsen Winkelaufnahmen mit dem Kom-
pafs beruhen. Aber die Winkel, welche man durch Azimnthbeobacb-
tungen entfernter Punkte auf dem Lande mit Hülfe des Kompassee
mifst, sind nicht Winkel zwischen Loxodromen, sondern zwischen Bo^
gen gröfster Kreise; und was die Frojectioil betrifft, die man für eine
*) Coup cCoeil historique tur la projection des cartes de geographie, p. 88
(Paris 1868. 8"), einem Werke von staunenswerther Gelehrsamkeit.. Wenn es mir
gestattet ist, dazn einen Beitrag, vielleicht eine kleine Berichtigung zu geben, to
schwebt mir dabei lebhaft das Wort unseres Dichters vor Augen : Wenn die Könige
ban'n, haben die Kftrmer zu thun.
') Die kostbaren grofsen Sammelwerke älterer Karten von Jomard u. a. werden
wohl nur Wenigen zugänglich sein. Aber wegen ihres billigen Preises leicht zu be-
schaffen ist die vor Kurzem erschienene, schöne italienische Seekarte: Corte
tiche del Medio Evo, Memoria di Giuseppe de Luca, Napoli 1866. 8**.
Zar Gefduehte dir Oeogrmphie. 1. FL QioJ«. 49
«f solehMi AotehiBen berobcmde Karte iHÜiIen will, so bleibt diese
im frewB Wähl des -Zeichiiera ebenso vollständig fiberlassen, wie das
dsr WM ist, wenn die Winkel mit dem Tbeodölitlien gemessen sind.
€aBi anders Kegt die Soehe bei den Italienisehen Seekarten.
kmmtm gemACi den eigentiiomliehen Winkelmessongen , welcbe il
ZeidmoBg m Gknnde liegen, nnr naeb einer einzigen Projection ent-
«orfien werden and xwar naeb derselben, nach der wir noch hente
iBseie Seekuten seichnen« Das Wesen einer Projection besteht nicht
in dem Aasneben von Meridianen nnd Parallelkrelsen; wfirden diese
saeh aftmmtlieli aaf einer richtig gezeichneten Karte aasgelöscht, die
Projection bliebe davon ganz anber&hrt. Das Netz jener Linien bietet
iB seinen Maschen ans eben nor das bequemste Hulfsmittel zar Ent-
werfiiog des Bildes, ist aber keineswegs nnamgänglich nöthig, and
wenn es jenen Seekarten fehlt, so ist das kein Beweis, dais ihnen Jede
Fjro|ecCi(»i abgeht, sondern dafs sie nicht aaf dem ans gewöhnlichen
Wege* mit Hülfe von Breiten- and Längenbestimmungen entstanden '
Bind. Jede Karte, die nach einem mathematischen Gesetze gezeichnet
ist, hat eine Projection. Nun sind, wie eben erw&hnt, die italienischen
Seekarten zam Unterschiede von allen and jeden anderen Karten in
der Weise entworfen, dafs die Orte auf ihnen mit Hülfe der sie ver-
bindenden Schiffsknrse oder Lozodromen festgelegt sind. Wünscht
man also zanftchst einen bezeichnenden Aasdrack, so kann man gar
keinen besseren wählen, als „loxodromische Karten ^)^. Es wird da-
darch zugleich ganz genaa die Projectionsart angegeben, die ihrer
Zdchnnng za Orande liegt Ist nämlich von sämmtlichen Orten die
gegenseitige loxodromische Lage bekannt, so brancht man nar von
zwei beliebigen Punkten auszagehen, diese unter einem beliebigen Ab-
stände von einander in ihre loxodromische Richtung zu legen und von
ihnen ans die bezüglichen Loxodromen zu jedem dritten Punkte so
ziehen, and man erh< in aller Strenge ein conformes Bild der Erd-
oberflfiche in Mercators Projection. Man kann in der That von den
Zeichnern dieser Seekarten behaupten, dafs sie dieselben nach Mer-
cators Projection entworfen haben, ohne es selbst zo wissen. Ja man
könnte so weit gehen und ihnen ein gewisses YerstfindniCs des Pro-
jectionsprincipes zu schreiben. Obgleich bei der geringen Breiten-
ansdehnang des mittelländischen Meeres eine Karte desselben in Ma-
' riniaeher Projection mit gleichen Breitengraden nur wenig von der
Mercator'schen abweichen kann (so dafs D'Avezac geneigt ist, die
^) Dafii der Nane «Losodrome* einen riel Jflngeren ürepnmg hat, als die
Karten — er rflhrt bekumtlich yon Sterin her — kann keinen Einwand gegen die
Beadfhmmg hegrtmdeB.
Zeftaehr. d. GeselUdi. t Brdk. Bd. VI. ^
50 Br«»iiiiK}
lozodromitchen Karten fBr pUtfv la haltea), so hAbea die ZeklHMr
dieselben doch nicht mit einer Breitenscale aosgesUttet Sollte nuui
nicht Termuthen, dafe sie das mit Absicht gethaDy weil sie die Breiten
cwar gans richtig als rerfinderlich erkannt, aber das Gesets dieeor
Yerfinderaog nicht aofgefiinden hatten* Die alten, echten Seekartan
kannten ein Oradnets so wenig, dafs die Portoglesen, wie Barroa er-
zählt, bei ihrer Ankunft im Indischen Ocean nicht wenig erstamt
waren, bei den Arabischen Seeleuten Karten mit Meridianen mid
Breitenparallelen su finden. Es war ein grober Mifsgriff, als spfiter
die eigentlichen platten Karten sogleich als lozodromische benntct wmr>
den. Freilich darf nicht verschwiegen werden^ dafs aoch die letzteren,
Bo tadellos ihre Projectionsart sonst war, doch an einem bösen Fehler
krankten. Die Loxodromen waren nicht für Mifsweisang berichtigt
und deshalb mufste das Bild verzerrt werden. Aber immer bleibt den
italienischen Seekarten der Ruhm, wie ich das an einem anderen Orte
urkundlich nachweisen werde, dafs der grofse deutsche Geograph Ger^
bard Kremer, genannt Mercator ' ), durch das Studium dieser loxodro-
^) „Kremer* und nicht „Kaofhiasn* ist der dentscbe Kam« Hercaior*fu ich
verdanke diese Mitthcilnng dem Herrn Prof. K5hnen in Duisborg, der mir tefareibt,
dafs Arnold f der Sohn Gerhardts, in einer and derselben Urkunde einmal Mercator
und einmal Kremer genannt wird. Den Namen «Kaufmann* trug der lateinische
Namensvetter Gerhardts, der bekannte Mathematiker Nicolaus Mercator aus HolBtain,
und von diesem wird er auf Gerhard Übertragen sein. — Unbegreiflich ist ea, wie
man M«ircator hat zu einem Ylaming stempeln kSnnen. Der zufällige Geburtsort
kann doch keine Nationali tut begründen. Wäre das der Fall, so mfifaten die Nie-
derlande Rubens nnd Yondeli ihren grofsten Maler nnd ihren grdfsten Dichter an
nns abtreten, denn beider Wiegen haben zu Coln am Rhein gestanden. Aber
wie der grofse Geschichtsschreiber Roms, wie Niebuhri trotzdem er in Kopenhagen
geboren ist, kein Däne genannt werden kann, weil seine Eltern Deutsche waren nnd
er selbst auch wieder in Deutschland die Stätte seines Wirkens geAitden bat, so
ist Mercator noch viel weniger ein Ylaming. Seine Eltern, Hubert und Emerentia
mit Namen, stammten aus Gangelt im Herzogthume Jülich und waren dort auch
ansäfsig; aber Gisbert, der Bruder Hubert's, hatte eine Anstellung als Pastor an
Rupelmnnde in Flandern gefunden, und während eines Besuches, den Hubert nnd
Emerentia dort machten, wurde ihnen Gerhard geboren. Er ist aber bald nach der
Geburt mit den Eltern in die Heimath zurückgekehrt und hat seine ganze Jugend
bis zum 16. Lebensjahre im Vaterhause verlebt. Hätte ihn sein Geburtsland an
fesseln vermocht, hätte er nicht in Deutschland, wo er erzeugt nnd erzogen ist,
seinen eigentlichen Wirkungskreis gefunden und alle seine bahnbrechenden Werke
veröffentlicht, dann dürfte Flandern einen Grund haben, ihn den seinigen zu nennen.
So aber ist er von Rechtswegen ein Deutscher. In seiner Lebensbeschreibung, die
unmittelbar nach seinem Tode vo^^ seinem Freunde Walter Ghjmm verfafst wurde
und allen Ausgaben des „Atlas* vorgedruckt ist, heifst es: „Gerharcku Mercator
m lucem editut est a parentibua Julia cetuibut , videlicet ffuberto Mercatore et Eme-
rentiana ejusdem uxorey Rupelmundae in ßnibut comitatus Flandriae apud illius patruum
Gisbertum Mercatorenit ejutdem oppidi pastorem vigilantissimum commorantibus. Cum-
que pueritiam egreasut esaet, primaque rudimenta latinae linguae m patria utcumque
didieissetf missus fuit a praedicto suo patruo Buacoducum, Hiernach könnte es, ob-
wohl der Ausdruck commcrari sich eigentlich nicht auf einen längeren Aofestbalt
Zur Gtfchiehte der Geographie 1. FL Gioja. 51
miaeheii Karten lor Anffiodang dea eigentlichen Principe ihrer Con-
ftmction, aowie lur Rectificadon der Loxodrome, einer der echSneten
mathematUchen Entdeckungen des 16. Jahrhunderte, gelangte.
Vstehen kann und trotsdem, dafs hier die niederlftndische Stadt HerBogenbusch im
G^pensatxe ra pairia gebraucht wird, Tielleicht sweifelhaft erscheinaii, ob nicht die
Eltern doch in Rapelmimde geblieben nnd sich daselbst dauernd niedergelaaien
lAtten. Aber der Zweifel wird durch Mercator selbst gehoben. In der Widmung
seiner Tabulae Oalliae 4 Gemumiae (Dnisborgi 1685) nennt er die Herzoge von
J^ch : Dommi mei naturales, ut mb quarum tutela in terra Juliaeenti ^ parentihtu
JmHaeemnbue conciptet primiaque anni» edmcatua, licet in Flandria natm aum. Die
pairia also, von der Ghymm spricht, ist das Herzogthum Jtllich; hier ist Mercator
»fleugt und erzogen; nnd, was die Hauptsache ist, er selbst wehrt es von sich ab,
Ir einen Tlaming gehalten zu werden. Ja, noch nach seinem Tode traf die Fa-
^iSie in dieser Besiehung Vorsorge. Es war damals Sitte, neben dem Namen den
Gcbvrtaort zu nennen, wobei es denn nicht selten geschah, dafs, wie bei Nicohme
Cuamu, Johannes Regiomontanus u. a. , der eigentliche Name durch den Beinamen*
Terdrtngt wurde. Bei Mercator nun lag die Gefahr nahe, dafs die Nachwelt ihn
Hegen des Zusatzes Rtq>elmundanns Air einen Vlaming halten werde. Sollte dieses
Tcnsleden werden, so war eine besondere Hinweisung auf seine deutsche Abstam-
Bong nöthig und so Buden wir denn auch, dafs auf dem Denksteine, den ihm seine
hiBterbliebenen Kinder und Freunde setzten, die Grabschrift mit den Worten be-
ginnt:
Gerardo Mereatori
Flandro Rupelmundano
Jvliacensvwh pravineiä otiundo.
Trotz alle dem schreibt ein Geograph dem andern nach, Mercator sei ein Via-
■iag geweaen. Nur d'Avezac macht auch hier — wie sich das von ihm erwarteo
IkCa — eine Ausnahme ; er nennt (Cot^ iToeil etc, p. 59* Note) den grofsen Mann:
Lt geograpke allemand. Im üebrigen kann es uns Deutsche nur fireuen, wenn
die Ylamlngen die Ehre, dafs Mercator in Ropelmunde das Licht der Welt erblickt
hat, ebenso zu schätzen wissen, wie wir stola darauf sind, dafs Bubens in CSka.
licht nnr geboren, sondern auch erzogen ist. Wie wir diesem an seinem Geburts-
fainse einen Denkstein gesetzt haben, so wollen sie Mercator an seinem Geburtsorte
eiae Statue errichten. — Ein anderes Denkmal, eine eingehende Würdigung der
Leistungen dieses Beformators der Geographie, wttre Ittngst nothig gewesen. Ich
habe versucht, diese Lflcke in der Geschichte der wissenschafllichen Geographie ans-
zofüllen, und hoffe in der nttchsten Zeit meine Arbeit abschliefsen und veröffent-
lichen zu können.
(Schlufs folgt.)
4
52
Die Donanmündungen und die an der Sülina vor-
genommenen lU^gulirungsarbeiten.
Von W. Koaer, mit emem Nachwort too H. Kiepert
(Hienm eine ICftrte, Tef. I.)
Zwei Unternehmen haben während der leisten beiden Decennien
voisni^weUe die AofmerkBamkeit der handelstreibenden Welt aaf sieb
gelenkt: anf der Orennchelde von Afrika nnd Asien der Dnrdiati^
der Landenge von Suez, in Europa die Regulirung der Donanmün-
dungen. Beide Unternehmungen sind innerhalb der Gebiete der Be-
kenner des Islams ron christlichen M&chten, ohne eigentliche Mitwir-
kung der dabei sunichst betheiligten muhammedanischen Reiche, in*8
Leben gerufen worden, beide sind gegenwärtig bis zu einem gewissen
Abschlufs gediehen, und bei beiden bleibt es der Zukunft überlassen,
über ihre Practicabilitfit ein Drtheil zu f&Uen.
Wir wollen uns hier mit dem uns zunächst liegenden Unternehmen,
den Regulimngsarbeiten an den Donanmündungen, beschäftigen, welche
vorläufig wenigstens beendet, und deren Resultate von der die Ar-
beiten leitenden internationalen Commissiou in einer Denkschrift j^MS^
maire ttir l6$ frsesuff tPamälioration ex^cut^s aux embouckures du D«-
nube par la Commission europeenne insHtuSe en veriu de rarticie 16
du traiU de Paris du 30 mors 1856. Oalats 1867^ zusammengestellt
sind. Derselben, sowie einigen anderen, weiter unten näher sa be-
zeichnenden Quellen haben wir das Material fSr unsere Mittheilungen
entnommen, welche als Begleitwort zu der von H. Kiepert entwor-
fenen Karte der unteren Douaugegenden dienen soll.
Dafs im Donau -Delta während des Laufes von zwei Jahrtausen-
den sehr wesentliche Veränderungen stattgefunden haben, ja dais die-
selben aus einer verhältnifsmäfsig sehr jungen Periode datiren mogen^
dafür sprechen die, freilich sehr dürftigen Nachrichten, welche uns das
Alterthum und die letzten Jahrhunderte hinterlassen haben. Als funf-
mündig bezeichnen Herodot, Ephorus und Arrian die Donau, während
Mela, Plinius und Ptolemaeus derselben sechs, Ammianus derselben
sieben Mündungen beilegen. Diese Verschiedenheit in den Angaben
bezeugt aber hinlänglich, dafs bereits im Alterthume während eines Zeit-
raumes von sieben Jahrhunderten neue Mundungsarme entstanden sein
können, sowie dafs die Kustenlinie eine wesentlich andere Gestalt
r
Di« DooanmflQdongwi vad die Be^^nliniiifMrbeileii aa d«r Stflina. 53.
ucQD^mmeQ haben nag. Deshalb dfirfte aqch ein yei^oeh, die toh
dm alten Aatoüeo überlieferten Nainen. der Donaamfiodangen den
beatigen ansupaseen, aof Schwierigkeiten stofeen and eigentlich resnl-
tadop bleiben. Strabo (VQ, 15) sag^ daft die bedeotendate Mfindqn^.
HieroD. Stoma (Peuke) genannt wer4e and die erste sei, welche der
Too linka in den Poqlas Schiffende erblicke. Diese Worte i^arden
gegenwSrtig awar auf ißu St Georgs -Arm passen; nimmt man aber
an» dafa die heutige Lagone Razim, die Halmjris Bai der Alten, iai;
Allertham ein offener Meerbasen gewesen sei, in welchen hent sn Tage
der ÖBnavets, ein Seitenabflufs des St. Georgs- Arm, mfindet, so. dürfte
■dt dem Namen Hierön Stoma damals wohl eine südlichere Mündnng
als der St. Georgß-Arm bezeichnet worden sein«
Herr Engelhardt, französischer Commissar bei der internationalen,
Comoiisaion, widmet der Lösung dieser antiquarischen Fragen die Ein-
kitong an seiner nur in wenigen Exemplaren gedruckten Schrift ^^iudet
nr les embauckures^ du Danube, Galatz 1863 ^ welche uns leider nicht
ng&nglich war. In dem ersten Abschnitte dieses Buches, welcher in
den ^NauveUes Annal d. Voy^ (1863. III. p. 129) abgedruckt ist, sagt
der Verfasser, dafs im Alterthum die Spitze des Donaudelta bis Isakt-
eeha, dem Noviodunum der Alten, hinaufgereicht und dafs sich von
dort aus der südlichste Donauarm abgezweigt habe, welcher sich, ebenso
wie der Donavetz, in den damals noch offenen Meerbusen Halmyris
(Lagane Razim) crgofs; dieser Arm, der heute nicht mehr ezistirt,
dessen sandiges Bett sich aber noch in der Nfthe von Babadagh ver-.
Mgen ]&fst, sei die von den Alten erw&hnte Heilige Mündung ge-
wesen. Dafs die Lagane Razim noch im 15. Jahrhundert nach der
Seeeeite hin offen gewesen, dafür sprächen die an der Westseite der
Ligqiie bei Jenissala liegenden Ruinen einer genuesischen Befestigung,,
£e doch ohne Zweifel zum Schutz des Seehandels unmittelbar an der
Veereaküste angelegt worden sei. Diesen wohl ziemlich unhaltbaren
Primissen zu Folge würden nach Herrn Engelhardt die antiken Benen^-
langen der anderen Mündungen sich freilich verschieben, doch weicht
derselbe anfserdem noch in der Nameifstaufe von der beim Ammianus,
von Süden nach Norden aufgeführten Reihenfolge der Mündungen ab,
[ indem er, wir wissen nicht weshalb, den St Georgs» Arm als Narakion
Stoma, die Snlina als B6reion Stoma und die Kilia als Tbiogala Stoma
beaeicbnet. Freilich divergirt die von Ptolemaeus überlieferte Reihen-
folge der Donaumündungen sehr bedeutend von der des Ammianus,
to dafs es den Anschein hat, dafs im Alterthum in den Benennungen
da* Mündangen keine Uebereinstimmang geherrscht habe. Pa alle
▼ersaebe aber, hierin eine Uebereinstimmong herbeitalohreB, in daa
Reich der Hypothesen fallen würden, so mag es hier genügen, die
54 ^- Koner;
Namen der MünduDgen, welche, als nördlich von dem HienSn Stoma
gelegen, angeführt werden, aafzut&hlen. -Dieselhen heifsen heim Ptole-
maeus: Thiogala oder Psilon, Boreion, Narakion, Pseodostomon und
BjJonstoma; beim Ammianus: Narakion (wir fibergehen hier die Lies-
arten Inarakion, Naraka etc.), Kalonstoma, Pseadostomon , Boreon,
Stenostoma, endlich eine namenlose, in einen Sumpf sich verlierende
Mündung. Diese Namen fignriren in der Reihenfolge, wie sie beim
Plinius und Ammianus erscheinen noch auf den Karten des 17. and
18. Jahrhunderts. Merkwürdig aber ist die Notiz in dem historisch-
politischen Atlas von Bruze La Martini^re aus dem Jahre 1745 (T. IV.
S. 499), in welchem nur von zwei Donaumündungen gesprochen wird :
einer südlichen von Tschernawoda aus durch den Karasu-See nach
Enstendsche sich hinziehenden (also parallel mit dem alten Trajans-
wall) und einer nordlichen, der Kilia, von welcher letzteren gesagt wird,
daÜB dieselbe, nachdem ihre vielfach sich abzweigenden Canfile sich
bei Kell (Kilia) wieder vereinigt h£ttcn, der Insel Ranada (Iljn Adasi,
Schlangeninsel) gegenüber in das Meer sich ergie&e. Es scheint, wenn
diese Notiz, die wir übrigens auf vielen Karten aus jener Zeit wieder-
finden, überhaupt eioen Werth hat, daraus hervorzugehen, daPs noch
vor wenigen Jahrhunderten das Kiliadelta in seiner gegenwärtigen Ge-
stalt vielleicht noch nicht existirt habe; dafür spricht auch eine in
der Münchener Bibliothek befindliche, von Thomas herausgegebene
italienische Manuscriptkarte aus dem Anfange des 15. Jahrhunderts.
Bei diesem Mangel an sicheren 'Aufzeichnungen, bleibt mithin die in-
teressante Frage über die frühere Gestaltung des Donaudeltas ungelöst.
Werfen wir einen Blick auf die heutige Karte der Donanmün-
dnngen, so liegt die Spitze des Deltas 24 Kilometer unterhalb von
Isaktscha, wo beim Tschatal Ismail (Gabelung von Ismail) die Kilia
nordw&rts abbiegt, während in südostlicher Richtung der Arm von
Tultscha, anfangs noch ungetheilt, dann in zwei Arme getheilt zum
Meere abfliefst. Sehr wahrscheinlich gab, wie K. F. Peters in seiner
Abhandlung über die Dobruds^ha sagt *), ein Ueberrest von alter
Lehmablagerung mit einer felsigen, dem ,)Stein*^ von Tultscha ana-
logen Grundmasse schon in sehr frühen Zeiten die Veranlassung zu
dieser Bifurcation. Ist auch der Lehm allerdings längst fortgeschwemmt,
so halten doch in der Tiefe die gabelförmig aus einander weichenden
Rinnen die ihnen zufallenden Stromantheile unabänderlich fest. Da
') Karl F. Peters, Grundlinien zur Geographie und Geologie der Dobrndscha,
in den Denkschr. der Wiener Akad. der Wies. Mathem.-natarwiss. Cl. Bd. XXYTT.
1S67. iCaa ▼•rgl. aach: Den., Beiaebriefe eiaes dantschen Naturforschers aoa der
Dobradscha, abgedruckt in der Oesterreichiaohen Revue. 186( (Torsocpiweise 1SS5.
Bd. VI. S. 2 IS ff. VII. S. 206 ff.).
Di« Donanmnndiiiigon and die Regulirangsarbeiteii an der Sülina. 55 ~
die KiUft 17/97 der Wassermenge der Donau &em Meere
werden, wihrend der Arm von Toltscha nar 10/97 aaJhimmt,
dsEidbe aber aoterdem wenigstens bis zur Stadt Ismail einen gleich-
aüing tiefen Rnmsal hat, so ddrfte die Annahme, dafs sie den eigent-
fidien DoDsnlauf bilde, nicht ungerechtfertigt erscheinen. Vom Tscha-
tal kmail fliefst der Rilia-Arm in drei grofsen Erilmmnngeu nord-
w§g»B bis ismail, nimmt hier einen kleinen Abflafs des südlichen Jalpuch-
8ees(Kagur-Sees) auf, ändert anfangs seine Richtung nach SO., dann wie-
der mit einem s<^iarfen Winkel, von dessen Spitze ans er einen Yerbin-
daogs-Ciuial, die Tsdionda, zur Sniina entsendet, nach N., wo er sich
uterhaib des Klosters St. Nicolans in ein Geflecht von Armen auf-
löst, das sich bei Alt (Staroi) Kilia, 2|^ Kilometer unterhalb der Stadt
KiHa, wieder zu einem Hauptstrom vereinigt Sieben Kilometer unter-
halb dieser Stadt erscheint eine zweite Theilung des Strombettes in
dr» grofse, unter sich aber durch Seiten -Canäle verbundene, Arme,
«siehe flidi in einer Entfernung von 25 Kilometer bei den Weilern
Bazardachyk und Periprav wieder vereinigen. F6nf Kilometer unter-
halb dieser Stelle findet endlich bei dem jetzt zur Stadt erwachsenen
Fiecheidorf YOkov (1859 mit 1600 Einw.) die letzte Verästelung des
Stromes statt; hier beginnt das dem uralten Donaudelta gegenüber als
seeondäres zu bezeichnende Kiliadelta, welches von N. nach 8. durch
folgende Arme gebildet wird : Belgorod, Otschakof mit der Seitenmün-
dang Rakof, Ankndinof, Otnoshino und Peschtschanoje Oirlo (d. i. san-
dige Mündung), Arm von Stambul mit der neuen und alten Stambul-
MSndong, und zwischen beiden die Kuban -Mundung. Wie es in dem
Commlssionsbericht helfet, bietet die Kilia auf ihrem 100 Kilometer
langen Laufe der Schififahrt keine Hindemisse, und wäre ihrer Tiefe,
Waesermenge, Breite und geraden Richtung wegen als Wasserstrafte
dem St. OeorgS'Canal und der Sniina vorzuziehen. Genaue Messun-
gen der durch die Kilia -Mündungen abfliefsenden Wassermenge im
Yerfafiltnifs zu der des vereinigten Strombettes bei Vilkov ergeben:
for den SUmbnl-Arm 22/40, far den Otschakof- Arm 11/40, für das
Peaditochanoje-Girlo 6/40, für den Ankudinof- und Belgorod- Arm 1/40.
Trotz seiner grSfsten Wassermenge würde sich aber der Arm von
Stambul aus dem Grunde nicht als Einfahrt eignen, weil einmal sein
Lauf ein zu sudlicher ist und dem Meeresnfer zu nahe liegt; dann
aber, weil die vor seiner Mündung gelagerte Burre nnr etwa 4 FnCi
Waaaer hat, enorme Summen mithin erforderlich wären, wollte man
seiner Mfindnng eine andere Richtung geben. Günstigere Resultate
Ingegen wurde vielleicht die Regolirung des Ots^akof- Armes bieten,
welcher an seiner Mündung eine Tiefe von 6 Fu£fi hat; doch lassetti
sieb bei der Veränderung der Küste, welche beispielsweise innerhaU»*
5^ W. K««Mt
30 Jahr« wit iva enten nmütdma AvfbalnMni an ^mt
dietM AisM» ttattgiifandea haben» die Kotlen «iser aalehca
limag nicht einmal aonftheruogaweiae berechnen» anaal da 4aa
erwiesenennaben aordwirl» Tom St Georgs -Arm an Tiefe bedente^d
abmnvt Die Anh&afang der AUavialmaaaen wfirde hier^adthin eine
weit bedentendere «ein and die D&mme mfifeten hier riel weiter
in*8 Meer hinana angelegt worden, ala bei den afidüeheren Donaa*
Annen*
Wenden wir ans nun cn dem Arm Ton Tulttcha, so bietet der
anterhalb dieser Stadt gelegene «Stein^ von Toltseba, eine weit io
den Strom hineinspringende Felsklippe» welche den normalen Laaf
desselben in eine andere Richtung lenkt, der Schiffiahrt die ersteo
Hindemisse. Siebsehn Kilometer vom Tschatal-Ismall findet die Bifiuv
cation des Toltscha- Armes statt (Tschatal-St Geoi^), wo die SdUiia.
in östlicher, der St Georgs -Arm in südöstlicher Richtung sich ab-
sweigen. Letsterer, welcher 8/27 der Wassermenge der Deoan cmd
Meere f8hrt, fliefst anfangs vom Dorfe Prislav in ademlich gerader
Bichtong bis an den Fnfs der von ihren auffallenden fön£ Spitcen
Bosch -Tep^ genannten Hügelkette, von wo aus sein Scblangenlanf be-
gjl&nt» welcher aber bei der Breite und Tiefe des Fln&bettes der Sehiff-
üshrt nicht eben hinderlich ist. Sechsundviersig Kilometer unterhalb des
Tschatal'St Cteorg sweigt sich auf seinem linken Ufer das Flnisehen
DonavetK (d. L kleine Donau) ab, welches sich in violgekrfimmtem Lasf
in die Lagune Racim ergiefst, dessen geringe Wassermenge aber auf die
Verminderung der im St Georgs -Arm nur von geringem BinflnCs ist
In einer Doppelmündung, Chidrillis und Glinka genannt, welche die
obere und untere Insel Glinka umschlie&t, ergiefst sich der St George*
Ann in's Meer. Durch die Chidrillis flielst eine etwa doppelt so grofee
Wassermenge ab, als durch die Glinka (1861: 936 Kub^-Met), nad
da letstere Mundnng dieselben physikalischen Yerhfiltnisse zeigt, wie
die Stambnl-Mfindung der Kilia, so durfte eine Stromregnlirung sieh
nur fSr die Chidrillis als anwendbar erweisen. In senaem gansen Laufe
hat der St Geoigt-Arm eine durchschnittliche Breite von 1400 Fufe
bei einer Tiefe von 15 Fnfs, wfihrend die durchschnittliche Br«te der
Sulina nur 500 Fnls, ihre Tiefe bei niedrigem Wasserstande nur 8 bis
^ Fnfs betrftgt, und wenn auch ersterer durch seinen geschlfingehen
^lanf die Sulina an Lftnge bedeutend übertrifft, so liefsen sich doek
4arch Durchstiche diese Krümmungen um ^ Bedeutendes abkOraea.
Die Sulina endlieh, welche nur 2/27 der Wassermenge der Denan
in- sich aufnimmt, wird gleich unterhalb des Tschatal-St Georg von
ۀaer Sandbank durchschnitten, entsendet einen Zweig, die Girla Pa^
BfH^ia, nnd fliefst hierauf über eine Reihe von Untiefen« Argani genannt^
Die IHHUNmaiidviigeii ud dto BegalthnigMrbeaten aa der Sdliae. 57
AoDisMi, som Theil lavfar^Mi GroiKle, welche der SiAiilillirt
üt grofiilMi HiademiMe in den Weg legeo ' ). Von weÜhlti retdien-
Soipfiiiedwmgen euigefalst, ergiefet sie eich nftdi eineni Laaf
d3 Kilometer bei dem Orte Sifinii io'e Meer. Die eintigen Nieder-
lirnngen an ihren Ufern bilden die elenden, von M okknnen oder eidnin*
bfliyefthen Schnfblrten bewohnten Hotten der Weiler OörgoTS, sowie
dm vier I3r die Strompolisei errichteten Hänser. Einen Ihnlichen
Ghamkter wie an den Ufern der Snlina trägt aoch das ganse ans vier
nnr^elmfiftig gestnlteten, einen Flftcbenranm von 3500 O Kilometer
eiaaefamende Stromdelta «wischen der KiKa and dem St. Oeorgs- Arm.
Ebhe Sehilfwaldangen, hier and da anterbrochen von Seen nnd Mo«
riMen bedecken die Inseln, nnd nur an der Kilia finden sich einige
Strecken angebanten Landes^, sowie swei Eichenwaldangen, die eine,
der LfCti-Wald, südlich von Vilkov, die andere, Kara*Orm&n oder der
schwarze Wald, «wischen der Sdlina und dem St. Georgs -Arm. Die
Briiebtiog des Bodens beträgt an der Spitze des Deltas 3,66 Meter and
srakkt sich bis sar Sälina -MQndang bis auf 46 Centimeter herab.
Aehnlich wie bei den Deltas anderer grofsen Ströme hat aach
die Kaste der DonanmSndangen eine halbmondförmige Gestalt ange-
nommen, vor welcher durch Anhäofang von Sinkstoffen eine Barren»
biidnng sich gelagert hat, deren Rficken während der Hochwasser im
FrfifajiAr nnd Sommer beständig wächst, im Winter hingegen in Folge
der durch die Aequinoctialstfirme bewirkten Anflockerung abnimmt
Jene Sinkstoffe, welche der Litoralstrom von der bessarabischen Kflste
heiabföhrt, vereinigen sich canächst mit denen der Kilia -Mfindungen,
dann mit denen der SAlina, welche rechtwinklig in den Litoralstrom
einmAndet, nnd hier maftte bei herrschendem Sfidostwinde, welcher
der Köstenströmnng entgegenbläst, die Barrenbildung um so bedeu-
tender werden. Ti^enmessangen, welche von der Commission in der
«weiten Hälfte des December 1856 und während der Monate Janoar
bin August 1857 angestellt wurden, ergaben jßr die Tiefe der Barre
vor der MCmdang des St. Geoi^-Arm als Maximum 6 bis 7 Pufs
(engl.), als Minimum 5 Fufs 9 Zoll bis 6 Puls 6 Zoll, vor der Man-
dang der SiUina als Maximum 10 Fufs bis 12 Fufs 6 Zoll , als Mini-
mum 9 Fofe bis 10 Fufs 6 Zoll. Nadiweislicb ist die Biidong der die
Mfindnug desSt. Georgs* Arms verschliefsenden Barre erst eine neuere *),
denn während nodi bis vor 70 Jahren dieser Arm aosschliefslich f9r
■) K. F. Peten schildert Mine Fahrt auf der Siilina in höchst drastischer Weise.
Vergl. Oestcrreichische Revue. 1866. Bd. VI. S. 221 ff.
*} Ywf^. M. A. Becker, Zur Geschichte der Sdlina -Regalirang, in den Mit-
theil. der Wiener geogr. GesellMh. ISSS. & 807 ff.
56 V« Koaetf:
die Scküfiriivt beanilit ward«« ygiraandete dk MnDdaag daaud» in Pol^>
eiaeir aogewdkalicbeii HochwMflers, und seit dieser Zeit weadte Mch^
de die Barre vor der Saline- BiäDdoog sieh eis tiefer erwiee, der geuBe
SeldfflUirtoveikehr dieaem Dooatt<-Ann an, . den die Türken dnieh
wiederikoltes Aufaciiarren der Barre gangbar erhieltMi. Ala aber ia
Folge dea Vertrages Ton Balta-Liman im Jahre 1849 die Donao-
furslenthfimer anter ruaaischen Schute gestellt worden, lag es im In«
teresse dieser Schotzmacbt, den Oetreidehandel von Braila nnd Qmlats
abaulenken and nach Odessa sa dirigiren. Zwar hatte Ba(sland eich
darch einen mit Oesterreich am 10. September 1840 aaf 20 Jahre ab*
gescfaloaeenen Vertrag zur Oewfihrang der vollen Freiheit for die Scfaiff-
fahrt, Abstellang alier Zoll- oder sonstigen Dorcbfahrtsabgaben, Oe-
stattang.des Schiffsiehens an beiden Ufern, Errichtang eines Leooht-
tharms an der Mündang and Herstelloog einer hinreichenden Faluv
tiefe über die Barre verpflichtet; aber nur der Leachttharm wurde von
den Rassen erbaut, w&brend die Ausbaggerung der Barre sieh «nf
einen ersten veronglackten Versuch beschränkte. Bekannt sind die
traurigen Verhfiltnisse, welche der Krimmkrieg, das von Rulsland im
April 1853 erlassene Verbot der Getreideausfuhr aos den Donaofursten-
thwaern, die Zerstörung des Etablissements an der Sülina- üandong
durch die Englftnder und die bis xum Jahre 1855 dauernde Blocdcade
der Dooau- Mündungen für die unteren Donaul&nder herbeiföhrten.
Für Tausende von Freibeutern war das Donaudelta w&hrend dieser
anarchischen Znstfinde cur Freistatte geworden, welche nngest&t die
dort lagernden Oetreidevorr&the plünderten. Erst nachdem die öeter»
reicbische Regierung diesem Räuberwesen kr&flig entgegentrat, and
durch WiederbersteUung des regelmäfsigen Dienstes auf dem Leocht-
therm an der Sulina- Mündung, durch Auflockerung der Barre, dorch
Sprengung der die Passage am meisten hindernden Wracks, sowie
dorch Attfetellung von Bojen zur Beseichnung der Durchfahrt die
Hindernisse für die Sehifffahrt wenigstens tbeilweise beseitigt hatte,
vermochte der Handel sich auf den altgewohnten Bahnen wieder an
bewegen. Gleichaeitig wurden der österreichische Oberstlieutenant
Ghilain mit der Untersacbung des St. Oeoi^-Arms mit Rücksicht
auf dessen Verwendbarkeit für die Schififfabrt, sowie der Ober-Bauratb
Wex mit Feststellung der physischen Schifilahrtshindemisse an den
Donau- Mündungen und den Vorschlagen aar Beseitigung derselben
beauftragt * ). Der ausgezeichnete Bericht des Herrn Wex, in welchem
er die Regulirung der Sulina- Mündung nur als Nothbebelf bezeichnete,^
die Instandsetzung der Mündung des St. Georgs* Arms hingegen als
1} Vergl. Becker a. o. O. S. SOS.
Die Donjuimfindongen und die Reguliivngsarbeiten en der StUine. 59
aflflin von dmoemdeBi Yortbell für die Sclnffiahrt hervorfaob, warde
aUen twim Pariser Frieden betbefligten iiiebten flbergeben, und niamt
unter den nuinnig^aehen von der earopäigcbeo DoDao-ConnDiiMioD g^^
flUiebteB VorsehUlgeii eine berrorrageode Stelle ein, wenngleich dieses
TOD der Ssterreicbiscben Regierong wobl mit voUem Reebt begünstigte
Praject sieb nicht der Majorität der Experten -Coninrission tu erfreoen
bitte.
Die Niedersetsang dieser Experten -Gommission war dorch den
Artikel 15 des Pariser Friedens vom 30. Mine 1856 bestimmt worden,
and der Zusammentritt der Delegirten der sieben bei dem Frieden b^
theiiigten Mächte fend am 4. November 1856 zu Oalatz statt. Da
wissensebafUiche Aufnahmen des Donaadel tas bis dahin eigentlich noch
nicht existirten, indem die rossischen Aufnahmen aas dem Jahre 1828
bis 1835 tfaeils mangelhaft, tbeils wegen der inzwischen eingetretenen
bjdrographiscben Yerfinderungen im Delta nnbraachbar geworden wa-
ren, wurden von den Ingenieuren sunächst genaue Aufnahmen der
Sulina- and St. Georgs- Mündungen und der gansen Küste bis cor
Otscbakof- Mündung hinauf, sowie Tiefenmessungen veranstaltet, nnd
gleichzeitig L&ngenprofile des ganzen Deltas entworfen. Wfihrend
Gapt. Spratt in den Jahren 1856 und 57 die Aufnahmen an den Kilia-
Mundungen leitete, beschfiftigten sich gleichzeitig die Ingenieure Sir
Charles Hartley, Wex, v. Fasetti und Nobiling mit den hydrogra-
phischen Untersuchungen Aber die Wassermenge in den drei Mündungs-
armen, deren GefSIle, Geschwindigkeit, Flnthverhftltnisse, sowie mit
meteorologischen Beobachtungen. Auch liefs die Commission in der
Dobmdscha, in Bulgarien und in der Militärgrense Ermittelungen über
die Bestände an Bauholz und die Preise desselben, sowie ober die
Beschaffenheit der in der Nähe von Tultscha gelegenen Felsen an-
stellen, liefs durch europäische Arbeiter Steinbruche eröffnen und Ver-
suche zur Bereitung eines hydraulischen Cementes mit den an Ort nnd
Stelle befindlichen Materialien vornehmen und zog von den Gonsulaten
genaue Erkundigungen Ober die SchiffTahrts- nnd Handelsbewegungen
an dor unteren Donau während der letzten 10 Jahre ein. Zum Ausgangs-
punkt der Untersuchung desjenigen Armes, welcher sich am besten f&r
die Regulirungsarbeiten eignen wOrde, wurde Tultscha gewählt, dort im
grofsartigsten Mafsstabe ein technisches Etablissement unter Leitung des
tfirkischen Oeneralstabs-Ofßciers v.Malinowski angelegt, und unabhängig
von demselben ein ähnliches zu Sulina; aufserdem wijrden Sulina, TuH-
sdba, Galatz nnd Ismail durch Telegraphenleitungen verbunden nnd zu-
Tnltscha und Sulina Hospitäler für die im Dienste der Commission
stehenden europäischen Arbeiter, we]<^ voranssichüleh viel von den
endemischen Sumpffiebem za leiden haben wärdsn, eingerichtet.
Kmch Beettdigasg dl«ter VomrbeitMi, ftber wekhe dtt Mir 185T
Ungiiig, aehntt aao im FHII|4hr 1868 mt WsU 4«r rar Rugniirong
w^ besdimnendett Möncloiig. Trc»U ihres, wie wir oben geaeigt haben«
gi^yGMrea WaaaerveiehlfattiBs und ihrer gfiostigen BiebtaiBg, enlMhlofii
maa aieh gleich aafiaDga» die Kilia-lffindaagen nicht weiter an berucfe-
fliditigea. Lange Zeit konnte man sieh aber 3ber die Wahl eines der
anderen Donau -Arme nicht einigen, bis eifdlich eine im April 1858
eingesetste besondere teehnische Coramission sich am 26* Augast 1858
fnr den St Georgs- Arm entschied. Dieselbe verwarf die durch Hartley,
Nobiling, Wex und ▼. Pasetd ausgearbeiteten Projecte, durch fiindeichong
der Mündungen mittekt Paralleldfimmen die Schnelligkeit und StXrice
des Wasserstromes bei seinem Eintritt in die See su regoliren und
demselben so die Bildung eines Bettes bis tu einer Tiefe von 18 hm
20 Fufs SU überlassen, und schlug statt dessen die Anlage eines Tom
St Georgs- Arm cum Meer sich absweigenden und durch Schlenaen
m schliefsenden Ganais vor. Dieser Vorschlag wurde swar von der
eoropüschen Commission im December 1868 einstimmig angenommen«
doch bald darauf durch einen Bericht Hartley's wieder schwankend
gemacht, da die Kosten eines solchen Canals auf circa 17 1 Millionen
Francs veranschlagt wurden. Zudem drohte der von einer englischen
Gesellschaft von Tschemawoda nach Eöstendje unternommene Baii
einer Eisenbahn den Begulirungsarbeiten am St Georgs -Canal grofsen
Abbruch su thnn, und so beschlofs man die Einstellung der Vor»
arbeiten am St Georgs -Canal bis zur Eröffnung der Eisenbahn, um
den Einflufs derselben auf den Handel absuwarten, während die pr(^
visorischen Arbeiten sur Regulirung der Sulina- Mündung, welche ein
günstiges Resultat versprachen, weiter fortgehen sollten.
Bedeutend waren allerdings die Hindernisse, welche sich hier dar-
boten. Nachdem man Hartley's Plan der Eind&mmung der Mündung
adoptirt und die Summe von 80,000 Docaten fiir die Arbeiten bestimmt
hatte, — eine Summe, welche nothigenfalls bis auf 166,000 Ducaten vei^
mehrt werden sollte — begannen die Arbeiten am 21. April 1868 und
worden bis aum Jahre 1861, nur mit Unterbrechung des Winters, fort-
geffihrt Am 31. Juli 1861 waren die Deiche beendet, ein nördlicher
4631 engl. Fufe langer Damm (291 Fufs Ifinger, als derselbe Ursprünge
lieh projectirt war), mit einem Leuchtthurme an ««einer Spitae, und
ein sfidlicher 3000 Fufs langer Damm (100 FuCs Ifinger, als nach dem
ersten Anschlage). 12,000 Pffthle und 68,000 Kubikmeter Fekblöcke vom
„Stein ^ von Tultscha waren verwandt worden; die Tannenbölser hatten
die Waldapgen bei Galatc, die Eichenhölzer die Wfilder der Dobrudsoha
geliefert. Die Kosten der Dfionue beliefen sich auf 178,000 Ducaten.
Die Tiefe des Canals, welche an Anfang der Arbeiten 9 Fub engl.
Di« DoDsimiiliidiuigen nnd die Rigiifimii^Nurbeilea ma der SdUna. 0|
betrag» im Noim^mt lAS» 10 Fnfii, verueliite adi im Afml IMX) Us
auf 14 Fois, weldM ¥eitDdeniiig Totiagfeweise dem ndrdliehen Damm
luwwdirdbta war; aaeh dea anberordentlieiiea Floüieii im Aagast
1860 eaak nrar die Tiefe darch die enormen Maasen der angesehwemnn
len Sinkeloffe wieder aof 9 Fafr; aber mit der Volleadong des OaaalB
erhöhte sie sich wieder aaf 14 FnHi nnd enreiohte im Deoember
1M2 17 PqTiI, im Fi^ljahr 1868 ISFofs. — Man besehHKnkte sidi
aber nicht aliein aaf die angef&hrten Arbeiten an der MAndang der Si-
liiia, sondern unternahm es anch an versdiiedenen Stellen des FlaCi-
ianfes, wo Untiefen die BchüBUnrt gefiKhrdeten, darch Ansbaggening
nnd Aaffohrang von UferdCmmen das Strombett an regaliren. Der-
artige Arbeiten erforderten namentlich jene mit dem Namen der grofsen
nnd kleinen Argaois bezeichneten Untiefen, sowie die unter den Namen
Batmyschkavak bekannte Section der Sülina.
Welche günstigen Erfolge nun der Schifffahrt aus diesen pro-
visonschen Begulirungsarbeiten seit ihrer Beendigung erwachsen sind,
lehren die Consnlarberichte fiber die Handels- nnd Schifffahrtsbewe-
gnngen an der unteren Donau während der letsten 10 Jahre, und es
durfte vielleicht von Interesse sein, sur Yergleichung des Jetzt mit
dem Ehemals einige Stellen ans einem Bericht des früheren öster-
reichischen Generalconsols zu Constantinopel, Dr. F. C. Beke, weleher
im November 1856 die Sülina passirte, hier abzudrucken *). Es beifst
iki demselben : Als ich am 22. November in Sülina eintraf, war durch
34 Tage fortwahrend schlechtes Wetter gewesen, so dafe kein ein-
siges Schiff auslaufen konnte. Aber es lagen mehr als 700 Seeschiffe
and 300 Lichterschiffe im engen Sülina -Ganal zusammengedrängt, ein
Mastenwald, durch welchen sich unser Dampfer w&hrend zwei voller
Stunden durchwinden mufste, ehe er die Ostspitze von Sülina erreichte.
Es fugte sich nun, dafs am Tage unserer Ankunft ruhige See, ein
Bogaso mit sanfter Landbrise eintrat, so dads wir eines der interes-
santesten Seestttcke vor uns hatten. So viele Schiffe, die während
des langen unfreiwilligen Harrens ihre Ladungen an die Lichter ab-
gegeben, wollten nun alle auf einmal hinaus Kaum hatte ein
Schiff einige Faden vorwärts gemacht, so stiefs es an ein anderes,
die nachfolgenden bildeten einen Knäuel, der sich unter Toben und
Schreien der Leute mfihsam auflöste, um sieh einige Klafter weiter
neu zu formiren Das ganze Bild war seewärts eingerahmt
durch den lichten Meeresstreifen, den die verhängniüivolle Barre bildet,
über welche 17 Schifiswracke als warnende Wahneichen emporragten.
Auf diese Weise sind am 22. und 23. November nach der Schätzung
■) Ytrgl. HittheU. dir Wieavr g«ogr. Q«tell»eb. '1S6B. 8. 81S.
m
W. Kott«r:
4m HftfeneapitXas bei 80 8«Uffe aber die Bure flekngt Am 84 N«-
▼eniber OMusble ein friaeber Noidoet den Bogaeo em B»de^ die Nacht
dtfMif ▼erstAikte aicb der Wind sam Sterme nad von jenen 80 Sebiffon
•gingen an der infaeren Bbede 28 unier, von Personen aollen nar 70
4aa Leben gereilet baben. — Naebstehonde Zosammenstellnng, wekfae
wir dem Commiseionabeiiebt aoetagsweiae entnommen and ans dem
ConBalarberidit im Preofs. Handelsarehiv (1868. No. 44) vervollatlii-
digt baben, aoU die Scbiilffifthrtebewegang auf der Snlina, sowie die
Abnabme der Scbiffbräcfae seit der Regalimng yergegenwlrti^eii.
Leider feblen in dieser Liste die Angaben fiber die Yerloste an Pabc*
sengen wibrend der Jabre 1847 — 54 und 1866 und 67.
Befrachtet
V^ M
Zahl
Befrachtet
W M
Zahl
Jahr.
aasgelaa-
fene Segel-
Dampf-
packet-
der
Jahr.
1
ausgelaa-
fcne Segel-
Dampf-
packet-
der
Sehiir-
Sdiiffe.
UOUliV«
brttche.
Schiffe.
wws»
brllche.
1847
2037
S6
1858
2358
150
10
1848
1296
85
mm^
1859
2542
162
22
1849
1641
35
—
1860
3288
203
16
1850
1449
40
—
1861
2902
183
12
1851
2102
52
.^
1862
2842
173
14
1852
2422
54
1863
2891
208
6
1853
2450
40
1864
3330
118
4
1854
680
— —
1865
2558
118
7
1855
2919
9
36
1866
2321
110
—
1856
2110
101
26
1867
1868
92
—
1857
1797
141
18
Aas dieser Zosammeostellang ersieht man, dafs während der
Jabre 1855 — 60 128 Segel -Schiffe» seit der Beendigung der Regu-
lirangsarbeiten an der Barre während der Jahre 1861 — 65 nur 43 Segel-
Schiffe gescheitert sind.
Wie bereits bemerkt, hatte sich der österreichische Ingenieor,
Herr Wez» gegen die Regalirung der Sälioa ausgesprochen, indem es
anmöglich sei, einen dem gesteigerten Schiffsverkehr entsprechenden
Hafen zu schaffen und die Stromcorrection selbst wegen des morastigen
Bodens schwer ausfahrbare Durchstiche und kostspielige Wasserbauten
erfordern wurde. Nach seiner Ansicht würde eine Reguliruog der
St. Oeorgs- Mündung den Forderungen einer freien Schifffahrt bei
weitem mehr entsprechen, indem dieser Arm auf seinem ganzen Laufe
vom Tschatal-St. Georg bis zu seiner Mündung bei einer durchschnitt-
lichen Tiefe von 24 — 40 Fufs engl, kein einziges Schifffahrtshindernifs
darbietet und durch Anlage zweier, weit in die See hinausragenden
Die DonftnmlttiaBgn vnd die RegoliiiiiigMrbeiten aa der StfUna. fö
fttfalleMiiilin ein» ▼oUkomiDeD pracdciMe Rinne in der vor der Glif-
drilUs (der nöedlielien K&ndmg) gelagerten Barre eidi hereteHen Kefbe.
Anberdem wfirden an dem St Greorga-Arm nur drei Durehed^e er-
forderildi eein, um demaeiben eine nahesn gerade a6dOetliehe Riehtong
wm geben, wodoreb bei den dort faerrBchenden Ott* und Nordoetwinden
for SegelacbüFe die FabrI atromanfirftrts wesendieh erleiehterC würde,
wibrend der Snlina, aelbst nach eventoeller Vollendiing der die Flafs-
Windungen absohneidenden Correctionsarbeiten, doch niemels ein ge-
rader, dieeelbe Riehtnng ▼erfolgender Lanf gegeben werden könnte.
Ldder bat eine Berfickaichtigvog dieses Projectes, wie schon bemeikt,
nicht stattgefonden ; man begnfigte sich einstweilen damit, im Jahre
1864 aof einer der unteren Olinka- Insel gegenüber liegenden Sand-
bank cdnen Lenchtthnrm (44* dl' 5" nördl. Br., 29* 26' 52" ösü. Lg.
Or.) an errichten.
In neoester Zeit ist aber ein neaes Project aa%etancht, welches
die gleichsam anbeachtet gelassene Wasserstrafse der Kilia wieder an
Ehren bringen soll. Herr Ernst Desjardin, Professor an der ieole
normale »upMeure an Paris und bekannt dorch seine trefflichen Lei-
stai^n aof dem Felde der Archäologie, ist nftmlich, nach einer ge-
aanen Untersaehnng des Kiliadelta, mit einem von der mm&nischen
Regiemng nnterstfitaten Plane hervorgetreten, aaüierhalb des von der
Kilia nnd dem St. Georgs -Arm eingeschlossenen Donandeltas, einen
12 Kilometer langen SchiffFahrtscanal von dem an der Bai von Djibriani
gelegenen Ort Kundock in südwestlicher Riehtnng anr Kilia antnlegen,
welcher oberhalb Yilkov in das dort tiefe und breite Becken der Kilia
munden und hier cum Schatz gegen die AUuvionen durch eine Schleuse
geschlosseu werden sollte ■). Dieses Project des Herrn Desjardin rief
eine Antwort der europäischen Donau -Commission hervor*), in welcher
aunächst einige irrthnmllche Angaben in Bezug auf die Tiefe der Suiina
nnd ihrer Mündung berichtigt werden, dann aber das System eines Late-
ral-Canals bekämpft wird. Selbst wenn man diesem System den Yorsog
vor dem der Eindfimmang einräumte,, was übrigens die Commission
weit entfernt sei sn thon, so mSfste ein solcher Versuch aus nautischen
Gründen und im Interesse des europäischen Handels am St Georgs-
Arm, nicht aber an der Kilia vorgenommen werden. (Wir erinnern
an den oben erwähnten Vorschlag der am 25. August 1858 eingesetzten
technischen Special -Commission.) Die Richtung und Gestalt der West-
küste des schwanken Meeres, besonders aber die Richtung des St
Georgs- Arms in Bezug auf die herrschende Windrichtung seien die
>) BidUU de la 8oe, de Geogr, Y* Ser. XIV. 1S67. p. 129.
s) Ebda. XV. 186S. p. 268.
W. K«««rs Di«
wiehtifilmi Momente» wtUAm bei jeden A^aet
DoüMi-lMBdvogeQ in eraler Stelle Sb Betraehl gtmogom tpevden müteMi.
Die gdMtigeii EUfeige, welehe dorcli dee Sjstem der Eiadianmiig d«r
8oliiMi*MdDdaiig iMefaer eriielt wfiren, wttrden fibiigene die ConiiMi
eiiMi verattlMSeB, dieeen Arbeiten« welehe biifaer nur ab prorieonseho
beaeiehiiet waren, einen pemanmiteD Charakter sa geben.
Anf diese karse Abfertigong Seitoie der Coaimianen liefe natSiiMi
Herr Denjardias eine aasfGhriiohere Eotgeganng folgen 'X *<^ weteher
allerdings herrcMnragehen scheiat, dab die tos der Gomniasion 9a-
rUuBten Erfolge fcLr die Schifflbhrt theilweise wenigateas noch ilki-
aoiiach seien. Derselbe fuhrt aar Bechtfertigiing seiner Angriffe «a,
dab die bei dem Donaaverkehr canfichst Betfaeiligten über denselben
Klage führten, daJb Viele den kostspieligeren Transport des Getreides
auf der Tschernawoda-Kastendje Eisenbahn der Sehififahrt auf der
Silina vorx^en, dab die See-Assecaranaen su gewissen Seiten für
die Fahrt dnrch die Saline nach Oalats eine Prfimie forderten, die ao
Höhe der von Marseille nach Sdlina fast gleichkomme etc. Die Ua-
anlfingliehkeit der Arbeiten der Commission, so verdieastlieh dieeelben
aach s^n mögen, geht aber aach aas einem Briefe des Fregatten-
Capit&ns de la Richerie henror, in welchem derselbe sagt, dab dfe
ArbeiteD der Commission nicht den Flnfs, sondern nor einen Hafeo
eröffnet hätten. Für ans aber möchte der UmsUnd von besonderan
Oewiebt sein, dab, wie aas obiger stetisUsehen Zosammenstelking dea
Schiffsverkehrs hervorgeht, zwar die Zahl der Schiffbrüche sich seit
dem Jahre 1861 durch die Regnliningsarbeiten betrfichtlich vermindert
hat, die Zahl der befrachteten Schiffe aber, welche die Snlina paasirtea,
eben keineswegs in Zanahme begriffen ist, dab mithin die Angaben»
dab der sichere Transport mittelst der Eisenbahn dem aweifelhaftea
über die Untiefen der Salina bedeutenden Abbrach zoföge, gerediC-
fertigt erscheinen dürften. Sollten dereinst von der österreichischen
Begierang die Hindemisse beseitigt werden, welche die Stromschnellen
awischen Baaiasch und dem eisernen Thor der freien Schifffahrt in
den Weg l^gen, so durfte die Frage über ein i&ngeres Fortbestehen des
Provisoriums bei der Sulina-Reguiirong ernster an ons herantreten,
und dann wohl das eine oder andere Prebet, welches jetet von der
Commission verworfen worden ist, cur richtigen Gkltung kommen.
1) Bfdht. de la 80c, de Qiogr, V« 8^. XV. IS6^. p. 271.
65
Nachwort zur Karte.
Die Grandlage der beifolgenden Karte ist die von Officieren der
britischen Marine unter Oberleitung des Capitains T. Spratt in den
Jahren 1856—57 aasgefahrte, sfimmtliebe grofsere Flursarme des Deltas
und den vereinigten Strom bis Oalatz anfnrärts umfassende Aufnahme,
veröffentlicht in einer grofsen vom hydrographischen Amt der Admi-
ralit&t herausgegebenen und bis 1865 berichtigten und vervollst&ndigten
Karte (Malsstab 1 : 160,000). Der Stromlanf mit seinen Inseln und
beiderseitigen Uferstreifen oberhalb Galatz ist nach der vom militfirisch-
geographischen Institute in Wien herausgegebenen, aus der Vermes-
sung durch den K. K. Oesterreichischen Generalstab hervorgegangenen
Karte der Walachei in 6 Bl. (Mafsstab 1 : 288,000) hinzugeffigt. Nur
soweit diese beiden Karten das betreffende Areal enthalten, sind in
unserer Reduction die Bergformen eingetragen und die Namen in ver-
stärkter Schrift eingeschrieben, um diesen durch wirkliche Aufnahme
gesicherten Theil gleich auf den ersten Anblick zu unterscheiden von
dem übrigen mehr skizzenhaft ausgefällten Areal in Bessarabien und
der Dobrudscha, für welches nur ein an Genauigkeit hinter den oben
genannten Arbeiten zurückstehendes Material zu Gebote stand, nfim-
lich die nach den Recognoscirungen der Jahre 1829 — 34 entwor-
fenen, erst 1863 yeröffentlichten Russischen Karten (Mafsstab 1:420,000)
mit den wesentlichen Berichtigungen und Vervollständigungen (nament-
lich auch durch die zahlreichen von uns reproducirten Höhen messnngen),
welche dieselben auf dem türkischen Gebiete im Süden der Donan
durch die 1864 ausgeführten Arbeiten des ausgezeichneten Geologen
Herrn Peters in Graz (Geologische Uebersichtskarte der Dobrudscha
in den Denkschriften der mathem. natnrw. Classe der K. K. Akademie
der Wissensch. zu Wien, 1867) erfahren haben. Aufserdem enthält
der von der Europäischen Donauschifffahrts-Commission in Begleitung
ihres schon oben angeführten Werkes herausgegebene Atlas (Leipzig,
Lithographie F. A, Brockhaus, 1867) neben sehr zahlreichen Profilen
des Sülina- Armes an neuem topographischen Material speciellere Auf-
nahmen der drei Hauptmündungen, in welchen durch Eintragung der
in den älteren Russischen Seeaufoahmen von 1830 verzeichneten
Küstenlinien (unter der allerdings schwerlich völlig zutreffenden An«
nähme ihrer absoluten Zuverlässigkeit), die durch AUnvion während
eines Vierteljahrhunderts enstandenen, namentlich an der Mündung
des mächtigsten nördlichen Flufsarmes stark hervortretenden Verän-
derungen der Küstenlinie bemerklich gemacht sind; dieses neu ange-
Z«itsolur. d. OMaUach. f. Brdk. Bd. IV. 5
gg H. Kiepert:
schwemmte Land ist danach in unserer redacirten Karte darch Pank-
tirang beseichnet worden '). Die einzige in jenem Atlas befindliche
Uebersichtskarte: Plan du DeUa du Danuhe drestS principaiemeni ^on
prh les levis (sie) faits par Mr. le Cap. Sprait en 1857 ei compleU
Sapr^ les levis (sie) faiis par les Ofßciers de la Marine Imperiale
Russe en 1830 ei 57» ainsi que par les arpenteurs de la Commissiam
saus la direcHon de leur Inginieur en chef Sir Charles Harilef (Mafi»-
9tab 1 : 300,000), ist, wie schon der Titel und ebenso der Angenschein
ergiebt, aus demselben Material, wie die nnsrige hervorgegangen;
wenigstens machen sich die im Titel zuletzt genannten Aufnahmen
der Feldmesser der Commission durch keine Differenz oder Yervoll-
st&ndigung gegenüber der Spratt'schen Karte bemerklich; es mufeten
denn damit die in letzterer nicht enthaltenen, in den Russischen Karten
zum Theil abweichend dargestellten, kleineren Zwischenarme und Seen
innerhalb des Flufsdeltas gemeint sein, welche wir zur Unterscheidung
von der zuverlfissigeren Grundlage der Zeichnung in leichteren oder
punktirten Linien in unserer Karte aufgenommen haben. Auch einige
Specialnamen von Wasserläufen (gleichfalls durch unverstfirkte Schrift
unterschieden) wurden derselben Quelle entlehnt, doch mit Berich-
tigung der zum Theil arg entstellten Schreibart. Denn es ist in
den That verwunderlich, dafs die Europäische Commission bei der Her-
stellang eines auch fiufserlich so glänzend ausgestatteten Werkes, es
nicht der Muhe werth befunden hat, den Stich der Karte in Beziehung
auf Correctheit der Namen durch einen des Russischen und Türkischen
kundigen Sachverständigen prüfen zu lassen, so dafs unter ihrer Auto-
rität nun eine Anzahl Stich- oder Schreibfehler und Ungenauigkeiten
figuriren, die sich leicht hätten vermeiden lassen, z. B. regelm&fsig
/ statt T in Ichamur li statt Tchamurli^ Ichoban statt Tchoban^ Ickir
boukli statt Tchiboukly, Icheniafha statt Tcherniavka^ sogar in einem
bekannten italienischen Worte Iramontana statt Tramontana^ Namen,
die in der Peter'schen Karte sämmtlich richtig geschrieben sind; iife-
drUles statt Khidr-illis (türkischer Name des St. Georg), Kalo-Ayeros
statt KaloyeroSy Beigar od statt Bielgorod^ Bmbouchure de Peschanoi
statt des russischen peschtschanoi girlo^ d. i. sandige Mündung u. dgL m.
^) Ein noch viel bedeutenderes Mafs der AUuvion nnd des dadurch bedingten
Yorrttckens der Küste zeigt unter den zahlreichen ähnlichen Deltabildnngen vor-
züglich der Po, über dessen Mündungsstelle wenigstens Air den einen südlichen
Hauptarm (Po di Gore) aus dem Verlauf von bereits zwei Jahrhunderten (1647
bis 1841) genaue Aufzeichnungen in den Venezianischen Archiren erhalten sind,
welche in einer zu Venedig 1842 ausgeführten und uns durch die Güte des Herrn
Prof. Th. Mommsen zugekommenen Zeichnung zusammengestellt erscheinen; von der-
selben geben wir auf Taf. II eine verkleinerte Copie zur lehrreichen Vergleichung
mit der Donanmündung, fUr die nns leider ältere genaue Aufzeichnungen fehlen.
Nachwort lor Karte. ß*J
Die auf deraelben Karte angegebenen, wohl auf neueren astrono»
mischen Beobachtungen berohenden Positionen der Fixpankte an den
Mfindnngen (phare de ßt Georges lai. 44* 51' 5", lg. 29« 36' 52",
pkare de SauHna 45» 9' 6", 29« 40' 37", eorps de Garde d'Otchahoff
45* 25' 55", 29* 40' 15") weichen dagegen so ooerheblich von den-
jenigen ab, welche der Spratt'schen Karte zu Grunde liegen, dafs wir
deshalb an der Orientirung der letzteren für die Reduction nichts zu
ändern nöthig erachtet haben. H. Kiepert.
Miscellen.
Grenz-Berichtigung zwischen den australischen Colonien
Süd-Australien, Victoria, Neu-Süd- Wales und Queensland.
Seit Jahren ist die Lage der Grenze zwischen Süd-Aostralien einerseits nnd
Qaeensland nnd insbesondere Nen-Süd- Wales andererseits eine Streitfrage gewe-
sen. £8 war bei Pachtcontracten dort gelegener Weiden nnmöglich, mit Bestimmt-
heit snzageben, wo eigentlich die eine Colonie aufhöre nnd die andere anfange,
und 80 blieb es natürlich anch zweifelhaft, welche Regierung denn das Recht
habe, die jährliche Rente des streitigen Territorioms einzuziehen, Es hatte dies
sn mancheftei Correspondenzen Veranlassung gegeben, die oft nicht die ange-
nehmsten waren, um so mehr, als es sich im Grunde doch immer nur um kleine
Summen handeln konnte. Es beschlossen daher die betheiligten Regierungen, diese
Streitigkeiten ein flir allemal zu ordnen and beizulegen, indem eine sehr com-
petente Commission ernannt wurde, bestehend aus Mr. Charles Todd, Mr. Ellery
und Mr. G. R. Smallej, den drei Directoren der Obserratorien in Adelaide, Mel-
bourne und Sydney. Dem Mr. Gh. Todd, einem ausgezeichneten Astronomen,
wurde die Leitung übertragen.
Es handelte sich darum, die Grenzlinie zwischen Süd-Australien und Victoria,
welche der 141. Meridian O. L. Gr. bilden soll, weiter nach Norden hinaufzufüh-
ren, um so die westliche Grenze ron Neu-Süd-Wales und Queensland zu reguli-
ren. Aber da fragte es sich wieder, ob der Punkt am südlichen Ufer des Mur-
raj River, wo diese Linie endet, wirklich in dem genannten Meridian liege, um
davon mit Sicherheit ausgehen zu können.
Die bisher zwischen Süd-Australien und Victoria gegoltene Grenze gründet
sich auf astronomische Beobachtungen, welche im Jahre 1839 angestellt wurden.
Da sich jedoch später herausstellte, dafs der Längengrad von Sydney damals un-
richtig angegeben war, so lag die Vermuthung sehr nahe, dafs auch obige Grenze
nicht den 141. Meridian repräsentire.
Mr. Charles Todd proponirte nur, den Grenzpunkt durch den eloctrischen
Telegraphen zwischen Adelaide und Sydney zu bestimmen, und er selbst wollte
gg MifloetteDt
•iob Bach einem nordliehen Orte der jetrigen Grenie begeben, am Zeitaignele mit
den Obeermtorien in Melboame und Sydney su wecb«etai.
Aber savor w«r natfirlich sn ennitteln, welchee denn eigentlich der richtige
Meridian von Sydney und Melboame aei, and Mr. Todd empfahl, dafs eine toI-
taische Längengradbeatimmang zwischen den Adelaide-, Melboame- and Sydney-
Stemwarten angestellt werden sollte. Es ergab sich dabei, dafs die Lage der
Grenzlinie um ein Längenstäck von i Miles differirte, je nachdem man der Cal-
colatlon die prSsnmirte L&nge von Melboame oder die von Sydney zu Grande
legte ^). Um diese Schwierigkeit za beseitigen, kam man überein, den Meridian
von Sydney aaf die Melboame- and Sydney -Beobachtnngen zn basiren, daraas ein
Mittel za ziehen and dann den Unterschied zwischen den Beobachtungen beider
Observatorien zu theilen.
Wahrend Mr. Todd in Sydney war, wurde von den drei Astronomen eine
sehr sorgfältige voltaische Bestimmung des Unterschiedes in der Länge zwischen
Melboame und Sydney angestellt, indem man den Durchgang derselben Sterne
durch die beiden Meridiane beobachtete und die Zeit vom Chronographen notiren
licfs'). Das Resultat ergab 24' 55|" als Differenz zwischen beiden Orten.
Nach seiner Rückkehr von Sydney nach Adelaide begab sich Mr. Todd in
Begleitung von Mr. Cooper, dem stellvertretenden Surveyor-General seiner Colo-
nie, nach dem Mnrray River. Sie fahrten ein 54 zölliges Transitinstrament und
mehrere Chronometer mit sich. Das erstere stellten sie am nördlichen Ufer des
Flusses, eine kurze Entfemung westlich von der alten Grenzlinie zwischen Süd-
Australien und Victoria auf. Es wurde dann der Durchgang von vorher bestimm-
ten Sternen durch die Meridiane von Sydney und der Grenze in zwei aufeinander
folgenden Nächten beobachtet und von dem Chronographen in Sydney verzeich-
neL Zu dem Ende war ein Draht von der Telegraphenlinie an das .4^lgende des
Telcscopen geführt, so dafs in dem Augenblicke, wo der Stern die Drähte des
Transitinstrumentes passirte, der Contact durch den Telegraphen nach Sydney
transmittirt und vom dortigen Chronographen notirt werden konnte. In zwei an-
deren Nächten wurden in gleicher Weise Steme über den Meridianen von Mel-
bourne und der Grenze beobachtet, und die Zeit des Durchganges ebenfalls vom
Chronometer des Melbourne -Observatoriums vermerkt. So wurde der Unter-
schied in der Zeit fes^^tellt, und die Differenz der Länge zwischen dem
Transitinstramente and Sydney ergab 40' 59.778", während die Länge für den
Ort des Instmmentes selbst 9 h. ^ Min. 49.31 See. auswies. Die Genauigkeit,
') Bis zum Jahre 1860 war der angegebene Meridian von Sydney um 8 Miles
«der 12 See. unrichtig, und dieser Irrthum, welcher von wesentlichen Ungenauig-
keiten in den Lunartafeln und der dem Monde angewiesenen Stellung resoltirto,
findet sich noch bis auf den heutigen Tag in den Ausgaben des NauHcal Almanac.
Der correcte L&ngengrad von Sydney und Melbourne ist seitdem durch zweijährige
Beobachtungen auf den Observatorien beider Plätze, verglichen mit den in denselben
Trachten in Greenwich angestellten, gewonnen worden. Diese Bestimmung ist also
4ei von den Irrthümem in den Lunartafeln.
') Der Chronograph, einem gewöhnlichen Telegraphen sehr ähnlich, ist ein In-
strument, auf dessen Papierstreifen, wie dieser langsam fortschreitet, die Transituhr
des Observatoriums jede Zeitsecunde registrirt.
Grensberichtigung der aiutmlifeh«ii Colonien. — Die Hindus. 69
wH welcher dieee BestiiiiBiiiiig gesiaeht wurde, kaon daraus ersehen werdsn, daie
der Unterschied in der Zeit swischen dem Transitinstniinente an der Grenxe und
dem lfeIboiime*Obseryatoriam bei der Beobaehtang in der ersten Nacht (13. liai)
16 Min. 3.780 See. nnd in der sweiten (14. Mai) 16 Min. 3.758 See. betmg, also
nur eine unbedentende Differens von 0.22 See.
Ans den Beobachtungen, die zwischen den Melbourne- nnd Sydney-Obsem^
torien, welche beide, wie bereits erw&hnt, ein Chronometer besitzen» angestellt
wurden, ergab sich, dafs die Schnelligkeit des electrischen Stromes 15,430 Miles
die Seeunde betmg.
Nachdem Mr. Todd dann den Breitengrad seines Standes an der Chrenie ge*
nau ermittelt, auch noch eine lange Reihe magnetischer Forschungen besfigiieh
der Declination und Inclination angestellt hatte, wurde die L&nge der Entfernung
▼om Transitinstrumente bis nach der wirklichen Grenze (141 * O. L. Gr.) genau
gemessen nnd letztere angemerkt, die Meridianlinie selbst einige Miles die (Frenze
hinauf Tcrfolgt and diese Strecke ebenfalls sorgfältig bezeichnet. Man iknd, dafs
das Transitinstroment 2 Miles 44 Mains 68 links westlich von der wahren Grenze
stand, und es mfifste daher ein solcher Strich Landes Ton der Colonie Neu-S&d-
Wales und Queensland an die Colonie Süd-Australien abgetreten werden. Die
Karten von Australien werden danach zu berichtigen sein.
Wie Tcrlautet, wird in Folge der rectificirten Grenzen das St&dtchen Apsley
und der Glenelg RiTer, bisher zu Victoria gehörig, an Sud -Australien fallen.
— ff.—
Die Hindus.
(M*Culloch, DtcHonaty geogr,, statisL and hut. New Edition hy F. Martin,
London 1866. Yol. IL p. 548.)
Die Hindns bilden sechs Siebentel der Bevölkerung von Hindnstan ; aber der
fibrige Theil der Bewohner, obwohl vielfach ursprünglich abweichend, ist durch
Vermisch ang ihnen dermafsen assimilirt nnd hat so die indischen Sitten nnd Ge»
briinche angenommen, dafs die gesammte Bevölkemng aus einem nnd demselben
Gesichtspunkte betrachtet werden kann. Was die lUsse angeht, so sind die Hin-
dus als znr sogenannten Kaukasischen gehörig betrachtet worden und sogar zu
derselben Familie dieser Rasse, wie die Weifsen Europas. Das ist aber eine
unrichtige Vorstellung, für welche kaum ein Schatten von Begründung vorhanden
ist. Die einzigen drei Punkte, in welchen sich eine Aehnlichkeit zwischen Euro-
päern und Hindns entdecken ISfst, sind die ovale Form des Gesichtes, die Ge-
stalt des Kopfes und Spnren von einer gewissen Gemeinsamkeit der Sprache.
In jeder anderon Rucksicht sind die Gegensätze unvergleichlich mehr durchgrei-
fend, als diese Aehnlichkeit. Der Enrop&er ist weifs, der Hindu dnnkelgefXrbt.
Der Europaer, und er allein unter allen Rassen in solcher Weise ansgezeichnet,
zeigt eine unendliche Mannigfaltigkeit der Farbe des Haares vom Flachsfarbenen
bis zum Schwarz, und eine grofse Verschiedenheit in der Farbe der Iris, Tom
Hellblau oder Grau bis zum Dunkelbraun; beim Hindu dagegen ist die Farbe
des Haares stets schwarz und die Farbe des Auges stet« dunkelbraun. Der Euro-
paei ist gröfser als der Hindu, kräftiger und mehr ausdauernd. Selbst in den
70 Blucenen:
ersten Stedien der CivUiMtion hAt der Europfter eine Festigkeit, AnsdAuer nnd
einen Unternehmungsgeist geteigt, welcher anffellend mit dem schwachen, lang^
semen nnd unentschlossenen Charakter des Hindu contrastirt In der Ansf&h-
mng von gewöhnlichen Arbeiten solcher Art, dafs sie fuglich eine Verg^eichung
Bulassen, ist die Arbeit Eines Engländers gleich der von drd gewöhnlichen In-
diem. Drei indische Seeleute werden kaum die Arbeit Eines englischen IIa-
trosen thun, und drei Bataillons Sipahis wfirden nicht ein einsiges Bataillon Toa
Europäern ersetsen. Wahrscheinlich würde sich dieselbe Inferiorität bei einer
Veiigleichung mit einer römischen Legion oder einer griechischen Phalanx erge-
ben. Wenn man gar die Geschicklichkeit in Anschlag bringt, welche su iigend
einer besonderen Beschäftigung erforderlich ist, so sieht man den Europäer be-
fähigt, sich mit verbesserten Instrumenten eu helfen, während der Hindu dies
weder kann, noch will, und dann scheint die Verschiedenheit noch gröfser.
Bttcksichtlich der physischen Kraft und der ausdauernden Arbeit steht ohne EVage
der Hindu nicht nur dem Europäer nach, sondern auch dem Araber und Perser
und namentlich dem Chinesen.
In einer physischen Eigenschaft zeigt sich twischen Hindu und Europäer
eine auffallende Verschiedenheit. • Der Europäer wird mit einer unbeugsamen
und vergleichsweise starren Muskelfaser geboren, der Hindu aber mit einer bieg-
sameren und weicheren, als selbst eine Europäerin hat. Der Unterschied ist
indefs mehr ein Ergebnifs des Klimas; denn diese dem Hindu zugesprochene
Eigenschaft ist den Eingeborenen aller warmen Klimate gemein, und sie zeichnet
selbst Creolen schon in der ersten Generation aus. Diese Biegsamkeit in der
Muskelfaser soll nach «inigen Beobachtern von einer grofser Sensibilität und
Schärfe der Sinnesorgane begleitet sein, so dafs damit dem Hindu in einigen der
feinsten EEandgeschickiichkeiten ein merkwürdiges Uebergewicht zufiele. Aber
diese Hypothese ist eben so unhaltbar, wie etwa die Behauptung, dafs eine Fiun
durch ihre zarten und biegsameren Finger in Geschick flir Arbeit den Sieg über
den Mann davontragen müfste. In den feineren mechanischen Künsten verschafft
die Gewohnheit bald der harten Hand eines europäischen Arbeiters eine Feinheit
des Gesichts und ein Geschick in der Ausführung, die ein Hindu nie erreicht;
im Allgemeinen aber besitzt der Hindu mehr Beweglichkeit als der Europäer,
und seine Schnelligkeit wird durch die Leichtigkeit seines Körpers unterstütst.
Die Hindu's sind, bis zu einem merkwürdigen Grade, die besten Läufer, Ringer
nnd Elletterer in ganz Asien. Darin können Araber, Perser und Chinesen nicht
mit ihnen verglichen werden. Daraus folgt, dafs sie als gemeine Matrosen weit
geschickter und auch nützlicher sind, als irgendwelche aus einer anderen Nation ;
indefs ein gewisser Mangel an Festigkeit und Geistesgegenwart macht, dafs sie
sich ebensowenig zu Offizieren eignen, als zu Steuermännern, nnd in letzterer
Beziehung sind z. B. die Eingeborenen aus den Philippinen ihnen so vorzuziehen,
dafs dieselben, wo sie irgend zu haben sind, stets mit Ausschliefsung aller Hin-
du's verwendet werden. Einen Hindu kann man nicht für eine längere Zeitdauer
zu irgend einer körperlichen Anstrengung treiben, ohne dafs Mifslingen oder Er-
schöpfung die Folge wäre. Selbst in ihrem eigenen Lande und Klimate sind die
Sipahis von den europäischen Truppen geschlagen worden und selbst nach lang
auf einander folgenden forcirten Märschen.
Die Hindus. 7J
Obwohl die gemeinaemen Orandzfige der physischen und iBtdlectaellen Eigen-
tii&iiilichkeit unter den Hinda's im Allgemeinen deuüieh hervortreten, so bestehen
doch viele Varietäten, ja vielleicht mehr als nnter den Völkern Enropa's. Dieses
Abweichen hat man der Verschiedenheit der geographischen Breite nnd dem
Klima, sowie der Nahrang zugeschrieben, nnd man hat namentlich behanptet,
dafs die Bewohner des SüdeDS, deren Hauptnahrung in Beifs besteht, kleiner
und schiriicher als die des Nordens seien, deren hauptsädiliches Brodkom Wei-
sen nnd Hirse ist. Die Erfahrung zeigt aber, dafs diese Meinung unbegründet
ist. Die kleinste und schwächste Familie der Hindn's sind die Eingeborenen von
Bengalen, das zwischen 21 und 26* nÖrdl. Br. liegt; die ein Dutzend Grad süd-
licher leben nnd dieselbe pflanzliche Nahrung zu sich nehmeU) sind gröfser, stär-
ker, energischer und kühner. Die Bewohner des Tafellandes, deren pflanzliche
Nahrung weder Reifs, noch Weizen ist, stehen ebenso keineswegs über den Be-
wohnern von Kamatik oder der niedrigen, feuchten Malabar- Küste. Die grofsten
und kräftigsten, aber nicht die rührigsten und schnellsten^ sind die Bewohner des
oberen Gangesthaies, wo wenige derselben, die sich in besseren Umständen be-
finden, nur Ton Weizen leben; die Minorität des Volkes nährt sich von Gerste
oder Hirse.
Die Quantität und nicht die Qualität der pflanzlichen Nahrung ist es, was
in Indien ron gröfserem Einflüsse ist; und man darf sagen, dafs in Hindostan
im Aligemeinen in der physischen Entwickelnng ein gröfserer unterschied zwi-
schen den wohlhabenderen Klassen und den Armen besteht, als in irgend einem
anderen Lande. Die Hindu's der höheren und bevorzagten Klassen sind fast
durchweg gröfser, stämmiger und hübscher, als die armen und niederen Klassen.
Selbst der unachtsamste Beobachter mnfs bemerken, dafs die militärische, mer-
kantile und namentlich die priesterliche Kaste über der gemeinen arbeitenden
Bevölkerung steht. Die Sipahis der bengalischen Armee, welche ans der zahl-
reichen Landbevölkerung der nördlichen und centralen Provinzen genommen sind,
erscheinen, obwohl in Bezog auf Stärke und Energie sehr untergeordnet, in
Wuchs und KÖrperbildnng dem Gros der europäischen'^Truppen gleich, wenn sie
dieselben nicht gar übertreff'en; und selbst in den Strafsen Galcutta's wird der
Fremde unfehlbar überrascht durch das verschiedene Aussehen des wohlgenährten
Kaufmannes oder Brakers und des jämmerlichen, halb verhungerten Arbeiters oder
Handwerkers. Die Bergbewohner und im Allgemeinen alle halbwilden Stämme
sind klein, ausgemergelt, krank aussehend, namentlich die, welche sich von der
Jagd nähren oder vom Sammeln der Waldprodncte , des Honigs, Wachses und
der Drognen. Wo wenig Sklaven vorhanden sind , also in allen volkreichen
Theilen des Landes, da macht das körperliche Aussehen derselben etwa den-
selben Eindruck, wie das jedes anderen Bauern und sie sind von diesen nicht
zu unterscheiden; wo sie dagegen zahlreich vorhanden sind, und sich ganze
Stämme in knechtischem Znstande befinden, da kann man sie leicht durch ihre
Häfslichkeit, kleine Gestalt nnd schwache Constitution von den Uebrigen unter-
scheiden. Man kann somit als eine allgemeine Regel gelten lassen: das Klima
und die aUgeraeine Ernährungsweise sei welche sie wolle, — wo das Arbeitslohn
niedrig ist und das Volk demgemäfs genöthigt ist, von der schiechtesten Nahrung
an leben oder von der möglichst kleinsten Menge besserer Nahrung, die eben
1
72 lfiMeU«Bs
dM Leben erbalten kann, d« ist die groÜM Menge der Berölkening in der höeb-
9tm körperliehen oad geistigen Degnulatian.
Es ist eine ellgemeine, aber irrige Aneicht, dalli die Hindoe fast nnr ▼<»
Pflanaenkoct leben; das würde der phytiachen Natnr dee Menschen widerrtreiteB,
der eben ein AUes-EMer ist* Die in der Diät strengsten Hindns geniefsen viel
Milch und Bntter; Fische werden in der Nähe der SeekOsten nnd der £ln£m£Br
fiberall in Menge gegessen; nnd kein Indier hiUt diese Emähmngsweise f&r r^r^
werfUch, anfser den Bewohnern des Inneren, welche sich diese nicht TersduUSMi
können. Selbst Fleisch wird von den meisten Hindos, obwohl sie in der Aus-
wahl heikd sind, gelegentlich gegessen, nnd sie enthalten sich desselben mehr
wegen Mangels an Mitteln, als wegen ihrer religiösen Bedenken. Wo die Nodi-
wendigkeit zwingt, gestattet selbst die Religion jede Art von Nahning, nnd in
einer Hnngersnoth wird selbst ein Brahmine Handefleisch essen.
In Betreff der intellectnellen nnd mondiscfaen Eigenschaften der Hindna wer-
den wenige Worte genfigen. Die besser erzogenen Klassen, und nnr aas dem
Charakter dieser kann man einen einigennafsen gültigen Schlnis ziehen, kann
man ohne Bedenken ein böses, schlaues nnd scharfsinniges Volk nennen. Der
henrorragende Charakter derselben ist vielleicht eher List, als Kraft. Obwohl
sie gute Nachahmer sind, haben sie doch seither noch keine originelle Erfindung^
gemacht Sie haben wenig Einbildungskraft» denn die ärmlichen nnd nbertrie-
benen Träumereien ihrer Theologie und Literatur verdienen diesen Namen nicht.
Bficksichtlich des gesunden Menschenverstandes stehen sie offenbar unter den
Chinesen; rücksichtlich der Kraft und Männlichkeit der Seele unter den Aiabem»
Persern nnd den tatarischen Mohammedanern, durch deren Heere sie fiber&Uea
nnd besiegt worden sind. Mit den europäischen Yölkem sind sie gar nicht sa
vergleichen, weil der Abstand zu grofs ist, um irgend eine Parallele zuzulassen.
Die Gebiete der Industrie, in denen ihre intellectuellen Fähigkeiten am vorthml-
haftesten erscheinen, und für die sie am geeignetsten sein mögen, sind die Ver-
waltung der Justiz und der Finanzen, sowie solche Handelszweige, zu denen nicht
umfassende Kenntnisse und kühner Unternehmungsgeist erforderlich sind.
Der moralische Charakter der Hindus ist ein Ergebnifs von vielleicht Tan-
senden von Jahren der Anarchie and Unterdrückung. In einem solchen Zustande
erstirbt jede Spur von Biederkeit, Bechtschaffenheit oder Freimüthigkeit, nnd
daher kann man diese Eigenschaften unter den Hindus kaum nachweisen. Banb-
sucht, Gewaltthätigkeit, Betrug und Ungerechtigkeit charakterisiren den eingebo-
renen Herrscher; und das Volk ist reichlich versehen mit den üblichen Waffen
der Vertheidigung, nämlich mit Falschheit, Kunstgriffen, Rechtsverdrehnng und
List. In der That kann man behaupten, dafs auf Generationen Rechtschaffenh^t
in Indien nicht zu finden gewesen ist nnd Heuchelei hoch im Preise gestanden
hat Ehrlichkeit und Biederkeit sind Tugendeo, deren Ausübung sich nicht mit
der persönlichen Freiheit, mit Leben und Eigenthum vertrug; bei einem solchen
Zustande der Dinge würde ein Pinsel von ehrlichem Manne unvermeidlich die
Beute eines Heeres von Schurken geworden und würde ausgelacht nnd verachtet
worden sein. Im Allgemeinen kann man sagen, dafs die Hindus selten die volle
Wahrheit ohne Hinterhalt sagen. Richterliche Ungerechtigkeit ist in Indien viel-
leicht in ausgedehnterer Weise üblich, als in irgend einem Lande der Welt Man
Die romiiche Station bei Plewna in Balgarien. 73
bat die brititelien GeriehtihQfe getadelt, weil sie das Verbrechen ermnliiigten, nnd
viftBaieiit ist dem so in gewisser Aasdehnnng; aber im Gänsen kann man sie
nur einfach als eine Streitbahn für die Aufdeckung dieses Lasters in grofsartigem
Mftftstabe ansehen. Fialschheit nnd Zweideutigkeit sind unzertrennlich tou ^nem
soeialen Zustande, wie der Indiens ist, und sie haben die Sitten der Hindus ge-
kemneiehnet ron dem Augenblicke an, wo die Europaer zuerst authentische Nach-
richten über sie erhielten. Die Schilderung, welche Bemier, einer der suver-
Hasigsten Beisenden, tou den Hindus unter Aurenzib giebt, passen vollstindig
nodi anf die gegeniHbrtigen Zeiten. Sir Will. Jones, welcher oft ihr entschie-
dener Lobredner ist, sprach seine Ueberzeugung dahin aus, dafs eidliche Aus-
tagen fiber jede denkbare Thatsache in den Strarsen und Märkten Calcutta's eben
so leicht zu haben seien, wie jeder andere Handels -Artikel; und in Betreif der
Eäde fiigt er hinzu, dafs, wenn man selbst die allerbindendste Form f&r die Ge-
wissen der Menschen finden könnte, doch wenige Hindu -Gewissen durch dieselbe
gebunden werden würden.
Zu den besseren Eigenschaften der Hindus kann man'Mäfsigkeit, Geduld,
Gelehrigkeit und selbst Fleifs ziUilen. Aber die erstere dieser Tugenden nähert
sich in vielen Fällen zu sehr dem Geize. Dies ist eine Eigenschaft des Hindu-
Charakters, welche nicht leicht zu erklären ist Die gewöhnliche Wirkung einer
schlechten Begierung, welche das Eigenthum unsicher macht, ist die, dafs sie
das Volk yerschwenderisch macht und wenn auch nicht gleichgültig gegen Be-
sitz, doch unter allen Umstiinden sorglos in Betreff der Ansammlung. Unzwei-
felhaft ist das Resultat bei den Hindus das entgegengesetzte gewesen. Ein den-
kender Schriftsteller, der dies zu erklären versucht, sagt: Die Sklarerei hat die
natüiliche Feinheit aller Geister in Asien geschärft. „In Folge der Schwierig-
keit, zu erhalten, und der grofseren Schwierigkeit, zu bewahren, sind die Hindus
nnermfidlich im Geschäft und Meister in der ausgesuchtesten Verstellung in allen
Dingen ?on Bedeutung.* Dies giebt das Factum sehr genau an, läfst aber die
Ursache ▼öllig unerklärt; denn es steht fest, dafs die Sklaverei nicht dieselbe
Wirkung anf die Araber, Türken, Ferser, Chinesen, oder auf die Mohammedaner
in Indien hervorgebncht hat. — Auch die Gelehrigkeit der Hindus ist der Passi-
vität sehr nahe verwandt; fast eben so leicht sind sie dahin zu bringen, sich der
Unterdrückung und Raubsucht zu unterwerfen, als eine Verbesserung ihrer Lage
SU versuchen. v. Kl.
Die römische Station bei Plewna in Bulgarien.
Herr G. Lejean hat in der Nähe der Bulgarischen Stadt Plewna die Ruinen
einer römischen Station aufgefunden» in welcher er nach einer Vergleichung mit
der Pentinger'schen Tafel die dort unter dem Namen „Dorionibus" aufgeführte
Befestigung zu erkennen glaubt (Reime arch^log, XVIIL 1868. S. 81). Bei sei-
nem Aufenthalte in Plewna hörte er nämlich von den Ruinen einer in nicht
weiter Entfernung nach Süden im Thal des Baches Kigalyk gelegenen genue-
sischen Befestigung, ein Name, mit welchem die Türken so häufig Beste des
75 MiflceUen:
Alterthninfl zu besdchnen pflegen. Bei niherer Untennchiiog fand der Reitende
«af der Spitse eines in das Thal des Eigalyk steil abfallenden Hügels die genau
rechtwinklig angelegten Snbstmctionen einer Akropole» deren westliche Seite,
als die allein vom Plateau ans angreifbare, anfserdem noch Fon einem Wall-
graben geschützt war. Eine der Buigmaner sich anschlieisende, am Bande des Hü-
gels hinlaufende Bingmauer diente zum Schutz der Stadt, und nur am steileii
südlichen Abfall scheint diese Mauer zu fehlen. Zahlreiche Substnictionen klei-
nerer Gebäude, sowie Beste Ton Ziegeln bedecken den inneren, etwa 1^ Hectaren
grolsen Banm der Stadt. Das Fehlen von Cistemen und Wasserleitungen erklärt
Lejean daher, dafs in Friedenszeiten der um den Fufs des Hügels sich windende
Bach, sowie eine an der gegenüberliegenden Thalwand ans einem unterirdisebeD
Felsresenroir hervorspmdelnde Quelle — heutzutage noch der Wallfahrtsort der
Bewohner von Plewna an Feiertagen — die Besatzung hinreichend mit Wasaer
versorgen konnten. In Kriegszeiten freilich hätte der Ort eine längere Belagenmg
nicht aushalten können, doch genügte er jedenfalls in Verbindung mit anderen
festen Plätzen als Bollwerk gegen die Einfalle der Barbaren. Da inschriftliche
Denkmäler sich bis jetzt nicht vorgefunden haben, so versuchte I^ejean den Nar
men des Platzes aus der Tabula Peutingeriana zu ermitteln. Die Endpunkte des
Strafsenzuges zwischen Nicopolis und Oescus Colonia scheinen ziemlich fest-
zustehen: ersteres ist das heutige Niküp (Nikopi) in der Nähe von Tmowa, wo
sich noch grofse Ruinenfelder befinden, letzteres das heutige Ghighi am Isker.
Von Niküp fuhrt eine von den Türken als Bömerstralse bezeichnete Karawanen-
strafse in gerader Linie auf das bulgarische Dorf Studena und von da in west-
licher Richtung am Fufs des Berges Utscha vorbei nach Plewna und zu der von Le-
jean gefundenen Römerstation im Thale des Kajalyk. Die Entfernung dieser Ruinen
von Niküp stimmt nun genau mit der Distanzen -Angabe auf der Peutinger'schen
Tafel überein, nämlich: Nicopolistro L, Melta X — Dorionibus — so dafs es ziem-
lich sicher erscheint, dafs unsere Bergfeste die von den Römern angelegte Sta-
tion «Doriones^ ist. Von »Dorionibus* würde sich dann der Strafsenzug in NNO.-
Richtung nach Oescus ziehen. Für diese Strecke bringt die Peutinger'sche Tafel
folgende Entfernungen: Oesco — Ad Putea YU — Storgosia — Dorionibus XI.
Nach Lejean stimmt auch diese Distance von Plewna bis Ghigi mit den alten
Angaben über die Entfernung zwischen Doriones und Oescus vollkommen überein.
In den in nicht weiter Entfernung von dem Dorfe Ghighi gelegenen Brunnen
würde die Station „Ad Putea" zu erkennen sein, während freilich die Lage von
Storgosia für jetzt noch nicht bestimmt angegeben werden kann, doch hoffi
Lejean seine Untersuchungen über diesen Ort in diesem Jahre wiederholen zu
können. — r.
Die Eisenbahnen in der Colonie Neu -Süd -Wales.
Die zu Ende des Jahres 1868 in Neu Süd -Wales fertigen Eisenbahnen
hatten eine Länge von 250 Miles erreicht, waren also fast genau so lang, wie
die der benachbarten Colonie Victoria. Die einzelnen Bahnen sind folgende:
1) Die Great Southern, welche von Sydney über Paramatta bis Mamlan, in
Die EisenbalmeB in der Colonie Nea-S&d-Walee.
74
der Länge yon 115 Miles, dem Sffentlidien Verkehr übergeben ist and in 5 Sinn-
den 35 Blinvten befahren wird. Diese Bahn soll einstweilen nnr bis Gonlboom,
der ProTinzialhanptstadt des Districtes Argyle, fortgeführt werden, und die noch
fehlende Strecke bis dahin (17 Miles), sn Anfang des nächsten Jahres fertig sein.
Die Fortsetzung der Great Southern bis an die Grenze der Colonie Victoria ist
nur noch eine Frage der nächsten Zeit. Meetings sind in letzter Zeit mehrfach
in Deniliquin und Moama am Murray R. abgehalten worden und haben dieselben
das dort gewählte Pariamen tsmiliglied instruirt, seinen ganzen Einflnfs -in diesem
Sinne zu verwenden. Wird die Great Sonthern bis Moama fortgesetzt, so ist
damit eine Tollständige Verbindung zwischen Sydney und Melbourne erreicht, da
bekanntlich die Bahn tou Melbourne bis Echuca am Murray, Moama gegenüber,
schon seit 1865 fertig ist Freilich liefse sich diese Verbindung auch dadurch
gewinnen, dafs man von Goulboum aus auf Albury baute, da die Regierung von
Victoria jetzt eine neue Eisenbahn von Melbourne nach Belvoir am Murray, Al-
bnry gegenüber, anlegen läfst. Jedenfalls wird es über den eventuellen Anschlufs
noch sehr lebhafte Debatte in Neu Süd-Wales setzen.
2) Die Great Western, welche bestimmt ist, Sydney, vi& Paramatta und Blue
Mountains, mit Bathurst zu verbinden, aber erst bis zum Mount Victoria in der
Lange von 76 Miles, welche in 5 Stunden zurückgelegt werden, fertig ist '). Die
noch fehlende Strecke ist bis Kelso, 2 Miles von Bathurst, an verschiedene Bau-
herrn in Contract gegeben, und herrscht daselbst die gröfste Thätigkeit.
3) Die Richmond Bahn, welche von Sydney via Paramatta nach Richmond
fuhrt. Sie ist 37 Miles lang und wird in 2 Standen 25 Minuten befahren.
4) Die Great Northern geht von Newcastle an der Mündung des Hnnter R.,
berühmt durch seine Kohlenbei^gwerke , ab und ist bis Singleton, 56 Miles ent-
fernt und in 2« Stunden erreichbar, dem Verkehr übergeben. Die Strecke von
da bis Muswellbrook mufs, dem Contracte gemäfs, Ende December 1868 fertig
sein, und nach dem Stande der Arbeiten dürfte auch keine Verzögerung zu er-
warten sein. Von Muswellbrook ab ist eine weitere Strecke bis Murrurundi auch
schon contractlich verdungen, die Arbeiten daselbst sind jedoch noch wenig vor-
geschritten und werden namentlich dadurch zurückgehalten, dafs in dortiger
Gegend kein passendes Material für die Anfertigung von Mauersteinen aufzufin-
den bt.
Zur bessern Uebersicht des Ganzen möge die folgende Tabelle, welche die
einzelnen Stationen und deren Entfernung einschliefst, dienen.
Paramatta-Bahn.
Stationen.
Entfer-
naDg
in
Miles.
Stationen.
Entfer-
nung
in
Miles.
Sydney
Newtown
Petersham
Ashfield
2
3
5
7
Burwood
Homebusch
Haslem Creek ....
Paramatta Junction . .
7
8
11
13
^) Man vergleiche meine Mittheilungen in dieser Zeitschrift. Bd. 8. p. 477.
76
Kleinore geognphiicbe Mitth«iliuigea.
Fairfield
Liverpool
Campbelltown .
Menangle . •
Picton . . •
L Gnat Southern.
Stationen.
Mittagong . .
Bowral • . .
Sntton Forest .
Mamlan . . .
Entfer-
m
MiUs.
77
80
86
115
Paramatta
Blacktown
Booty Hill
2. Great Wettern.
14
21
25
Soath Creek
Penrith . . .
Moant Victoria
29
34
76
Blacktown
Biverstone
Mnlgraye
3. Riebmond Line.
21
28
32
Windsor .
Richmond
34
37
4. Great Horthem.
Newcastle . . .
Honeysuckle Point
Waratah ....
Hexbam . . . •
East Maitland . .
West Maitland .
Wollombi Road
Lochinvar . .
Branzton . •
Singleton . .
56
— flF. —
Kleinere geographisclie Mittheilongen.
Gerhard Rohlfs meldet vom 13. December 1868 seine gluckliche Ankunft
in Tripoli, wohin er sich über Philippeviile , Bona and Tunis begeben hat. In
Bona hatte er die Bekanntschaft des früheren französischen Gonvemears, General
Faidherbes, in Tunis die des dnrch seine Reisen in Arabien nnd Nordafrika be-
kannten Baron y. Maltzahn gemacht Rohlfs Aufnahme in Tripoli war eine sehr
ehrenvolle; sämmtliche Consulate hatten in Anerkennung seiner Verdienste um
die Geographie Afrika's ihre Flaggen aufgezogen. Ende December gedenkt der
Beisende in Begleitung des aus Berlin mitgenommenen Photographen zunächst
nach Benffbasi und von- dort nach der Cjrenaica zu gehen. Fraulein Alexine
Kleinere geogrephisehe Ifittheilimgen. 77
TSme hilt eieh, wie Bohlfs uns ndtiheilt, gegenwirtig in Tripoli «nf, wo sie
jedcMh nur mit Eingebornen Terkehrt. Sie soll eieh zn einer Beise nach Mnrank
oder Khat rOeten.
Von Dr. Schwoillflirth sind mehrere an seine hiesigen Freunde gerichtete
Briefe ans Chartöm von Mitte November 1868 eingetroffen, deren Inhalt» soweit
er sich auf Botanik nnd Zoologie beucht, wohl anderweitig mitgetheilt werden
durfte. Aus seinen fibrigen reichhaltigen Beobachtungen wollen wir hier nnr
Folgendes mittheilen. Ueber Chartüm schreibt er: Die Stadt, welche noch in-
mitten der Wustenregion gelegen ist nnd hinsichtlich ihrer Bodenverhältnisse sich
in Ifichts von dem änfserst gesunden Schendy und Berber unterscheidet, die sa-
dem weitlauftig gebaut, mit grofsen Platzen, zahlreichen Gärten und Dattelhainen
ausgestattet ist, hat ihre Ungesundheit nur der mangelhaften Strafsenpolizei zu
verdanken. Nicht dafs die Strafsen an nnd für sich auffallend unsauber sind,
allein die ganze Westseite, auf welcher sich eine bis zum weifsen Nil gehende,
eine Stunde breite, beim Hochwasser überschwemmte Ebene ausdehnt, bietet dem
Auge nichts als ein endloses Schlächtereifeld. Das Blut der geschlachteten Thiere,
das die Moslemims verachteten, rinnt in die Erde, mit Hautstücken und zahllosen
Knochen- und Eingeweiden -Resten ist der Boden besäet, und die Leichen von
Hunderten von gefallenen Thieren erzeugen die bösartigsten Miasmen, sobald bei
steigendem Nil der dürre Boden in der Tiefe aufweicht und während der Regen-
zeit die vorherrschend feucht-heifsen Süd- und Westwinde über ihn hinstreichen.
Sobald der Nil fallt, die Trockenheit der I^uft auch allgemeiner wird und Nord-
winde vorherrschen, schrumpfen jene Millionen von Hautstücken zusammen, die
fetterfullten Knochen bleichen in der Sonne, während sie in ihrem Innern dio
Keime der Malaria, welche die neuentstehende Feuchtigkeit wachruft, für künftige
Aussaat aufbewahren. Dazu kommt, dafs auf der Westseite der Stadt auch die Be-
grabnirsplätze liegen, von welchen aus, bei der mangelhuten Art der Anlage der
mnselmännischen Gräber, die Luft gleichfalls verpestet wird. — Ueber den Reisenden
Le Saint schreibt Schweinfurt, dafs derselbe, wie er von dessen Diener Francesco
gehört hat, in Folge widersinnigen Gebrauchs von Brech-, Purgir- und Stopfmit-
teln seinen Tod selbst herbeigeführt haben; seine Grabstätte liegt neben der
V. Hamier's. — Schweinfurth wollte sich auf seiner Reise an den Gazellen-
flufs anfänglich den Leuten des Scheichs Ahmed Agäth, des gröfsten Kaufmanns
nnd Sclavenhändler im Sudan (vergl. über denselben, sowie über den Sclaven-
handel in Chartüm unsere Zeitschr. 1867 S. 472) anschliefsen, der über 40 Nil-
barken und 700 Bewaffnete gebietet, und seine Handelsverbindungen nicht nur
bis zu dem Njäm-Njäm, sondern auch über Darfur, Kordufan, Fasogl, den Rachat,
Gallabat nnd Taka ausgedehnt hat. Nach den neuesten Nachrichten vom 10. De-
cember wird sich aber unser Reisender auf Empfehlung des General-Gouverneurs
des Sudan, Dschiaffer -Pascha, einer Handels -Expedition des koptischen Grofs-
bändlers Ghattas anschliefsen, welcher 30 Meilen südlich von der Maschera el
Beq am Ba^r-el-Ghaz&l eine Faktorei besitzt Ueber den letzten an Herrn Profi
Braun gerichteten Brief werden wir später ausführlich berichten.
Der schon von Livingstone's erster Reise her bekannte H&nptlilLg der
KatebeleSy Koselekatse, ist, wie der Tranmaal^Argus meldet, in hohem Alter
78 Kleinere geognphiiche
gestorben nnd Imt vor leinem Ende seinen Sohn Kniumaa sn seinen Nacbfolgpttr
ernannt. Moselekatee wer, wie Fritscb (Drei Jehre in Siid-Afinka 8. 388 C)
sclireibt, im Allgemeinen freundlich gegen die Missionare gesinnt, and besonder«
hatte der alte Moffat, Liyingstone's Schwiegervater, bei ihm einen grofsen Stein
im Brett, aber die angeborene und anerzogene Wildheit des Matebele's bewirkte,
dafs die Erfolge der geistlichen Herrn bis jetzt nur gering waren. Sie durften
im Lande umherziehen und nach ihrem Belieben schalten und walten. Sie sehaffiBn
Qutes, so viel sie Termögen, durch Bath und That, aber die Zahl der durch ihren
Eifer zum Christenthum Bekehrten ist wohl nur sehr gering. Ein grolser Segen
f&r diesen Stamm, den sie allein den Missionären verdanken, ist die EinfHhrang
der Inoculation des Rindviehes gegen die Lungenseuche, deren Erfolg sich hier
glänzend bewiesen hat Uebrigens wird Moselekatse als ein Despot gescfailderty
dessen Wort unabänderliches Gesetz war und dem nur zu widersprechen for seine
ünterthanen ein todtwUrdiges Verbrechen war. Eine Reihe blutiger VemichtangB«
kSmpfe, welche er gegen die Nachbarstämme ilihrte, hatte seinen Namen zu einem
der gefürchtetsten in Sudafrica gemacht.
Keineswegs günstig lauten die Nachrichten des Missionars EugO Halm
fiber die Znstande der Missionistation Otymbingfae im Herer<5iandey
welche in den letzten Tagen des Jahres 1868 hierher gelangten. Nachdem der
letzte furchtbare Angriff der Namaqua's auf die Station glücklich zurückgeschlagen
war und die Angreifer am darauf folgenden Tage fast gänzlich vernichtet worden
waren, hatte ein anderes Streifcorp^ der Namaqua's die Niederlassung in der
Walfish-Bai überfallen ; ein zur Züchtigung der Schuldigen in die Bai abgesandtes
englisches Kriegsschiff hat leider nichts ausgerichtet. Unter den HereriTs selbst
aber ist eine Reaction g^egen die Civilisationsversuche Hahns, welche nach jahre-
langen Mühen scheinbajLvon den besten Erfolgen gekrönt waren, aufgetreten. Die
meisten Häuptlinge, welche Otymbingue bisher als Schutzwehr gegen die Nama-
qua's betrachtet hatten, haben die Station veriassen, so dafs dieselbe auf eine
geringe Anzahl Vertheidiger beschränkt ist, und Hahn sich genöthigt gesehen hat,
den nun entvölkerten Theil der Niederlassung niederzubrennen und die Verschan-
zungen um die Wohn- und Waarenhäuser enger zusammenzuziehen. Wohl wäre
ts wünschenswerth , dafs diesem energischen Manne eine wirksame Hülfe von
aufsen her käme.
Der Uebertritt der nach dem Gebiet Ssenuretechensk ausgewanderten
Chinesen zum Christenthum macht grofse Fortschritte. Es sind bereits 700 Indivi-
duen getauft. Die Kommune der Stadt Wjernoje wünschte eine Kirchenbrüder-
schaft zu gründen, um den Neubekehrten eine Unterstützung zu gewähren und
so auch den uebertritt der anderen zn fordern. Es sind auch bereits 5000 R,
zum Bau einer Kirche und zur Anstellung eines Priesters fdr die Neubekehrten
angewiesen. Aufserdem ist auch das Geld zum Bau eines Schnlhanses zusam-
mengebracht worden.
In dem an Gold, Silber, Zinn tmd Eisen so reichen Tnuisbaikalien hat
man im Bezirk Bargusinsk in den Namaoninschen Bergen auf beiden Ufern des
Kleinere geographiiehe Mittheflnngen. 79
lÜTseheBa Oktonito Kvpferene in der Gestalt von Kiei, Malachit and Grfin-
ipan, in 8tflcken bis sa 15 Pnd, anfgefunden. — Im Syr-DaiiarCtobiet lieferte
dM am Ak-tatty-bnlak entdeckte Steinkolilenlager im J. 1868 bereits 65,000 Päd
ftr die Aral-Flottille nnd 5000 Pud für den Verkauf; diese Grabe könnte aber,
wenn Nachfrage wäre , monatlich 40,000 Päd liefern. Anfserdem bat man noch
ia der N&he des Dorfes Chodsbokend, 70 Werst Ton Taschkent, nnd im Distrikt
Kokinessai, 35 Werst von Chodsend reiche Steinkohlenlager entdeckt Desglei»
eben worden im Gonvemement Ssemipalatinsk in der Tschagnwakowskf sehen
Wolost anf dem linken Ufer des Irtjsch an zwei verschiedenen Stellen grofse
Lager guter Steinkohle aufgefunden.
Der St. Petersburger Zeitung vom Jahre 1868 entnehmen wir folgende No-
tinn ans dem Kankftgm; Nach einem Bericht aas Kutais soll man im Flafs-
bett des Ingur reiche Goldsandlager entdeckt haben. — Auf der Halbinsel Man-
gischlak sind von der DampfschifHahrts - Gesellschaft „Kaukasus und Merkur'
grofse Steinkohlenlager aufgefunden worden. Diese Entdeckung dürfte wesent-
lich xur Entwickelang der DampfschiiTfahrt auf dem Kaspischen Meere beitragen,
der bis jetxt die Theuerung der Brennmaterialien aufserordentlich hinderlich war;
die Dampfer des Kaspisees gebrauchten bisher donischen Anthracit, der in Astra-
dian auf 25 — 30 Kop. das Pud zu stehen kam und in Baku und anderen Häfen
noch theuerer war. —
Einer amtlichen Mittheilnng über die gegenwärtige Verbreitung der soge-
nannten Wasserpest, Elodea canadensis Eioh. oder Anacharis Alsi-
aastnun Bab., über welche C. Bolle in unserer Zeitschrift (N. F. XVUI. 1865.
S. 188) einen ausführlichen Bericht lieferte , entnehmen wir Folgendes : Die
Wasserpest, welche vor etwa 12 Jahren zuerst in den Gewässern von Charlot-
tenhof bei Potsdam auftrat, verbreitete sich in den ersten Jahren unbemerkt in
«stannlicher Schnelligkeit über sämmtliche mit jenen Gewässern in Verbindung
itehenden Wasserläufe von Sanssouci und in die Havel hinein. Seit dem Jahre
1867 erfüllt sie bereits den ganzen Lauf der Havel von der mecklenburgischen
Grenze bis zu ihrer Einmündung in die Elbe, alle mit der Havel in Verbindung
Mähenden €iewässer, den Finow- und Werbelliner Kanal, die Templiner und
Lychener (rewässer, die Spree und ihre Seitenstrafsen, namentlich den Spandauer
Kanal, den Dämritz- nnd Müggel-See und selbst die Elbe bei Neu- Werben, den
Wittenberger Hafeui die Karthaune und Stepnitz. Ferner tritt diese Pflanze in
den Wasserzngen vom Schwieloch- bis zum MüUroser-See und im Friedrich- WU-
kslms-Kanal bis zum Brieskower See und im Reg. Bez. Stettin in gröfserer Ans-
dshnung auf dem Dammschen See, vereinzelt hingegen bis jetzt nur in der Oder
und Dievenow anf. Vom hambnrger botaniachen Garten aus, wo die Pflanze bis
nm Jahre 1860 nur in Gefafsen im Gewächshause kultivirt wurde, hat sie sich
in den dortigen Stadtgraben und in das Alsterbassin in grofseren Dimensionen
fortgepflanzt Alle Mittel, welche bisher angewandt wurden, um die Wasserpest
anszurotten, wie eiserne Harken mit langen und enggestellten Zähnen, Sensen
•der Sensenketten etc. haben sich bisher als unzureichend erwiesen. Es steht
tber SU erwarten, dafs man gegen das Ueberhandnehmen der Verkrautung anserer
80 Kkuiera geogn^hische Mitthofliuigwi.
QewAiser energUcher vonchreiteD wird, «obald et geUagt» der V«rw8rtli«Bg dieser
Pflanie fOr Dnngtwecke allgemeineren Eingang bei den Laodwirthen sn ver-
scbAffeo. Der Vortheil, welchen man sich Ton der dichten Beetockmig der
Fflante for da« Laichen der Fische Tersprach, hat eich keinesweges heraaageeteUt.
Bekanntlich eind nach dem Krimm-Kriege circa 200,000 Tataren und Nogaier
ani dem OonTemement Tannen nach der Dobmdscha aasgewandert In Folg»
dessen ist der Kreis Enpatoiia derartig rerödet, dafs die Industrie dieeea wich-
tigen Handelshafens Tollkommen damiederliegt. Qanse Reihen Ton Magmainett
sind geschlossen, in denen vor Kurzem noch ein so reges Leben herrschte. Et
ist daselbst kein Krankenhaus, kein Asyl für Arme und Waisen, keine gute Schule
vorhanden, weil es an Mitteln fehlt, diese Listitnte zu erhalten« Die neuen An-
siedler sind kaum im Stande, sich zu ernähren; die Steuerrückstande sind bei
ihnen sehr bedeutend, die Getreideschulden bis zu einer enormen Höhe gewaeheen.
Die Gutsbesitzer leiden durch den Mangel an Arbeitskräften und können die
Rückstände, die bereits die vierfache Höhe des Steuerbetrages erreicht haben,
nicht bezahlen. Es scheint, dafs die Regierung, welche bereits grofse Kapitalien
zur Colonisirung- der verödeten Ländereien verausgabt hatt jede Hoffnung, durch
Kolonial rang das Wiedererblühen jener Länderstriche hervorzurufen, aufgege-
ben hat.
Ueber die Ausdehnung des Erdbebens in Califomien bringt der «Califomia
Demokrat" vom 27. October 1868 mehrere detaillirte Artikel, aus welchen her-
vorgeht, dafs die Erschütterangen vom 21. October nicht nur in San Francisco,
sondern an vielen Punkten Californiens sich bemerkbar machten und bedeutende
Zerstörnngen an Gebäuden verursacht haben, während die Zahl der Getödteten
und Verwundeten nur eine geringe ist. In San Francisco trat der erste Erdstofa,
welcher an Heftigkeit den vom 8. October 1865 bei weitem übertraf (vgl. unsere
Zeitschr. 1866. S. 79), um 6 Minuten vor 8 Ühr morgens mit einem donnerihn-
lichen Getöse ein; 42 Secunden währte die wellenartige Bewegung des Erdbo-
dens. Um 9 Uhr 23 Minuten erfolgte, gleichfalls in der Richtung von SO nach
KW, eine zweite, 5 Secunden dauernde Erschütterung, um 10 Uhr 23 Min. eine
dritte, kurze und gegen 11 Uhr eine vierte leichte Bewegung. Die Zerstörung
fand hauptsächlich im östlichen Theile der Stadt statt, wo die früheren Sumpf-
gegenden ausgefüllt worden sind und die Gebäude auf unsicheren Fundamenten
ruhen. Auch die im Hafen ankernden Schiffe verspürten die Erschütterang,
welche sich muthmafslich 10—15 Meilen in die See hinaus erstreckt hat. Drei
hohe aus dem NW aus ruhigem Wasser sich erhebende Wellen brachen sich an
der Küste, begleitet von einem aus dem Wasser aufsteigenden, rollenden Schall.
Sonst wurden die Gewässer der Bai, ebensowenig wie der Flufs, nicht bemerkbar
erregt; die Fluthmesser an den Govemements-Islands zeigten kein ungewöhnliches
Steigen der Fluth an. Mehr oder minder bedeutend war der Verlust an Eigen-
thum an anderen Punkten Californiens. Aus Alameda County, Brooklyn, San
Leandra, San Jos^ Santa Clara, Gilroy, Santa-Cruz, Sacramento, Oakland, San
Bafael, Petalnma, Santa Rosa, Healdsburg, Woodland, Centreville, Spmles Lan-
ding, Grass Valey, Sonora, Redwood, San Juan, Martinez, Mare Island, Marys-
Kleiaere g«ograplüich« MitfheHungen. 31
fiOe li«gen Berichte vor, ans denen die weite Verbreitung und zerstörende "Wlt-
knng der wenige Minuten vor 8 Uhr Morgens erfolgten Erdersehfitterung hervor-
geht. In Heywood hat sieh quer durch die Stadt eine Erdspalte geöffnet, welche
nA von dort ans 9 engl. Meilen weit hiuEiehen soll; $0 Erdstofse wurden von
8 Uhr frfih bis cum Abend yerspllrt, und hier wie an vielen anderen Orten brachen
Qn^en und Wasserst^me ans dem Erdboden hervor.
Entdeckungsreisen in West-Anstralien. Nach der Aussage der Ein-
geborenen soll sich im noch unerforschten Osten von West- Australien ein grofser
EInfs befinden. Obgleich man im Allgemeinen auf derartige Berichte nicht viel
geben darf, da die Eingeborenen solche oft verbreiten, um sich kleine Geschenke
m erschleichen, so haben sich doch im September vorigen Jahres zwei Partien
aof den Weg gemacht, um diese Sache aufzuklaren und um Überhaupt, so weit
es möglich, in den Osten vorzudringen und dessen Kenntnifs zu erweitem. Die
eine Gesellschaft ging unter der Leitung des Btfr. J. H. Monger von York, und
die andere, angeführt von Mr. N. W. Cooke, vom Irwin River ab. Eine dritte Com-
pagnie war gleichzeitig noch mit ihrer Ausrüstung beschäftigt» hoffte aber schon
hl der nächsten Zeit die Reise in den Osten antreten zu können. Der Plan des
Dr. Neumayer, den Continent Australiens von Westen nach Osten zu durchkreuzen,
wurde in Perth sehr freudig begprufst, und kann auf jede Unterstützung von dort
aas bereitwilligst gerechnet werden. — ff — .
Die Colonie Victoria besitzt ein Areal von 55,644,160 Acres oder
80,944 GMfles, mit einer Bevölkerung (am 30. Septbr. 1868) von 675,000 Seelen.
Die City of Melbourne mit Vorstädten zählt bereits 170,000 E. Von diesem
Areal waren, nach offiziellen Berichten, zu Anfang 1868: Freies Eigenthum
7,710,438 Acres; zu Agriculturzwecken waren für eine jährliche Rente von 2 und
S( ah. pro Acre verpachtet: 2,699,758 A. Goldfelder: 226,150 A. Land, als
Conkmonage besessen, hauptsächlich um die Goldfelder herum: 1,845,444 A.
Weideland, für die jährliche Rente von 2,07 d. pro Acre an die Squatters
verpachtet: 20,848,628 A. Unbrauchbares Land, von den Squatters in Veri>in-
dang mit dem Vorigen besessen 6,850,000 A. Noch nicht verwandtes Land (toaste
AmA) 15,463,747 A. Total 55,644,160 A. —ff—.
Bin gefährliches, den Schiffern bisher noch unbekanntes Sandstein- Biff
itl sechs Miles östlich von King's Island (nordöstlich von Tasmanien)
aafg«fianden worden. Der nördlichste Punkt desselben liegt 4i Miles östlich von
dem Sea Elephant Rock, von wo es sich dann mehrere Miles nach Süden hin-
deht. Die seichteste Stelle hat eine Tiefe von 22 Fufs, und herrscht bei unge-
stSmen Wetter auf dem Riffe und in dessen Nähe eine sehr gefähriiche See.
— ff—.
Fleasant Island und die Frovidence- Inselgruppe. Der Dampfer
Aibion, welcher am 12. Mai 1868 von Sydney nach Yokohama (Japan) abging
and diese Strecke — 5824 Miles — in 32 Tagen zurücklegte, lief auf dieser
Toar am 2. Juni, des Wassers wegen, bei der kleinen Insel, genannt Fleasant
Z«itaohT. d. GMeUseta. f. Brdk. Bd. IT. ^
g2 Kleinere geogn^hiedie liittheiliincco,
Itlend, ein, welche Ton Wellfifchfehrern öftere beencht wird. Bin Pueegler
schreibt Folgendes:
»Eine groise Ansahl der Insnlaner kam an nnaer Schiff, nnd wir fimden eie
in der Thal nicht so diebisch nnd boshaft, wie sie von dem Cafiitin des Wall-
fischfahrers Bantipole unlängst im «Melbonmer Argos* geschildert wnrdML Wir
waren nicht wenig erstaunt» unter ihnen auch swei WeidBC zn sehen, welche eich
schon seit Jahren auf dieser Insel aufgehalten nnd mit ihrem Loose ganz zu*
frieden zn sein schienen. Die Eingeborenen waren von kräftigem Baue, geftUigen
Formen und hellgelber Farbe, und hatten ihr Haar theils schlicht, wie da« der Bia^
laien, theils gekräuselt, nach der Art der Papuas. Sie waren aufs Handeln un-
gemein erpicht, das aber nur ein Tausch war, da sie den Gebrauch dee Goldes
nicht kannten. Nach Aussage der beiden Weifsen waren dort seit dem 1. Januar
1868 17 Walfischiahrer eingelaufen. Die Lage der Insel, welche auf den Kar-
ten als zweifelhaft angegeben ist, bestimmte der Capitän^ auf der Westseite, da-
hin, dals die Länge 167'' 0' 50" O. Gr. und die Breite O"" 30' S., also einige
Miles südlicher, als bisher angenommen ward» beträgt.
Am 6. Juni kam die Providence Inselgruppe in Sicht, und näherten wir uns
derselben auf ungefähr 8 Miles. Der Name ist einem Schiffe entlehnt, welches
sie zuerst auffand. Man braucht jetzt nicht mehr an ihrer wirklichen Ezistena
zu zweifeln, da sie von der Brown's Gruppe völlig verschieden ist Sie besteht
aus einer Reihe von Inseln» welche in einer O S. 0. u. W. N. W. Richtung, in
der Länge von 25 Miles, ausgestreckt liegen. Der Capitän suchte mit grölster
Genauigkeit die Lage dieser Inselgruppe zu bestimmen nnd ergab sich für das
westliche Ende derselben als 161^ östl. Lg. Gr. und als 9*^ 35 nördl. Br. Damach
wären diese Inseln bisher ungefähr 15 Miles zu weit westlich angegeben worden.
— ff—.
Heno Karte des St. Vincent'f Golf. Der Commodore von H. M. s.
Beatrice, Mr. Hutchison, war beordert, den St. Vincent's Golf (Süd -Australien)
einer abermaligen, sorgfältigen Vermessung und Sondirung zu unterwerfen. Der
Theil der Arbeit, welcher die Küstenlinie von den Hummocks bis Glenelg, in
der Länge von 175 Miles, umfafst, ward Ende Juli 1868 vollendet, und ist dar-
über eine Karte in zwei Exemplaren angefertigt, von denen das eine an die süd-
australische Regierung und das andere an die Admiralität in London eingeschickt
wurde. Die weitere Veröffentlichung ist ohne Verzug in die Hand genommen
und dürfte bald erfolgen.
Es wird von Kennern versichert, dafs die Arbeit ein kartographisches Meister-
stück im wahren Sinne des Wortes sei, und jeden Capitän in den Stand setze,
den Golf mit gröfster Sicherheit zn befahren. Der Maafsstab, welcher zu Grunde
gelegt wurde, ist I Zoll auf die nautische Meile, und die Länge ward durch
Triangulation nnd mit Hülfe des Chronometers festgesetzt.
Commodore Hutchison fand, dafs im Allgemeinen die früheren Bestimmun-
gen des Capitän Flinders aufserordentlich correct waren, wiewohl hier und da
doch manche bedeutende Irrthümer sich voxTanden. So z. B. ist die Lage von
Black Point entschieden unrichtig angegeben, ebenso die Bezeichnung «shoals
Literatur: F. F. t. Dfleker: VorgeMhkhtiiolie Bpnren des Menschen etc. 83
laddenly* bei Trovlnridge Hill, da das tiefe WaMer &st bis ans Ufer reicht.
Auch bei Glenelg in Holdfiut Bay ist die See an der Käste entlang Tiel tiefer,
als Capit&Q Flinders angab.
Die weitere Vermessung nnd Sondirang der Kaste yon Glenelg ab wird Mr.
Hatehison im n&chsten Jahre fortsetzen. — ff. — .
Neuere Literatur.
Vorgeschichtliche Spuren des Menschen am Wege nach Rügen und auf der
Insel Bägen selbst. Vom Berg* Assessor Baron F. F. y. Duck er. Ber-
lin (Stargardt, in Conm.) 1868. 8. (i Thlr.)
Der in Erforschung unserer yaterländischen Alterthümer yorgeschichtlicher
Zeit unermüdliche Verfasser untersuchte zunächst im Juli 1868 die Pfahlbauten
am Poplow-See bei Prenzlau, 11 Meilen nordöstlich yon Berlin. Ein Lager-
platz der Pfahlbaubewohner über 200 Schritt lang und 100 Schritt breit am See-
nfer enthielt Kjökkenmödding in einer Stärke yon 5 — 6 Fufs lang; darin
neben zahlreichen Feuersteingeräthen und Topfscherben gespaltene Knochen yom
Bind, Hirsch; Reh, Ziege; Schaf und Wildschwein, häufig auch yom
Torfschwein (Sus palustris), dessen Reste genau mit denen aus dem Küchen-
schutt yon der Herrn y. Waldaw-Reitzenstein gehörigen, im Lübbens-See bei
Konigswalde , 8 Meilen nordöstlich yon Frankfurt a. O. , belegenen Inseln über-
einstimmen. Die Pfähle sind zum Theil noch mit Querhölzern yersehen, meist
ans 6 — 8 Zoll starkem Eichenholz yon schwarzbrauner Farbe und an der Luft
lerspringend ^). Ueber dem Pfahlbau liegt ein Hügel yon 12 — 14 Fufs Höhe,
im Wesentlichen aus Kjökkenmödding bestehend, der so viel Knochen liefert,
dafs seit längerer Zeit Knochensammler von dort aus Knochenmühlen mit Mate-
rial yersehen. Ein unvollständiger Menschenschädel ebendaher zeigt eine
lehr kleine Wölbung. Eine zweite Insel des Sees enthält ähnliche Abfallhaufen. ^
In dem südöstlich vom Potzlow-See belegenen Ob er-Ueck er untersuchte Verf.
sodann eine kleine kranzförmig umwallte, dem Grafen Arnim -Boitzenburg ge-
körige Insel. Der Wall, von 12 — 14 Fufs Höhe, besteht aus gebrannten, theils
verschlackten Ziegelmassen einer höchst eigenthümlichen Art, welche ursprünglich
so stark mit Schilf durchmengt ist, dafs sie nach dem Brennen zum Theil hin-
länglich leicht und porös wurde, um auf dem Wasser zu schwimmen '). Einige
'} In gleicher Weise sind mir alle Reste von Eichenstämmen, die ich im Früh-
jthr 1868 aus den untermeerischen Wäldern der Nordsee bei Sylt gewonnen habe
(zum Theil in kleine Stücke) zersprungen.
*) Die gröfseren Gewichtsteine aus den von mir anfgefbndenen Sylter Kjokken-
modding^m bestehen ebenfalls aus einer ursprünglich mit Schilf gemengten Thon-
messe. Der Wilde war zu dieser Mischung gezwungen, da er auf andere Weise
84 Neuere literalW!
gleiche Ziegelrette fSand Vert am Fofdow- nad H. t. Waldaw im Lftbbeni-See.
£• eclieiiit hiemeehi bemerkt Verf., dalf dieae Ziegeiert mit eingeknetetem Schilf
■choB Ton nnBeren halbwilden Vorfahren angefertigt worde «nd dafa anf der
Inael eine Befeatignng lag, in deren Mitfee die Horden lagerten. Sehliefalich wurde
sie durch Fener sentörti der Lage nach eoU der Bnrgwall 7 Jahr gebrannt
haben. — Auf Bfigen, dem Verf. nur einen flüchtigen Besuch schenken konnte,
entdeckte er an der Hochstrafse xwischen Bergen nnd Sagard, nahe der Lfitzower
Fihre, swei sehr ausgedehnte Torgeschichtliche Lagerplätze mit Aschen- nnd
Abiallmassen von 1 — 2^ Fufs Dicke, in denen Feuersteinsplitter, sehr rohe Stein-
messer und Topfscherben gleicher Beschaffenheit vorkommen. — Die ber&lun-
teste Alterthfimer- Sammlung, die wohl bekannte des Qastwirths Schepler xn Sa-
gard, ist fOr Bügen yerloren, indem Herr Alfred Oraser in Berlin dieselbe kfin-
Uch für 2000 Thfa*. angekauft hat. Nicht übergangen werden darf sehlierslieh
eine Bemerkung, die Verf. bei Besprechung der Todtenumen des sehr reich-
haltigen und sehenswerthen Stralsunder Museums macht: »Es interessirte mich
im höchsten Qrade su sehen, ^a ihre menschlichen Beste genau mit deigenigen
fibereinstimmten, welche ich iü gleichartigen Urnen bei Saarow, unfern Forsten-
walde, sowie bei Königswalde und Schönow im Kreise Stembeig gefunden hatte
nnd welche femer im Berliner Museum au sehen sind. Es findet sich in den
Urnen nämlich nicht etwa Asche, wie dies meistens ersählt wird, sondern es sind
•eharfkaatige, serschlagene Knociiensplitter darin, welche swar meistens die Ein-
wirkung der Wärme durch eigenthümliche Zerberstung erkennen lassen, dagegen
aber selten daa Ansehen des eigentlichen Verbranntseins seigen. Deutliche und
vorherrschende Asche habe ich noch in keiner Urne gefunden; die kleinen
Ceremonie- Urnen sind meistens nur mit Sand und Erde gefüllt. Die Ausfüllung
der groben Urnen bildet, aufser den Knochensplittern, ebenfalls Sand oder Erde.
Die Kttochenreste aa und für sich stammen sehr hanfig von Kindern oder doch
Ton jugendlichen Individuen her, und seigen durchweg auffallend kleine Dimen-
sionen. Die gute Erhaltung der Knochen, die scharfkantige Form derselben nnd
namentlich der Umstand, dafs alle Röhrenknochen sind, haben mich auf den
Gedanken gebracht, dals unsere Vorfahren die betreffenden Leichen, mochten
diese nun von Kriegssfigen oder von Opfern oder von sonstigen Mordthaten her-
jtammen, nicht eigentlich verbrannt, sondern vielmehr gebraten, abgegessen und
bezüglich der Knochenreste in Urnen bestattet haben [?]. Ich will diese Auf-
fassung noch nicht positiv hinstellen, doch kann ich aus meiner eigenen Samm-
lung hunderte von LSagssi^ittem, von Röhrenknochen als Belege vorzeigen, und
die Gleichmafsigkeit der Reste in den meisten Urnen norddeutscher Proyinzen
vermag ich mir auf andere Weise nicht wohl zu erkliuren. Hinzufügen kann ich,
dafs Herr Prof. Carl Vogt, mit dem ich über diesen Gegenstand sprach, sich
dieser Erklärungsweise zuneigte.* E. Fried el.
des Bersten grdfserer Thonmassen im Feuer zu verhüten noch nicht verstand. Bei
den Wilden, welche bereits Getreide bauen, findet sich häufig Stroh zu diesem
Zwack verwendet.
I
Ludwig BayensteiA: 8p«cklkarte ron Deutschland etc. %^
Lndwig Ravenstein. Specialkarte ron Dettttcblaad , der Schweis und be-
nachbarten Ländern. 12 Bl. Hildborghausen (BibL Inst.) 1868. 4 TUr.
Isa MaaÜBStabe too 1 : 850,000 ansgelHhrt reicht diese neue Karte von Am«
Herdajn, Lfittieh und Genf im Westen bis Königsberg, Warscha« nnd Siegedla
>m Osten» seigt im Süden den gansen Polanf Ton Turin bis som Iteere «nd im
Norden auf 3 Belbfiistchen 1^ und 3^ die Ünfsersten Besitsnngen Pkeufsens gegen
Diaemark nnd Bufsland hin, eine Einrichtung, welche allerdings dnrch das theil-
weise Hinansgreifen über den oberen und östlichen Rand und die Beechr&nkuBg
in Westen, wo die Bhfiinm ttndungen fehlen, kein Töllig befriedigendes Oesammt*
bild gewähr^ und beweist, da(s die ganse Anlage der Karte nur auf das Deutsche
Bundesgebiet ror 1866, für welches NordscUeswig und Ostpreufsen entiMhriich
tthienea, berechnet war. Die Situation und die Schrift, sehr sauber in Kupfer
gestochen, lassen nichts an Deutlichkeit tu wünschen übrig. Die einsefaMtt
Buchstaben sind elegant und gefällig; die Namen, auch wo sie dichter stehen,
wie in den rfaeinisehon Grubenbeairken und in Saclipen, geschickt gestellt, 8o
dals nirgends der Klarheit Abbruch geschieht, und selbst ein schwaches Auge
ohne Mühe bei Lampenlicht die Karte benntien kann.
Das in Farbendruck ausgeführte Kolorit ist gut gewählt und läfst susam-
mengehörige Gebiete stets erkennen; bei einer grofsen Menge von EndaTen in
Mitteldeutschland ist der Name des besitsenden Staates hinzugefiigt, was die Be»
nutzung wesentlich erieichtert — Die (Frühjahr 1868) im Betriebe befindlichem
und im Bau begriffenen Eisenbahnen sind alle eingetragen; dagegen die sahlrei-
chen, oft wechselnden Projecte übergangen, — und das ist nur zu loben.
Schade, dafs wir uns nicht in gleichem Maafse mit der Ausfuhrung des Ter-
rains einverstanden erklären können, da es zu wenig Ausdruck besitzt, höhere
Berge nnd Hügel mit gleicher Strichstärke angiebt and namentlich die höchsten
Erhebungen unserer deutschen Mittelgebirge in den Hintergrund drängt.
Ohne beigefügte Namen wären Feldberg und Blauen, Brocken nnd Insels-
berg schwer zu finden. Das tiefe. Thal der Zschopau mit seinen steilen Seiten-
wänden ist nicht viel anders behandelt, als das offene der Mulde bei Leisnig und
Grimma. Der Zobten erscheint fast doppelt so hoch, als die um 850 Fnfs höhere
Eule. Eben so verdienten Taunus, Rhön, Westerwald stärkere Hervorhebung.
Im Tiroler Samthai ist die östliche Thallehne, deren Abfall eben so schroff ist,
wie die der westlichen, um vieles schwächer behandelt, so dafs der Charakter
dieses tief eingeschnittenen Engthaies verwischt wird.
Sonst aber ist die Karte in jeder Hinsicht zu empfehlen •— und ihr billiger
Preis sichert ihr auch eine weitere Verbreitung. Wir wünschen ihr eine baldige
zweite Aufiage und bitten dann um Berichtigung einiger Fehler, die uns beim
Durchsehen aufgestofsen sind.
Leoni am Stamberger See liegt nicht nördlich, sondern südlich ron Schlofs
Berg; das Hummelschlofs nicht südlich, sondern nördlich von der Lewin-
Reinerzer Chaussee. Statt Liebegöricke (im Oderbruch) ist Lietzegöricke,
Hblü Stralepitz (im Spreewald) Straupitz, statt Patzauner Thal (in Vorarlbeig)
PatznaunerThal zu lesen. Station O e y n h an s e n ist als Stadt zu bezeichnen .
bei Userin ein Stück Havel nachzutragen. Im Luxemburger Gebiete (deutsch
gg Neaere Lltenitar:
Lfitsenbarg nach der noch im yorigen Jahrhunderte gebräuchlichen Form, nicht,
wie gestochen ist, Lützelbnrg), dessen Landvolk noch durchaus den rheinfr&n-
kischen Dialekt spricht und nichts vom Französischen versteht, begegnen wir
einer seltsamen Mischung von deutschen und franadsisehen Formen (wenn aach
nicht so arg, wie in der Karte des preufs. Handelsministeriums}: was aoUen
Rnmelange, Redange, Sonlez» Noertzange, Fentange, Bonneroye, Bertrang^ neben
Pettingen, Frisingen, Lintgen etc.? •— ist doch im Elsafs und Deutsch -Lotiunii-
gen die deutsche Schreibart mit Recht fast ganz durchgeführt, bis auf wenige
Ungleichheiten, die wir in Zukunft rennieden wünschten, z. B. Doaimemarie statt
Damerkirchf St, Croix statt Heiliffenhreuz, Ckdtenois statt KeaUnkolz^ la Liepvre.
statt LeheraUf F4Mtrange statt Finstm^enf Saarburg neben Sarrebcurg als erst
abstrahirte aber irrige deutsche Form BtkU Saarbrück oder KaufinannS'Scarbriick^
wie der Name zum Unterschiede von der gleichnamigen jetzt preufsischen Stadt
noch zu Ende des vorigen Jahrhunderts allgemein geschrieben wurde.
Auf die anscheinend kleine Verbesserung von Samtheim in Samthein
legen wir Werth, weil man durch erstere Schreibung veranlafst werden kann,
Sfoit-heim zu sprechen, während der Ort Sam-theln heilst. Die Farbe von La-
beck mufs über den ganzen Dassower See und das Pötnitzer Wjck ausgedehnt
werden, da der Stadt darüber Hoheitsrechte zustehen. Auch wäre es wünschens-
werih, die Schönburg'schen Recefsherrschaften im Königreich Sachsen anzugeben,
so lange sie noch mit ihren eigenen Justizämtem und ihrem Kanzleidirector, so
zusagen, einen Staat im Staate bilden. B d.
Gsell-Fels und Berlepsch, Süd -Frankreich und seine Kurorte. Hildbuig-
hausen (Bibliograph. Instit., Meyer's Reisebücher) 1869. XXVII, 748 S.
mit 18 Karten und 21 Stadt -Plänen von L. Ravenstein. 5 Panoramen
und 25 Ansichten von P. Ahrens. 8. {3 Thlr.)
Wiederum ist die bereits ansehnliche Reihe deutscher Reisebücher durch
eine neue Erscheinung bereichert worden, auf welche wir um so lieber aufmerk-
sam machen, da dieselbe den Namen Berlepsch's, der durch Herausgabe einer
Anzahl, in demselben Verlage erschienener gediegenen Reisebücher sich bereits
vielfach bekannt gemacht hat, an ihrer Spitze trägt. Durch das Thal der Rhone,
durch das südliche Frankreich westwärts bis zur Mündung der Garonne, in die
Pyrenäenthäler, durch das französische Litorale des Mittelmeeres bis zur Riviera
di Ponente geleitet uns dieses Handbuch, und schwerlich dürfte uns dasselbe
irgend einen Ort, irgend ein Monument von einiger Bedeutung vermissen las-
sen. In wie weit freilich die für ein solches Buch nothwendigen Empfehlungen
von Hdtels etc. überall den Erwartungen der Reisenden entsprechen werden,
müssen wir denen überlassen, welche mit diesem Reisebuche in der Hand
jenen an Naturschönheiten und historischen Monumenten so reichen Boden als
Tonristen betreten oder zur Herstellung ihrer Gesundheit irgend einen Ort des
68 6ll-Fel8ii.Berlepsch: Sfid-Fimtikreich. Wichnra: AiuyierWaltÜieileiL 87
flfidlicheii FIrankreiebfl zu einem l&ngeren Anfentbalt wählen. Für die letstere
Kntegorie ron Reisenden dürften aber die ron Dr. Gaell-Fels bei den klima-
tischen Knroiten eingeftigten klimatologischen Tabellen, sowie die Analysen der
Ifineralqnellen in den Pyren&en von besonderem Werth sein. Sicherlich wird
diese Bereichemng unserer Reiseliteratnr mit ihrer reichen Ausstattung an sau-
beren Städteplänen, Panoramen und Ansichten allen Deutschen, welche ihren
Wanderstab nach Sud -Frankreich richten wollen, ein willkommener Begleiter
sein, und gewifs wird der Verf. allen denen su Dank verpflichtet sein, die ihn auf
etwaige Mängel, die sich doch nur durch eigene Erfahrungen herausstellen können,
aufmerksam machen werden. Der Mejer'scben Buchhandlung möchten wir aber
hier, wie schon früher von uns geschehen, den Wunsch an's Herz legen» mehr
Sorgfalt auf die Ausführung der kartographischen Beilagen su verwenden. Ein
jeder, der die ziemlich kostspielige Reise in das südliche Frankreich unternimmt,
wurde gewils gern bei einer sauberen kartographischen Ausstattung des Buches
statt 3 Thaler etwa 3^ Thlr. erlegen. — r.
Aus vier Welttheilen. Ein Reise -Tagebuch in Briefen von Max Wichura'
Breslau (Morgenstern) 1868. VII, 456 S. 8. (Mit dem Portrait des
Verf.) (2| Thlr.)
Gleichsam als Schluls der von verschiedenen Mitgliedern unserer ostasia-
tischen Expedition veröffentlichten persönlichen Erlebnisse und Beobachtungen
wird uns hier eine Reihe von Briefen geboten, welche eines der befähigtsten
Mitglieder der Expedition, der leider inmitten der Ausarbeitung der botanischen
Ergebnisse der Reise durch einen jähen Tod im Jahre 1865 uns entrissene
Regiemngsrath Max Wichura, während seines Aufenthalts in vier Welttheilen
an seine Mutter gerichtet hat Erscheint es auch mitunter gewagt, derartige
Reisebriefe su veröffentlichen, namentlich wenn dieselben, unter den mächtigen
Eindrucken stets wechsehnder Erscheinungen geschrieben, ursprünglich wohl nicht
für den Druck bestimmt waren und die überarbeitende Hand des Verf. ihnen
fehlt, 80 müssen wir doch in diesem Falle gestehen, dafs es ein Unrecht ge-
wesen wäre, die Publication dieser Tagebücher uns vorzuenthalten, und wir sind
deshalb dem Bruder des Verstorbenen, dem Hauptmann A. Wichura, welcher
sich der Veröffentlichung derselben unterzog, zu besonderem Dank verpflichtet
Freilich finden wir, wie nattiriich, auch. in diesen Briefen so manche Wieder-
holungen der bereits von anderen Mitgliedern der Expedition geschilderten land-
schaftlichen und ethnographischen Bilder; aber es tritt bei Wichura's Schilderun-
gen ein anderes, wohlthnendes Element hinzu, nämlich die lebensfrische Beob-
achtungsgabe des Naturforschers, durch welche er seinen Skizzen, vorzugsweise
aber seinen Vegetationsbildem , ein eigenthümliches Colorit zu geben weifs.
Führte doch den Botaniker sein Pfad oft abseits von den grofsen Strafsen, wo
inmitten einer üppig wuchernden Vegetation seinem Ange sich die Schätze der
Tropenwelt erst erschlossen. Aber auch für alle ethnographischen Verhältnisse
seigl der Verl ein gleich offeaee Ange» «ad des feine QefÜkl für Knast» weleiMe
sich aemeaüich in den setnea Briefen eiagestreuten mnsikaUsclien Bemerkung«»
ausspricht» gewehrt, den früheren PnbUcationen fiber die Expedition gegeafiber,
einen eigenen Reit. Möge durch diese Briefe des ehrende Andeakea «a den
80 frfih Dehiageschiedeaen aoch in weiteren Kreisea wteh erhaltea werdea. — r«
G. Theo bald nnd J. J. Weilenmann, Die Bader von Bormio und die sie
umgebende Gebirgswelt. 1. Thl. Landschaftsbilder, Bergfahrten nnd nator-
wissenschaftliche Skixzen. . St Gallen (Scheiüin nnd Zollikofer, in Comm.)
1868. 146 S. 8. (16Sgr.)
Wer Ton Trafoi kommend anf der neben den ewigen Gletschern nnd Elrnoi
der Ortlergmppe in Zickzack ansteigenden Konststralse die PaTshöhe des Stüfter
Joches erreicht hat nnd abwärts, bei der ersten italienischen Grenzwache, der
Cantoniera St* Maria, vorbei, der allmälig in das Veltlin sich senkenden Chanss^
gefolgt ist, wird sich wohl des grofsartigen Eindmckes erinnern , den da, wo die
von NW. kommende Adda ihren Lauf südwärts lenkt, der erste Blick auf das
inmitten grünender Matten und Gärten liegende Bormio hervorruft: ein paradie*
sisches, von lauen Lüften durchwehtes Thal inmitten einer grofsartigen Alpen*
weit, die sich terrassenförmig um dasselbe aufbaut. Bis in die graue Vorzeit
hinauf reicht der Ruf von Bormio's Heilquellen, welche aus den in das Addathal
sich herabsenkenden Dolomitfelsen hervorbrechen; mahnen doch die malerisch
gelegenen, bnrgarttg gruppirten Gebäude, welche mit dem Namen der bagni vecclii
(4460 Par. Fufs) bezeichnet werden, noch in ihren änfserea, sowie in ihrer inneren
Einrichtung an längst vergangene Zeiten, Südlich von diesen Anlagen bat
aber die Neuzeit auf dem hügeligen Plateau zwischen der Stra&e und dem Ab-^
hange gegen die Adda eine neue, allen Anforderungen auf Comfort genügende
Bäderanlage, die bagni nuori (4125 Fn£i), geschaffen, deren Lage an der Grenie
der Alpenregion gegen das Cnlturland den Vortheil bietet, dafs dieser Punkt
nächst den wohlthädgen Wirkungen der Heilquellen, durch seine frische, kühle
Alpenluft gleichzeitig sich als klimatischer Kurort empfehlen dürfte. In die
Reize dieses Thaies und der dasselbe umgürtenden Alpenwelt führen uns die
oben genannten Skizzen Theobald's und Weilenmann's, und der Name des ersteren
leistet wohl schon hinlängliche Bürgschaft, dafs uns hier mehr and Gediegeneres
als in gewöhnlichen Reisehandbüchern geboten wird. Von ihm sind die land*
schaftlichen Skizzen aus der Umgebung von Bormio, die kurzen zoologischen
Notizen, sowie die treffliche geologische Cebersicht, welche in ihrer klaren Dar»
stelltmg selbst den Laien in das Verständnifs des Baues dieser vom Engadin her*
überstreifenden Partie des grofsen Kalkgebirges einzuführen vermag. Für rüstige
Gebirgswanderer, deren Wünsche und Kräfte höher streben, als die Erreichung
der äufsersten Vegetationsgrenzen, hat Weilenmann eine Anzahl Bergfahrten in
der Umgebung von Bormio: die Besteigung des Cima di Gobbetta, des Monte
Confinale, der Cima di Piazzi, des Ortler und der Königsspitze hinsnnigt, welche
O. Tkeobftld und J. J. WeiUnmann: Die Bftder von Bormio. 89
bk ihrer «nspreehenden Sehildenmg wohl in manchem Wanderer die Lnat cn
dner WalHhhrt nach den lehnee- nnd etsbedeekten Gipfeln dieser Bergriesen
erwecken darften. Dem Reisenden, welchem die beigeftgte Karte vielleicht sn
Uein erseheinen scAte, empfehlen wir die im Mafsstebe von 1 : 200,000 nach
den Generalstabsanfiiahmen heransgegetoene Tonristenkarte der ostrhätischen Kur-
orte, insbesondere der Bäder von Bormio, welche in der topographischen Anstalt
von Wnrster, Randegger A Co. in Winterthnr erschienen ist und allen Anfor-
demngen an Cebersichtlichkeit nnd Dentlichkeit entspricht — r.
Sitzung der geographischen Gesellschaft zu Berlin
vom 5. Dezember 1868.
Der Vorsiiiende, Herr Bastian, überreicht die Geschenke nnd begleitet sie
mit eingehenden Bemerkungen.
Hierauf hilt Herr Baeyer einen Vortrag über die Arbeiten des Central-
bvrean's der europaischen Gradmessung, von welchem Folgendes die Hauptpunkte
sind. Das Personal der PreuTsischen Gradmessnngs-Commission ind. des Cen-
feralbnrean's besteht gegenwärtig, unter dem Vorsits des Bedners, aus den Herren:
Prof. Dr. Peters, Director der Sternwarte in Altena, Prof. Dr. Wittstein in Han-
nover, Prof. Dr. Schering in Göttingen, Prof. Dr. Börsch in Cassel, Prof. Dr.
Bmhns, Director der Sternwarte in Leipzig, Prof. Dr. Sadebeck, Dr. Bremiker
nnd Dr. Weingarten. Die vier letztgenannten Herren bilden das Centralbnreau
un engeren Sinne und haben nach Bedürfnifs fünf bis sechs Gehülfen zu ihrer
Diaposition. Director Bmhns hat seit dem Frühjahre die Leitang der astrono-
mischen Arbeiten des Centralbureau's übernommen, nachdem sie der Director der
Kgl. Sternwarte zn Berlin, Prof. Dr. Förster, überhäufter Gesch&fte halber, nie-
dergelegt hatte. I. Praktische Arbeiten von 1866. A. Hanptdreiecke. In Hol-
stein hat Prof. Peters die Punkte der Schuhmacher'schen Gradmessung, die ver-
loren gegangen waren, wieder hergestellt und die Nachmessung der Braaker Grund-
linie vorbereitet. Die Wiederherstellung der Schuhmacher'schen Gradmessungs-
Dreiecke geschieht auf den Wunsch der permanenten Commission, weil die Braa-
ker Basis aufser den Holsteinischen auch den Ganfsischen, Kurhessischen, Däni-
schen und Mecklenburgischen Dreiecken zur Grundlinie dient. Sie wurde i. J.
1821 gemessen nnd erfüllt nicht ganz mehr die Anforderungen der Gegenwart.
Für die europaische Längengradmessung unter dem 52. Pamllel wurde an zwei
Stellen triangulirt. Am Rheine, zwischen Köln und den Kurhessischen Punkten
Dftnsberg und Hasserot, arbeiteten Dr. Bremiker und Dr. Fischer, in der Provinz
Sachsen, zwischen Berlin und Leipzig, Prof. Sadebeck und Albrecht. B. Haupt-
Nivellement. Die allgemeine Conferenz hat beschlossen, dafs die Gradmessnngs-
Commissionen von den verschiedenen Meeren, der Ostsee, der Nordsee, dem at-
90 Siliangib«iic]ü d«r BerUii«r geogiKpbücheA GeseUschaft.
lantUchen Oomo^ dem mitteUändischen nnd ftdrUtiMliea Moere, HMi|ii-NlTell»>
mentt nach der Schwds aasf&hren eollen, am die Ni?eaii-VerhältniMe dieser
Meere definitif feftsnsteUeo. Zu diesem Zweck« hat der Vortngeode in Swin»-
mUnde die Brrichtang eines registrirenden Pegels nnd swischen diesem nnd deoi
niyellitiscben Hanptnetee des Königreich» Sachsen ein Hanpt-NiTeUement aag^
ordnet C. Ein Vervicbnifs der Instrumente nnd Meüs-Apparate, welche im laa-
fenden Jahre angescha0l worden. D. Maafsverglcichnngen. Im Berliner Lagerfaanse
wird ein neuer Comparator nach BesseFs Principi aber mit unabhängig tief im Boden
fnndamentirten Fixpunkten gebaut, zur Vergleichung von Meterstäben mit der
Toise und zur Bestimmung von absoluten Ausdehnungen. In demselben Lokal
wird ein zweiter Comparator zur Vergleichung der Mefsstangen (für Basismessun-
gen) mit der Toise aufgestellt, so dafs das Centralburean bis zum nächsten Früh-
jahre auch in dieser Beziehung den Anforderungen wird genügen können.
E. Astronomische Beobachtungen und Intensitätsbestimmnngen der Schwere.
Zwischen Berlin und Lnnd wurde die Längenbestimmung ausgeführt. Azimnthal-
bestimmungen auf dem Seebei^e bei Gotha mufsten ungünstiger Witterung wegen
aufgegeben werden. Pendelbeobachtungcn konnten noch nicht stattfinden, weil
der Apparat noch nicht fertig war. Schliefslich spricht der Vortragende den
Wunsch ans, dafs die in das Ordinarium des Staatshaushalts-Etats aufgenommene
Snmme Ton dem Hanse der Abgeordneten genehmigt werden möge, damit ee
mög^ch sei, das gröfste wissenschaftliche Unternehmen dieses Jahrhunderts ram
Bnhme und sur Ehre Preufsens zn Ende zu fähren.
Herr Dieterici bespricht des Grafen von Wartensleben Buch über gegen*
wärtiges nnd Tcrgangenes Jerusalem und weist nach, wie durch die beiden Höhen-
züge, durch das von ihnen eingeschlossene Jordanthal und durch die anliegende
Knstenebene Nomadenleben und sefshaftes Leben hier von der Natnr des Laadee
bedingt sei.
Herr F ritsch berichtet über seine, behufs der Beobachtung der Sonnen»
finstemifs nach Aden unternommene Reise. Man nahm den Weg durch Aegyp-
ten und das rothe Meer und langte am 1. August am Bestimmungsorte an. Aden
wird als änfserst öde, die Vegetation auf den vulkanischen Felsen als höchst un-
bedeutend geschildert. Der Kraterrand soll auf der Südseite 1600 Fu(s Höhe
haben. Das Wetter war ungünstig und der S.-W. Monsoon so heftig, dafs das
aufgestellte Femrohr zitterte. Am 18. August war um 4 Uhr Morgens der EUm-
mel mit dichtem Gewölk bedeckt, doch wurde später die Totalität der Sonne
sichtbar und es gelang, sechs Aufnahmen derselben zu machen, von welchen vier
vollkommen brauchbar waren. Der Vortrag wurde durch Photographien erlänterk
Herr Vogel, Mitglied derselben Expedition, sprach über Aden und seine
Umgebungen und legte verschiedene photographische Ansichten dieses Ortes,
einige ethnographische Photographien nnd auch die gewonnenen photographischen
Bilder der Sonne vor.
Herr Zenker schilderte den noch in der Ausführung begrifienen Suezkanal,
welcher Suez am reihen Meer mit Port Said am Mittelmeer verbindet nnd den
der Vortragende in seiner ganzen Länge befahren hatte. Nach der Ueberzeugung
des Letzteren wird der Kanal nach seiner im nächsten Jahre zu hofifenden Voll-
Sitaaiigsbericbt der Berliner geogmphiechen GeBeUtobaft. 9f
eftdimg die Stelle einer Meerenge vollkosmien ersetsen. Er hat eine Lange von
160 Kilometer, d. b. 22 Meilen, und eine Tiefe von 8 Meter. Die Breite der
Sohle iflt änf 22 Meter, die Breite der Oberfläche auf 58 bis 120 Meter berecb*
net Die Frage, ob der Kanal in Zukunft der Versandung ausgesetzt sein weide,
glanbt der Vortragende Temeinen zu dürfen, da an allen Punkten, wo man den
alten Kanal aufgefunden bat, derselbe, mit Ausnahme einer einzigen Stelle, frei
von Sande gewesen ist. An dieser Stelle würden sich aber, meint man, durch
ein dreimonatliches Baggern die Massen ohne Schwierigkeit hinweg schaffen las-
sen, die sich Tielleicht in einem Jahre angehäuft hätten. Ob die ganze Land*
eqge in einer Hebung begriffen sei, ist noch nicht erwiesen, doch soll während
des Baues in Port Said das Meer um einen Fufs gesunken sein, was auf eine
Hebung hindeuten konnte. Die Kanalbau- Gesellschaft rechnet, weil die Winde
im rothen Meere häufig ungünstig sind, besonders auf den Verkehr der Dampf-
schiffe, und will 10 Frcs. pro Tonne Kanalgeld erheben. Schon jetzt erfreut sich
der Kanal durch den Kohlentransport nach Port Said eines lebhaften Verkehrs.
Der Vortrag wurde durch eine Karte erläutert
An Geschenken gingen ein:
1) Heinr. Rohlfs, Medicinische Reisebriefe ans England und Holland 1866
n. 67. Leipzig 1868. — 2) Meitzen, Der Boden und die landwirthschaft-
lichen Verhältnisse des preufsischen Staates nach dem Gebietsumfange vor 1866.
Tbl. I. Berlin 1868. — 3) Denkschriften des K. Russ. topographischen Bureaus.
Bd. XXIX. St Petersburg 1868. — 4) Beiträge zur Statistik Mecklenburgs.
Bd. V. Heft 4. Schwerin 1868. — 5) Hann, Die Temperatur -Abnahme mit
der Höhe als eine Function der Windesricbtung. (Sitzungsber. d. Wiener Akad.
d. Wies.) 1868. — 6) Hann, Zur Charakteristik der Winde des adriatischen
Meeres. Ebds. — 7) Jahresbericht am 24. Mai 1867 dem Comit^ der Nicolai-
Haniptstem warte abgestattet vom Director der Sternwarte. St Petersburg 1867.
— 8) Derselbe vom 24. Mai 1868. Ebendaselbst 1868. — 9) Struve, Tabulae
auxiliarea ad transitua per planum verticale redvcendos inservientes. Petropoli 1868.
— 10) Beiträge zur Kenntnifs des Rassischen Reiches und der angrenzenden
Länder Asiens. Bd. XXV. St Petersburg 1868. — 11) Statistische Mitthei-
Inngen über den Civilstand der Stadt Frankfurt a. M. im Jahre 1867. Frank-
furt a. M. 1868. — 12) Jelinek u. Fritsch, Jahrbücher der K. K. Central-
Anstalt für Meteorologie und Erdmagnetismus. N. F. HI. 1866. Wien 1868.
— 13)Schetelig, On the Natives o/Formosa, {Ethnograph. Transact, Vol. VII.)
— 14) Schloenbach, Ueber Belenmites rugifer Schhenb. sp, nov. aus dem
ocenen Tuffe von Ronca. (Jahrb. der K. K. geolog. Re'ichsanstalt XVII.) —
15) Biber, Carl Vogt*8 naturwissenschaftliche Vorträge über die Urgeschichte
des Menschen. Berlin 1868. — 16) Pete rmann 's Mittheilungen. 1868. Heft XL
Gotha. — 17) Jahresbericht des Frankfurter Vereins für Geographie und Sta-
tistik. 1866/67. — 18) Bulletin de la Soci€t€ de Geographie. V' S^r. 1868.
Septembre. Paris. — 19) Revue maritime et coloniale, T. XXIV. Novembre«
Paria 1868. — 20) Murray, Journal of Travel and Natural History, Vol. L
No. 4. 5. London 1868. — 21) Zeitschrift für das Berg-, HüUen- und Salinen-
wesen in dem Preufs. Staate. Bd. XVL Lief. 4. Berlin 1868. -- 22) Jahrbuch
92 Sllraiigibericht der BeiUner gMgnpbiMhen QweUfchAlt
der K. K. geologischen Relchsanstelt. XVni. 1868. No. 3. Wien. — 28) Sia^
tele M drcoh gwgrqfico itaUaiw. Tonne 1868. — 24) Circoio geogrqfUi» Um-
Uano. R^laghne del PrmdmU C. Peroglio aW auembUa gtmeraU ordvMria dei
9oen tenuta ii 16 /«ftnkwo 1868. Torino 1868. — 26) Peroglioi Inauffura-^
stone deUa tntwa »ed» del ciroolo geogrqfico itaUano, Torino 1868. — 26) Bo-
Utim € amaes do Conselho ultram€arino, No. 84. 41. 42. 46—48. 76—77. 121.
139—141. — 27) Gaea Nator und Leben. Jahrg. IV. Heft 8. 9. Cöln 1868.
— 28) JelinelL nnd Hann, Zeitschrift der österrelehischen Oesdlaehaft Ar
Meteorologie. lU. 1868. No. 9—20. Wien. — 29) Prenfs. HandeUarchiv. 1868.
No. 46—47. Berlin 1868. — 30) Colonie- Zeitung. 1868. No. 23—82. Joinntte.
— 31) Masera, Trento, Bovereto, Biva, Arco. Tar. I. Trento. 1 Bl. Treiito
1868.
Sitzung der geographischen Gesellschaft zu Berlin
vom 2. Januar 1869.
Der Vorsitzende Herr Bastian eröffnet die Veraammlang damit, dafs er
dem iLürzlich verstorbenen Herrn von Martins einige Worte des Andenkens
widmet. Hierauf theilt derselbe mit, dafs nach einem soeben eingelaufenen
Briefe der Beisende Herr Rohlfs glücklich in Tripolis angekommen sei und dem-
nächst von dort nach Cjrene aufbrechen werde. Nachdem noch die Geschenke
durch den Vorsitzenden vorgelegt und besprochen worden waren, hielt Herr
Spiller einen Vortrag über Erdbeben. Unter der Voraussetzung, dafs alle
Weltkörper, die sich um ihre Axe drehen, hohl sind, und dafs die Erde, wie
die Zunahme der Wärme nach dem Innern hin beweist, von einer feurig -flüssigen
Masse erfüllt ist, leitet der Redner die Erschütterungen der Erdrinde von der
Bewegung jener eingeschlossenen feurig -flüssigen Masse ab. Er macht daranf
aufmerksam, dafs sich die Erdbeben besonders beim Voll- und Neumonde ein-
stellen, dafs das grofse Erdbeben auf der Westküste Amerika's vom 13. — 16. Au-
gust V. J. ebenfalls kurz vor der grofsen Sonnenfinsternifs , d. h. kurz vor dem
Neumonde stattgefunden habe, und versucht, alle bei Erdbeben vorkommenden
Erscheinungen, wie da^ Zurücktreten des Meeres, das Entstehen nnd Verschwin-
den von Quellen und Seen aus gleicher Grundursache zu erklären. Die Protn-
beranzen der Sonne, welche sich nach des Redners Annahme da zeigen, wo
vorher Sonnenflecken waren, führt derselbe auf die aus dem Sonnenkörper hervor-
dringenden Gase zurück. Schliefslich deutet er darauf hin, dafs die Milde des
gegenwärtigen Winters mit den Prozessen des Inneren der Erde möglicher Weise
in Zusammenhang stehe.
Herr Wolf er 8 macht in Bezug auf den vorangehenden Vortfag die Bemer-
kung, dafs der milde Winter des gröfseren Theiles von Europa sich dadurch
ausgleiche, dafs gleichzeitig in Haparanda — 24® R. beobachtet würden, und
dafs in Amerika der Mississippi nnd Missouri zugefroren wären.
Sitcttagsb^richt der Berliner geographischen GedeUschaft. 93
Herr Friede! legt Allerthümer von der Insel Sylt for, welche in mancherlei
Werksengen nnd Gerathen von Qoarz nnd Fenerstein bestehen, neben welchen
■lieh sertrfimmerte Töpfe, Kohlen» Asche nnd Thierknochen gefanden worden.
Der Fundort ist der Westrand der sogenannten rothen Kliffs. Der Vortiagende
1ka% durch Gründe dar, dafs alle diese Gegenstände nicht ans Gräbern, sondern
ans Wohnstätten herrühren* und weist sie der neolithischen Periode der Steinaeit
n. Von Metallen findet sich keine Spnr. Nach Allem erscheint der Bildnngs-
instand der damals Lebenden dem der Bewohner der ältesten Pfahlbauten gleich
SU sein.
Herr Wallis berichtet über seine Reisen in Südamerika im Jahre 1866,
welche sich über das Marauonthal nnd über die CordiUeren Yon Peru und Co-
himbia ausdehnten« Während der Reisende vorzugsweise botaniaehe Zwecke ver-
folgtet schenkte er auch den Eingeborenen seine besondere Aufmerksamkeit. Er
besuchte nach einander c. 500 Stämme, und wenn auch Anthropophagen darunter
waren, so rühmt er doch die Empfänglichkeit derselben für Cultar und Civilisa-
tion. Sie bethätigen dies im Ackerbau, in der Weberei und dergl. und zeigen
eine solche Ausdauer, dafs an einer und derselben schwierigen Arbeit sich nach
einander Vater, Sohn und Enkel betheiligen. Demgemäfs legt der Vortragende
dem Marauonthale eine grofse ethnographische Bedeutung bei.
Herr Dove machte auf Grund des durch Herrn v. Freden in Hambui|f über
die deutsche Kordpolar -Expedition ihm zugesandten meteorologischen Materials
darauf aufmerksam, dafs, wenn sich der NO.- und SW.- Strom der Atmosphäre
hn Ganzen compensiren, dies nicht stattfindet, sobald der erstere sich in einen
Ost- und der letztere in einen Weststrom verwandelt, indem sie dann in nord-
sfidlicher Richtung neben einander liegen. Dies Letztere war im verflossenen
Sommer der Fall und darum die Temperatur im nördlichen Deutschland um
5 Grad zu ho$h, in den Polargegenden aber um 5 Grad zu niedrig, wodurch das
Vordringen der Nordpolar -Expedition verhindert wurde. Ferner sprach derselbe
über die Fortpflanzung der Erdbebenwelle bei dem vorjährigen grofsen amerika-
nischen Erdbeben und wies nach, dalJs dieselbe die Strecke von der Westküste
Amerika's nach Neu -Seeland in 19 Stunden zurückgelegt nnd sich folglich mit
derselben Geschwindigkeit wie die Fluthwelle über den Grofsen Ocean fort-
gepflanzt habe.
Herr Hart mann macht einige Mittheilungen aus einem von Dr. Schwein-
fnrth d. d. Khartüm, den 5. November 1868 eingelaufenen Briefe. Eb werden
in demselben einige auf die Hausthierkunde Nubiens bezügliche EVagen beant-
wortet und ELlage darüber geführt, dafs das Erwerben menschlicher Schädel
grofsen Schwierigkeiten unterliege; nichtsdestoweniger will der Stamm der Eava*
bisch gegen eine Belohnung von 100 Thlm. eine Anzahl Schädel herbeischaffen.
Schliefslich wird in dem Briefe das Treiben der in Khartüm lebenden Europäer
eharakterisirt. Ein Paar Photographien Eingebomer werden zur Erläuterung vor-
gelegt.
An Geschenken langen ein:
1) Maestro, Compte-rendu des trtwaux de la VP Memon du Congri»
uUerrMthntU de atatUtique riuni h Fhrence, Elorenoe 1868. — 2) Lens, For*
jchnngen im östliehen Persien nnd im Lande fierat 1. ThL St. Petersburg
94 Silmigibericht der Berliner geogrsphlicfaen OeeeUediAft.
1868. (Basaitch.) — 3) K&sel, Die Gegend nm Backow nnd dasDUnriiiiii toh
Schlegentin. Progr. Berlin 1868. — 4) Van der Tnnk, Makiaeh hetboek.
's GraTenhage 1868. — 5) Graf Wartensleben, Jemsaleni, gegenwirtiges and
▼ergangenes. Berlin 1868. ~ 6) Bijdragm tot de teuil^, land^ en voüceMlamde
van NtderlantUek IndUi. 3. Volg. D. HI. St 1. 2. 's Qmvenhage 1868. — 7) Zeit-
schiift der Gesellschaft für Erdkunde. 1868. Heft 6. Berlin. — 8) Peter-
mann's Mittheilnngen. 1868. Heft XH. Gotha 1868. — 9) Le Glohe. Jaumal
g6ographiqu€, 1868. Mars-Jnin. Gen^e 1868. — 10) Revue maritime et eoio-
male. T. XXIV. 1868. D^embre. Paris. — 11) Mittheilnngen der E. K. geo-
graphischen Gesellschaft in Wien. 1869. No. I. — 12) Verhandinngen des bota-
nischen Vereins für die Provinz Brandenburg. Jahrg. VQI. Berlin 1866. —
13) Schweinfnrth, Vegetationsskissen ans dem sfidnnbischen Küstengebirge.
(Botan. Zeit 1868. No.50.) — 14)Prenrs. Handelsarchiv. 1868. No.48— 50.
— 15) Colonie-Zeitnng. 1868. No. 37— 30. JoinviUe.
Aufserordentliche Sitzung der geographischen Gesellschaft
zu Berlin
am 15. Januar 1869.
Der Vorsitzende» Herr Bastian, eröfihet die Versammlung » indem er den
Tod des Naturforschers James Forbes snr Anzeige bringt.
Hierauf theilt Herr Ascherson einen Brief des Dr. Schweinfurth, d. d.
Khartüm, den 18. NoTcmber ▼. J. im Auszüge mit. In dem Briefe wird, im
'Widerspruche mit der gewöhnlichen Ansicht, bewiesen, dafs Kh'artäm klimatiscb
kein ungesunder Ort sei; gegenwärtig (November v. J.) zeige sich in der Stadt
keine Spur von Krankheiten, und wenn der Gesundheitszustand der Stadt nicht
immer befriedige, so sei dies blos eine Folge der mangelhaften SanitiUspoliiei,
indem ein i OMeile grofses Feld im Westen der Stadt, das zugleich als Schlacht-
stätte und Begräbnifsplatz diene, gelegentlich seine schädlichen Ausdftnstungeii
aber den benachbarten Theil der Stadt verbreite. Der Reisende gedenkt seine
Sammlungen, die schon mehr als eine Kameeiladung ausmachen, nächstens in die
Heimath zu senden ; er selbst aber hofft in 20 Tagen von Khartüm aufzubrechen
und seine Reise in südlicher Richtung fortzusetzen.
Herr Tietjen berichtete über seine behufs der Beobachtung der Sonnen-
6n8temif8 nach Indien unternommene Reise. Die Expedition nahm ihren Weg^
über Triest, Alezandria und Suez, dann durch das Rothe Meer und den Indischen
Ocean. Auf jenem hatten sie bei der Hinreise nur ein Maximum von + 28* R.y
auf dem letzteren nur von +26* R. zu ertragen. Am 21. Juli kam man schon
vor Bombay an. Von hier aus ging die Reise mit der Eisenbahn bis Pöna und
dann weiter über Land nach Byzapur. Zum Ort der Beobachtung wählte maat
Mulwa. Am Morgen des 18. August war der anfangs heitere Himmel kurz vor
SitrangilMrieht der Beffilner geographitekeii CtoteDsehaft 95
fiatritt d«r TotaUt&t der FiDstemifs mit dichten Wolken bedeckt, und ent gegen
dM finde der Ffnstemirs entstand ein RtTs in den Wolken , der 5—8 8ecimden
dM Phänomen beobiushten liefs. Die Thennometer xeigten eine merkliche Ab-
Hnlüne. Die Eingeborenen glaubten, dafs das Gänse snm Vergnfigen des an-
wesenden OoaTemenrs veranstaltet sei und entsendeten daher eine Deputation
nit der Bitte, das Schauspiel noch einmal veranstalten sn wollen. Am 22. Au-
gust wurde nach Bidjapnr aufgebrochen, einer ehemals reichen und grofsartigen
Stadt, deren alte Bauwerke kolossale Verhaltnisse zeigen; jetst hat sie circa
10,000 Einwohner. Aufserhalb derselben ziehen sich die Trftmmer Meilen weit
hin. Die Eisenbahn fiber die Ghits, welche die Reisenden benutzten, vergleichen
ae mit der über den Semmering. Zu den Eigenthfimlichkeiten Bombays gehört
dn Hospital fftr Thiere, die daselbst bis an ihren Tod sehr sorgfUtig gepflegt
Verden. Was die Protuberanzen betrifft, so sind sie nach der Ansicht des Vor-
tragenden glfihende Dämpfe, die von der Sonne ausgehen; die ^ ganze Sonne ist
von solchen Dämpfen umgeben.
Herr Jagor erläuterte in einem Vortrage die von ihm aus den Philippinen
mitgebrachten und im Saale aufgehängten Skizzen, die sich namentlich auf Ma-
niUa und Umgegend beziehen. Der Hafen dieser durch das letzte Erdbeben fast
zerstörten Stadt wird, trotz seiner günstigen Lage, von fremden Schiffen wenig
besucht, da veraltete Verordnungen den Verkehr anfserordentlich beschränken.
Die Stadt selbst, am Pasig gelegen, ist ein trauriger Ort, das Leben daselbst
theuer und die unmittelbare Umgebung nicht schön. Dagegen ist der Aufenthalt
auf den Philippinen im Allgemeinen sehr angenehm. Die spanische Herrschaft
war, im Gegensatz zu der in Amerika, hier immer sehr milde; ein eingeborenes
Ehepaar zahlt jährlich nur eine Abgabe von 2 Thlm. 12 Sgr. und ist aufserdem
nur 40 Tage im Jahr zu öffentlichen Arbeiten verflichtet.
Herr Spill er erinnerte daran, dafs die auf ihren ersten Grund bis jetzt
noch nicht zurückgeführte Compensation der Wärme verschiedener Orte auf der
Erdoberfläche und namentlich der bisher noch nicht hinreichend erklärte Um-
itand, dafs diese Compensation theils nach Längen, theils nach Breiten statt-
findet, nicht gegen, sondern für die von ihm /infgestellte Theorie der Erdbeben
spreche. Wenn z. B. die vorjährige Nordpol -Expedition eine um 5^ R. zu nie-
drige Temperatur antraf, so lag der Grund davon darin, dafs sich in dieser Zeit
die inneren Gluthmassen wegen der Stellung des Mondes zur Erde vorzüglich
in der Aequatorialzone zusammengezogen hatten und dadurch den Ausbrach des
grofsen Erdbebens gerade dort veranlafsten. Femer beweist der höchst merk-
würdige Umstand, dafs die Erdbebenfluthwelle im Stillen Ocean von der west-
amerikanischen Küste aus nach Neuseeland genau die Zeit iune hielt, welche die
gewöhnliche Wasserfluthwelle braucht, sehr klar und bestimmt, dafs diese beiden
zusammenfallenden Wasserfluth wellen über der inneren feurig -flüssigen Welle
fiegen, und dafs sie somit alle der Gravitation des Mondes bei der Axendrehung
der Erde folgten.
Herr Maurer hielt einen Vortrag über die von ihm beobachteten Bewohner
Bosniens tmd der angrenzenden Provinzen. Unter den dort lebenden Zigeunern
unterscheid^ er zwei Rassen, nämlich eine sehr kräftige, starkknochige und
eine sehr schmächtige, feine, mit ebenmäÜBigen Gesichtszügen. Die letztere
96 SitooncilMridU d«r Berliner saognphiaohem OMelUebaft.
ut, den Antdrock der Geneinlieit abgerechnet) teluHi tu nennen i aber bebmlM
sehwnrx. Sie geberden lieh aU Mnbammedaner, gehen aber nicht in die ICoe*
heen. In Bosnien sind die Zigenner sefshafti streifen aber dabei als Aersta^
Schmiede nnd dergl. im Lande nmher. Die dortigen Jnden sind spanischer Her-
kunft nnd bedienen sich der spanischen Sprache, daneben sprechen sie das Kroa-
tische, Serbische n« s. w. accentfrei. Sie haben eine lange, eingedrflekte nnd na
der Spitae breite Nase nnd feine Lippen, im AUgemeinen eine sehr wenig semi-
tische Physiognomie. Sie sind Handwerker Terschiedener Art, besonders aber
Dragomans; fnr Nenemngen sind sie empfänglich, der Bildungsgrad der Fhmen
ist aber sehr gering. Die Kroaten nnd Serben dieser Lander unterscheiden siek
in der Sprache nur dialectisch, in der Kleidung gar nicht. Die Männer ron
beiden Stämmen sind sehr hübsch, mit herrlichen Köpfen, die Franen weniger
8ch5n. Sehr abweichend in der Sprache und im Aenfsem sind die Bewohaer
der Sagoija; man erkennt sie an ihrer stumpfen Nase und an den hervorst^Mn-
^en Backenknochen. Die Kroato- Serben diesseits der Sare weichen Ton denen
jenseits des ilusses erheblich ab; die ersteren haben mehr europäische Sitten
und pflegen, so oft sie sich niederlayen, stets zu sitsen, während die letsteren
allezeit hocken. Eigenthfimlich wird bei diesen das Kopfnicken als Vemeinung
und das Kopfschfitteln als Bejahung gebraucht.
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IV.
Zur Geschichte der Geographie.
Von Dr. Breusing,
Direetor der Stettemuuintsebala in Bremen.
(Schlafs von S. 51.)
2. Regiomontanus, Martin Behaim und der Jakobsstab.
Homboldt sagt im Kosmos (II, 297): ^Ak Vasco de Gama an
der Oatkuste von Afrika landete, fand er, dafs die indischen Piloten
in Melinde den Gebrauch der Astrolabien und Balestilhen kanntien^,
und verweist dabei auf Barros Dec. I. Lib. IV. 6. Durch Homboldt
verleitet, sagt dann Oscar Peschel (Geschichte der Erdkunde, 350):
Vasco de Gama fand den Jakobsstab bei arabischen Indienfahrern
in Gebrauch und brachte ihn 1499 nach Europa. — Bekanntlich ist
baiesiilha der portugiesische Name für den Jakobsstab, der bei den
deotschen Seefahrern „Gradstock^, bei den englischen cross-staff^ bei
den französischen arbalete hiefs.
Vergleichen wir nun aber die Stelle beim Barros, so lautet die-
selbe ^):
„In Melinde kam auch ein Maure, ein Guzarate von Geburt, Na-
mens Malemo Cana, an Bord, welcher ebensowohl des Vergnügens
wegen, das er im Verkehr mit den Unseren fand, als auch um dem
Könige von Melinde gefällig zu sein, der einen Lootsen für sie suchte,
einwilligte, mit ihnen zu fahren. Mit der Kenntnifs dieses Mannes
aber war Vasco de Gama, als er mit ihm in Verkehr trat, sehr wohl
zufrieden, besonders als er ihm eine Karte der ganzen Küste von In-
dien zeigte, die nach Art der Mauren^ nämlich in sehr kleine Meri-
diane und Parallelkreise eingetbeilt war ohne weitere Strichrose. Da
') Die Xsia des Joao Barros in wortgetreuer Uebertragung ▼on Dr. £. Feust.
l^ttmberg 1844. 4".
Zcittchr. d. GeseUsch. f. Brdk. Bd. IV. 7
98 Breoting:
nun das Quadrat Jener Meridiane nnd ParallelkreiM sehr klein war,
fand sich die Küste nach den beiden Strichen Nord^Sfid und Ost-
West sehr genau dargestellt, ohne jene yielfachen Kompaßstriche un-
serer Karte eu enthalten, wie sie anderen cur Oruodlage dient Und
als ihm Vasco de Oama das grofse hölzerne und andere metallene
Astrolabien zeigte, mit welchen er die Sonnenhöhe nahm, wunderte
sich der Maure gar nicht darüber, sondern sagte, einige Steuerleute
auf dem Rothen Meere bedienten sich dreieckiger Instrumente von Blech
nnd der Quadranten, mit denen sie die Höhe der Sonne und nament-
lich des Sternes mäfsen, den sie vorzugsweise zur Schifffahrt brauchten.
Er aber und die Seeleute von ganz Cambaja und Indien nähmen,
weil ihre Schififahrt sich sowohl nach gewissen Sternen in Nord und
Süd, als auch nach anderen groCsen Sternen, welche von Ost nach
West über den Himmel ziehen, richtete, ihre Entfernung nicht mit
ähnlichen, sondern mit einem anderen Instrumente auf, dessen er sich
bediente. Dieses zeigte er ihm auch sogleich, und es bestand aus drei
Platten.**
„Und weil ich in meiner Geographie in dem Capitel der nan-
tischeii Instrumente von der Gestalt und dem Gebrauehe derselben
handele, so genüge es hier, zu wissen, dafs sie ihnen zu derselben
Beobaohtnng dienen, zu welcher man bei uns ein Instrument
braucht, das die Seeleute den Gradstock (balestilha) nen-
nen, und von welchem gleichfalls in dem angezogenen Ca-
pitel, sowie auch von seinen Erfindern die Rede ist^.
Hat Humboldt nichts weiter sagen wollen, als dafs die indischen
Steuerleute Höbenmessungen der Gestirne gekannt hätten, so läTst sich
dagegen niohts einwenden. Sollen seine Worte aber das bedeuten,
was Oscar Peschel und jeder Unbefangene mit ihm darin findet, daüi
das Astrolabium und der Jakobsstab im indischen Oceane bei Ankunft
der Portugiesen bereits bekannt gewesen seien, so geht aus Harros
Worten offenbar das Gegentheil von dem hervor, was Humboldt darin
gelesen hat. Die Seefahrer des Rothen Meeres und des Indischen
Oceans hatten weder das Astrolabium noch den Jakobsstab ; jene ge-
brauchten dreieckige Instrumente von Blech und Quadranten, diese
ein Werkzeug, welches ans drei Platten bestand. Dafs die Portugiesen
Instrumente zur Höhenmessnng besafsen, wunderte eben deshalb den
Mauren aus Melinde gar nicht, weil sie ebenfalls zu demselben Zwecke
Instrumente, wenn auch von anderer Constraction ' ) benutzten. Barros
*) Instrument und Karte der Mauren deuten offenbar auf das Triquetrum des
Ptolemäus und die Projectian des Marinus Tyrius, die ja den Arabern längst bekannt
sein moTsten.
r
Zar Gesehichte der Gk^gruphi«. 2. Regiomontoniu etc. 9g
spricht sich darfiber ganc deatlich aus, indem er sagt: Ihre loetni-
mente dienen ihnen au derselben Beobaditang, in welcher man bei
aas ein Instroment gebraucht, weldies die Seelente den Gradstock
oennen.
Vasco de Gama aber hatte nm so weniger ndthig, den Oradstock
oder Jakobsstab nach Europa au bringen, als dieser dort schon seit
einem Menschenalter benutet wurde, und «war ist sein Erfinder kein
geringerer, als der grojbe Astronom Johannes Malier, nach seinem
Geburtsorte Regiomontanus genannt. Er giebt die Beschieibnng des-
«elben in der von ihm, wie man glaubt, bei Gelegenheit des im Jahre
U72 erschienenen groben Kometen yerfafoten Schrift ■), die yon Joh.
Schoner in Nürnberg saerst 1531 allein und dann später mit mehreren
anderen Schriften Regiomontanus vereinigt noch einmal im Jahre 1544
heraasgegeben wurde. Es heifst dort im Probl. XII:
„Um den scheinbaren Durchmesser eines Kometen su bestimmen,
nehme man einen glatten Stab AB und theile ihn von A ans in gleiche
Theile, je mehr desto besser. Befestige an ihm unter rechtem Winkel
Tcrschiebbar einen Querstab CD^ dessen beiden Arme gleich lang
sein müssen. Theile ihn genau in eben solche Theile, wie rie anf
dem Stabe AB eingeschnitten sind; befestige in den Punkten A und C
und D drei feine Yisiernadeln , und das Instrument ist fertig. Die
Beobachtung aber geschieht so: Lege das Ende A an das rechte Auge,
Bchlieise das linke, richte den Längsstab A B anf den Mittelpunkt des
Kometen und verschiebe den Querstab bis er den Durchmesser des
Kometen gerade deckt. Darauf lies die Anzahl der Theile ab, wekhe
swischen dem Punkte A und dem Qaerstabe CD liegen und gehe
damit in eine eigens dafür bestimmte Tafel ein, deren Berechnung ich
an einem anderen Orte erklären werde, und du findest den Durch-*
messer des Kometen.^
Diese Beschreibung des Gradstockes ist so verständUcb, dafs es
nicht einmal nöthig erscheint, die Figur beizufügen, die der lateinische
Text enthält. Nur mag erwähnt werden, dafs Regiomontanus den
Qaeistab in 210 Theile theilt und dafs die Theilung auf dem Längs-
stabe bis zu 1300 geht. Was die erwähnte Tafel betrifft, so unter-
liegt es wohl keinem Zweifel, dafs damit die Tafel der trigonometri-
schen Tangenten gemeint ist, auf der ja die Berechnung der Winkel
bei diesem Instrumente beruht und die unter dem Namen > y^Tabula
foeeunda^ von Regiomontan in die Wissenschaft eingeführt ist
Wenn aber diese Schrift über den Kometen wirklich erst im Jahre
*) Johannis de Monteregio: De cometae magnitudine longitudineque ac de loco
e;»t vtro problemaia XVI.
. 7#
^
100 Breoting:
1472 abgefa&t ist, so mafo die Erfindung des Oradstoekes doch schon
froher fallen. Denn in den von Schoner im Jahre 1544 heraiugege-
' benen Beobachtungen Regiomontan'a findet sich anter dem Jahre 1471:
Die 9. Septembris mane Mars ab humer o dexiro Orionis 210 : 674;
a capiie Gemini praeced. ^ septentr. 210 : 662.
wo die Zahl 210 die des Qnerstabes am oben beschriebenen Orad-
stocke ist. E^ geht aus dieser Beobachtung augleich hervor, dads Re-
giomontan mit dem Jakobsstabe keineswegs bloüs den Dnrchmesser
des Kometen gemessen hat, sondern dafs er ihn schon zu der noch
von Tycho Brahe h&ufig angewendeten Ortsbestimmung eines Ge-
stirnes durch Messung seines Abstandes von zwei anderen benutzte.
Wahrend seines Aufenthalts in Nürnberg (1471 — 1475) hatte Be-
giomontan in dem reichen Bürger Walther einen Freund und Schüler
gefunden, der die Mittel zur Anfertigung mathematiBcher und astro-
nomischer Instrumente lieferte und sogar eine eigene Druckerei grün-
dete, um die Schriften seines grofsen Lehrers zu veröffentlichen. Aber
der frühzeitige Tod desselben liefs die gehegten Entwürfe nicht zur
Ausführung gelangen. Walther blieb im Besitze von Regiomontan'e
Instrumenten und handschriftlichen Werken, benutzte jene auch ferner
zu fleifsigen Beobachtungen, hielt diese aber geheim und Jedermann
nnzugfinglich. Und als bei seinem im Jahre 1504 erfolgten Tode der
Nachlafs von den Erben verkauft und die wertbvollen Instrumente
an Handwerker um den Metailwerth zum Einschmelzen verschleudert
wurden, war es ein Glück für die Wissenschaft, dafs der Rath der
Stadt wenigstens die Handschriften erwarb, so dals sie nun von den
Gelehrten benutzt und später theilweise auch noch veröffentlicht wur-
den. Der Nürnberger Mathematiker Johannes Werner fand darin
eine unvollendete Uebersetzung der Geographie des Ptolemäus, arbeitete
das 1. Buch derselben um und gab es im Jahre 1514 mit Anmerkun-
gen und Zusätzen versehen heraus '). In diesem Werke nun wird,
wie allgemein bekannt ist, zum ersten Male der Vorschlag gemacht,
geographische Längen durch Monddistanzen zu bestimmen, und zu ihrer
Beobachtung der Jakobsstab empfohlen. Werner zeigt die Construc-
tion desselben auf geometrischem Wege und bringt dabei die Ver-
besserung an, dafs die Gröfse des Winkels, wie sie sich aus der Stel-
lung des Querstabes ergiebt, unmittelbar auf dem Längsstabe abgelesen
*) Nova translaiio primi libri geographiae Cl. Ptolemaei. Fol. Norimbergae
1614, zugleich mit mehreren anderen Schriften Wemer's. Auf Fol. i. verso findet
sich: Johannes de Regiomonte reliquit geographiae Cl. Ptolemaei novam inlerpre-
tationem atque ejusdem geographiae primi libri commentationem^ quam ego ex tntegro
componens, nii praefatua fueram^ complevi edidique. Es wird sich schwerlich aus-
machen lassen, was in diesem "Werke Eegiomontan und wa« Werner gehört.
Zar Geschichte der Geographie. 2. Regiomontanns etc. 101
wird. Diese Gonstmetion ist denn auch nnver&ndert in alle Lehr^
bücher der Naatik and Kosmographie übergegangen. Das Instrument
wurde von den Astronomen Apianus, Schoner, Gemma Frisias n. a.
in besonderen Abhandlangen beschrieben und empfohlen and brach
sich bald allgemein Bahn. Regiomontan hatte ihm keinen Namen
gegeben; in Walther*s Beobachtungen beifst es recianguhim astrono-
wncum; Werner nennt es radius i>isoriu$ oder observatorius ; Apian
baculus astranomicus and radins astronomicus ; letzterer Name ist dann
unter den Astronomen der gcbrfiuchliche geworden. Aach in nicht
Mtronomischen Kreisen fand es Aufnahme and Verbreitang. In des
Oppenheimer Stadtsehreibers Jakob Köbel: ^Geometrey^ ^) finde ich
liierst den Namen: Jakobsstab. Woher derselbe genommen sein mag,
ist unbekannt. Schwerlich wird KöbeFs Vorname dazu Veranlassung
gegeben haben; sollte vielleicht darin eine Anspielung auf Genesis
32, 10 liegen, auf den atlantischen Ocean als Jordan, and die neae
und die alte Welt als die beiden Heere? Dafs die Spanier diesen
Namen spfiter gern gebrauchten, erklärt sich daraas, dafs St. Jago ihr
Nationalheiliger ist.
Obwohl von allen erwähnten Schriftstellern Niemand des Regio-
montan als eigentlichen Erfinders gedenkt '), so war derselbe als sol-
cher doch noch nicht so vollständig vergessen, als dies heutzutage der
Fall ist; und es ist von besonderer Bedeutung für uns, dafs sich ge-
rade in Portugal sein Andenken erhalten bat. Nonius sagt in seinem
Werke: De regviis ei instrwnentis (Conimbr. 1546) Lib. II. Cap. 6,
wo er den Gradstock beschreibt: E^ys fabricam atque u$um tradidit
Johannes de Monieregio in Hbro de Cometa.
Wenn man bedenkt, dafs der Jakobsstab während dreier Jahr-
hunderte nebst dem Kompafs das wichtigste Werkzeug in den Händen
der Seeleute gewesen ist, so wird man es schon deshalb verzeihlich
finden, dafs ich mich über Ursprung und Namen desselben so weit
verbreitet habe. Aber das Vorstehende wird ein erhöhtes Interesse
gewinnen, wenn dadurch eine in der Geschichte der Geographie viel
besprochene Frage, wie ich glaube, ihre Lösung findet, die Frage näpi-
lich nach dem Antheile, den unser berühmter Landsmann Martin Be-
haim an der bekannten astronomischen Junta genommen hat, die von
'} Jakob Köbel: Geometrey, vom kUnntlichen Mesflen u.s.w. Mainz 1536. 4*.
') Besonders anfnUlig ist dies bei Werner und Apian. Sollte sich auf sie be-
ziehen, was Schoner in: Tractatus Georgii Purhackii etc. Korimberg. 1541. Fol.
Bit Beziehong auf die Ausnutzung der Schriften Regiomontanns sagt? Admirttti4m€
dignum ttt, fuisse quosdamf qui hujiu doctissimi viri laboresj tanqvam ingenii sui
foeluras, sui nominia inscriptione ^ suppresso interim nomine Regiomontani publicare
non embverintf «eeu# facitnUB^ quam facert dtctt honot vircf.
102 BremiiBf:
d«Bi Könige Johann IL tob Portogai niedergeftetit wurde, iiid den
poitogieebchen Seeleuten das ^Fahren nach Sonnenhöhen* sn lehren.
Der uiaprfingliche Beriehteretmtter Barroa, den alle späteren ohne
eigentliehe KenntnUe dessen, woranf es ankommt, aosgeechrieben haben,
sagt darüber in der Aßia Dee. I. Lib. IV. Gap. 3 Folgendes:
«Das erste Land, wo er (Vaseo de Oama) vor seiner Ankunft
am Vorgebirge der guten Hoffnung anlangte, war die Bai, die wir
jetst St. Helena nennen, fünf Monate nachdem er von Lissabon ab-
gesegelt war, und hier stieg er an das Land um Wasser einzunehmen
und Eugleich die Sonnenhöhe cu messen. Denn da sich die Seeleute
dieses Reiches erst seit kurzer Zeit xu diesem Geschäfte des Astro-
labiums bedienten und die Schiffe klein waren, so getraute er sich
wegen des Schlingems derselben nicht recht die Höbe an Bord su
nehmen, besonders mit einem hölzernen Astrolabium von drei Palmen
Durchmesser, das man auf einem Dreifufse befestigte, um die Sonnen-
Itnie besser bestimmen und die wahre Höhe jenes Ortes genauer und
richtiger angeben zu können, obwohl man auch kleinere Astrolabien
von Messing hatte. So einfach begann diese Kunst, die der Schiff-
fahrt so sehr fruchten sollte. Und weil dieselbe in diesem Reiche
zuerst auf die Schifffahrt angewendet wurde, so wird es nicht un-
passend erscheinen, wenn ich (obwohl ich in meiner Geographie in
dem ersten Buche diesen Gegenstand ausfuhrlich behandele) berichte,
wann und von wem sie erfunden wurde, da diese Arbeit nicht weni-
ger lobenswerth ist, als die anderer neuer Erfinder, welche zara Ge-
brauche der Menschen dienliche Sachen hergestellt haben. *^
jtZvLv Zeit als der Infant Heinrich die Entdeckung von Guinea
begann, geschah alle Schifflfahrt längs der Küste, die sie zur Richt-
schnur nahmen; von dieser hatten sie ihre Kenntnifs nach Zeichen,
aus denen sie „Segelan Weisungen^ machten, wie man sie ähnlieh noch
jetzt in Gebrauch hat; und für jene Art zu entdecken genögte dies.
Aber sobald sie die entdeckten Reiche so befahren wollten, dafs sie
die Kfiste aus dem Gesichte verloren und in die Gbhe See steuerten,
erkannten sie, wie sehr sie sich in der Schätzung und Bemessung
nach Tagfahrten, die sie auf ihre Weise dem Schiffe auf 24 Stunden
Wegs beilegten, sowohl in Folge der Strömungen als anderer Ge-
heimnisse, die das Meer birgt, dem Irrthume aussetzten, während die
Sonnenhöhe den wirklichen Weg ganz zuverlässig angiebt. Wie nun
die Noth alle Künste lehrt, so vertraute der König Johann II. dieses
Geschäft in seiner Zeit dem Meister Rodrigo und Meister Josepe,
einem Juden, beide seine Aerzte, und einem Martin von Böheim an,
der aus jenem Lande gebürtig war und sich rühmte, ein Schüler des
Johannes Regiomontanus zu sein, "^ines unter den Kennern dieser
Zar Geschichte der 6eognq;iliie. 2. Regiomontanas etc. |08
Wiaseasebaft berfihmteD AstroaoaieD. Diese erfanden nun diese
Weise, nach den Meridianhöhen der Sonne in fakren —
ond machten hierüber Tafeln nach der Abweichung derselben — wie
es jetst onter den Seeleuten im Brauche ist, und zwar ge-
nauer als SU Anfang, wo man sich noch dieser grofsen hol-
xeroen Astrolabien bediente.^
Man mufs Ohillany Recht geben, wenn er in seinem Leben Martin
Bebaims klagt, dafs Barros in diesem Berichte nicht gans klar ist '}•
Und doch scheint es nicht unmöglich, Elariieit in die Sache su bringen.
Es war der Junta die Aufgabe gestellt, Mittel an die Hand lu
geben, wie man die Breite aus Meridi&nhohen der Sonne bestimmen
könne. Nun verlangt diese Aufgabe zu ihrer Losung die Kenntnilk
Ton zwei Orofsen, deren eine die Mittagshöhe und deren andere die
Abweichung der Sonne ist. Ist eine dieser beiden GröHsen ungenan,
80 geht diese Ungenauigkeit mit ihrem ganzen Fehlerbetrage in die
Brdtenbeetimmung über; wo also die Möglichkeit eines Fehlers am
gröfsten war, da hatte die Junta ihr Hauptaugenmerk auf Abhülfe «u
richten. In dieser Besiehung aber waren die beiden Gröften einander
sehr ungleich. Was die Abweichung der Sonne betrifft, so gaben
selbst die Alfonsinisehen Tafeln — von denen Regiomontan's gan«
zu schweigen — den Ort der Sonne damals sdion so genau, dafi» der
Fehler sich nur nach Minuten berechnete; hätte es sich nur um dieses
sBlronomische Element gehandelt, die Breitenbestimmungen im Zeit-
alter der £«ntdeckungen h&tten unmöglich um ganze Grade fehlerhaft
sein können, wie sie dies doch thatsfichlich waren. Die hauptsfich-
liehe, man möchte sagen, die einzige Schwierigkeit lag in der Beob-
achtung der Sonnenhöhe, lag in den zu der Höhenbeobachtung ge-
branohten Instrumenten, denn die kleinen Berichtigungen für Strahlen*
breehnng a. s. w., die damals audi noch wenig bekannt waren, falieo
hierbei gar nicht in's Gewicht. Nun braucht man aber den Bericht
bei Barros nur ganz oberflächlich zu lesen, um sofort zu erkennen,
dafis auch dieser die Instrumente in den Vordergrund stellt. Nur ein-
tmal, im letzten Satze, wo ihm einfällt, dafs die Höhenmessung nicht
das einzige für die Breitenbestimmung nöthige Element ist, erwähnt
er nebenbei und recht eigentlich in Parenthese, die Junta habe selbst-
') 'Besonders, wenn man so unrichtig Übersetzt, wie Ghillany dies thut. Er
behtnptet, Barros sage: Das Astrolabium sei zuerst in Portugal zur Schifffahrt be-
Botit. Davon steht im Barros nichts. Dieser sagt im Gegentheil: »So einfach, mit
dem Astrolabium, begann diese Kunst, die — mehr ausgebildet — der Schifffahrt
•0 sehr fruchten sollte. Und weil diese — so vervollkommnete — Kunst in diesem
Beiehe snertt auf die Schififahrt angewendet wurde*" u. s. w. Verglaieht d«ii g«^
«pmcan Tast oben.
104 BremsiDg:
Teretindlich «neh Tafeln für die Abweichung der Sonne berechnet.
L&fot man diesen Zwiechensats weg, so heifst es:
,, Diese erfanden nan diese Weise nach den Meridianhöben der
Sonne su fahren, wie es jetzt anter den Seeleuten im Branche ist, and
swar genauer als sa Anfang, wo man sich noch dieser hölzernen
Astrolabien bediente^.
Mag man auch sonst aber die Unklarheit des Berichts Klage za
führen Ursache haben, aber den Sinn dieses Satzes kann kein Zwdifel
sein. Barros sagt ganz deatiich : Die Junta habe die Weise zn beob-
achten gefunden, wie sie zu seiner Zeit, wo er schrieb, unter den
Seeleuten üblich war, und diese jetzt gebräuchliche habe den Vortheil
der gröfseren Genauigkeit vor der früher im Gebrauch gewesenen Be-
obachtung mit Hülfe von Astrolabien. Barros sieht den Gegensatz
zwischen früher and jetzt allein in den angewendeten Instrumenten.
Und was war die Beobachtungsweise der Seeleute zu der Zeit,
als Barros schrieb? Wir verweisen in Bezug darauf auf die im Ein-
gänge mitgetheilte Stelle, wo es hiefs:
„Die Seeleute im rotben Meere und indischen Oceane bedienen
sich ihrer Instrumente zu derselben Beobachtung, zu welcher man
bei uns ein Instrument braucht, welches die Seeleute den
Gradstock nennen.^
Es unterliegt für mich keinem Zweifel, dafs Martin Behaim, der
sich rühmte, ein Schüler Regiomontans zu sein, das Instrument Re-
giomontans, den 'Gradstock, in die portugiesische Marine einführte.
Und so hat Barros Recht, wenn er sagt, diese neue Kunst sei in Por-
tugal zuerst auf die SchifF&hrt angewendet worden.
Er hätte es nicht sagen dürfen, wenn er von der Beobachtang
mit dem Astrolabium gesprochen hätte. Raymundas Lullus in seiner
Arte de navegar hatte zwei Jahrhunderte vor Behaim das Astrolabium
beschrieben, und in der Marine der) Catalanen und Mayorkaner waren
seit langer Zeit nautische Instrumente üblich , um die Zeit durch Stem-
höhen zu finden. Barros sagt selbst, wo er von dem Gebrauche der
messingenen und hölzernen Astrolabien spricht: „So einfach begann^
diese Kunst. ^ Es sind ihm das nur die Anfänge, und nicht ohne
einen Anflog von Nationalstolz weist er darauf hin, dafs die vervoll-
kommnete Kunst des Beobachtens — wie sie jetzt unter den Seeleuten
in Gebrauch ist, und zwar genauer als zu Anfang, wo man sich noch
der hölzernen Astrolabien bediente — zuerst von seinen Landsleuten
geübt ist
Wüfsten wir das auch nicht von Barros, wir könnten es ander-
weitig nachweisen. Um dieselbe Zeit, wo der Portugiese Nonius
schrieb, dafs der von Regiomontan erfundene Gradstock zum Beob-
Zar Greschichte der Geographie. 2. Regiomontanus etc. 105
achten »of See diene, erschien in Spanien das seiner Zeit berühmte
Werk von Medina über Steuermannskunst. Er beschreibt das Astro*
labiam, aber den Oradstock kennt er noch nicht.
Vielleicht läfst sich noch mehr ans dem Berichte bei Barros, wenn
jwch nur zwischen den Zeilen lesen. Als die Junta zusammengesetst
warde, sah ma^ sich nach solchen M&nnern am, die von verschiedenen
Seiten her vollständige Sachkenntnifs herbeibringen konnten. So wird
I^i^o gewählt sein, weil er mit den nautischen Kenntnissen der Ca*
taianen and May orkaner vertraut war; Josepe, der Jade, wie Barros
eigens deshalb hinzusetzt, weil er die astronomischen Schriften der
Araber lesen kannte ; endlich Behaim, weil er aus dem Lande stemmte,
welches die Wiege der neueren Astronomie war. Es ist nicht unwahr-
scheinlich, dafs die beiden ersteren das damals schon gebräachliche
Afitrolabiam empfahlen and die gröfsere Genauigkeit durch die Ver-
gröDserung des Instruments erzwingen wollten, denn bei grofserem
Halbmesser war allerdings eine genauere Ablesung möglich. Bisher
waren sie ans Messing gemacht, aber wegen des sonst zu grofsen Me-
tallgewichts nur in kleinerem Mafsstabe aasgeföhrt So schlugen sie
denn hölzerne Astrolabien vor, und als Vasco de Gama seine Reise
aotrat, nahm er, aufser den gewöhnlichen kleineren, messingenen Astro-
labien auch ein grofseres hölzernes an Bord. Aber auf See liefs sich
ihre Genauigkeit nicht vergleichen. Ihr Grundubel lag darin, dafs sie
aaf dem schaukelnden Schilfe, selbst wenn sie in freier Hand gehalten
worden, fortwährend hin und her schwankten. Wurde nicht die ge-
nauere Ablesung des gröfseren Instruments durch dessen gröfsere
Schwankungen wieder aufgehoben? Um dies zu untersuchen, nahm er
in der Nähe der St. Helena Bai einige Mittagshöhen auf See und stieg
dann an das Land, wo der feste Boden eine sichere Aufstellung ge-
stattete. Und hier fand er, was er finden mufste, dafs die Beobach-
tongen, welche er in See mit dem grofsen Astrolabium gemacht hatte,
ebenso, wenn nicht noch ungenauer waren, als die mit den kleineren.
War Behaims Vorschlag auf Einführung dus Gradstocks vorher nicht
durchgedrungen, nach diesen Erfahrungen Vasco de Gama's mufste
man sich entschliefsen. Versuche damit anzustellen. Die Uebung liefs
seine grofsen Vorzüge erkennen, und Portugal erwarb sich das Ver-
dienst, das neue Instrument zuerst in die Schifffahrt eingeführt zu
haben.
Es darf uns nicht Wunder nehmen, dafs der Gradstock nicht so-
fort allgemein Eingang gefunden hat and z. B. in Spanien noch um
da$ Jahr 1550 unbekannt war. Hat es doch mehr als 50 Jahre be-
durft, ehe ein im Verhältnifs ungleich vollkommeneres Instrument, als
es der Gradstock im Vergleiche mit dem Astrolabium war, ehe der
106 Breiiiing:
Hadiey'flche Spief^eloctant den Oradstock and den Dansqnadranteii
▼erdW^ngt hatte.
H< man noch einoial Alles zneammen: An der einen Stelle er»
sählt Barros, dafs er in dem ersten Boche seiner Geographie ^Ton den
BrBndem der nenen Beobachtangskunst^ sprechen wolle, an einer an-
deren Stelle, dafs er in diesem Buche ^von den Erfindern des Orad-
Stockes^ sprechen werde; dafs er bei Erwähnung Martin Bebaims auf
Regiomontan hinweist und dafs Nonius, der am dieselbe Zeit wie Barros
sdirieb, anter den Instromenten, welche die Seefahrer damals braodi-
ten, ebenfalls den Oradstock and aosdrucklicb den Regiomontan als
seinen Erfinder nennt — ich möchte glauben, der Antheil, den Martin
Behaim als Mitglied der astronomischen Junta an der Porderong der
Scbifffahrt gehabt hat, ist damit mehr als wahrscheinlich gemacht.
Man möge es mir erlassen, solche Behauptungen zu widerlegen,
wie die, dafs Behaim ein grofses Astrolabium an den Mast befestigt
habe. Solche Abgeschmacktheiten sollte man nicht einmal einem Ma*
trosen zomothen, und in Barros Schriften ist davon kein Wort zu lesen.
Und wenn Ghillany die Vermuthung wagt, Behaim könne Tielleieht
das Meteoroscopinm des Regiomontan für den Seegebraoch eingerichtet
haben, so zeigt dies nur, dafs es ihm an jeglicher Sachkenntnifs dessen
fehlt, worauf es gerade bei nautischen Instrumenten ankommt. Nor
ein einziger Punkt könnte noch der Erörterung unterliegen, die Frage
nfimlich, ob Regiomontan Behaims Lehrer gewesen sein könne. Aber
gerade diesen Punkt hat Ghillany bis zur Evidenz erledigt: ^Es ist
nicht der entfernteste Grund vorhanden, die eigene Aussage Behaims,
dafs er ein Schuler Regiomontans gewesen sei, in Zweifel zo ziehen.*
^. Die Catena a poppa bei Pigafetta und die Log^e.
Im Kosmos IL, 469 Anm. 65 sagt Humboldt:
Die Messung der gesegelten Distanz durch Auswerfen der Logge*)
ist, wenn auch das Mittel an sich unvollkommen genannt werden mofs.
*) Humboldt sagt „das Log*, aber die deutschen Seeleute nennen das Werk«
zeug «die Logge*, und deshalb habe ich das deutsche Wort statt des undeutschen
in den Text gesetzt. Auch in England hatte man noch bis um die Mitte des
1 7. Jahrhunderts neben the log die Form tke logge ^ und zwar kommt das letztere
Wort vorzugsweise in der Bedeutung unseres „Loggescheits* oder «Loggebrets* Tor.
So hat z. B. Norwood in seinem durch die darin mitgetheilte Gradmessung be-
rühmten Werke: The Seamans Practice (London 1686) auf S. 55: And although he
which veeres the Logline he carefull to orerhale it so tlacke, that it mag not draw
forwards the Logge, gst no doubt it doth loöse some wag. Sollte unsere SeemannS'
spräche schon um diese Zeit das ursprünglich unzweifelhaft englische Wort auf-
genommen und so bewahrt haben? Jedenfalls ist es in seiner deutschen Form sprach-
lich richtig gebildet. Wie fag zur Flagge und dog zur Dogge wird, so mnfs log
deutsch zur Logge werden.
r
Zar Gktehichte der Geographie. 3. Die Catena a poppe. 107
doch FOD so groOier Wichtigkeit i9r die Kenntnifs der Schnelligkeit
QDd Richtong oceanischer Stromangen geworden, dafs ich sie su einem
Gegenstände sorgfältiger Untersudiongen habe machen müssen. — Es
ist io allen Schriften über Schifffahrtskande, die ich untersucht, die
irrige Meinung Ferbreitet, als sei die Logge aar Messung des suruck-
gelegten Weges nicht früher angewendet worden, als seit dem Ende
des 16. oder im Anfange des 1 7. Jahrhunderts. Die erste Anwendung
des Loggens finde ich in einer Steile von Pigafetta's Reisejournal der
Magellanischen Weltumsegelung, das lange in der Ambrasianischen
Bit^thek in Mailand unter den Handschriften vergraben lag. Es
bdbt darin im Januar 1521, als Magellan schon in die Sudsee gelangt
war: Seconda la mUura^ che facevamo del f>iayg\o coUa catena a poppa
toi percorrevamo da 60 in 10 leghe al giorno. Was kann diese Vor-
richtang der Kette am Hintertheil des Schiffes, ^deren wir uns auf der
ganten Reise bedienten, um den Weg za messen^') anders gewesen sein,
als eine unserer Logge Shnliche Einrichtung?
Humboldt spricht hier die ursprünglich von AmoretU, dem Heraus-
geber des Pigafetta'schen Tagebuches aufgestellte Behauptung,*) dais
die eaUma a poppa unsere Logge sei, so zuversichtlich nach, dads man
nicht geglaubt hat, daran zweifeln zu dürfen, und doch verhält sich
die Sache anders. Die caiena a poppa^ die wir zu deutsch am besten
mit „Schleppleine^ wiedergeben, diente dazu, den Kurs des Schiffes
genau tu bestimmen. Der Kurs aber wurde dazu benutzt, um die
Distanz zu messen.
Um dies nachzuweisen, mufs ich einen kurzen Ueberblick über die
Httlfsmittel geben, die dem Seemann- von den ältesten Zeiten an bis
ur Pigafetta zu Gebote gestanden haben, um den Ort des Schiffes auf
der See zu bestimmen. Das erste und viele Jahrhunderte hindurch
^ einzige war die Schätzung der gesegelten Distanz. Erst mit der
Erfindung des Kompasses wurde es möglich, neben der Oröfse des zu-
rockgelegten Weges auch seine Richtung genau zu bestimmen; und als
eDdlich die Metboden der astronomischen Ortsbestimmung hinreichend
vervollkommnet waren, konnte der Seemann mit Hülfe des gesegelten
Kurses auch die Distanz abmessen.
' Schon im Alterthume rechnete man nach Tagfahrten, indem man
die Distanz schätzte , welche das Schiff während 24 Stunden zurück-
pAtigL hatte. Die Möglichkeit, eine solche Schätzung auf hoher See«
vo sich dem Auge nichts als Luft und Wasser zeigt, mit einiger
') Durch die Anftthrungszeichen scheint Humboldt andeuten zu wollen, es seien
^ die eigenen Worte Pigefettas. Ich finde sie aber im ganzen Tagebuche nicht
*) Ameretti: iVimo viaggio ttc. (Milano ISOO. 4''.) p. StS.
108 Breasing:
Sicherheit voraehmea en können, mag Manchem zweifelhaft yorkom-
man, und doch ist es Thatsache, und Jeder, der einmal eine Ifingere
Seereise gemacht bat, wird es bestätigen, dafs der erfahrene Schiffer
diese P&higkeit in hohem Grade besitzt. Und es ist gerade die Schiff-
fahrt in ihrem noch unentwickelten Zustande als blofser KüstenÜEibrt,
welche dem Seemann von Alters her die beste Gelegenheit bietet, sich
darin zo nben. Dorch die Fahrt zwischen Eüstenpunkten , deren ge-
genseitige Entfernung bekannt ist, lernt man ans der Bewegung des
Schiffes durch das Wasser auf seine Geschwindigkeit schliefsen, und
das mittelländische Meer, wo keine Strömungen in bestimmter Richtan^
vorherrschen, eignet sich zu dieser Beobachtung ganz besonders. In
dem niederdeutschen Werke über die Steuermannskunst von P. von der
Horst (Lübeck, 1673. 4.), dem ersten, welches in Deutschland erschie-
nen ist, heifst es im zweiten Hanptstücke, welches davon handelt:
,,u-o man den Weg des Schepes sal gissen^^^ auf die Frage:
^^Warhy kan men tteien^ u>at Fahrt dai ein Schip in de See
tnaketr'
,yfVe» men erst mit ein Schip tithfaret und men langest de WaU
(der Küste) ofte siinst van ein Land na dat ander segelt^ dar men
weet^ tro feren dat de ein Plats ran den andern gelegen is, ook dat men
weet, dat dar wenig Strom gaht, so mut men Achtunge hebten, in wo
veel Tieds men mit solkem Fortgang desüMgen Milen segelt,^'
Man sieht, dafs diese einfache Methode, die Geschwindigkeit des
Schiffes schätzen zu lernen, so alt sein wird, wie die Schifffahrt selbst
Begreiflich wird sie anfangs weniger genau und von Hause aus am
so ungenauer gewesen sein, je weniger genau die gegenseitige Entfer-
nung der Kostenpunkte bekannt war, und es darf uns darum nicht
Wunder nehmen, dafs die Angaben über die durchschnittlichen Tag-
fahrten eines Schiffes, wie sie sich bei den alten Schriftstellern ver-
zeichnet finden, sehr verschieden sind. Aber doch waren diese Tag*
fahrten das einzige Mittel, welches der Seemann besafs, um sich über
seinen Ort auf hoher See zu vergewissern, wenn er einmal die Küste
verlassend quer über das Mittelländische Meer fahren mufste. Und er
hätte damit immerhin zu einem leidlich befriedigenden Ergebnifs ge-
langen können, wenn ihm nicht leider das zweite zu dieser Art der
Ortsbestimmung nöthige Element, die Kenntnifs des eingehaltenen
Kurses gefehlt hätte. Bei der mangelhaften Mechanik der Scfaiffs-
takelung war die Benutzung eines Seitenwindes oder, wie der Seemann
sagt, das ^Segeln am Winde ** im Alterthume nicht bekannt, und so
mufste man im Hafen warten, bis der Wind gerade nach dem Be-
stimmungsorte hinwehte. Hielt nun der Wind an, so konnte man
allerdings mit Hülfe der Tagfahrten nicht nur den ungef&hren Ort,
Zur Geschichte der Geographie. 3. Die Catena a poppa. 109
wo mui sich in See befand, Aondem aaoh den Abstand zwischen dem
Ab&hrts- and Bestimmungsorte mit einiger Sicherheit berechnen. Aber
solche Fälle bildeten die Ausnahme, und wie rathlos man dei der Di-
Btancberechnung war, wenn das Schiff nicht auf geradem sondern auf
gebrochenem Kurse segeln mufste, davon können wir als schlagendes
Beispiel auffahren, dafs der grofse Geograph Ptolemäus unter solchen
Umständen, um den geradlinigen Abstand zu erhalten, die auf Um-
wegen gesegelte Distanz einfach um ein Drittel zu kurzen pflegte, ein
Terfahren, das selbstverständlich jeder wissenschaftlichen Methode bar
ond ledig ist Trotzdem konnte im Alterthume bei dem groüsen Mangel
an astronomischen Beobachtungen die geographische Lage der Orte in
den meisten Fällen nur auf diese Weise durch ^Gissung^ d. h. erfah-
rapgemäfsige Schätzung der Distanzen festgelegt werden.
Eine neae Zeit brach an, als Flavio Gioja durch Erfindung des
Scbiffskompasses dem Seemann ein Werkzeug in die Hand gab, wo-
darch es ihm möglich gemacht wurde, einen festen und bestimmten
Kars einzuhalten. Hatte er sich bis dahin damit begnügen massen,
oor die Grofse des zurückgelegten Weges und auch diese nur nach
dem AogenmaOse zu veranschlagen, so konnte er jetzt wenigstens die
Rlcbtang desselben genau beobachten. An die Stelle einer blofsen
Schätzung trat eine wirkliche Messung, und durch die Anwendung der
Loxodrome nahm die Ortsbestimmung einen ungeahnten Aufschwung.
Lange bevor diese für die Schifffahrt so wichtige Linie ihren Namen
erhielt und auf ihre Eigenschaften wissenschaftlich untersucht wurde,
verstanden die Hydrographen des Mittelmeeres sie zu benutzen, und
wie grofs der Erfolg war, das zeigen uns ihre Karten, die durch ihre
Schönheit and Genauigkeit noch heute das Staunen des Kenners er-
regen.
Auch kann erst seit dieser Zeit von einer eigentlichen Steuer-
mannskunst die Rede sein. Wir haben oben erwähnt, wie willkürlich
man im Alterthume verfuhr, um aus mehreren auf gebrochenem Kurse
gesegelten Distanzen den geradlinigen Abstand zwischen Anfangs- und
Endpunkt abzuleiten. Jetzt bildete sich dafür jsine wissenschaftliche
Methode, die der deutsche Seemann als das „Koppeln^ der Kurse be-
zeichnet. Auf der loxodromischeo Karte von Andrea Biancho (1436)
findet sich eine Tafel, Toleta de Marteloio genannt*), die genau der
s Strichtafel ^ in unseren Handbüchern der Steuermannskunst ent-
spricht:
*) Vergl. Vinc. Fonnaleoni: Saggio auUa nautica aniica de Venetiani. Venet.
1788. p. 9.
JIO Br«tttiBg:
3mma de mmtteMo ptit kaemäer:
per «HM quaria do vetUo a iargo e atmiteo
mim 20 98
per 2 38 92
per 3 65 83
per 4 71 71
per 5 83 55
per 6 92 38
per 7 98 20
per S 100 0
Man siehl, dafs diese Tafel angiebt, wie viel man mit 100 Meilen
Fabrt anf einem seitlichen Korse voraas (meaneo) and wie Tiei man
car Seite (a largo) kommt Dadurch erhielt der Seemann die Ifog*
lidbkeit, alle seine im Zickzack gesegelten Distanzen anf die gerad-
linige an besiehen. Er konnte jeden Augenblick seine ^Abweitong^
Tom geradlinigen Knrse berechnen, and wufste, wie viel Meilen er
bei der ersten gSnstigen Gelegenheit wieder seitlich sa machen hatte,
am zum directen geradlinigen Kurse zurückzokehren. Wie fhidtbar
Reehnungsmethode fSr die Loxodrome und damit f&r die Orts-
gewesen ist, davon liefern eben jene Karten den beaten
Beweis.
Aber selbst IBr die Schfitzung der gesegelten Distanz sollte der
Kompafs ein nenes Hfilfsmittel bieten. In dem oben bereits erwShn-
ten niederdeatsehen Werke ober Steoermannskonst heiTst es anf S. 2J :
^fUp grote Fakrwaieri mag men ieren, gude Gissnng maken^ so men
alU Dage bequem Weder heffi, dai men kann Höehie an der Sün» und
Steren nemen; den uth de Veranderunge der Brede und Weienschop von
dat KorSy dai men segelt, mag men erkennen y wo veel Milen dai men
up de Tied gesegeU hefft.
Aus der Rectification der Loxodrome ist es bekannt, dafs in einem
rechtwinkligen geradlinigen Dreiecke, in welchem der Kurs den spitzen
Winkel und der Breitenunterschied die Kathete bildet, die loxodromi-
sehe Distanz in alle^ Strenge durch die Hypotenuse gemessen wird.
Nun hatte sich im Laufe des 15. Jahrhunderts, besonders gegen das
Ende desselben, mehr und mehr das „Fahren nach den Meridianhohen
der Sonne^ ausgebildet. Hatte man aber von Mittag zu Mittag die
Breite astronomisch bestimmt, so brauchte man nur den im „Etmal^,
so nennt der deutsche Seemann die Zeit von Mittag zu Mittag, ge-
segelten Kurs auf der platten Karte unter dem richtigen Winkel zwi-
schen den beiden Breitenparallelen auszuziehen und man erhielt un-
mittelbar die gesegelte Distanz nach demselben Mafsstabe, nach welchem
die Breitengrade auf die Karte gelegt sind. Dafs sich die für den
Zur OMehichte der G«ogxapbie* 3. Die Caten» a poppa. 1| ]
SeemaoD der frfihereii Jahrhunderte so überRns widitige Aafgabe, die
gesegelte Distans sa finden« so leieht ond genau mit Holfe der platten
Karte losen liefs, ist ein' wesentlicher Ornnd mit gewesen , dafs sich
diese noch so lange Zeit nicht nur neben der loxodromischen, sondern
selbst neben der Ifercator'schen Karte im Oebranche erhalten hat
Die eratere trug nSmIich ihrer Entstehung gemfi(s, weil sie durch blo&e
Zeichnung der Loxodromen entstanden war, überhaupt keinen Breiten-
mafsatab; die letstere aber hat ihrem Principe nach einen Yeränder*
liehen nnd das befremdete nicht nur, sondern erschwerte auch ihren
Ckbranch« Um auf ihr aus dem loxodromischen Dreieck die wahre
Distans su bestimmen, war noch eine besondere Constmotion erfor-
derlich.
Es leuchtet ein, wie viel bei dieser Methode der Distanzmessung
dem Seemann darauf ankommen mufste, den gesegelten Kurs genau
su wissen. Und dazu genügt keineswegs die blofse Ablesung desselben
auf dem Kompafs. Was man auf dem Kompafs abliest, ist die Rieh-
taug des Kieles. Bei einem seitlichen Winde aber bewegt sich das
Schiff nicht in der Richtung des Kieles, sondern wird mehr oder min-
der seitlich abgetrieben und deshalb mufs die Orolse dieser ^ Abtrift*^
gemessen werden. In neueren Zeiten, wo bei der Vervollkommnung
^ astronomischen Ortsbestimmung die Kursrechnung so viel von ihrer
Bedeutung verloren hat, beschr£nkt man sich darauf, das Kielwasser
tv peilen. Früher war das anders und in den filteren Werken fiber
Sienennannskunst findet man weitlfiuftige Anweisungen, wie die Abtrift
lu messen ist. Da sind z. B. Regeln, wie sie aus der Segelfuhrung
bestimmt werden kann; sind die Bramsegel weggenommen, so soll
man einen Strich rechnen; sind die Marssegel geborgen, drei und ein^i
halben Strich u. s. w. Ganz besonders aber und mit Recht wird em-
pfohlen, dem Schiffe eine Leine nachschleppen zu lassen; der Winkel,
den diese mit dem Kiele mache ^ sei die Abtrift. In dem berühmten
Spiegkel der Zeevaardi door Luc, Jans*. Waghenaar (Leyden 1584)
werden für die Distanzmessung keine Vorschriften gegeben, aber in
Bezug auf die Abtrift hei£Bt es, dieselbe werde am sichersten gefunden:
äoor eene Looiiffne mei een hau$ ofie anders achter uyt te laaien gaa»;
man soll ein Stuck Holz oder etwas anderes an die Lothleine stecken
und hinten nachschleppen lassen.
Eine solche Schleppleine, um den Kurs genau zu messen und
nichts anderes war die catena a poppa, von der Pigafetta spricht. Hätte
er die Distanz gemeint, er würde nicht den Ausdruck viaggio gebraucht
kaben, den er gerade da anwendet, wo er von der Richtung des ein-
zoschlagenden Weges spricht. Einige Seiten vorher, wo er berichtet,
dab Magellan in der von ihm entdeckten Stratse für die suruckgeblie-
112 Brensing:
bene Victoria ala Sigoftl einen Flaggenstoek aufgerichtet und am Fufae
deeselben in einem Topfe einen Brief niedergelegt habe, um jenem
Schiffe den Kurs ansoieigen, auf dem es dem Geschwader folgen solle,
laaten die italienischen Worte : una Idtera, in cui imdieatse il viaggio
cICerasi siabilito (U fare. Man braucht kein Seemann cu sein, nm ein-
susehen, dafs hier die Bedentong von Distans für viaggio durchaus
unsnlftfsig ist. Es ist su bedauern, dafs Amoretti nicht neben der ita-
lienischen Uebersetaung auch den Urtext des Pigafetta in seiner ur-
sprünglichen Gestalt herausgegeben hat Um die Sprache des See-
manns SU verstehen, mnfs man vollst&ndige Sachken ntnifs dessen
besitzen, worauf es ankommt und diese stand Amofetti, wie sich aus
seinen Anmerkungen ergiebt, nicht zu Gebote. Nun ist es fraglieh,
ob Pigafetta das Wort maggio wirklich gebraucht hat Ist dies der
Fall, so hat er es offenbar, wie aus der angezogenen Parallelstelle
hervorgeht, in der Bedeutung „Kurs^ angewendet. Er könnte indefs
auch einen noch bezeichnenderen Ausdruck gebraucht haben. Und zu
dieser Yermuthung veranlafst mich Folgendes. Zugleich mit der ita-
lienischen Uebersetzung i«röffent lichte Amoretti auch eine französische,
die mir leider nicht zu Gebote steht. Aber von dieser franzosischen
Ausgabe lieferten Jakobs und Kries eine deutsche Uebersetzung (Gotha
1801. 8.), und in dieser lautet (S. 57) die fragliche Stelle: Zufolge des
Fahrstriches unseres Schiffes, den wir mittelst einer am Hintertheile
desselben befestigten Kette u. s. w. Hier also ist viaggio ausdrucklich
mit Kurs, denn das ist Fahrstrich, übersetzt. Es ist beinahe unbe-
greiflich, dafs die Uebersetzer trotzdem Amoretti darin beistimmen,
hier sei von der Logge die Rede. Aber in seem&nnischen Dingen
mufs man gelehrten Herren viel zu Oute halten.
Es mag der Erwähnung nicht unwerth erscheinen, dafs das Ver-
fahren, von dem Pigafetta spricht, bis auf den heutigen Tag auf allen
Schiffen geübt wird, die nicht in der Lage sind, Langenbestimmungen
durch Chronometer oder Monddistanzen zu machen. Auf jedem noch
so kleinen Seeschiffe wird nämlich wenigstens die Meridianhöhe der
Sonne beobachtet, so dafs man den Breitenunterschied von Mittag zu
Mittag genau kennt. Glaubt man dann sich auf seinen Kurs verlassen
zu dürfen, so wird die Distanz so berichtigt, dafs sie dem Breiten-
unterschiede und dem Kurse entspricht. Auch noch heute ist es eine
durchaus richtige seemännische Ausdrucks weise, wenn man sagt: ,)dem
Kurse nach, den wir genau mafsen, mufsten wir täglich so und so viel
Meilen Distanz zurückgelegt haben.*'
Die Logge ist unzweifelhaft eine englische Erfindung aus der Mitte
des 16. Jahrhunderts. Sie findet sich zuerst erwähnt in dem Werke von
William Borne (Bourne): A Regiment for ihe Sea, London, L")77. 4®.
r
Zar Cteachichte der Geographie. 3. Die Catena a poppa. ^l^
ffier bafst es (Sth'Bdition. 1592. p. 4Sy)t To know ihe skippet
wof some doe nse tkii, whieh (a« / $ake if) i$ very good: theg have a
peece of wood and a line to vere out over board, of a greai length,
whkk they tnake fast at one ende^ and at tke other ende and in tke
mddle tkey kave a peeee of a line, wkick tkey make fast witk a smali
tkread to stand Igke unto a crow foote: for tkis purpose, tkat it skould
iri^e a steame as fasty as tke skip dotk go away firom it^ ahnaies
hating tke line so readie tkat it goes out so fast, as tke skippe goetk.
In lyke manner tkey kave eitker an koure glasse of a minute or
ehe a knowen part of an koure, by some number of words or suck
olker hke, so tkat^tke line being vered out, may be stopt iust witk tkat
fime, tkat tke glasse is out, or tke number of words spoken, wkick done
tkey kale in tke logge or peece of wood againe and looke kow many
fadam tke skip katk gone in tkat time: tkat being knowen, wkat part
of a league so ever it be, tkey multiply tke number of fadames by tke
porcion of Hme or part of an koure, Wkere by you may know iustly
kaic many leagues and parts of a league tke skip goetk in an koure etc.
As for example tkis: I kating a minute glasse, but it is better for to
kave a porcion of tyme by some number of words, and tke lesser part
of time tkat you kave, it is tke better, for if tkat tke sKippe doetk go
tery fast, you skall not kave to muck lyne out, and if tkat tke skip
doetk go but slowly, tken you may double tke lengtk of time by speaking
ike words twice or tkrice over and for to work it tmely doe tkis : First let
downe your logge kandsomely into tke water and tken let tke line be
wutrked according unto tke skippe^ a two or tkree fadame from tke log
eecordingly, tkat it be so farre a steame tkat it commetk into quick
water, tkat tke edie of tke steame doetk not stay it, tkat being done,
tken begin to speah your wordes and stay it iust at tke ende of tke
words and tken kale in your logge againe and measure kow many foote
or fadames tkat you kave verred or put out in tkat time etc. etc.
Eine weitere Erw&hnung der Logge findet sich erst wieder in dem
Jahre 1607, and zwar in einer von Parcbas veröffentlichten ostindi-
sthen Reise*):
Journal of tke tkird voyage to tke East-India set out by tke Com"
pany of tke Merckants^ trading in tkose parts, in wkich voyage were
imployed tkree skips viz. tke Dragon, tke Hector and tke Consent and
') Herr Capitän-Lieutenant Stenzel von der Königlich -Dentschen Kriegsmarine
hatte die Güte, mir bei seiner Anwesenheit in London auf dem britischen Museum
die fragliche Stelle auszuziehen. Das Boume'sche Werk ist so selten , dafs sich die
beiden ersten Ausgaben selbst in dieser reichen Bibliothek niobt vorfinden.
•) Pürcbas: His pilgrime, Fol. London 1625. First part. Lib. III. .
ZeiUchr. d. Ge^eUsch. f. Brdk. Bd. IV. ^
}|4 Brensing:
tu ikem ihe Number of ikree hundred and ten persom or there abouU
fcriiien by William Keeling, ckiefe Commander there of.
Hier heifst es aaf pag. 188:
This moming ihe fourth of August 1607 we saw many fiowres, a
tigne of land and this evening we had g round from twentie eighi to
sixieene fathome 0*y, but no sight of land,
I hoysed out my schiffe and sent her to ride near us, to prove ihe
set of the current; she found by ihe Log-line the current io sei South
East by East two miles a watch; how be it^ the schiffe roade windward.
Seit dieser Zeit begegnen wir der Logge öfter, aber zunächst nur
in englischen Werken. In Spanien mufs sie erst nach dem J. 1633
Eingang gefauden haben. Duflot de Mofras sagt darüber ^ ) : Don Pedro
Porter de Casanate dans le discours. quil publia en 1633 sur rimperieuse
nicessiti de corriger les erreurs, qui nuisaient ä la navigationy examina
aussi les diff6renies mithodes proposies pour determiner la longilude
et il les jugea difficiies et prisentant peu de securiiä aux pilotes. On
ne connaissait pas encore dans la marine espagnole temploi de f utile
insirument nommä le loch, qui sert ä mesurer la distance parcourue
par le navire. In Frankreich mufs sie erst um die Mitte des 17. Jahr-
hunderts bekannt geworden sein. Wir haben dafür einen vollgültigen
Zeugen in dem seiner Zeit berühmten Hydrographen Fournier, der als
Almosenier der königlichen Flotte Reisen nach Ost- und Westindien
gemacht und reiche Erfahrungen gesammelt hatte. Er spricht in sei-
nem Werke') über die Methoden, die gesegelte Distanz zu messen,
and nachdem er die von Vitruv vorgeschlagene aber wohl nie in An-
wendung gekommene erwähnt hat, fährt er fort: Depuis quelques an-
nies les Anglois se sercent d^une praiique, qui h'en est pas beancoup
eioignSe. Ils prennent une ligne ou cordeau auquel on fait des noeuds
de 7 brasses en 7 brasses ou de \{) en \ 0, comme vous voulez, A cette
cordelette en attache une petite palet te ou nacelle de bois de chesne
d^environ un pied sur 5 ou le pouces de large, qui est charge sur far-
ri^e d'une petite bände de plomb, Aux coslez on attache deux petits
iuyaux de bois pour la soustenir mietix^ en sorte qne fextremite ou est
le plomb enfoncä et Vauire paroisse touiours hors teau. Cela fait on
la laisse tomber en mer au derriere du vaisseau sur le sillon ou hoüage
du vaisseau et laissant librement filer ce cordeau selon la ritesse du
naeire eile demeure comme immobile au Heu ou eile est tombie; puis
voulant sgavoir le cinglage du vaisseau, on prend garde, combien de ces
*) Doflot de Mofras: Recherche» sur les progres de Vastronomie et des sciences
nautiques cn Eapagne. Paris 1839. 8*. p. 36.
•) Fournier: Hydrographie. Paria 1648. Fol. p. 707.
Zur Geschichte der Geographie. 3. Die Catena a poppa. |]5
noemds oni eouU dans Cean Vetpace cTune ou deux horloges. — DaTs
die Eenntnifs dieses Werkzeuges wie nach Frankreich so auch nach
Italien von England ans gelangt ist, ergiebt sich daraus, dafs es von
den italienischen Seeleuten wie von den französischen mit seinem eng*
tischen Namen loch genannt wird.
Schliefslich mochte ich noch auf einen Irrtbum aufmerksam machen,
dem man in deutschen Uebersetzungen von Reisebeschreibungen und
selbst in geographischen Werken häufig begegnet und der wohl m>
äprnnglich von nautischen Dilettanten veranlafst ist. Es ist vielfach
die Meinung verbreitet, als ob die Ortsbestimmung aus der Logge-
rechnung von den Seeleuten „Gissung^ genannt werde. Dem ist nicht
so. Gissung ist die erfahrungsmSfsige Schätzung des zurückgelegten
Weges ohne Anwendung eines Mefswerkzeuges. Wenn ein Land-
reisender nach der Geschwindigkeit seiner Schritte und nach der ver-
iossenen Zeit die Anzahl der zurückgelegten Meilen veranschlägt, so
ist das eben auch eine Gissung. Wenn aber der Feldmesser denselben
Weg mit der Mefskette aufnimmt, so mag immerhin der Geodät eine
solche Messung als höchst ungenau und z. B. für eine Basis zu einer
Gradmessung als unbrauchbar verwerfen, der Feldmesser wird doch
immer das Recht haben seine rohe Messung für eine Messung gelten
zu lassen und nicht für eine Schätzung. So wird sich auch der See-
mann es nicht nehmen lassen, seine Distanz gemessen zu haben, wenn
er die Logge anwendet Gissung, Loggerechnung und astronomische
Ortsbestimmung sind drei verschiedene Stufen der Genauigkeit. Auf
die Gissung war man angewiesen, so lange die Logge nicht erfunden
war; seitdem der Seemann diese anwendet, ist die Gissung so gut wie
gänzlich aufser Gebrauch gekommen.
8
116
V.
p. V. Ssemenof s Forschungsreisen in den Trans-
Ilischen Alatau und zum Issyk-Kul,
auBgef&hrt in den Jahren 1856 und 1857.
Nach dem Bnssischen von F. Marthe.
Im Jahre 1850 drangen rassische Heerestheile zam ersten Male
in den Landstrich südlich vom Ui vor, im Jahre 1853 war die Occa-
pation des ^Trans-Ilischen^ Gebiets vollendet, und im Jahr 1854
wurde an derselben Stelle, wo einst Almatu (f)die Apfelstadt^) an
den Ufern der in den Keskelen (Nebenfluss des Ili) sich ergieüsenden
Almatinka stand, der Grund zur Festung Warn oje gelegt, die seit-
dem der Stützpunkt der rassischen Macht in jenen Gegenden geblieben
und der Ausgangspunkt zu den bekannten grofsartigen Annexionen
im Sfiden und Südwesten geworden ist. Kurz nach dem Entstehen
der neuen Zwingburg im Kirgisenlande traf der seitdem bekannter
gewordene russische Naturforscher P. v. Ssemenof, der Uebersetzer and
Fortsetzer von Ritter's Asien, dort ein, um die angrenzenden Theile des
Thian-Schan zu durchforschen. Einen in jeder Beziehung interessanten
Bericht hierüber, den der trefTHche Beobachter in russischer Sprache
erst jetzt veröffentlichte,*) um damit die Berichte Ssäwerzofs über die
im Westgebiet des Himmelsgebirges unternommenen Forschungen so
vervollständigen, geben wir im Folgenden ziemlich vollständig wieder,
damit auch unseren Mittheilungen*) über Ssäwerzof die nothwendige
Ergänzung nicht fehle.')
Der Expedition, deren Verlauf wir zunächst erzählen, lag fol-
gende Veranlassung zu Grunde. Im Juni 1856 hatte der kara- kir-
gisische Stamm der Ssara-Bagisch nicht nur einen russischen
') 8. SapiBki der K. B. Geogr. Gesellschaft. AUg. Geogr. (Sectionen f. phjs.
n. matfa. Geogr.) Bd. 1. S. 181—264.
•) 8. Bd. n, Heft 1 (S. 79 flg.) und Bd. III, Heft 5 (S. 421 flg.) dieser
Zeitschrift.
*) Der erste Bericht ttber Ssemenof s Reisen erschien in Petermann's Geogr.
Bütth. 1868, S. 861 flg., begleitet von einer Karte. Von diesem unterscheidet sich
der jetzige darin, dafs er auf ein engeres Gebiet beschränkt mehr in's Detail geht.
Namentlich ist in der hier zu Grunde liegenden Darstellung der botanische Theil
bei weitem vollaULndiger; nicht minder der ethnographische, welcher zur Geschichte
der vor 12—16 Jahren am nordlichen Thian-Shan bestehenden VölkerverhÄltnisse.
sowie zur Aufklärung der die russische Occupation herbeifUhrendcn Ursachen einen
wohl nicht uninteressanten Beitrag liefert.
P. T. Ssemenof 8 Forschungsreisen in den Trans -Ilischen AlaUn. ] ] 7
TVansport fiberfallen, sondern aach den unter rassischer Botmäfsigkeit
stellenden Stamm der Dnlat rein aasgeplSndert. Zar Yergeltang war
im Angust desselben Jahres ein rassischer Streifzag in das cavor nie
betretene Thal des Tscha, die damalige Weidest&tte der Ssara-Bagisch,
ansgefohrt worden und hatte erwünschten Erfolg gebracht, d. h. es
waren eine Anzahl Feinde getödtet and verschiedene Heerden ihres
Viehes weggetrieben worden, *.— freilich nicht ohne einige Verluste,
da die anfangs überraschten Steppenbewohner sich ermannt and ihre
Gegner aaf dem Rückmarsche darch die unbekannten Defile's am
Saook-Tubbe angegriffen hatten. Seitdem war etwa ein Monat ver-
flossen, und der Kommandant zu Wfirnoje wünschte zu erfahren, wel-
eben Eindrack der jüngste Rachezag auf die Ssara-Bagisch gemacht,
and wie überhaupt die Verhältnisse am Tscha st&nden. Es sollte also
eine „friedliche^ Recognoscirung, natürlich mit militärisch ausreichen-
den Kräften (einer halben Ssotnie Kosaken), dahin veranstaltet werden,
und die Führung derselben wurde Ssemenof angetragen, der sie, wie
natürlich, mit Freuden annahm.
Am 3. October (neuen Stils) 1856, früh 10 Uhr versammelte sich
das kleine Ezpeditionscorps auf dem Marktplatze zu Wärnoje vor der
im Bau begriffenen Kirche; es wurde nach rassischer Sitte eine Messe
gelesen und Weihwasser gespendet, dann setzte sich der Zug, ver-
stärkt um die nothigen Lastpferde und Kameele, geleitet von kirgi-
sischen Wegweisern, in Bewegung. Die Reise ging westwärts, immer
am Fufee des in Wolken gehüllten Alatau, der vorerst links liegen*
blieb, um später an geeigneter Stelle überschritten zu werden. Das
Wetter war warm und trübe, bald fiel Regen. So waren etwa vier
Meilen zurückgelegt, Ssemenof ritt mit 2 Kosaken um eine halbe Werst
dem Zuge voran , der ein melancholisches Lied sang, da wurde
plotslich von vorn ein furchtbares Schreien vernehmbar. Rasch sprengte
der Reisende mit seinen Begleitern einen Hügel hinan, und ein an-
erwartetes Schauspiel bot sich seinen Blicken dar. Eine Schaar kir-
giscber Reiter suchte in aller Hast ans einem Haufen schreiender und
gesticulirender Menschen herauszukommen und jagte spornstreichs
davon. Der zurückgelassene Haufen von Menschen und Thieren be-
fand sich in einem malerischen Durcheinander auf dem Abhänge eines
andern Hügels. Einige Kameele lagen auf der Erde, andere standen
ohne Last da, hier waren einige Pferde zusammengekoppelt, dort liefen
andre fr^i umher, ihrer Last entledigt, oder es war diese theilweise
aufgebunden. Von den 10 Ssarten (Kaufleuten aus Taschkend), welche
die Karawane bildeten, lagen zwei gebunden am Boden, ein Graubart
aof den Knieen , andere liefen halbentkleidet ihren Rettern entgegen.
Obwohl die Dolmetscher hinten beim Zuge waren, konnte die Scene
]|g Marthe:
doch keinen Au|^nblick mifsverBtanden werden« Eine kara-kirgieiaohe
Baranta (R&uberschaar) von beiläufig 30 Mann hatte die Eaufleote
übeifalien, ihr Gep&ck mit Beschlag belegt, ihnen ihre im Ourtel, aaf
der Brost, in den Schaben versteckten Kostbarkeiten abgenommen and
würde ihr einträgliches Geschäft zu £nde geführt haben , wenn sie
nicht die nahenden Klänge eines Kosakenliedes stutzig gemacht und
der Anblick dreier russischer Reiter in die Flucht gejagt hätte. Das
Gros der kleinen Armee war unterdefs herangekommen, and ihr Führer
forderte Freiwillige zur Verfolgung der noch sichtbaren Räuber aof.
Fünfzehn Mann meldeten sich, und es begann nun eine Hetzjagd, die
zuletzt damit endigte, dafs sieben Verfolgte aof müden Pferden im
Schritt voran, und drei Verfolger einzeln und ebenfalls im Schritt in
ziemlicher £ntfernang hinterherritten, bis diese, um dem Schicksal der
Guriatier zu entgehen, sich entschlossen, umzukehren, wobei sie noch
die von Jenen weggeworfenen Waffen und Oberkleider einsammeln ond
als Trophäen zum abendlichen Bivonac zurückbringen konnten. Mit
dieser ethnographischen Erfahrung schlofs der erste Reisetag. In den
folgenden Tagen klärte das Wetter sich auf, ond der schneebedeckte
Kamm des Alatau trat zur Linken in aller Pracht hervor, um 2 Uhr
Nachmittag zeigte das Thermometer am 5. October 18 ^ C. in einer
Höhe von etwa 3000' über dem Meere. Auf der Hochebene, in der
hier gerastet wurde, bestadd die Vegetation aus hohen, theils ver-
brannten, theils vertrockneten Kräutern. Einige Pflanzen standen noch
in Blüthe, so die hohe wilde Stockrose {Allhaea nudißora)^ die Lava-
thera thuHngiaca^ Cichorium inlybus, Glycyrrhiza asperrima und So-
phara alopecuroides, ferner auf sandigen Hügeln Peganum harmaia und
Calligonum. Das Nachtlager wurde an diesem Tage in einer Meeres-
höhe von 3600 Fufs am Ufer des Kaste k aufgeschlagen. Von War-
noje bis hierher waren etwa 11 Meilen zurückgelegt. Am 6. October
ging die Reise in dem gewundenen Thale des Kastek aufwärts in der
allgemeinen Richtung nach Süd. Das Wetter war klar; um 7 Uhr
Morgens 10,3 Grad C. Rechts lag der abgerundete Gipfel des Ssook-
Tübbe, etwa 9000 Fufs hoch, links die Berge Ssary-Tschebyr.
Nach einer Stunde Wegs traten an den hohen Bergseiten des Thaies
die ersten festen Gesteine zu Tage, anfangs dunkler Kalk, dann grob-
körniger Granit, der sich auf 4 Stunden Wegs hinauf erstreckt, indem
er zuletzt den Glimmer verliert. Nach fünfstündigem Marsche gelangte
der Zug an die Stelle, wo der Kastek aus 2 Quellbäcben zusammen*
flielst'). Man folgte dem südöstlichen Laufe, da der südwestliche zu
') Im untern breiten Theile des Kastek-Thales war es, wo Ssäwersof (s. Bd. II,
Heft 1, S. 82 dieser Zeitscbrilt) die ersten Sparen ehemaliger Gletscher, Moränen-
P. V. Sse^enofs Forschungsreisen in den Trans-Ilischen Alatau. ] ( 9
nahe an die damals noch cbokandsche Festung Tokmak gefShrt hätte.
Bald trat Homstein xu Tage, das Aufsteigen wurde immer steiler,
ferner zeigten sich zwischen den Granitmassen auch Adern und Stücke
TOD Porphyr. Dieser Porphyr nmschlofs auf graulicher Grundlage
kleine rothe Krystalle von Feldspath, hellgraue Oligoklase, war aber
frei von Quarz. Weiterhin nahm der Porphyr eine dunkle, fast schwarze
Grundfarbe an, aus der nur hellgraue Krystalle von Feldspath hervor-
stachen. Nach mehr als sechsstündigem Marsche näherte man sich
der Spitze des Passes, den die Wegweiser Beissenyn-Assy nannten.
Zuvor noch wurde Gneifs bemerkt, der im Thian-Schan und beiden
Alatau selten auftritt. Dieser grobkörnige Gneifs zeigte sehr deutlich
seine charakteristische Schichtung und war reich an Glimmer. Bald
darauf stiefs man auf einen kunstlich aufgeschütteten Haufen Steine^
aus dem trockene Zweige mit daran gehängten bunten Lappen (Opfer-
gaben für die Berggeister) hervorragten; so bezeichnen, sagt Ssemenof,
die Kirgisen gewöhnlich die Spitzen ihrer Gebirgspässe. Auf der Höhe
des Passes bestanden die Felsen aus porphyrartigem Granit, dessen
Grundlage hellrother Feldspath bildete, in welchem Krystalle desselben
Feldspaths und Quarzkörner eingestreut waren. Die Vegetation war
hier verwelkt, das Thermometer stand etwas unter 0 Grad, der Wind
war kalt und schneidend. Die Höhe des Passes schätzte der Reisende
auf etwa 7600 Fufs. Klar erkennbar war von hier die Theilung des
Trans-Ilischen Alatau in 2 Parallelketten, die sich nach links in die
Ferne verloren, auf der Höhe mit Schnee bedeckt. Nach vorn hin,
aber auch zur linken Hand, fiel der Blick in die dunkle Oeffnung der
Schlucht von Buam, gerade aus erhob sich die Wand des Kirgisnyn-
Alatau, welcher von dieser Schlucht aus die südliche Parallelkette des
Trans-Ilischen Alatau nach Westen fortsetzt; zu Füfsen lag das ziem-
lich breite Thal des Tschu mit dem Silberbande des vielfach gewun-
denen Flusses. Der Weg abwärts führte nach { Stunden in das enge
wilde Thal des Beissenyn-Bulak, in welchem auf einer Höhe von
6500 Fufs das Nachtlager genommen werden mnfste.
Am andern Morgen war das Zelt des Reisenden bereift, das
Thermometer zeigte früh 7 Uhr — 1,5 Grad C, es schneite. Nach dem
Aufbruche ging es 2 Stunden steil abwärts auf einem mit Granit-
blöcken besäeten und theilweise mit frischgefallenem Schnee bedeckten
Wege. Dann zeigten sich vertical erhobene Schichten von aufser-
bilduDgen fand. Es sind hohe Steinwälle auf der linken Seite des Flusses, zu-
weilen bifl 200 Fufs hoch, die au den Stellen, wo Querspalten vom Ssuck-Tübbe
zum Kastek hinabgehen, senkrecht durchschnitten sind von ähnlichen Wällen. Sae-
menof hat, wie wir im Voraus bemerken wollen, Erscheinungen dieser Art hier und
anderwärts unbeachtet gelaasen.
]20 Marthe:
ordentlich festem, dickscbichtigem, dankel-graogranlichem Schiefer, nach
diesem wieder Granit, bestehend aus weifsgrunlichem Feldspath, dun*
kelgranem Glimmer und sehr wenigem Quarz. Nach ^stündigem
Marsche wurde das enge Thal des Beissenyn rasch weiter, und bald
Standen die Beisenden in dem breiten Thale des Tschu. Der Schnee
hatte sich allm&hiich in Regen verwandelt, and hier horte auch dieser
auf. Das Thal des Tschu erwies sich Öde und verlassen, die Ssara-
Bagisch waren wahrscheinlich aus Furcht vor neuen Angriffen hinweg-
gezogen, nicht einmal frische Sparen vereinzelter Reiter waren zu ent-
decken. Ssemenof zog nun mit seiner kleinen Armee eine Meile weit
in diagonaler Richtung auf den Punkt zu, wo der Tscha aus dem
Querspalt von Buam in sein breites nach West gerichtetes Thal tritt;
es wurden dabei passirt die Flufschen Dschenschischke-Earassu, Ssche-
ianaschtsch und der kleine Kebin. Am Spalt steht der Hügel Borol-
dai, der aus graulich -violettem Porphyr mit ziemlich gleichmäfsig
eingesprengten glänzenden kry stallischen Qnarzkornern gebildet ist.
Vom Boroldai ging es, immer noch auf dem rechten Ufer des Tscha,
in die Schlacht hinein. Bald aber wurde diese so eng, und die Por-
phyrfelsen traten so dicht an den Flufs heran, dafs auf dem rechten
Ufer nicht mehr fortzukommen war. In dichtgedrängter Masse, mit
den Eameelen und Saumthieren in der Mitte, wurde der Uebergang
über den tosenden und schäumenden Strom glücklich, wenn auch
mühselig, bewerkstelligt. Die Führer nannten die Berge auf dem
rechten Ufer Turaigyr, auf dem linken Enyrgan. In Wirklichkeit
ist es ein und dieselbe Bergkette, die durch den tiefen Querspalt der
ßuam-Schlucht wie mit Gewalt auseinandergerissen ist, jetzt auf der
linken Seite des Tschu als Eirgisnyn - Alatau oder Alexandergebirge,
rechts vom Tschu als südliche Parallelkette des Trans-Ilischen Alataa
aufgefafst wird.
Wilde Erhabenheit ist der Charakter der Buam - Schlucht. Der
schmale Fufspfad, auf welchem unsere Recognoscenten nur einzeln
vorwärts kommen konnten^ tritt bald so nah an den Flafs heran, dafs
ihn die schäumenden Fluthen desselben bespritzen, bald schmiegt er
sich gleichsam in die steil abfallenden Porphyrfelsen ein, bald verliert
er sich in Felsen- und Steinhaufen. Aus den Felswänden stehen hier
und da Sträucher: Hippophae rhamnoides ^ Halimodendron argentevm
und die für Mittelasien so charakteristischen Calligonum hervor, ferner,
dem düstern Charakter des Ortes entsprechend, Wachholder (Junip.pseudo-
sabind). Die dicken, gekrümmten Stämme des letztern kriechen gewohnlich
über das Gestein hin, erheben sich aber bisweilen zu malerischen Bäumen
von 15 — 17 Fufs Hohe, die mit ernstem, dunklem Grün bekleidet sind.
Nach anderthalbstündigem Marsche stand man der Mündung des
r
P. V. Ssemenofs FonchangsreUen in den Trans-nisehen Alataa. ] 2 1
grofsen Kebin, der von Ost her in den Tschu fällt, gerade
gegenüber. Aber der Plan, an diesem hinauf- and so zuruckza-
gefaen, erwies sich auf den ersten Blick als anausfuhrbar. Der
grofse Kebin, der in einem ziemlich breiten, schönen Längenthaie
fliefst und den Trans- üischen Alataa in zwei Parallelketten scheidet,
verliert sich aaf den letzten Wersten seines Laafes, so zu sagen^ in
eine Sackgasse, in eine so enge, mit so steilen, dicht zusammentreten»
den Porphyrw&nden eingefafste Schlucht, dafs auch nicht Raum mehr
zu einem Fufspfade bleibt. Der Mundung dieser Eebin-Schlucht standen
unsere Reisenden in der Buam -Schlucht gegenüber, und zwischen
ihnen und dem Kebin flofs noch dazu mit wildem Laufe der Tschu,
über den der Uebergang hier gar nicht möglich gewesen wäre. So
beschlofs man, bis ans Ende dieses Engpasses vorzudringen, der zu-
letzt in die westliche Ufergegend des Issyk-Kul fuhren mufste.
Der Zug setzte sich wieder in Bewegung. Die Thalschlucht des
Tscha wurde immer wilder und romantischer. Auf den Porphyr-
massen, die denen des Boroldai ähnelten, zeigten sich eigenthumliche
bogenförmige Schalen von grobkörnigem Conglomerat. Weiterhin
zeigte sich Gneifs und begleitete die Reisenden etwa 1^ Stunden weit.
Darauf wurde der Gneifs wiederum von Conglomerat abgelöst, das
diesmal kleinkörnig sich einige Stunden weit hinzog. Die aus Con-
glomerat bestehenden Felsen zeichneten sich durch phantastische
Formen aus. An einer Stelle wurde der Weg von den Felsen in den
Flufs selbst hineingedrängt, und es galt nun, an die Felswand sich
stützend, etwa 10 Klaftern weit dem Strom entgegen zu dringen. Ein
anderes Mal, als man bequem in dem Thal, das sich ansehnlich er-
weitert hatte , daherzog , brach plötzlich die Uft^rebene , wie eine
Treppenstufe steil ab, und es mufste 5 Fufs tief hinabgesprungen
werden. Hinter diesem Absatz war das wieder verengerte Thal mit
zahllosem Gestein kleinster und gröfster Art, hauptsächlich aus Por-
phyr bestehend, und von den hohen Thalwänden, wie die eigene Erfahrung
lehrte, herabgestürzt, — völlig übersäet. Bald folgte die schlimmste Stelle ;
die Tbalwände fielen steil zum Flusse ab, und ein schmaler Fufspfad
wand sich einige hundert Fufs in die Höhe, zuweilen fast über dem
Abgrunde schwebend, in dessen Tiefe der schaumspritzende Flufs
toste. Nach Ueberwindung dieser Porphyrklippe befand man sich in
einem kleinen, engen, mit Weiden bestandenen Kessel, der jenseits
durch eine ganz ähnliche Klippe, zur Rechten (also im Westen) durch
eine 2— 2500 Fufs hohe Felswand geschlossen war. Hier wurde das
Nachtlager aufgeschlagen, indem man auf den beiden Porphyrvor-
sprüngen Wachen ausstellte. Um 1 Uhr gaben diese das für den Fall
einer Gefahr verabredete Zeichen. Schweigend sprangen die Kosaken
122 Marthe:
auf die Fafse and gfiflfen nach den Gewebren. Ssemenof begab sich
auf den vordem Felsen, und der wachestehende Kosak deutete schwei-
gend die Felswand hinauf, von der kleine Steine und FelstrGmmer
herabrollten. In der klaren, mond- und sternhellen Nacht sah man
einen Trupp Menschen und Thiere, etwa 1000 Fufs über dem I^ger
der Russen an der Felswand sich hinwinden. Es waren offenbar
Kara - Kirgisen , welche den Russen aus dem Wege gehen wollten.
Nach einer Stunde war die Erscheinung vorüber, die Ermüdung der
Russen aber so grofs, dafs sie sich ohne Weiteres wieder zur Ruhe
legten.
Am 8. October früh war das Zelt des Reisenden wieder bereift.
Es wurde zunächst der andere „Bom^'), der erwähnte zweite Fels-
verschlufs des zur Rast gewählten Thalkessels, leichter überschritten.
Nach halbstündigem Marsche war der Terek-Ty, ein linker Zufials
des Tschu, erreicht, das Thal begann nun sich allmählich zu erwei-
tern und wurde von den Führern Ssary-Dala (gelbes Thal) benannt.
Noch bestanden die Bergwände aus Porphyr, aber bei einer Oertlich-
keit, Namens Ala-Basch (buntes Haupt), traten am linken Ufer des
Tschu eigenthümliche Felsbildungen hervor. Es waren Reihen vertical-
gestellter, unregelmäfsiger Säulen, von Zeit zu Zeit durch horizontal-
liegende Querriegel durchschnitten, die nach dem Bericht aus ziemlich
festem Thon bestanden. Am rechten Ufer zeigten sich gleichzeitig
kleine konische Hügel aus weifsem Thon. Nach 2 1 stündigem Marsche
von Ala-ßasch aus traf der Zug auf einen neuen linken Zuflufs des
Tschu, der Utsch-Kurükel genannt wurde. Das Thal wurde immer
breiter uod ging allmählich aus seiner meridionalen Richtung in eine
west-östliche über. Gleichzeitig verloren die Berge an Höhe und nah-
men den Charakter von Terrassen an, welche aus Schichten des Con-
glomerats bestanden, das rings die Umgebungen des Issyk-Kul bildet
Dies Conglomerat besteht aus groben Quarzkornern, in welche un-
zählige, mehr oder weniger abgerundete Steinstücke von Quarz, Por-
phyr, Granit, Diorit u. a. eingestreut sind. Dabei ist das Conglomerat
so schwach verkittet, dafs es zuweilen zu Pulver zerrieben ist, jeden-
falls leicht mit dem Hammer, Beil oder Brecheisen gleich dem Tuff
der Grotte des Posilippo sich abbrechen läfst. In dem breiten Thale
wurde auf das rechte Ufer des Tschu übergesetzt, und der Weg zog
sich hier eine halbe Stunde lang durch ein dichtes Gebüsch von
*) Born beifsen im Altai Engpässe, wie die hier bescbriebenen, und Ssemenof
stellt damit den Namen Buam in Zusammenhang, ebenso den Namen des Flasses
Tschuja (vom System des obern Obj) mit dem des Tschu, als Beweis, wie einst
wohl dieselbe Sprache and Nationalität vom Altai bis znm Thian-Schan benscbte.
P. ▼. Ssemenofs Fonchangsreisen in den TraDS-Ilischen Alatau. 123
Weideo, Doraarten (Crataegus pinaxiifida^ Hippophae rhamnoides),
Haämodendron argenieum^ Lycium u. a. Bald nach dem Verlassen
<)i«8e8 Dickichts stiefsen die Wanderer aaf einen kleinen kara- kirgi-
sischen Aul von 4 Jurten, in dem sie aber nar Weiber und Kinder
fanden, da die Mfinner beim ersten Wahrnehmen der Russen in das
Gebirge gesprengt waren. Von den todbleichen, in Todeserwartung
auf den Knieen liegenden Kirgisinnen erfuhren sie, dafs die Ssara-
Hagisch zum Issyk-Kul übergesiedelt seien. Es waren bis zum See
nur noch 4\ Meilen (30 Werst), der Weg dahin beqaem, und so ging
es rasch vorwärts, um so mehr, da mau fürchtete, dafs die Geflüch-
teten am See Alarm schlagen möchten. Nach 2 Stunden Ritt wichen
die Berge noch weiter zurück, uud es war der Wendepunkt des Tschu
erreicht, wo der Flnfs seine vorher nordöstliche Richtung plötzlich in
eine westliche verwandelt. Von hier traten die Reisenden in die weite
westliche Uferlandschaft des Sees hinaus, welche an dieser Stelle den
Namen Kutemaldy führt. Rechts konnte man in das schöne Thal
des Thian-Schan hineinblicken, aus welchem der Oberlauf des Tschu,
derKoschkar, hervorströmt. Beim Austreten aus diesem Thale
empf&ngt der Flufs den Namen Tschu, strömt noch eine Zeitlang in
NNO dem See zu, getrennt von ihm durch einen niedrigen Doppel-
Höhenzug, bis dieser sich völlig abplattet, tritt dann in die Ufer-
niederung selbst ein und macht hier plötzlich, an einer etwas ge-
neigten Ebene entlang fliefsend, die Schwenkung nach Westen, die
ihn in das Gebirge und weiter in den Engpafs von Buam führt. Die
Distanz vom Wendepunkte des Flusses bis zum See beträgt etwa
1 — 1\ Meilen, 7 — 10 Werst. Auf dieser Strecke liegt ein kleiner
Sumpf, genährt, wie es scheint, vom durchsickernden Wasser des Tschu,
und aus diesem Sumpfe fliefst zum See ein Wasserlauf ab, der, wie
seine Umgebung, Kutemaldy heifst und zuletzt so dürftig wird, dafs
er niehr einem Aryk (einem künstlichen Bewässerungsgraben) gleicht.
Darauf reducirt sich, wenigstens jetzt, der von den
früheren Geographen*) angenommene Zusammenhang des
Tschu mit dem Issyk-Kul.
Als Seemenof sein Reitthier von der Winkelspitze des Tschu hin-
weg zum See wandte, war er überrascht von dem Anblicke, der sich
darbot. Vor ihm erstreckte sich in unabsehbare Ferne der blaue
Spiegel des See's , rechts erhob sich am Südufer des Sees die
gigantische Reibe der Berggipfel des Himmelsgebirges, die mit
glänzender Schneehülle umkleidet waren. In der breiten Uferland-
scbaft und an den Abhängen der Vorberge des Himmelsgebirges
•) 8. C. Bitter, Erdkunde v. Asien, Bd. 1, S. 895—898, vgl. S. 888.
124 Marthe:
waren sahllo8e kirgiaische Auls serstreot Der ganse Stamm der
Ssara-Bagisch war offenbar hier beisammen, und sie halten keine Ah-
nung von dem ihnen bevorstehenden Besuche. Friedlich weideten
zahlreiche Heerden auf der ganzen Strecke zum See hin und ver-
sperrten den Weg. Ein Dolmetscher wurde mit 2 Kosaken znm
Manap (Sultan) Umbet-Ala vorausgeschickt, um die friedliche Absieht
der Ankömmlinge kundzugeben. Bald waren diese insgesammt beim Aul
desselben angelangt, von wo ihnen eine geraumige Jurte gleichsam
von selbst entgegen wandelte, sie wurde nfimlich von Telenguten, d. h.
Sklaven im Innern getragen.
So waren denn die fanatischen Feinde von neulich, die eben sich
anschickten, wie man später erfuhr, den Asch, d. h. das Todtenfest
zum Andenken an die im Kampfe mit den Russeu Erschlagenen au
feiern, jetzt in freundliche Gastgeber verwandelt. Bei den Kara-Kir-
gisen steht überhaupt das 0 astrecht in so hohem Ansehen, dafs an
den Wettrennen und WettkSmpfen, welche ihre Asch und sonstigen
Feierlichkeiten begleiten, stets auch die Batyr (Helden) feindlicher
Stämme Znlafs erhalten. Aber wenn die Russeu dem Frieden ihrer
Wirthe nicht recht trauten, so diese noch weniger ihren Gästen; darum
hielten sich auch der Ober-Manap Umbet-Ala und der Manap Dschan-
tai kluglicli fern. Im Namen des ersteren empfingen ein Oheim und
zwei Brüder desselben die ungebetenen Gäste.
Umbet-Ala war ein Sohn des durch Tapferkeit und Unterneh-
mungsgeist hochberuhmten Urman, der mit dem Nachbarstamme der
B o g u lange Zeit Krieg führte, obwohl die körperlich und geistig ana*
gezeichnete Tochter Urmans mit dem Sohne Burambai's, des Ober*
Manaps der Bogu, vermählt war. Die Geschichte dieses Elriegea ist
wichtig und interessant, nicht nur, weil in Folge desselben zuerst die
Bogu, später auch die Ssara-Bagisch in den russischen Unterthanen-
verband traten und dadurch die Russen zu Herren des schonen See*
beckens Issyk-Kul machte, sondern auch, weil dieser Streit die inter-
nationalen Verhältnisse mittelasiatischer Nomadenstämme charakteri-
stisch widerspiegelt.
Den ersten Anstofs zu den Feindseligkeiten zwischen zwei Stäm-
men liefert gewöhnlich ein Privatstreit. Dergleichen Streitigkeiten
beziehen sich entweder auf bewegliche Sachen (bei Kauf und Verkauf,
Entrichtung des Kalym), oder unbewegliche, auf die Grenzen von
Land- und Weidestrecken. Die ersteren werden gewöhnlich von den
Bijs (Beys) geschlichtet. Bij, Friedensrichter, ist entweder das Stam-
meshaupt selbst, oder ein Mann, um den sich freiwillig eine Gefolgschaft, oft
von Angehörigen verschiedener Stämme, gebildet hat, und den die öffent-
liche Meinung des Nomadenlandes dieser Ehre für würdig erkennt. Es
P. T. Stemenofs FonehungsreMen in den Trans-Üischen Alatau. 125
hingt iroD den atreitenden Parteien ab, an welchen der Bijs sie sich
wenden wollen. Der Bij verurtheilt den schuldig befundenen Theil
cnm Schadenersats, ansgedrackt durch eine gewisse Anzahl Schafe,
die hier, etwa im Werthe eines Rubels, die Münzeinheit bilden. Der
Sprach des Bijs wird in der Regel getreu ausgeführt, Ififst aber die
Appellation an den Manap zu. Der letztere besitzt nur die Macht
der Cassation; er fibergiebt die Sache den ihm n&chstwohnenden B\js,
deren Batscheidung für definitiv gilt Wenn die streitenden Parteien
verschiedenen Stammen angehören, so wendet sich jede an den Manap
ihrea Stammes, und der Procefs kann nur in einer Zusammenkunft
beider Manaps, wobei die Bijs ihrer Stfimme sie begleiten, ausgetragen
werden. Auf solchen Zusammenkünften läfst es aber die gegenseitige
Scammeseifersncht selten zu einem Ausgleich kommen. Dann sucht
die beschädigte Partei den ursprünglichen Urtheilsspruch mit Gewalt,
d. h. durch Raub der ihr zugesprochenen Stückzahl Vieh in Vollzug
zu setzen. Dabei wird es aber selten mit der Zahl genau genommen,
der rSuberische Uebcrfall trifft den ersten besten Unschuldigen des
andern Stammes, man setzt sich auch zur Wehr, es fliefst Blut, Todte
bleiben auf dem Kampfplätze, die Ursache zur Stammesfehde ist da.
Das Menschenleben wird auf eine bestimmte Anzahl Schafe geschätzt
(etwa 100, Wergeid I Man wird überhaupt hier vielfach an altgerma-
nisehe Verhältnisse erinnert), jeder Stamm fuhrt genaue Rechnung
über seine Verluste und setzt die Baranta fort, bis er vollständig
entschädigt zu sein meint So entsteht häufig aus der Baranta, dem
Raabzage, der wirkliche Krieg — D schon.
Die Ssara-Bagisch und der mit ihnen engverbündete Stamm der
S sei tu betrachteten als ihr Eigenthum den kleinern westlichen Theil
des Seebeckens von Issyk-Kul und die obern Thäler des Tschugebietes,
namentlich die des Koschkar und des Kebin. Die Bogu hatten den
gröGsern ostlichen Theil des Seebeckens und die oberen Thäler des
Tekes (oberen Ili) und des Naryn (Oberlauf des Syr) inne. Die
Volkszahl der Ersteren wird etwa auf 80—90,000 Seelen beiderlei
Geschlechts, die der Bogu auf 60,000 geschätzt, doch wollen die Bogu
vor dem Ausbruch der Fehde zahlreicher als die Ssara-Bagisch ge-
wesen sein. Als der Kampf etwa um das Jahr 1853 begann, fiel
der Sieg beständig dem klagen und tapfern Urraan zu, die Bogu ver-
loren die Lieblings- Weidestätten ihres hochbetagten Manap Burambai
bei Kysyl-Ungur, mufsten das Südufer des Sees ganz räumen und
hielten sich nur mit Mühe am Ost- und Nordostende desselben. Da
beschlofs Urman den Krieg mit einem Schlage zu beendigen , er
wollte den Aul Burambai's überfallen und dessen Familie in seine
Gewalt bringen. Nur 600 Reiter nahm er zu seinem kühnen Unter-
126 Mftrthe:
nehmen mit und fahrte den ersten Theil desselben glQcklich so Bnde,
der Aul Barambai's fiel in seine Gewalt, aber auf dem Rückwege
wurde er mit Uebermacht angegriffen und volist&ndig amsingelt. In
dankler Nacht entbrannte nan am Flufschen Schaty anf der Sod«-
Seite des Sees ein erbitterter Kampf. Urman fand an Elytsch, dem
an Sohnesstatt angenommenen ältesten Neffen Barambai's, der sp&ter
wegen seiner Wildheit den Beinamen des Tigers von Issyk-Kul
empfing, einen ebenbürtigen Oegner. Tödtlich von diesem verwandet
gerieth er in Gefangenschaft, warde in die Jarte des Emirsak, des
Sohnes von Burambai, getragen und gab hier in den Armen der ge-
liebten Tochter, die dessen Weib war, seinen Geist aaf.
Durch den Fall Urman's ermathigt, sammelten die Boga ihre ge-
sammte Streitmacht und rückten am Terskei, d. b. Südafer des
See's vor. Ihnen entgegen zog ebenfalls mit gesammter Macht Umbet-
Ala, der älteste Sohn und Nachfolger Urmans. Ein tiefer und reifsen-
der Bergstrom trennte allein noch die feindlichen Parteien, aber keine
wagte im Angesicht des Feindes überzasetzen und anzugreifen. Ver-
gebens ritten die Batyr, die Heldenjünglinge beider Stämme, sum
Flusse^vor und forderten durch Spott und Schimpf den Feind smn
Kampfe heraus; mehr als eine Woche verging in Unthätigkeit Da
ersann Umbet-Ala einen Streich, der ganz seines Vaters würdig war.
Im Lager liefs er einige hundert Reiter zurück und befahl ihnen, jede
Nacht dieselben Wachtfeuer anzuzünden, er selbst aber brach in
dunkler Nacht mit einer erprobten Schaar aaf, nmritt den See an
seinem Nordufer, dem Kungei, und gelangte so zu den wehrlosen
Auls Barambai's, die sich damals an der Mündung des Tab am Ost-
ufer befanden. Hier waren nur Frauen, Kinder und Sklaven zurück-
geblieben, daher konnte Umbet-Ala nicht nur Pferde- und andere
Viehheerden in Menge, sondern auch einen grofsen Theil der Kinder
und Frauen aus der Familie des Burambai, darunter seine eigene
Schwester, das Weib Eniisarks, als Beute entführen. Als einige Telen-
guten Burambai's mit der Nachricht dieses Ueberfalls in das Lager
auf dem Terskei sprengten, war die Bestürzung und die Wuth hier
grenzenlos. Burambai eilte sofort mit seiner ganzen Macht zurück,
traf aber seine Auls verödet und vermochte auch nicht mehr die
Ssara-Bagisch auf dem Kungei einzuholen. Nur der Nacbtrab der
letzteren, etwa 50 Mann, wurde von Klytsch erreicht, zur Ergebung
gezwungen und sodann ohne Gnade niedergesäbelt. Umbet-Ala rückte
nun von Neuem in's Feld, am Nordostende des Issyk-Kul stellten sich
ihm die Bogu, und es kam zur blutigen Entscheidungsschlacht. Die
Letzteren wurden geschlagen und mufsten mit ihren sämmtlichen Auls
und dem Ueberrest ihrer Heerden an den Tekes und den Karkara
P. r. Ssemenofs Forschungsreisen in den Trans-Üischen Alatan. ] 27
Üocbten, indem sie die ihnen verbliebenen Kostbarkeiten ihren Nach-
barn, den ehrlichen Kalmücken, zar Aufbewahrung übergaben. Yer*
gebens ging der alte Burambai, der den rothen Knopf an der
Mutze trng nnd folglich einen bedeutenden Titel unter den Chinesen
fahrte, die chinesischen Behörden um Hülfe an^ diese hatten
schon seit einigen Jahren die üblichen Inspectionsreisen zum Issyk-Kul
eingestellt und wollten von den dortigen Händeln nichts wissen. So
blieb dem alten Lehnsmanne Ghina's nichts übrig, als sich in die Arme
der Russen zu werfen; die Bogu sind seitdem Unterthanen des weifsen
Zars, der durch sie sein Reich an das Ostufer des Issyk-Kul aus*
dehnte.
Seine Familie mufste der hartgeprüfte Patriarch für schweres
Losegeld freikaufen. Nur die Schwester wollte Umbet-Ala nicht
wieder einer Familie zurückgeben, welcher der Mörder seines und
ihres Yaters angehörte. Anders jedoch dachte das heldenmüthige Weib
selbst, welches durch treue Erfüllung seiner Pflichten den Vater besser
zu ehren meinte, als durch Untreue gegen den Stamm, dem doch der
Yater selbst es zugeführt hatte. Nach einigen Monaten, als die Auf-
sicht weniger streng geworden war, entfloh die Gefangene in Gesell-
schaft einer Stammgenossin, welche ebenfalls das Weib eines Bogu-
Mannes gewesen war. Die armen Frauen nahmen als Speise nur
eine Schüssel voll Hirse mit, schlugen sich sofort in die Gebirge am
Südrande des Issyk-Kul, wanderten hier 17 Tage zu Fufs durch die
wildesten Thäler und Schluchten des Thian-Schan, indem sie sich nur
von ihrer Hirse und Wurzeln nährten und gelangten endlich bleich,
abgezehrt, barfufs und mit zerrissenen Füfsen an den Tekes, zu den
Jurten ihrer Männer. Die muthige Tochter Urmans bot nachher alles
auf, um der blutigen Fehde der beiden Stämme ein Ende zu machen,
erreichte ihren Zweck jedoch nicht eher, als bis die Ssara-Bagisch —
wir wissen nicht, ob gezwungen, oder vielleicht klugerweise freiwillig
— sich ebenfalls dem weifsen Zaren unterwarfen, was zwei Jahre
nach Ssemenofs Reise, also im Jahre 1858 geschah.
Wenden wir uns zu dem Reisenden selbst zurück. In seinen Un-
terredungen mit dem alten Oheim Umbet-Ala's erfuhr er, dafs dieser
schon einmal am Ende des vorigen Jahrhunderts in Peking gewesen
war, um den Tribut seines Stammes zu überbringen, dafs die Ssara-
Bagisch im zweiten Viertel dieses Jahrhunderts in die Unterthanen-
schaft Chokands getreten und mit dieser wegen der Erpressungen der
Beamten sehr unzufrieden waren. — Am Morgen des 8. October, früh
7 Uhr zeigte das Thermometer in der Luft -1-3,2 Gr. C. , im See
-*-5,3 Gr. Dafs die Temperatur aber vorher unter 0 gestanden haben
128 Marthe:
mufste, bewiesen einige mit dünnem Eise belegte Wasserlachen in der
Nfihe des Sees.
Der See Issylr-Kal liegt in einem ungehearen Becken oder Lings*
thale zwischen dem Himmelsgebirge (Thian-Schan) im Süden und dem
Trans • Itischen Alatau im Norden. Die Länge dieser von riesigen
Berggipfeln umkrSnzten Einsenkung beträgt von dem Punkte im Westen,
wo der Tscha in den Engpafs von Buam tritt, bis zu dem Bergpasse
Ssan-Tasch im Osten 250 Werst = 36 Meilen, die Breite 70 — 80
Werst, also 10 — 11 Meilen. Den tiefsten Theil dieses gewaltigen
Kessels nimmt das Wasserbassin des Sees in einer Länge von etwa
180 Werst = 26 Meilen (von WSW. nach NON.) und einer Breite
von etwa 50 Werst ^ 7 Meilen ein,') indem seine Oberfläche sich
etwa über 105 □ Meilen oder 5145 QWerst ausdehnt (ein Umfang,
der den des Grofsherzogthums Oldenburg ohne seine Nebenländer
noch um 5 Q Meilen übertrifft!). Aus dem eben Gesagten ergiebt
sich, dafs zwischen der Uferlinie des Sees und dem Fufse der am-
gebenden Gebirge ein Raum frei bleibt, der bald eben, bald mäfsig
ansteigend in einer Breite von 1^ — 3 Meilen sich nordlich und sudlich
vom See ausbreitet. Dieses Uferland heifst im Norden des Sees, w^ie
schon bemerkt wurde, Kungei, d. h. der nach Sud gerichtete Ab-
hang, im Süden Terskei, d. h. der nach Norden gerichtete Abhang.
Nach dem ersteren nennen die Kirgisen vom Issyk-Kul den Trans-
Ilischen Alatau — Eungei- Alatau, meinen aber damit nur die Südkette
dieses Gebirges, weshalb dieser Name nach Ssemenof s Meinung besser
von der geographischen Nomenclatur ausgeschlossen wird, ebenso wie
der unbestimmte Name Eirgisnyn- Alatau, mit welchem die Kir-
gisen die Yorberge und die Vorkette des Thian-Schan auf dem Terskei
sowohl wie weiter westlich jenseit des Tschu benennen.') Die Hohe
des Seeniveau's bestimmt Ssemenof nach der Temperatur des siedenden
Wassers zu 4540 russ. F. Es ist diese Ziffer das Mittel aus verschie-
denen Beobachtungen, die an beiden Enden des Sees angestellt wur-
den. Golubef erhielt aus barometrischer Beobachtung 5300 F. Sollte
die Wahrheit in der Mitte Hegen, so würde man etwa eine Hohe von
4900 F. über dem Meere für den Issyk-Kul anzunehmen haben.
Vom Kungei aus erhebt sich der Trans -Ilische Alatau durch-
M Diese Angaben stimmen aufTallend genau mit denen früherer Karavanen-
berichtei welche Ritter a. a. O. S. 388 für zu grofs hielt
^) Ob nicht Kungei -Alatau, der einheimische Name, nach dem Grundsatze
pars pro toto besser wäre aU Sa-Ilischer Alatau (Sa im Russischen: jenseit, über,
tranSf daher z. B. Sa-Balkanski, Sa-KünlUnski) , ist mir nicht zweifelhaft. Den
Namen Rirgisnyn-Alatau hat Ss&werzof aber wohl definitiv auf die den eigentlichen
Kungei-Alutau, d. h. die Südkette des sogonannteu Trans- Ili.sch«n i.:i. li V»'csten fort-
setzende Bergkette fixirt.
P. ▼. Ssemenoffl Forschungsreisen in den Trans-Ilischen Alatan. 129
«dwicdioli etMra &500— 6M)Ö Fqüb frber den Spiegel des Sees, d. h.
10—11,000 Fafs aber den Spiegel des Meeres. Höher jedoch ist der
mittlere Theil des Gebirges auf einer Strecke von 50 — 60 Werst
= ^'^^ Meilen, deon hier steigt das Gebirge bis 12- und 14,000 Fofs
auf und überschreitet die Schneelinie. Doch Hegt der ewige Schnee
immer nur stellen- und fleekenweise, daher mit Recht der Name des
Gebirges: das bunte, fleckige (Alatau). Zu solchen Hohen nun
steigt das Gebirge steil und schroff empor, Yorberge sind fast nicht
Torlianden, nur kurze, rasch abfallende Contrcforts scheiden eben so
yiele kurze Querthfiler von einander, in denen kleine, aber sturmische
Gebirgsbiche von der Scbneelinie über Stein und Fels zum See hinab-
stfircen. Nur eines dieser Contreforts tritt, aber bedeutend erniedrigt,
so hart an den See heran, dafs kaum ein Durchgang übrig bleibt;
diese Stelle heifst Kesse-Ssengir. Was dem Alatau vom Kungei
her ganz den Anblick einer Mauer giebt, das ist namentlich der Mangel
jedes irgendwie bedeutenden Ausschnittes in seinem Kamme und die
Höhe seiner PSsse.
Anders stellt sich am Terskei das Himmelsgebirge dar, das
10-11,000 Fufs über den See, d. h. 15—16,000 Fufs über das Niveau
des Meeres ansteigt. Der Abfall des Thian-Schan ist zwar steil, doch
oiebt so übermäfsig steil, wie der des Alatau, eine Vorkette und Yor-
berge erscheinen ziemlich selbstständig, einzelne Gruppen sind indivi-
doalisirt und verdecken zum Theil selbst, vom Terskei aus gesehen,
die hinter ihnen stehenden Schneeriesen des Hauptkammes, welche
äbrigens nicht nur an der Spitze der tiefeingeschnittenen Querthäler
siditbar sind, sondern überall dort hinter der Yorkette hervortreten,
wo diese etnigermafsen absinkt. Yom Eungei aus gesehen, tritt jedoch
der riesige Hauptkamm in seiner geraden Erstreckung von Ost nach
West in ganzer Majestät hervor. Yon hier aus erscheint der Kamm
des Himmelsgebirges als eine endlose Reihe riesiger Berggipfel, die in
glänzender, nirgends durch dunkle Streifen unterbrochener Schneehülle
strahlen. Wenn es in der That möglich wfire, eine Wanderung auf
dem Kamme des Thian-Schan, von den Quellen des Eoschkar (Tschu)
bis KU der erhabenen Gruppe des Chan-Tengri und des Passes
Massart, auszuführen, auf einer Strecke von 400 Werst = 57 Meilen,
der kühne Wanderer würde höchstens 6 Mal die Schneedecke unter
seinen Füfsen weichen sehen, dreimal auf Bergübergängen, die eben
nur zur Schneegrenze, d. h. zu einer Höhe von 11,500 Fufs hinan-
reichen und dreimal in den Fngthälern von Flüssen, die auf der
Nordseite des Thian-Schan entspringend, den Hauptkamm desselben
durchbrechen, um nach Süden hin abzufliefsen.
Grofsartig ist die Landschaft, die dem Blicke des Reisenden sich
ZtlUcbr. d. Gesellsoh. f. Brdk. Bd. IV. ^
130 Marthe:
darstellt, wenn er vom Eongei aos über den See nach Sfidea iohanC
Der dunkelblaue Wasserapiegel kann in seiner Saphirfarbe knhn sich
mit dem Genfersee messen, nur dafs er eine fünfmal gröbere Flfiche
bedeckt als dieser, und der unvergleichliche Hintergrund dem Bilde
eine Erhabenheit giebt, die der Genfersee nicht besitzt. Während
hinter diesem die Vorberge der Savoyischen Alpen aufsteigen und die
majestätische Gruppe des Montblanc vollständig verdecken, erstreckt
sich hinter dem doppelt so breiten Issyk-Kul eine auf etwa 40 Mei-
len übersehbare ununterbrochene Schneekette. Die scharfen Umrisse
der Vorbergo, die dunklen Spalten der sie durchschneidenden Quer-
thaler, alles dies wird gemildert durch den leichten und durchsichtigen
Wasserdampf des über dem See schwebenden Nebels, aber um so
klarer, um so bestimmter in den geringsten Einzelheiten ihrer Con-
to uren, um so glänzender zeichnen sich auf dem dunkelblauen Grunde
des wolkenlosen mittelasiatischen Continentalhimmels die vom Sonnen-
lichte übergossenen grauen Häupter der Bergriesen ab, die aus dem
durchsichtigen Nebeldampfe scharf sich abheben. Steht man bei
dieser Schau im westlichen Theile des Kungei, so nimmt gerade ge-
genüber die Decke des ewigen Sshnees etwa y der über den See-
spiegel emporragenden Gebirgshöhe ein, wendet sich der Blick süd-
östlich, so sinkt der schneelose Theil des Gebirges mehr und mehr
in die dunkelblaue Wasserfläche, bis endlich im Osten die Wogen des
Sees unmittelbar den Schnee der gigantischen Gruppe des Chan-Tengri
zu bespülen scheinen. Nur der Vordergrund dieser Landschaft er-
reicht bei weitem nicht die Aumuth schweizerischer Seelandscbaften.
Statt der Uferterrassen mit den prächtigen Gärten, statt der blühen-
den Städte und Dörfer, der poetischen Villen und Schweizerhäusdien,
sieht der Wanderer am Issyk-Kul eine traurige, öde Fläche vor sich,
ohne allen Schmuck dessen, was die Hand des civilisirten Menschen
anzupflanzen und hervorzubringen vermag. Unfruchtbar, mit zahllosen
Steinen besäet, im Ganzen ohne Baum wuchs liegt diese Uferfläche da;
nur an den Ufern der muntern Gebirgsbäche, hie und da auch am
Seeufer, trifft der Blick auf Gruppen kleiner Bäume und hoher Ge-
sträuche, meistens Sanddorn (ßippophae rhamnoides) mit schmalen
silbernen Blättern und Zweigen, die mit hellrothen Beeren dicht be-
setzt sind, dazu Crataegus pinnatifida und zwei oder drei Weidenarten.
Zuweilen schauen aus solchen Gruppen die weifsen Filzjurten kirgi-
sischer Hirten oder der lange Hals eines zweihöckrigen Kameela
hervor, noch seltner bricht aus dem die Baumgruppen umsäumenden
dichten Rohrgebüsch eine zahlreiche Heerde wilder Schweine oder der
furchtbare Beherrscher dieser Rohrdickichte — der Tiger.
Die Seegestade selbst sind nicht überall flach, im Gegentheil an
P. T. Ssemenofs Forschungsreisen in den Trans-Ilischcn Alatau. 131
vieien Stellen abschüssig, wenn auch nicht hoch. Aber auch von
diesen Dferterrassen scheinen die Gewässer des Sees allmählich zu-
rückzuweichen , als ob der Wassergehalt desselben im Abnehmen
wäre. Die alten und die jetzigen Ufergehänge des Issjk-Kul, ebenso
der Boden des Sees an seinen Rändern bestehen aus dem oben be-
»ehriebenen , schwach verkitteten röthlichen Conglomerat , dessen
Schiften zum Seebecken hin schwach geneigt sind, während sie zum
Gebirge hin sich erheben und den Fufs desselben ganz überdecken,
an einigen Stellen in den Thälern des Thian-Schan bis zu mehreren
btmdert Fufs hoch, so z. B. an der Oertlichkeit Kysyl-Ungur, wo in
die mächtigen Conglomeratschichten geräumige Höhlen eingewölbt
sind. Da diese Conglomerate in discordanter Schichtung gegen die
paläozoischen Gesteine des Thian-Schan und Alatau liegen, und, soweit
Ssemenofs Beobachtungen reichten, auch den Seegrund bilden, so
schliefst derselbe, dafs sie die Niederschläge des Sees selbst seien.
Dann würde ihre im ganzen Seebecken wahrnehmbare, über den
jetzigen Seespiegel hinausgehende Höhe beweisen, dafs dieser einst
bedeutend höher stand und eine bedeutend gröfsere Oberfläche bedeckte.
Dafür scheint auch die Entstehung des Engthaies von Buam zu
sprechen, denn schwerlich kann diese einem Durchbruche des im Ver-
häknifs zu unbedeutenden Koschkar zugeschrieben, sondern wohl nur
aas einem Dorchbruch der Gewässer des ganzen Issyk-Beckens, dessen
Niveau dann sofort fallen mufste, erklärt werden. Nach diesem Er-
eignifs konnte der Tschu noch lange der Abflufs des Issyk-Sees sein,
bis die fortdauernde Niveau- Erniedrigung des letzteren diesen Abflufs
unmöglich machte, worauf dann der bisherige Zuflufs des Sees, der
Koschkar, zum Oberlauf des Tschu wurde. Die fortgesetzte Abnahme
des Seeniveaus war aber dadurch bedingt, dafs, seitdem in Folge des
immer troekner gewordenen Continentalklima's die Schneelinie sich
höher schob, die Zuflüsse des Sees an Wasser verarmten und die
. durch Verdampfung entstandenen Verluste des letzteren nicht mehr
genagend ersetzen konnten.
Der Issyk-Eul scheint aufserordentliche Tiefe zu haben, In-
seln sind nach Ssemenofs Wahrnehmungen in ihm nicht vorhanden;
sein Wasser hat salzigen Geschmack und ist zum Trinken ziemlich
untanglieh. Der Winter bezieht nur einige Buchten und Einschnitte
mit Eis, niemals friert der ganze See zu. Davon erhielt er seinen
kifgisischen Namen Issyk-Kul, chinesisch Dje-Hai, d. h. warmer See;
Mongolen und Kalmüken nennen ihn Temurtu-Nor, den eisenhal-
tigen (nach Ritter weil an seinen Ufevn Eisenminen liegen, von denen
indeis Ssemenof nichts erwähnt). Die Ursache des Nichtgefrierens
mols, wie beim See von Choktschinsk im Kaukasus, der so?ar 1000 F.
132 Marthe;
höher^ dafür aber 1 Gr. südlicher liegt, in der Tiefe des Sees einer-
seits und der Höhe der umgebenden Berge andererseits gesucht werden .
Reich ist der Issjk-Kul an Fischen, welche sich in manchen Buchten
in erstaunlicher Menge zusammendrängen und von den Kirgisen g&r
nicht gefangen werden; ein grofser Reichthum an Arten derselben
scheint aber den See nicht auszuzeichnen, welcher darin der ihm be-
nachbarten Steppe hinsichtlich ihrer Flora gleicht; Ssemenof fiog ioamer
nur Ssasane, eine Earpfenart.
In den See munden an 40 Flusse. Die bedeutendsten sind die
östlichen: der T üb und der Dschirga lan, welche am ewigen Schnee
des Tbiau -Schan entspringen und die letzten 7 oder 8 Meilen in der
östlichen Verlängerung des Seebeckens flielsen, geschieden von ein-
ander durch den niedrigen Höhenzug Tasma, welcher zwischen den
beiden FlufsmunduDgen als Halbinsel in den See vorspringt and
in dieser Gestalt Kuke-Eulussun heilst. Von den übrigen Zu-
flüssen des Sees sind die südlichen im Allgemeinen bedeutender als
die nördlichen. Zu den ersteren gehören: der Earakol, der Dschity-
Ugus, Eysyl-Ssu, Sauku, Tschischkak, Ak-Terek, Schirgatschal, Schar-
pildak, Ten, Konurulun u. a., zu den letzteren: der Taldy-Bulak, Tu-
raigyr, Dürenyn-Ssu, Tschugan-Aty, Eesse-Ssengir, der kleine und der
grofse Ak-Ssu, Ssurekgyr, Eudurgu, Eurmety etc. Im Winter sind
alle diese Flüsse wasserarm, füllen sich aber im Frühling und Sommer,
selbst noch im Herbst, und werden dann stürmisch und rauschend, wäh-
rend ihre Betten mit Baumgruppen eingefafst sind. Wo der Boden nicht
allzu steinig ist, und Bewässerungscanäle aus den Flüssen abgeleitet
werden können, ist Ackerbau möglich und gewährt vorzügliche Ernten»
aber der zum Feldbau geeigneten Ebenen sind wenige, sie werden
kaum den 10. Theil des unter dem Eungei und Terskei begriffenen
Territoriums bilden. Auch Gartenbau würde in allen auf den ^Nord-
hang^ und den „Südhang^ mündenden Thälern betrieben werden
können, wie dies ein von Burambai angelegter Garten im Thale des
Sauku und eine Anpflanzung von Apfelbäumen am Ak-Ssu, einem
linken Zufiufs des Dschirgalan, beweisen. Die Rebe würde schwerlich
"^ ^tnn Issyk-Eul zur Reife gelangen.
Am 10. October trat die russische Recognoscirungstruppe ihren
Rückmarsch an, zuerst in der Richtung nach ONO, dann NO, schräg
über den Eungei weg in allmählicher Steigung zum Gebirge hin. Die
ganze Oberfläche des Eungei war dort, wo der Weg ging, mit kleinen,
rund geriebenen Steinen besäet, theils von Porphyr, theils und zwar
häufiger von Diorit, seltener von Granit. Auf dem steinigen Boden
standen viele dornige Gewächse, so die dornigen Arten von Astra-
galns^ Lycinm, AcanthophyUum spinosum und das neuentdeckte Acan-
P. V. Ssemenofs Forschangsrcisen in den Trans-Ilischen Alatan. \ 33
tkophyllmn paniculatum. Von den kleinen Wasserläufen , die man
darcbscbnitt, war nur der Taidy-Bulak durch eine Reihe von Weiden
and Sanddorn bezeichnet. Nach mehr als 2 Meilen (15 Werst) Marsch
auf der geneigten, steinigen Ebene des Kungei gelangte man zu den
ersten Hügeln oder Vorbergen des Alatau. Diese Hügel bestanden
zuerst ans Diluvialboden, wurden aber bald hoher und liefsen krystal-
iinisches Gestein, namentlich Syenit, zu Tage stehen. Zwischen diesem
zeigten sich auch Ausgärige von Diorit und Diorit-Porphyr. Ein ge-
wundener Pfad führte durch diese nackten, steinigen und, wie es
schien, völlig unfruchtbaren Vorberge nach einer Meile an den Flufs
Taraig}T, wo unter den gröfsten Vorsichtsmafsregeln , da die Russen
ja nach dem Verlassen der kirgisischen Auls den heiligen Charakter
Ton Gästen verloren hatten, übernachtet wurde.
Die Nacht verging ruhig, und am 11. October geschah der Auf-
bruch früher als gewöhnlich, da der schwierige Üebergang über die
Sudkette des Alatau bevorstand. Vom Turaigyr ging es nach NO
aber die Ausläufer des Gebirgs, welche die Bäche Turaigyr, Kysyl-
Bolak, Kabyrga-Bulak und Dürenyn-Ssu von einander trennen; an dem
ersteren stand rother Granit, an einem der späteren Diorit zu Tage.
Nach 4 stündigem langsamen Aufsteigen war der Dürenyn-Ssu erreicht,
wo Halt gemacht wurde,* um — eine Saujagd abzuhalten. An den
Rändern des Flusses stand dünnes Eis; auf seiner Ostseite erhob sich
dn hoher und steiler Felsenkamm von rothem Granit, an dessen Fufse
sich ein Snmpfstrich hinzog. Aus diesem brach eine Heerde Wild-
sch^reine hervor, auf welche die Kosaken Jagd machten und glücklich
einen Eber von ungeheurer Gröfse erlegten. Längs des eben erwähn-
ten Granitkammes ging es endlich wieder in die Höhe, auf der andern
Seite des Baches zog sich Gneifs hin. Der Weg wurde allmählich
immer steiler, war jedoch noch erträglich, so lange er dem Bache zur
Seite blieb. Als dieser jedoch links liegen blieb, und in gerader nörd-
licher Richtung der steile Granitberg, welcher das Thal schlofs, er-
klömmen werden sollte, wurde die Sache selbst gefährlich. Furcht-
bare Gneifsfelsen, zum Theil mit lockerem Schnee bedeckt, lagen im
Wege, and es dauerte 3 Stunden, ehe die Höhe des Passes erreicht
war. Ein Kameel und drei Pferde mufsten in dieser Wildnifs ihrem
Schicksal überlassen wetden, da sie nicht weiter zu bringen waren.
Den Pafs nannten die FÖhrer Dyrenyn-Assy, und Ssemenof schätzte
Mine Hohe auf etwa 9000 Fnft. Von einem an den Pafs angrenzen-
den Olpfei hielt Ssemenof noch einmal im Abendsonnenschein Üm-
Khan und Rückschau. Die Schneeriesen des Himmelsgebirges er-
glänzten bell im Strahl der untergehenden Sonne in allen Regenbogen-
Nuancen. Als höchste erschienen die, welche dem Meridian der West-
154 Marthe:
Spitze und der Mitte dee Sees entsprachen; zwischen diesen Meridianen
scheint der Kamm des Thian-Schan etwas zu sinken. Die ganze blaoe
Oberfläche der Westhalfte des Sees erschien so deutlich, wie 'aaf einer
Karte, mit ihren Buchten, Yorsprungen and Binschnitten. Im Norden
oder vielmehr im Nordosten war in den klarsten Umrissen und dabei
ziemlich nahe der dreigipfiige Hauptstock der nördlichen Kette des
Alatau, der schneebedeckte Talgarnjn-Tal-TschokajZu erkennen,
dessen Höhe nach annähernder Sch&tzung sich auf 14,500 — 15,000 F.
belaufen wird.
Das Niedersteigen vom Durenjn-Assy war fast noch gefährlicher
als das Aufsteigen. Im Anfange war der Weg so steil und felsig,
dabei die Zwischenräume der schlüpfrigen Felsen so mit Schnee über-
deckt, — am Nordabhange lag fiberhaupt mehr lockerer Schnee als
auf dem südlichen — dafs die Pferde am Zügel gefuhrt werden
mufsten, und doch Menschen und Thiere fortwährend stürzten, den
Abhang in malerischer Unordnung hinabrollend. Zum Glück kamen
die einen wie die andern ohne ernstlichen Schaden davon. Der Steil-
hang, der so zurückgelegt wurde, bestand aus Gneifs. In einer Senke
sammelte sich die Karavane, links von ihr in einer andern Einsenkang
lag der kleine Alpensee Dürenyn-Kitschkene-Kul. Vor ihr zeigte
sich in der Tiefe das Längsthal des Kebin, welches den westüchen
Flügel des Alatnu auf einer Strecke von 100 Werst =s 40 Meilen in
zwei Parallelketten, eine nördliche und eine südliche, scheidet Nach
kurzer Erholung ging es beim Mond licht, immer noch furchtbar steil,
weiter hinab, bis nach 2{ Stunde die obere Grenze des Baum Wuchses
und ein Gebirgsbach, der nördliche Dürenyn-Ssu, der mit ungewöhn-
lich raschem und stürmischem Fall durch ein kleines enges Qnertbal
in das Längsthal des Kebin fliefst, erreicht war. Das wilde, roman-
tische Thal des nördlichen Dürenyn ist mit malerischen Gruppen und
Wäldchen hochstämmiger Fichten (picea Schrenkiana) besetzt. Unter
solchen wurde, nachdem noch I7 Tausend Fufs von der oberen Grenjce
der Baum Vegetation zurückgelegt waren, das Bivouac aufgeschlagen,
und lustig brannten zum ersten Male wieder seit dem Uebergange
über den Ssuok-Tübbe die Feuer, über welchen die Kessel mit Eber-
fleisch brodelten. Am Himmel stand der Mond und übergofs mit
hellem Lichte die Berggipfel, während die eingeschnittenen Schluchten
und Klüfte im tiefsten Dunkel lagen. Da lebten die Kosaken wieder
auf, sangen ihre muntersten Lieder, und es regte sich ihr Unterneh-
mungsgeist; zwei von ihnen fehlten beim Appell, ihre Kameraden
kicherten, und am Morgen waren sie da, beladen mit — Branntwein,
den sie aus Wärnoje jenseit der Nordkette, 7 Meilen weit, herbei-
geschafft hatten!
P. r. Ssemenofs Forschungsreisen in den Trans-Discben Alatau. (35
Am 12. October zeigte das Thermometer 8 Uhr Iruh —-2,5 Or. C.
bei heiterm Himmel. Für das Nachtlager am DGrenyn-Seu, das etwas
oberhalb seiner Mündung in den Kebin lag, ergab sich eine Höhe
TOD 5962 Fa£s, danach mttfste das Thal des Kebin an der Mündung
dieses Beiflusses auf 5500 Fafs absolute Hohe geschätzt werden. Der
QiUDittelbar über dem Lager etwa 2000 Fufs steil ansteigende Berg-
grat liefs Schiefer von grangrunlicher Färbung, dessen Schichten von
0. nach W. strichen und sich nach N. unter einem Winkel von 65 Or.
senkten, zu Tage stehen. In einer halben Stunde war der Kebin
erreicht Das Thal desselben war hier etwa ^ Werst breit; vom
Nordabhange der Sndkette ging in dasselbe ein hochstämmiger Fichten-
wald hinab. Der Kebin ist ein rauschender, an Wasserfällen reicher
Fhiis, der hier eine Breite von etwa 50 Fufs hat. Nachdem er in
einer Furt passirt war, begann das Aufsteigen an der Nordkette in der
Riebtang nach Nordost Das Gkstein war derselbe Schiefer wie an
4er Südkette mit fast derselben Streichung von Ost nach West (nur
um 5 Or. abweichend in der Richtung von OSO nach WN W), fiel
aber hier nach S. unter einem Winkel von 55 Or. Diese synklinische
Lige der Scbieferschichten im Kebinthale beweist offenbar, dafs das
Gebirge auf beiden parallelen Linien gleichzeitig gehoben wurde. Was
die geologische Epoche dieses Schiefers betrifft, so ist er sehr alt,
palfiozoisch, and obwohl wegen Mangels an Versteinerungen die For-
aatioD, zu der er gehört» nicht genau zu bestimmen war, so möchte
«r doch in eine der beiden älteren paläozoischen Formationen zu
letzen sein; wenigstens jm östlichen Flügel des Alatau liegt auf ähn-
Keben Schiefern Kalk mit Yersteinerungen der devonischen Periode,
dieser aber wieder anter Bergkalk (aas der Steinkohlenformation}.
Der Marsch aus dem Kebinthale zur Höhe des Passes Kes-
kelen dauerte 5 Standen. Die Schieferschichten nahmen bald ein
Bade, und man traf hellen grobkörnigen Oranit an, welcher steile,
felaige Abstürze bildete. Das kleine Querthal, in dem man aufstieg,
bob sich rasch in steilen Stufen and war durch einen starken Oranit-
kaom geschloeseD. Ein wild raasebender Bach, dessen Ränder schon
stark beeist waren, führte an den Fufs der hoben Oranitwand, wo er
seinen Uiaprang nahm. Ueber 1000 Fufs hoch war diese letzte Stufe
des Anfbtiegs und aas hellem ond rothem Oranit zusammengesetzt.
An der Orenze beider Varietäten ging der Weg im Zickzack aufwärts,
taletst mit lockerem Schnee bestreut Die Oebergangsstelle bildet
«nen kleinen Aasschnitt in dem Oebiftgskamme, dessen nächste Oipfel
«twa d--ÖOO Fufs ober den höchsten Punkt des Passes, welcher
10,400 Fafe fiber dem Meere liegt, hiaausstehen. Links, d. h. west-
lieh vom Passe erheben sich abschfissige Felsen von hellem Oranit,
136 Marthe:
die mit einem sehr schmalen, scharf omrissenen) gezackten Kamme
gekrönt sind, rechts ein etwas abgerundeter Gipfel von rothem Granit.
Diesen erklomm unser Berichterstatter ohne viele Mühe und konnte
auf dem welligen, zackigen Kamme desselben in der Richtung nach
Osten einherspazieren. Ueberall lag lockerer Schnee, wo nicht steile Ab-
hänge das Aufliegen desselben verwehrten. Unter dem friscbgefallenea
Schnee und namentlich auf dem Nordabhange des Kammes waren ver-
eiste, vieljahrige Schichten ewigen Schnees erkennbar, doch bildeten diese
nur Felder von kleinerem Umfange. Die Aussieht gab an Grhaben>-
heit der vom Fanlhorn in den Berner Alpen nichts nach. Ringsiim,
namentlich im Süden, Südosten, Osten und Nordosten starrten zer-
rissene, zackige Gipfel empor, deren dunkle, kahle Steilhänge einen
scharfen Contrast zu dem blendenden Weifs ihrer auf ebneren Stellen
liegenden Schneedecke bildeten, ein Contrast, der den einheinaisitben
Namen des „bunten" Gebirges hier vollständig rechtfertigte. Vom
Issyk-Kul war nichts zu sehen, wohl aber tauchten zwischen den
Gipfeln des Alatau aus bläulichem Nebel die Schneehäupter des Him*
melsgebirges im Süden auf. Nach Norden zu drang der Blick dorcfa
das enge, wilde Thal des Keskelen weit in die ebene, endlose Steppe
des Ili.
Die Abfahrt war wiederum schwieriger als die Auffahrt. Schnee
und Steine lagen chaotisch durcheinander^ die vereiste Rinde des
ewigen Schnees machte das häufige Fallen von Menschen und Thleren
gefährlich; dazu ging es sehr steil abwärts. Am Ende dieses steilen
Abstiegs entdeckte Ssemeaof zwei Adern von Diorit im Granit. Die
zweite derselben fiel durch ihre grobkörnige Zusammensetzung und
darin sich abhebenden Krystalle von grünlicher Hornblende auf. Hier
traf man auf einen der Quellbäche des Keskelen, der schon vottstän-
dig zugefroren war. Sein Thal war mit mäCsigem Fall nach NO ge-
richtet und lag an der Grenze der obern alpinen und der Zone der
Alpensträucher, d. h. in einer Höhe von 9500 — .9000 Fufs, an den
Abhängen trat schon Juniperus pseudosabina auf. Nach 20 Minuten
Weges in diesem Thale war wieder ein steiler Absatz in fiberwinden.
Bei 8000 Fufs absoluter Höhe zeigten sich woUgewachseae Fichten,
zwischen denen die beiden Qaellbäcbe des Keskelen rauschend zn-
sammenflossen. Das enge Thal des westUcherea war im Hintergrunde
von Schneeg^pfeln geschlossen. Das Hauptthal des Keskelen, in wel-
cb.em es nun weiter ging,, war mit schöner grüner Vegetation ge»
scbmucki und wuriie. aufserord^üich maleriBch und romantiscb. Naeh
24^ stündigem MarscKe von der Höbe des Fasses her wurde endlieh
in einem Fichten wäld«ben 9 etwa 6000 Fufe hoeb) das leiste. Bivouao
aufgeschlagen.
r
P. ▼. Ssemenofs Forschungsreisen in den Trans-Ilischen AlAtan. ]37
Am 13. Octöber war<len etwa Docb 2 Meilen (15 Werst) ioi Ge-
birgie und -f Meile (5 Werst) in den Verbergen zurückgelegt, immer
far Seite des Kesfeelen. Die ersten 8 Werst lagen gröfstentheils in
einem Fichtenwalde, zu Tage stand auf dieser Strecke rother Granit*
Weiterbin, jenseit eines Nebenthälcbens, aus dem von rechts her ein
Zaflnis des Eeskelen hervorstromte, ging der Granit zu Bnde und
warde von grauem Sjenit und Diorit abgelöst, auch der Fichtenwald
hörte auf; man trat in die Zone des Aprikosenbaumes (Urfik), d. h. man
war unter 5000 Fufs herabgekommen. Nach 12 Werst vom Nacht-
lager ans horte auch der Syenit unter Diluviaiboden auf; noch 3 Werst
veiter deboachirte der Zng aus den hohen Bergen' and gelangte in die
hügelige Vorgebirgslandschaft des Alatau. Die Hügel derselben waren
Tollst&ndig mit Diluviaiboden und mehr oder weniger grofsen, zuweilen
selbst ungeheuren Steinen von Granit, Syenit, Diorit ujid Diorit^Por-
phjr bedeckt. Zwei Werst nach seinem Auatritt in die Vorberge
bricht der Keakelen durch dieselben in einer sehr engen Schlucht, deren
St^lw&nde ans röthlich -violettem Porphyr bestehen, der auch Schich-
ten von Kieaelschiefer gehoben und stärk metamorphosirt hat Diese
Schichten streichen von OSO nach WNW mit einer Abweichung von
aar 10 Gr. vom Parallel und fallen nach Norden, Nach Durcbziebung
dieser Schlucht trat man endlich in die untere Ebene ein, wandte sich
Bscb Ost und gelangte nach einem Marsche von 30 Werst glücklich
vieder nach Wärnoje.
(Schlafs folgt,)
VI.
Titulaturen und Würden in einigen Centraineger-
ländern.
Von Gerhard Rohlfs.
Obgleich staatliche Einrichtungen unter den Negern des nord-
lichen Centralafrikas fast fehlen^ so findet mah doeh bei . den Tebu, so
wenig sie dieselben ausgebildet haben mögen, feste gesellschaftKche Einr
ncfakongen. Von alleo WusteBbewöbnern sind sie die einBigea, welche
^m stabile* monarebisehe Begierungsform babeti, obseban m\t seSir be-
•chnnkter Gewalt; die Tebn bilden gewissermafseit den Udi>ergang cti
138 Gerhard Rohlfs:
der despotischen Staatsform der grofsen Negerreiehe nördlich vom
Aeqoator and jenen freien, unabhängigen Stämmen, welche als Toareg-,
Araber- nnd Berber Triben sudlich vom grofsen Atlas theils nomadi-
siren, theils feste Wohnsitze haben.
Die Tebu haben die eigentliche Mitte der Sahara inne: Tubesti,
Borgn, Uadafdnga, Elaaar und einige andere kleine Oasen sind ihre
Domänen, im Süden aber dehnen sie sich durch Kanem hin bis an das
Ostufer des Tsad-Sees aus und reichen fast bis Bagirmi hinab. Sefs*
haft in kleinen Ortschaften, von denen die grofste wohl kaum tausend
Binwohner erreicht, sind sie dennoch ein wanderlustiges Volk, und ein
erwachsener Teba-Mann verbringt die Hälfte seines Lebens auf den
oft unsichtbaren Pfaden der endlosen Wüste, oder in den Steppen und
Wäldern, welche die Sahara von den eigentlichen fruchtbaren Liändem
Innerafrikas trennen.
Die Tebu haben Könige, welche in gewissen Familien erblich sind,
und zwar folgt die Herrscherwurde nicht auf den jedesmaligen 8ohn<,
sondern auf das älteste männliche Glied der ganzen Familie. Der
König heifst ^derde^ (Barth: dirde bus), jedoch hört man ebenso oft
den Kanuri- Ausdruck ^mai^. Für Brbprinz, obgleich das nicht der
Sohn ist, er müfste denn ausnahmsweise der zunächstkommende männ-
liche Spröfeling sein, haben sie den besonderen Ausdrude ^derde koti-
heki^; die Übrigen männlichen Mitglieder haben schlechtweg den Na-
men Prinzen ^maina^. Die Königin hat den Titel ^derde*ädebi^.
Da bei den Tebu weder Heere noch sonstige Staatseinrichtnngen
existiren, so haben sie auch für die verschiedenen Beamten und Char-
gen, welche damit verknüpft sind, keine Namen. Indefs nennen sie
den Oberanführer einer Truppe „bni-hento'^, einen Unterbefehlshaber
^es^gede-hento^. Auch für Unterhändler oder Gesandten haben sie den
besonderen Ausdruck „iari-kek^ntere^. Ihre religiösen Beamten haben
mit der Religion von den mohammedanischen Arabern ihre Namen in
die Teda-Sprache mit hinüber genommen. Als besonders mufs noch
erwähnt werden, dafs die Tebu einen eigenen Ausdruck für den Schatz-
meister haben, oder denjenigen, welcher bei den Grofsen die Aus-
gaben verrechnet, er heifst ''rezi ukil-henoa^ Mit dem eigentlichen
Schatze oder mit dem Gelde hat er indefs nichts za thun, denn dies
vergraben die Grofsen und Reichen eigenhändig, und sind viel zu be-
sorgt und mifstrauisdi, nm den Platz, der meist weit w^ von der
Wohnung auf einer nicht frequentirten Hammada liegt, auch nur eine
«weite Person wissen zu lassen.
So einfach wir nnn auch die Tebn->Ejinrfchtangen änden, nm so
-complieirter «eigen sich die der ihnen nahe verwandt^i Staimnesvöl-
ker, der Kanari oder Bewohner von Bornn. Diese und mit ihnen die
r
Titolaturen und Wärden m einigen Centralnegerländern. ]3!)
Hofe der Pullo-Dynastien, an der Spitze Sökoto, haben offenbar Ein-
xichtnngen, welche von allen Negerstaaten am meisten denen der ge-
sitteten T51ker nahe kommen. Dafs mit der EHnfubrang des Islam
eine bedeutende Aenderung vor sich gegangen ist, Ififst sich aber auch
oieht weglaugnen. W&hrend z. B. früher in Borna der Purst, der den
T^tel ,)mai^ hat, sich nicht einmal seinen Orofsen zeigte and stets hinter
^nem Vorhange sprach, ist derselbe jetzt öffentlich sichtbar fSr Jeder-
mann, spricht sogar in gewissen Fallen selbst Recht. Trotzdem hat
sieh in naheliegenden Ländern, wie in Bagirmi, Mandara und anderen
die Sitte erbalten, dafs die Grofsen, wenn sie mit dem Könige reden,
ihm den Rücken zuwenden, zum wenigsten müssen sie das Antlitz
abwenden. Ja in Kuka selbst gebort es noch zum guten Ton, mit
abgewandtem Gesicht den ^mai^ anzureden.
Sehr einflufsreiche Stellongen in Borna haben die jedesmalige
Motter des mai, welche den Titel ^magera^ fuhrt, und auf die politischen
Yerhandlangen influenzirt, dann diejenige Frau, welche legitim ver-
beiratfaet das Gluck hat, den ersten männlichen Erben zur Welt zu
bringen; diese heifst ^gumsu^. Sie ist zugleich Leiterin des ganzen
Harem, der in einem so grofsen und mächtigen Staate wie Bornu
jedenfalls nicht kleiner ist als der des Beherrschers der Hohen Pforte,
ond somit zu zahlreichen Intrigoen und Ränken Gelegenheit giebt.
Seit dem Sturze der Sefna - Dynastie durch die Familie der Ka-
nemi^n hat man angefangen eine directe Nachfolge einzufahren, ob-
wohl der mohammedanische Glaube, der in Bornu am Hofe verbreitet
ist, immer befürchten lassen mufs, dafs Ausschreitungen vorkommen.
Der Thronfolger hat den Titel ^y6ri-ma*") (nicht tata mai kara, wie
Barth sagt, was blofs ältester Sohn des Königs heifst, auch nicht
tarö-ma).
Die einflufsreicbste Persönlichkeit am Hofe von Bornu ist dann
lui&chst der Dig-ma, was Barth durch Minister des Innern Übersetzt
hat. Dieses ist aber noch viel zu wenig: der Dig-ma ist Minister des
Inneren, des Aeufseren, Ministerpräsident, kurz er vereinigt nach un-
seren Begriffen das ganze Ministerium in seiner Person. Natürlich
sind in einem Lande, wo alle Geschäfte und Beziehungen fast round-
lidi gemacht werden, diese der Art, dafs Ein Mann aasreicht, um die-
selben abzuwickeln. Uebrigens bat der Dig-ma auch seine Gehülfen,
von denen der Brste den Titel „ardJino'^na^ führt
Mehr für das eigentliehe Hauswesen, besonders für dSe intimen An-
') Bartb giebt in seinem YocabnlArium dies Wort unter den xw51f großen Hof-
bntem von Bornu, er specificirt aber dieselben nicht und aus ihm können wir nicht
«&hren, was y^ri-ma ist; mir wurde es als der Titel des Thronfolgers genannt von
«UMDL Ifanne, der selbst Höfling war und gut arabisch sprach.
140 Gerhard Rohlfs:
gekgenheiten des Sultans dient der Oberste der Banuchen, ^mistra-m«^.
Gewöhnlich gelangen diese zu grofsen Reichthumern , da um ii^esd
eine Gunst vom Sultan eu bekommen, alle Beamten bestoichen werden
müssen und hauptsächlich der mistra-ma. Der Sultan verzeiht nberbmapt
den Eunuchen und dem Eunuchenobersten ihre Reichthömer, da er nach
ihrem Tode so wiie so ihr Erbe ist. Man glaube indefs ja nicht, daTs
diese unglücklichen Geschöpfe darauf verzichten, als Männer gelten zn
wollen; nicht nur, dafs sie stolz und reichgeschmückt die wildesten
Pferde besteigen und Waffen tragen, halten sie sich auch ihr Weiber^
barem, und der Mistra-ma hat sicher ein ebenso grofses Harem wie der
Dig-ma. Mit dem Mistra*ma, jedoch lange nicht eine so wichtige Per-
sönlichkeit, rangirt der Oberaufseher der königlichen Sclaven, welche
in der Regel in einer Anzahl, die zwischen 3 — ^00 Köpfen schwankt,
vorhanden sind; sein Titel ist „mar-ma-kullo-be^.
Als sonstige Aemter, die mehr oder weniger die Person des Sul-
tans betreffen, finden wir noch den Mainta oder Oberverpfleger. Wenn
man weifs, wie grofs die täglichen Einnahmen des Mai an Korn, Fleisch,
Butter, Honig, Geflügel und anderen Victualien sind, und wenn man
andererseits einen E^ü* blick getban hat, welche Menge von Lebensmitt^n
alle Tage in die Küche des Königs geliefert werden mufs, um die ho-
merischen Schüsseln für den eigenen Haushalt, für den köaiglicheD
Rath und für die zahlreichen Fremden, welche als Gäste des Mai aus der
königlichen Küche gespeist werden, zu fallen, so wird man sich gestehen,
dafs das Amt eines Mainta kein unwichtiges ist Der Mainta hat xa-
gleieh die Aufsicht über Küche und Köcbe. Weniger bedeutend ist die
Function des Sintel-ma oder Mundschenks. In einem Staate, wo Weinr
oder Biertrinken für ein Yerbrechen gilt, läfst sich das leicht erkifiren.
In Bornu besteht die ganze Thätigkeit des Sintel-ma, seitdem der Islam
als Staatskirebe proclamirt worden ist, darin, dem Mai die Trinkschale
mit Wasser oder eine Tasse Kaffee oder Thee zu prfisentiren. Vor
dem Essen und nachher hat derselbe ebenfalls das Waschbecken zu
bringen, worin der Mai seine HSnde abspült.
Das Heer in Bornu ist in drei grofse Abtfaeilnngen getheilt: Reiter,
Infanterie« welche zum Theil mit Flinten bewaffnet ist, zom Theil mit
Pfeil und Bogen, und die Schangermangerabtheilung ; alle ffibren aufoer-
dem Spiefse Und S&bel, die Cavallerie aber nur letztere Waffen. Was die
Schangermangerabtheilung betrifft, so ist dies eine Art Garde d« oorps;
ihre Waffe isA ein Warfeisen von der Länge von zwei Fafs unld mit
sichelartigen, geschärften Widerhaken versehen. Der Reiteroberst hat
den Titel „kets^lla-blel**, der Infanterieoberst heifst „katsella-nbursa^,
der Schangermangeroberst ^yalla*ma^. Die übrigen Offiziere haben
Titulaturen und Würden in einigen Oentralnegerländern. 141
flchleehlweg den Titel ^katsella^, die Hnlfsoffiaiere oder Adjutanten
heifsen ^kre-ma^.
Als besonders mfissen die Commandanten zweier St&dte hervor-
gehoben werden, der von Ngorna ond der von Yo. HauptsächKch ha-
ben diese wohl deshalb einen besonderen Titel, weil der Mai manch-
mal aofser in Koka auch in diesen Städten seine Residenz hat. Der
Statthalter von Ngomu heifst ^faga-ma^, der von Yo hat den Namen
^kasal-ma^. Alle Vorsteher der übrigen Ortschaften haben den gemein-
samen Titel ^billa-ma^, and nach Barth auch „tsi-ma^, wahrend Eoello
letzteres Wort mit Abgaben Sammler übersetzt.
Alle Sohne und männlichen Nächsten des Mai, die obersten Be-
febUhaber des Heeres, der Dig-ma, der Eunuchenoberst, endlich die
flkognäua* (pl. von kogna) versammeln sich alle Tage im Gebäude des
Mai und bilden den grofsen Rath, nokna genannt. Natürlich vom Mai
in eigener Person präsidirt, ist die Stimme des Einzelnen ihm gegen-
über ohne alles Gewicht. Der Mai betritt unter Trommelschlag und
Masik den Saal erst, wenn Alle versammelt sind, ein „kingaiam^ oder
Herold kündet seine Ankunft an, wobei die ganze Versammlung sich
erhebt, und sich erst wieder setzt, nachdem er selbst Platz genommen
bat Gewissermafsen haben die Eognäua höheren Rang als die Be-
üehlshaber der Armee und der Dig-ma, denn erstere dürfen bedeckt
bleiben vor dem Mai, während letztere und auch der Mistra-ma nur
nah blofsem Haupte erscheinen dürfen. An Macht, Reich th um und
Einflafs sind jedoch der Dig-ma und Mistra-ma die ersten nach dem
Mai. Religiöse Würden sind nur die bei den Arabern üblichen, und
ibr Name ist mit geringer Abweichung auch arabisch.
Obgleich Barth behauptet, dafs die Communalverfassungen in dem
grofsen Fulbe-Reiche sehr unentwickelt seien, so kann ich doch für
die Reiche, welche ich Gelegenheit zu durchreisen hatte, aussagen,
dafs ich im Jahre 1867 die Einrichtungen der Staaten Bautsi, Eefü-
abd-es-Zenga und Nupe ebenso entwickelt fand wie die von Bornu,
möglich auch, dafs seit der Zeit schon eine Umwandlung vor sich ge-
gangen war, oder in den nördlichen Staaten, welche Barth auf seiner
rahmvoUen Reise nach Timbuktu durchzog, die Einrichtungen nicht
80 scharf ausgeprägt waren.
Das grofse Pullo-Reich Zokoto zerfällt in viele Staaten, die alle
loebr oder weniger unabhängig von der Hauptregierung sind, aber den-
noch alle den Kaiser von Zokoto, der „baba-n-serki*^ heifst^ anerkennen
and ihm jährlichen Tribut zahlen. Der Bäba-n-serki gilt ihnen nicht allein
^ weltlicher Regent, sondern ist auch geistiges Oberhaupt und führt
142 Gerhard Rohlfs:
als solcher den arabisehen Titel ^hakem-el-momeDin^ oder Beherrscher
der GlSnbigen.
Im Lande Bautsi, von den Arabern Jacoba (auch Vogel und v. Benr*
mann nennen die Stadt so, der eigentliche Name ist indefs Bautfi)
genannt, steht an der Spitze der Regierung ein König, ^lamedo^ genannt«
Obgleich unumschränkter Herrscher, bat er doch mit vielen unterwor-
fenen Stämmen eine Art Vertrag machen müssen^ durch welchen die
Abgaben, welche zu entrichten sind, fest bestimmt wurden, und, was
sehr wichtig ist, gleichzeitig festgesetzt wurde, dafs von ihm im eigenen
Lande keine Sclavenraubzüge ausgeführt werden dürfen. Der Lamedo
hält alle Tage offene Gerichtssitzung, in der er selbst jede Partei ver^
hört und aburtheilt.
Bei den Tebu, also den nördlichsten Negern von Afrika, finden
wir die eigen thümliche Erscheinung, dafs die Eisen- und Silberschmiede-
wie eine ausgestofsene Kaste betrachtet werden. Kein Tebu darf die
Tochter eines Schmieds heirathen, kein Schmied bekömmt die Tochter
eines freien Tebu. Einen Schmied beleidigen gilt schon für Feigheit^
weil er eben von den übrigen Tebu als vollkommen unzurechnungs-
fähig gehalten wird. Es liegt hier unwillkührlich der Gedanke nahe:
sind die Schmiede bei den Tebu vielleicht anderen Stammes, vielleicht
unter die Teda eingewanderte Juden? Aber weder in Sprache, Haar^
Gestalt noch Hautfarbe unterscheiden sie sich auch nur im allermin-
desten von den übrigen Teda, und diese selbst behaupten, sie seien
von ihrem Fleische und Blute, nur das Handwerk mache sie verächt-
lich. — Gerade das Gegentheil nun sehen wir in Bautsi; hier hat der
Erste der Zünfte der Schmiede den höchsten Rang nach dem Lämedo,
sein Titel ist „serki-n-ma-kera'^, was man durch Grofs-Eisenmeister über-
setzen kann. Und wie sehr überhaupt die Handwerke in diesem Staate,
der von Pullo*s regiert wird, aber zum gröfsten Theile Haussa-Ünter-
thanen bat, in Ansehen stehen, geht daraus zur Genüge hervor, dafs
alle Handwerke in Zünfte getheilt sind, an deren Spitze ein Meister
steht, der den Namen Fürst hat, denn „serki** heifst Fürst oder Prinz.
So finden wir unter anderen einen Fürsten der Schneider, „serki-n-
dümki^, einen Fürsten der Schlächter, „serki-n-faua**.
Die Stelle, welche in Bornu vom Dig-ma versehen wird und un-
serem Ministerium entspricht, versieht in Bautsi der „galadima**, aber fast
ebenso wichtig ist die des intimen Rathgebers des Lamedo, der den
Titel „beräya^ hat; nur dieser darf in die fürstliche Wohnung dringen^,
falls der Lamedo sich zurückgezogen hat. Das Harem darf selbstvei^
ständlich nur vom Obersten der Eunuchen Yinkona betreten werden.
Obgleich alle PuUofürsten für gewöhnlich äufserst einfach gekleidet sind,,
und sich in Nichts von den sie umgebenden Grofsen unterscheiden, so
1'itiüaiiiren imd Würden m einigen Centralnegerländern. 143
bftben sie doch ein eigenes Amt för den Mann geschaffen, der sie bei
festlichen Gelegenheiten mit den dann allerdings prächtigen Gewän-
dern bekleidet, er faeifst Zoraki. Wichtige mit der Person des Lamedo
verknüpfte Aemter sind ferner das des Obersten der Vorreiter, madaki
genannt, des Palastgouvemenrs „uombe'^ and des Schatzmeisters „adzia^.
Naturlieh ist in diesen Staaten, wie das ja früher auch bei uns war,
der PriyatschatE des Königs zugleich der des Landes, indem das ganze
Land als Eigenthnm des Königs betrachtet wird. Anders verhält es
sidi mit den Waffen, von denen Bogen, Pfeile und Säbel in einem
eigenen Hause aufbewahrt werden; diese werden nur als öfifentliches
Eigen thum betrachtet und der Hüter davon ist immer ein ansehnlicher
Beamter, er hat den Titel „bendoma'^. Nicht unwichtig ist der Posten
des Obersten der Gefangenen, der zugleich Scharfrichter ist und „serki-
n-ara^ heifst.
Wie geordnet auch sonst die Zustände sind, geht ferner daraus
hervor, dafs man einen eigenen Marktvogt hat; freilich sind in Bornu
diese auch auf den Märkten, haben jedoch nicht eine so wichtige Stel-
lang, ihr Titel ist ^serki-n-kurmi^.
Als Truppengattung finden wir in Bautsi nur Reiter und Infan-
terie, letztere mit Bogen und Säbel bewaffnet; Lanzen, und Schanger-
manger namentlich, sieht man hier gar nicht mehr. Eiidge wenige
der Reiter haben schlechte Gewehre, die meisten nur Säbel und Bogen.
Die Pfeile der Bogenschützen sind natürlich alle vergiftet, meistens mit
Gift aus Euphorbien. Der Befehlshaber der Fufstruppen heifst „serki-
n-jaki^, der der Reiterei „serki-n-dauaki^.
Einen besonderen Titel hat der Commandant der Stadt Uosse,
nämlich „serki-n-dütsi^ ; dieser hat die Aufgabe, das Vordringen der süd-
lichen heidnischen Stämme zu verhindern. Ferner -der Hauptmann
sämmtiicher nicht PuUovölker, uud da diesen in Bautsi eine grofse
Zahl von Stämmen angehören, ist sein Posten ein sehr wichtiger; er
heifst „sennoa^.
Auch in dem * PuUo - Staat Nyfe oder Nupe sehen wir das mili-
tjurische Element bedeutend mehr hervortreten, und, weil an beiden
Seiten des mächtigen Nigerstromes gelegen, finden wir, da Nupe eine
bedeutende Kriegsflotte hat von Schiffen, die bis mit hundert Matrosen
bemannt sind, die Charge eines Admirals. Gleich nach dem Könige,
der „etsu*' heifst, kommt der Admiral der Nigerflotte, betitelt „bargo-n-
gioa**, wörtlich „Spiegel der Elephanten^. *) Die Königin, obgleich
*) Obschon weder im Crowther noch in meinem eigenen Vocabularium dieae
Worter zu finden sind, halte ich sie doch für richtig, da sie mir von einem ganz zu-
verliraigen Manne, dem ehemaligen Diener Barth's, der jetzt in Loködza ist, über-
setzt worden.
144 Gerhard Rohlfs; Titalatnren and Worden etc.
dieselbe in Nape ganc obne Einflufs ist, hat denselben Titel wie der
ELönig. Mit der Stelle eines Admirals ist augleich die des Obersten
der ScUven verbanden, wobl aus dem Omode, weil die Ruderer der
Schiffe alle aas Sclaven besteben.
Es kommen dann der Reibe nach zaent der ^damraki^, der erst«
Rathgeber des Etsu und in seiner Person das Ministerium vereimgend.
Nach ihm natürlich der Eunnchenoberst, ^indatoraki^, dann der Ober-
polizeidirector, der zagleich, wie überall dort, die Auszeichnung hat,
Scharfrichter zu sein. Der Titel des letzteren ist ^serki')-n-dogäli^.
Da aber auch in den Nigerl&ndern wie in Yoruba die Sitte des Pfäh-
lens, selbst als gewöhnliche Strafe allgemein ist, und es nicht leicht ist,
einem Menschen einen Pfahl der Art von unten der Länge nach durch
den Körper zu schieben, dafs der Pfahl durch Hals und Mund heraus-
kömmt, so hat er natürlich einen ganzen Schwärm von Helfershelfern.
Nach diesem kommt dann zunächst der Fremdenvorfuhrer ^serki-ii-
fada% eine Charge, die an den übrigen Pullohöfen sich nicht zu finden
scheint. Gleich an Rang stehen der Obervorreiter n^^gS^^9 ^^^ Ober-
koch „serronia^ und der Oberschreiber, der wie immer den arabischen
Namen „liman^ hat
Da der König von Nupe fast immer im Felde ist,, so hat er einen
Stellvertrete'r in der Hauptstadt creiren müssen ; oft ist dies sein vor-
bestimmter Nachfolger sein Titel lautet „zitzu^. Der Rath um den König
besteht aus den Grofsen, „seraki'^ (pl. von serki) genannt, und das Heer
wird von einem Obergeneral angeführt, der ^^maiaki" genannt wird. Die
beiden Waffengattungen, Reiter und Fufsvolk, heifsen ^bendoaki^
und „serki-n-karma^. Ganz in der Nfihe des englischen Einflusses
könnte der Nupe-Staat einer grofsen Zukunft entgegen gehen, und
gerade hier, von der englischen Colonie Lokodza aus, sollten Missio-
näre dem jetzt eindringenden Islam Halt zurufen. Für diese Gegenden
worden katholische Geistliche den protestantischen vorzuziehen sein.
') Der Name ist serki und die Genitivform d ist aus dem Haussa in diese
Sprache übergegangen.
A n m. / SS seh, z ss fr, g vor e oder t, der Accent dient blos zur Betonung
der Silbe.
145
V
VIL
Beiträge zur Geographie von Hoch -Armenien.
Von Herrn Wilh. Strecker,
Oberst In tfirkiscben Diensten.
(Hierzu zwei Karten, Taf. ÜI n. IV.)
1. Die Ebene von Erzerum.
Die Ebene von Erzeram hat, wie ein Blick auf die Karte erkennen
UÜst, eine sehr anrege! mäfsige Form, weshalb für ihre Ausdehnung kaum
bestimmte Zahlen angegeben werden können. Sie wird im Süden
Ton der Palandöken-Eette und ihren Verzweigungen und im Norden
ron dem Gebirgsstock der Trapezunt-Erzerumer Handelsstrafse — wie
man denselben manchmal nannte — eingeschlossen, ßeide Oebirgs-
sjsteme sind als solche and in ihren Gliederungen den Geographen
Doch ziemlich unbekannt geblieben. Ich hatte Gelegenheit sie vielfach
zu bereisen.
Die Palandöken- Kette bildet, soweit sie unsere Karte berührt, die
Wasserscheide zwischen dem nordwestlichen Enphrat und dem Araxes
and weiter westlich hauptsächlich zwischen den beiden Hauptarmen
(dem nordwestlichen und dem südöstlichen) des Euphrat. Sie gehört
zu dem grofsen Taurnssystem und ist dieselbe Kette, welche westlich
oberhalb Egin Tom Euphrat durchbrochen wird. Ich benenne sie hier
Palandöken-Kette, da in der Türkei wohl einzelne Berge, aber fast nie
ganze Gebirge Gesammtnamen tragen, und zwar nach einem ihrer
höchsten, nahe an Erzerum gelegenen und bekanntesten Punkte, dem
steilen nnd zerrissenen Trachytberge Palandöken d. h. der „Sattel-
abschüttelnde^, so benannt wegen der um seine Spitze herum herr-
schenden heftigen Winde, denen die Lastthiere kaum widerstehen kön-
nen , welche die in der Nfihe der Spitze nach Ghinis und Musch fuhrende
Strafse emporklimmen müssen. Ich fand die Höhe der Bergspitze
10,485 englische Fufs über dem Meere, um 250 Fufs höher als den
höchsten Punkt des Bingöl-Dagh '). Die Kette verflacht sich nahe bei
') Diese Angabe erscheint mir doch höchst zweifelhaft; P. v. Tschichat-
scheff hat den höchsten Felsen- Gipfel des Bingöl-Dagh, den er nur mit Zurück-
lassung der Pferde erklettern konnte, am 1. August 1858 barometrisch 8760 Meter,
t\sQ 12,300 engl. Fufs hoch gefunden; auf dem Wege dahin mufs er den Pälan.
ddken-Dagh (ein Name, den er nicht nennt) überstiegen haben, ohne dafs er eine
so bedeutende Hohe, wie nach der oben mitgetheilten Messung zu erwarten, andeutet;
Z«itMhr. d. GeMllscb. f. Erdk. Bd. VI. ^^
1
J46 Strecker:
dieser Spitze, nach Nordosten sa dem langgestreckten Passe Dewe-
Bosjan (Eameelhals) nnd setzt sich nordöstlich weiter, von den alten
Schriftstellern als moschisches Gebirge bezeichnet, bis nach Colchis
nnd Georgien fort. Gegen Süden ist sie von dem Bingöl-Gebirge durch
die tief eingeschnittenen Thfiler des Araxes und des Litschik-Su ge-
trennt. In ihr mag der Berg Abos der Alten gelegen haben, da auf
ibr alle Quellbäche de^ nördlichen Araxes-Armes, des Hassankale-Su,
zum grofsen Theil östlich fliefsend, nahe denen des gen Westen strö-
menden Euphrat entspringen. Die wirklichen Hauptquellen dieser bei-
den Ströme waren wahrscheinlich auch im Alterthume nicht allgemein
bekannt, und es wurden andere Zuflüsse und zu verschiedenen Zeiten
verschiedene für dieselben angenommen, wie das heute noch geschieht,
da, wie es scheint, niemand vor mir die Quellenregionen besucht oder
genaue Mittheilungen darüber gemacht bat.
Das Gebirge nördlich der Ebene von Erzerum ist der Paryadres
der Alten, Parchar der Armenier. Es zieht sich zwischen den Djoruk-
QuellfluTsen and dem Euphrat hin und steht östlich oberhalb der
Euphratquellen mit dem Palandöken-Gebirgszuge in Verbindung; seine
Ausdehnung nach Westen gedenke ich, ebenso wie das Palandöken-
Gebirge in einem spateren Tbeile meiner Arbeit zu besprechen.
Diese Gebirge fallen theils direct in die Ebene von Erzerum ab,
theils ziehen sich Verzweigungen oder Vorhöhen, mehr oder weniger
flach sich verlaufend, in dieselbe hinein; daher ihre unregelmafsige
Form. Tschichatscheffs Bezeichnung derselben als eine „weite hori-
zontale^ Ebene durfte sich aber kaum rechtfertigen lassen.
Sie wird von den Quellflüssen des Eupbrat durchströmt, welcher aos
verschiedenen Quellbfichen entsteht, die im Norden und Nordosten Erze-
rums auf den die Ebene einschliefsenden Gebirgen ihren Ursprung haben.
Tournefort, der zu Anfang des vorigen Jahrhunderts diese Gegenden
besuchte, gab von denselben nur ein verworrenes oder vielmehr un-
richtiges Bild, da er von zwei östlich von Erzerum entspringenden
Quellflüfsen spricht, von welchen die Stadt eingeschlossen würde. Der
eine dieser seiner Quellflüfse ist nämlich das südwestlich jenseits der
Ebene entspringende Tuzla-Su, ein bedeutender linker Nebenflufs
des Euphrat, dessen Lauf zu beschreiben aber nicht in das Bereich
dieser Arbeit fällt. Ferner ist Tonrnefort's zweiter, von Süden nach
Norden und später unter der Brücke von Ilidje hindurchfliefsender
Quellarm wieder ein ganz anderer als der wirkliche Hauptquellarm des
auch kein anderer Reisender erwähnt hier im Süden von Erzerum einer Bergkette,
die bei der angegebenen Hohe die Aussicht auf den Bingöl-Dagh vollkommen ver-
decken mUfste. Kiepert.
Beitrftge znr Geographie tob Hoch- Armenien. J47
Fioases, welchen er vom rothen Erlöster (Kisil-Wankb auf der Karte)
aoB ao&achte. Wie er znm Kloster des heiligen Georg (Snrp. Lnsa»
woritsch), dessen Beschreibung richtig ist, gelangte, ist nach seinem Be-
richte unmöglich zu bestimmen, ebenso wie es anbegreiflich ist, wenn
er die Entfernung dieses Klosters von £rzerum auf eine Tagereise
aogiebt
Die Richtung des Hauptthaies, welchem zahlreiche krystallklare
and meist forellenreiche Bfiche zueilen, ist oberhalb der Ebene im All-
gemeinen NNO. — SSW. Sobald der Flufs in die Ebene einge-
treten ist, wendet sich derselbe im Bogen gegen Westen und dnrch-
flieJBt mit geringer Geschwindigkeit den Sazlyk-Scbilfwald; sein
trübes Wasser mag wohl die Ursache sein, daÜB er hier den Na-
men Eara-Su (Schwarzwasser) erhält Er verl&fst, durch viele Zuflüsse
verstärkt, die eigentliche Ebene in west-süd- westlicher Richtung ein
weoig unterhalb Ilidje, von wo ab dann auf beiden Ufern die Berg-
abb&nge näher an ihn herantreten, im Süden direct bis zum Flufs hin
sieh verlaufend, im Norden in Form einer niedrigen Terrasse, auf wel-
cher die Dörfer Agaver und Aladja liegen, gegen ihn abfallend. —
Ich habe auch den ersten eigentlichen Nebenflufs des Enphrat, das
Sertscbeme-Dere-Sn (Sertscheme- Thal -Wasser), in die Karte einge-
leichnet, weil ich dasselbe mehrfach als Quellflufs, soger als den haupt-
siehlichsten , angeführt gefunden habe; Hauptquellflufs kann dasselbe
aber aus dem Grunde nicht sein, da sein Lauf kürzer ist und beim
Zosammenflasse weniger Wasser enthält als der Frat, wie nun dort
der Flufs schon bfiufig genannt wird, der auch viel zahlreichere und
stärkere Zuflüsse aufgenommen hatte. Das Sertscheme-Dere-Su ent-
springt ungefähr 12 Stunden nördlich von Erzerum, in grofser Nähe
der Quelle des östlichen Djoruk- Armes, in dem kleinen Bezirk (der
«Nahia*') Owadjik, d. h. ^kleine Ebene^ und wird deshalb in seinem
oberen Laufe Owadjik-Su genannt; es durchfliefst mit starkem Gefälle
ein enges, tiefes Thal, das erst bei Mejmansur sich etwas erweitert
■od mündet oberhalb des Dorfes Böjuk-Egagdaritsch in den Frat.
Die Ebene von Erzerum bildete, wie aus ihrer Form hervorgeht
nnd zahlreiche Muschellager bestätigen, einst ein grofses Seebecken,
welches sich jedoch weit über ihre heutige Ausdehnung hinaus, bis zu
der Stelle erstreckte, wo der Frat jetzt, ungefähr 15 Stunden von Er-
lemm, zwischen hohen Gebirgen in tiefer Spalte sich hinwindend, den
Ausweg in die Ebene von Terdjan sucht, welche er mit einem Gefalle
von ungefähr 900 engl. Fufs, von der oberen Ebene von Erzerum an
gerechnet, erreicht. Ebenso war der etwa 30 Stunden von Erzerum
stromabwärts gelegene Thalkessel von Erzingjan einst ein See; der
Flofs strömt stundenlang, bevor er in ihn eintritt, in einem engen
10»
]48 Strecker:
tiefen Thale, meist Sn einem felsigen Bett, hie ond da von Strom*
schnellen in seinem Laufe gehemmt and darchbricht dann beim Aas-
tritt die das Thal von finerum südlich einschliefiienden Gebirge*
In administrativer Besiehnng dehnt sich der Kreis von Erzeram, Owa
d. h. ,) Ebene*' genannt, auch heute noch ungef&hr so weit aas wie das
ehemalige Seebecken. Derselbe zählt, abgesehen von der Hauptstadt, in
160 Dörfern eine Bevölkerung von 42,876 Seelen, wovon 29,400 Ma-
hammedaner und 13,475 Christen, gregorianische Armenier, mit Aus-
nahme weniger Hundert armenischer Katholiken, die in einigen Dörfern
eigene Kirchspiele bilden.
Die Bevölkerung war vor der rassischen Invasion (i. J. 1829) be-
deutend stärker und wurde damals durch die, vermittelst Ueberredang
und Drohungen bewerkstelligte Uebersiedelung zahlreicher christlicher
Familien nach Rufsland, wodurch einzelne Dörfer völlig entvölkert
wurden, aufserordentlich reducirt. Nur ein geringer Theil der damals
nach Rufsland verpflanzten Familien hat die Schwierigkeiten, welche
einer Rückkehr von dort entgegenstanden, überwinden und sich wieder
in die alte Heimath zurückbegeben können. Gegenwärtig ist jedoch
die Bevölkerung wiederum in Zunahme begriffen.
Die Dörfer in der Ebene selbst haben meist nicht unter 50 Hauser,
mehrere derselben haben sogar mehr als hundert; das gröfste, Kjan,
hat 400 Feuerstellen. In den meisten wohnen die Christen vermischt
mit Muhammedanern auf gut nachbarlichem Fufse. In vielen sind
die Ersteren viel zahlreicher als die Türken, während in den Berg-
thälem, wo viele rein muhammedanische Dörfer existiren, die Christen
bedeutend in der Minderzahl sind.
Der Humusboden der Ebene, welcher zum grofsen Tbeile der Ver-
witterung vulkanischen Gesteins seine Entstehung verdankt, ist fast
durchweg fruchtbar. Bedeutende Strecken Landes sind jedoch noch
uncultivirt. Denn abgesehen von den, an den beiden Ufern des Kara-
Su und auch am Ilidje-Sn bei Oesbek sich hinziehenden Sumpfwiesen
lösen auch die zahlreichen Gewässer von den unbewaldeten Gebirgen
mit Leichtigkeit grofse Mengen von Gerolle ab, zerstreuen dasselbe
hauptsächlich über die höhere Ebene und legen so der Cultur bedea-
tende Hindernisse in den Weg. Nichtsdestoweniger vergröfsert sich
das cultivirte Gebiet mit jedem Jahre und würde noch in viel bedeu-
tenderem Maafse zunehmen, wenn durch Herstellung billigerer Trans-
portmittel, d. h. durch Anlegung fahrbarer Strafsen, die Ausfuhr
erleichtert würde, die nach Trapezunt, dem nächsten Hafenplatze, ge-
genwärtig noch sehr gering ist. Die Ebene nährt jetzt ihre Bewohner,
einschliefslich die 60,000 Einwohner von Erzerum, und versorgt aufser-
dem die grofse Menge durchgehender Karawanen für mehrere Tage
Beiträge zur Geographie you Hoch-Armenien. ]49
mit Fatterbedarf. Bei stärkerer Ausfohr nach Trapezunt, wie sie in
Folge voD hohen Preisen manchmal eintritt, vermehrt sich die sonst
ganz anbedeutende Einfuhr aus der befiachbarten Ebene von Passin.
Die vorzüglichsten Feldproducte sind Weizen und Gerste, beide
ihrer Qualität wegen berühmt, wenig Korn, Hirse und Leinsaat; Rüben,
gelbe Rüben und Runkelrüben von vorzüglichem Zuckergehalt, Klee
and Wicken, Gurken und Bohnen, wenig Erbsen und Linsen; Kohl
aod seit mehreren Jahren auch Kartoffeln werden in weiten Gemüse-
garten gezogen, sowie auch kleine Wassermelonen in einigen Dörfern
am Fnfse den nördlichen Berge, wo die rauhen Nord- und Ostwinde
weniger EinBufs üben. Obstbäume gedeihen in der an 6000 engl. Fufo
über dem Meere gelegenen Ebene nicht.
Da der Winter sehr lange dauert, so bleibt den Feldfrüchten nur
wenig Zeit für ihre Entwickelnng. Die Saatzeit fällt in das Ende des
April, oft auch erst im Mai; in den August wird das Getreide schon
geschnitten. Korn wird im Herbst gesäet, Weizen nur selten, weil er,
wenn das milde Wetter erst spät eintritt, bei der wechselnden Tem-
peratur des Nachwinters der Gefahr zu verfaulen ausgesetzt ist. Das
Erdreich wird durch einen Pflug mit eiserner Spitze, von einfachster
Construction geöffnet und die Saat mit der Hand ausgestreut. Anstatt
der Egge wird ein beschwerter Baumstamm quer über den Acker ge-
zogen. Obschon der Boden bei Beginn des Sommers reichlich mit
Feachtigkeit getränkt ist, so wird er doch bald durch die Sonnenhitze
aasgetrocknet, welche einerseits sehr viel dazu beiträgt, das Getreide
schnell reifen zu machen, aber um so mehr auch eine künstliche
Bewässerung der Felder erfordert, da es in den Sommermonaten,
mit Ausnahme einiger Gewitter, nie regnet. Solche kunstliche Be-
wässerung ist in Hocharmenien nicht nur in den gröfseren Ebenen,
sondern auch in den Thälern und auf den kleineren Plateaus auf den
Gebirgen selbst durch die klimatischen Vorbältnisse geboten. Die durch
die Stadt Brzerum fliefsendeu Bäche führen den unterhalb gelegenen
Gemüsegärten und Feldern reichlicben Düngerstoff zu; sonst wird auf
Düngen durchaus nicht die nötfaige Aufmerksamkeit verwendet. Aus
diesem Grunde und in Anbetracht der Lage der Felder geben diese
einen ganz verschiedenen Ertrag und zwar die dem Gebirgsfufse und
dem Bereiche der Gerolle nahe gelegenen, je nach der Düngung, drei-
und vier- bis höchstens sechsfachen, die in der horizontaleren Ebene
gelegenen aber acht- bis zehnfachen und ausnahmsweise zwölffachen
Ertrag. Wie fast überall in der Türkei und anderwärts im Orient wird
aach hier das Getreide nicht aasgedroschen, sondern die Körner wer-
den aasgeprefst , indem eine aus starken Brettern zusammengesetzte,
einige Fafs lange und länglich viereckige, an der Stirn etwas schmälere
150 Strecker:
Holsplatto, in deren untere Flache spitze Steine eingeschlagen sind and
die oben beschwert wird, über die auBgestrenten Hakne durch vorge-
spannte Ochsen hinweggeschleift wird.*) Za diesem Zwecke werden in
der Nähe der Felder oder in den Dörfern kreisförmige Plfitze geebnet
um als Tenne zn dienen. Da die Arbeit fast durchweg im Freien vor-
genommen wird, so ist sie von der Witterung abhängig, die vor, 'wäh-
rend und nach derselben günstig sein mufs, denn das Getreide bleibt,
sobald es geschnitten ist, meistentheils noch einige Zeit auf dem Felde
liegen, bevor man es auf den Dreschplatz selbst bringt, und • wenn die
Arbeit auf diesem beendet ist, erhält der Eigenthümer wieder nicht eher
Erlaubnifs, dasselbe einzusacken, als bis es dem Pächter des Zehnten
gefallen hat, den ihm zukommenden Antheil zn verificiren. Verzoge-
rangen in der Operation und Schaden an verdorbenem Getreide treten
darum nicht selten in Folge ungünstiger Witterung ein. Ein anderer
Nachtheil dieser Methode ist, dafs bei ihr die Strohhalme in karxe
Stücke zermalmt werden, in und zwischen welchen sich, ebenso wne
an den Körnern, viel Staub und Schmutz ansetzt, der später nur nn-
vollkommen entfernt wird. Die Körner werden dadurch von dem Stroh
gesondert, dafs man nach dem Ausquetschen der ersteren die gemischte
Masse schaufei weise in die Höhe wirft, worauf beim Niederfallen die
Körner mehr senkrecht zur Erde fallen, das leichtere Stroh in Folge
des Luftzuges entfernter niederfällt und der Staub theilweise noch weiter
weggeführt wird. Zur besseren Reinigung werden die Kömer meist
noch einmal gesiebt.
Das Rindvieh in der Ebene von Erzerum : Ochsen, Kühe und Büffel,
ist von mittlerem, gutem Schlage und gut genährt, aber nicht genügend
gepflegt. Die Schafe gehören der in ganz Anatolien verbreiteten Art
mit Fettschwänzen an und ünden überall gute Weide. Die Pferde,
welche nur zum Reiten und Lasttragen benutzt werden, gehören zu
der in ganz Kleinasien bis an die russische Grenze und nach Persien
verbreiteten Race, welche Reisende fälschlich die turkmanische zu nen-
nen pflegen. Die turkmanischen Pferde sind jedoch in Bau und Eigen-
schaften von jenen bedeutend verschieden und finden sich hier gar
nicht; man könnte deshalb wohl fuglich die in Hocharmenien verbreitete
Race als kurdische bezeichnen, da die weit verbreiteten Kurden haupt-
sächlich es sind, welche für die Pferdezucht eine Vorliebe zeigen.
Von der Stadt Erzerum ausgehend durchziehen verschiedene
') Ebenso wirrt in CTpern der Weizen ansgedroscben ; vgl. Unger uad Kotschy,
Die Insel Cypern, Wien 1865, wo auf S. 440 sich die Abbildung eines solchen
Dreach- Schlittens befindet, welcher ToUkommen dem von Varro beschriebenen tri^
biUum der alten Bomer gleicht. , Bed.
r
Beitrage zar Geographie Ton Hoch- Armenien. 15 J
Strafsen die Ebene: i) eine sudweatlicbe über Jaghmurdjik, Charput und
Diarbekir (von Paul Lucas 1705 benutzt); 2) der Sommerweg nach Ghinia
und Muscb, sudlich um den Palandöken-Dagh herum; 3) eine östliche
über den Dewebojun in die Ebene von Passin (und Ton dort weiter,
sich tbeilend nach Kars und nach Bajezid — Persien); 4) eine nord-
östliche, welche zwischen Tawt und Tschipach die erste Brücke über
das Eara-Su überschreitet, nach Georgien und 5) eine nordwestliche
nach Trapezunt. Die letztere gebt über Ilidje, dann durch eine Furt
über das Kara-Su und über die Dörfer Mejmansur und Cboschabpun-
gar nach Baiburd. Nur bei Hochwasser müssen die Karawanen von
Erzerum ans die Richtung über das Dorf Tscbiftlik einschlagen ^ um
das Kara-Su dann auf der schönen steinernen Brücke Karars-Köpru
in überschreiten. Die Brücke bei Ilidje fuhrt über das Ilidje -Su,
welches die Mehrzahl der früheren Reisenden (neuerdings auch noch
TschichatschefF) für den eigentlichen Frat (oder Kara-Su) hielten, wo-
durch auch Carl Ritter zu demselben Irrthum verleitet wurde. Aufser
den beiden erwähnten Brücken über das Kara-Su existiren noch: eine
dritte halbzerfallene Steinbrücke über einen Arm desselben im oberen
Sazlyk, eine vierte sehr gut erhaltene Steinbrücke über dasselbe, dem
Dürfe Tiwnik gegenüber, und eine fünfte, hölzerne, bei Agawer. —
Nahe bei Ilidje zweigt sich von der Trapezunter Strafse die westlich
über Mamachatun nach Erzingjan führende Strafse ab und von dieser
bald die, auf das rechte Ufer des Frat übersetzende, dann demselben
durch das Thal von Schog folgende und weiter über Kelkit und Kara-
hissar nach Siwas führende; diese letztere war, bevor die Dampfschiff-
fahrt auf dem schwarzen Meere die kürzere Linie von Erzerum nach
Trapezunt schuf, die Hauptkarawanenstrafse für den europäisch -per-
sischen Handel, ist als solche aber jetzt ganz veHassen.
In der Entdeckung von Alterthümern war ich während meines
mehrjährigen Aufenthaltes nicht sehr glucklich, fand aber doch man-
ches Interessante. Meine ersten Ausflüge in die Ebene hatten den
Zweck, Spuren des alten Zimara, welches nach Ritter's Erklärung
der plinianischen Quelle hier in der Nähe der Euphratquelle gele-
gen haben dürfte, aufzufinden. Abgesehen von Fundamenten und
weiten Friedhöfen, welche überhaupt darauf hindeuten, dafs viele Ort-
schaften im Norden des Kara-Su in alten Zeiten viel ausgedehnter
waren als heutzutage, deutet nichts direct den Ort an, auf welchem
die alte Stadt gestanden haben könnte. Nur die beiden grofsen Stein-
brüdcen, welche den Ortschaften Tiwnik und Karars gegenüber noch
heute existiren und wahrscheinlich seit den ältesten Zeiten an dersel-
ben Stellen die Yerbindnng zwischen den beiden Flufsufern vermittelten,
j52 Strecker:
geben die Richtung an, in welcher einst die wichtigsten Orte in dem
mehr bevölkerten Theile der Ebene nördlich vom Kara-Sa gelten
haben.
Zur armenischen Zeit war der Oau Karin, welcher ungefUir
den heutigen Kreis Erzerum umfafste und so nach dem Orte Karin,
dem späteren Theodosiopolis und dann Erzerum benannt worden war,
in die 4 Districte Mertschak, Blur, Ardzathi und Ardan getheilt ' ). Die
Lage des ersteren konnte ich nicht ermitteln, er durfte wohl der west-
lichste gewesen sein. Die Namen Plur und Ardzate (Ardziti) fuhren
heute noch zwei auf der Karte verzeichnete Dörfer und Ardzn, einst
ein wichtiges Handels^Emporium und die berühmteste Stadt in weitem
Umkreise, lag auf der Stelle des Dorfes Karars. Noch Koch suchte
dieselbe weit aufserhalb des Gaues Garin, während armenische Schrift-
steller ganz bestimmt angeben, dafs sie am Euphrat in der Ebene von
Garin und dieses selbst von ihr gegen Sonnenaufgang gelegen habe.
Von Ardzn berichtet Aristakes von Lastivjer, dafs diese Stadt als
^Weltstadt ^ zählte, sowohl ihrer Schönheit und' des grofsartigen Han-
dels wegen, welcher in ihr getrieben wurde, als auch um des Reich-
thums und der Bildung ihrer Bewohner willen. Sie zahlte ungeheure
Steuern und lieferte in Zeiten der Noth dem Könige bedeutende Unter-
stützungen. Es herrschte früher in derselben ein aufserordentlicher
Gemeinsinn, alle Einwohner waren von demselben Geiste belebt, sie
kannten im Handel keine Luge, liehen kein Geld auf Zinsen, übten
Gastfreundschaft und unterstutzten die Armen reichlich ; Bestechlichkeit
der Beamten war in ihr unbekannt Als aber die Griechen sich in
immer gröfserer Zahl in der Stadt niedergelassen hatten, lernten auch
die Armenier von ihnen List und Lug und Trag; die Grofsen wurden
zu Dieben, führten Sklaven ein, nahmen selbst Geld für die Besorgung
der Angelegenheiten von Waisen und liefsen die Armen vor Noth um-
kommen. Als dann die feindlichen Perser im Jahre 1049 n. Chr. von
vier Seiten gegen die Stadt anrückten, begann man in den Elirchen seu
Gott zu beten und ihn um Errettung anzuflehen. Darauf zogen die
streitbaren Männer, nachdem sie ihre Reichthümer in den Kellern ver-
borgen und Weiber und Kinder in die Kirchen geflüchtet hatten, gegen
') Dem YerfaBser ist diese Hittheilung wohl von einheimischen Gelehrten anne>
nischer Nation gemacht worden; die veröffentlichten Werke armenischer Erd- und
Reisebeschreiber wissen nichts davon, namentlich habe ich den ersten Namen ver-
geblich sowohl inNersesSarkisean's Reise (Venedig 1864} and der dazu gehöri-
gen Specialkarte der Ebene von Ersemm, als in den ttberaas vollständigen compiU-
torischen Werken Indjidjean's gesucht; dieser nennt zwar (Alt- Armenien, Venedig
1822, armenisch p. 56) Ardsathi, Plön, Maragaj (sollte dies das obaa Mertschak
geschriebeue sein?) and Ardzn, aber nnr als Dörfer, nicht als Districte. Kiepert
Beiträge sar Geographie toq Hoch- Armenien. 153
den Feind aoB, wurden aber, da sie ohne Mithülfe von wirkiicfaen Sol-
daten kfimpften, bald geschlagen ond zogen sich in die Stadt surßck,
dieselbe mit dem Mutbe und den Mitteln der Verzweiflung von Hans
zo Haas vertheidigeud. In den Strafsen flössen Ströme von H)at. Die
Perser bieben Alles, was Widerstand leistete, ohne Gnade nieder,
aetiten sich in den völligen Besitz, der Stadt, zerstörten sie nnd zün-
deten sie an, so dafs sie bei starkem Winde zu Asche verbrannte,
wobei zahllose, zuletzt in die Keller geflnchtete Einwohner umkamen.
150,000 Menschen, darunter 160 höhere Geistliche kamen bei diesem
Zerstörungswerke um, 800 Kirchen worden verbrannt. Der erwähnte
Schriftsteller berichtet, dies selbst gesehen und mit thränenden Augen
niedergeschrieben zu haben. Wer von den Einwohnern sich hatte
retten können, liefs sich nachher in dem nahen Garin (Theodosiopolis)
nieder, das seitdem aufblühte und von da ab, wie viele Armenier, viel-
leicht nicht mit Unrecht, behaupten, zur Erinnerung an die zerstörte
Motterstadt den Namen Ardzn-Rum (Erzeram) erhielt.
Der Name des Dorfes Karars*) giebt in der Endsilbe fast völlig
den der zerstörten Stadt wieder und aufscrdem finden sich in seiner
Umgebung zahlreiche Ruinen ; ich glaube mich darum gewifs nicht zu
irren, wenn ich das alte Ardzn dorthin verlege, um so weniger, als
ich in meintfr Meinung durch die Traditionen bestärkt werde, welche
sieh unter den Bewohnern selbst erhalten haben, sowie unter denjeni-
nigea Armeniern in Erzerum, Geistlichen und Laien, welche überhaupt
eme Ahnung von der Geschichte ihrer eigenen Nation haben. Das
gröfstentheils von Christen bewohnte Dorf liegt ungefähr eine Viertel-
Btande vom rechten Ufer des Kara-Su (von manchen Karars-Su genannt)
und von der über dasselbe fahrenden Brücke entfernt. In seiner näch-
sten Umgebang sind noch die Fundamente verschiedener Baulichkeiten
exkennbar, von denen die eine die „grofse Rom-Klisse^, d. h. die grie-
chische Kathedrale gewesen sein soll. Auf einem, vom Dorfe südlichen,
vielieicht kunstlichen Hügel existiren die Grundmauern eines kleinen
ntoden Baues. In der Nähe des Dorfes befandan sich einst grofse
Friedhöfe; ich fand viele sehr alte Grabsteine, einzelne Katafalken
ihnlich, andere Thierfiguren darstellend, aber ohne Inschriften. Im
Dorfe selbst sind einige Zijarets (Wallfahrtsorte), unter denen einer
•nf dem Platze, auf welchem einst die armenische Kathedrale gestan-
den haben soll, durch eine Menge über einander geworfener Kreaae
') QenAaer, indem wir den weichen Zischlaat mit » beseichnen, Karars, wei-
chet tnch lüdjidjean (Neu- Armenien, Venedig 1806, p. 77) fUr eine Composition
n$ kar (ein Wort, welches aber im Armenischen Iceine Bedeutung hat) nnd arz
*Ubt, doch Mcht er das alte Ardzn nicht hier, sondern östlicher in der Stadt-
rune Awjer-Khaghakh bei Kalla am oberen Araxes (ib. p. SS). Kiepert.
154 Strecker:
beseichnet, eine besondere YerehruDg genieüst. Bysandnische Münsen
werden von den Baaern beim Umpflfigen der Aecker nicht selten ge-
funden, doch keine neueren, über das 11. Jahrhundert hinausgehende.
Inschriften bekam ich nicht zu Gesicht
Das Dorf Aladja liegt jedenfalls auf oder nahe der Stelle, wo
Alaeddin Eaikobad die gleichnamige Stadt erbaute. Ungef&hr 2 Stan-
den ron ihm entfernt finden sich am linken Ufer des Frat die Rainen
eines grofsen Geb&udes, von dem Volke Chan des Sultan Murad ge-
nannt (ihm und den Genoesem, Djenewix, werden eben alle grofseren
Bauten hier zu Lande zugeschrieben) und nicht weit von ihm das Törbe-
Grabdenkmal einer persischen Prinzessin.
In dem Dorfe Djinis, welches mit Nerdiban und PertSn in einer
kleinen, sehr fruchtbaren, terrassenförmig zum Euphrat abfallenden
Ebene liegt, hat man Xenophon*s Ojmnias erkennen wollen; diese
Annahme iet aber eine irrthümliche, da von dort aus im Winter ein
Heer mit Trofs in 5 Tagemärschen an keinen Punkt gelangen kann,
von dem aus das Meer zu erblicken wfire. Die Einwohner des Dorfes
behaupten, dafs es einsteine grofsere Stadt gewesen sei; noch vorder
Invasion Paskiewitsch's habe es mehr als 300 Hftuser gehabt 'X ^^^^
christliche Einwohner znr Auswanderung gezwungen worden. Jetit
wird es von ungefl&hr hundert, meist türkischen, Familien bewohnt In
dem Dorfe sind keinerlei Ruinen vorhanden ; an seinem Westende be-
findet sich ein anscheinend kunstlicher Sandhngel, in welchem die
Einwohner manchmal Ringe und Münzen finden, von welchen sie mir
jedoch keine vorzeigen konnten.
Jaubert wollte, auch irrthumlich, in dem Dorfe Aschkale, welches,
etwas westlicher als unsere Karte reicht, am rechten Frat- Ufer 5658
Fafs über dem Meere liegt, Qymnias wiedergefunden haben und nennt
es Jinnes- Aschkaie, eine Benennung, welche ich weder an Ort und
Stelle, noch sonst wo gehört habe. Uebrigens hat das Dorf seinen
Namen nicht etwa von einer wirklichen Feste (Kaie), sondern von
einem Sand- und Kieshügel, an seinem Südende dem Flnfse nahe
gelegen, dessen kleinkörnigen Bestandtheile, nach der Ansicht der Ein-
wohner, der Hauptsubstanz ihrer taglichen Suppe, nehmlich einer Art
Graupen gleichen, weshalb Hügel und Dorf den Namen Aaehkale er-
hielten. ,)Asch^ bedeutet nämlich ^Speise^ im Allgemeinen, hier zn
Lande jedoch im Besonderen „Suppe.^ Von diesem Dorfe geht eine
Strafse über die Dörfer Taschagbyl und Kop nach Baiburd, welche früher
als Haupt verbin düng zwischen Baibnrd und Erzerum diente.
*) So auch Indjidjeaii (Nea-ArmonIeD p. 7S), der den Namen Aschchala,
schreibt Kiepert.
Beiträge sur Geographie von Hoch-Annenien. ]55
In dem Kreise Erzerum liegen drei armenische Klöster: Ghatschka
Wankh, Oarmir Wankh und Mfidirge Wankh. Ueber die Entstehung
des ersteren werde ich bei Beschreibung der Euphratquelle eine Mit-
tbeilang geben. Das zweite ist das von Toumefort im Jahre 1700
besuchte ^rothe Kloster", armenisch ^Garmir Wankh" und türkisch
^Kizil Wankh". Der armenischen Legende zufolge erschien einst dem
Hairabet Narses im Traume die Jungfrau Maria, das Haupt in einen
"^ rotben Schleier gebullt, mit dem Christuskinde auf dem Arme; auf
der Stelle, wo er diese Vision gehabt, liefs der Patriarch später ein
der heiligen Jungfrau (Surp Asduadzadzip) geweihtes Kloster bauen,
welches von dem rothen Schleier und zum Unterschiede von anderen
Klöstern derselben Heiligen benannt wurde.
Das Mudirge- Wankh liegt mit schöner Aussicht oberhalb des
Dorfes gleichen Namens auf einem Auslfiufer des Palandöken-Gebirges,
welcher unter dem Kloster steil zur Ebene abfällt. Es ist ein geräu-
miger Bau, von Ringmauern umgeben, welche Wohn- und Wirthschafts-
gebände, sowie zwei Kirchen, eine alte und eine neue, welche erst vor
wenigen Jahren an der Stelle einer älteren aufgebaut worden ist, ein-
schliefsen. Das Kloster dient dem Erzbiscbof von Erzerum zum Som-
oeraufenthalt Dasselbe ist dem Surp Lusaworitsch, St. Gregor dem
Erleucbter, geweiht, welcher der Legende zu Folge während seines
Transportes in die Gefangenschaft auf Befehl Tirdat's von einer hier
einheimischen Fürstin, die auf der Stelle des heutigen Klosters eine
Villa beaafs, 4 Tage lang in einer brunnenartigen Vertiefupg einge-
kerkert gehalten worden war. Ein grofses gemauertes Loch in der
geräumigen neuen Kirche halten die gläubigen Armenier noch heutd
für den damaligen Kerker ihres grofsen Apostels. Die alte Kirche
wird nicht benutzt und ist völlig vernachläfsigt ; die an ihren Wänden
befindlichen Fresken sind fast gänzlich verwischt.
Jedes dieser Klöster wird von einem oder zwei Geistlichen be-
wohnt. Alte Handschriften sind in keinem vorbanden und es durften
^eren überhaupt in ganz Armenien nur wenige existiren, da sie für
die unwissende Geistlichkeit nur werthloses Papier vorstellen. Man
bat mir mehrere Beispiele von der Vernichtung aufgefundener Manu-
Scripte, deren alte Schrift die Finder nicht entziffern konnten, erzählt.
Aoch unter den Dorfkirchen befinden sich mehrere, viele Jahr-
banderte alte und einige datiren, jedoch gewifs nicht in ihrer heutigen
Gestalt, der Yolksfiberliefernng zu Folge, aus der Zeit vor den feind-
lichen Invasionen in Armenien; Inschriften aus jenen fernen Zeiten
finden sich nirgends. Eine der ältesten ist jedenfalls die kleine Kirche
inSaladsort in welcher eine stark verwischte Inschrift aas dem 13. Jahr-
hundert vorhanden ist. Man zeigte mir in derselben ein merkwürdiges
156 Strecker:
Curiosum, ein roh lithographirtes, in hoher Verehrang stehendes Hei-
ligenbild unter Glas und Rahmen, mit spanischer Unterschrift und tu
Anfang des vorigen Jahrhuhderts in Peru angefertigt. Dasselbe durfte
iwobl durch die Vermitteluug von katholischen Missionaren ans dem
entfernten streng romisch-glfiubigen Lande seinen Weg su den gre-
gorianischen Armeniern gefunden haben.
Erzerum's Umgebung ist reich an Mineralquellen, die jedoch meist
nicht sehr kraft ig sind. Sie enthalten gewöhnlich Schwefel und etwas'
Eisen und Salze. Zwei, an der grofsen Strafse nach Trapczunt bei
dem danach benannten Ilidje gelegene, welche schon von vielen Rei-
senden beschrieben worden sind, geniefsen den Vorzug, durch einen soli-
den Bau umschlossen und überdeckt zu sein ; ihre Temperatur ist 31 ^R.
Der Grund, auf welchem der Bau sich erhebt, ist wahrscheinlich noch
derselbe, welchen Anatolius legen liefs, der Feldherr Theodosius des
Jüngeren und Erbauer der Festung in dem St&dtchen Karin, das darauf
Theodosiopolis genannt wurde. Aufser den anderwärts erwähnten Mi-
neralquellen von Ardziti und Souktschermuk giebt es noch einige viel-
fach besuchte bei Hindskh und bei Kewgiri, welche auch Kohlensäure
enthalten. Was die Benutzung der verschiedenen Bäder betrifft, so
sind dafür weder die mineralischen Bcstandtheile der Quellen oder ihre
Temperatur, noch di^ Krankheiten der Besucher maafsgebend; der pri-
mitiven Anschauungsweise der Einwohner zu Folge müssen sie alle
für alle Krankheiten heilsam wirken.
Aufser Bädern, Klöstern und Zijarets — zu welchen letzteren für
die Türken das Grabmal eines Heiligen, Abderrahman Gazi, auf dem
vegetationsreichen Abhänge des Palandöken-Gebirges gelegen und von
einzelnen Reisenden erwähnt, und für die Christen ein Bassin voll hei-
liger Fische bei dem Dorfe Söjütly (daher auch Balykly, das fischreiche
genannt) gehört — bilden auch einige bei dem Dorfe Umudum — i- ^
^ meine Hoffnung^ — gelegene Felshöhlen die Ziele and Vorw&nde
für die Belustigungsausflüge der Bewohner der Ebene im Sommer.
Der Sage nach hielten sich Ferhad und Schirin eine S^eitlang in den
Höhlen auf, in Wirklichkeit aber dürften sie die Wohnungen von Bin'
Siedlern gewesen sein.
Es ist vielleicht nicht ohne Interesse hier noch zu erwähnen, dafs
Tournefort sich nicht täuschte, wenn er aus der Formation der Erzeram
umgebenden Gebirge schlofs, dafs dieselben Steinkohlen enthalten dürf-
ten. Man hat solche wirklich gefunden. Schwierigkeit des Transports
jedoch, mangelnde Kenntnifa über ihre Benutzung, sowie besonders
Mangel einer Initiative von Seiten der Regierung oder reicher Prtvs^
leute sind die Ursachen, dafs die wahrscheinlich reichen Kohlenlager
noch unbenatzt bleiben.
Beitrage zur Geographie von Hoch •Armenien. |57
8. Ein Ausflug zu der Quelle des Euphrat auf dem
Dumly-Dagh*
In der stfirkenden Frische eines schönen Juli- Morgens brach ich
in Begleitang eines Bekannten za Pferde frßbzeitig von Erzeram anf,
um aosern gemeinsamen Freund, den dortigen rassischen Konsul, Staats-
rath Jaba in Ardziti, einem ungef&hr 3 Stunden von der Stadt ent-
fernten Dorfe zu besuchen und von dort mit ihm am nächsten Morgen
einen Ausflng auf den Dumiy-Dagh und zu der in ihm gelegenen
QnelJe des Euphrat zu machen. Herr v. Jaba, ein gediegener Orien-
talist*) und Numismatiker pflegte, da die mit der strengen Kälte des
Winters in grellem Kontrast stehende Hitze in der bäum- und schatten-
losen Stadt Erzerum mit ihrer staubgeschwängerten Atmosphäre wäh-
rend der Tage des Hochsommers den Aufenthalt in ihr zu einem höchst
unangenehmen macht und hemmend jeder andauernden geistigen Thä-
tigkeit entgegentritt, in jedem Jahre die heifsen Monate auf dem Lande
zuzubringen, d. h. an einem der zahlreichen über klaren Kiesgrund
lastig dahin rieselnden Bäche und unter dem Schatten einiger Bäume
seine Zelte in der Nähe eines Dorfes aufzuschlagen; denn in den Woh-
nungen selbst sich niederzulassen, dürfte wohl niemandem einfallen, der
auch nur den geringsten Anspruch an Gomfort und Reinlichkeit macht.
Die Luft in ihnen ist im Sommer verpestet, weil sie nach uralther-
kSmmlicher Manier und hauptsächlich mit Rücksicht auf den für ihre
Bewohner, Menschen und Vieh, gefährlichen Winter gebaut sind. Rei-
fende in jenen Gegenden ziehen darum immer vor, im Sommer in
Zelten zu campiren und betreten im Winter die ihnen zum Nacht-
quartier bestimmten Räumlichkeiten erst nach vorgenommener gründ-
licher Reinigung und Lüftung.
Wir ritten den Pufs des Top-Dagh (Kanonenberg), welcher hier
die Ebene von E^zerum südöstlich begrenzt, entlang und gelangten bald
zu dem eine Stunde von der Stadt entfernten Dorfe Souk-Tschermuk
(Kaltes Bad), so genannt von einer kalten, schlammigen^ wenig mineral-
l^itigen Quelle, die in ein enges, offenes Bassin gesammelt als Bad
benutzt wird. Sie geniefst bei den Einwohnern eines hohen Rufes,
weil sie meinen, dafs sie im Sommer kalt, im Winter aber warm sei.
Wir hatten ihre Temperatur früher schon 16,5* R. bei einer Luft-
^) Herr Jaba, jetzt als wirklicher Staatsrath pensionirt, benutzte die Muf.>e-
standen während seines langjährigen Aufenthaltes fn Erzerum hauptsächlich dazu,
die Sprache der Kurden an das Licht zu ziehen, und es gelang ihm mit grofser
Mühe und Ausdauer, ein aufaerordentlich reichhaltiges Wörterbuch, sowie eine Gram-
matik zusammenzustellen. (Der Autor schreibt sich mit J nach französischer
-Aussprache.)
158 Strecken
Temperator von 26,6* R. gefunden. Sonk-Tscbermiik hat angef&hr 50
Häaser, Ton Christen and Muhammedanern bewohnt and gleicht fofaer^
lieh allen Dörfern der armeniechen Hochebene. Die Wohnungen in
denselben sind plomp nnd werden meist, weil das Herbeischaffen von
Steinen, besonders aus grofserer Ferne, zu kostspielig sein wurde, aus-
Erde au^efuhrt, d. h. die Erde wird auf und um den Bauplatz herum
ausgegraben, angefeuchtet, mit etwas kleinem Stroh vermischt, in grofs»
Ziegelformen geprefst und einige Tage an der Luft getrocknet. Blit
diesen wenig consistenten Luftziegeln werden die Mauern hergestellt
und über diese kommt eine Lage starker Querbalken, welche dann mit
festgetretener und durch eine Walze zusammengeprefster Erde von
2 Fufs und mehr Höhe bedeckt werden. In Ermangelung starker
Balken werden dünnere B&i}me benutzt und, der entstehenden Zwischen-
räume wegen, sowie, um diese Basis für die darauf zu lagernde Erd-
masse haltbarer zu machen, vorher mit einer Schicht Reisig überdeckt,,
durch welche dann aber fortwährend abgelöste Erdklumpen die Decke
hindurch auf die Bewohner fallen > was dieselben jedoch nie in ihrem
Phlegma stört Regen und der schmelzende Schnee durchdringen
dieselbe häufig. Für Luft und Licht bleiben Oeffnungen in den Mauern,
die im Winter tnit geöltem Papier verklebt werden. Bei Ueberflufs an
Steinen werden diese als Baumaterial für die Mauern, als Mörtel wird
angefeuchtete Erde verwendet, welche ganz bezeichnend den Namen^
Tschamur, ^Schmutz^ führt Alle diese Dörfer mit wenig Ausnahmen,,
ohne Gärten und Bäume, gleichen übrigens bei regnerischem Wetter,
aus der Ferne und besonders aus der Höhe gesehen, völlig grofsen
Schmutzhaufen. Die Wohnungen in den Dörfern an den Bergabängen
werden häufig mit noch geringerem Aufwand von Material hergestellt;,
man baut sie grofsentheils in den Bergabhang hinein, so dafs sie von
weitem kaum sichtbar sind oder doch nur grdfsen Maalwurfshaufen
gleichen und selbst diese Form verlieren sie noch bei starkem Schnee-
fall. Xenophons Angabe, dafs man diese Wohnungen nicht eher be-
merke, als bis man in sie hineinträte, hat mithin für den Winter auch,
heute noch seine Gültigkeit.
Bis Souk-Tschermuk war die Richtung unseres Weges nördlich
mit geringer Abweichung nach Osten und von dort ab nördlich mit
etwas westlicher Abweichung bis zu dem genau nördlich von Brzerum
gelegenen Dorfe Ardziti. Bei Souk-Tschermuk betraten wir die glatte
Ebene, welche sich nur sehr wenig über das Bett des Euphrat erhebt
und im Frühjahr, wenn zur Zeit der Schneeschmelze und Regen-
güsse der FluTs seine niedrigen Ufer übersteigt meilenweit für viele
Wochen unter Wasser gesetzt wird. Nach und nach verliert sich
das Wasser, welches auf dem überschwemmten Lande fast überall
Beiträge sar Geographie Ton Hoch- Armenieo. 1 59
eioen fippigen Schilfwochs befördern hilft. Dies ist die Ursache der
EDtotehiing des Schilfwaldes, von welchem Moses Ton Chomi ond an-
dere alte Schriftsteller sprechen und welchen auch Ritter mehrmals
erw&hot. Derselbe verschwindet aber im Monat Jali, das Schilf wird
gem&ht, die Sonne sangt die letzte Feacbtigkeit aus der £rde und macht
dieselbe vielfach bersten. Tausende und aber Tansende von Yö-
gelo, wilde Gfinse und Enten, Kraniche, Kibitze, Hühner, Schnepfen,
Reiher etc. — wir haben dort einige Male einen schwarzen Storch und
soDst in der Ebene auch rothe Staare gesehen — beleben das gainze
Jihr hindurch diese Gegend. Die Angabe bei Moses von Chorni, dafs
die Anwohner von den Eiern dieser Vogel leben, ist aber eine Hy-
perbel.
Wir überschritten eine halbe Stunde von Souk-Tschermuk den
Bophraty welcher hier Kara-Su, d. h. Schwarzwasser, wohl wegen sei-
nes mit geringer Geschwindigkeit dahinfiiefsenden trüben Wassers ge-
nannt wird, an einer Stelle, wo er ungefähr 15 Schritte breit ist und
das Wasser den Pferden etwas bis über die Eniee reichte. Wenige
Minoten weiter durchritten wir einen andern schmaleren Arm des
Flusses, der sich in der flachen Ebene theilt und einige Inseln bildet.
Sein Bett ist nicht überall gleich tief, in dem weichen Schlammboden
der Ebene jedoch an wenigen Stellen fnbrtbar und tiefer als nach sei-
nem Austritt aus derselben, wo er, wieder den Charakter eines Ge-
birgsatromes annehmend mit mehr Gefälle und grofserer Geschwindig-
keit in dem mit Gerolle angefüllten breiteren Bette in häufigeren
Windungen dahinfliefst, um darauf in schmalem Thale und von hohen
Gebirgsketten eingeengt, den Lauf bis zu seiner ersten südlichen Enie-
biegaug in die Ebene von Terdjan fortzusetzen.
Die 14- Stunde lange Strecke vom Euphrat über das Dorf Tsitaug ' )
nach Ardziti legten wir in der Ebene schnell zurück und kamen hier
um 10 Uhr 'bei einer Temperatur der Luft von 16 Grad R. Schatten
an. Das Dorf liegt, von einigen Baumgruppen umgeben, freundlich
am Abbaqge der Berge, welche unmittelbar unter demselben sanft in
die Ebene abfallen.
Unser Freund hatte seine Zelte an dem anmuthigsten Plätzchen
aofgeschlagen und empfing uns in gewohnter gastfreundschaftlicher
Weise, welche alle Reisende von und nach Persien, deren Route Er-
zeram berührte, kennen zu lernen Gelegenheit hatten. Am Abend des
beifsen Tages, an welchem die Temperatur bis 28 Gr. R. gestiegen
▼ar, nahmen wir ein Bad in dem Bassin einer nahen Mineralquelle
*) Genauer bei Indjidjean p. 78 Dsithahogh, d. i. OUvenboden — ein sehr
uneigentlicher Name an einer Stelle, wo Oliven niemals wachsen konnten. Kiepert.
160 Strecker:
mit einer Temperatar von 25 Gr. nnd bestiegen den oberbalb des
Dorfes gelegenen Kapellenberg, von welchem wir eine weite Aussicht
auf die Ebene und einige Seitenth&ler des Euphrat hatten. Die ihn
krönende verfallene Kapelle ist ein Wallfahrtsort für die Icatholischen
Armenier.
Am nächsten Morgen bei Sonnenaufgang und einer empfindlichen
Kuhle setzte sich unsere kleine Karawane wieder in Bewegung, nm
die nordwärts gelegenen Berge zu ersteigen. Dieselben bestehen in
der näheren Umgebung Ardziti's aus secund&rem Gestein, in welchem
überall in Hocharmenien die aufserordentlich zahlreichen Mineralqael-
len zu Tage treten; die Gebirgsketten selbst sind meist plutonische
Bildungen, welche jene durchbrochen. Je mehr wir emporstiegen, desto
prächtigeren und grüneren Alpenboden fanden wir. Wenig unter der
Einsattelung, die wir nachher überschreiten mufsten, um dann ostwärts
zu den Quellbäcben des Euphrat zu gelangen, hatten wir nach Westen
eine weite Aussicht auf die Gebirgsspalte, in welche der Flufs ca. 15
Stunden von da eintritt und auf weitere, chaotisch durch- und über-
einander gelagert erscheinende, zum Theil Schneestreifen tragende Ge-
birge und unmittelbar unter uns, in derselben Richtung, in einige
wilde, von schroffen Felsen eingeschlossene Thäler, in denen kleine
ZuOüsse desselben tosend der Ebene von Erzerum zueilen. Bei unse-
rem Aufbruch von Ardziti vom schönsten Wetter begünstigt, sahen wir
jetzt über unseren Häuptern drohende Ansammlungen von Wolken;
dieselben umhüllten uns nahe der erwähnten Einsattelung und jenseits
derselben trieb ein heftiger und eisiger Nordostwind uns feine Hagel-
körner fast horizontal ins Gesicht; es wurde immer dunkler und mein
Horizont erstreckte sich bald nicht viel weiter als bis zu dem Schweif
des Pferdes, welches unser Führer ritt. Ich begriff jetzt, dafs in der
Ebene von Erzerum manchmal Ende Juni und Anfangs Juli fufsboher
Schnee fallen konnte, wie mir die Einwohner versichert hatten, wo-
von mich persönlich zu überzeugen ich aber während meines Anfent-
haltes keine Gelegenheit gefunden hatte. Den Anblick des schönen,
östlich streichenden Alpenthaies, welches wir jetzt durchritten, konnte
ich erst auf dem Rückwege geniefsen. Bei der Hanptquelle angekom-
men, wurde schnell ein kleines Jagdzeit aufgeschlagen ; der ^itknecht
des Herrn v. Jaba, ein russischer Armenier, hatte glücklicherweise einen
grofsen persischen Schafspelz mitgebracht, unter welchem zu Dritt hin-
gestreckt wir bald mit Hülfe eines reichlichen Frühstücks unsere er-
starrten Glieder wieder zu beleben vermochten. Nach einer Stunde
verzogen sich die Wolken und Luft und Himmel wurden wieder rein
und klar.
Beiträge Eor Geographie Ton Hoch- Armenien. \Q\
AiDjFafae de« südlichen Tbalhaogee quillt in 8567 engl. FoDs
Meereahohe, welche Hohe wir vernaittelst des Siedepunktes von destil*
üctem Wasser fianden, in einem, ans übereinander gelagerten Steinen
gebieten geräomigen Bassin eine Quelle klaren, frischen und wohl-
schmeckenden Wassers. Keine Bewegung desselben Ififtt sieb wahr-
nehmen, weder auf dem ruhigen, klaren Grunde noch an den W&nden
des mehr als 2 Fufs tiefen Bassins, kein Sprudeln deutet an, von wo
der immerwfihrende Zuflu£B des Wassers stattfindet, und doch ist der-
selbe so stark, dafs die Quelle unmittelbar nach ihrem Austritt aus
dem Bassin sofort einen 5 — 6 Fufs breiten, zwischen üppigem Gras-
wachs dem viel wasserärmeren Rinnsale der nahen Thalsohle, welcher
bei der mehrmals erw&hnten Einsattelung seinen Ursprung hat, plfit-
schemd zufliefsenden Bach bildet. Die Quelle zeigte bei 9| Gr. der
Laft Dar 2| Gr. R. Sie bildet die Hauptqnelle des Euphrat und ist
an sich selbst und in Verbindung mit der sie umgebenden Alpensce-
nerie gewük wardig des biblischen „Stromes, dessen grofse und wilde
Wasser allenthalben über seine Ufer treten, Juda überschwemmen und
das ganze breite Land umschliefsen werden.^ Doch ist dieser ganze,
nordwestliche, Euphrat -Arm sicher nicht das Paradies der Genesis,
denn in der Nähe seiner Quellen entspringen keine andere Strome;
dagegen fand ich solche, nach den vier Himmelsrichtungen fliefsend,
Ton welchen drei ganz nahe an einander entspringen, auf dem BingÖl-
Gebirge, wohin die Armenier das Paradies zu verlegen lieben: den
Tscbarbuhnr, einen der Hauptquellflüsse des südöstlichen Euphrat
(Morad), den Araxes, das Chinis-Tuzla-So und den Phison (so
noch heute von den dortigen Armeniern, von den Türken Bingol-
ond weiter abwärts Litschik-Su genannt, der Phasis des Xenophon).
Die armenische Sage giebt unserer Quelle einen viel neueren Ursprung.
Nach ihr gelang es den Griechen, zur Zeit des Kaisers Heraclius, das
in den Händen der Perser befindliche wahre Kreuz Christi diesen zu
entwenden. Um ihren Nachstellungen zu entgehen, waren sie genö-
äugt, es auf dem Heimwege 2u verbergen. Sie vergruben es auf dem
Domly-Dagh, von wo sie es später nach Constantinopel retteten. Dort
machte der Kaiser Heraclius einer armenischen Fürstin, bei welcher
er einst in Erzerum Gastireundschaft genossen, auf ihre Bitten ein
Stückchen des Kreuzes zum Geschenk, das sie in das Fundament des
▼on ihr in der Ebene von Erzerum gegründeten Chatschka-Wankh
(Kreuzkloster) einmauern liefs. An der Stelle, wo das Kreuz eine
Zeitlang auf dem Dumly-Dagh vergraben gewesen, sei aber, so wie
man dasselbe aus der Erde zog, die Quelle hervorgesprudelt. Sie steht
darum auch jetzt noch bei den Armeniern und selbst bei den Türken
ZdtMhr. d. OesttUseh. f. Erdk. Bd. IV. H
162 Strecker: Beitrige cur Geograpliie ron Hoch -Armenien.
m hoher Yerehrang. Abwaschungen in derselben sind dem Hefle des
Korpers wie der Seele gieieh satrS^^ich; wer aber mit irgend einer
Sdnde belastet in derselben ein Vollbad nimmt , stirbt sofort. Zu
dieser aberglfiubischen Idee bat jedenfalls die finfserst niedrige Tem-
peratur der Quelle Veranlassung gegeben; der erwähnte Reitknecht
trotzte dieser und seinem etwaigen Schnldbewurstsein und badete sich,
was nur gute Polgen ffir ihn gehabt cu haben scheint
Die Armenier, welche das Wallfahren nach ihrer Art lieben, pil-
gern gern und besonders im Monat August, in welchen die Festtage
des nahen Chatschka-Wankh fallen, nachdem sie dieses besucht, auch
zum Ghatscha-pajt, d. i. Ej-euzesholz, oder zu der Quelle, welche
der Legende zufolge ihm ihre Entstehung verdankt. Der fromme Zweck
tritt dabei bald in den Hintergrund; tanzend, schmausend und Raki')
trinkend geben sie sich dann dem „E^f^ (Freude, Zustand des Wohl-
behagens) hin und alle die zahlreichen Zijarets (Wallfahrtsorte) wer-
den so zu Versammlnngsplfitzen für die rohen und einfSrmigen Ver-
gnügungen dieser auf einer sehr niedrigen Stufe der Civilisation stehen-
den Nation.
Auf dem Heimwege, den wir bei Sonnenschein um 2 Uhr Nach-
mittags antraten, bemerkten wir neben dem Wege einige ungeheure
Steinhaufen; die Armenier aus unserer Begleitung warfen neue Steine
darauf und meinten dadurch die bösen Absichten ihrer Feinde zu
Schanden zu machen, da unter der Steinmasse böse Geister gefangen
gehalten wurden.
Wir kamen um 5 Uhr wieder bei den gastlichen Zelten des Herrn
V. Jaba an, wo wir eine Temperatur von 10 Gr. R. fanden und er-
fuhren, daüs dort den ganzen Tag hindurch das Wetter herriich ge-
wesen sei.
Die Ebene von Erzingjan, welche die zweite der beigegebenen Karten dar-
stellt, ist bereits in dem im Jahre 1861 (Bd. XI der Zeitschrift für allgemeine
Erdkonde, N. F.) vom Herrn Verfosser mitgetheilten Aufsatz aosführlicb , beschrie*
ben, welchem derselbe jetzt nichts neues beizufügen hat» nur dafs er die damals
mitgegebene unvollkommene Kartenskizze im Verlauf der späteren Jahre durch
die yorliegende genaue topographische Aufnahme ersetzt hat.
M Raki heifst der in der TOrkei gebrftuchliche Branntwein, zu dessen Fabri-
kation im allgemeinen das Mastixharz benutzt wird; das Volk in Armenien, desi
dieser in Folge des weiten Transports zu thener zu stehen konunt, versetzt sidi j^
doch meist mit Hülfe eines aus Maulbeeren bereiteten abscheulichen Fosels in den
erwülmten Znstand.
(Schlufs folgt.)
163
Miflcellen.
Die zweite Deutsche Nordpolar -Expedition.
Im Aaschhiri tat den rom Cupt Koldewey in tier Iffirz* Sitzung der Geseil-
lehaft f&r Brdknnde gehmltenen Vortrag Aber seine vorjährige Nordpolar- Reise
voOen wir TorÜLofig unsere Leser anf die f&r dieses Jakr beabsiehtigte nene
Poltr- Expedition anfmerksam machen, deren Zwe«Ac nnd Ziel Prof. Dr/ A. Feter-
■MB m einer dnrefa die TagesblKtter bereits pnblidrten Ansprache nseinander-
gtNtrt hat. Dieselbe soU von Bremerhafen ans in der ersten Woche des Jnni,
vo möglich am 1. Jnni, In See gehen nnd wird ans einem Schranbendampfer
m 90Fnls Unge, 22^1fu[k Breite nnd 11 Fnfs Tiefe Ton 120 Tonnen nnd
mit dner Dampfinasohine Ton 30 Pferdekraft, nnd dem Schiff der ersten Expe*
diaon, einer Segel -Jacht Ton 80 Tonnen, bestehen. Diese wird den Name»
vGronland*, das nene Schiff den Namen ^Gonnania* führen. Die ganze Bxpe^
öiiion wird nnter dem Befehl des Capt. K. Koldewey stehen, der sich im vorigen
Jahre in jeder Besiehnng so trefflich bewfthrt hat Um diese Expedition für die
Wissenschaft möglichst nntzbringend zn machen, werden die beiden Astronomen
BDd Physiker, die Herren Borgen un^ Copeland von der Konigl. Sternwarte in
Göttiiigen, der ausgezeichnete Hochgebirgs- Forscher K. K. Oesterreichische Ober-
BevteDttut Jnlins Payer ans Wien (für (Geologie, Detail -Anfhahmen nnd Oletscher-
fonehmigen) und ein Arzt (hanpts&chlich Chirurg) für Zoologie dieselbe be-
gleiten. Das ganze Personal auf dem Hauptschiff wird ans 17 Mann bestehen.
Die Bemannnog nnd wissenschaftliche Be^eitong der «Ghrönland* ist noch nicht
genau festgestellt.
Die wissenschaftlichen Instrumente nnd Apparate sind zum Theil seit vori-
gem Herbst in Arbeit, die Dampfmaschine der j, Germania" wird constmirt vom
Htnse Waltjen in Bremen, der Bau d^ Schiffes selbst geschieht anf der Werft
des Schiffsbaumeisters Franz Tecklenborg in Bremerhafen. Das nene Schiff ist
ueh den sorgfEltigsten Berathnngen und mit Rücksicht auf die reichen Brfah-
rangen der ToijSJuigen Expedition in der Bisschiiffahrt bis anf die geringsten
Gnieiheiten entworfen nnd witd, anfgetakelt nnd gemalt, bis zum 1. Mai toII-
tfbiaig fertig gefiefert
Zweck nnd Ziel dieser zweiten Expedition sind dieselben wie beim Toxj&hri-
gn Versudi, nimlich: Erforschung und Entdeckung der arktischen Central -Re-
gion Ton 75* nördl. Br. an, auf der Basis der dst-grönl&ndischen Küste. Aber
liewird dies Mal nicht eine blofse nautische, auf die Monate Jnni bis
September beschr&nkte Sommerfahrt sein, sondern soll in möglichst
lioher Breite eine Ueberwinternng effectuiren und Toraussichtlich erst im
October 1870 heimkehren. Die «Grönland* Jedoch, die als Begleit- und Transport-
Bddff f^giren, sowie znr Communication zwischen der Expedition nnd Europa die-
nen wird, soll schon zum kommenden Winter zurüddcehren nnd alle bis dahhi
ci)t&g:ten Resultate und veranstalteten Sammlungen heimbringen. Das Hauptsehiff,
ab TSllig unabhängig in sich, soll zu geeigneter Zeit im Herbst 1870 nachfolgen. —
tnter den speciellen in Aussicht genommenen wissenschaftiichen Arbeiten befindet
]g4 Miscellen:
sich eine Gradmearang in möglichst hoher Breite; alle bisherigen Messungen
dieser Axt zur Bestimmung der Gröijs^ und Geßt^Jl. unserer Erde erreichten noch
nicht das europäische Nordcap ^ etira '^1^ HdiH^ Bi'., und nachdem die Eng-
lander seit beipahe 50 Jahren und die Schweden seit 10 Jahren die Messungen
in Spitzbergen wo möglich bis sum 80^ nördl. Br. fortzuführen sehnlichst ge-
tnachtet haben, wird von dieser Deutschen Expedition nunmehr der erste emst-
iMfte Versuch dasu in möglichst hohen Breiten an den zu erforschenden Polsr-
hüsten gemacht werden.
Natürlich erfordert die Ansrüstung dieser in grofsartigerem Maßstäbe beab-
sichtigten und einen für die Wissensebafi wirklidieii Erfolg yeraprechenden Ex-
pedition bedeutende Geldmittel, indem die ans den voijiluigeii Sammlungen noch
Torhandenen Summen bei weitem nicht auareichen, am die Kosten .des neuen
Unternehmens zu decken. Diese aufzubringen, bedarf es der Zusammenwirkung
Vieler. VertrauungsroU wenden wir uns deshalb zunächst an die Leser unserer
Zeitschrift, ihr Schärfletn zur Förderung dieses wissenschaftlichen Zweckes selbst
beizutragen und in Freundeskreisen Sammlungen zu Teranstalten. Die unter-
zeichnete Bedaction ist bereit, die Beiträge in Empfang zu nehmen und dem
Herrn Dr. Petermann in Gotha zu übersenden, der seinerseits die Veroffeot-
lichung der dai|;ebrachten Gaben bewirken wird.
Die Bedaction der Zeitsehrüt der Ö^gellsehaft für Erdkunde zu Berlii.
Prof. Dr. Koner (Lindenstr. 14).
Farbe der Alpenseen und Alpengewässer.
Herr Wallmann stellt in seiner trefflichen Arbeit über die Seen in den Alpen
(Jahrb. des Oesterreioh. Alpen* Vereins. IV^ 1868) die Alpenseen nach ihrer
Farbe zusammen. Die meisten Hochseen zeichnen sich <Larch ein frisches Grün
oder dunkles Blau aus. Grüne Färbung hAben der Boden-, Züricher, Vier-
waldstatter, Chiem- und vordere Langbathsee, der Mattsee 5 der Alt-Ausseer-,
Grundl- und Erlafsee. SmaragdgrUn, erscheinen der Königssee, Kochelsee,
Caldonazzosa und der hintere Gosausee. Dunkelgrün spiegeln der Haüstadter
und Traunsee, vordere Gosausee, Veldessee, Tappenkarsee, Levicosee, Neuen-
burgersee, Comersee und Mondsee. Malachitartiggrün und blau zeigt sich
der Wolfjgangsee. — Andere Seen schmeicheln dem Auge durch ihre schöne
blaue Färbung. Hellblau ersoheinen: der Waller-, Irr>, Alm- und Aleghesee,
dann der Piller- und Lunzersee. Tiefblaue ^arbe haben: der Atter-, Achen-,
FuschN, Garda-, hintere Langbath-, Turracb-» Wocheiner- und Walchensee.
Der Achen- und besonders der G^rdasi^e sind wegen ihrer tiefblauen Farbe be-
rühmt* Viele Seen haben «wei Farben. So sind die soeben genannten dunkel-
blauen Seen am änüsersten seichten Uferrande von einem etwas grünlich schil-
Ißmden Saume eingefaiJBt. Der Lago niaggiore hat im nördlichen Arme grünes,
im südlichen tiefblaues Wasser. . Der Mondsee wechselt häufig seine Farbe rpm
hellsten Grün in dus dunkelste Blau, oder in's Gelbgrane, oder selbst in's Graue.
Der Attersee ist häufiger dunkelblau als hochbku. Bei vielen Seen bemerkt man
Farbe der Alpenseen tatä Alpengewäseer. 155
•a den seichteren üferstelles g^egen den Ufemind eine hellgrüne, bei grösserer
Tiefe eine smaragdgrüne nnd endlich in den Kreisen gegen den Mittelpunkt
eine tiefblaue l^bnng. Aach mancher in einem Felsenkessel gelegene Hochsee
sogt einen hellgrünen Ring am Uferzamde, dann folgen immer dankler grün wer-
dende Kreise und endlich im Centram ein dnakler blaner Kern. Diese Farben-
kreise sind bei Mnldenseen moht selten. Man beobachtet auch eine Aenderong
der Seefarbe ans mancherlei Ursachen. So ist es ziemlich bekannt, dals die
blane Seefarbe in der Kälte and bei trübem kühlen Wetter intensiver erscheint;
anch die grüne Farbe soll in manchen Seen bei Kälte und Witterungswechsel
dunkler werden. Bei Stürmen geht die blane Farbe nicht gelten in eine grüne
über und umgekehrt; auch werden in einem solchen Falle die seichteren Stellen
durch den aufgewühlten Grandschlamm getrübt; daher dann ein See mit ungleich
tiefen Steilen häufig gelblich gefleckt, oder mancher blaue oder grüne See ringsum
die Dfer von einem gelben oder grauen Rahmen eingefafst erscheint. Die aus
den Ürgebirgen kommenden Bäche sind die reinsten grünblauen Gewässer, deren
heller Grundfarbe blos manchmal durch aufgelöste Schiefeitheile Eintrag gethan
wird. In den E^lkalpen haben die Bäche eine blaugraue oder blaugrüne Farbe,
welche durch den kalkerdehaltigen Zusatz eine weifsliche seifenartige Tinte be-
kommt. Bei starken Regengüssen, nach Gewittern, oder bei der Schneeschmelze
gewinnt dieser Zusatz die Oberhand und verdrängt fast ganz die blaugruqe Fär-
bung. 80 sind die Isar, der Lech, die Hier, die Reichenhaller Saale u. a. m.
beschaffen. Hingegen zeigen die Berchtesgader Ahn, die Traun, die Mangfall,
die Alp u. a. eine prächtige smaragdgrüne Färbung; denn diese Flüsse kommen
aas den Alpenseen, in denen sie ihre Fluthen geläutert haben. Der Genfersee
vnd die ihn durchströmende Rhone haben ein schönes Blau; der Rhein und
Bodensee sind grün; die Tratm, sowie der Hallstädter und Traunsee dunkelgrün.
Anders gefärbt erscheinen uns der Inn, die Salzacb und alle in der Eiswelt ent-
standenen Flüsse; es sind Eisströme, die ihre grauen milchigen Wogen, verbun-
dea mit einem champagnerähnlichen schäumenden Gezische, in der warmen Jahres-
idt einherwälzen und dem am Ufer stehenden Beobachter Kühlung gewähren,
m kalten Winter aber bläulichgrün nnd klar erscheinen. Alle Gletscherbäc^ie
gleichen einem mit Milch versetzten Wasser, und es ist bemerken swerth , dafs
diese Erscheinung Naclmiittags und im Sommer stärker wird. In Folge des Ein-
stromens solcher Eisbäche (Kaswasser oder Gletschermilch ) bleiben manche
Hochseen während des Sommers milchig gefärbt. So sieht ein Hochsee im Muhr-
Winkel wie gewässerte Milch aus und heifst auch Kaswassersee. Welchen Ein-
flafs die in die Seen sich ergiefsenden verschieden gefärbten Bäche nnd Flüsse
aof die Seefarbe haben , ist noch unbekannt Es läfst sich aber deren Einflnfs
kaum wegleugnen, denn nicht selten bemerkt man, dafs die Strömung in einem
See ganz anders gefärbt erscheint als das Wasser der ruhigen Seestellen, ^s
ist auch denkbar, dafs die aufsteigenden Grundquellen auf die einfallenden und
austretenden Lichtstrahlen eine Wirkung üben. Bei Entwicklung von Grund-
qaellen und bei der Wellenbildnng überhaupt in Folge von Winden sehen wir
an verschiedenen, besonders seichteren Stellen Modificationen der ursprünglichen
Färbung eintreten. — r.
1(6 MUoeltoa:
Entdeckung von Goldlagern im Osten von Bolivia.
Die Zeitung ^El Eeo de BoUvia* bringt folgende Mittheilung: 8eit undenk-
lichen Zeiten weifs ein Jeder bei uns, dnf« im O. der Republik Bolim Qold*
iager existiren; ja verschiedene Dokumente im Staatsarehir sprechen mit Be-
stimm theit davon. Die bekannten Minen von Chnqniago de la Paz, Sorata,
Snches, Carabana im N.» sowie die von Chayanta, Chichas nnd Rinconada im 8.,
von denen viele gegenwärtig noch bearbeitet werden, kommen hierbei natSrUch
nicht in Betracht. Um nnn jene anfsnfinden, wurden in den letzten 10 Jahren
wiederholt Expeditionen nach dem O. veranstaltet» deren Endresultat aber üut
nie den gehegten Erwartungen entsprach. Allein zuletzt ist dennoch die Aus-
dauer belohnt worden» nnd sind reiche Goldlager »placeres de oro* aufgefunden
worden, welche den ergiebigsten in anderen L&ndem in Nichts nachstehen sollen.
In der Qnebrada de Santa Rosa sind in diesem Augenblicke circa 700 Menschen
beschäftigt, nnd man hat Klumpen des reinsten €k}ldes bis zu einem Gewicht
von 42 Unzen gefunden.
Zur Orientirung mögen folgende Daten dienen: Chiquitos war früher ein
Departement der grofsen Provinz Santa -Cruz, die heute, in 2 Theile getheflt,
an die brasilianische Provinz Biattogrosso stöfst, und die Namen Prado und Ve-
lasco fuhrt. Die erwähnten »placeres* liegen zwischen dem 15. und 16. Grad
sfidl. Br. und 64. und 65. Grad westl. Lg. vom Meridian von Paris. Die Qne-
brada de Santa Rosa, von der am Meisten die Rede ist, liegt ziemlich 60 Le-
guas von der Stadt Santa -Cruz de la Sierra, und der sie durcheilende Flnfs
gleichen Namens fallt in den Flufs San Miguel. Letzterer, der eigentlich immer
schiffbar ist, fuhrt seine Wassermaasen dem grofsen Flufs Guapor€ zu, welcher
seinerseits in den Mamor^ mündet, einen Nebenflufs des Madeira, der sich be-
kanntlich in den Amazonenstrom ergieftt.
Der „ Constitucianal*^ von La Paz de Ajacucho giebt ferner folgende Details:
Die Existenz der Minen von Chiquitos ist nicht nur eine nnumstöfsliche Wahr-
heit, sondern das Gold ist im Ueberflnfs da und vom feinsten Gehalt. Trotz der
lApractischen und primitiven Manipulation wurden im Jahre 1867 dennoch über
5 Arrobas Gold gewonnen (1 Arroba = 25 Pfd.). Im Jahre 1868 sind bis zum
9. October bereits über 2 Arrobas zu Tage gefördert, wenngleich die aufgefun-
denen Goldklumpen nicht von derselben GrÖfse wie im vergangenen Jahre waren,
da nur 4 Stücke von einem Gewicht über 1 Pfd. zum Vorschein kamex.
Die Grenzen dieser Goldregion zu bestimmen, ist gegenwärtig noch un-
möglich; bis zum Flufs San Miguel hin enthält sowohl der O. als auch der K.
Gold in grofser Menge. In der trockenen Jahreszeit ist das Arbeiten sehr leicht,
tmd in der Qnebrada de Santa Rosa findet man Gold in einer Tiefe von 3 bis
15 Fufs. Das kostbare Metall ist entweder mit einer gelblichen Thonerde ver-
mischt, oder in Qnarzstücken von verschiedener Grofse, oder auch in glänzenden
Schieferplatten enthalten, welche wie mit Lack überzogen aussehen. Letztere lie-
gen stets unter einer Schicht röthlicher Thonerde und streichen in schräger Rich-
tung. Die Qnebrada von Santa Rosa ist mit einer kolossalen und dichten Wald-
vegetation bedeckt. v. Conring.
Die Fidschi -Inseln nnd die P^Hyneslsche Compagniie. 167
Die Fidschi- Inseln und die Polynesische Gompagnie.
Die Fidschi-Inseln, vom Ufer der See bis zu den Gipfeln der Berge in be-
ständig reichem Grün jeder Schattimng gekleidet ^ gewähren dem Ange einen
infserst lieblichen nnd freundlichen Anblick. Auf der ungemein fruchtbaren
Ackerkrume des Bodens wächst Alles, was der Region der Tropen angehört, in
entaonlicher üeppigkeil Einwanderer, welche die geringen Mittel zum Ankaufe
Ton ein oder zwei Hundert Acres mitbringen) können letztere schon nach Ver-
lanf Ton einigen Monaten zu einem blühenden und comfortablen Besitzthum ein-
gerichtet haben, welches Jahr ans, Jahr ein, ohne auch nur eine Handroll Dung
zum Entgelt zurückzuerhalten, für die Erfahrung, die Energie und das kleine
Kapital» welches darauf rerwendet worden, eine reichprocentige Rente zahlt. Die
Häuser der Fidschi-Insulaner sind aus Bambusrohr angefertigt und luftig und ge-
riomig, mithin für das Klima aufserordentlich zweckmäfsig. Die Eingebomen
stellen so eine Wohnung*, in der Grofse von 50 bis 60 Fufs bei 30, für den
Preis ?on 5 bis 6 £ gerne her.
Der Werth des Landes war noch vor zehn Jahren rein nominell, und 1 d.,
d. i. 10 Pfennige, pro Acre wurde willig acceptirt. Solche Preise bestehen freilich
heut zu Tage nicht mehr, und 5 s., d. L 1 Tblr. 20 Sgr. dürften als der Durch-
schnittspreis für den Acre guten Landes anzunehmen sein. Indefs sind auch
höhere Verkäufe abgeschlossen, und in dem kleinen Seehafen von Levoka auf
der Insel Oyara, in dessen unmittelbarer Nahe sich eine Ansiedlung, bestehend
US 20 Häusern und Läden, befindet, wurde sogar bei guten Baustellen der Fufs
Fronte ausnahmsweise mit £ 4 bezahlt. Aber das sind in der That doch noch
immer sehr niedrige Preise, wenn man das reiche Allunajlannd der Fidschi-
hueln mit dem ausgesogenen Zuckerlande auf der Insel Mauritius yergleicht*
▼elches dessenungeachtet dort nicht für weniger zu haben ist, als £ 20 pro Acre.
Die grofseren Inseln sind reich an Wasser und werden von mehreren Flüssen
durchzogen, unter denen der Rewa River, auf ungefähr 100 Miles schiffbar und.
ond zwar auf 60 Miles für Fahrzeuge, die einen Tiefgang von 5 bis 6 Fufs
haben, der bedeutendste ist. An diesem Flusse entlang hat sich eine nicht un-
heträchtliche Anzahl von Colonisten mit ihren Frauen und Kindern nieder-
gelassen, die hier gesund, glücklich und in Wohlstand leben, wiewohl sie meist
mit sehr geringen Mitteln eintrafen. In Folge der sehr günstigen Berichte,
welche nach Australien gelangt sind, steht schon in den nächsten Monaten eine
nicht unbedeutende Einwanderung bevor, und es ist dieselbe um so leichter aus-
fahrbar, als die Fidschi-Inseln von Melbourne aus in zehn, und von Sidnej nnd
Nea-Seeland aus in acht Tagen pr. Dampfschiff zu erreichen sind.
Obgleich der tropischen Zone angehörig, erfreuen sich diese Inseln eines
Semäfsigten und gesunden Klima's. Das Thermometer zeigt im Laufe des
Jahres zwischen 65 und 92 Gr. Fahrenheit, und die jährliche mittlere Temperatur
beträgt 80 Gr. Mit Ausnahme von Dyssenterie, von welcher auch nur -haupt-
sächlich Einwanderer in Folge diätetischer Unvorsichtigkeit befallen werden,
hemchen keine klimatische Krankheiten, kein Fieber u. s. w., und es unterliegt
keinem Zweifel, dafs die Colonisten auf den Fidschi -Inseln ein eben so hohes
168 Bfisc^en:
QD^ comfortables Alter erreichen, wie nur irgendwo auf der Erde. Die Monate
Mai, Jani, Juli sind navergleichHch schön, wahre Wonaemoottte; dagegen herr*
sehen im December, Januar, Febrnar und März Orcane oder wenigstens heftigo
Winde vor.
Was die Erzeagnisse des Bodens anlangt, so gedeihen alle GemOse, welche
in England fortkommen; eijciheimisch aber sind: Orangen, Limonen, Ananas^
Guavas, Bananen, Munnny-Aepfel, Shaddock (citnu decutnana\ Cocospalme, eine
Frucht, genannt nVein", Ton köstlichem Geschmacke, eine Art Haselnufs, Mua-
catnufs, Arrowroot, Ingwer n. s. w. Der Taback, wenn richtig behandelt, kommt
dem in Cnba nnd Süd-America gewonnenen vollkommen an Gfite gleich. Ueber-
Haupt wfirden auf den Fidschi-Inseln alle oSt- und westindischen Früchte, wie
Sapadillo, Mango, Mangosteen, Granatiipfel, Tamarinde u. s. w. vortrefflich fort-
kommen. Baumwolle wird mit dem besten Erfolge cultivirt, und dürfte die diesjährige
Ernte von 100 Acres einen Reinertrag von £ 1,200 sichern. Dasselbe gilt vom
Kaffeebaome. Zuckerrohr insbesondere gedeiht ausgezeichnnt ; 1000 Acres,
welche in diesem Jahre damit bepflanzt sind, werden mindestens 30,000 Tonnen
Bohr oder 3000 Tonnen Zucker liefern. — Noch bleibt zu erwähnen übrig, dafs
Cement, dem Portland völlig ebenbürtig, Reifsblei, Kupfer und selbst Gold auf
den verschiedenen Inseln aufgefunden worden, sowie dafs beche de mer oder
Trepang, der nach Sidney und von dort nach China verschiftt wird. Perlmatter
nnd Schildpatt an der Küste in Ueberfiufs vorhanden sind.
Die Insulaner, wenn gutig und gerecht behandelt und von ihrem Stamme
entfernt, können mit Leichtigkeit zu nützlichen Dienern und Arbeitern heran-
gebildet werden, und man rühmt ihnen nach, dafs sie treu nnd zuverlässig sind.
Während in Jamaica und Barbados, wie auch in Demerara der Arbeitslohn^
welchen ein Neger dort erhält, sich auf £ 30 bis 35 pro Jahr stellt, würde der-
selbe auf den Fidschi-Inseln nur £ 4 bis 5 betragen, und dürfte auch für die
nächste Zeit an ein Steigen nicht zu denken sein. Der Lohn, welchen ein In-
sulaner für eine einzelne Tagesarbeit empfangt, beträgt 6 d. oder 5 Sgr. Die
Bevölkerung dieser Inseln wird von den dortigen Missionären (Methodisten) auf
200,000 geschätzt, und sollen davon 90,000 zum Christenthume bekehrt sein ').
Aber mit dieser Bekehrung hat es gewöhnlich nicht viel auf sich, sie ist mehr
nominell.
Schon seit längerer Zeit waren Melbonmer Kapitalisten und Speculanten
damit umgegangen, sich auf den Fidschi-Inseln ausschliefsliche Privilegien zu er-
werben. Da trat inzwischen der Fall ein, dafs Unterthanen des Oberhäuptlinga
Thakombau, gewöhnlich König genannt, Waarenvorräthe, welche nordamerikani-
schen Bürgern gehörten, überfielen, plünderten nnd in Brand steckten. Die Re*
gierung von Washington forderte Genugthnung, und der König mufste sich zur
Zahlung einer Entschädigung von £ 9,000 verpflichten , ohne zu wissen , wie er
'} Nach den Berichten der dortigen Missionäre betrug zu Ende des vorigen
Jahres die Zahl der wirklichen Kirchenmitglieder 18,000, und diejenigen, welche
Überhaupt dem Gottesdienste beiwohnten, zählten zusammen 90,000 oder die Hälfte
aller Bewohner dieser Inselgruppe*
Die Fidschi -Inseln und die Polynesische Compagnie. "f 59
dies je mdglich madhen sollte '). Es war ein dort lange ansässiger Colonist, Na-
hens Carl von Denune, der zuerst Melbonrner Kanflente aaf diese gute Ge-
legenheit, ein gl&nzendes Geschäft abzoschliefsen, aufmerksam machte, und letztere
Bogerten auch nicht, die Messrs. Brewer und Evans zu diesem Zwecke dahin zu
MDden. Es gelang in der That beiden Herren, einen äulserst günstigen Vertrag
zo Stande zu bringen, der jedoch nachtriiglich an dem Widerstände des briti-
schen Consttls und einiger Colonisten scheiterte. Die Sache fiel damit einst-
weilen, am aber Mitte dieses Jahres wieder aufgenommen und am 23. Juli 1868
mn gültigen Abschlüsse gebracht zu werden. Der Vertrag ist in Form alles
Rechts von Thakombau, dem anerkannten Oberhanpte der Inseln, sowie von
ünf Häuptlingen einerseits und von Messrs. John L. Evans, William H. Brewer,
Andrew Lyell und Frederick Cook, als trustees der PoUfnesia Company anderer-
seits unteradchnet. Der Inhalt besagt im Wesentlichen Folgendes:
Es werden 200,000 Acres, mit Allem, Was darin etwa noch verborgen ist»
also auch der Mineralreichthnm, als freies Eigenthum an genannte Compagnie
abgetreten, und zwar : 1) eine Strecke Land von ungefähr 40,000 Acres, die, ein
QnadraC bildend, von Kuknruku R. in Vlti Levu Bay ausläuft, der Küste in
der Richtung von Bau bis zum Stadtchen Veidrala folgt und von da landeinwärts
geht; 2} ein Stück Land von einigen GMiles, welches der Häuptling Thakandrovi,
Natavai Baj, Island of Vanna, seinem Freunde Thakomfoau in dieser Stunde der
Noth geschenkt hat. Von dem Städtchen Tivo aus geht es der Küste entlang
und erstreckt sich dann in derselben Länge landeinwärts; 3) die herrliche Insel
M. Benga, von ungefähr 1500 Eingeborenen bewohnt und bisher an Rewa gehörig.
Die Rewa -Häuptlinge haben dieselbe als ihren Antheil an obiger Schuld, für
die sie mit ungefähr einem Drittel zu haften haben, abgetreten. Aufserdem auch
noch die Inseln Motnniki, Levuka, Maluma und Nannkn; 4) ein Areal von
100,000 Acres aufserordentlich reichen und tiefen Alluviallandes auf Viti Levu,
der gröfsten unter den Inseln dieses Archipels. Dasselbe bildet die Perle in der
ganzen Cession und schliefst den ausgezeichneten Hafen von Suva ein, von wo
das Land, welches von drei mehr oder weniger schiffbaren Flüssen, die sich
anch in diesen Hafen ergiefsen, bewässert wird, in allmäliger Hebung ansteigt
Die Compagnie erhält femer auf 21 Jahre das ausschliefsliche Recht, an
beliebigen Plätzen der Insel Banken zu gründen, und sollen die zu emittirenden
Banknoten überall als legal tender, d. i. gesetzliches Zahlmittel, gelten. — Sollte
*) Dio Sache ist di^se. Von einem nordamerikanischen KaufTahrteischiffe,
welches bei den Fidschi Inseln anlegte, waren drei Matrosen desertirt, die später von
den Insulanern erschlagen und verzehrt wurden. Als dieser Cannibalisnius zu Ohren
der nordamerikanischen Regierung kam, verlangte sie Genngthnong und man einigte
sich dahin, dafs eine .bestimmte Summe an Geld die Unthat ausgleichen sollte. Die
erste Rate ging auch ein, aber mit der zweiten hatte es keinen Fortgang, einfach»
weil der Konig den Betrag nicht aufbringen konnte. Er war daher zu Ende des
vorigen Jahres gezwungen, seine Inseln, zur Sicherstellung der Forderung, auf drei
Jahre an Amerika zu verp Anden, während dieses es übernahm, Seine Majestät fUr
diesen Zeitraum gegen jede Usurpation von anfsen in Schutz zu nehmen. Man be-
greift also, da(s die Compagnie, bevor sie überhaupt an ihr Unternehmen gehen
konnte, erst die Auseinandersetzung mit Amerika herbeiftlhren roufste.
*|]20 Miacelleii:
der König Theile Mine« Reiches an andere Parteien Teranljem wollen, so steht
der Gesellschaft das Vorkanfsrecht zn. — Auf imporürte nnd ezportirte Pro-
ducte and Waaren darf anter keinen Umständen ein Zoll gelegt werden, nnd
findet überhaupt eine £infahrang von Stenem nicht Statt. — Endlich Tetpfilchtet
sich seine dunkle Majestät, die Colonisten anf dem cedirten Tenritorinm gegen
etwaige Angriffe and sonstige Belästigungen von Seiten der Eingeborenen zn be-
schützen nnd zu vertheidigen.
Dafs König Thakomban mit der Unterzeichnung «dieser Urkunde den ge*
wissen nnd baldigen Untergang der Fidschianer besiegelt hat, wird er sich wohl
nicht überlegt haben, ist aber ein schweigendes Selbstverständnifs. .
Diesen Zugeständnissen gegenüber übernimmt die Gesellschaft folgende Ver-
pflichtungen: 1) sie zahlt an die Vereinigten Staaten Nord- Amerika's die Summe
▼on £ 9,000 , und zwar £ 2250 sofort und den Rest nach Verlauf eines Jahres.
Erst nach Berichtigung der ganzen Schuld ist es gestattet, einzelne Theile des
als Eigenthum überwiesenen Areals tu. veräufsem; 2) König Thakombau erhält
auf Lebenszeit eine jährliche Pension im Betrage von £ 200, — und wird wohl
jedenfalls in den obigen legal tender notea ausgezahlt werden. — Thal sum, heUst
es, 18 equal to a ^Kingsransom*' in the fair and fertiU Islands of Fiji,
Der Zweck der Polynesia Compcmy {limited) geht dahin, die reichen und
noch unbenutzten Quellen der Inseln der Südsee, nach dem Muster der alten
ostindischen Compagnie, aufzuschliefsen und zu verwerthen, und soll der Anfang
eben mit den Fidschi-Inseln gemacht werden, weil sich hier besonders günstige
Verhältnisse für eine Colonisation darbieten und auch bereits seit längerer Zeit
Colonisten daselbst residiren. Denn, — so hat der Honorable H. L. Correy,
erster Lord der Admiralität, kürzlich auf einem australischen Zweckessen in
London gesprochen — der Colonie Victoria scheint es Yorbehalten zu sein, die
Inseln des indischen Archipels zu erobern und zu dyilisiren, d« i. ihrem Interesse
dienstbar zu machen.
Obige Compagnie hat sich unter einem provisorischen Directorium consti'
tuirt, welches namhafte Persönlichkeiten in Victoria, hauptsächlich in Melbourne,
mit dem Mayor dieser City, dem Mayor von BaUarat nnd dem General Latham,
Consul der Vereinigten Staaten, an der Spitze, zählt, und gründet sich auf ein
Kapital von £ 100,000, welches in Actienfä £ 2 ausgegeben ist Die Promo-
toren beanspruchen für ihre bisherigen Kosten, ihre Mühe nnd den von ihnen
erzielten Erfolg 10,000 Actien, die als voll bezahlt, paid-up shareSf gelten sollen.
Für jede 10 Actien, die Einer zeichnet, wird noch ein free grant von 40 Acres
Agriculturland , und für jede 25 Actien ein halber Acre Stadtland als Prämie
gewährt.
Die Gesellschaft beabsichtigt nun, sowohl Bank- als Handelsgeschäfte zu
betreiben. Sie wird die Producte der Inseln aufkaufen oder auch Vorschüsse
darauf leihen, dieselben nach Australien oder andern Plätzen verschiffen und
ihre Schiffe mit gut verkäuflichen Waaren zurückbeordern. Von Zeit zu Zeit
soUen Landauctionen, wobei ein Minimalpreis festzusetzen ist, stattfinden, theils
in der GrÖfse von Farmen, theils in kleinen Parceüen, wenn es sich um Anlegung
von Dörfern und Städten handelt. Dabei wird für | der Kaufsumme Credit
auf ein oder zwei Jahre, gegen Vergütigung von 8 pCt. Zinsen, gestattet werden.
Die Insel Swaln oder Solitaria. 171
Wo günstige Gelegenheit sich darbietet und das Interesse der Compagnie es
erfordert, soll ron den Südsee-Insnlanem neaes Areal erworben werden. Endlich
wird ohne Versog bei der britischen Begiemng beantragt werden, dafs dieselbe
die SoQTeriinitat über die Fidschi-Inseln aceeptire und gleichzeitig die erlangten
Rechte der Compagnie, sowie der früheren alten Ansiedler anerkenne. ' Konig
Ihakomban nnd die Häuptlinge haben auch daxn ihre Einwilligung gegeben.
Cebrigens ist man in Australien schon seit Jahren die englische Regierung
rergeblich angegangen, die Gruppe der Fidsdd-Inseln, wo durch die Missionäre
englische Cultur auf Kosten der Eingeborenen sehr rasche Verbreitung gefunden,
unter britischen Schutz zu stellen, zumal da die Franzosen (Neu-Caledonien,
Ufa, Oparo etc.) und die Amerikaner sich immer heimischer in der Südsee
Bischen. Jedenfalls ist es jetzt um die Selbstständigkeit der Fidschi -Inseln ge-
sehahen, denn entgehen sie den Amerikanern, so verfallen sie zweifellos der
obigen Compagnie, welche mit der den Engländern eigenen Energie, Aasdauer
md Colonisatiosbefähigung, unter Zuhfilfenahme von allerlei schriftlichen Docu-
menten, deren juristische Spitzen die Insulaner nicht verstehen, das noch Feh-
lende sehr bald nachholen wird. — ff. —
Die Insel Swain oder Solitaria.
In Petermanns Mittheilungen (1869. S. 44) beklagt sich Herr Grunde-
mann darüber, dafs ich in meiner Arbeit über die Tokelaugruppe behauptete, er
habe die Insel Swain des Kap. Hudson (Mendanas Solitaria), welche die Be-
wohner dieser Gegend Olosenga nennen sollen, mit der gleichnamigen der Gruppe
Manila in Samoa verwechselt. Ich habe das jedoch nicht gesagt; die Anklage
beruht auf einem Mlfsverständnifs, das ich aufrichtig bedauere ; ich kenne Herrn
Gnmdemanns Gründlichkeit aus seinem Missionsatlas zu wohl, als dafs es mir
jemals in den Sinn hätte kommen können, ihn eines solchen Versehens für fähig
za halten. Der Zusammenhang ist aber folgender. Wenn ich in der von Herrn
Gnmdemann dtirten Stelle (in dieser Zeitschrift Th. 3, S. 119, Anm. 3) sagte:
Herr Grundemann giebt als Namen der Insel an Olosenga, gestützt auf einen
Bericht des Missionar Bird; das ist jedoch der Name, mit welchem die Samoaner
eine der Manuagruppe bezeichnen, so habe ich, damit blt>Is meinen Zweifel gegen
die Richtigkeit der Behauptung Birds aussprechen wollen, dafs die Insel bei den
Eingebomen Olosenga genannt werde. Und diese Zweifel bestehen bei mir noch
jetzt; ich kann es nicht verstehen, dafs diese Menschen einem 12(X) FuTs hohen
steüen, vulkanischen Berge, wie Olosenga ist, nnd dem winzigen flachen Land-
fleckchen, der Mendanas Namen Solttaria mit dem vollsten Recht fUhrt, densel-
ben Namen gegeben haben sollen. Meinicke.
3 72 Miscellen :
" Marokko.
Ueber Prodacftion, Handel nnd Schifffahrt Marokko's schreibt ein daselbit
lebender Deutscher (Preufs. Handelsarch. 1869. No. 4fF.}: Der ergiebige Boden
vermag nicht nur eine mit der Gröfse des Landes im Verhältnifs stehende Be*
völlLerung zu ernähren, sondern wurde bei gehöriger Bearbeitung noch eines
erheblichen Ueberschufs zum Export gewähren nnd das Elend, unter dem gegen-
wärtig das Reich seufzt, in Wohlstand verwandeln. Von Getreidearten wird Wei-
zen am stärksten angebaut, doch eben nur so viel als zum Unterhalte erforderlich
ist; besonders günstig für die Cnltur desselben sind die sudlichen Provinzen Fem-
sua, Schi€dma, Dukkftla nnd Abda, welche in ungünstigen Jahren auch die nörd-
lichen Provinzen damit versorgen. Gerste, an Qualität geringer als die vom
Schwarzen Meere und Eg^pten, wird nur als Viehfutter benutzt; dieselbe würde
bei einer rationelleren Behandlung des Bodens unstreitig besser gedeihen. Haopt*
nahrungsmittel ist die Durrah, ohne welche in Jahren des Bfifswacbses die Be-
völkerung der Hungersnoth anheimfallen würde. Hülsenfrüchte werden erst seit
einigen Jahren angebaut und bilden, seitdem im Jahre 1855 Sultan Abd-el-Rah-
man die Ausfuhr gestattet hat, einen Hauptexportartikel. Reiscultur findet sich
nur in den Provinzen von Fez, wo die Ueberschwemmangen des Flusses Sebu
dem Anbau zu Hülfe kommen; von den Mauren wird jedoch dieser Kultur bis
jetzt wenig Sorgfalt zugewandt. Baumwolle war in Marokko bis 1856 ganz un-
bekannt; erst seit jener Zeit, wo das englische Konsulat in Tanger den Grund-
besitzern unentg^tlich Samen lieferte, ist der Baumwollencultur Eingang verschafit
worden, und steht zu erwarten, dafs die glänzenden Resultate, welche die ersten
Anpflanzungen geliefert haben, zur Nacheiferung aufmuntern werden. Zum Ta-
baksbau ist das Land durch die Fruchtbarkeit seines Bodens und seine klima-
tischen Verhältnisse wie geschaffen; dennoch ist der dort gebaute Tabak von
schlechter Qualität und der Consum desselben sehr unbedeutend, da der Maare
den Genufs des Khaschisch^s, eines ans getrockneten Hanfstengeln bereiteten nar-
kotischen Pulvers, dem Tabak vorzieht. — Oelbäume wachsen in ganzen Wäl-
dern wild in den Provinzen Mequenez, Mogador, Sus und Tafilct. In den süd-
lichen Provinzen kommt ein anderer Baum vor, welcher Argan genannt und nur
in Marokko gefunden wird. Er wächst ohne jede Pflege und bildet sehr dichte
immergrüne Wälder; ans seinen Nüssen bereiten die Mauren eine grofse Menge
Oel, welches reichlich den Bedarf des ganzen Landes deckt Ebenso grofs ist
der Beichthum an Orangen, welche in der Umgebung von Tetnan eine Höhe
von 35 — 40 Fufs erreichen. Auch der Weinstock gedeiht sehr gut, wird aber
nur wenig angebaut, weil der Islam die Weinbereitung verbietet. Die südlichen
Provinzen und besonders Sus besitzen unermefsliche Pflanzungen von süfsen und
und bitteren Mandeln. Femer ißndet man grofse Wälder von Dattel- und anderen
Palmen; in den Provinzen Lakha, Sus nnd Tafilet ernährt die Dattelpalme Men-
schen und Thiere. Dieselben Provinzen erzengen auch ohne Pflege verschiedene
Gummibäume und solche, welche Euphorbiumharz, Gummiarabicum und Sandrak
von ausgezeichneter Güte liefern. — Die Atlaskette ist mit unerschöpflichen Wäl-
dern von Eichen, Lärchen, Korkeichen, immergrünen Eichen, Tannen, Pistazien,
ferner einer Art Wachholder, Arar genannt, bedeckt. Die Eichen liefern Rinde
Marokko. 1 73
in gro&er Mei^ zu Gerberei, in ivelcher die Mauren Meister Bind. Die Ans-
fakr der Eiche ist Monopol der Regierung, Der Arar, aus wekhem Weihrauch
gemacht wird» und der eine Höhe von mehr als 40 Fufs erreicht, ist seines
harten, unTerwüstlichen Holzes wegen sehr geschätzt; doch hat die Regierung
die Aoafuhr und selbst die Ueberfuhrung desselben yon einem Ha&n des Landes
zum anderen yerboten.
Heerden bilden den Hauptreichthum des Landes > nnd unter diesen nehmen
die Schaf heerden die erste Stelle ein. Hammelfleisch wird am meisten gegessen,
und Arm nnd Reich tragt Gewänder aus inländischer Wolle ; dieselbe steht jedoch
bis jetzt der spanischen, englischen und deutschen nach, da die Einwohner sich
am Veredlung der Racen nicht kümmern) obgleich man In. wenigen Jahren das
kolossale Kapital, welches in den Schaf heerden steckt, Terdreifiichen könnte.
Unterrichtete Männer, welche in Algier eingehende Studien über die afrikanischen
Bacen gemacht haben, versichenii dafs das Merinoschaf ¥on Afrika nach Spanien
eingeführt wprden sei und dafs der Urtypns desselben noch in einigen Grenz-
districten am Rande der Wüste ejustire.
Ceber die mineralischen Bodenschätze Marokko's ist bis jetzt wenig bekannt;
was man von Gold • und Silberminen erzählt, beruht lediglich auf Vermutfaungen.
Die Regierung hat ans Furcht, der Reichthnm könnte die Trägheit und Unwissen-
hdt der Einwohner zum Besseren wenden oder die Habsucht der Christen an-
k>eken, alle Nachgrabungen bei Todesstrafe verboten. In den unabhängigen Pro-
vinzen fördern die Mauren auf einfache und kunstlose Weise Kupfer, Eisen, An*
timon nnd Salpeter. In der Provinz Tetuan hat man zwei Antimongruben auf-
gedeckt, die eine im Süden, in der Richtung, nach dem Rif, die andere im Nor-
den unweit Genta. Zwei maurische Cksellsehaften erlangten durch reiche Ge-
schenke, welche sie dem Sultan machtet, die Erlaubnifs zur Ausbeutung dieser
Gruben; die Arbeiten, wurden durch europäische Ingenieure geleitet nnd mehrere
Ladungen des Erzes gelangten zur Verschifung nach Marseille und England.
Aber sei es nun, dafs der Sultan anderer Meinung wurde^ oder dafs die Gesell-
schaft den zu überwindenden Schwierigkeiten gegenüber den Muth verlor: That-
sache ist, dafs ihr der Sultan zur Entschädigung für die auf das Unternehmen
bereits verwandten Kapitalien die Erlaubnifs zur Getreide -Ausfuhr ertheilte, und
daCi man die Förderung einstellte.
Mit Ausnahme vort Gerste und Weizen, deren Ausfuhr verbpten ist, kommen
alle bisher angeführten Landesproducte zur Ausfuhr. Vorzugsweise lebhaft ist
der Export der Wollen, doch dürfen die in den Seehäfen ansäfsigen europäischen
Kaoflente dieselbe nicht auf den Märkten des Binnenlandes kaufen, sondern
mnsaen die Ankäufe durch jüdische oder arabische Agenten ausführen lassen. —
Dem europäischen Handel geöffnet sind die Häfen Tetuan, Tanger, El -Arisch,
RabAt, Casablanca, Mazighftn, S&fi nnd Mogador. Tetuan dient, da der dort mün-
dende MartU selbst Bur Flnthzeit nur eine Tiefe von 6 — 7 Fufs hat, nur als
Hafen für Küstenfahrzeuge. Grolse Schiffe müssen auf der Rede Anker werfen,
wo Bie bei Ostwind, nicht liegen Ueiben können. Tanger mit seinem ziemlich
guten Hafen ist aber nur Inr lateinische Barken von 80 Tonnen zugangtich, wäh-
rend gröTsere Schiffe in der sehr geschützten Bai vor Anker gehen müssen. El-
^rlsch, an 4er Mündung des Lukkos; bietet. für Schifft bis zu 200 Tonnen einen
174 Miscellen:
sehr Bicheren Hafen; gröfBere Ffthnenge hingegen mfissen aofferiialb der die
ilafBmfindnng reisperrenden Baire ankern. Reb&t, an der Mfindong des Bn-
Begregf hat einen prachtroUen Hafen, der aber, wegen einer vor der Fliüamfindniig
liegenden Barre mit nnr 15 Fafii Wasser, fBr gröftere Bchiffe ToüstSndig nnpne-
ticabel ist Ohne diesen üebelstand würde Reb&t, bei seiner geringen Entfer-
nung von Fez, der wichtigste Hafenplats des Kaiserraches sein. Casablanea»
Maiagan treiben, obgleich an swei vor den Westfnnden nicht geschtttsten Golfen
gelegen, dennoch einen lebhaften Exporthandel mit Wolle und Getreide, ebenso
wie der Hafen von Sftfi. Der wichtigste Hafen ist jedoch Mo|;ador, das Empo-
rinm der südlichen Provinzen des Reiches nnd des nördlichen Central-AfHka'a
(vergl. diese Zeitschr. II. 1867. S. 470).
Was die Hauptstadt Bftarokko betrifi%, so verweisen wir anf eine Beschrd-
bung derselben, welche Mr. Paul Lambert im Bullet, de la Soe. de Cr^ographiu
(V* S6r. XVI. 1868. p. 490) so eben yeröffentlicht hat Der Verfasser dieser
Arbeit hat' während der Jahre 1863 — 68 in der Hauptstadt gelebt, und ist ea
ihm gelungen, einen ziemlich genauen Plan der Stadt zu entwerfen, wenigstens
in Bezug auf die Hauptstrafsen, Pl&tze und öffentliche Gebäude, während die
Beschreibung eigentlich wenig Neues bringt. Dieser Plan zeigt allerdings wesent-
liche Abweichungen von dem von Oapt Washington im Jahre 1830 gezeichneten,,
der auf Taf. I im VIH. Bde. der N. F. unserer Zeitschrift, 1860, reprodutirt
worden ist. Die männliche muhamedanische Bevölkerung wird anf circa 16,450
Seelen angegeben, imd zählt man zu dieser die Frauen und Kinder hinzu, sowie
die etwa 6000 Seelen starke jfidische Bevölkerung, so dürfte die Einwohnerzahl
etwa 50,000 erreichen. Die einstmals so bedeutende Industrie Hegt gänzlich
danieder, und nur die Gterber und Lederarbeiter, deren Zahl anf circa 1500 an-
gegeben wird, haben ihren alten Ruhm behauptet Cochenille, Rakahüt und die
Schale des Granatapfels werden zum Färben der Felle benutzt; die Einführung
des Fuchsin durch die Franzosen drohte aber jene Farbestoffle zu verdrängen>
wenn nicht der Gebranch des Fnchsin sofort verboten worden wäre. — r.
Die neuen StraXsenanlagen in der Herzegowina.
Nach einem Consularbericht unseres Consnls Dr. Blau in Serajewo ist in
der Lage der Herzegowina ein sichtUdier Fortschritt zum Besseren ericennbar^
vorzugsweise durch den von der türkischen Regierung eifrigst betriebenen Nenbaa
von fahrbaren Strafsen. Die wichtigeren von diesen sind 1) die seit 1863 fiihr-
bare Chaussee von der Hauptstadt Mostar nach Metkowi^ zum Ansehlulii an die
Dabnatische Heerstrafse. 2) Die in den Jahren 1867 und 68 gebaute Strafse
von Bilek nach Trebinje, welche von letzterem Punkte nach Ragusa weiter ge-
führt wird. 3) Die soeben vollendete Strafse von Mostar nach Ljnbnschki, welche
über Vergoraz nach Makarsa in Dalmatien flihrt 4) Die halbfertige von Mostsr
über Stolaz nach Kiek führende Strafse, welche die Berührung des Oesterrei-
chischen Territoriums vermeiden soll. 5) Die EEauptstraise von Mostar längs des
r .
Die neuen Strafsenanlagen in der Herzegowina. {75
KtrentA-'Iluües nach Konjits-, die eigentliche Verbindung swischen der Herze-
gowina und Bosnien. Zn ihrer Vollendung, welche wohl Anfang 1870 zn erwarten
flieht, bedurfte ea bedeutender fiflassen ron Arbeitskraften. Es galt nämlich dnich
die 4 — 6000 FoTs hohe, Bosnien von der Herzegowina trennende Bergkette eine
Fihntra(se herznstellen. Die Strafse zerfallt in zwei Sectionen, die nordliche
rra 8erajewo bis Koi^itz an der Narenta, die sfidliche ron da bis Mostar. Die
flfstere Section, 8 Meilen, welche bereits fahrbar ist, läuft, nachdem sie zuerst
1^ Meilen weit der Brooder Chaussee gefolgt ist, in das Thal der Zujerina bis
nach Fasari^ (2 Meilen), umgeht dann in westlichem Bogen die Vorberge der
Ivan-Flanina und steigt jenseits Tartschin aOm&lig das Gebirge hinan; wendet
flieh auf der Höhe (2 Meilen) in das Teschajnitze Thal hinüber und folgt dem-
selben 2^ Meilen weit bis nahe vor Konjitz. Der Pafs von Bradina wird in
einer Hohe von circa 2800 Fnfs fiberschritten. Die sudliche Strecke der Knnst-
stiafse folgt Ton Konjitz ab in der Hauptsache dem Narenta -Thale. Die Ter-
ninschwierigkeiten bestehen hauptsächlich darin, dafs die Strafse fast überall in
die Felsmassen gesprengt werden mufste» die das Strombette stellenweise in jäher
Hohe Ton 2 — dOOOFufs einengen, dafs femer die Pafshöhe des Jablanitza-Qe-
Mrges (1800 Fu(s) überschritten werden mufste, um den grofsen Bogen, den die
Nsrenta hier macht, abzuschneiden, und endlich thalabwärts yon da die Narenta
fweimal zu fiberbrücken. Die 4 Meilen von der Brficke über die Biela bis Mostar
sind fertig, am weitesten zurück ist die Strecke tou Koigitz bis Unter -Jabla-
nitxa, an der zwei Bataillone Infanterie und 5 — 600 Tagelöhner arbeiten. Es
steht fest, dafs dieses Strafsennetz für die strate^sche Beherrschung und die
commerzieUe Entwickelung der Provinz von unberechenbarem Nutzen sein wird;
schon jetzt weist der Aus- und Einfuhrhandel bedeutend höhere Ziffern auf als
ror wenigen Jahren, und überall hat sich die Bodenkultur und Productionsfähig-
kdt des Bodens wesentlich gehoben. — r.
Ban in der Colonie Victoria aufgefundenes Eohlenlagen
Ein ansgezeichnetss Spedmen bituminöser Kohle» im Gewichte von einer
balben Tonne, welches aus einem zwischen Cape Patterson und GrifBth's Point
(Western Port) in Victoria jüngst entdeckten Kohlenlager genommen war, kam
m April Torigen Jahres in Melbourne zur öffisntlichen Ausstellung. Das Lager
i>ir kun suTor durdi Zufall von einem Sdiäfer, Namens James Cavan, welcher
mf der dort gelegenen Station eines Mr. Godfrey im Dienste steht, aufgefunden
Verden.') Derselbe wollte nämlich fischen gehen und um sich einen weiten
') Die australischen Schäfer, unter denen, beiläufig bemerkt, der Adel und
MiaDer von Bildung reichlich vertreten sind, weil solche Leute selten für eine
jonge Colonie etwas taugen, sind schon Öfters die Entdecker wichtiger Minerallager
geworden. So wurde z. B. die ausgezeichnete Moonta Kupfermine auf Torke's Pen-
iasida in Süd -Australien, welche durch ihren enormen Beichtham die bedeutendste
der Erde ist und bisher im Stsnde war, regelmäfsig jedes Quartal eine Dividende
17$ Kleinere geographische Mittheilungen.
Umweg zn erspareOf beschloß er, den Felsen binnntermUettem, mtechte aber,
beyor er noch den Boden erreichee konnte, tau und fiel« gleyishccitig «ne grofiM
Masse Erde nnd Steine mit sich fortreilsend. Der Mann kam glücUidifirwdse,
ohne irgend welche Verletzungen zu erleiden, mit dem blofsen 6<diredcen daTcn,
und als er sich die Strecke seines geföhrlichen Falle» besah, war er nicht wenig
überrascht, dafs ;er in der Höhe von etwa 25 Fnfs ein ans dem Felsen henror-
tretendes, durch das QeröUe freigelegtes Kohlenlager bemerkte. Auf gescheheae
Anzeige davon wurde der Ort sorgfältig untersucht, und es eingab siich, da(a eine
Kohle von ganz vorzüglicher Qualitiit dort lagere. Die Mächtigkeit decselben
beträgt da, wo sie am Felsen sichtbar wird, zwei FuA zwei Zoll and wweiteit
sich in der ungefähren Entfernung von 200 Fnfs landeinwärts zu swei Fuüi vier
ZolL Die Bearbeitung dieser höchst werthvollen Mine steht schon in nächster
Zeit bevor. Uebrigens hat das ganze dortige Terrain entschieden das A%BsebeD
eines sehr ausgedehnten Kohlenfeldes. — Die Kosten des Transportes vom Lager
aus nach dem Bass River werden auf 6 s., und von da weiter nach Melbourne
auf 7 s. pr. Tonne zu stehen kommen. — ff. —
Kleinere geograpMscIie MittheilmigeiL
Auswanderung aus den Häfen Bremen, Hamburg, Antwerpen
und Liverpool im Jalire 1868. Es wurden befördert: Von Bremen
direct: nach New York 36,279 Passagiere in 64 Dampfschiffen und 15,461 Pass.
in 62 Segelschiffen; nach Baltimore 5558 Pass. in 23 Segelschiffen und 5028 Pass.
in 10 Dampfschiffen; nach Quebec 1673 Pass. in 5 Segelschiffen; nach New
Orleans 834 Pass. in 9 Segelschiffen und 264 Pass. in 2 Dampfschiffen; nach
Galveston 856 Pass. in 8 Segelschiffen; nach Charleston (Süd - Carolinü)
278 Pass. in 1 Segelschiff; nach Montevideo nnd Buenos -Aires 51 Pass. in
1 l^egelschiff; es wurden also von Bremen in 169 Schiffen 66,272 Pass. be-
fördert. — Von Hamburs direct: 43,628 Pass. und indirect über HuU uad
Liverpool 6422 Pass., im Ganzen 50,050 Pass. — Von Antwerpen direct:
1528 Pass. und indirect über Liverpool circa 3000 Pass., im Qim^en 4528 Pass. t
Von lilwerpoel (unter der Acte) 111,367 Pass. und in kurzen Schiffen
8306 Pass., im Ganzen 119,673 Pass. Die Gesammtanswanderung auf obigen
Häfen beträgt mithin 240,523 Personen.
Nach den amtlich veröffentlichten statistischen Mittheilungen {Norges offi-
cielle Statistik, udg, i a. 1868) über die Volkszählnng in Norwegen betrag
von 100 pCt. zu vertheilen, ebenfalls von einem Schäfer, Namens Bradj,. vor.lO Jah-
ren aufgefunden. Der gute Mann hat sich aber darüber sehr bald, in Brandy to.
Tode getnmken.
r
Ekdaen giogi«|piiisdit Mblh«il«igM.
m
Bmmmnmg «i L Jomuur 1866 1,701,7M 8a<l»n, im Mire 1855 1,490,047.
fliaatoaMO Amt
Obiiiluiis
wUk nack Aemlem:
. . 98,863 Biaw.
. . 107,422 -
. . 57,382 .
. . 120,442 -
• • 124,980 -
. • 99,275 -
85,432 ' -
JuUberg- und Laurrik
Bntsbei^ 82,037
Badraaes 68,052
Lisler* and Mandal . 73,785
Stavangar Amt . . . 104,868 Eisw,
Slidl. Bergenhai . • 113,406 •
Bargea 27,703 •
N5rdi. Beigenhas • . 86,803 -
Bomsdal 104,362 -
Sftdl. ThroDdljem . . 109,123 -
Nördh Throndhjem . 82,489 -
Nordland 89,668 -
Flnmarken .... 65,667 -
Baf^nmonfO in OMrra JMtnjL Harm. r. Seblaghitwait bezaiolmet in
dem 80 oben enchienanen 1. Bande seiner Reiaen in Indien und Hoebasien (8. 528)
diB Menge der NIedenchläge, welche während der von Mitte Mai bis Ende An-
gast oder Anfang September anhaltenden Regenseit in der 4125 Fnfs hoeh auf
dmi oberen Rande des Steilabhanges des Kh^sia- Gebirges gelegenen Station
Ch^rra Maji fallt als die gröfste bis jetat auf dem Erdkreis beobachtete. Die-
selbe betragt daselbst nach mehrjährigen genaoen Anfteichnnngen 600^620 Zoll.
lUr das I>^khan wird das anf der Kante der westlichen Ghatkette gelegene Ma-
hibal^hTaar als der regenreichste Ort genannt, wo die ndtüere Regenmenge nach
mahrjähiigen Beobachtungen 254 Zoll beträgt, während sie im dstliohen Hhna-
Uya nur 100 — 180 Zoll erreicht. Wie in Mahabal^hFar, ist auch in Ch^rra
Pdnji die Ursache localer Regenanhäufang dem Widerstände von Gebirgsmassen
gegen die horisontale Fortbewegung des Windes anansehreiben. Längs des Kam-
■es des Ohata bietet der westliche Abhang dem Monsdn den ersten Widerstand»
der eine Bichtong des Lvftstromes nadi anfvrärts aar Folge hat, nnd da warme
ieadtte Lnftströme, je rascher sie in höhere nnd etwas kältere Regionen auf-
steigen, destomehr an ihrem Wassergehalt durch RegenCall verlieren, wird die
grolse Regenmenge auf dem Rande der Ghats erklärbar. Ebenso wird im Kh^ssia-
Gebiige die horixontale Richtung des Windes durch die Steilabfälle des Gtebiigei
vctt ihrer Bahn abgeleitet. Mit den Lufbonassen zugleich wirbelt auch ihr Dampf-
gehalt an einer grofseren Entfernung tou der Oberfläche empor und wird dadurch
so well abgekühlt, dafs nun jene ungewöhnlich grofsen Niederschläge eintreten,
«ie sie in Europa für die Alpen an Tolmeezo (96 engl ZoD), für Norwegen an
Beigan (88,7 Z.), für Portugal zu Coimbra (118,9 Z.) stattfinden.
Herr G. Bohlff schreibt uns am Tripoli (8. Februar 1869), dafs er wider
Erwarten zwei Monate in Tripoli hat zubringen müssen, da der Abgang der Gafla,
welche die Geschenke des Königs von Frenfsen an den Sultan ron Bomn mit-
nndmien bestimmt ist, sich bis zum 14. Februar verzögert hat. Dr. G. Nach-
tigal, welcher bisher als Arzt in Tunis gelebt hat und den Lesern unserer Zeit-
schrift durch eine Mittheilung über ein Erdbeben in Tunis am 14. Sept. 1863
(Z. f. allg. Erdk. N. F. XV. 1863. p. 359) bekannt sein dürfte, wird die Geschenke
nadi Knka überbringen nnd beabsichtigt, von dort später weiter nach Süden vor-
XtlUchr. d. CkstUsch. f. Brdk. Bd. IV. 12
178 Klaiiian g«ogrftphi«ehe IfittheilugttA.
codriicnL Bolllii^ tr«toh«r aai 15. Fobmar m Sduff» nadi Be^gkaii av^Bbio»
eben ist, hat die Zeit seiner unfreiwilligen Mni^ in Ansiiten nadi den Eufcnm
rofi Sabnitn nnd Leptjs magna banntet, nnd an letalerem Orte eine Amalil pbe-
togzaphlacbar Anfpahmen gemaeht, lieber ITrünleiA Tinne schreibt er vl 9Uj dala
dieselbe mit einem Train von 76 Kameelen nach Beni Dlid anfgebrodieB ad«
Rohlfs besweifelt aber sehr, daA sie mit einem solchen Gefolge, walehea aoa
zwei HoUändem, einem Dentscben nnd einer Menge von Araberinnen imdN»*
gerinnen» lanter nnnntaen Snbjeoten, besteht, mit heiler Hant Bomn wird erreielMB
können.
Nach dem iwisehen den Vereinigten Staaten and der Begiemng Ton Colnaa-
bia (Neu -Granada) abgeschlossenen Vertrage erhalten erstere das anaschlieAfiche
Recht, den Ilthmilt TOÜ Darian an einem beliebigen Punkte behnfS H0I^
•tellimg emei intorocaaiiiseheii Xanala i« dnrohttadidn. Die eoiom-
bische B^emng tritt 6 Meilen Landes zu beiden Seiten des Kanals, deaaeii
Kosten anf 10 Millionen Dollars yeranschlagt sind, ab, eibalt daffir wShrend der
ersten 10 Jahre lOpCt. des Nettoeinkommens nnd, nachdem die Koeten de«
Kanals gedeckt sind, bis znm Ablauf des anf 100 Jahre lautenden Charters,
25 pCt. des Beittgewinnes« Der Vertrag muTs ron den Vereinigten Staaten inner-
halb 10 Monate ratificirt, die Vermessung vor 2 Jahren nach erfolgter fialificatioii,
nnd der ganze Kanal Tor Ablauf von 15 Jahren vollendet sein; im andern Falle
erlischt der Charter. Die ControUe des Kanals fallt den Vereinigten Staaten so.
Wahrend Fdedenszeiten soll der Kanal allen Nationen offen stehen, im Falle
eines Krieges aber den kriegführenden Mächten geschlossen sein.
Der WeiAbaa in MiMOnri macht bedeutende Fortschritte. Es hat sich
eine Gesellschaft gebildet, die sogenannte Blufften -Company, um anf Actien uid
mit einem Kapitale von 150,000 Doli, ein Weinstädtchen am linken Ufer des
Missouri zu gründen. Die Mitglieder können dort als Weinbauer und Geschäfito-
leute sich niederlassen, oder auch zerstreut im Staate wohnen, während die Ge-
sellschaft selbst an Ort und Stelle eine grofiie Weinbau -Musterwirthschaft er-
richtet hat und unterhält, eine Weinbau -Zeitung heransgiebt und für eine grofse
.Weinniederlage in St Louis gesoxgt hat. Hier sollen die Weine zur höchsten
Vollkommenheit und dann von hier aus auf den Markt gebracht werden zu sol*
chen Preisen, dais man die fortdauernde ungeheuere Importation dennoch nicht
zu fürchten hat. Schon jetzt kann man dort ein Dutzend Arten ganz verachi^
dener Weine antreffen, wie sie das dortige Klima liefert, alle aufs Sorgfältigste
behandelt und vortrefflich nach ihrer besonderen Weise« (Deutsche Answande-
rungs- Zeitung aas Missouri. 15. Juni 1868.)
Im April 1868 erschieu in Adelaide eine von Mr. W. Owen entworfene
und von Mc Bolton in Melbourne litfaographirte Karte VOD. Süd-Austrar
lien in der Dimension von sechs Fufs bei vier Fufs sechs Zoll und nach der
Scala von zwölf Miles auf den Zoll. Die Städte, Fleken, Chausseen, Vicinal»
wege, Eisenbahnen und Telegraphenlinien sind genau verzeichnet und die Gren-»
zen der Counties durch besondere Farben angezeigt. Das Northern Territory ist
r
Kleinere geogfmpbische Mitlheiltingen. f 7f
te IhlMibe ton 40 lülei saf den Zoll dargestellt, die Retnltate der dortigen
Biplomlionett neoetten Dataina sind mit allen geographisefaen Besonderheltett
djesor interessanten Gegend anfs sorgflUtIgste aufgenommen nnd die Kfistenlinie
iit idiarf markirl Die ganse Arbeit maebt dem Kartographen wie dem Lifho«
graphen alle Bhra nnd Terdient hiermit bestens empfohlen sn werden. Was wir
iDeiii Termissen, ist die wohl mehr sofiUlge Auslassung einiger Telegraphen«
BmeSf welche schon Tor etlichen Jahren angelegt wurden, sowie die nicht ge«
Mbehene Andentang einer oder zweier Eisenbahnen, die in neuester Zeit in Ar*
bdt genommen sind. — Eine andere, ebenfalls in Adelaide im Mars vorigen Jahres
peblieirte Karte Süd-Australiens ist f\u8€iPa New Squatimff and Oweral Map of
SoKtk AnüraHa. Selbige empfiehlt sich durch grofse Genauigkeit , sumal durch
die besondere Auflnerksamkeit, welche den Squatting Rüim erwiesen wird.
— ff.—
Gold«zport aus der Colonie Victoria. Im Jahre 1868 wurden ans
dar Colonie Victoria 1,937,760 Unzen Gold ezportirt, welche den Werth von
514 Bfillionen Thaler repräsentiren. Im Jahre 1867 erreichte der Export die
Höhe Ton 1,788,423 Unzen, mithin 204,338 Unzen weniger, als im Jahre 1868*
— ff.—
Neuere Literatur.
Reisen in Indien und Hoehasien. Eine Darstellung der Landschaft, der Cultnr
und Sitten der Bewohner in Verbindung mit klimatischen nnd geologischen
Veihiltnissen. Basirt auf die Besultate der wissenschaftlichen Mission von
Hermann, Adolph undBobert t. Scblagintweit, ausgeföhrt in den
Jahren 1854 — 56. Von Hermann t. Schlagintwelt-SaküDlflnski«
Bd. L Indien. Jena (Costenoble) 1869. XVm, 568 8. gr. 8.
Zehn Jahre sind Teigangen, seitdem die beiden Ueberlebenden der drei mit
einer wissenschaftlichen Mission nach Ostindien betrauten Brüder t. SchlagintweiC
mit Huren reichen, fttr Geographie, Ethnographie und Naturwissenschaften gleich
wichtigen Beobachtungen und Sammlungen nach Europa zurückgekehrt waren.
Fttr die Publication dieses wissenschaftlichen Materials wurden neun B&nde Text
md ein auf 120 Tafeln berechneter Atlas bestimmt, von denen bereits vier Quar-
tuten, welche die astronomischen und magnetischen Beobachtungen, die Hypso-
metrie, die Topographie des westlichen und nördlichen Hindostan nebst einem
phiblogischen CHossar geographischer Namen und die erste H&lfte der meteoro-
logischen Beobachtungsreihen, endlich 43 Tafein des Atlas in englischer Sprache
wfer dem Titel „/2e«u/to of a Scientific Mission to India and High Asia etc." ent-
halten, erschienen sind. Die Kostbarkeit einer so grofsartig angelegten Publication,
welche mit ihren bis ins Minutiöseste ausgeführten Specialforschnngen doch immer
Bor auf einen beschränkten Leserkreis zu rechnen haben dürfte, liefs es aber wfin-
sdienswerth erscheinen, den Gang der Heise und die auf ihr gewonnenen BesnI-
12*
|gQ Nwera Idtemtair:
mto im mnu ittMniolitttch«ii nad haadlicheren Form ma «riiftltML Dar
iHiet foldMii chionologiaGh-detcriiitiTeii EeiMberiditiy welcfatr im den tafing^üfitai
Fkn der PabUoAlioa«ii fireUich nichl mit wifge&ommMi war, Imfc neh Herwiim
T. Sehlagintweit uitenogMi, «tne Arbeil, welche dnieh die geschickte Behendhng
dee Stoffes, sowie durch du richtige MaTs and die Auswahl der BeobachlmgeD aish
gewifs der allgeaseinen Anerkeunmg an erficeaen heben wird. Unähnlich Tiden
aaderen Reiseberichten, in denen gewöhnüdi die Eriebnisse von Tag an Tag ver-
aeichnet an werden pflegen nnd avaammengehörige Beobachtungen nicht aelien
getrennt werden« ist hier der Stoff über grofse geographische Gebiete gruppixt md
homogenes Material au einem Gesammtbilde sosammengesogen, eine Behnndlnni^
weise, welche schon deshalb geboten schien, weil die Brttder selten gemeliiina
ihre Forschungsreisen unternahmen, sondern das Beobachtnngsterrain gleiehsaB
unter sidi getheilt hatten. Aus diesen yerschiedenen, von rerschiedenen Himmeb»
richtungen auf geographisch susammengehörenden Gebieten angestellten For-
schungsreisen wurde ein für die physicalisch^geographischen YeriittlDiiaey sowie
Ar die Ethnographie wichtiges Besum^ gewonnen. Das vorliegende Werk lietet
nns deshalb so au sagen grofse landschaftliche, ethnographische nnd natnrwiaaen-
schaftliche Charakterbilder, ans denen die eigentlicfaen Boutlers nur hie und da
wie dünne Fäden henrorschimmem, alle jene „persatuU Adoentwrei'^ aber, mit
denen Reisende so häufig auf die Phantasie der Leser speculiren, und an denen
es unseren Reisenden gewifs auch nicht gefehlt haben wird, yoUkommen in den
Hintergrund treten. Das Buch ist eben ein streng wissenschaftliches, in dem aber
Alles in einer allgemein verständlichen und ansprechenden Form gegeben wird, und
in dem Überall das ernste Streben, die an die Verfiuser gestellte wissenschaftüidie
Aufgabe zu erfüllen, sich kund giebt« So wird uns gleich au Anfang auf der
Ueberiandstour von Southampton nach Bombay, statt der gewöhnliehen Reme
Über die Schiffseinrichtung und die Passagiere, eine Anzahl physicalisdier PUL-
nomene erläutert: auf dem Mittelmeer das durch Infusorien bewirkte Meeres-
leuchten, inünterägypten die durch Luftspiegelung hervorgerufene Sinnestäuachnng,
wie solche in den indischen Wüsten wegen der Temperatnrschwanknngen kein
Analogen findet Im 2. Capitel erhalten wir zunächst eine detailllrte, lebensfriadie
Sohildemng von Bombay und seiner Bevölkerung, sowie von den kleineren Inaein
mit ihren berühmten Tempelgrotten. Während uns bei Bombay vorangsweis^ die
Charakteristik des Bildungsgrades der Eingebomen interessirt, verdienen bei der Be-
sohreibung der Grottenbauwerke auf der Insel Elephanta die Bemeikungen besonders
hervorgehoben an werden, wie diese Höhlentempel mit geschickter Benutzung der
geologischen Structur der Felsen aus dem festen, basaltähnlichen Eruptionsgestein
ausgearbeitet worden sind. Leider haben diese Monumente unter der mnthwilli-
gen Zerstörungssncht der Besucher sehr gelitten. Hieran reiht sieh eine Vege-
tationsskiaae dieser Gegenden, welche sich voraugs weise auf die verschiedenen
Pafanen beschränkt — Zu Ende des Jahres 1854 war die Ausrüstung der Brüder
snr Landreise beendet, welche zunächst mit der Ueberscbreitung der teirmsaen-
förmig aufsteigenden Ghidinie nach dem als Sanitarium und Gamisonsplata wich-
tigen Püna begann. Interessant sind hier die Beobachtungen über die nngleidie
Vertheilung der Regenmenge in diesem Theile des D^khan. Während dieselbe
in Pdna 25—40 Zoll nnd an den übrigen Stationen 20—30 Zoll beträgt, steigt
EL, A. und B, Schlagiatweit: Beisen in Indien und HodiMien. lg|
in dem nicht entfernten, auf dem Kamme der Obits geleg;enen Dorf«
Mahabal^hTar auf 254 Zoll, hingegen in dem nur 4 Miles, gleichfalls auf dem
des Gebirges gelegenen Malcolm-Pet anf 170 Zoll. Von hier folgten die
der StnUse über Pnrandhir, Sattfra nacff Anapnr, dnrchkrensten das
UmI der Ktjshna nnd Terweilten Behofs magnetischer Beobachtnngen längere
Zeit ia Kalidghi. In BelUri, einem der Hanptorte des durch den Vertrag von 1800
dem Nizam von Haiderabid an die Engländer abgetretenen Districts, trennte
Adolph Yon seinen Brüdern znr Untersnchang der Diamantdistricte Ton KA«
dapa, während diese sich in südlicher Bichtnng über Bangalür nach Madras
umndten. Bei der Beschreibung dieser Stadt wird anch des gemeinschaftlichen,
periodischen Aoflenchtens der Lampyrideen, gefolgt von einer ebenfalls gemein-
sefaaftitehen Unterbrechnng des Lenchtens, gedacht, ein Phaenomen, welches lange
aagesweifelt, aber durch neuere Beobachtnngen in den Sumpfiiiederungen des Ira-
vaddi-Deita vollkommen bestätigt worden ist — Anfang Mars 1855 schifften sich
die Reisenden nach Calcntta ein ; die Beschreibung der Reise im Gangesthal folgt
jedoch erst in späteren Abschnitten, während sunächst zur VenroUständigung
des Gesammtbildes des D€khan die Reisen in der Halbinsel sich anreihen. Nach
einem Ezcnrse über die geologischen Verhältnisse des D€khan, in welchem das
charakteristische Auftreten der Trappformation, sowie der Diamanten eingehend
erörtert wird, führt uns das 4. Capitel in die östlichen Gebiete Central - Indiens,
dvrch B^ndelkhind und die Gondväna-Plateaux , welche im Winter 1855|56 Ton
Adolph and Robert, nach ihrer Rückkehr aus Tibet und den südlichen Theilen
des Himalaya, besucht wurden, zuerst bis S&gar gemeinsam, dann getrennt, indem
Robert über NSrsinghpur im Narbädathale nach J&blpur, dann durch die Gebirge-
legionen des Gonds oder Sohigpur und Rüna nach Allahab£d zog. Besonderes
Imeiesse gewährt auf dieser Tour seine Beschreibung der noch von wenig Rei-
seaden besuchten Plateaux-Gebirge von Malva, der Hauptwasserscheide für Central*
bdlen; nur unter grofsen Schwierigkeiten gelang es ihm, sich einen Weg durch
die Wildnisse zu bahnen, wo überdies die Ungastlichkeit der Gebirgsstämme, der
G<nids, Kols und Bhils, die äufserste Vorsicht erheischte, und den heiligen Qnell-
teiefa des NlSrbAdy, Panch-Kund genannt, zu erreichen. Adolph hatte unterdessen
dueh Mdlra nnd Berir seinen Weg in südlicher Richtung nach dem Godtfreri-Deha
sa der westliehen Küste des bengalischen Meerbusens genommen und auf diesem
die durch ihre GrÖfse und ihren Handelsrerkehr wichtige Stadt N6gpur besucht,
welche mit ihrem Gebiete als die eigentliche Kornkammer für D4khan angesehen
werden kann; jedenfalls würde Central-Indien im Stande sein, weit gröfsere Massen
Ton Getreide zn produciren, wenn nicht die Baumwollencultur gegenwärtig so
grefse Landstrecken in Anspruch nehmen würde. Ueber das an der Spitze des
Godlkveri-Delta gelegene Rajamandri gelangte der Reisende znr Meeresküste, wo
er si^ bei dem im Anfblflhen begriffenen Hafen Kokonäda nach Madras ein-
s^fito. Von hier braeh derselbe Ende Februar 1856 auf, g^ng über Pondish^rrl
nd die Anslänfer des östUohen Ghäts nach den ihrer Tempelbanten wegen be-
lihmten Inseln Seringbam nnd Kaveri nnd der Stadt Trichindpoli, richtiger ge-
s^iiebea TrichinapÜM. Die Nilgiris, über deren Charakter und Bewohner wir
Mtr so manches Nene erfhhren, haben in neuerer Zeit durch die auf ihren Höhen
geiegeneB Sanitarien für die Europäer eine besondere Wichtigkeit erhalten. Die
182 Neuere
drei wichtigsten dieser Stationen sind: Uta-Kamiad 7490 FoTs hoch, Koteq^^rri
6100 Fofs und Wellington bei dem Dorfe JakattflU, 5860 FuHb hoch gelegelk;
ftUfser diesen sind noch Sirlu 3500 Fofs, Jakuniri 5000 Fnfs und Kanür 5360 Fofii
hoch für die Anlage von Saflitarien in Vorschlag gebracht MeteorologiadKe «ad
geologische Bemerkungen über Ceylon, welches Robert und Hennann in äma
letsten Jahre ihrer Reise besuchten, bilden den 8chlu(s dieses Abschnittes.
Nachdem mit diesen Ezcnrsionen die Beschreibung der eigentlichen vorder^
indischen Halbinsel ihren Abschlufs gefanden hat, wendet sich der Verf. der
Präsidentschaft Bengalen su, wohin sich ja bereits im Frül^ahr 1855 die Brfider
Ton Idadras aus gewendet hatten. Hier bot Calcutte zunächst viel Anziehendes,
und werden hier so manche Punkte berührt, welche, wenn auch eigenüich nur die
persönlichen Verhältnisse der Reisenden betreffend, doch auch von allgemeinerem
Interesse sind. Recht geeignet war es auch, hier auf die Eigenthümlichkeit der
Transportmittel in Indien, die Reisen auf dem Elephanten und im Pälki (PaUnkin)
näher einzugehen, indem dadurch so manche sonst unvermeidlichen Wiederholungen
▼ermieden worden sind. Es folgen nun zunächst Hermann's Bootfahrten durch das
von dem weitverzweigten Flufsnetz des Ganges bewässerte Ost-Bengalen, deren
Fortsetzung östiich nach Assim hin einem späteren Abschnitt vorbehalten bleibt»
während hier zunächst der Besuch der westlichen Theile der Präsidentschaft folgt,
der uns eine reiche Belehrung über den landschaftlichen Charakter, sowie
über die Cnltur des Indigo, Opium und Hanf liefert. Besonders möchten wir
speciell auf die Erosionstheorie und Deltabildung aufinerksam machen, deren
EntWickelung, hier speciell auf die grofsen indischen Flüsse angewendet, beige-
bracht wird. Ebenso aber, wie alle Momente hervorgehoben werden, aus welchen
ein Gesammtbild für die phjsicalische Geographie Bengalens und Hindostäns au
gewinnen ist, erhalten wir auch in den Schilderungen der Städte Patna, Benlures,
AUahabad, Lakhnäu, Agra, Ddlhi und der Militärstation Sahiranpur eine Charakteri-
stik der Bewohner. Der Verf. sagt: »Das Bild von Hindostän in seinen Städten
und Monumenten zeigt sich bestimmter als in jedem andern Theile Indiens als
das Resultat der sich bekämpfenden Culturstufen der EUndüs und der Mussalmans.
Europäischer Einflufs macht sich hier fast nirgends noch fühlbar; der Umstand,
dafs das Hindostini als die vorherrschende Sprache des Landes hier uberaU sieh
erhalten hat, hat darauf wohl ebenfalls bedeutenden Einflufs.* Nicht unerwähnt
lassen möchten wir hier auch die historischen Notizen über den Bau des 310 Miles
langen Gangescanal, dessen gegenwärtigen Zustand und hydrographische Ver-
hältnisse, welchen derselbe seine Entstehung verdankt; Notizen, die, wie wir
glauben, in keinem deutschen Werke bis jetzt so vollständig gesammelt sind.
Cap. Vni. enthält die Touren durch das Paigib, welches in der Boden-
beschaffenheit seines südöstiichen Theiles sich nicht wesenüich von Hindostin
unterscheidet, während gegen Westen die Trockenheit der Luft sowie des Bodena
annimmt. Das Klima nimmt zugleich einen mehr extremen Charakter an, mit
grölserer Kälte im Winter, aber auch bedeutend gröfseier Hitae im Sommer.
Wohl bebaute Uferländer mit wechsehider Breite ihrer ertragsfähigen Strecken,
auch dicht bewohnt auf diesen Strecken, aber unter sich meist durch Sendet^
pen getrennt, die gegen Süden zu ausgedehnten Sand- und Felsenwüsten werden,
dazu die einige Wochen nach dem Beginn der heilsen Jahresaeit beginnenden
H^ A. und B. Schlagintweit: R«lf«a in Indien und Hochasien. f B3
Sttwlwtarai«» das sind die landschaftlichen Eigenthümlichkeiten des westlichen
Mit der Untennehang des nördlichen nnd westlichen Theiles dieses Landes
war Adolph betrani, der sich in Raolpindi, leider anf Nimmenriedersehen, von
aeinen Bridem trennte. Eine Znsammenknnft Sir John Lawrence's mit Dost
Mohammad, dem Emir von Kabnl, anf der Ebene zwischen Peshaner nnd dem
Khüberpafs gew&hrte durch den Zosammenflufs der verschiedenen Nationalitäten
«in reiches Material för die ethnographischen Samminngen, wahrend fBr die Geo-
logie ein Besuch des Salzgebirges, welches sich von den südöstlichen Ausläufern
des Hindnküsh bis an den Jhflunflufs hinsieht, von grofsem Interesse war.
In diesem Gebirge lagern colossale Mengen von Steinsalz in gröfster Reinheit;
in dem westliehen Theile tritt es in so grofsen Flächen zu Tage, dafs gerade
längs des Laufes des Indus ganze Wände und Wälle von Salz sich zeigen. —
Hennann zog von Raulpfndi über den Jhflunflufs durch das Jech- nnd B^chna-
duäb nach Lah<$r, welche Stadt mit der grofsen Zahl ihrer monumentalen Ge-
bäude ans der Zeit des Islams einen gewifs noch vortheilhafteren Eindruck her-
vorrufen wurde, wenn dieselben nicht von den Sikhs arg beschädigt worden wären.
Bangit Singh war es, der von hier eine grofse Menge Schätze nach Amrftsar,
der nenen Hauptstadt des Sikhsreiches, schaffen liefs, welche im J. 1864 bereits
1^0,000 Einwohner zählte und nicht nur der gröfste Markt des P^njäb, sondern
aach eine der ersten Handelsstiidte Ober- Indiens geworden ist. Den sndwest-
lidien Thetl des Pinj&b endlich, sowie die Provinzen Sindh, KSch und Gijr&t
durchwanderte Robert Diese drei Provinzen sind der ungünstigen Bodenverhält-
nisse die am wenigst dicht bevölkerten der ganzen indischen Halbinsel, indem
hier anf die deutsche Q Meile nur 700 Einwohner kommen, auf der indischen
Halbinsel hingegen 2636 E. Nach statistischen Erhebungen zählt Sindh auf einer
Oberfläche von 54,403 QMUes.nur eine Bevölkerung von 1,795,594 Seelen.
Ueber die klimatologischen Verhältnisse der Indusländer war es möglich, ausführ-
liche Beobachtungsreihen von 25 dem P^igab und von 15 zum grofsen Theil be-
reits der Tropenzone angehörenden Stationen zu geben; und aus diesen hat der
Verf. uns ein höchst anschauliches Bild der Temperaturverhältnisse nnd ihrer Ur-
sadien f&r die oberen nnd unteren Indnsländer entworfen.
In den beiden letzten Abschnitten dieses Bandes werden wir in die östlichen
Theile Vorderindiens versetzt, in das auf beiden Seiten des Brahmaputra sich
ausdehnende Assäm, ein Gebiet von geringer Verschiedenheit in seiner Terrain-
gestaltang, in dem Hermann den Winter 1855/56 zubrachte. Von Gohätti, der
Ehnptstadt dieser Provinz, wurden verschiedene Jagdexcursionen untemommen»
sodann eine Tour nach dem am Fufse des Himälaya gelegenen Üdelgür und nach
T^nr, dem Sitz der indischen Oivilbehörde über den District Däriing. Dorthin
war hn J. 1824 durch die Bemühungen Bobert Bmce's der im Gebiet der Sing-
phos wildwachsende Theestrauch verpflanzt worden, und hat seitdem die Cnltnr
dieser Pflanze die erfreulichsten Fortschritte gemacht. Von T^pur unternahm
der Verf. anf einem Dampfer eine Flufsfahrt stromaufwärts, welche trotz ihrer
Langsamkeit, da mit dem Einbruch der Nacht jedesmal geankert werden mufste,
f&r die Einziehung von Erkundigungen und Beobachtungen am Flufsnfer sich als
höchst forderlich erwies. Bis Dibrughir dehnte sich diese Flufsreise aus, welche
]84 H«Mf« Litontv:
TOD da rückwärts in fleidber Weis« «mgeAlin wurde. Ak Fhickt dieser Beiae
erhalten wir ninSchet eine detaiUirte Beichreibnng der hydrogrephifchen Veriiil^
niste dtB mittleren Brahmaputra sowie des oberen Ir&vadi, dann eine Zosaaunen-
iteUnng der klimatischen YerhiltDisse Assams nnd schliefslich die Uaterviiehui*
gen fiber die Bewohner dieses Landes, welche sn •}• der Berölkernng SMia Hindna
bestehen, nnd die sich bis jetst jedem Einflols des Islams verschlMsen haben»
Bei dieser Gelegenheit giebt Emil von ScUsgintweit eine recht durchdachte Ent-
Wickelung ftber die Entstehung der indischen Kasten, £nr welche, weaigstens in
Besug anf die sweite Einwanderung arischer Stämme, die Traditionen in den liei»
ligen Büchern der Inder, vornehmlich das Gesetzbuch des Mann, einen festen
Anhalt bieten. — Eine Beise in das Khasaiagebiet, welches einen Theil jener
Gebifgsländer bildet, die sich in ununterbrochener Reihe in einer Lange Toa
500 nnd einer durchschnittlichen Breite von 55 Miles dem Brahniap6tratliale ent-
lang siehen, bildet den SchlnCi dieses Bandes. Plateanxbildungen, welche meisl
bM einer Höhe tou 4 — 5000 FuTs ansteigen und steil zum Flachlande abfallen»
sind im Khissiagehirge Torherrschend, welches längs des indischen Randes ans
Sandsteinformationen mit tertiären Kohlenlagern besteht, gegen Assäm hin aber
aus mächtigen Granitmassen. Als höchste gemessene Gipfel werden der M^Mt
6694, der Chillongpeak 6662 und der Sararfm 5909 Fn£s beseichnet. Die Menge der
Niederschläge, welche zur Regenzeit von der Mitte Mai bis Ende Augnst längs
des sädlichen Randes jedes Jahr fallt, dürfte wohl als einzig dastehend anf der
ganzen Oberfläche der Erde erscheinen, indem dieselbe nach mehxjährigen sa
Ch^rra Pünji angestellten Beobachtungen 600—620 Zoll betriigt, also c. 346 Zoll
mehr als zu Mahabal^var im D^khan. Vom Rande gegen das Innere nimmt die
Regenmenge sehr rasch ab, eben deshalb, weil die Luft bei der ersten Berfihruag
mit dem steilen Khassia-Rande bereits so viel yon ihrer Feuchtigkeit verliert.
Die Regenmenge sinkt bald auf 200, in der Nähe Ton Assim auf 150 Zoll. Eth-
nographische Schilderungen der Khassias und Nägas, letztere ein wilder Stamm
in den nordöstlichen Theilen der Gebirgsgegenden, endlich der die Vorberge des
Himalaja bewohnenden aboriginen Stämme, welche sämmtlich auf einer mehr
oder minder niedrigen Entwickelungsstufe der Cultur stehen, wie solche in den
religiösen auf Fetischdienst und Ezorcismen beruhenden Begriffen, sowie in dem
Mangel an festen Banden im Familienleben am schroffsten hervortritt, bilden den
Schlafs des Bandes. Zur Veranschanlichung sind eine Anzahl Tafeln mit etfano*
graphischen Charaktergruppen, landschaftlichen Bildern und Abbildungen mona-
mentaler Bauwerke beigefügt; im Text freilich wird häufig auf die Tafehi des
grolsen Atlas, welcher einen integrirenden Theil der englischen AuBgßbe der
nResuUs' bildet, der aber den wenigsten Lesern aus den oben erwähnten Grün-
den zugänglich sein dürfte, hingewiesen. Es wäre deshalb im allgemeinen In-
teresse wünschenswerth, wenn der zweite Band, welcher die Reisen in Hochasien
umfassen wird, in Bezug anf Illustrationen etwas reichlicher bedacht würde.
— r.
Q. StQder: Ueber £u und Schnee. 135
G. Stnder» Ueber Eib und Schnee. Die höchsten Gipfel der Schweiz nnd
die Geschichte ihrer Besteigung. 1. Abthl. Bemer Alpen. Bern (Dalp)
1869. 300 S. 8.
DfM Streben» die höchsten Gipfel der Alpen zu erklimmen, sei es im Inter-
der Wissenschaft, sei es, wie es so häufig der Fall ist, aus Sucht, durch ge-
fihrroUe Unternehmungen und durch das Bewnfstsein, der Srste gewesen zu sein,,
der von einer fast unerstei^^chen Höhe einen Blick in die grofsartige Alpenwelt
gethan hat, zu Jansen, hat in den letzten Decennien eine Reihe mehr oder min-
dsr gififtklich geführter Besteigungen yeranlafst, deren Resultate theils in besonders
enchienenen Monographien, theils in den Schriften der verschiedenen Alpenver«-
dne oder in Zeitschriften yeröffenUicht worden sind. Es war daher gewifs eine
ganz glückliche Idee, dalJB ein mit den Verhältnissen der Alpenwelt vertrauter
Mann eine Zusammenstellung der wichtigsten dieser Unternehmungen veranstaltete»
Die Hanptspitzen der Bemer Alpen sind es, mit welchen wir in dieser 1. Ab«
theilnng bekannt gemacht werden, und die genauen hypsometrischen Angaben^
die reichhaltige Literatur, vorzugsweise aber die 77 Seiten lange Einleitung, in
welcher der Verf. ein neues System für die Gruppirung der Schweizer Alpen
entwirft, sichern dem Buche eine würdige Stelle in der wissenschaftlichen Lite-
ntar aber diese Gebirgsketten. Für die Eintheilnng unserer älteren Geographen,
«ie der Verf. in der Einleitung sagt, in gnüische, penninische, lepontische und
ihätische Alpen, wurden durch Ebel die Bezeichnungen: AJpes summae, Alpß» pttht^'
niaat (vom Col de Bonhomme über den Montblanc, den Gr. St Bernhard, den
Combin und Mont Cervin bis zum Monte Rosa), Ä^es Lq^ontitte, auch Aduhe
(die Strecke vom Monte Rosa über das Gotthardsgebirge bis zum Moschel-
hozn nnd Bemhardin), Alpes rheticae (vom Bemhardin durch Graubündten und
Tyrol bia zum Dreihermspitz an der Grenze von Salzburg und Kämthen und
südlicher bis zum Monte Fellegrino) in Vorschlag gebracht Ebels unbestimmte
imd willkührHche Eiotheilung konnte aber weder in geographischer noch in po-
litischer Hinsicht den Forderungen der Zeit genügen, noch entsprach sie den
Inlseren physiognomischen und orographischen Verhältnissen der Alpen. Meyer
' TOD Knonau sonderte die Schweizeralpen in drei hinter einander liegende Ketten
ab, eine Sonderung, welche nicht consequent und scharf durchgeführt werden
kann. Stnder gruppirt nach geologisch hervortretenden Centralmassen, indem er
eine Mittelzone annimmt, welche das Gebiet der centralen Gneismassen nnd der sie
umschlieraenJen Schiefer umfafst, nnd zwei sie begleitende Nebenzonen neptnni-
■cher Gieateine, nnd Desor hat, dieses System auf die ganze europäische Alpen-
kette anwendend, 38 abgesonderte kxystallinische Centralmassen aufgestellt Eino
10 grofse Berechtigung nun auch dieses auf Creologie basirte System haben mag,.
•0 genügt dasselbe doch weder den durch die Natur selbst gegebenen Abgrenzun-
gen, noch der populären Anschauungsweise, ebensowenig wie die Vermittelung des
geologischen mit dem geographischen Element, wie solche von Berlepsch versncht
ist Der Verf. nun sucht die von der Natur selbst vorgezeichneten Abgrenzungs-
merkmale, welche theils in den einzelnen hervorragenden centralen Massenerhe-
bongen mit ihren Ansläufem, theils in den orographischen Verbindungen und
Uaterbnchiingea des Alpenreliefs durch Wasserscheiden und Thaleinschnitte zn
|g0 Sitrangibericlit der Berliner geogn^hiichea Gegfllechaft.
fluchen sind, all Basi« ftr eine Ginppeneintheilnng hinsnsteUen, Rhone, Teerin
nnd Rhein bilden die Abgrensnngen der drei Omppen» welche der VerL nie
Nordalpen, Sfidalpen nnd Oil- oder Bhatische Alpen beseichnet Da es aber
sn weit führen wurde » hier diesen anf Autopsie nnd grfindlichem Stndinm der
treffHchen chartographisehen Anfnahmen nnd Uteraiischen H&lfsmittel badrenden
Untersuchungen sn folgen, so mag es genfigen, die geographische Gruppimng der
Schweizeralpen, wie solche auf 8. 67 übersichtlich zusammengestellt ist, wieder-
sugeben. Den Nordalpen wird das Gebiet zwischen Rhone, Rhein und der
oberen Schweis angewiesen; sie zerfallen in die Einzelgmppen: Bemeralpen, Tom
Dent de Mordes bis zur Ghrimsel; Umeralpen, von der Grimsel bis zum UriroÖi-
stock; Olameralpen, rom Reussdurchbruch bei Andermatt bis zum Calanda; Slntia-
gruppe. — Zwischen Rhone, Tessin und der piemontesischen Ebene, der Dora
Baltea und Savoyen liegen die Sfidalpen, ffir welche folgende Einzelgruppen
bestimmt werden: SaToyeralpen, Ton den Deuts d'Oche bis zum Col de Ferrex;
Walliseralpen, Tom Col de Ferrex bis zum St Giacomopafs ; Tessineralpen, Tom
St Giacomopaft bis zum Flzzo dell* Domo bei Bellinzona. Das Gebiet der
Rhätischen Alpen liegt zwischen dem Tessin, Lago Maggiore, der lombaidi-
schen Ebene, dem Comersee, dem VeltUn, dem Trafoithal, dem Etschthal bis rar
Rechenscheidegg, dem Inn von fi^astermfinz bis nach Landeck hinaus, dem Fas-
nauner- und Montafuthal, dem Rhein stromaufw&rts bis zur Oberalp, dem Unem-
thal, dem obersten Theil des Rhonethaies und dem Eginenthal. Diese Hanptgmppe
zerfällt in folgende Einzelgmppen : Adulagebiige, von Nufenen bis anf den Monte
Generöse; die Albulagruppe, rom Splfigen bis zur Einsattlung des Val Torta;
die Silvrettagruppe, vom F^knis bis zum Sattelkopf bei Landeck; der Bemina,
vom P. di Prata bei Chiavenna bis zum P. Lat bei Nauders. Ob diese Tom
Verf. versuchte Gmppirung sich in unsere geographischen Lehrbücher einbfirgwn
wird, müssen wir der Zukunft überlassen, hoffen aber, dafs diesem neuen System
die gebührende Anerkennung nicht versagt werden wird. — r.
Sitzung der geographischen Gesellschaft zu Berlin
vom 6. Februar 1869..
Nach üeberreichung der Geschenke durch den Vorsitzenden, Herrn Bastian,
hielt Herr Dümichen einen Vortrag über die von ihm in Ober-Aegypten atu-
geführten photographischen Anfnahmen. Dieselben waren theüs im Serapeum auf
dem Pyramidenfelde von Sakkira, theils im Tempel von Denderah, im Tnnpel
von Kainak , im Tempel von MedYnet Habu u. a. Orten — im Ganzen einige
siebzig — gemacht worden* Der Reisende legte eine grofse Anzahl der*
selben vor, darunter auch solche, welche in unterirdischen R&nmen mit Hülfe
Bfagnesinm- Lichtes hergeetelH worden waren. Von den um das Serapum heram-
liegenden Gr&bem, die bald in Freibanten, bald in Felskammem bestehen, sind
viele wohl eriialten; doch verdienen sie eher den Namen von Grabkiqpellen als
flümigibarieht d«r BmUii« geogmpliisöhea OeeeUtehaft. 187
«n Gittern, dm il« nicht die BMtimmnng hatten, den Todten selbst aufsnnehmen,
dir viefanehr in efaMm Sehncht in der NKhe Tersteokt zu sein pflegt. Der Vor-
taagende eigrilT die Gelegenheit, seine Ansichten fiber den Thierdienst der alten
Aegypter in entwickeln. Br eridart denselben flir einen sinnbildlichen, da den
Aegjptani der Begriff Gottes nicht fremd gewesen sei.
Herr Ascherson machte Mittheilnngen ans einem kürslich eingelanfenen
Briefe des Beisenden Dr. Schweinfnrth. Derselbe beabsichtigte am 1. Januar
d. J. Xharlim zn Terlassen nnd nnter dem Schatze eines reichen koptischen
Kanfinaanee, mit dem er einen Vertrag abgeschlossen hat, den Weifsen Nil bis
FMchoda, etwas nnterhalb der Sobitmfindnng, hinaufzufahren. Von da will der
Beisende mit Hilfe von Trigem 80 deutsche Meilen weiter bis zur Maschera el Bek
gehen, um hier, wo drei Hütten fBr ihn erbaut werden, Garten- nnd Ackerbau
tu treiben, zu welchem Zweck er sich mit den nöthigen S&mereien versehen hat.
Die NilbariLe kostet allein 7000 Piaster an Miethe, die Träger erhalten 5000 Piaster
nnd andere 5000 Piaster smd fOr die drei Hütten erforderlich.
BSernnf sprach Herr Zenker, anknüpfend an einen früheren Vortrag, über
den Sneskanal. Br beschrieb den Hafen von Port- Said, dessen Molen des seichten
Seegmndes halber eirca 8500 Meter weit in das Meer hinausgebaut werden mufsten.
Die dani verwandten Steinblöcke sind künstlich ans Sand und Kalk hergestellt,
heben eine genügende B&rt» nnd ein Gewicht von je 400 Gtr. Sie sind unregel-
maiaig über einander geworfen, indem man sie von dem Deck eines Bootes auf
einer sehiefen Ebene hinabgleiten liefe. Die Molen des Hafens von Suez sind
dagegen ans Kalkgestein erbaut. Eine Strömung wird in dem Canal nicht statt-
finden, da der Niveannnterschied der beiden Meere nur 6 Zoll und nicht, wie
■an früher meinte, 30 Fnfs beträgt. Auch die Bewegungen der Ebbe nnd Flnth
werden ans dem Bothen Meere nur bis zu den Bitterseen vordringen, Seen von
drei deutschen Qnadratmeilen Oberflüche, welche in den grofsen Vertiefungen
der Landenge bei dem Eindringen des Meerwissers entstehen werden. Obwohl
der Verkehr durch den Snezcanal nur mit Dampfschiffen stattfinden kann, so ist
der letatere doch für die kostbareren Waaren Ostasiens der vortheiihaftere Weg
nnd daher für den europäischen Handel von der gröfsten Wichtigkeit Die meisten
dieser Artikel werden dann auch per Eisenbahn über die Alpen zu importiren
sein nnd wird namentlich der Weg fiber Venedig und die Brennerbahn Wichtig-
keit eriaagen. ' Den norddeutschen Häfen würde die ägyptische BanmwoUe eine
vortfieilhafke Bückfracht gegen westphälische oder en^sche Kohle bieten.
Herr Jagor hielt einen Vortrag über die Insel Luzon. Diese Insel besteht aus
von N. nach S. nnd einem von W. nach O. gerichteten Stück; beide Theile
in der Nähe von Manfla, zn beiden Seiten des Binnensees, nur durch' zwei
sdunsde Laadstreifen zusammen. Das südliche westöstlich streichende Stück wird
in seiner Mitte durch zwei tiefe Buchten fast in zwei Hälften getheüt, deren öst-
liehe von den Bicol bewohnt wird, einem Volksstamme, der sich durch seine
Sprache nnd manche andere Merkmale sowohl von den westlich angrenzenden
Tagnlen als von den Bisayem unterscheidet, welche letztere die östlichen Inseln
bewohnen. In der Mitte des Bicollandes erhebt sich auf breiter Basis der Isaro,
ein über 6000 Fnik hoher erioschener Vulkan, dessen dicht bewaldete Abhänge
fon einer interessaaten Bevölkemng bewohnt werden, die von den Eingeborenen
18$ Stomifsbttiehl des BeiüMr gMcn^biieheii OaiHlliBlwft,
d« £bea« mirsbr&iicfaUeli Cimammwi, Bemontedog oder l0ori9t«B gtoMiiit, «1»
ein Best der alten Bicol betnushtet werden mfiaien, wekhe aioli der epeaiiifhiai
Herrschaft noch nicht onterworfen haben. Der Vortragende edlaftorte feiaer die
orographischen nnd hydrographischen VerhältoiMe des Itarogebietea , verscheb
aber die Vollendung seiner Scfaildenmg der Torgeriiekten Zeit wegen anf «M
spätere Sitavng.
An Geschenken gingen ein:
1) StatiMtica del regno <ritaUa, IVaitura tklia 9€la^ anno 1866. VSrenxe
1868. — 2) StatUtica <kl regno ctltaHa. Le opere pU ml 1861. Fiienee 1868.
— 3) Statiatica del regno tPItaUa, ElexiüM politiche s amMtnittrattve. Ami
1865. 66. Firenze 1867. — 4) Statiatica M ragnö tTItaHa, Caaae di ruponmo.
Anno 1864. Firenxe 1867. — 5) Norgea OffieUU StoHatik udgwen i Aarat
1868. C. 1. ReauUaten af Folketaellingm i Norga i Januar 1866. C. 3. Ja«
haller vedkommende Norgea Handel og Skihafart i A. 1866. C 4. ßereinmg om
Sundhedatillatandm etc. t. A, 1866. C. 8. DrifiaberatUng far Norgea offmtUga
Jambaner fot A. 1867. D. 1. Oüeraigt wer Kongeriget Norgaa Indta^ter og
üdgißer i A. 1866. K 2. Den Norake Brwpoet Statiatik for A. 1866. Christia-
nia. — 6) Meteorologiake Jagttagelaer paa CkriMtiama Obaervatorivm, 1867.
Christiania 1868. — 7) Norak Meteorologiak Aarbog for 1867. Christiama 1868.
— 8) Statistische Nachrichten von den Prenfs. Eisenbahnen. Bearb. von den
technischen Eisenbahn -Bnrean des Ministeriums. Bd. XV. Berlin 1868. —
9)^ Hirsch et Plantamonr, Nivellement de pricUion da la Suiaee. 2* livr. Ge-
n^ve et Bftle 1868. — 10) Kon er, Ueber die neuesten Entdeckungen in Afrika.
Berlin 1869. — 11} Proceedinga ofHuRoy. Geogr. Soc. Vol. XH. No. V. Lon-
don 1868. — 12)Petermann'sMittheilnngen. 1869. Heft 1. und Erginnings-
heft No. 25. Gotha. — 13) Bulletin de la SocUt^ de Geographie, 1868. Ocfeo-
bre. Paris. — 14) Revue maritime et coluniale, 1869. Janrier. Paris. — 15) Gaes.
Natur und Leben. Jahrg. IV. Heft 10. 1868. Jahrg. V. Heft 1. 1869. Cöhi.
— 16) Notizblatt des Vereins für Erdkunde zu Dannstadt. 3. Folge. Heft VI
Dannstadt 1867. — 17) PubbUeazioni del cireolo geografico itaUano. Fase. 1.
Torino 1868. — 18) Mimoirea de la Soditi dea adeneea ph/eiquee et natureliea
de Bordeaux, Vol. V. Bordeaux 1867. — 19) Jahrbuch der K. K. geolog.
Beichsanstalt 1868. No. 4. Wien. ~ 20) Mittheilungen der K. K. geogr^ihi-
sehen Gesellschaft in Wien. 1869. No. 2. Wien. — 21) Zeitschrift der östei^
reichischen GeseUsohaft für Meteorologie. Bd. UL No. 21 — 24. Wien 1868.
--. 22) Preufsisches Handelsarchiy. 1868. No. 51. 52. 1869. No. 1-.3. Berlin.
— 23) Piano topograpkico de la dudad de Buenoa Airea y de todo aa Mwneipio,
levantada por DepartametUo topogrqfico 1867, conatruido per C. Glade. M. 1 : 8000.
— 24) PUn Ton Yeddo. (Japanisch.)
189
Neunter Bericht der Carl Ritter -Stiftung.
Nachdem sich das Capital der Carl Ritter -Stiftcmg in erfreulicher Weiae
«mrait Termehrt hat, dala es möglich geworden ist, ans den Zinsen derselben eine
Jahrli<Ae Beiseontentutsang yon 400Thlm. zu gewähren, wurden auf Antrag
des Vorstandes der Stiftung und nach eingeholter Znstinunnng der Gesellschaft
ISr Erdkunde dem mit den Mitteln der Humboldt -Stiftung diesmal ausgerüsteten
Botaniker, Herrn Dr. Schweinfurth , die Summe von 365 Thlm. zur Förderung
semer 'wissenschaftlichen Zwecke übergeben. Dr. Schweinfurth, welcher bereits
auf seiner ersten Heise längs den Küsten des Rothen Meeres und durch die
abTaeinischen Orenzländer bis nach Chartüm eine kleine Beisteuer aus unserer
Stiftung erhalten hatte, gedenkt diesmal den Schanplati seiner Thätigkeit nach
den südlich vom Bahr-el-Qhasil gelegenen, fast noch unbekannten Gegenden
-xn Terlegen, wo midiin demselben die doppelte Aufgabe zufallen wird, in gleicher
yreise ffir geographische wie für naturwissenschaftliche Forschungen seine Thätig-
keit SU entfallen. Wohl bewufst ist sich Dr. Schweinfurth der grofsen Gefahren,
weiche in dem Sumpfregionen des Ghazellen- Flusses seiner warten — waren
doeh unser Landsmann Steudner und in neuester Zeit der Franzose Le Saint
^ort dem Fieber erlegen — , aber seine früher erworbenen Kenntnisse der afri-
kanischen Verhältnisse, seine Besonnenheit und sein persönlicher Muth dürften
ihn Tielleicht glücklich jene Gefahren, welche ihm durch Klima und Fdndselig*
kdt der Einwohner drohen, überwinden lassen. Hoffen wir, dafs die Eingebo-
renen jener Gegenden, welche leider den Weifsen fast nur in seiner gehässigen
Beschältignng als Sklarenjäger kennen ra lernen Gelegenheit haben, dem fried-
lich BeiBenden keinen Hafs entgegen tragen, und daüs es ihm gelingt, den In-
irignen solcher Europäer zu entrinnen, welche ihre unehrenhafte Thätigkeit als
Jfensehenhändler in den Nimbus geographischer Forschungen einzuhüllen pflegen.
Unter günstigen Anspielen ist bereits die Reise eröffnet, und wohl darf die freund«
lidie Aufnahme und Förderung seiner Zwecke durch den Viceköniglichen General-
-Gonyemeur des Sudan, Dschiaffer Pascha, auch einen ferneren günstigen Fort-
gang des Unternehmens hoffen lassen.
Als Act der Dankbarkeit für die treuen Dienste, welche dem Herrn Gerhard
Rohlfs sein marokkanischer Diener Hamed geleistet hatte, wurde der Wittwe des
inzwischen verstorbenen Dieners eine Unterstützung von 34 Thlm. und .5 Sgr»
•aus den Zinsen unserer Stiftung gewährt, welche Summe dem englischen Consul
SU Tanger zur Weiterbeforderung zugesandt worden ist.
Endlich gedenken wir noch dankbar eines Legats von 500 Thlm. , welches
der Cari Ritter -Stiftung durch den verstorbenen Commerz- und Admiralitäts-
Rath Herrn Abegg testamentarisch im Laufe des Jahres 18S8 zugeflossen ist
W. Koii^r.
let
Recbniiiig ftber di« Riiwahmen der Cari lUtter-Stiftaiig.
Rechnung
über die Einnahmen und AoBgaben der Carl Ritter-Stütang
für das Jahr 1868.
EiiBahMeB,
Baar
I. Bestand.
Staatsschnldscheine mit Zinsen Tom 1. Januar 1868 ab . .
Staatsanleihe von 1856 mit Zinsen rom 1. Janvar 1868 ab
2te
1857 .
1859 .
1864 -
1867 D.
Oetober 1867 -
1000
2300
700
4000
500
400
rasammen
8900
73
IL Beiträge inr Stiftung.
Von den in dem beigefügten Verzeiehnisse
genannten Personen • 101iBKc20J^
Legat des verstorbenen Commerz- und Ad-
miralit&ts-Raths Abegg . . . . . 500 « — -
snsammen
601
m. Angekaufte Effecten.
Staatsanleihe tou 1868 B. mit Zinsen vom 1. Oetober 1868 ab
700
IV. Zinsen von den Effecten.
Von 1000 Sai^ Staatsschuldscbeinen li
dipCt. für das Jahr 1868 . . . 35iB9k— J^
Von 2300 iOS&c Staatsanleihe von 1856 k
44 pCt. für das Jahr 1868 . . .103
Von 700 SOA^ Staatsanleihe von 1857
^ 4i pCt. für das Jahr vom 1. Oet.
1867—1868 31
Von 4:0OOSaU 2te Staatsanleihe von 1859
a ^i pCt. für das Jahr vom 1. Oct.
1867—1868 180
Von 500,^3%«; Staatsanleihe von 1864 ^
-//
. 15 - — -
- 15 . — .
4A pCt. iur das Jahr vom 1. Oct.
1867 — 1868
22 . 15 . — -
19
20
Bechnuog über die Binnahineii nad Aufgaben dor Carl Bitter -Stiftong. 1-^1
KfinalmeB.
Von 400 sau StaatBanlelhe von 1867 D.
1^ A\ pCt. ftlr das Jahr Tom 1. Oct.
1867—1868 18JBak— Jfr— /yf
gimammm
Summa der Eimiahmen
Aiugabei.
Baar
sau \:^ff
I. Für die angekauften Effecten.
Für die anter Titel 111 vereinnahmten
700 3BU Staatsanleihe von 1868 B.
Kn94pCt. 658iS&c— J^— //
und an Stückxinsen zu 4^- pCt- vom
1. October bis 17. Dezember 1868 6 - 19 - 6 -
664
19
BOMunmen
6
n. Reise-Ünterstütznng.
/
1) An Dr. G. A. Schweinfnrth Zuschufs
zn den Kosten seiner Reisen in Afrika 365 3tthc — J^ — ff
2) An die Wittwe von Gerbard Rohlfs
afrikanischen Diener Hamed £5 es 34 - 5- — -
399
5
24
—
Summa der Ausgaben
1063
6
Balance.
Einnahme 9600 SOhc Effecten und 1065 SOhx. 24 <>^ 4>e/ baar
Ausgabe — - 1063 - 24 - 6 - -
Bestand 9600 Sakx, Effecten und 1 SOht. 29 J^ 10// baar
Berlin, den 31. Januar 1869.
Arndt, Bechnungsrath,
Rendant der GeMlIscliafl Ar Brdkniide.
192
Teneielixiif« der BeHrttge der Carl Ritter*Sti
Neuntes Verzeichnils
der Beiträge zur Carl Ritter-Stiftung.
8na» KöBigL Hoheit der Prin« Adtlbert von Preofsen 50 Thlr. Gold
Herr Ober-Ptitoident a. D. ron Beormann auf Oppin bei EUle
• (leheimer Commeruenrath Mendelssohn in Berlin ....
- Qeiienl«>Siiperiat«iid«D( Dr. Hofimaim in Berlis ....
Summa
lRUrkli«fo. rirEtJlLBi.ffi:.
TafJl
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Bjritische Miscellen zur Geographie.
Von Prof. Dr. Reuse hie in Stuttgart
I Das M aass der Kttstenentwickelan^ und Grenzentwickelnngs«
Goefacienten überhaupt.
Man hat die bekannte Art, die EGBtenentwiökelttng eines Landes-
ranms anzogeben, indem man die Anzahl seiner Quadratmeilen durch
diejenige der Eüstenmeilen dividirt (resp. diese Anzahl durch jeue)»
uigegnjffen „als auf einer Begriffsverwirrung beruhend*^. So kurzlich
Oberstudienrath Dr. Riecke im zweiten Heft seiner mathematischen
Unterhaltungen (1868), wobei er sich auf den inPetermann^s geo-
graphischen Mittheilnngen (Jahrgang 1863) von Dr. Keber gemachten
Angriff auf diese „geographische Unsitte^ zuruckbezieht. Dieser An-
• griff ist auch in der That vollkommen berechtigt, wenn man meint,
mit jener Division eine absolute (unbenannte) Zahl, einen physika-
fisdien „CoSfficienten^ ermittelt zu haben, nach Art der specifischen
Gewichte, der Wärmecapacit£ten, der Ausdehniings-Goefficienten u. s. w.,
was sammtlich absolute Zahlen sind, unabh&ngig von jedem Lfingen-
oder anderem Maafs, nachdem man einmal die zu Grunde gelegte Ein-
heit gehörig definirt hat Und nicht minder trifft die Berufung auf
den Grundsatz, dafs nur Gleichartiges in Verhältnifs gesetzt werden
kann, womit Riecke beginnt, diejenigen, welche sich so aussprechen:
^der Flficheninhalt verhält sich zur Eüstenentvnckelung in Afrika wie
152 : 1 u. s. w.
So lange man aber das Resultat jener Division so ausdruckt: da
der afirikanisch» Continent 532,200 geogr. Quadrat- Meilen ') mifst, der
Kfistennmfang, den man hier in runder Zahl mit dem ganzen Umfang
*) Wenn nicht ausdrücklich das Gegentheil bemerkt wird, so soll sofort unter
•Heil«** stets die geographische (16 anf 1 Erdgrad) verstanden sein.
Mtsehr. d. Oesellsoli. f. Erdk. Bd. IV. 1^3
194 Renschle:
identificiren kann , 3500 M. , so kommen aaf 1 M. Enste 152 Q.-M.
Land, oder (bei der umgekehrten Division) auf 1 Q.-M. Land 0,oo6 M.
Küste: so kann ich darin nichts Widersinniges finden. Die Division
ist dann als eine eigentliche Theilung (nicht als eine Messung) zu
betrachten, ganz nach Art des gewifs richtigen Schlusses, dals, wenn
jemand ein jährliches Einkommen von 2000 Thalern hat, auf den Tag
2000
— — - = c. 51 Thlr. kommen. Aber der Quotient ist hier wesentlich
eine benannte Zahl, die mit dem angewandten MaaCs sich ändert. Ja
man kann selbst von hier aus zu wirklichen „CoSfficienten^ der Küsten-
entwickelang gelangen, indem man für die Gröfse „Küstenentwickelung*^
eine Einheit definirt. Setzt man z. B. fest, dafs die Einheit der Küsten-
entwickelung diejenige Küstenentwickelung sein soll, bei welcher auf
eine bestimmte Fläche, z. B. aaf 100 Q.-M. Land,. 1 M. Küste kommt,
100
so bekommt man far Afrika den Coefücienten t^ = 0,66, für Earopa
100
^fC = 2,56,* was nun absolute Zahlen sind, die sich nicht mehr än-
dern, wenn man irgend ein anderes Meilenmaafs bei der Angabe der
Küstenlängen und Flächeninhalte zu Grunde legt und dasselbe gleicher-
weise in die Definition der Einheit einführt.
Ein Unterschied besteht nun allerdings zwischen der Division der
Quadratmeilenzahlen darch die Küstenmeilenzahlen und zwischen der
Division der Thalerzahl durch die Tagezahl in obigem Beispiel. Wenn
nämlich hier die Geldeinheit geändert wird, so ändert sich darum die
Zeiteinheit nicht, da beide von einander unabhängig sind; wenn aber
die Küstenlänge nach -einem anderen Meilenmafs ausgedrückt wird,
so wird man auch den Flächeninhalt nach dem Quadrat dieser anderen
Meile angeben (obwohl auch die Ausdrucksweise mehr nur unpractisch
als geradezu falsch wäre, wenn man z. B. sagte „auf 1 £alometer Küste
kommen so und so viel geographische Quadratmeilen Land^). Diese
Bemerkung führt uns aber sofort zu einer neuen Seite, von welcher
die Sache sich betrachten läjGst, und von welcher aus wir die obige
Art, die Küstenentwickelung zu messen, gerne wieder fallen lassen,
nachdem wir übrigens nachgewiesen haben, dafs sie nicht widersinnig
ist. Jene Division der Quadratmeilenzahl durch die Küstenmeile nzahl
hat nämlich noch eine andere geometrische Seite. Da das Prodact
aus den Längenzahlen zweier nach einerlei Längenmaafs gemessener
Strecken den Flächeninhalt des aus den beiden letzteren gebildeten
Rechtecks ausdrückt (für das Quadrat jenes Längenmafses als Flächen-
einheit): so kann man sich unter jenem Quotienten die eine Seite
(Breite) eines Rechtecks denken, dessen andere Seite (Länge) gleich
Kritische Miseellen zur Geographie. {95
dem Eüstenamfaog und dessen Inhalt gleich der Fläche des betreffen-
den Landesranmes ist. Man kann daher z. B. für Afrika sagen : denkt
man sich die Fläche des afrikanischen Continents in ein Rechteck ver-
waodelt, dessen Länge gleich seinem Eüstennmfang ist, also 3500 M.
betragt, so beträgt die Breite 152 M. Und setzt man dann wieder
fest, dafs die Einheit der Kustenentwickelung diejenige Eüstenent-
wickelang sein soU^ bei (welcher die Brdte des betreffenden Rechtecks
100 M. beträgt, so erhält man auch von dieser Seite die obigen Kästen-
entwickelangs-CoSfficienten wieder.
Allein die vorliegende geometrische Betrachtang fuhrt weiter.
Denn waram gerade ein Rechteck? Ich kann mir ja den Landes-
räum auch z. B. in eine Ellipse verwandelt denken, deren grofse Axe
seiner Kustenlänge gleich ist, deren kleine Axe alsdann durch den
Fl&chenraum und die grofse Axe der EUlipse nach der bekannten For-
mel E =^ in ab (wo E die Fläche der ElUpse, a und b die beiden
Axenlängen, n das Kreisverhältnifs) bestimmt wird und sofort eine
7on der vorhergehenden verschiedene, übrigens nicht sehr abweichende
Grundlage für die Beurtheilung der Kustenentwickelung darbietet
Stellt nämlich (für die geographische Meile als Längeneinheit) f die
Flachenzahl des Landesraumes, k die Längenzahl -seiner Küste vor,
so würde nun an die Stelle des Quotienten -r der Quotient ^ treten,
welcher, weil 4"7^j etwas gröfser ist als der Quotient -r- Man er-
# 4
^ hielte so für Afrika, anstatt 152, vielmehr — . 152 = 193,5, für Eu-
4
ropa, anstatt 39, — . 39 = 49,7, d. h. die kleinen Axen jener Ellipsen
wfiren für Afrika 193,5 M., für Europa 49,7 M. *ünd wird die Küsten-
atwickelung, bei welcher die kleine Axe = 100 M., zur Einheit ge-
nommen, so wären die CoSfficienten der Kustenentwickelung für Afrika
-jjQ— = 0,51, für Europa -^^ = 2,oi. Es sind also hier mehrere
Arten, die Kustenentwickelung»* Goefficienten zu bestimmen, gleich
möglich, und überdies enthält die Festsetzung der Einheit eine will-
kfihrliche Zahl, unsere 100 M., mit deren Veränderung auch die Coef-
fidenten sich verändern. Diese kann zwar dadurch gewissermafsen
eüffiinirt werden, dafs man die Kustenentwickelung eines der ver>
gHchenen Landesräume selbst zur Einheit nimmt, z. B. diejenige Afri-
ka'8 als die kleinste, d. h. dafs man 152 (resp. 193,5, wenn man statt
des Rechtecks die Ellipse nimmt) an die Stelle von 100 setzt. Allein
die Einheit ist darum immer noch willkührlich und das absolute Maals
der Enstenentwickelung ist damit noch nicht gegeben.
13»
1
IgS Reufohle:
Die Brocke sa demselben bietet der YorechUg tob Bothe dar,
welcher auf den oben erwähnten Angriff von Keber hin in demaelben
Jahrgang der Gothaer geographischen Mittheilangen gemacht wnrde,
um den Vorwarf su beseitigen, da(s man in den fiblichen Angaben
der Eüstenentwickelongen ungleichartige Oröfsen in Yerh<nifs setce.
Zn dem Ende soll nach Bothe statt der Flächencahl f deren Qoadrat-
worsel oder die Lfingenzahl M f mit der Lftngensahl k des Knsten-
oin&ngs ▼erglichen werden; denn ans bekannten geometrischen Gran-
den stellt YT die Seite eines Quadrats vor, welches mit dem betref-
fenden lAndesraom einerlei Flächeninhalt hat. Der wesentliche Fort-
schritt dieser Aoffassang besteht darin, dafs hier die bei der vorher-
gehenden Betrachtungsweise nicht au umgehende willkührliche ZaU,
wofir oben 100 (resp. 152 oder 193,5) gewählt wurde, beseitigt ist,
und dies beruht darauf, dab an die Stelle einer durch swei Gröfsen
bestimmten Figur (wie Rechteck, Ellipse) eine durch eine einzige
Grofse bestimmte Figur (das Quadrat) gesetst worden ist. Die Ein-
heit der Küfitenentwickelung bestimmt sich dann von selbst als die-
jenige Kustenentwickelung, bei welcher V/=s Ärist, und allgemein ist
V7
der GoSfi&cient, s^i es -y-, in welchem Fall er aber stets Z. 1 würde,
k
oder besser p;=, da er dann stets 7 1 wird; man erhält so für Afrika
— — s=s 4,8, für Europa -tts- = 10,4. Allein das Wahre ist damit
gleichwohl noch nicht getroffen; denn was hat denn die Seite des
dem Landesraum flSchengleichen Quadrats far eine innere Bedeutung
oder Berechtigung, um mit der Eustenlänge verglichen zu werden?
Sollte man nicht wenigstens den Umfang des Quadrats nehmen? Dies
wurde in der That die eben nach Bothe angegebenen Zahlen den obi-
gen näher bringen, indem sie auf den vierten Theil reducirt werden,
für Afrika 1,2, für Europa 2,6. Könnte man nicht ferner statt des
Quadrats ein gleichseitiges Dreieck oder eine andere reguläre, — somit,
was ja das Wesentliche ist, durch sine einzige Grofse bestimmte —
Figur nehmen, und zwar ihrem Umfange nach?
Der Ausweg aus dieser Schwierigkeit kann nicht zweifelhaft sein.
Denn da wir nun wieder in die Wahl zwischen verschiedenen Mög-
lichkeiten, d. h. zwischen verschiedenen regulären Figuren, in welche
wir den Flächeninhalt des Landesraumes verwandeln, hineingerathen
mnd, während alles Uebrige geebnet erscheint, so kann nur die Frage
sein: welche unter den regulären ebenen Figuren mufs gewählt wer-
den, und zwar, wie schon bevorwortet ist, nach ihrem Umfange? Und
die Antwort liegt auf der Hand: es ist der Kreis als diejenige ebene
Kritische MisceUeii znr Geofipraphie. ]97
Figur, welche bei einerlei Umfang den grö&ten Inhalt, und bei einerlei
Inhalt den kleinsten Umfang darbietet. Wie ich nachgehende ans
einer Notis inv. Eloden's Handbuch der physischen Geographie, die
ich nachschlng, um seine Zahlen fSr die absoluten Eustenlängen der
Erdtheile an vergleichen, ersehe: so hat schon vor geraamer Zeit
Nagel den Kreis in dieser Betrachtang beigezogen, v. Elöden sagt niim-
lieh, nachdem er die Eüstenentwickelungs- Verhältnisse in der alten
Weise angegeben hat, „ein Ereis, welcher denselben Flficheninhalt wie
dner der Erdtheile hat, wurde den möglich kleinsten Umfang für das->
selbe Areal angeben; sein Umfang würde sich zu dem wirklichen
KSstenomfang (wie Nagel angiebt) verhalten, wie u. s. w.^ (es folgen
die Yerbältnisse für die einzelnen Erdtheile ; man vergl. die unten fol-
gende Tafel). Leider giebt v. Elöden nicht an, wo der einschlagende
Artikel von Nagel zu finden ist^ weshalb ich mich darauf beschränken
muls, die Sache so auszuführen, wie ich sie mir, unabhängig von Nagel^
yon Bothe's Vorschlag aus zurechtgelegt habe.
Ich verwandle also die Fläche f äea betreffenden Landesraumes
in einen Ereis, dessen Halbmesser r bereits eine reelle innere Bedeu-
tnog hat, nämjich die Grenze zu sein, welche die Entfernung keines
Punktes des Landesraumes von der Eüste erreicht, auljser wenn er
die Tollkommena Ereisgestalt hätte, was in der Wirklichkeit höchstens
bei kleineren Inseln mit einiger Annäherung vorkommen wird. Der
Umfang dieses Ereises ist 27rr = 2\nf, weil f=7ir*; ist derselbe
der EüstenLänge gleich, k = 2V;r/, so findet das absolute Mini-
mum von Eüstenentwickelung statt und dieses ist die natürliche
Einheit für diese Gröfse. Der allgemeine Ausdruck des wahren
Eüstenentwickelungs-Coefficienten c aber ist dann der Quo-
k
tient c = ^^-, so dafs also alle c "7 1 werden, aufser fär eine
kreisförmige Insel, wo o sa 1 ist. Hiernach ist die folgende Tafel
fnr die Erdtheile berechnet worden, in welche aufgenommen ist: f in
geographischen Qnadratmeilen , k und r in geographischen Meilen, 9,
d. L die Anzahl der auf 1 Eüstenmeile kommenden Quadratmeilen
Landes (so zu sagen das Areal des durchschnittlichen „Hinterlandes^
von 1 Meile Eüste) , endlich die Coöfficienten c als absolute Zahlen.
Die Werthe von f sind nach Behms Jahrbuch zu Grunde gelegt,
wobei übrigens nur die Continente, ohne die den einzelnen Erdtheilen
CQgehörigen Inseln, wohl aber mit Einschlufs der Landseen in Betracht
gezogen werden. Nur wenn Behm bei Asien das kaspische Meer mit-
rechnet, so könnte ich mich dazu nicht entschliefsen , einmal wegen
seiner Gröfse (über 8000 Q.-M.), in welcher es als ein wahres Binnen-
meer dem Ocean gegenüber steht, alsdann wegen seiner intercon-
198
Beaschle:
tinentalen Lage, welche ihm 8o gat ab dem Schwarzen Meere zu-
kommt und erheischen würde,, dasselbe, wenn man es je bei dem
Lande mitzählen wollte, zwischen Asien und Europa ungleich za
theilen.
•
.
c nach
ErdtheUe.
/
k
2
r
c
Nagd.
Europa . .
167,700
4300
39
231
2,96
3,03
Asien . . .
754,300
7700
98
490
2,50
2,41
Afrika . . .
532,200
3500
152
412
1,35
1,35
Australien
138,500
1900
73
210
1,44
1,41
Sfidamerika .
326,800
3400
96
322
1,68
1,69
Nordamerika .
386,100
6100
63
351
2,77
2,89
Ganz Amerika
712,900
9500
75
476
3,17
Asien — Europa
922,000
12,000
77
542
3,53
Ostcontinent .
1,454,200
15,500
94
680
3,63
In der letzten Colnmne habe ich die von Ellöden mitgetheilten
Nagerschen Werthe des Coefficienten c mit den von mir berechneteo
zusammengestellt. Die eben nicht bedeutenden Differenzen rühren
ohne Zweifel von den Daten f und k her, weshalb ich die von mir
benutzten Werthe derselben in die Tafel aufgenommen habe. Dividirt
man mit den einzelnen ^ in 152, so erhält man die CoefficienteD in
der obigen Rechtecktheorie und für die afrikanische Küsten entwicke-
luog als Einheit Ordnet man hiernach , so folgen sich die Erdtfaeile
in der Küsten entwickelung (vom entwickeisten zum wenigst ent-
wickelten) folge ndermafsen :
Europa, Nordamerika, Australien, Südamerika, Asien,
Afrika;
ordnet man dagegen nach den c, so ist die Folge:
Europa, Nordamerika, Asien, Südamerika, Australien,
Afiika.
Sie unterscheiden sich also dadurch, dafs Asien und Australien
geradezu ihre Plfitze tauschen. * Dafs die letztere Reihenfolge besser
mit dem Urtheil stimmt, welches sich aas der unmittelbaren An-
schauung der Karten über die verh<nifsmäfsige Gliederung der Erd-
theile bildet, wird jedermann zugeben.
Schliefslich mache ich, nach Ri ecke 's Andeutung am oben ei^
wfihnten Ort, noch darauf aufmerksam, dafs dieselben Betrachtungen
auf den allgemeineren Begriff der ^Grenzentwickelung^ Anwendung
finden, sowohl bei Landes- als bei Meeresraumen , indem dann nor
Kritische Bdi6C«llen zur Geographie. 199
aB die Stelle des bisherigen h der Totalamfang des betreffenden Areals
tritt Näher kann man die so berechneten CoSfficienten , wenn sie
sich auf Meere und Natarländer (nach Art der Erdtbeile, der gröfsten
QDter den Natarländern ) beziehen, Gliederungs-Coefficienten
oenoen, denn sie geben in der That das Kriterium der wagerechten
Gliederung an die Hand, die (freilich nicht über alle Grenzen hinaus)
om so vollkommener ist, je grofser der Werth von c ausfällt. In Be-
fiehong auf Staaten aber und politische Grenzen erscheinen sie als
Arrondiruugs-CoSfficienten und glänzen durch kleine Werthe,
denn je kleiner c ist, desto arrondirter ist das Gebiet. So hat Württem-
berg bei 354 Q.-M. Areal 241 M. Umfang, daher ist sein Arroodirungs-
Coefficient c = 3,6i und die|Entfernung von der Grenze, die kein
Punkt des Landes erreicht, r == 10,6 M. ; für Baden ist f = 272^ Q.-M.,
* = 258, daher r = 9,3, c = 4,4i. Für alle Erdtheile, aufser- Asien
und Europa, sind die c der obigen Tafel zugleich die Gliederungs-
Coefficienten, weil ihre Landgrenzen nur wenige Meilen betragen und
daher der Totalumfang vom Küstenumfange nur unmerklich sich unter-
scheidet. Dagegen beträgt die Landgrenze zwischen Europa und Asien,
einschliefslich die Grenze am Kaspi, für Europa circa 600, für Asien
wenigstena 700 M.; man hat also bei der vorliegenden Betrachtung
für Europa * = 4900 zu setzen und findet damit c = 3,4i; für Asien
hat man k = 8400, womit sich e = 2,7i ergiebt. Das mittelländische
Meer endlich hat mit Einschlufs aller Nebenmeere (auch des schwar-
zen und adriatischen) 69,900 Q.tM. Areal und 2880 M. Umfang; es
ist daher r «^ 149 M. und sein Gliederungs-Coöfficient c = 3,07.
n. Die Sonnenstandsmerkmale der Hauptzonen.
Wenn die grofse Tagzeit im Sommerhalbjahr und die grofse Nacht-
zeit im Winterhalbjahr, oder die beiden entgegengesetzten Ausnahme-
zeiten des aufgehobenen Tag- und Nachtwechsels, als die Kriterien
der Polarzone aufgestellt werden, als Kriterium der Tropenzone da-
gegen nur die in das Sommerhalbjahr fallende Ausnahmezeit des
mittäglichen Ueberscheitelstandes der Sonne (d. h. wo die Sonne dem
Pol zu culminirt, in der Zeit von dem ersten Scheitelstand bis zum
«weiten) : so mufe es auffallen, dafs die Polarzone in beiden entgegen-
gesetzten Jahreszeiten Ausnahmestände der Sonne darbietet, die Tro-
penzonc dagegen nur in der einen von beiden, nämlich im Sommer.
Und nm so mehr, als der mittägliche üeberscheitelstand der Sonne
in einer tropischen Breite 6 nach Dauer und Beginn genau entspricht
der grofsen Tagzeit in der polaren Breite 90 — 6. Hiernach mufa
entschieden erwartet werden, dafe auch der grofsen Nachtzeit in der
200 B«iiBchle: '
letzteren Breite 90 — b (die ja sogleich mit der grofeen Tagezeit
gegeben ist) ein Ansnahmeetand der Sonne in der erateren Breite ö
entsprechen mafs, welcher im Winter stattfindet Dem ist auch in
der That so. Der Ausnahmexeit im Sommer, wo die Mittagssonne
im Zenith nnd "über das Zenith hinaus dem Pol sn steht, entspricht
eine genan gleich lang dauernde Ausnahmezeit im Winter, wo die
Mitternachtssonne im Nadir nnd nber das Nadir hinaus dem entgegen-
gesetzten Pol zu steht Und diese winterliche Ausnahmezeit im mittor»
n&chtlichen Stand der Sonne in der tropischen Breite 6 entspricht
wiederum nach Dauer und Beginn genau der grofsen Nachtzeit in der
polarem Breite 90 — b. Damit ist dann die vollkommenste Symmetrie
zwischen den Eigen thümlicbkeiten der Zonen des Gegensatzes her-
gestellt, und wenn gewöhnlich jene winterliche Eigenthumlichkeit der
Tropenzone übergangen wird — ich selbst bin erst seit wenigen Jah-
ren darauf aufmerksam geworden — : so rührt dies daher, dafs der
mitternfichtlicbe Stand der Sonne der Beobachtung sich entzieht und
von keinen auffallenden Folgen für Temperatur und das, was damit
zusammenhängt, begleitet ist, welche Folgen vielmehr an den Antipodeiin
orten hervortreten.
Wenn ich die tropischen Mittagsstfinde der Sonne, welche, anstatt
nach dem Aequator zu, vielmehr nach dem Pol zu stattfinden, U eber-
scheite Istfinde nenne, so ist dies durchaus in der Natur der Sache
begründet Denn wenn man bei Bestimmung der Mittagshöhen der
Sonne stets von derselben Seite des Horizonts ausgeht, nftmlidk von
der Aequatorseite , wie dies sein muTs (wobei nur der Aequator aus-
genommen ist, da er eben so gut der einen als der anderen Halbkugel
zugerechnet werden kann): so werden die tropischen Mittagshöhen
der Sonne um die Sommerwende her > 90, nnd diejenige an der Som-
merwende selbst erscheint als das. Maximum unter allen. Ebenso
verhält es sich mit den Hypernadirständen um Mittemacht, indem man
bei den Mitternachtstiefen der Sonne überhaupt von der Polseite dea
Horizonts auszugehen hat. Um so mehr ist es zn tadeln, wenn se
häufig nur die beiden senkrechten Sonnenstände als Kriterium der
Tropenzone angegeben werden. Jedoch nicht minder verfehlt ist es^
wenn man die Ueberscheitelstände allerdings in Betracht zieht, jedoch
nicht als solche, d. b. nicht als eine Steigerung von den Scheitel-
ständen aus, sondern als einen Rückschlag mitten im Sommerhalb-
jahr. Dies hat zu der wunderlichen (übrigens auch noch in Kl öden 'a
Handbuch der physischen Geographie stehenden) Lehre von der »Ver-
doppelung sämmtlicher oder einiger der 4 Jahreszeiten^ in der Tro-
penzone gefuhrt, dergestalt, dafs am Aequator 8 Jahreszeiten (2 Som-
mer, 2 Herbste, 2 Winter, 2 Frühlinge) stattfinden sollen, in der Breite
KritiBche Miscellen snr Geographie. 201
-x' = 7| • 6 Jahreszeiten (nur 1 Winter and 1 Frahling, aber 2 Som-
mer und 2 Herbste), in einer Breite Z. 7f * 7 Jahresseiten (nnr 1 Win*
ter), in einer Breite 7 7| * endlich 5 Jahreszeiten (nur noch der Som-
mer zweifach). Höchstens am Aeqaator selbst , dessen Ausnahme*
steUong schon oben berührt worden ist, konnte von 2 Sommern und
2 Wintern oder vielmehr von 2 Zeiten höchsten und 2 Zeiten niedrig-
sten Sonnenstandes (und zwar resp. gleich hoch und gleich niedrig)
die Rede sein, und der Empfindung oder der Wirklichkeit nach liefse
sich das über eine Zone ein paar Grade nördlich und südlich vom
Aeqnatcr selbst ausdehnen. Auch die noch immer gangbare Redens-
art, ^in den Tropen trete eine Regenzeit an die Stelle des Winters^^
ist dahin zu berichtigen, dafs in den Tropen der Gegensatz der Jahres-
seiten nicht sowohl auf die Temperatur, als vielmehr auf den Nieder-^
sehlag sich beziehe; denn die Hauptregenzeit der Tropen fällt ja in
das Sommerhalbjahr, und zwar in die Zeit der senkrechten Sonnen«^
Stande.
Ebenso mufs hinsichtlich der Polarzone gegen die vielfach ver-
breitete und auch noch bei v. Klöden vorkommende Redeweise nach-
drücklich protestirt werden, dafs der „längste Tag*' daselbst Wochen
und Monate, z. B. 3 Monate in 73,3 ^ Breite, dauere. Das Wort 9,Tag^
hat bekanntlich zwei Bedeutungen; die eine ist der constante Zeitraum
der Axendrehung der Erde oder vielmehr der mittleren Dauer von
einem Mittag zum anderen (»= 24 mittleren Sonnenstunden); die an-
dere ist der veränderliche Theil Jener constanten Zeit, während dessen
die Sonne über dem Horizont steht, mitbin kann dessen Maximum
(und zugleich das Maximum des „längsten Tages'') nur der Tag im
ersten Wortsinn sein, oder 24 Stunden. Der Wechsel von Tag und
Nacht ist vielmehr in jenen Ausnahmezeiten der Polarzonä aufgehoben
oder sospendirt, was auch die trigonometrische Formel für den Tage-
bogen der Sonne dadurch anzeigt, dafs sie imaginär wird, d. h. dafs
der Tagebogen durch einen Cosinus bestimmt wird, der 7 1 wäre^
während dessen Maximum = 1 ist, was die Tagesdauer = 24 Stun-
den giebt. Anstatt also zu sagen, ^in 73*^,3 Breite dauere der längste
Tag 3 Monate^, mufs vielmehr gesagt werden: ^in 73^,3 findet das
Maximum der Tagesdauer von 24 Stunden statt, und zwar nicht nur
einmal, sondern 90 mal nach einander, nämlich an sämmtlichen Ka-
lendertagen vom 7. Mai bis zum 5. August^. Und dieser ganze Zeit-
raum darf nimmermehr längster Tag, kann aber passend die grofse
Tagzeit genannt werden. In dieser Sache werden wohl die Astro-
nomen AuUNrität seini Nun so vergleiche man die Tafel der Tages-
längen für die verschiedenen Breiten, welche Auwers in Behm's
202 Renschle:
Jahrbuch für 1866 S. 17 mitgetheilt hat, unter ausdrücklicher Bestim-
mung des Begriffs i^Tageslänge^ als der Zeit zwischen Aufgang und
Untergang des oberen Sonnenrandes.
Wo aber eigentlich die letzte Quelle dieser und der vorhin er-
wähnten, leider so allgemein verbreiteten Mifsbegriffe, die den astro-
nomischen Grundlehren geradezu widersprechen", zu suchen ist, habe
ich bisher nicht zu ergründen vermocht.
m. Die Grenzen der Oceane.
Wenn der Ocean, d. h. die zusammenhängende Fläche des Meeres,
in fünf grofse Naturabtheilangen, die Oceane, getheilt wird, so kann
dieser Bintheilung natürlich nur die Vertheilung von Land und Meer
SU Grunde liegen, d. h. die Sonderung in jene fünf grofsen Becken
beruht auf den zwischen ihnen befindlichen Landmassen. Allerdings
kann man dabei auch an untermeerische Grenzen appelliren, an unter^
meerische Gebirge, die zwar an der Oberfläche überfluthet sind, nach
unten aber gesonderte Becken begrenzen. Ja, in letzter Instatiz wäre
die Gliederung der gesammten Erdoberfläche oder das Gesammtrelief
der starren Erdrinde erst vollständig erkannt, wenn man vom tiefsten
Grunde des Meeres aus alle Unebenheiten, die sich auch hier bald als
Gebirge, bald als Plateaus darstellen werden, verzeichnen konnte,
gleich denen des über das Wasser hervorragenden Erdbodens. Allein^
wie weit haben wir noch bis dahin? Wie wenig ist noch von den
Gebirgen und Plateaus unter dem Spiegel der Oceane ermittelt? Und
wo man bisher dergleichen nachgewiesen und als Grenze zweier Mee-
resbecken erkannt hat, wie z. B. zwischen dem westlichen und ost-
lichen Becken des Mittelmeeres der alten Welt, da hat sich die Grenze
auch stets an der Aufsenfiäche verrathen durch Verengerung des Mee-
res, wie in unserem Beispiel durch die sicilisch- tunesische Meerenge.
Kurz man ist zur Zeit fQr die Sonderung der oceanischen Becken noch
ganz auf die an der Aufsenfläche hervortretenden Grenzen angewiesen.
Nun gilt es als ein altes, über alle Erörterung erhabenes Axiom,
dafs der fünfte Ocean das südliche Eismeer und dafs seine Nord-
grenze der südliche Polarkreis sei. Erst also in 66^ ^ südl. Br. soll
es ein Meer geben, das ununterbrochen rings um die Erde sich erstreckt
(^in „Bingmeer^), wie wenn dies nicht schon nördlicher der Fall wäre,
ja von da an, wo die Südenden der Erdtheile Südamerika, Australien
und Afrika sich befinden, als derjenigen Erdtheile, welche weiter nord-
wärts den pacifiscben, indischen und atlantischen Ocean (die «Qaer-
oceane^) sondern. Und selbst wenn man den Begriff Bismeer premitt
/
Kritische Miscellen zar Geographie. 203
und dasselbe demgem&fs von anderem Meere durch das VorhandeDsein
der charakteristischen Eiserschein an gen sondern will, so kann doch
wohl schwerlich der Polarkreis die Grenze sein. Darober werden
wir denn aach schlagend belehrt durch die ausgezeichnete Südpolar-
karte von Petermann, wie sie nun der Jubiläumsausgabe des
Stieler'schen Handatlasses einverleibt ist. Da sehen wir, wie nicht
nur die Treibeisgrenze stellenweise sogar über 40^ südl. Br. hinaus
dem Aequator zu sich erstreckt, sondern auch, wie die Grenze des
Packeises — und dies charakterisirt ja doch wohl das Eismeer —
den Polarkreis bedeutend nach Norden zu überschreitet, sowie eben
damit die „Grenze des Weltverkehrs^, welche Linie auf jener Karte
der jenseits des Polarkreises sich hinziehenden „Grenze der geographi-
schen Forschung^ so treffend gegenübergestellt ist; wie endlich die
Januar- Isotherme von 0 Grad, d. h. die Linie, in welcher die Mittel-
temperatur des Hochsommers (Januar auf der südlichen Halbkugel)
den Eispunkt nicht übersteigt, ebenfalls nordlich vom Polarkreis nahezu
dem Parallel in 60 * südl. Br. sich entlang zieht. Es ist also der Po-
larkreis keineswegs die physische Grenze der das Eismeer charakterisi-
renden Frosterscheinungen, somit auch nicht die Grenze des Eismeeres
selbst gegen anderes Meer; auch ist klar, dafs diese Grenze überhaupt
nur eine fliefsende sein kann.
Noch abenteuerlicher aber erscheint die gewöhnliche und durch
lange Gewohnheit axiomatisch gewordene Lehrweise, wenn man fragt:
was ist jenes andere Meer, gegen welches das südliche Eismeer
durch den Polarkreis abgegrenzt werden soll? Die übliche Antwort
ist bekanntlich : gegen die drei Queroceane, den pacifischen, den indi-
schen, den atlantischen. Jeder von diesen soll sich also südwärts bis
zum Polarkreis erstrecken; und doch ist es einleuchtend, dafs von da
an, wo Afrika aufhört, der atlantische Ocean durch Nichts vom in-
dischen, sowie dieser von da an, wo Australien aufhört, durch Nichts
vom pacifischen, dieser endlich von da an, wo Südamerika endet,
durch Nichts vom atlantischen geschieden ist. Nur der Macht einer
alten axiomatisch gewordenen Mifslehre kann es zugeschrieben werden,
wenn auch Petermann in jenem trefflichen Blatt gerade Linien von
den SSdspitzen der Continente nach dem Polarkreis zieht, um jene
Oceane gegeneinander abzugrenzen. Nur dann könnten uns diese
Grenzlinien nicht als imaginär erscheinen, wenn es nachgewiesen wäre,
dafs von den Südenden der'Erdtheile aus submarine Bergketten gegen
den Polarkreis hinzögen, also z. B. von Gap Agulhas aus über 30 Brei-
tengrade oder 450 Meilen weit. So wahrscheinlich es aber auch sein
mag, dafs die hohen Südenden der Continente noch mehr oder minder weit
n
204 Benschle:
Babmarin sieh fortaetsen dürften, so wenig ist es nachgewiesen, ja
nicht einmal wahrscheinlich, dals solche ^Ansläafer^ mehrere hundert
Meilen lange Ketten bilden sollten.
Ans diesen Granden habe ich mich seit dem Beginn meiner geo-
graphischen Schriftstellerei oder seit etwa 16 Jahren von dem ge-
dachten Axiom als von einem anbegründeten Yorurtheil emancipirt
and folgende Lehre aufgestellt. W&hrend im Norden der Erde die
beiden Haupteon tinente mit breiten Flfichen sich neben einander lagern
und durch diesen ^arktischen Lfinderkranz^ das „Ringmeer^ des ark-
tischen Oceans, zugleich seiner Natur nach des nördlichen Eismeeres,
absondern, so nimmt dagegen den Süden der Erde von da an, wo
die Continente in ihre spitzen. Südenden auslaufen, ein ununterbrochenes
^Ringmeer*^ ein, der Australocean, dessen südlichster Theil seiner
besonderen Natur nach das südliche Eismeer ist, in welches er übri-
gens nicht schroff, sondern stetig übergeht. Von diesem Australocean
erstrecken sich nordwärts zwischen den drei Continenten die drei »Qq^i**
oceane^, der indische, der pacifische und der atlantische, resp. bis zu dem
arktischen Länderkranz. Wenn Berghaus in einer kurzen Recen-
sion meines Handbuchs der Geographie (1858) meinen „Australocean^
so aufgefafst bat, als ob ich lehrte, das südliche Eismeer als solches
sei bis zu den Südenden der Erdtheile auszudehnen, und mich dann
mit der schlagenden Bemerkung widerlegt, ebensogut könnte jemand
das nördliche Eismeer bis zu der Strafse yon Gibraltar ausdehnen:
so zeigt er damit eben so sehr, wie axiomatisch eingewurzelt die alte
irrige Lehre vom südlichen Eismeer als fünften Ocean ist, als dafs er
mein Princip gänzlich mifsverstanden hat; denn dasselbe Princip von
der alleinigen Sonderung der Oceane durch das Land, welches das
südliche Ringmeer der Erde, freilich nicht als „Eismeer**, sondern viel-
mehr als „Australocean", bis zu den Südenden der Oceane auszu-
dehnen fordert, dasselbe Princip verlangt auch gebieterisch, das nörd-
liche Ringmeer durch den arktischen Länderkranz abzugrenzen. Zu
einiger Befriedigung hat es mir dagegen gereicht, dafs im ersten Bande
der Geographie des Welthandels von Andree (1867), wenn gleich
zunächst die gewöhnlichen fünf Oceane vorausgesetzt werden, eine
Stelle die richtige Ansicht einigermafsen durchblicken läfst, wenn es
nämlich S. 469 heifst: „Der indische Ocean füllt den Raum zwischen
Ostafrika, Südasien und Westaustralien; er hat, je nachdem man
Theile des „Australoceans** und des östlichen Meeres hinzu-
rechnet oder nicht, einen Flächenraum von mehr als 1 Mill. Q.-M.
oder nur 700,000 Q.-M.**
Dafs es hier heifst „und des östlichen Meeres^, was also der
pacifische Ocean ist, zeigt, dafs Andree auch in der Grenzbestimmung
Kritische Miscellen snr Geographie. 205
swisdien dem indischen und pacifischen Ocean mit mir abereinstimmt*
Denn anch in dieser mofste ich mich der gebräachlichen Lehre, wie
sie in Berghaos' physikalischem Atlas, sowie in dem allgemeinen
Theildes grofisen Handbachs von Stein-Wappaeus vorliegt, entgegen-
stellen, and zwar hinsichtlich der Strecke zwischen den beiden Con-
tinenten, dem asiatischen and australischen. Da pflegt man nSmlich
noch die Molakken and Philippinen als Inseln des indischen Oceans,
die „Seen*^ zwischen den ostindischen oder australischen Inseln und
das sodchinesische Meer als seine Glieder und die Flüsse bis zum
Songka und Sikiang als zum Gebiet des indischen Oceans gehörig zu
betrachten. £s kann aber die Anschauung kaum zwdfelhaft sein, daOs
die Halbinsel Malakka mit der, gleichsam zu um so compacterem Ver-
sddufs, davor hingeschobenen Rieseninsel Sumatra und mit der an
diese gedr&ngt unter kleinsten Zwischenräumen sich anschliefsenden
Soodakette die wahre Grenze der beiden Oceane bilden mufs, nicht
aber eine Linie von Formosa aber die Philippinen und Molukken nach
Neu- Guinea, die ja gar keine Eettenbildung zeigt und Lücken hat,
so grofs, wie die Inseln selbst Dazu kommt noch, dafs das Nan-hai
der Chinesen oder das indo- chinesische (südcbinesische) Meer ersicht-
lich das südlichste Glied in der Reihe der ostasiatischen Meere ist,
diesen gleichmäfsig an einander gereihten Gliedern oder Nebenmeeren
des pacifischen Oceans vom Nan-hai bis zum ochotskischen Meere.
Schon glaubte ich, in der angefahrten Stelle von Andree die ein-
zige und überdies erst nur auf Schrauben gestellte Zustimmung zu
meiner Grenzbestimmung zwischen dem indischen und pacifischen
Oceane zu haben, als mir so eben aus der Schlufslieferung der Jabi«
Uomsausgabe des Stieler' sehen Handatlasses das Doppelblatt „Po-
lynesien und der grofse Ocean^ von Petermann zukommt, woraus
ich ersehe, dafs diese geographische Autorität das „hydrographi-
sche Gebiet des grofsen Oceans^ genao nach der Linie über die
Sundakette abgrenzt. Dieser Erfolg in einem Theile meiner Lehre
ermuthigt mich zu dem Wunsche, dafs die Männer, welche an der
Spitze der Kartographie und der Geographie überhaupt in Deutsch-
land stehen, meine Lehre vom Australocean einer Prüfung unterziehen
möchten, sei nun das Ergebnils die Billigung dieser Lehre, oder deren
Widerlegung, aber mit besseren Gründen als die von Berghaus vor-
gebrachten. Dabei verhehle ich mir nicht die Schwierigkeit, eine Lehre
umzustolsen, die durch ihre Aufnahme in allen nautischen Werken und
in der Praxis der Seefahrer gewissercbafsen officiell geworden ist. In-
dessen könnte man, ohne den Sprachgebrauch der nautischen Praxis
beseitigen zn wollen, gleichwohl in der Theorie, in der geographischen
Wiasenschaft die richtigere Lehre vom Australocean aufstellen (bei
'
206 Reaschle:
welchem sofort immer wieder eine pacifische, indische, atlantische
Seite in einigem AnschlaGs an die alten Bestimmungen su anterschei*
den wfire), etwa in ähnlicher Art, wie die theoretische Lehre, dafs
der Alpenstrom Inn der eigentliche Hauptstrom des Donaasystems
sei, keinen der landesüblichen Namen verdrängen soll. Auch ver-
hehle ich mir nicht, dafs aalser den oben besprochenen submarinen
Grenzen der Meere auch noch ein, und Ewar ein an die Oberfläche
tretendes Element bei der Grenzbestimmung in Betracht kommen
könnte, nämlich die Meeresströmungen, welche in der That die sonst so
gleichmäfsigen Meeresflächen weiter einzntheilen geeignet sind. Wenn
man z. B. den Atlantischen Ocean in zwei Becken theüt, ein nördliches
und ein südliches, so wird wohl die ostwestliche Aequatorialströmung
zwischen Afrika und Amerika, die sich hier spaltet, die geeignetste
Grenze sein. Indessen komme ich auch von dieser Seite vor der Hand
auf meine Ansicht zurück, indem z. B. die antarktischen Driften von
der Westseite Amerika*s an bis über die Ostseite Afrika's hinaus eine
westöstliche Strömungsgrenze bilden, welche den atlantischen und in-
dischen Ocean einerseits von dem Australocean andererseits scheidet,
wobei ich zunächst die Weltkarte der Meeresströmungen in der Jubi-
läumsausgabe des Stieler'schen Handatlasses im Auge habe.
rv. Städtebevölkeningen in China.
Im zweiten B^nde von Beb m 's vortrefflichem Jahrbnche (1868)^
findet sich (S. 132) ein Verzeichnifs sämmtlicher bekannten Städte der
Erde von 100,000 und mehr Einwohnern, worin, auTser der Aufnahme
einiger Negerstädte in Afrika (wie Jakoba mit 1 50,000, Abeokuta und
Eumasi mit je 100,000 Einw.), die übrigens mit Quellenangabe belegt
ist und worauf ich nicht weiter einzugehen im Stande bin, die Stel-
lung der chinesischen Städte, oder wenigstens zweier unter denselben
demjenigen auffallen mufs, dessen besondere Liebhaberei seit 30 Jahren
die Städtebevölkerungen waren.
Wenn eine Millionenstadt, wie Hang-tscheu-fu, Hauptstadt
der Provinz Tschekiang, verschwindet, und zwar so, dafs sie nicht ein-
mal mehr als Stadt von 100,000 Einw. erscheint, und eine andere
Millionenstadt, wie Tschang -tscheu* fu in der Provinz Fukiang
(Fokien, deren Hauptstadt Fu - tscheu -fa), auftaucht, welche sonst nur
hin und wieder als Stadt von 1 — 2 Hunderttausenden genannt wor-
den ist (im Bande ^Asien^ des grofsen Handbuchs von Stein -Wap-
päus wird sie z. B. gar nicht erwähntj: so ist dies geeignet, den Sach-
kundigen stutzig zu machen, und die Zweifel sind um so nagender^
je mehr Achtung die Autorität verdient, welche sie erregt hat Dafs.
r
KritiBche Miscellen zur Geographie. 207
die anter dem Namen Nanking in Europa altberühmte chinesische
Stadt von ihrem Glanz, den noch heate der Umfang ihrer Mauern,
ihrer Monumentalgebäude und ihr Ruf als „der gelehrten Stadt^ ver-
bürgen, in hohem Grade zurückgekommen ist, besonders vollends durch
den sogenannten chinesischen Börgerkrieg der neueren Zeit, begreifen
wir eher, ja selbst, dafs sie unter 100,000 Einw. gesunken sein und
daher in Behm's Verzeichnifs keine Stelle mehr finden sollte. Weniger
begreiflich wäre uns ein solches Zaruckkommen bei Hang, dessen Lage
am Südende des chinesischen Tieflandes, wo dessen Canäle zasammen-
lanfen, und inmitten der langen Küste zwischen Kanton und Tientsin
es zar centralen Seehandelsstadt stempelt. Wohl läfst sich denken,
daffi das Emporblühen des nicht fem von Hang in der Provinz Ejiangsa
gelegenen Su-tscheu-fu, das jetzt mit 2 Millionen alle chinesischen
Städte übertreffen soll, auf Kosten nicht nur von Nanking, sondern
aoch von Hang stattgefunden hat; andererseits dafs zwei andere See-
handelsstädte, Schanghai nordlich, Ningpo südlich von Hang, mit
ihrem neuerlichen, ohne Zweifel mit ihrer Eröffnung far den auswär-
tigen Verkehr zusammenhängenden Aufschwung — (von Ningpo wer-
den schon von länger her 400,000, von Schanghai bisher nur 200,000,
im Behm'schen Verzeichnifs 395,000 Einw. gemeldet) — beschränkend
auf Hang zurückgewirkt haben. Aber in solchem Grade, dafs Hang
im Verzeichnifs gar nicht mehr erscheint?
Der Verfasser des Städteverzeichnisses bevorwortet zwar das Feh-
len mancher sonst sehr vorangestellter Chinesenstädte mit Berufung
auf die neueren Quellen (S. 132, Anm. 1); allein man könnte den po*
sitiven Notizen wegen der in das Verzeichnifs aufgenommenen Städte
gegenüber auch ausdrückliche Nachweise wegen der fehlenden Grofs-
Städte der nächsten Vergangenheit wünschen, um sicher zu sein, dafs
das Fehlen nicht etwa auf einem Fehler beruhe, zumal wenn man
Oegentheiliges liest, wie folgende Zeitungsnachricht aus neuester Zeit.
In einer Ankündigung der „chinesischen Telegraphen-Com-
pagnie in Amerika^ ist von einer 900 engl. Meilen langen, zehn
Städte umfassenden Telegraphenverbindung die Rede, deren auswär-
tiger Handel zusammen 900 Mill. Dollars betrage, und anter diesen
10 Städten befinden sich: „Kanton mit 1 Mill., Futschen mit 1| Mill.,
Ningpo mit 400,000, Hangtscheu mit 1,200,000, Schanghai mit
1 Mill. Einwohnern^, aber kein Tschangtscheu, obwohl dasselbe in der
Strecke zwischen Kanton und Schanghai liegt Es gesellen sich mit-
Mn bei unserem Zweifel zu den inneren Gründen auch änfsere.
208
IX.
P. V. Ssemenof s Forschungsreisen in den Trans-
Ilischen Alatau und zum Issyk-Kul,
ausgefbhrt in den Jahren 1856 und 1857.
Kach dem Bauischen tod F. Marthe.
(Schlnffl ▼on S. 187.)
Im folgenden Jahre 1857 hatte der treffliche Fahrer, dem wir bis-
her gefolgt sind, Gelegenheit, seine Kenntnisse vom westlichen Flagel
des Alatau durch eine Excursion in das Thal des Eebin zu Tervolistün-
digen. Es war diesmal in besserer Jahreszeit, am 17. August n. St^
als er in Begleitung eines höheren Localbeamten mit einer Bedeckuog
von 5 Kosaken aus W&rnoje aufbrach. Die Reise ging an der Almaty
oder Almatinka, an welcher bekanntlich W&rnoje liegt, aufwärts und
war in ihrem ersten Theile die Wiederholung einer Excursion, welche
Ssemenof schon am 31. Mai im Almaty-Thale bis zur Grenze der
Waldvegetation ausgeführt hatte.
Zwölf Werst oberhalb Wärnoje beginnt der Eintritt in die Vor-
berge des Alatau. Das schone Thal der Almatinka nimmt von hier
aus bald den Anblick eines künstlich bepflanzten Gartens oder Parkes
an; Gruppen wilder Apfel- und Aprikosenbfiume sind untermischt mit
anderen Laubbäumen, namentlich von der neu entdeckten Ahornart
(Acer SemenotDÜ)^ der gemeinen Vogelbeere (Sorbus aucuparia)^ der
Espe {Popuhis iremula\ Crataegus pinnatiflda und von Strauchem der
schwarzen Berberitze {Berberis heieropoda). Zu den in dieser Zone
wachsenden Gr&sern gehören u. A. Paeonia anomala (ear. hybrida
forma intermedia), Scrophularia aguatica, Rheum leucorhi^um. Das erste,
zu Tage stehende Gestein ist Syenit. Nach l\ Stunden Steigens geben
Flufs und Thal in zwei Aeste auseinander, die Aprikosen- und Apfel-
bäume hören auf (in einer Höhe von 4 — 4500 Fufs), es beginnt der
Fichtenwald, immer noch untermischt mit den vorhin genannten Laub-
bäumen, von denen übrigens der Ahorn bei 5000 Fufs seine Grenze
erreicht. Die in der Zone der Nadelhölzer vorherrschenden Sträucber
sind: Geifeblatt (JLonicera tatarica, L. caerulea, £. hispida)^ Himbeere
{Rubus idaeue)^ Johannisbeere {Ribet airopurpureum und diacanihum).
Wachholder (Juniperus pseudosabina). Unter den Kräuteri^ der Wald-
zone fielen dem Reisenden die Vertreter von Familien auf, die im Thian-
Shan und Alatau selten sind, namentlich aus der Familief der Orcbi-
P. y. Ssemenof 8 Forschnngsreiten in den Trans-Ilischen Alatau. 209
deen: CoeloglosMum viride und Goodyera repem^ ferner zwei Speciet
Fgrola, Aafserdem wuchBen hier: Aquilegia wilgaris, Atragene a^nna,
CheHäonium tnajuSy Draba incana (tar. habecarpa)^ CerasHwn dahuricumf
Orohus hUeus^ Lathyrus pinformia, Geranium rectym, Pedicularia verti-
tUlata, Veroniea biloba. Die Reisenden waren den westlichen Arm der
Almatinka hinaufgegangen, der steile Pfad führte durch Walddickicht
ond oDgeheare Stein- und Felsblöcke hindurch. Nach 3 Stunden We-
ges in der Nadelholzzone trafen sie in einer Höhe ron 7500 Fafs, kurz
unterhalb der Grenze dieser Zone, Anstalten zum Nachtlager. Die
Flora trug hier schon den Charakter der sub-alpinen Zone, vorherr-
Mhend standen hier: Ranunculus rutaefoliuSy Troliius paiulus^ Anemone
narcissißoroy Aeonihtm Napellus t>ar, racemosa (sonst auch A, Lobehor
muii), Viola aUaica, K biflora, Parnassia Laxmani, Linum perenne,
Tkermapsis a^ina, Alchemilla vulgaris , Saxifraga sibirica, Cnidium
carvifohum, Primula nivalis^ Androsace septentrionalis, Polemonium coe-
nUeum^ zwei Arten Cur ex u. a. Das Gestein, das am Orte des Nacht-
lagers austrat, war Syenit.
Am 18. August kamen die Reisenden nach halbstündigem muh-«
seligem Marsche durch Syenitfelsen und Fichtenwald aus der Waldzone
ber&as und betraten zunächst die Zone der Alpenstrfiucher, bald die
der aasscbliefslichen Alpenkräuter. Die üppige, durch Mannigfaltigkeit
der Blumen und Lebhaftigkeit der Farben ausgezeichnete Flora der
Alataaacben Alpenzone bestand aus folgenden -Pflanzen: Ranuncuku
nUaicus vor. irilobus, Hegemone lilacina, Delpkinium citueasicum par.
kinuium, Aconitum Napellus, A, Lyeocfonum^ A^ roiundifoUum, Papaver
o/ptiMim, Corydalis SemenotDÜ, Draba pilosa, D, lactea, Lychnis apeiala^
Akine tema, Cerastium trigynum, Geranium saxatile^ Thermopsis al-
ptna, einige alpine Species von Äsiragaltts und Oxyiropii, Hedysarum
^searumy PotenlUla fniticosa, Saxifraga hireulus^ S, ßagellaris, S. sibi-
riea, Aster alpinus, Erigeron alpinum, Leontopodium a^inum^ 2Saussurea^
fJoronicum altaicum^ Campanula glomerata^ Primula nivalis^ Ptimula for
rinosa, SoldaneUa alpinay Myosotis alpestris^ Eritrichium piüosttm^
(hfmnandra altaica, 2 Arten Carex. Endlich horte aller Pflanzenwuchs
auf, und die Reisenden arbeiteten sich durch frischgefallenen Schnee
gegen Mittag zum Gipfel des Passes hinauf. Das Thermometer zeigte
hier -f- 3,5* C, als absolute Höhe des Passes ergab sich aus der Tem-
peratur des siedenden Wassers 10,650 russ. Fufs.
Ueber ein Schneefeld hinweg stiegen die Reisenden zu einem
kleinen, hübschen Alpensee hinab^ aus welchem der Ik-Eoi-Ssu, einer
der Quellarme des Kebin, abfliefst. Der ganze Abstieg war äufserst
steil. Das austretende Gestein bestand zuerst aus Granit, dann aus
Syenit, dem endlich Schiefer folgte, welcher von O. nach W. streichend
2«iUcbr. d. Qes«Il8cb. f. Erdk. Bd. IV. 14
210 Marthe:
nach Sud »bfiel. Nach 5 Standen Absteigens war das Thal des Ke-
)>in erreicht, nicht weit von dem obersten Theile dieses schönen Lftnga-
spaltes. Beim Hiountersteigen zum Kebin konnte deutlich wahrgenom-
men werden 9 wie dieser FloXs aas mehreren Gebirgsb&chen entsteht,
welche haapts&chlich dem Gebirgsjoch entspringen, das die Nord- and
Südkette des ^^Trans-Ilischen^ Alatau verbindet and die Qaellen des
Kebin and des ostwärts laufenden Tschilik von einander scheidet.
Der erste Zuflufs des Kebin von der Südkette her ist der Koi-Ssn.
Dem Laufe des Kebin folgten die Reisenden in dem ziemlich breiten
Tbale, dessen Gr&ser von den Heerden der Kara-Kirgisen nach den
Erfahrungen des vorangegangenen Jahres nicht berührt worden waren.
Die Richtung war direct westlich. Bis zur Mündung des Ak-Ssai,
der von rechts in den Kebin fällt, ist das Thal vollständig waldlos,
einige Alpenpflanzen, z. B. Leontopodium alpinum und Parnassia Lax^
mani^ wachsen an den Rändern des Flusses, und unter den Millionen
hier aufgeschütteter Steine Patrinia rupestris. Die Reisenden setzten
auf das linke Ufer hinüber und verfolgten ihren Weg am Saume eines
»Fichtenwaldes, der sich nicht gerade weit den Berg hinaufzog. Kurz
vor der Mündung des wasserreichen,8chäumenden Aitambet-Tschokn,
der von links zum Kebin fliefst, gingen sie wieder auf das rechte Ufer
hinüber. In der Ferne sahen sie auf der linken Seite die Mündung
der Schlucht, aus welcher sich der uns schon bekannte Dürenyn-Ssa
in den Kebin ergiefst, und welche auf beiden Seiten mit einem breiten
Streifen Fichten waldang umkränzt ist Sie sollten nicht bis dahin ge-
langen. Der mitgenommene kirgisische Führer sah plötzlich mit immer
ängstlicherer Miene aufmerksam am Boden umher. Die Europäer be-
merkten hier nichts als frische Pferdespuren; aber der Kirgise behaup-
tete nach Beendigung seiner Prüfung, dafs an dieser Stelle vor etwa
einer Viertelstunde eine grofse Baranta, über 100 Mann, der Ssara-
Bagisch gerastet habe. Und richtig, nicht weit davon stiefs man auf
einen Haufen noch glimmender Kohlen. Die Kirgisen besitzen über-
haupt, ähnlich den rothhäutigen Steppenbewohnern Nordamerikas, eine
erstaunliche Fertigkeit darin, aus gefundenen Spuren zu erkennen, wann
dort Menschen waren, wieviel und von welchem Stamme. Um das
Zusammentreifen mit den freien Kindern der Steppe zu vermeiden,
warf sich die Reisegesellschaft in die erste Schlucht der Nordkette des
Alatau. Es war ein öder, wilder Querspalt, in welchem sie noch so
weit hinanstieg, dafs das Nachtlager in einer Höhe von etwa 8500
Fufs, sicher vor jeder Gefahr, genommen werden konnte. Ein schroffer,
aus Kieselscbiefer bestehender Felsen schützte vor jeder Ueberraschung.
Die Nacht war hell und kalt, schon am Abend das Zelt bereift.
Am Morgen des 19. August um 7 Uhr stand das Thermometer
\
I
P. T. Ssemenofs ForBchnngsreisen in den Trans-Ilischen Alatan. 211
aaf 0', riDgsam war der Felsboden mit Reif fibersogen» Die ReiseDden
gelangten mit grofeer Mühe in 2 Stunden den steilen Kamm hinauf,
der die Schlacht schlofs and sich als 10,490 Fafs hoch erwies. Aaf dieser
Höhe wachsen einige Pflansen der oberen Alpenzone, unter apderen
die kreazbluthige Hutchinsia peetinata Bge. Am Nordabhange zeigte
nch ein kleines Eisfeld ewigen Schnees. Nachdem die steile Nieder-
fahrt vom Haaptkamme glücklich vollendet war, wendeten sich unsere
Reisenden etwas westlich und gelangten bald an den ostlichsten Quell-
bach des Eeskelen, an dem sie bis zur obem Grenze der Wald Vegetation
hinabzogen und dann Halt machten, um die Höhe dieser Grenze hyp-
sometrisch zu bestimmen. Sie stellte sich hier auf 8060 Fufs, eine
Ziffer, die mit früheren Beobachtungen gut übereinstimmte. Man würde
danach am Nordabhange des Trans-Ilischen Alatau die äufserste Grenze
de8 Waldwuchses zwischen 8000 und 8500 Fufs zu suchen haben.
Höber hinauf, bis 9000 und' 9500 Fufs, gehen alpine Strfiucber, wie
z. B. Lotticera hispida, Potentilla frtUicosQy Juniperus pseudosabina u. a.
Als die Reisenden noch weiter hinab, zum Zusammenflusse der
Qaellarme des Keskelen gekommen waren, befanden sie sich auf einem
ao8 schon bekannten Wege. Ssemenof hatte diesmal Zeit, die' untere
Grenze der Nadelhölzer hypsometrisch zu bestimmen. Es fand sich, dafs
sie hier im Keskelenthale bei 5290 Fufs Meereshöhe liegt. Die Baumvege-
tation des Thaies wird von da an ärmlich ; das aus sandigem Diluvial-
boden bestehende Terrain ist trocken und umschliefst eine Menge Steine,
oft von ungeheuerer Gröfse, die aus Granit und Syenit bestehen und Ver-
sprengte vom Hauptstock des Alatau sind. Apfel- und Aprikosenbäume
sind im unteren Thale des Eeskelen nicht häuüg, dagegen fehlt es
nicht an hohen Sträuchern, namentlich sind vertreten : Hippophae rham-
noides, Crataegus pinnatifida, Coioneaster muUiflora^ Rosa platyacanfha
und cinamomea^ Berberis heteropoda. Unter den niedrigen Gewächsen
des unteren Thaies (von 4000 — 2200 Fufs) überwiegen Glycyrhi%a as-
perrima, Sophora alopecuroides, Erysitnum canescens, Salvia sihestris
d. h. solche Pflanzen, welche beweisen, dafs die Steppenflora auch den
nntern Theil des Thaies beherrscht.
Als man zuletzt auch die oben beschriebene Porphyrschlucht pas-
Krt hatte und in die heifse, an das Gebirge sich lehnende Ebene hinaus-
getreten war, zeigte das Thermometer Abends 8 Uhr nach Sonnen-
untergang etwas über 17,6* C. Als absolute Höhe dieser Ebene fand
Ssemenof 2302 Fufs. Auf einer Insel des hellen, rauschenden Keskelen
▼nrde übernachtet und am andern Morgen der Ruckweg nach Wär-
noje angetreten.
Unser Gewährsinann machte im J. 1857 noch verschiedene andere
Excursionen, namentlich in dem gesicherten Ostflügel des Gebirge?,
212 Marthe:
•
bei welchen er .alle irgend möglichen Bergöbergänge in beiden Ketten
flu passiren eachte and an Ort und Stelle mittelst der Temperatar des
siedenden Wassers 35 hypsometrische Bestimmangen ansfahrte. Das
Resultat dieser wissenschaftlichen Aosfifige fiassen wir mit ihm sam-
marisch zusammen.
Der ^Trans-Dische^ Alatan erstreckt sieb in einem mittleren Ab-
Stande von 50—60 Werst «»7 — 81 Meile südlich vom Flusse Ili in
der Richtung von ONO. gegen WSW. Hiernach erklfirt sich sein
Name ^Trans-Iliseh^, der ihn von dem Ssemiretschinskischen (^der sieben
Flusse^) oder dsungarischen Alatau unterscheidet 0- I^as breite Step-
penthal des Ili, ans dem der Trans-Ilische Alatau sich erhebt, hat eine
Meereshöhe von 1000 — 3000 Fu&, indem es vom Bett des Ili bis zam
Fufse des Gebirges allm&hlich ansteigt (das Niveau des Ili hat am Piket'
Iljiskoje nach Ssemenofs hypsometrischer Bestimmung 1230 F., nach
der barometrischen Golubef s 1300 F. absolflter Höhe). Die absolute Hohe
am Nordfufse des Trans-Ilischen Alatau wird durch folgende Messun-
gen Ssemenofs bestimmt: am Austritt des Keskelen aus den Vorbergen
(s. oben) 2302 russ. F., Warnoje 2270 F. (nach barometr. Bestimmung
Golubef s 2430 F.), am Austritt des Flusses Issyk 2940 F., am Aus-
tritt des Flusses Turgen 2970 F.» am Austritt des Flusses Tschiiik
2810 F. Die Hohe am Südfuise des Gebirges ergiebt sich aus den
oben mitgetheilten Bestimmungen über die Höhe des Seeniveaus im
Issjk-Kul.
Vom Ili aus gesehen, erscheint der Trans-Ilische Alatau wie eine
hohe steile Mauer, ohne alle Vorberge und ohne bedeutendere Aus-
schnitte in dem welligen Kamme; am höchsten erscheint und ist die
Mitte des ganzen Zuges, die über die Schneelinie hinausgeht, zu beiden
Seiten sinkt dann der Elamm allmählich und symmetrisch ab. Na-
mentlich die Formen des mittleren, schneebedeckten Theiles treten im
Sonnenlicht bei der durchsichtigen Atmosph&re Gentralasiens, z. B. von
Iljiskoje aus deutlich hervor, während die unbedentraden Contreforts
und Vorberge dem Auge völlig in einander fliefsen.
Als östliches Ende des Trans-Ilischen Alatau nimmt Ssemenof den
Funkt an, wo der Karkara und Kegen, welche den Tscharyn,
einen linken ZufluTs des Ili bilden, zusammenfliefsen, als Westende die
Stelle, wo der Tschu aus der Schlucht von Buam hervorbricht In
diesen Grenzen hat das Oebirge eine Länge von reichlich 28 geogr.
Meilen (200 Werst). Doch setzt sich diese Erhebung nach beiden
Seiten hin fort: nach Osten hin in die chinesische Ili -Provinz unter
*) Den die Rassen aber consequenter den „Cis-Ilischen" benennen wUrden,
da er eben nördlich vom Ili liegt.
F. ▼. SsemenofB ForschaDgsreisen in den Trans-Ilischen Alatan. 213
Teisehiedenen BenennnDgen (Kailok, Temiriik, TschanpanyD), weiter-
hin anter dem allgemeinen Namen Nan-Schan, bildet hier über den
Darcbbrach des Tekes hinaus die V orkette des Tbian-Scban and schliefst
sich dem gigantischen Bergjoch Bogdo-Oola an. Nach Westen za
bildet die Verlängerung des Trans-Itischen der Eirgisnjn-Alatau (oder
das Alexandergebirge), der sieh zwischen dem Tschu und Talas er*
streckt und mit dem westlichen Thian-Schan (von Ssäwerzof Urtak-Tau
benannt) durch das Bergjoch in Verbindung steht, welches die Wasser-
scheide zwischen den oberen Zuflüssen des Koschkar und des Talas
herstellt Mit diesen ostlichen and . westlichen Fortsätzen bildet der
Trans-Ilisohe Alatan unzweifelhaft die Vorkette des Thian-Schan, von
welchem er auch in seinem geognostischen Bau wenig verschieden ist.
'Wir betrachten hier nnr den Trans-Ilischen Alatau im engeren
Sinne innerhalb der oben bezeichneten Grenzen. Die höchst charac-
teristische Eigenthümlichkeit dieses Gebirgszuges ist die merkwür-
dige Symmetrie seiner orographischen Gestaltung. Das
Gebirge besteht aus zwei hohen Parallelkämmen, der oft genannten
Nord- und der Südkette. Beide Kamme sind beinahe im Meridian
der Mitte des Issyk-Knl darch ein Qaerjoch verbunden, welches das
tiefe, beide Ketten trennende Längsthal wie durch eine Scheide-
wand in zwei mit den Spitzen zusammenstofsende Längsthäler abtheilt,
ans denen nach West in der Richtung nach WSW. der Orofse Kebin
zun Tschu, nach Ost in der Richtung nach ONO. der Tschilik, ein
linker Zuflufs des Ili, abfliefsen. Dem Querjoche entspricht in der
Nordkette der höchste Pankt des ganzen Gebirges, der Talgarnyn-
Tal-Tschoku, zu dessen beiden Seiten auf je 7 Meilen hin das Ge-
birge ewigen Schnee auf seinem Racken trägt. Jedes der beiden Längs-
thäler hat etwa eine Länge von ^ Meilen (100 Werst) bei einer
Breite von 2^ — 3 Werst. Der Tschilik bricht aus seinem Längsthaie
dorth einen Querspalt der niedriger gewordenen Nordkette and wendet
sieh weiterhin nach Norden, der Kebin durchschneidet zuletzt in einer
wilden Schlucht diagonal die Südkette und strömt im nördlichen
Theile des Engpasses von Buam in den Tschu ein.
Es gehört ferner zur Symmetrie dieses merkwürdigen Gebirges,
dafs die beiden Ketten desselben an ihrem östlichen und westlichen
finde allnnählich aus einander treten, dafs demnach die beiden Längs-
thäler in demselben Verhältnifs sich erweitern, und dafs in jedes dann
eine mit den Hanptketten parallele Zwischenkette eingeschoben ist. Im
Osten heifst dieser Nebenzag Dalaschik und scheidet von dem Längs^
thale des Tschilik das nördliche kürzere Längsthal Dschenischke.
Im Westen heifst diese Zwischenkette Utsch-Konnr und trennt vom
Orofsen Kebin den nördlichen, sehr kurzen Kleinen Kebin. (Die
214 Marthe:
Yerhfiltnisfie hier im Westen kennt Ssemenof indefe nicht aus eigener
Anschaaung ' ).
Der Kamm beider parallelen Haaptketten besteht seiner ganzen
Lfinge nach aas Granit und Syenit. Am Nordabhange der Nordkette
erscheinen hie und da Kieselschiefer, die stark zerrissen und metamor-
phosirt sind von Porphyren, aus denen alle Yorberge des Nordabhanges
bestehen ; Kalke, aber ohne organische Ueberreste, liegen auf der Nord-
seite nur im Querthale des Turgen. Zwischen beiden krystallinischen^
Ketten breiten sich in den Längsthälcrn Flötzgesteine aus, namentli<^b
Schiefer, Sandstein und Kalke paläozoischer Formationen, in denen
sich viele Versteinerungen befinden, in den untern Schichten aus der
devonischen (z. B. Airypa reticularis)^ in den oberen aus der Stein-
kohlen-Formation (so z. B. Producius setnireHcuiatus, Pr, cora u. a.). Im
Thale des Tschilik, wie in dem des Kebin ist der Fall der Flötz-
schichtungen ein synklinischer, d. h. sie sind durch die gleichzeitige
Hebung beider Paralielkämme emporgetragen worden. Das Zwi-
schengebirge Dalaschik besteht ganz aus Flötzformationen , deren
Schichten eine an ti klinische Falte bilden, die sich in der Mitte des
Längsthaies, parallel den krystallioischen K&mmen gebildet hat Am
Sudabhange der Südkette liegen dieselben Kieselschiefer und Kalke,
auch fand Ssemenof hier Versteinerungen aus der Steinkohlenform ation
im Thale des Tabulgaty. Porphyre bilden ebenfalls hie und da Vor^
berge auf der Südseite des Alataa. Dioritadern begegnen an verschie-
denen Punkten des Gebirges.
Nach allem diesem zerfällt das Relief des Trans-Ilischen Alataa
in drei Haupttheile: 1) die Nordkette mit ihren Vorbergen, 2) die
beiden Längsthäler mit den einliegenden Zwischenketten und Hoch-
ebenen, 3) die Südkette. •
• Die Nord kette ist in ihren allgemeinen Zügen genugsam ge-
schildert worden. Der besondere, östliche Theil derselben, der vom
Durebbruch des Tschilik bis zum Tscharyn reicht, ist unter dem Namen
Taraigyr bekannt. Die Höhe ihres Hauptgipfels, des Talgarnyn-
Tal-Tschoku, wurde von Ssemenof nicht speciell gemessen, doch
vermuthet er nach seinen Bestimmungen über die Höhe der Schnee-
linie und nach einer Vergleichung der schneelosen und schneebedeckten
Theile dieses Berges, dafs seine Höhe nidbt bedeutend über 15000 rass.
FoTs hinausgehen könne. Die mittlere Höhe der Nordkette überhaupt
würde sich ungefähr aus den von Ssemenof gemessenen Höhen einiger
Bergübergänge ergeben, es sind vom TVilgarnyn-Tal-Tschoku aus im
') Orographisch betrachtet ist es also die Nordkette, welche sich an ihrem
6stScheii und westliehen Ende gabelfSrmig theilt.
P. T. Ssemenors Forschangsreisen in den TranB-Hischen Alataa. 215
Weetflugel: der Almaty 10,620 F., der Keskelen 10,490 F., der Ssuok-
Tubbe 7500 F., im Ostflogel : der Turgen-Aßsy 8060 F,, der Turaigyr
6336 Fufs hoch. Hiernach würde sich die mittlere Eammhohe der Nord-
kette etwa aaf 8600 Fafs stellen. Den schönen Querthälern des Nord-
abbanges der Nordkette entströmen rasche, rauschende Oebirgsfljisse,
7on West nach Ost gezählt: der Eastek, der Eara-Eastek (bei Sse-
menof beide Maie Eestek), der Eargaly, der Tschemolgan, der Ees-
kelen, der Ak-Ssai, zwei Almaty, der Talgar, der Issyk, der Tnrgen,
der Tschebdar, der Tschilik u. a. Alle diese Flösse werden nach
ihrem Austritt in die Steppenebene durch Bewässerungscanfile stark
angegriffen und erreichen aufser einigen sehr wasserreichen, wie z. B.
der Tschilik, nicht den Ili, — Die Porphyrvorberge der Nordkette, deren
Höhe im Verhältnifs zu letzterer an sich unbedeutend ist, treten zu
den Vorsprungen oder kurzen Querriegeln derselben so nahe heran,
daCs sie mit ihnen fast zusammenfliefsen. Nur vom Turgen an nach
Osten werden diese Yorberge in dem Mafse, als der Hauptkamm sinkt,
bedeutender, und indem sie sich allmählich ganz vom Hanptkamme
ablösen, treten sie. östlich vom Durchbrnche des Tschilik als eine be-
sondere Forphyrkette Bogaty auf, die in dem Bergpasse Sseirek-
Tas eine Meereshöhe von 4990 Fufs erreicht und von dem Osttheile
der Hauptkette, dem Turaigyr, durch ein vollstäxidig ebenes Plateau
getrennt ist, ^Iches letztere bei 15 Werst ^= 2f Meileir Breite eine
abflolate Höhe von 3580 russ. FuDs hat.
Was die beiden Längsthäler unseres Gebirges betrifft, so hat
das Kebinthal bei der Einmündung des Dürenyn reichlich 6350 Fufs
absolnte Höhe * ), da diese Messung indefs im oberen Theile des Thaies
aosgeiuhrt wurde, und der Eebin bei seiner Mündung in den Tschu
schwerlich über 4000 Fufs hoch liegt, so wird als mittlere Meereshöhe
des Eebinthales 5000 russische Fufs anzunehmen sein. Das Thal des
Tschilik liegt in seinem obersten Theile nach Ssemenofs Messung
6550 Fufs hoch, an der Stelle, wo der Tschilik die Wendung zum
Dnrchbruche macht, 5010 Fufs, seine mittlere Höhe würde sich also
sof 5700 Fufs stellen. Das mit diesem parallele, kürzere Längsthal
des Dschenischke lag an einer Stelle, wo Ssemenof es durchschnitt,
5820 Fufs hoch. Der zwischen beiden Thälern streichende Dalaschik
hat in dem Fasse Mai-Bulak 7835 Fufs und in seinem höchsten
Gipfel 9530 Fufs Meereshöhe. Oestlich von der Wendung des Tschilik
breitet sich zwischen den beiden niedriger gewordenen Hauptketten
«in hohes, sehr ebenes Steppenplateau aus, von den Eingeborenen
') Zwisehen dieser Angabe und der obigen (3. 1S5) ist ein Widersprach, den
ieh nicht zu Idsen vermag.
216 Marthe:
Dschelanascbtsch genannt; es liegt im Westen d. h. an der Bie-
gung deS'Tschilik reichlich 5000. Fufs hoch, in seinem ostlichen Theile^
namentlich jenseit der Vereinigung des Karkara ond Regen, 5300 F.^
and im N. oder vielroehr NW. am Fafse des Tnraigyr 4570 Fufs.
Die^e Hochebene nnn ist geologisch und topographisch sehr merkw&r*
dig. Offenbar war sie ursprünglich ein tiefes, zwischen den Parallel-
ketten eingesenktes Kesseltbal, welches allmählich durch jüngere Nieder*
schlage, bestehend aus Sand und Lehm nebst zahllosen Steinen ausge-
füllt wurde. Das Alles bildet nun eine Art schwach cementirten
Conglomerats, welches so leicht zerfällt und verwittert, dafs die drei
Flüfschen Merke, welche dieses Hochplateau dnrchrinnen, sowie femer
der Karkara und Kegen bei ihrer Vereinigung, endlich der aus letzte-
rer gebildete Tscharyn sich tiefe Betten in dasselbe gegraben haben.
Die Thäler dieser Flüsse sind in das I^uptplateau bis in eine Tiefe
von 700 — 800 Fufs eingeschnitten und gehen mit ihrer Sohle durch
das Angeschwemmte hindurch bis zum festen Gestein, welches an der
zweiten Merke aus Bergkalk mit seinen Versteinerungen besteht. Dies
furchtbar zerschnittene Terrain ist das Haupthindernifs auf dem sonst
besten Wege, der von Wärnoje zum Issyk-Eul geht und über den
Sseirek-Tas, den Turaigyr, die drei Merke und den sehr bequemen Pafs
der Sudkett^ SsaorTasch fuhrt.,. Zur Erklärung jener colossalen Ab-
lagerungen nimmt Ssemenof an, dafs der Kessel einst i^schlossen war,
und viele Bergströme Steine, Geröll und abgespülte Erdschollen
in ihn schütteten, bis der Kessel mehr and mehr sich füllte, das
Niveau des Sees, der sich in ihm gebildet hatte, stieg und endlich die
Gewässer einen gewaltsamen Durchbrach nach Norden sachten, wohin
noch jetzt der Tschiiik und der Tscharyn abfliefsen. Seitdem mnlsten
sich die drei Gebirgsbäche Merke in dem ebenen Hochplateau, dessen
Bestandtheile der Kraft eines raschen Bergstromes wenig Widerstand
entgegensetzen konnten, ihre tiefen Betten eingraben, die endlich bis
auf das feste Berggestein hinabgelegt vnirden. Die vereinigten Flüsse
durchwühlten dann auch die harte Felsbank, die unter dem losen Con-
glomeratgebilde am Boden des Tscharjn-Thales verborgen liegt, und
es entstanden so in der tiefen Schlucht bei der Mündung der Flüsse
Merke in den Tscharyn die prächtigen und malerischen Wasserfälle
des letzteren, welche unter dem Namen Ak-Togoi bekannt sind, ^der
weifse Strom**, weil das ganze Wasser des. Tscharyn sich hier in silber-
glänzenden Schaum und Wasserstaub auflöst.
Die Südkette ist der nördlichen in ihrem Ba« ähnlich, anr
scheint sie im mittleren Theile niedriger als diese zu sein, fällt dafür
aber allmählicher auf ihren Flügeln ab, ihre Pässe sind ferner in dem
r
F. r. Ssemenof 8 Forschungsreisen in den Trans-Uisehen Alataa. 217
Haoptkamme sehr wenig eingeschnitten, und so ihre mittlere Kamm«-
höhe etwas bedeutender als die der Nordkette. Im westlichen Theile
konnte Ssemenof keine hypsometrischen Bestimmangen ausfahren ; den
von ihm Sberschrittenen Pafs Durenyn-Assj schätzte er auf 9000 bis
10,000 FuTs. Im Ostfiugel mafs er vier Passe : den Eurmety 10620 F.,,
den Sehaty 10,040 F., den Tabulgaty 8790 F. und den Ssan-Tasch
5850 Fufs. Danach würde sich als mittlere Eammhöhe 8825 russ. Fufs
ergeben. Die mittlere Höhe der Bergpfisse in beiden Ketten des Trans-
üischen Alataa ubertri£ft also die mittlere Hohe der Alpenpfisse, und
aar die Pässe im Hauptkamme des Kaukasus können bich an Höhe
mit denen des Alatau messen.
Zaletzt giebt der ausgezeichnete Forscher eine Uebersicht der
Vegetationszonen im Trans-Ilischen Alatau. Er unterscheidet de-
ren fünf resp. sechs, welche eine über der anderen liegen.
Die erste ist die Steppenzone, welche bis 2000 Fufs hinauf
d. h. eben nnr an den FuTs des Alatau hinangeht. Wfilder giebt es
in derselben gar nicht Nur der Rand der Flüsse, des 111 und anderer
ist hie und da mit Bfiumen umsäumt, Pappeln (Populus pruinoia und
P. (UversifoUa), Dschidda (Elaeagnus angustifolia) und einer Eschen-
{Fr(unnus-)Art. Dies sind nach Ssemenof die einzigen «Bäume, welche
in dieser Zone im Trans-Ilischen Striche vorkommen. Dagegen ist die
Steppenzone ungleich reicher an Sträuchern. Hierher gehören: Cle^
matis soongorica Bge., CL orientalis L., Berberis integerritna Bge.,
Ammodendron Sieversii Fisch., Halimodendron argenteum D. C, Caragana
fnUescens D. C, C. tragacanthoides , Hultheimia herberifolia Dumort,
Aosa Gebleriana Sehr., Tamarix ehngata Led., T. laxa W., T, Pallasii
Mey., T. hispida W., Lycium sp., ferner ^saksaul {Anabasis Ammodenr
dran), einige Arten Calligonum, Salix und Ephedra,
Die Flora der Steppenzone unterscheidet sich überhaupt von den
über ihr liegenden scharf durch ihren , dem europäischen Typus frem-
den Character. Nicht nnr ist es die starke Proportion reiner Steppen-
fonnen, wie z. B. der zahlreichen Salsolaceen und Tamariscioeen, von
I^iUBisoeen — die Astragalus- Arten, ferner Hedysarum, Älhagi^ Ha"
ümodeudron^ Ammodendron, unter den Doldenpfianzen — die Ferula,
von den Caryophyllen AcatUhaphylkttn , uoter den Compositen — die
Smusurea, ferner von Polygonen — die Caüigonum^ endlich Cgnomo*
mm eocdneum L. u. a. mehr, sondern es ist nicht minder auch
der Sn&ere Anblick, der Habitus dieser Steppenpftanzen , der dem
europäischen Wanderer auffallen und nen erscheinen wird. So erblidct
er halbstrauehartige, yielverzweigte, stechende oder fleischige Formen,
das Grün oft mehr aschgraufarben, oder wo es fleischig ist,, mit einem
218 Martlie: .
granlichen Schmelz, wie bei der reifen Pflaume, aberzogen. Er yermifst
den zasammenbfingenden Rasen, vielmehr schimmert darch die in Zwi-
echenräamen von einander stehenden Pflanzen- Individuen der nackte Bo-
den hindurch, endlich sieht er selten verschiedene Arten darch einander
gemischt, sondern in der Regel jede einzelne zu mehr oder weniger aus-
gedehnten Gruppen oder Gesellschaften vereinigt. Europäische Pflanzen-
formen bilden in der Steppenzone höchstens 1 0 Procent ihrer Flora, und
aach diese sind mehr Formen, die den Uferländern des Schwarzen und des
KaspischenMeeres angehören, wenige, die auch in Mitteleuropa heimisch
sind. Der gröfste Theil dieser Steppengewächse gehört zur Flora der
Aralo-Kaspischen Niederung, die sich hier in die Tiefe Mittelasiens, zwi-
schen die äufsersten nordwestlichen Verzweigungen des grofsen centralen
asiatischen Berglandes eindrängt Manche dieser Pflanzen gehen aller-
dings auch über die Grenzen jener Niederung hinaus, theils nach NO.
in die Barabi nskische Steppe und zum Fufse des Altai, theils sudwest-
lich nach Persien und ein die südlichen Uferländer des Schwarzen und
des Mittelländischen Meeres, bis nach Syrien und Nordafrika hin. Da-
für sind aber auch nicht ^wenige, die bis jetzt nur in den Grenzen der
Ili- und Balchasch-Niederung gefunden wurden. Es sind: CUfnatis
soongorica Bge., Farsetia spathulaia Kar., Helianihemum soongoricum
Sehr., Acanthophyüum paniculatum Regel et Herder, Erodium Seme-
nomi R. et H., Haplophyllum Sievergii Fisch., ZygopkyUum R. et H.,
Oxytropis Semenowii R. et H., Ästragalus brachypuB Sehr., Ä, cognalus
Sehr., Ä. sphaerophyia Kar., A. Turczaninovii Kar., A. spartioides Kar.,
A. lanuginosus Kar., A, flexus Fisch., A. lagocepha^us Fisch., A. alopecias
Fall., A. Semenofoii R. et H., A. ilensis R. et H., A. farctus R. et H.,
A, chlorodontha R. et H., A, halodendron R. et H., Orobus Semenowii
R. et H., Hedysarum Semenowii R. et H., Rosa Gebleriana Sehr., Eryn-
gium macrocalyx Sehr., Ferula soongorica PalL, Ackillea trichophylla
Sehr., Artemisia juncea Kar., Saussurea rigida Led., S, coronata and
noch manche andere.
Es lassen sich in der Steppenzone 2 Etagen unterscheiden, die
anch in ihrer horizontalen Erstreckong zwei besondere Gebiete bilden*
Die erste, von 500 — iOOO Fufs gehende, ist durch Ssaksaal and über-
haupt die charakteristischen Pflanzen der Aralo-K aspischen Niederang,
femer durch locale Typen gekennzeichnet Die zweite von 1000 bis
2000 Fufs gehende chäracterisirt sich durch Arlemisia und begreift eine
grofsere Zahl europäischer Typen als die erstere. E^inia and Boden
der Steppenzone zeichnen sich durch aufserordendiche Trockenheit ans.
Flosse, welche die drei nächst höheren Zonen als muntere Bergstiöfflc
durcheilen, nehmen rasch an Umfang ab, sobald sie die Steppenzone
P. T. Ssemenof s Forschnngsreisen in den Trans-Ilischen Alatau. 2 1 9
beitihren, bilden lange Trockenstellen oder salzhaltige kleine Seen and
sterben endlich ganz ab, indem theils der durstige Boden, theils die
erhitzte Atmosphäre ihr Wasser verschlucken. Für Kolonisation ist die
Steppenzone darom angeeignet, and die einzige rassische Ansiedelang
derselben, Iljiskoje an einer Ueberfahrtsstelle des 111, hat keine öko-
nomische, sondern nar strategische Bedeutung. Dagegen hat die Steppen-
zone far die Oekonomie der Eingeborenen, der Kirgisen, eine um so
gröHsere Wichtigkeit, denn sie gewährt ihnen die beste Ueberwinterungs-
sUUte und gutes Yiehfutter während des kurzen, wenig schneeigen
Winters, der dieser Zone eigenthümlich ist.
Die zweite Zone, welche die Kultur- und Gartenzone heifsen
konnte, erstreckt sich nicht nur am Fufse des Alatau, sondern geht
auch seine Vorberge und Thäler bis zur untern Grenze des Nadel-
bolzes hinauf, d. h. von 2000—4500 Fufs am Nord- und bis 5000 Fufs
am Sudabhange des Gebirges. An Laubwaldungen ist in dieser Zone
kein Mangel, besonders sind solche Wäldchen in den untern Theilen
der Querthäler, welche den Nordabbang des Alatau durchbrechen, nicht
selten and üppigen Parkanlagen zu vergleichen. Unter den Bauoa-
gattnngen dieser Zone treffen wir auch Obstbäume, die in Sibirien
völlig fremd sind, so den wilden Apfel- und den wilden Aprikosen-
banm, im westlichen Thian-Schan auch Pistacien- und Walin ufsbäume.
Aolserdem gedeihen in dieser Zone : Popuius laurifolia, P, tremula, Be-
tnia datmrica, die schöne, neuentdeckte Ahornart Acer Semenowii, Sor-
Ims aucuparia, Prunus padus und Crataegus pinnalißda. Von diesen
Steigen auch in die folgende Zone hinauf: Birke, Espe und Vogelbeere.
Sträucher sind ebenfalls in dieser Zone zahlreich vertreten: Clematis
toongarica Bge., CL orienialis L., Berberil keteropoda Sehr., Caragana
fmtescens De, C tragacanthoides Poir., C. pygmaea De, Halimodendron
orgenteutn De, Prunus prosirata Lab., Spiraea hypericifoHa L., S, mul-
Üßda L., S, crenaia L., S. irilobnta L., Rubus idaeus L., Rosa pimpi"
neUifoHa De, R. platyacaniha Sehr., R. cinamomea L., R. acicularis
Und. t>ar, Gmelini, Cotoneasier vulgaris Lindl., C. nummuiaria Fisch.,
Myricaria alopecuroides Sehr., Ribes heterotrickum Mey., Lonicera ta-
tariea L., Vibumum opulus L., Hippophae rhamnoides L., einige Calli-
yomm und Ephedra. Die Flora dieser Zone schliefst im Ganzen über
60 Prooent europäischer Arten in sich, und zwar besonders Vertreter
der mittelearopäischen Flora. Unter den rein asiatischen Typen ge-
hören einige zar sibiriscb-altaischen Flora, andere zur Aralo-Kaspischen,
die meist aos der vorhergehenden Zone hoher hinauf gezogen sind, eine
dritte Abtheilang endlich bilden die der Dsungarei d. h. den Stafen-
lindem des Thian-Schan, der beiden Alatau and des Tarbagatai eigen-
220 Marthe:
thümlichen PflanzeD, die theilweise aach weiter sfidlich, am Rande des
asiatischen Hochgebirges d. h. im östlichen Persien verbreitet sind.
Zar ersten Kategorie zählen: Paeonia anotnala L., Sysimbritm
brassicaeforme Mej., Cerastium maximum L., C. datniricum Fisch., Ge-
raninm albißorum Led., Thermopsis lanceolata R. Br., Caragana pyg-
maea De, C. tragacanihoides Poir., Astrag ahts vicioides Led., A, kyp<h
gaeus Led., Ä. Arbuscula Pall., A. armatus Kar., Hedysarum polymorphum
Jjed., Hed, negiecium Led., Spiraea trilobata L., Potentilla pensykanica
L., P. dealbata Bge., P. muUißda L., P. bifurca L., P. chrysantha L.,
P. sericea L.
Zur zweiten Kategorie gehören: Clematis orientalis L., ^nemoo«
biflora De, Ranuncfdus platyspermus Fisch., Papaver arenarium Hieb.,
Glaucium squamigerum Kar., Euclidium tataricum De, Chorispora tenella
De, Leptaleum filifoliutu De, Goldbachia laetigala De, DianthuS crinitus
Sm., Z>. recUcaulis Led., Acanthophyllum spinosum Mej., Peganum har-
tnala L., Trigonelia polycerata L., Glycyrrhiza asperrima L., Halimo-
dßndron argenteum De, Oxytropis ßoribunda De, Astragalus PaUasii
Fisch., Prunus armeniaca L , A prostrata Led., Cotoneaster nummufaria
Fisch., Tamarix PaUasii Deav., Valerianellaplagiostephana Fisch. Einige
von diesen Arten gehen sudlich über die Aralo-K aspische Niederung
hinaus und sind auch in Persien heimisch, wie j4n6mone biflora und
Acanthophyllum spinosum.
Der dritten Kategorie endlich gehören an : Clematis soongorica Bge.,
Berberis heteropoda Sehr., Heliantkemum soongoricum Sehr., 5»/6ne 5e-
menotoü R. et H., S. holopetala Bge., Acanthophyllum paniculaUim Reg.»
ilcer 5emenot0ift R. et H., HapiophyUum Sieversii Fisch., Oxytropis macro^
carpa Kar., 0, merkensis R. et H., 0. instans R. et H., Astragalus leueoclä'
dus Bge., A, lasiopetalis, A, ellipsoideus Led., Ä. Sietersianus Pall., Ä.
' arganaticus Bge., A, petraeus Kar., A Schrenkianus Mey., Hedysarum
soongoricum Bong., Onobrychis pulcheUa Sehr., Rosa platyacantha Sehr.,
Crataegus pinnatißda Bge., Myricaria dhpecuroides Sehr., l/m^t/tcM
platyphyUus Sehr., ^i6e« heterotrichum Mey., Cortim seUtceum Sehr.,
Dipsacus azureus Sehr., /nti/a grandis Sehr., Pyrethrum R. et H., ^rltffni-
sta O/tftertona, Ligularia maerophylla De und andere.
Die Kultnrzone ist nicht nar überhaupt für Acker- nnd Gartenbau
geeignet, sondern aach durch grofse Fruchtbarkeit aasgezeichnet, — aber
unter der Bedingung, dafs die Möglichkeit künstlicher Bewässerung vor-
handen ist. Da diese nun von dem Wasserreichchum der aus der Schneö-
region herabkommendnn Flösse abhängt, so sind innerhalb dieser
Zone nur die Bergpartieen fruchtbar, welche unter den sckneebedecktea
oder wenigstens hohen Theilen des Alatau liegen; wo aber der Oe-
P. ▼. Ssemenofs Forschnngsreisen in den Trans-lUschen Alataa. 221
bii^kamxn anter 6000 Fafs sinkt ^ wird auch die darunter liegende
Kaitarzone troi^en und anfrucbtbar und nähert sich dem Steppen-
diarakter. Ihre besondere Wichtigkeit hat diese Zone für die russische
Kolonisation, wie denn auch alle rassischen Ansiedelungen mit einer
Ausnahme innerhalb derselben liegen. Aach die kirgisischen und kara-
kirgisischen Kulturfelder gehören grofstentheils eben dieser Zone an,
nicht minder ihre Winterquartiere überall da, ^wo der orographische
Baa der von ihnen besetzten Territorien ihnen die Benutzung der war-
men Steppenzone versagt Am Nordabbange des Trans-Ilischen Alataa
hat übrigens die russische Kolonisation die Kirgisen aus allen gut be-
wisserten Theilen dieser Zone vollständig verdrängt und ihnen
nur die trockeneren, unfruchtbaren Theile übriggelassen. Das ist aber,
meint unser rassischer Gewährsmann, kein Sehade für die so Deposse-
dirten, denn in ihrem unbestrittenen (?) Besitze sind die für ihre
Wirthschaft d. h. für die Viehzucht wichtigsten Zonen geblieben, die
Steppenzone zar Winterweide und die alpine zur Sommerweide. Ihr
Ackerbau hat natürlich gelitten, dafür ist ihnen die Möglichkeit gegeben,
gegen die Erzeugnisse des russischen Ackerbaues mit Vortheil die Ueber-
sehüsse ihrer Heerden wirthschaft umzusetzen, welche letztere dorch die
seit der russischen Besitzergreifung hergestellte Sicherheit gegen Raub
und Plünderung einen mächtigen Aufschwung genommen haben soll. Die
rassischen Ackerbau-Kolonien sind jedenfalls, nach des eben Genannten
Meinung, vortheilhafter für die eingeborenen Nomaden als militärische
Posten, da der Bauer-Kosak^ dem nomadidrenden Nachbar nicht mehr
als Feind ^und Bedränger erscheinen, sondern durch den nothwen-
digen gegenseitigen Austausch der beiderseitigen Producte freund-
aachbarliebe Beziehungen mit diesem zu unterhalten geneigt und ge-
nothigt sein wird. (Die Meinung der in so glückliche ökonomische
Yerhältnisse gestellten Kirgisen wird nicht mitgetheilt.)
Die dritte Zone wäre als Zone der Nadelhölzer oder sub-
slpine zu bezeichnen. Sie erstreckt sich von 4500 oder 5000 Fufo
bis zu den Grenzen der Wald Vegetation d. h. ,7600 und 8000 Fufs.
Die vorherrschende Art dieser Zone ist die Fichte (Picea Schrenkiana).
Dafo auch Laubbäume hier noch vorkommen^ wurde oben schon bemerkt.
Ta den Sträuchem dieser Zone gehören : Athragene tüpina L., Berberis
hHeropoda Sehr., Etonymvs Semenowii R. et H., Rhcunnus ccUhartica L.,
Spiraea hypericifolia L., Sp, oblongifolia Wald., Rosa pimpineUifoUa Dc^
Coloneasier nummuiaria Fisch., Cot, multifloria Bge., Myricaria datutica
Ehr., Ribes rubrum L., iR. iUropurpureum Mey., Lonicera tatarica L.,
L xylosteum L., I. microphyUa W., L. hispida Fall., L. caerulea L.,
L. KareUniy L, humilis Kar., Hippophae rhamnoides L., Juniperus pseudO'
-s^Akta Fisch., zwei Arten Salix,
222 Marthe:
Das Verhfiltnifs der earopäischen Gew&chse ist in dieser Zooe
dasselbe wie in der vorigen, über 60 Procent, es sind aber in den
oberen Partieen der Zone alpine und polare Typen^ wie s. B. Atragei^e
alpina L., Anemone narcissifiora L., Papaver alpinum L., Viola grandi-
flora L., F. bißora L., Alsine vema Bartl., A. ViUarsi Mert, LyekmM
apetala L., Cerastium alpinum L., Astragalus aipinus L., Hedysarum
obscurum L., Potentilla nit>ea L., Epilobium latifolium L., Saxifraga
hireulus L., Neogaya simplex MeissD., Erigeron uniflorus L., Leontopodium
aipinum Cass. u. s. w.
Von den asiatischen Formen, welche 40 Procent dieser Flora bil-
den, gehört die gröfsere Hälfte sa den Gew&chsen des sibirischen
Nordens (altaisch-ssajanskische and zum Theil polare Typen), die übri-
gen stimmen mit denen des Kaukasus und Himalaya oder sind endlich
locale Formen aus dem Alatau-Thian-Schan-Gebiet.
Als sibirische Formen sind zu bezeichnen : PulsaUlla albana Spr.,
Eanunculus pulchellus Mey., Trollius altaicus Mey., Chorispora Bungeana
Fisch., Eutrema alpestre Led., Parnassia Laxmani Fall., Silene grananini-
folia Otth., Cerastium maximum L., C, Uthospermifolium Fisch., C. da-
fDuricum Fisch., Geranium albiflorum Led., Impatiens parvißora De, Ther*^
mopsis lanceokUa R. Hr., Medicago platycarpos Led., Astragalus altaicus
Trautv., A, t>icioides Led., Lathyrus altaicus Led., Hedysarum polymor-
phum L., Sanguisorba alpina Bge., Potentilla bifurca L., P, pensyhanica
L., P. sericea L., Coioneaster multiflora Bge., Myricaria davurica Ehr.,
Sedum hybridum L., Ribes atropurpureum^NLey.^ Saxifraga sibirica L.,
Bupleurum ranunculoides L., Libanotis condensata Fisch., Archange&ca
decurrens Led., Chaerophyüum sp haller ocarpos Kar., Aster fiacddus Bge.,
A, aipinus L., Artemisia rupestris L., A, sacrorum Led., Doronicum al-
taicum Pall., Senecio sibiricus Less., Saussurea pygmaea Spr. (?) u. a.
Dem Kaukasus-Typus gehören an: Trollius patulus Salisb. (aacb
in Kamtschatka heimisch), Delphinium caucasicum Mey., Silene saxatilis
Sims., Dianthus crinitus Sm.^ Alsine globulosa Mey., Cicer soongoricum
Steph., Cotoneaster nummularia Fisch., Cnidium cartifolium Bieb., Sca--
biosa caucasica Bieb., Pyrethrum caucasicum W. u. a.
Der Flora des Himalaya entsprechen : Anemone Falconeri Thoms.,
Oxytropis Kashmirica, Potentilla Salessowii Bge., Sedum coccineum Royle.,
Carum indicum. Wahrscheinlich wird sich die Zahl dieser Pflanzen mit
der Zeit noch gröfser herausstelUen.
Locale Typen des Thian-Schan und Alatau sind : Ranunculus soon-
goricus Sehr., Corydalis Semenowii R. et H., Silene lithophila Kar.,
Geranium aaxatile Kar., G, rectum Trautv., Evonymus Semenowii R. et H.,
Oxytropis ochroleuca R. et H., 0. inslans R. et H., Astragalus litho-
philus Kar., A.hemiphaca^ Umbilicus Semenowii R. et H,, Ü, platypkyÜus.
r
P. 7. Ssemenofs Forschangsreisen in den Trans-Bischen Alatan. 223
Sehr., Carum bupleuroides Sehr., Chamaesdadium albiflorum Sehr., Aula-
CQspermum akUavense R. et H., Semenowia transiUensis R. et H., Peu-
cedanum transiliease R. et H., Schrenkia vagincUa Fiseh., Lotnatopodium
Lessingianttm Fisch., Lonicera humilis Kar., L. Karelini^ Rhinactina li-
momfoUa Leas., Brachy actis tiliata Led., Linosyris scoparia Kar., Tana-
eetum fruticolosum Led., Saussurea cana Led. u. a.
Dafs so manche Gewächse der alpinen Zone in der Zone der
Nadelhölzer auftreten, erklärt sich ans der Migration derselben, inso-
fern die rasch fliefsenden kalten Bergströme die Samen derselben aus
der oberen in die nntere Zone hinabtragen and durch fortdauernde
BespaluDg der Ufer und Inseln mit frischem Schneewasser den hierher
verpflanzten Gewächsen die nöthigen Lebensbedingungen schaffen. Auch
diese Zone hat für die russische Kolonisation nnverkennbare Wichtig-
keit, insofern sie ihr Bau-, Nutz- und Brennholz bietet. Das Bau-
material liefert fast ausschliefslicb die dortige, kerzengerade zuweilen
zu gigantischen Verhältnissen erwachsende Fichte — Picea Schrenkiana,
Die russischen Ansiedler klagen zwar, dafs das Holz derselben mit
der Zeit leicht Risse und Sprunge bekomme, aber dieser Umstand ist
weniger schlechten Eigenschaften des Holzes, als der Trockenheit des
Klimas zuzuschreiben; wenn der in der oberen Zone gefällte Baum
dort auch längere Zeit zum Trocknen gelegen hat, so ist die Kultur-
zooe, in welcher er aodann verwendet wird, doch so viel trockener,
dafs das Platzen des Holzes nicht Wunder nehmen darf. Auch aus
derNadelbolzzone sind die Kirgisen überall, wo dieselbe zwischen
der von den Russen besetzten unteren und der alpinen Zone liegt, ver-
drängt worden. Dafür finden sie dort, wo über dieser Zone keine
%hneegipfel und unterhalb derselben nicht russische Ansiedelungen
liegen, auf den subalpinen Wiesen, welche hier den dunklen Fichten-
wald ersetzen, gute kühle Plätze für ihre Sommerweiden. Diesen sub-
alpinen Character nimmt die jetzt betrachtete Zone auf den äufsersten
Flugein des Trans-Ilischen AJatau an, z. B. auf dem Turaigyr, in den
obern Theilen der Längsthäler des Kebin und Tschilik, auf den Ab-
hängen der iu diese eingelagerten Zwischen ketten, endlich an vielen
Stellen auf der Südseite des Gebirges am Issyk-Kul.
Die vierte Zone, die wir die alpine nennen können, geht von
der oberen Grenze des Wald Wuchses bis zur Schneelinie, d. h. von
7600 und 8000 Fufs bis 10,500 und 11,000 Fufs hinauf. Die Baum-
vegetation bort hier völlig auf. Sträucher kommen im Allgemeinen
noch bis 9000 Fufs vor, daher könnte diese Zone in eine untere alpine,
odep Zone der Alpen sträucher und in eine obere alpine oder
Zone der Alpenkräuter getheilt werden. Doch ist der Unterschied
dieser letzteren Unterabtheilung von der ersteren aufser dem negativen
224 Marthe:
Merkmal des YerBch^ndens aller Sträucher and vieler Kräuter kein
scharfer, da die characteristischen Kräuter der ober-alpinen Zone auch
in die unter-alpine hinabgehen.
Die Sträucher der alpinen Zone gehören folgenden, nicht sahi-
reichen Arten an : Caragana jubaia Poir.', Spiraea laevigaia L., 6Jp. ob-
longifolia W. K., Fotentilla fnUicosa L., P. Sahssowii Bge., Myricaria
davuriea Ehr., Ribes atropurpureum Mey., Lonicera KareUni^ L. kumiHs
Kar., L. n. sp., Sakx glacialis L., dazu noch zwei andere alpine Weiden-
arten, endlich auch Juniperus pseudosßbina. Zu bemerken ist, dafs
Alpenrosen (Rhododendron) weder in beiden Alatau, noch im E[im-
melsgebirge zu finden sind, was durch die Trockenheit des mittelasia-
tischen Klimas zu erklären sein wird.
Ueberhaupt weicht die Flora der Alpenzone in ihren Analogieen
von der Flora der unter ihr liegenden Nadelholz- und Kulturzone sehr
ab. Die europäischen Pflanzen dieser Zone betragen etwas über 25
Prooent, und auch diese gehören meistens dem nordisch-alpinen Typus
an, so z. B. Tkalictrum alpinum L., Anemone narcissiflora L., Ranuti'
eulus hyperboreus Rottb., Papaver alpinum (#., Draba hirta L., />. incana
L., Buirema Edwardsii R. Er., Viola grandiflora L., V, biflora L., Lychnis
apetala Fisch., Diantkus alpinus L., Alsine vema Barth, A. Vxllarsii
Mert, A. biflora Wahl.^ Cerastium trigynum Vill. C alpinum L.^ Aslra-
gahis alpinus L., Hedysarum obscurum L., PotenHlla nivea L., Saxifraga
hircuhis L., S, flagellaris W., Erigeron uniflorüs L., Leontopodium al-
pinum Cass. u. a. Nur sehr wenige Pflanzenformen der alpinen Zone
gehören zu solchen, welche auch in den Ebenen des mittleren Europas
auftreten, so z. B. Thalictrum minus L., Ranunculus iuris L., Barbarea
vulgaris L., Stellaria glauca With., Linum perenne L., Spiraea oblongi"
foUa W. K., Alchemilla vulgaris L., PotentiHa fruHcosa L., Galium ver-
num L., GnaphaUum silvaticum L. u. a.
Der gröfste Theil der Pflanzen aus der alpinen Flora gehört zum
sibirisch-alpinen Typus, d. h. zu den Pflanzen, welche der alpinen
Zone des altaisch-ssajanskischen Systems und den Polarstrichen Sibi-
riens eigenthumlich sind, aber auch einerseits auf den Kaukasus, an-
dererseits nach dem nördlichen Amerika übergehen. Dergleichen sind:
Pulsatilla albana Spr., Ranunculus pulchelhts Mey., R, Cymbalariae Pursh,
R. altaicus Laxm. (mit seinen localen Varietäten R. fratemus, R, tri^
lobus)y Oxygrapkis glacialis Bge., Callianthemum rutaefolium Mey., Trol-
lins patuhts Salisb., Hegemone lilacina Bge., Isopyrum grandiflorum
Fisch., Draba rupestris R. Br., D. pilosa Ad., D, stellata Jacq., D, lactea
Ad., Thlaspi cochleariforma De, Chorispora Bungeana Fisch., Erysimutn
cheiranthus Pers. (?), Taphrospermum altaicum Mey., Hutchinsia pectinata
Bge., Viola GmeUniana Roem., Pamassia Laxmani PalL, Silene gramin4^
P. T. Ssemenofs Forscbangsreisen in den Trans-Ilischen Alatan. 225
füUa Otth., CerasHum HthospermifoUum Fiscb., Thermopsis alpina Led.»
Caragana juhata Poir., Oxytropis oHgantha Bge., Hedysarum polymor*
phnm Led., Spiraea laevigata L., Sanguisorba alpina Bge., Potentiüa
ierieea L., A maUifida L., P, fragifarmis W., Dryadanihe Bungeana Led.^
Synearia davurica Ehr., Sedum Ewersii Led., ^»6^« atropurpureum Mey«,
Ckfysospienium nudicaule Bge., Saxifraga sibirica L., ^rcAnn^e^tca d«-
cwrefw Led., Libanoiis coridensata Fisch., CaUmeris aUaiea Nees, 7^-
rtthrumpulchrvm Led., Doronicum aUaicum Fall., Seneeio sibirieus Lep«,
ilrlMttsta sericea Web., vi. globuiaria Gh., Saussurea pygmaea Spr. (?)
IL 8. ▼.
Wenige Pflanzen der hiesigen alpinen Zone werden auch im Hima-
kja gefunden, n&mlich: >4n6inone micraniha Elotzsch, CorydalisGortscha^
koffi Sehr., PoteniiUa Salessotoii Bge., Sedum coecineum.
Bndlich Localtjpen der alpinen Flora des Alatau and Thian-Schan
sind: hopyrum anemonoides Kar., Aconitum rotundifolium Kar., Parrya
stenocarpa Kar., Bryomorpha rupifraga Kslt., Geranium saxatile Ear.,
Oxytropis frigida Kar., 0, amoena Kar., 0, platysema Sehr., 0. heteropoda
n. sp. (R. et H.), 0. fruticulosa n. sp., 0. cana n. sp., 0. algida n. sp.,
0. rupifraga n. sp., 0. melaleuca n. sp., Astragalus atratus n. sp., ^.
•iea/is Ear., Onöhrychis pulchella Sehr., Umbilicus piatyp hyllus Sehr,
(f. dpestris Kar., Sedum gelidum Sehr., Schrenkia vaginata Fisch., I,o-
fttcfra KareUni L., jL. humilis n. sp., Galium soongoricum Sehr., Fa/e-
riaaa globularifolia, Brachy actis dliata Led., Pyrethrum discaideum
Led., Saussurea sorocephala Sehr. n. a.
Aofserordentlich reich ist die alpine Zone an Wiesen und Weiden,
and daher steht sie im ökonomischen Leben der eingeborenen Noma-
den an erster' Stelle. Den letzteren gehört sie auch unbestritten an,
da die Russen, mit Ausnahme friedlicher Eroberer im Dienste der
Wissenschaft und weniger kuhner Jäger, sich fast nie in diese Zone
versteigen.
Die fünfte Zoäe ist die des ewigen Schnees, welcher mit seiner
glänzenden Decke alle Berggipfel dieser Zone bekleidet, wenn nicht
üire felsigen Abhfinge so steil sind, dafs der Schnee sich nicht darauf
halten kann oder nur in einer so dünnen Schicht, dafs die brennenden
Strahlen der Sommer sonne, die sich bis auf 17 Grad dem Zenith des
IsBjk-Knl nähert, ihn zerschmelzen. .Von diesen dunkeln Flecken
stammt, wie wir wissen, der kirgisische Name des Gebirges — Alatau.
Die Höhe der Schneelinie wurde von Ssemenof überall da, wo er in der
zweiten Hälfte des Sommers bis zur Grenze des Schnees vorzudringen
vermochte, hypsometrisch (mittelst der Temperatur «des siedenden Was-
sers) bestimmt. Die Resultate vieler Beobachtungen ergaben für den
Nordabhang des Himmelsgebirges und die Südseite des ^Knngei^- Alatau,
SflitMhr. d. 0««ellaeh. f. Brdk. Bd. IV. ^^
226 Joiaphat Hahn:
die beide sa der stark sich erhitzenden Hochebene des Issyk-Eal gewendet
sind, -— 11,500 — 12,000 mss. Fn&, dagegen för den Nordabhang des
^Trans-Ilischen^ Alatan — 10,500—11,000 mss. Fofs, endlich far den
Ssemiretschinskisdien Alataa, d. i. Alatan der sieben Flusse — 10,000
bis 10,500 mss. Fnfs. Im Thian-Schan, namentlich in der majesttti»
sehen Gruppe des Chan-Tengri, hat der ewige Schnee weitansgedehnte
Gletscher geschaffen, welche indefs nicht anter 9000 Fnfs hinabreiehen,
d. h. an der oberen Grenze der Alpenstrfiucher Halt machen. So nn*
wirthbar aber die Zone des ewigen Schnees ist nnd so wenig zngftng-
lich dem Nomaden, der nur aaf der Jagd hinter dem Wilde, das hier
eine sichere Zuflacht sadit nnd findet, bis dahin vordringt, so wichtig
ist sie, wie wir gesehen haben, dem Gebirgs-Bewohner und Anwdbner,
da nur dort, wo die helle Schneebinde das Haupt der Bergriesen krönt,
im Ober- und im Unterlande der Nomade und der Adeerbauer die Be-
dingungen eines gedeihlichen Daseins vereinigt finden.
X.
Die Ovahererö.
Von Josaphat Hahn.
(Zweite Abthdlung.)
Wenn wir im Folgenden eine Charakteristik des Volkes der Ova-
hererö za geben gedenken^ so werdenr wir einerseits genothigt sein,
gleichsam als Rahmen zu dem zu entwerfenden Gem&lde, einen kursen
geschichtlichen Abrifs dieses Volkes zur allgemeinen Charakteristik
desselben und zur Situation vorauszuschicken und anderseits oft nicht
umhin können, die hervorstechenden Eigenthümlichkeiten der Ova-
hererö dadurch besonders hervorzuheben, dafs wir dieses manchmal
im Gegensatz zu denjenigen ihres nficbsten Nachbarvolkes, der Nama-
qua, thun.
Es ist bekannt, dafs unter den Negerstfimmen des Inneren Afrikas
ein ewiger Kampf und Streit, ein ewiges Völkergedränge, man möchte
sagen, eine ewige Völkerwanderung, stattfindet, wobei die einielnoD
Nationen oft ihre nationale Existenz verlieren und gSnzlich von der
Erde verschwinden, oft' aber auch unaufhörlich ihre Wohnsitee finderUf
bis sie endlich, wohl Hunderte von Meilen von ihren ursprunglicbes
r
Die Orahererö. 227
Wohnsitzen, wie vom Starme yerschlagen^ änB den Wogen des grofsen
Völkermeeres auftaachen and auf eine 2^it lang wieder festen Fofs
fiMsen. Wie rathselhafte Brscheinangen stehen solche Völker ihren
neuen Nachbarn zur Seite; keiner weifs, woher sie kommen, sie selbst
wohl ebenso wenig ; oder es taachen wenigstens nor dunkle Ahnungen,
unbestimmte Erinnerungen von ihren Kämpfen, Wanderungen, von den
fielen Völkerschaften, mit denen sie in Berührung kamen, unbewnfsty
sUer historischen Färbung und Genauigkeit entkleidet in dunklen 8a*
gen, in M&rchen und sonstigen Erzählungen, in ihrem Aberglauben
0. 8. w. wieder auf. Solch ein räthselhaftes Volk ist auch dasjenige,
mit welchem wir uns im Folgenden hauptsächlich beschäftigen wollen,
das Volk der Ovaberero.
Vor etwa hundert Jahren kam vom Norden her ein mächtiges,
schönes schwarzes Negervolk, reich an unermefslich^n Rinder- und
SiIeiDviehheerden und besetzte das oben beschriebene Land, das jetzige
Land der Ovaberero, welches nördlich von den Wohnsitzen der Orofs«
N&maqna und zwischen dem atlantischen Ocean und dem Ngamisee
liegt. Es drängte jenes gelbfarbige häfsliche Hottentotten- oder Na-
mftqaavolk, welches sich kurz zuvor dort niedergelassen hatte, nach
dem Süden zurück und besetzte aufserdem noch den nördlichen Theil
des jetzigen Grofs-Namaqualandes bis hinunter zu den Quellen des Aub
oder Fischflusses. Dies mächtige Volk, von welchem die Rede ist, war
das Hirtenvolk der Ovaberero und Ovambandyerü. Vor dieser Ein-
wanderung und der Besitznahme des jetzigen Hererolandes durch diese
beiden Volksstämme gehörten jene an grofsen Hochebenen , aber auch
an gewaltigen Bergmassen und Bergzugen reichen Gegenden theils den
Namaqua, tbeils waren sie der Sitz eines räthselhaften Vplkes, der
schwarzen Bergdamras oder Haukoin d. h. „rechte Menschen^ und der
Bnschmänner oder Saan, auch Aunin d. h. „Spitzen^ genannt. Von
dem südlichen Theile des Hererolandes, dem Zwachaubgrunde, kann man
es mit voller Bestimmtheit behaupten, dafs es früher von den Namaqua
ond den beiden andern Völkern bewohnt wurde, weil sich noch an
manchen Stellen des Landes die grofsen Steinhaufen der Heizeeibib-
Oräber finden. Mit diesen Gräbern hat es nämlich folgende Bewandtr
nife. Heizeeibib ist ein Nationalbeld der Namaqua, an dessen Person
sich noch viele Sagen und Erzählungen anknüpfen, in denen sich viel
Menschliches und Uebermen Schliches über ihn vereinigt. Es ist jedoch
mehr als fraglich, ob Heizeeibib, wie Manche vermuthen, die Gottheit
der Namaqua ist. Diese mythische Person soll oftmals gestorben und
wieder auferstanden sein. Grofse Steinhaufen an vielen Orten des
Landes bezeugen seine Grabstätten, die dadurch entstehn, dafs jeder
Namab, Annib und Haukoib im Vorbeigehen auf solch eine Stelle oder
15 •
n
228 Josftphat Hahn:
Grab entweder einen Stein oder irgend einen andern Gegenstand wirft.
Solche grofse Steinhaufen findet man oft an Stellen, wo weit und breit
keine Steine sind, woraus man scbliefsen kann, dafs dieselben von den
Leuten von weit her mitgenommen werden. Es wäre wirklich der
Mühe werth — leider ist es bis jetzt noch nicht geschehen — , alle
Sagen von Heizeeibib zu sammeln, denn diese bilden zusammen wahr^
scheinlich ein groOses Nationalepos der Namaqua oder wenigstens die
Fragmente dazu.
Bei der Elinwanderung der Ovaherero wurden die Aunin zum Theil
nach den Mundungen des Zwachaub und Kuisib, theils nach den nord-
östlichen und nordlichen wasserarmen aber grasreichen Ebenen ge-
drängt, die zwischen dem occupirten Lande und den Ngamigegendeo
liegen und eine Fortsetzung der EalehariwGste bilden. Ein Theil der
Haukoin oder Bergdamras- dagegen zog sich mit den Namaqua nach
Süden zurück und verband sich seitdem aufs engste mit diesen. Die
f^jj^naqua nahmen ihrerseits das Bundnifs mit solcher Wärme und In-
nigkeit auf, dafs es den Bergdamras bald allzu lästig wurde; denn das
anfängliche Band der Freundschaft verengte sich nur zu bald zum
Nachtheü der Haukoin zu dem der Knechtschaft, obwohl gesagt wer-
den mufs, dafs diese Knechtschaft nicht überall und immer die
drückendste war. Der gröfste Theil der Bergdamras oder Haukoin
indessen floh mit wenigen Annin oder Buschmännern auf die fast un-
zugänglichen, sehr ausgedehnten, weidenreichen gewaltigen Berplateaus,
von denen schon in der vorhergehenden Abhandlung über das Land
der Ovaherero ausführlich die Rede war. — Bei einiger Wachsamkeit
der Flüchtlinge waren diese natürlichen Bergfesten für die Herero und
Bandjeru uneinnehmbar. Von diesen aus fügten die Bergdamras den
mächtigen Eroberern manchen empfindlichen Schaden zu. Alle Augen-
blicke machten kleine Abtbeilungen der kühnen Bergbewohner Ausfälle
in die Ebenen, fielen über die Heerden her, raubten Vieh und flohen
dann zurück auf die hohen Berge, von deren steilen Felswänden herab
sie die Verfolger verhöhnten, die auch nie weiter als bis zumFufse
derselben sich heranwagten. Einige herabgerollte Granitblocke wären
dazu geeignet gewesen, eine napoleonische Armee in Schach zu halten,
geschweige denn einen Haufen verhältnifsmäfsig so ungeübter Krieger
wie die der Herero und Bandjeru. — Die beständigen Fehden zwi-
schen den Herero und Bergdamras haben seitdem bis auf die neneste
Zeit fortgedauert, wo sie endlich aufgehört zu haben scheinen.
Merkwürdig ist die Erscheinung, dafs die Bergdamras, sowohl die-
jenigen, die mit den Namaqua nach Süden zogen, als auch die anderen,
die getrennt von den Namaqua und ihren übrigen Stammesverwandten
Die Oraherertf. 229
auf den Hochplateaas des Hererolandes hausteD, ganz die Sprache der
Namaqaa angenommen haben. In den nachfolgenden Kriegen zwischen
den Herero und Namaqaa stellten sich stets die schwarzen Bergdam-
ras auf Seiten der gelben Namaqaa trotz ihrer unverkennbaren Ver-
wandtschaft mit den Ersteren ; denn die Bergdamras sind wie die He*
rero ein Negervolk und es sind unzweifelhafte Anzeichen dafür ror^
banden, dafs sie früher vor ihrer Berührung mit den Namaqua auch
eine Negersprache geredet haben.
Wie schon bemerkt wurde, sind die Ovaherer6 (Hererö) und
Ovambandyerii (Bandjeru) als ein und dasselbe Volk anzusehen. Die
beiden Stämme unterscheiden sich eigentlich nur durch einigt äufserst
geringe dialectische Verschiedenheiten. Als sie das Land besetzten,
theilten sie sich in das eroberte Gebiet in der Weise, dafs die HereüS
sieh in dem westlichen, nach der Seeküste zu gelegenen, die Bandyeru
dagegen in dem ostlichen, bis zum Ngamisee hin sich erstreckenden
Theile niederliefsen. Wir können jedoch mit „Herero*^ die gesammten
Herero und Bandyeru bezeichnen, weil die letzteren durch die späteren
Kriege mit den Namaqua fast ganz und gar vernichtet worden sind,
and deswegen kaum in Betracht kommen können.
Ueber die frühere Geschichte der Herer6 und Bandyeru, über den
Ausgangspunkt ihrer Wanderungen etc. läfst sich nicht Vieles mit
voller Bestimmtheit sagen; zumal da sie selbst nur wenig, fast gar
Qiehts, darüber zu erzählen wissen. Man ist indessen neuerdings durch
Forschungen ihren Wanderungen und ursprunglichen Heimathssitzen
einigerma&en näher auf die Spur gekommen.
Wenn man die Herero selbst fragt, woher sie gekommen sind,
antworten sie stets: „aus dem Norden^, weiter wissen sie nichts an-
sogeben. Diese Aussage der Herero erscheint auch um so glaubhafter,
wenn man sieht, in welchem lebhaften Verkehr die Herero mit ihren
nördlichen Nachbarn, den Ondonga und Ovambo stehen. Durch die
Entdeckung des Ngamisee's und die Reisen Livingstone's von der Ost-
nach der Westküste Südairika's ist man der ursprünglichen Heimatfa
der Herero und Bandyeru noch näher auf die Spur gekommen. Man
weifs jetzt, dafs am nördlichen Ufer des Zambesi, verhältnifsmäfsig
nicht weit von der Ostküste Südafrika's, westlich von den Matabele,
anter dem 18. Grade südlicher Breite ein an Heerden sehr reiches
Volk, die Batoka genannt, seine Wohnsitze hat, welches, soweit bis
jetzt bekannt ist, eine dem Otyiherero (Hererosprache) sehr ähnliche,
wenn nicht dieselbe, Sprache redet. Ebenfalls findet sich eine auffal-
lende Aehnlichkeit uiid Uebereinstimmung im Aussehen, den Sitten
and Gebräuchen jener Batoka mit denen der Herero und Bandyerd.
230 Jotaphat Hahn:
Es ist nan wohl mehr als wahrscheinlich, dafs die Herero and
Bandjeni nar einen kleinen Theil einer groisen Nation bilden and or-
sprQnglich mit den Batoka vereint ihre Wohnsitce in jenen bezeichneten
Gegenden anter dem 17. Breitengrade hatten, dafs sie femer mit einem
sehr grofsen Theile ihrer Stammes verwandten und vielleicht unter einem
und demselben Goilectivnamen aus irgend einem Qrunde, sei es aus
Wanderlust, oder, was wahrscheinlicher ist, darch Bewegungen im In-
nern veranlafst, sich von den Batoka getrennt haben oder von dort
verdrfingt sind und in ostwestlicher Richtang Südafrika in seiner gan-
Breite darchsogen haben. Unterwegs müssen sich, worauf wir nachher
wieder znHIckkommen werden, eine Anzahl St&mme im Innern des
Landes nordlich und nordwestlich vom Ngamisee an den Ufern der dort
fliefsenden grÖfseren Ströme niedergelassen haben. Die übrigen Stfimme
sogen dagegen weiter nach Westen und stiefsen ungefähr unter dem
17. Orade südlicher Breite bei Benguela auf die Ackerbau treibenden
Bnnda-St&mme, und es ist mehr als Wahrscheinlichkeit dafür vorbanden,
dafs der bei Weitem grofsere Theil von ihnen sich dort niederliefs und
sich theilweise mit den dortigen Stfimmen verschmolz. Die Barondu
z. B., von den Herero Va-rondu-miti d. h. ,) Baumkletterer ^ genannt,
und die Vanano, die beide südostlich von Bengaela, nördlich vom Ka-
none, d. b. wörtlich: ^^am Grofsen^ oder „am Grofsflnfs^ wohnen,
seheinen mit den Herero der Sprache und den Sitten nach sehr nahe
verwandt zu sein. Es fuhren z. B. beide genannten Völker mit den
Herero und Bandyeni dasselbe Nationalzeichen ; die oberen Z&hne sind
ausgefeilt in der Form einer amgekehren römischen Fünf (A).
Dafs der Hauptzug sich in jenen Gegenden niederliefs, ist in
neuester Zeit durch Reisen Anderssons nach Okavango und noch be*
stimmter durch eine Spätere Reise des Missionars Hugo Hahn im Sommer
1866 nach dem Eu-nene festgestellt worden, indem Letzterer besonders
genaue Erkundigungen über eine mächtige Nation nördlich vom Kn-*
D^ne unter dem Goilectivnamen ,,Ovatyimba^ eingezogen hat, weldie
nicht nur eine und dieselbe Sprache mit den Ovaherero redet, sondern
anch diese als Namensbrüder bezeichnet und sie sehr gnt zu kennen
scheint.
Nachdem der Haaptzug der Ovatyimba, denn dies scheint früher
der Collectivname für die ganze ausgewanderte Nation gewesen zn
sein, sich nordöstlich von Bengaela niedergelassen hatte, scheinen sich
die beiden Stfimme der Herero und Bandyeru von dem Hauptstamme
abgezweigt zu haben. Diese beiden Stfimme zogen nun nach Süden an
Benguela vorbei und umgingen die Ovambo zwischen der Meeresküste
und den Ongandyera; dann kamen sie südlich in das Kaoko-Gebiet,
wo sich jetzt noch ganze Stfimme der Herero aufhalten. Es mofs
Di« Ofaberero. 231
«eh also damals ein Tbeil von IhDen dort niedergelassen haben ; die
obrigen dagegen drangen weiter nach Süden vor in das Land, welches
sie Jetzt noch besitzen. Hiernach haben die Herero ganz Recht, wenn
sie, wie iraher gesagt wurde, aas dem Norden za kommen behaupten.
Solche Völkerwanderungen im Kleinen sind, wie za Anfang an-
gedeutet wurde, im afrikanischen Yölkerleben nichts Ungewöhnliches.
Man denke z. B. anter anderen an die Dyaga, welche auch Afrika von
Osten nach Westen durchzogen; an die Mantate oderBasuto, welche or-
sprfinglich am Ngamisee wohnhaft zuerst nach Süden vordrangen, darauf
wieder ihre alten Stammsitze aufeuehten, bis sie schliefslich wieder im
Soden bei den Eaffern dauernd ans&fsig wurden; endlich an die Mata-
bele oder Amazulu, an die Makololo u. s. w., welche ähnliche Wan^
derangen gemacht haben.
Uqter einem gemeinsamen Oberhaapte scheinen die Hererö und
Bandjerd niemals gestanden zu haben, ebensowenig wie dies bei den
Batoka und Ovatyimba der Fall ist. Dafs sie ursprünglich aus dem
.Osten gekommen sind, wird noch dadurch bestätigt, dafs vor etwa 15
Jahren sehr alte Leute am Ngamisee noch erzählten, ein grofses Volk,
iD welchem auch die Herer6 and Bandjern gehörten, sei vor längerer
Zeit aus dem Osten zum Ngamisee gekommen und von da nach Westen
weitergezogen. Ueberdies haben neuerdings Reisende und Elephanten-
jfiger nordwestlich vom Ngamisee an den Ufern des von Andersson
entdeckten Okavango-Stromes reiche, mächtige and unabhängige He-
fsnSstämme, wie sie behaupten , aufgefunden , welche sich auf jener
Wanderung durch Südafrika in den dortigen Gegenden, wie früher
schon bemerkt wurde, niedergelassen haben müsseri. Man hat nach
dem Gesagten nicht im Mindesten Grund, an der Richtigkeit der Atis-
sageo Jener Reisenden za zweifeln. Ferner kennen die am Ngamisee
iebenden Bayeye und Bakoba, sowie die später eingewanderten Bet-
tdioana^s die Herero sehr gut; sie haben mit den breiten Spiefsen und
den furchtbaren Eirri's (Keulen) der Letzteren in früheren Zeiten schon
sehr unangenehme Bekanntschaft gemacht Als nämlich die Herero
vA Bandyeru sich im jetzigen Hererolande eben niedergelassen und
sieh mit ihren gewaltigen Viehheerden fast bis zum Ngamisee hin aus-
gebreitet hatten, machten die Ovatya6na, denn so nennen die Herer6
die Betschuanen, verschiedene Versuche, ihre neaen Nachbarn zu ver-
drfiogen and sie ihrer Heerden zu berauben. Nach einigen Rache-
tögen hin und her drangen die Ovatya6na bis ^Okahändya^ oder
üSchmelen's Hope^ vor, wo es zu einer grofsen und blutigen Schlacht
kam. Das Resultat derselben war, dafs die Ovatyaona mit blutigen
Söpfen zurückgewiesen worden und seitdem nie wieder die Herero an-
gagriSen haben. Dies sind die Hauptmomente aus der froheren Ge»
232 Joaaphftl Hak&:
Bohiohte der Ovabererö, ehe ihr Name den Earopäom bekannt warde,
die wir in Erfahrung bringen konnten.
Da von nan an die Oeschichte der Herero mit deijenigen ihrer
endlichen Nachbarn, der Namaqua^ unsertrennlich susammenfäU:^
wollen wir, ehe wir fortfahren, den weiteren Verlauf derselben mitsa-
theilen, einen kurzen Rückblick auf den Ursprung und die frühere^
ebenso räthselhafte Geschichte der Namaqna werfen.
Die ursprünglichen Wohnsitze der Namaqua waren südlicher von
den jetzigen gelegen ; sie nahmen die jetzige Kapcolonie bis zur Büd^
liebsten Spitze Afirika's ein. Es fragt sich jedoch, ob die Namaqoa
die Ureinwohner jener Oegenden waren. Jedem irgendwie aufmerk«
Samen Beobachter mnfs es sehr auffallend erscheinen, dafs ein darob
Sprache, Physiognomie, Gliederbau, Hautfarbe, Charakter u. s. w. bO'
vollstfindig von seinen Nachbarn verschiedenes Volk ganz einsam an
der äufsersten Spitze Süd- Afrikas zwischen Negervölkern formUch ein-
gekeilt seine Wohnsitze hatte. Wenn man hinzunimmt, dafs die Na-
maqua selbst sich durchaus nicht für Autochthonen halten, sondern
sich als Fremdlinge betrachten, kann man nicht länger zweifeln, dafr
sie eingewandert sein müssen. Aber woher?
Die Namaqua selbst erzählen, es sei in grauer Vorzeit eb
«schwimmendes Haus*' d. h. Schiff, dort gelandet, wo jetzt die Ej^jk
Stadt ist. Aus diesem Schiffe seien mehrere Menschen mit Rindera
und Schafen an's Land gestiegen und hätten sich dort niedergelassen,
und von jenen Menschen stammten sie, die Namaqua, ab. Wenn man
einer solchen Sage ein Moment von Wahrheit zusprechen darf, so
würde der Kern dieser Erzählung darauf zu beziehen sein-, dafs die
Namaqua zur See eingewandert sind. Jedenfalls glauben wir mit vol*
lem Recht hier ganz davon abstehn zu müssen, diese Erzählung auf
die alttestamentliche Sündfluthserzählung und die Arche zurückzube-
ziehn, was von anderen Seiten so gern gesohieht Dafs die Namaqoa-
zur See eingewandert sind, dafür spricht auch die Beschaffenheit der
Südspitze Afrika's; denn nichts ist natürlicher, als daJGs man bei irgend
einer Umschiffung des Kap's gerade an einer so hervorragenden und
günstig gelegenen Stelle anhielt^ um dort eine Niederlassung zu grün-
den. Es fragt sich aber nun wieder, wann das Kap von einem Kukur*
Volke umschifft sein sollte, und wie seitdem von einer dort angelegten
Kolonie ^ein ganzes Volk hervorgegangen sein konnte. Es mulste
jedenfalls in sehr früher Zeit geschehen sein. Bekanntlich hat auch
eine Umschiff ung Afrika's schon in sehr grauer Vorzeit stattgefunden!
Herodot erzählt von einer solchen, die allen Glauben verdient.
In dem vierten Buche seiner Geschichte, c. 42, erzählt Herodot
von den Thaten und Unternehmungen des ägyptischen Königs Neche^
Die Oyahcrerd. 233
der etwa gegen Ende des siebententen Jahrhunderts vor Christo lebte»
Dieser fafste den Plan, die Landenge von Suez in der Richtung vom
Nil zum Rothen Meere zu durchstechen, um auf diese Weise die Schiff-
fahrt im Mittelländischen Meere mit derjeoigen im Rothen Meere in
Verbindung za setzen. Als jedoch sein Plan an der fortwährenden
Versandung des Kanals scheiterte, versuchte er die beabsichtigte Ter*
bindang auf eine andere, nicht minder grofsartige Weise, durch eine
Umschiffung Afrika's, herzustellen. Deshalb rüstete Necho eine Ex-
pedition aus unter Leitung von Phoniciern mit dem Auftrage, vom
arabischen Busen aus in südlicher Richtung stets der Ostküste Afrikas
entlang zu segeln und durch die Säulen des Herkules nach Aegypten
heimzukehren. Die Expedition ging ab und traf nach drei Jahren aaf
dem vorgeschriebenen Wege in Aegypten wieder ein. Beweis genug dafür,
dafs ihnen die Umschiffung gelang. Aber noch mehr wird diese durch £^
Zählung von der Fahrt selbst bestätigt. Im Herbste, so wird erzählt, wenn
die Vorräthe geschmolzen waren, stieg man an's Land und bestellte
den Acker, wartete die Ernte ab und fuhr dann weiter mit neuen
Yorräthen. So seien sie an das entgegengesetzte Ende von Libyen
(am Kap) angelangt. Da aber habe sich eine seltsame Erscheinung
gezeigt; als sie sich nämlich westwärts gewandt hätten, habe die Sonne,
nachdem sie zuvor im Osten aufgegangen ^ei, nicht wie sonst zur
Linken südwärts herum ihre Tagesbahn vollendet, sondern sie habe
Mittags ihnen zur Rechten, also nach Norden gestanden. Herodot
selbst hält dies für eine Fabel und erklärt deswegen .ganz treuherzig,
das könne man anderen weis machen, er glaube nicht daran. Bei
unserer fortgeschrittenen Himmelskunde weifs jeder, dafs es nicht an**
ders Bein konnte, natürlich muTste aber den ägyptischen und phönici-
scheo Seefahrern jene Veränderung im Stande der Sonne höchlich auf-
ialleii. Dafs es aber bei der damaligen beschränkten Himmelskunde
nicht möglieh war, eine derartige Erzählung zu erfinden, wenn sogar
Herodot, der in einer viel späteren Zeit lebte, dieselbe für unmöglich
hält, 11^ auf der Hand *).
Bei jener Umscbiffung Afrikas, die wir als unbedingt wahr an-
nehmen müssen, und die ohne Zweifel in ägyptischer Orofsartigkeit
aoagernstet war, ist es gewifs nicht zu kühn anzunehmen, dafs die
Fbönicier ihrer Gewohnheit gemäfs unterwegs Kolonien angelegt haben,
woza ihnen die Beschaffenheit der Südspitze Afrikas eine Jbesonders
günstige Oelegenheit bot
'} Die Literatur, in welcher die Beweisflihmng ftlr die ümsegelang AfHka's
unter Keeho dargethan wird, ist eine ziemlich reichhaltige, z. B. Junker, Die Um-
•chifflEuig Libyens dnrch die Ph5niker, in den: Jahrb. f. Philologie. Snppl. VIII.
1848. 8. 856. X. 8. 141 n. s. w.
1
234 Josaphat Hahn:
Für die Abstammang der Namaqua von den Aegyptern spricht aber
noch ein anderes entscheidendes Moment. Wir wollen hier ganz absehn
von der vorhin erwfihnten Namaqaa-Sage, ebenso von der hellen Haot-
farbe nnd den beiden hervorstechendsten Charakterzügen: sehr grobe
InteUigens verbanden mit grofsem Untemehmangsgeiste nnd grensen-
loser Hochmnth, die beide Volker mit einander gemein haben. Die
vergleichende Sprachforschung ist es, die in neuester Zeit den 8idle^
sten Beweis f5r die enge Verwandtschaft beider Völker geliefert hat
Der bekannte Sprachforscher Dr. Bleek in der Eapcolonie, der sein
Haaptaugenmerk hauptsächlich auf die südafri^anischep Sprachen und
insonderheit auf die Namaqua-Sprache gerichtet hat, weist nach, dab
die letztere aufs engste mit der koptischen (nea-figyptischen) verwandt
sei. Er will sogar gefunden haben, dafs die Namaqua-Sprache sich in
ihrem grammatischen Bau reiner erhalten hat, als die koptische. In
wie weit aber seine Vermntbung, dafs die Namaqna mitten durch
Afrika vom äufsersten Norden bis zur sfidlichsten Spitze hindurch ge-
wandert sind, die richtigere ist, lassen wir dahingestellt Die Beweise,
die er bisher fSr seine Ansicht gebracht, sind nach unserer Meinung
durchaus nicht zwingender Art, sondern lassen sich wenigstens zum
grofsen Theil mit der unsrigen in Einklang bringen; doch wtirde es
ans zu weit fuhren, wollten wir hier weiter darauf eingehn.- Jeden-
falls aber steht es auch bei ihm fest, dafs die Namaqua von den
Aegyptern abstammen und eingewandert sind.
Die Namaqua bildeten schon ein sehr zahlreiches Volk, als sie
zum ersten Male mit den Europäern am Ende des 15. Jahrhunderts
in Berührung kamen. Die ersten Europäer, welche das Kapland nnd
somit die Namaqna kennen lernteo, .waren die Portugiesen, aber diese
machten sich nicht viel ans dem Lande, denn sie hatten ihr Auge
hauptsächlich anf Indien mit seinen Schätzen gerichtet. Den Portu-
giesen folgten die Holländer, welche die Eapcolonie mit Beschlag be-
legten und die Kapstadt gründeten (1652). Viele Answandemngslustige
ans den Niederlanden und vertriebene Hugenotten aus Frankreich theil-
ten sich in das Land und wurden Boers genannt. Im J. 1795 nahmen
die Engländer, die damals mit Holland um die Herrschaft zur See
stritten, die Kapcololonie in Besitz, die zwar durch den Frieden von
Amiens (1802) für wenige Jahre den Holländern zurückgegeben wurde,
durch die Capitulation vom 10. Januar 1806 aber wieder der britischen
Herrschaft überliefert wurde.
Das Schicksal der Eingeborenen war unterdessen kurz folgendes.
Die Namaqua waren gerade kein sehr sauberes und fleifsiges, aber
doch ein sehr gutherziges nnd kluges Volk und ohne Zweifel die recht*
X
r
Die OTahererö. 235
Difsigen Besitzer des Landes. Aber wie die Volker Europas nie dar-
nach gefragt habeii, ob sie ein Recht auf die fremden Gebiete jenseit
der Meere haben oder nicht, so hatten sie auch hier gleich kursen
Procefs gemacht und ohne viele Umst&nde das Land in Besitz genom-
men. Die. Art, wie sie es machten, ist überall und zu allen Zeiten
siemlich dieselbe gewesen. Brst behandelten sie die erstaunten und
aiglosen Eingebornen aufs freundlichste, lockten sie mit Korallen,
FUtterwerk und allerlei Tand an sidi; dann setzten sie sich an einem
festen Platze fest, forderten von den Eingebornen allerlei Dienste, und
wenn diese nicht gehorchen wollten, redeten sie mit ihnen durch Flinten
and Kanonen, schliefelich entthronten sie die eingeborenen Fürsten und
Hioptlinge, setzten andere ein oder machten sich selbst zu Herrschern
and beraubten die Unterthanen ihrer Güter und ihrer Freiheit.
Die Namaqua setzten sich den Hollfindern, denn diese waren ihre
eigentlichen Unterdrücker, zur Wehr, und es entspann sich ein Krieg,
der fast vierzig Jahre dauerte. Die durchaus nicht unkriegerischen und
ieigen Namaqoa wehrten sich dem durch Waffen weit überlegenen
Feinde gegenüber mit dem gröfsten Heldenmuthe und Erbitterung. Es
war ein blutiger und grausamer Krieg. Wir wollen die entsetzlichen
Grausamkeiten, die die Hollfinder an den unschuldigen Eingeborenen
begingen, übergehn. Mit dem Ende des Krieges gingen keineswegs
die Leiden der unglücklichen besiegten Namaqua zu Ende, sie began-
oen vielmehr jetzt erst In Folge dieser Sklaverei versank das einst-
mals so mannhafte and gutherzige Volk in dumpfes Hinbrüten, in
grenzenlosen Hafs und BüTstrauen gegen alle Weifsen und zum Theil
auch in sklavische Feigheit bis auf den heutigen Tag.
Der bei weitem grofste Theil der Namaqua wanderte nach Norden
«ad liefs sich im jetzigen Grofs-Namaqualande, aber auch südlich vom
Oariep (Orange-Strom), im Klein-Namaqualande nieder. Andere zogen
aich scheu in die Wüsten Afrikas, besonders in die Kalehariwüste, bis
n den Ovambo's und nördlich vom Ngamisee zurück, und führten bis
anf den heutigen Tag ein wildes ,,Bu8chmannsleben^ ; diese bilden
heute die so tief gesunkene und weit und breit zerstreute Nation der
^BuschAfinner**. Der geringere Theil blieb zurück in schmachvoller
Knechtschaft.
Die gelben Namaqua sammt ihren östlichen Nachbarn, den Kaf-
fem, und ihren nördlichen Nachbarn, den Betschuanen, beide schwarze
Negervölker, waren nicht die einzigen Eingeborenen, die um das Kap-
hmd umher wohnten. Die Boers hatten zur Bestellung ihrer Felder
und zur Beaufsichtigung ihres zahlreichen geraubten Viehes sehr viel
236 Josaphat Hahn:
OeBinde nöthig; die Zabl der Namaqna oder ^Hottentotten*' oder ^Pe-
per-Koppe^ (Pfefferköpfe) — zwei Spitznamen, welche die BoerB i]k-
nen beilegten — , war bei weitem nicht hinreichend, und bei den häufig
wiederkehrenden Empörungen waren die Namaqna immerhin unzuvei^
Ifissige Dienstleute. Deshalb hatten die Boers seit l&iigerer Zeit Neger-
sklaven eingeführt, namentlich von Mozambiqne; auch mnhamedaniscbe
Bialaien hatten sie angekauft. Als jedoch die Englfinder das Land er-
oberten, wurde der Sklavenhandel zwar verboten, aber die nach dem
Bnchstaben des Gesetzes freien Namaqua wurden nun durch die raf&nir-
testen Mittel und zum Theil durch die Gesetzgebung selbst an die
Leibeigenschaft gefesselt. Dabei führten die Boers ein zügelloses
Lasterleben, und es entstand auf diese Weise im Laufe der Zeit eine
neue eigenthüm liebe Mestizenrace , schlechthin Bastarde genannt, die
europäische Väter und Namaquamütter hatten. Diese neu entstandene
Race ist äufserlich kaum von den Namaqna zu unterscheiden. Den-
noch wollen Einige, ohne ihrer Einbildung Gewalt anzuthun, die Por^
traits der afrikani8ch*bolländischen|Aristokratie in ihr wiedererkennen.
Uebrigens ist nicht zu verkennen, dafs diese Bastards entschieden ein
gut Theil europäischen und holländischen Charakters geerbt haben,
worauf sie sich auch nicht wenig einbilden.
Da die Bastards sich ungemein schnell vermehrten, wurde bald
eine Auswanderung nöthig, und es entstanden zwei mächtige Staaten
von Bastards im Nordosten der Kapcolonie am oberen Laufe des Ga-
riep oder Orange-Stromes : die Koranna's und Griqua's. Nach Norden
jenseits des unteren Laufes des Gariep zogen auch ganze Bastard-
stämme, deren Häuptlinge oder „Capitaine^, wie sie sich am liebsten
nennen, holländische Namen trugen, wie z. B. „Jonker Affrekander^
«David Christian**, „Paul Goliath ^ „Willem Zwartbooi**, „WiUem
Fransmann ^ u. s. w., und so hatten manche alte und achtbare Boers-
familien wenigstens das Verdienst, durch ihre Namen zur Veredlung
der Eingeborenen mitgewirkt zu haben. Diese Bastards, welche nach
dem Grofs-Namaqualande auswanderten, wurden zum unterschiede von
den reinen Namaqua, welche das Land schon inne hatten, „Orlam's'
genannt. Die eigentliche Bedeutung • dieses Wortes ist ^eifelhaft
Vielleicht ist Orlam eine Verdrehung des holländischen Wortes „o'er^
land**, d. h. „Überland *^ nnd bedeutet mithin das Volk, welches „über
Land** gezogen ist. Im Gegensatz zu den Orlam's werden die ur-
sprünglichen reinen Namaqua sehr oft „Topnaars** genannt: „die Er-
sten*^, „die Spitzen**, „die Höchsten**, oder die, welche am weitesten
vorgedrungen oder zuvörderst in das Grofs-Namaqualand eingewandert
sind. Nach einer anderen Erklärung soll Orlam ein Spottname sein,
den die holländischen Boers den Bastard- Na maquas gaben, die sich
Die Oyaherertf. 237
mafsig aaf ihren LSndereien nmhertrieben. Das Wort bedeutet eine
anfrochtbare Schaafmatter, ein Geschöpf , welches weder zur Zucht
noch zam Mfisten taugt, kurz ein verächtlicher Gegenstand, der keinen
Notzen abwirft. Alles ist indessen relativ, denn was diese Orlam's in
den Augen der Boers waren, dafSr gelten die eigentlichen Namaqua
oder Topnaar's jetzt in den Augen der Orlam's. — Zwischen dem
eigentlichen Namaqua, Hottentott oder Topnaar und dem Orlam und
Buschmann ist im Grunde gar kein specifi scher Unterschied, was
aach hierüber schon gesagt und geschrieben sein mag. Der Topnaar-
Namaqna ist einfach der etwas civilisirtere Buschmann, gerade wie die
Orlam's dasselbe rohe Material unter einem etwas höheren Grade von
Politur darstellen. Nicht allein in Physiognomie und Sprache sind sie
ein und dasselbe Volk, sondern die übrigen Namaquastfimme erhalten
oft Zuzug von den Buschmännern. Bei ihrem Eintritt in einen der
grofseren Stämme verlieren die Buschmänner ihren Namen ,)Saan%
wie sie sonst von den Namaqua genannt werden * ). Doch genug hier-
von. Wir geben nun in möglichster Kurze einen Ueberblick über den
Verlauf der Kämpfe zwischen diesen beiden räthselhaften Nationen,
die durch ein seltsames Geschick aus weiten Fernen zusammengeführt
za sein scheinen.
Nachdem der erste Schreck vor den mächtigen Fremdlingen ver-
flogen war, griffen die Namaqua bald störend in das harmonische,
argtose Zusammen- oder vielmehr Nebeneinanderleben der friedlichen
Hirtenstämme der Ovahererö ein. Den Zankapfel zu den nun folgen-
den, unablässigen Raubangriffen der Namaqua und den Rachezügen
der Herero boten die Heerden der Letzteren dar. (Um Irrthümer zu
▼ermeiden, bemerken wir, dafs die Bezeichnung ,,Namaqua^ als Col-
lectivname für die reinen Namaqua oder Topnaar's, sowie für die
Bastard -Namaqua oder Orlams gebraucht wird.) Der Heerdeh-
reichthum der Herer6 war in der That ein nnermefslicher; mancher
von ihnen hatte nicht weniger als circa zehntausend Rinder und
Kleinviehheerden in gleichem Verhältnifs. Kein Wunder daher, wenn
*) Der engliflche Sttdafrika-Reisende 'Galton, der erste, der im Jahre 1850
in Begleitung von Anderraon bis zu den Ovambö vordrang, spricht sich in seinem
Reisetagebnehe ganz in unserem Sinne Über diesen Punkt aus, der der Gegenstand
so mancher Irrthümer und Verwechselungen gewesen ist und noch ^t. Kurz und
treffend, wenn auch etwas drastisch, fafst er das Resultat seiner Auseinandersetzung
in den Worten snsammen: «Wenn ich daher sage: Orlamhottentott oder Buschmann,
10 muSB ich ganz dasselbe gelbe, plattnasige, wollhaarige, mausende Individuum
meinem gütigen Leser vor die Seele heraufbeschwören, das sich nur durch Schmutz,
Widiigkeit^nd Nacktheit, je nach dem eben angedeuteten Ausdrucke, unterscheidet,
vobei der allerhöchste Punkt des Marsstabes ein Wesen ist, das sich an Sonn- und
Ollatagen respectabel zu kleiden im Stande ist und etwas lesen und schreiben kann,
der niedrigste Punkt: ein regelmKfsiger Wilder".
1
236 Josaphat Hahn:
diese fast unglaabliche Menge Viehs die Habgier, and die Schönheit
des verlorenen Gebietes die Sehnsucht nach demselben in den Na»
maqna erweckte. Namentlich worden diese zu ihren Bestrebungen,
sich in den Besitz beider za setzen, ermathigt, als sie durch ihre Yer*
bindung mit der Eapcolonie den Oebraach der Feuerwaffen kennen
gelernt hatten. Vierzig bis fünfzig Jahre hindurch mit nur wenigen
Unterbrechungen mochten diese Raufereien, denn Ton regelrechten
Kriegen kann nicht die Rede sein, in afrikanischem Phlegma stattge-
funden haben, ohne in ein bedeutsames Stadium getreten zu sein, als
etidlicli ein bedeutenderes Ereignifs einen Wendepunkt herbeiführte und
einen regelrechten Krieg, oder besser gesagt, einen Racenkampf im
eigentlichsten Sinne des Wortes heraufbeschwor.
Ungefähr um das Jahr 1825 verbündeten sich die mächtigsten
Namaquastämme zu einem gemeinsamen heimlichen Angriff gegen einen
reichen Hererostamm, der am westlichen Ende des Oungoati-Gebirges
seinen Wohnsitz hatte. Die Ueberrumpelung der arglosen Herero ge-
lang fast vollständig. Es entwickelte sich ein blutiges Treffen, welches
zum Nachtheil der an Zahl und Bewaffnung schwächeren Hererokrie-
ger ausgefallen wäre, wenn nicht die Frauen und Jungfrauen der He-
rero, welche dem Kampfe zugeschaut hatten, im entscheidenden Mo-
mente wie Furien unter die Kämpfenden sich gemischt und die beschämten
Krieger zu neuer Standhaftigkeit angefeuert hätten'). Kurz, die Na-
maqaa wurden geschlagen, und eine ganze Anzahl mächtiger Herero-
stämme drang kurz darauf in das Grofs-Namaqualand ein und eroberte
dasselbe zum grofsen Theil während eines verzweifelten Kampfes von
drca 10 Jahren. Wiederum trat nun ein Wendepunkt für diesen Racen-
kampf ein. — Zu den im Norden des Grofs-Namaqualandes unterlie-
genden Namaquastämmen drang gerade in jener Zeit der gröfsten Notb
die Kunde von einem mächtigen, jungen und ehrgeizigen Orlam-Ka-
pitain an den Ufern des unteren Laufes des Gariep, Namens Jonker
Affrekander. Dieser Affrekander war entschieden der gröfste Namaqna
seiner Zeit. An Scharfsinn,- diplomatischer Gewandtheit, Herrscher-
würde und kühnem Unternehmungsgeist kam ihm keiner seiner Zeit-
genossen unter den Namaqna gleich. Seinen Stamm hatte er ganz
nach europäischem Muster, soweit es die Verhältnisse erlaubten, or-
ganisirt. Seine Kriegsschaar bestand aus Reiterei und Fufsvolk, and
beide Waffengattungen waren vollständig mit Feuergewehren versehen
') Ein sehr schSner Zug, der uns unwillkührlich an die passive Mitwirkung
der Frauen nn^ Jungfrauen an den Kämpfen unserer altgermanischen YorfahreD>
wovon Tacitus berichtet, erinnert.
r
-»i
Die Ovabererd. 239
and trefflieb darauf eingeübt'). Dieser Jonker Affrekander, der sn
jener Zeit wegen seiner kübnen Dnternebmungen nacb allen Seiten bin
nicht nur im Grofs-Namaqualande, sondern aucb in der ganzen Eap-
eolonie das gröDste Aufseben erregte, wurde von den nördlicben Na-
maqaa um Hulfb angerufen. Diesem Rufe konnte Jonker's Ebrgeiz
nicht widerstebn. Jonker sog nacb dem Norden seinen bedrängten
Laadskuten zu Hülfe und griff mit diesen vereint mit seiner tapferen
und wohlorganisirten Scbaar die Herero mit unwidersteblicber Gewalt
an. Die herero leisteten zwar den tapfersten Widerstand, konnten
aber nicbts gegen die überlegenen Feinde ausrichten und verloren in
der Zeit von etwa acbt Jahren das von den Namaqua eroberte Gebiet
Badlicb vom Kuisib. Im Jahre 1842 kam endlicb durcb Vermittelnng
zweier Rheinischer Missionare, Hugo Habn und Eleinschmidt, ein Friede
iwischen den beiden kämpfenden Parteien zu Stande. Doch war der-
selbe nicbt von langer Dauer. Schon im Jahre 1844 griff Jonker
Affrekander uüter irgend einem nichtssagenden Vorwande, auf An-
trieb von nichtsnutzigen europäischen Händlern — wie überhaupt
dieser Abschaum der europäischen Bevölkerung der Eapcolonie in der
Folgezeit stets die niederträchtigste Rolle gegen die Hererö und die
ihre Sache vertretenden Missionare spielte — die Herero. wieder an
and bekämpfte jeden einzelnen Stamm nach der Reihe mit dem besten
Erfolge. Dieses Manöver wurde ihm dadurch ermöglicht, dais sämmt-
liche Hererostämme, die, was bereits erwähnt worden ist, unter kei-
nem* gemeinsamen Oberhaupte standen, im Laufe der Zeit in Zwie-
spalt gerathen waren und sich unter einander aufs erbittertste befehdeten.
Der Zankapfel, um den sich diese inneren Streitigkeiten drehten, waren
wiederum die unermefslicben Viehherden der Herero. Jonker und die
öbrigen Namaqua hatten jetzt, wie man sich denken kann, ein leichtes
') Jonker Af&ekander (oder Afrikaner) stAmmte aus einer alten Häuptlings-
&milie der Nainaqna. JSein Vater, Jager Affrekander, diente mit seinem Stamme
«inem holländischen Boer, Namens Pinaar, an den Ufern des Elephantenflusses in
der Capcolonie. Da der Boer die Weiber des Stammes in Abwesenheit der Männer
anfs Schimpflichste mifshandelt hatte, ktlndigte ihm Jager eines Tages den Gehör-
niD aaf. Des Boers Antwort daranf war, dafs er diesen mit einem wuchtigen Fanst-
bi«be besinnungslos zu Boden schmetterte. Der Boer griff nun zu seiner Flinte,
nm seinem Gegner noch den letzten Rest zu geben, wurde aber in seinem Yorhaben
gestört, indem Jagers Bruder Piet, der noch zu rechter Zeit herbeieilte, ihm eine
Kagel durch den Kopf jagte. Dies geschah gegen Ende des vorigen oder ganz zu
An&Dg dieses Jahrhunderte. Jager zog sofort mit seinem Stamme ab und siedelte
flcb mit demselben am nördlichen Ufer des Gariep oder Orangeflusses an und wurde
bald der Schrecken der ganzen Umgegend, bis er sich schliefslich mit seiner ganzen
Ptmilie von dem bekannten Missionar Moffat taufen liefs und den Namen Christian
Affrekander annahm. Sein Nachfolger wurde sein eben erwähnter jüngster Sohn»
Jonker, durch einen Gewaltakt oder Staatsstreich, wenn man es so nennen will.
1
240 Josaphat Hahn:
Spiel mit ihren Gegnern. An Mordgier und Graasamkeit fibertr&fen
diese Raabzage alle Begriffe, die man sich davon machen kann. Ganze
HereröstSmme warden bis auf den letzten Mann vom Erdboden ver-
tilgt, nnd Grausamkeiten an Weibern, Kindern und Greisen fielen vor,
gegen deren Beschreibnng sich jede Feder sträaben würde.
Nur ein Hereroh&nptling, Namens Kabityene d. b. ^Blitz^ oder
^"Wetterleucbten**, verdient hier erwähnt zu werden, weil er mit einer
seltenen Liebe zu seiner Nation beseelt, in uneigennütziger Weise sich
derselben opferte, indem er trotz vielfacher Anfeindungen von Seiten
seiner Landslente, den Namaqua eine Zeit lang wirksamen Widerstand
leisteten. Eahitjene war dem Jonker an Intelligenz und diplomatischer
Gewandtheit mindestens gewachsen, an Charakter, Wurde und Ent-
schlossenheit entschieden überlegen. Dieser griff Jonker an und be-
siegte ihn, schenkte demselben jedoch, obwohl er ihn bis auf den Tod
hafste, aus übergrofsem Edelmuth das Leben, weil er einst bei Jonker
Gastfreundschaft genossen hatte. Doch dieser Edelmuth Eahityene's
wurde die Ursache seines eigenen Verderbens. Jonker Affrekander, der
jene Niederlage niemals vergessen konnte, schlofs heimliche Bundnisse mit
mehreren verrSthörischen Hererohänptlingen gegen Kahityene. In einer
und derselben Nacht wurden sämmtliche Dorfer des Letzteren von den
Feinden heimlich überfallen. Eahityene selbst wurde auf Okahandja
von Jonker umzingelt und angegriffen. Ein schreckliches Blutbad
wurde unter den Hererö, die nach keiner Seite hin entfliehen konnten,
angerichtet; nur Kahityene wagte es mit einer kleinen tapferen Scbaar
sich in die Reihen der Feinde zu stürzen und war der Einzige, dem
es gelang, sich Bahn zu brechen und zu entkommen. Er ahnte nicht,
•dafs in derselben Nacht sein ganzer Stamm vernichtet war, und daCs
Frau und Kinder sich in der Gefangenschaft befanden. Als er hier-
von Nachricht erhielt, raffte er seine letzten Mannschaften auf und griff
mit der kleinen Schaar und in Begleitung seines einzigen ihm übrig
gebliebenen Sohnes die Feinde an. Während des Rampfes verliefsen
ihn aber seine Krieger, und er selbst fiel mit seinem tapferen Sohne
nach heldenmüthiger Gegenwehr.
Mit dem Fall Kahitjene's war das Schicksal der Herero entscbie-
<len. Der ganze südliche Theil, der am meisten bevölkerte des He-
rerolandes, mit Ausnahme des zu der Missionsstation Otyikdngo gehö-
rigen Gebietes, wurde in kurzer Zeit unterjocht und verfiel einer
•drückenden und grausamen Sklaverei unter den Namaqua. Tansende
von Herero entzogen sich dieser Knechtschaft durch die Flucht zu den
Ondonga und Ovambo im Norden, . wo sie, freundschaftlich aufgenom-
men, eine neue Heimat fanden. — Dieser traurige Zustand der voll*
«tändigen Zerrüttung und Verarmung (denn die grofsen Viehheerden
Die OTahererö. 241
waren in die Hände der Sieger übergegangen) währte bis zum Jahre
iS63. Zum Rahme der Herero sei es gesagt, dals ihr nationales Selbst-
gefühl, welches schon ganz erloschen schien, durch jene Knechtschaft
um so stfirker und reiner wieder erwachte. Im Jahre 1863 erhoben
«ich die sudlichen Herero Mann für Mann gegen ihre Unterdrücker
unter Anfuhrung eines kühnen Häuptlings, Namens Kamaharero, der
das erste Signal zum Aufstande gab. Es kam zu einem verzweifelten
Kampfe, der bis auf den heutigen Tag noch nicht endgültig entschie-
den ist. Unter Leitung des bekannten, im vergangenen Jahre (1867)
verstorbenen Südafrika - Reisenden Charles Andersson und des engli-
schen Elephantenj&gers Green, erfochten die Herero einen glänzenden
Sieg nach dem andern. Da Andersson aber in Folge des Verlustes
eines Beines durch eine feindliche Kugel gezwungen war, im Jahre
1865 das Land zu verlassen und Green sich auf Reisen begab, con-
centrirten sich die Herero bis dato auf Otyimbingue, der Station des
vorhin erwähnten Missionars Hugo Hahn, unter dessen Rath und Einflufs
die Herero seitdem mit demselben günstigen Erfolge den Krieg in mehr
defensiver Weise fortfuhren. Die Namaqua griffen zwar viermal diesen
Platz mit bedeutender Uebermacht an, wurden aber jedesmal mit gro-
fsen Verluaten zurückgewiesen. Der letzte Ueberfall von Seiten der
verbündeten Namaqua fand im December 1867 unter Anfuhr ung eines
' Engländers mit f&nfzehnhundert wohlbewaffneten Namaquakriegern
statt Dennoch wurden diese, trotzdem dafs der Missionar nur 150
Mann entgegenzustellen hatte und die Station vollständig überrumpelt
war, nach einem fast zwölfstündigen Gefechte in die Flucht geschlagen
und eine Woche darauf fast völlig vernichtet.
Das wichtige Resultat dieses, obwohl noch nicht völlig beendigten
Krieges ist, dafs die Freiheit der Herero jetzt fest begründet ist, und
dafe die Namaqua durchaus keine Aussicht haben, jemals vneder die
Unterdrücker der Herero zu werden. Ferner lädst sich nicht verken-
nen, dafs die Letzteren die Namaqua an Kultur und Intelligenz über-
flügelt haben und in Zukunft wahrscheinlich eine geistige und moralische
Herrschaft über diese ausüben werden. Zu diesem geistigen nnd mo-
ralischen Aufschwünge der Herero hat die Mission und ganz beson-
ders die durch den Missionar Hugo Hahn in den letzteren Jahren
eingeführte Colonisation des Landes durch Europäer, die unter sei-
ner Leitung stehen, einen entscheidenden Theil beigetragen, indem durch
die letztere Unternehmung der demoralisirende und 'barbarisirende Ein-
flnla der weifsen Handler im Lande vollständig gebrochen ist. Die
voranasichtlich bald bevorstehende engere Verbindung der Walflschbai
an der Südwestküste des Hererolandes mit der Kapstadt, zum Theil
durch die wabrscheinlicb baldige Eröffnung der reichen Kupferminen
S«ilM^. d. GM«U*ch. 1 Brdk. Bd. IV. 16
242 Josaphi^t Hahn:
im Lande ^ wird die kaltarhistorische Bntwickelung der Herero, naeb
aller menschlichen Berechnung, in ein neues und günatiges Stadiom
treten lassen*).
') Kacb den neuesten Nachrichten soll die Regienmg am Cap endlich tm
Kriegsschiff nach der Walfischbai zur üntersttttzung der Hererd nnd der dortigen
Golonisation abgesandt haben, um dem leidigen Racenkampf endlich ein Ende an
machen nnd, wie wir hoffen, um durch BesiUergreiftmg des Landes geordnete Var-
hältnisse daselbst einzuHlhren.
Wir erlauben uns im AnschluTs an die vorstehende Anmerkung noch Einig«»
auf Grund sp&terer Kachrichten ttber den augenblicklichen Stand der Dinge im He-
rerölande binanxnfllgen. Nach dem letaten, oben berichteten Ueberfalle von Ot^im-
bingu^ haben sich die Yerhältniase vollkommen ^ders gestaltet, als man allgemeki
erwarten nnd hoffen durfte. Es sei gestattet, hier einiges aus dem letzten Briefe
unseres Vaters,' des Missionars Hugo Hahn, in welchem er die augenblickliche Sach-
lage schildert, wörtlich ancuAlhren. »Die Hererd gaben sich einer tragen Ruhe hin,
und so geschah es, data auch dieser Sieg gar nicht ausgebeutet wurde und die N»-
maqua Zeit hatten, sich yom Schrecken zu erholen. Jan Affrekander (Jonker's Sohn
und Nachfolger) schrieb mir, er wolle keinen Frieden mit den Hererö. Wir Wei&en
sollten fort, oder sollten die Hererd drtogeu, von Otyimbingn^ fortzuziehen, damit
sie sich mit ihnen, ohne meine Mithülfe, wo anders schlügen. Jacobus Bovis schrieb
mir auch und ergofs sich in Schmähungen gegen mich. Nach einiger Zeit ver^
nahmen wir, dafs sich die Namaqua auf Rehoboth sammelten nnd, da ich jenen
Beiden eine abschlägige Antwort geschickt hatte, Otyimbingn^ aufs Nene überfallen
wollten. Eine bedenkliche Bewegung machte sich in Folge dessen unter den Hererd
bemerkbar; ich möchte sie eine heidnisch -reactionäre nennen. Die Zauberer hatten
schon lange rumort, der alte KatjamahA, Kamaharerd's Vater, der auf Okahnndya
begraben liegt, rufe seinen Sohn und sei über ihn ungehalten, dafs er ihn so ein-
sam liegen liefse. Er habe aus Zorn darüber im vorigen Jahre so wenig regnen
lassen nnd aus demselben Grunde seien so viele Hererö bereits auf OtTimbin^^
gefallen. Dies war eine blofse List der reactionären Partei, um Kamaharerö mei-
nem Einflüsse zu entziehen und selbst ttber ihn zu verfügen**. — Die List gelang
auch, und Kamaharerö siedelte mit seinem Stamme nach Okahandya über. — »Alle
verliefsen uns, und nur die Getauften harrten bei uns aus. Da ich aber diese wegen
der grofsen Dürre nicht alle beköstigen konnte, schickte ich die meisten von ihnen
nördlich zum 0 warum. Flusse, um dort Getreide zu bauen. Unterdessen traf una
die Nachricht, dafs Jacobus Bovis mit einem Haufen Namaqua uns überfallen wolle,
sich aber zuvor nach der Bai gewandt, Green und Palgrave und andere Weifse an-
gefallen und theils getödtet habe. So war es denn auch, und ein Spion von Jaco-
bus Bovis, der in unsere Hände fiel, bestätigte es. An der Walfischbai hatte die
Räuberhorde mein Packbaus angegriffen und meinen Agenten Iverssen getödtet. —
So safsen wir hier, etwa nur 80 — 40 Mann stark. In aller Eile befestigte ich den
Platz durch Mauern und legte sie so an, dafs eine möglichst kleine Zahl von Leuten aie
vertheidigen konnte. Alle überflüssigen Häuser, Hecken und Zäune wurden niederge-
brannt, damit die Feinde keinen Schutz dahinter finden sollten. Einige Weifse schloasen
sich uns an. Nachts wurde regelmäfsig Wache gehalten und alle möglichen Vor-
sicbtsmafsregeln getroffen. Einige Zeit darauf liefe Kamaharerö alle Weifaen im
Lande hier zusammenbemfen und kam selbst zu einer Besprechung. Kamaharerö
machte eine Menge Verheifsungen, was er zum Schutze der Weifsen thun und wie
er die Namaqua vertreiben wolle etc. etc. Diese waren hoch erf^ut, aber ich
kannte Kamaharerö besser und dämpfte ihre Freude, indem ich ihnen die Veraiäie-
rung gab, dafs Kamaharerö von alle dem, was er verheifsen, nichts halten würde.
So ist es denn auch wirklich gewesen. Ich sah deutlich, wenn wir nicht aa>
dere unvermuthete Hfilfis erhielten, uns nichts übrig blieb, als dal^ wir Weilsen mit
den farbigen Colonialen und den getaiifteii Hererö uns zusammenschaarten und nns
r
Die Ovaherer<$. 243
Dies zof OrieDtirang über die geschichtliche Vergangenheit und
Gegenwart der Ovaherero. Wir wenden nnn unsere Aufmerksamkeit
nördlich bis sa den portngieeiachen Besitzungen durchschlttgen^ Die Weifsen stimm-
ten alle diesem Plane bei, so schwierig auch die Ausfllhning erschien. Natttrlieh
mnfste dies mit Zurflcklassung fast unserer sämmtlichen Habe geschehen, die allein
aaf Otvimbingu^ (Gebftulichkeiten etc. mit eingerechnet) auf circa 80,000 £ Ster-
ÜDg taxirt werden kann. — Begleitet von mehreren Europäern verUefa ich Otyim-
binga^ und ritt nach Ameib, um die B^obother für uns zu gewinnen und sie davon
abzubringen, mit den Feinden ein Bündnifs zu schliefsen. Unterwegs erfuhren wir,
daTs in der Walfischbai ein englisches Kriegsschifi' eingelaufen sei, dessen Mannschaft
begierig sei, unsere Feinde anzugreifen, aber nicht wttTste, wo dieselben seien. Die
Hauptsache war nun für uns, mit dem KriegaachifT eine Verbindung herzustellen,
and ich liefs Kamaharerö wissen, er mSge sich beeilen, sein Wort zu erfüllen und
Leute zu schicken, die mit Green und Palgrave nach der Bai gehen könnten, weil
die Gegend zwischen der Bai und hier noch immer unsicher sei. Doch eriiielt ieh
aastatt desaen einen kläglichen Brief, dafs er sich vor den weifeen Kriegern fürchte,
sie möchten zu ihm kommen qnd sich mit ihm berathen. Bei den Rehobothem
(einem neutralen Namaquastamm)* war es jetzt leicht, sie von einem Bündnisse mit
Jaeobua Bovis abzubringen. Sie waren nun willig genug. Alles zu thun, was ich
verlangte. Ich rieth daher Palgrave und Green mit den Rehobothem nach der Bai
zo geben, aber das wollten sie nicht. Die Folge davon war, dafs das Kriegsschiff,
nadidem es lange gewartet, wieder absegelte. Die Besatzung hatte erst einen Ver-
lach gemacht, herzukommen, weil es ihnen aber an allen Transportmitteln fehlte
nnd die Mannschaft mit Munition und Proviant Überladen war, konnte aie nicht über
die berüchtigte Naarib- Wüste zwischen der Walfischbai und dem Zwachaub kommen
und kehrte unverrichteter Sache wieder um. In Scheppmannsdorf wollten sie mit
Het und seinen Leuten kurzen Procefs machen, was auch das Beste gewesen wäre»
onterliefsen es jedoch auf« die Bitten des Missionars Egerts hin, der diese Namaqua-
bände für unschuldig ^n dem Morde Iverssens hielt, obwohl Piet das Gewehr des
Ermordeten im Besitz hatte. Es ist ein Jammer, dafs die Bestraftmg auf dieee
Weise unterblieb, denn die Umkehr der Engländer wird von den Namaqua als Feig-
heit ausgelegt, und sie sind jetzt frecher als zuvor. — Zu spät machte sich Pal-
grare schliefslich auf den Weg zur Bai, wohin ihm Green mit einer kleinen Be-
deckung folgte. Dagegen benutzte Ersterer die Grelegenheit, mit einem anderen Fahr-
ze&ge nach dem Gap zu reisen, um dem Gouverneur eine von 147 Weiften im H»-
reitflande unterschriebene Petition einzureichen. — Unterdessen haben die Hererd
ein Commando gegen die Namaqua ausgeschickt, von welchem nur zu berichten ist,
dafs sie wenig ausrichteten, weil die Namaqua überall flohen. Nur an einigen
Stellen kam es zu Gefechten. Die Herorö sollen an 80 Namaqua getödtet haben.
Ich halte es für Uebertreibnng. So lange seitens der Regierung nichts Entschei-
dendes geschieht, bleibt unsere Läge noch immer nicht beneidenswerth. Alle, die
^tzt auf dem Platze sind, werden von uns unterhalten, was uns ungeheuer viel
hoileL Thun wir es nicht, so können sie nicht bleiben, und wir mttfsten dann alles
im Stich lassen, und so bleibt uns keine Alternative. — Sobald Sicherheit für die
Station da ist, gedenke ich nach dem Cap zu gehen, theils um meiner zerrütteten
Gesundheit willen, theils weil es gewünscht wird, dafs ich meine Ansichten abgeben
•oll, wie man in diesem Lande die Ruhe herstellen und erhalten kSnne, was ich
ftbrigens bereits in einem längeren Schreiben ausgeführt habe. Bin ich im Cap,
dann kehre ich vielleicht nicht wieder in's Hererdland zurück. Ich bin es recht
müde.
Wir sind jetzt kaum besser daran als fHlher, obwohl die Namaqua im GroAen
und Ganzen doch ihre Bedenken haben werden, etwas geg^en uns Weifte zu unter»
nehmen. — Von den Ovambö war eine grofte Anzahl hier, die Elfenbein und
•ödere Sachen verhandelten. Wie aie sagen, soll der berOchtie^e Namaqua -Räuber-
16»
244 Josaphat Hahn:
der apecielleren Charakteristik dieses Volkes zu, wie sie sich mehr
£aiserlich in ihrer Lebensweise, ihren fiufseren Einrichtungen, Sitten
und Gebräuchen etc., sowie in mehr geistiger Weise in ihren Fähig-
keiten, ihren Lebensanschauungen, socialen Verhältnissen, religiösen
Vorstellungen, Sagen, Märchen und Fabeln etc. kund thut.
Die Herero sind, wie die meisten Volksstämme Südafrikas, em
Hirtenvolk. Ihre Viehheerden bilden, oder bildeten vielmehr, ihren
Hauptreichtbum. Diese Viehheerden verdienen um so mehr mit einigen
Worten erwähnt zu werden , als sie einen mächtigen Einflufs auf die
Lebensweise und den Charakter der Herero ausüben. — Die Herero-
schafe tragen merkwürdiger Weise keine Wolle, dagegen haben sie
dicke Fettschwänze, die ein sehr vortrefBicbes Schmalz liefern, wel-
dkes für die Europäer meist die Butter vertritt und sehr schmackhaft
ist. Diese Fettschwänze sind übrigens nicht so enorm dick, wie oft
gefabelt wird. Obwohl oft 10 Pfund schwer u,nd darüber erschweren
dieselben weder den Schafen das Gehen, noch werden sie, wie man
sogar in Naturgeschichtsbüchern lesen kann, in kleinen Karren nach-
geschleppt. Nachts werden Schafe und Ziegen, wie auch die Rinder
in sogenannte ^Kraal's^ (eine holländische Bezeichnung für Hürde)
getrieben, welche aus Aesten von dornigen Bäumen gebildet werden,
indem die stacheligen Kronen nach aufsen gekehrt werden, um wilde
Thiere abzuwehren. — Die Herero-Ochsen unterscheiden sich sehr von
der europäischen Race. Sie haben einen stark e'ntwickelten Knochen-
bau, sind aber nicht besonders fett; die Extremitäten sind schlank, die
Klauen klein, hart und stark. Wegen dieser Eigenschaften werden die
Herero-Rinder vielfach zu Reit- und Zugochsen abgerichtet und leisten
als solche vorzügliche Dienste, besonders da sie auch sehr ausdauernd
sind. Das Haar derselben ist kurz, glatt und glänzend, und das Ende
des Schwanzes hat ein Büschel langen und sehr buschigen Haares,
welches fast die Erde berührt Dieser Haarbüschel ist eine Hauptzier
hanptmanDi der bU zu ihnen vorgedrungen war, vergiftet sein. — Wie die Weifsen
mich wissen lassen, wollen sie, falls die Regierung nichts zu ihrem Schutze thut,
das Land verlassen. Ohne Schutz kann die Mission auch nicht gedeihen und wir
mttfsten dann auch fort. — Soeben schickt mir Kamaharerö Nachricht , dafs eine
Partie Betschuanen bei ihm sei, um ein BUndnifs mit ihm zu schliefsen. Er will
sie zu mir schicken.* Soweit der Brief, der von Anfang September 1868 datirt
ist. Wir fUgen nur noch hinzu, dafs die englische Regierung auf Veranlassung Se.
Majest&t des Königs von Preufsen hin, dem die berichteten Vorfälle durch eine
Deputation der Rheinischen Missionsgesellschaft* vorgelegt wurden, sowie durch eine
directe Petition an den Lord Stanley bewogen, energische Mafsregeln zu Grünsten
der Europäer im Hererölande in jüngster Zeit in Aussicht gestellt hat. Zu be-
dauern ist nur, dafs die letzte Ministerkrisis in England die Ausführung jener Mafs-
regeln voraussichtlich auf einige Zeit verzögern dürfte.
Die Ovahererd. 245
an den Assagai's der Herero. Die Homer sind das merkwürdigste
am Hornyieb. Ihre Lange ist fast anglaublich, denn man trifft oft
Ochsen, deren Horner an den Spitzen 7 — 8 Fafs von einander abstehn.
Die Herer6 bestimmen auch meistens den Werth ihrer Rinder nach
der Grofse der Hörner. — Die Kühe geben wenig Milch, höchstens
2 — 3 Kannen tfiglich, und wenn die K&lber sterben oder entfernt wer-
den, geben sie gar keine mehr. Man greift dann zu künstlichen Mitteln,
am Milch zu gewinnen. So stopft man z. B. die Haut eines Kalbes
mit Heu oder Gras aus und stellt dieses nachgemachte Kalb so hin, dafs
die Kuh damit in Berührung kommen mufs. Dies Verfahren verur-
sacht manchmal ganz lächerliche Auftritte, denn während die Kuh
ihren vermeintlichen Spröfsling liebkost, wittert sie auf einmal das
Gras oder Heu, steckt das Maul durch ein Loch in die Haut und ver-
zehrt mit gutem Appetit den Inhalt. — Wie fast bei allen Stämmen
in Süd-Afrika kommen auch bei den Herero ihre Heerden dem Werthe
nach gleich nach Weib und Kind. Die Rinder sind das Lieblingsthema
in den Gesprächen und Gesängen der Herero; sie sind sein Abgott.
Hieraus läfst sich die ganz merkwürdige, fast unglaubliche Fähigkeit
der Herero, sich auf Ochsen zu besinnen, die sie auch nur einmal
gesehn haben, erklären. Mit der gröfsten Sicherheit findet der Herero
^wischen Hunderten von Ochsen die seinigen heraus, und wenn es
auch nur ein einziger wäre, den er Tags zuvor gekauft. Kommt seine
Heerde von 5 — 700 Ochsen, oder noch mehr, von der Weide nach
Hause, so wird der Herero, mag sie auch noch so lange ausgeblieben
sein, sofort merken, nicht nur, ob ein Ochse fehlt, sondern auch
welcher ausgeblieben ist. Dies merkt er nicht daran^ dafs die Zahl
der Heerde vermindert ist, sondern es fehlt ihm ein bekanntes Gesicht.
Ebenso dienen die Farben, die Stimmen und Hörner der Rinder zur
Erkennung, wenn auch nicht in dem Maafse, wie gerade das Gesicht
des Rindes. Ebenso werden Schafe und Ziegen vor allem an ihren
Gesichtern erkannt.
Dafs diese Heerden auf die Volksverhältnisse einen mächtigen
und zwingenden Einflufs ausüben, ist ganz erklärlich. Sie sind
es, mit denen. die Kosten für Bündnisse, für Heirathen, für Einkäufe
etc. und manche religiöse Ceremonien (worüber später eingehender ge-
sprochen werden soll) bestritten werden. Wer kein Vieh hat, gilt
daher als Null unter seinen Stammgenossen. Ihr Sinn und Auge weidet
sich schon von frühester Jugend auf an den Gestalten, Farben etc.
dieser Thiere. Die kleinsten Jungen vergessen ihre Spiele, um über
den Werth dieses oder jenes Ochsen «u debattiren. Ein Hauptver-
gnügen der Kinder ist es, Ochsen und Kühe in Thon nachzubilden;
and darin bringen sie es zu einer grofsen Vollkommenheit. Kein
246 Josaphat Hahn:
■
Wander daher, dafs ihre ganze Einbildungskraft schon von Jagend an
aaf diesen ihren Abgott gerichtet ist, und dafs die Pflege der Heerden
eine Beschäftigung ist, welche die angesehensten M&nner für eine
Ehre halten. Die Sohne der mfichtigsten Hfiaptlinge müssen eine Zeit
lang das Leben eines einfachen Viehhirten durchmachen. Die Häupt-
linge selbst kehren von Zeit zu Zeit zu ihren Jugendbeschfiftigungen
.zurück; besonders ist dies der Fall, wenn entfernte Weideplätze bezogen
werden. So geschieht es denn oft, dafs ein reicher, angesehener Häupt-
ling Wochen lang die Aufsicht über seine Heerden führt bei höchst
einfacher Kost und noch einfacherer Behausung. Der Nutzen, den
die Herero von ihren Heerden haben, ist ein ganz augenscheinlicher;
die Heerden sind das Kapital und der Hauptnahrungs- nnd Handels-
zweig für die Herero. Aber anderseits läfst sich auch nicht verken-
nen, dafe gerade dieser Hauptreichthum des Volkes die verderblich-
sten Folgen für dasselbe gehabt hat; sie waren, wie wir bereits
gesehen, die stete Quelle von Hader und Krieg zwischen der Herero-
nation nnd den Namaqua, sowie zwischen den einzelnen Stämmen
unter einander. Eine schöne Heerde lockt in jenen Gegenden, wo der
Unterschied zwischen Mein und Dein noch nicht so streng geschieden
ist wie hier zu Lapde, die Habgier eines andern Häuptlings, er über-
fällt die Hirten und fuhrt im Triumphe die Beute heim. Repressalie^l
folgen, und oft zieht sich eine Fehde Jahre lang fort, bis sie mit ir-
gend einem Vergleiche oder einer entscheidenden Demuthigung des
Einen oder des Anderen endigt. — Man kann es deshalb im Grunde
nicht als ein Unglück für die Herero ansehen, dafs sie in Folge der
unablässigen Kriege mit den Namaqua um den grofsten Theil ihrer
Heerden gekommen sind. Denn erstens ist der Hauptgrund zu den
ewigen Raufereien, wenn auch nicht ganz fortgefallen, so doch bedeu-
tend beschränkt worden. Zweitens waren jene enormen Viehheerden
eine noch gröfsere Plage für das Land und für die dort angefangene
Cultivirung desselben als die periodischen Heimsuchungen des Landes
durch die Heuschreckenschwärme. Drittens endlich sind manche
Eingeborene durch den Verlust ihrer Heerden gezwungen, durch Acker-
bau und Erlernung von Handwerken ihr tägliches Brod zu erwerben,
Anstatt faullenzend von Ort zu Ort durch das Land zu wandern. Es
ist also hierdurch der Cultivirung des Landes ein bedeutender Vorschub
geleistet, und zwar auf der einen Seite negativ dadurch, dafs die He-
rero allmählich zur Arbeit gezwungen werden, und anderseits positiv
durch den sittlichen Aufschwung, welcher einem Volk aus einer energi-
schen Arbeit und geregelten Lebensweise erwachsen mufs; und hierzu
ist, wie gesagt, der Anfang bereits gemacht worden.
Dennoch mufs man sagen, dafs das Leben der Herero mit Aus-
Die Ovahererd. 247
nähme derer, die auf den Missionsetationen wohnen and einiger we-
niger anderer, im Allgemeinen noch immer ein beständiges Wander-
leben ist wie bei den Bedaiuen. Mit ihren HeeVden ziehen sie von
Ort zu Ort, je nach der Beschaffenheit der Weiden. Ihre Hatten,
^e sie aacb immer mitnehmen, wenn sie weiterziehen, sind deswegen
Iddit^ mit dünnen Stangen in hemisphärischer Form gebaat. Die
Fraaen sind die Baumeister. Zuerst schneiden sie eine Anzahl von
^ — 10 PuOs laugen Stocken und streifen auch Quantitäten Rinde von
den Bäumen, welche sie in sehmale Streifen schneiden und als Bind-
liden brauchen. Dann werden Locher in einem Kreise von 8 — 10 Fnfs
im Durchmesser in die E)rde gegraben, und in diese die Stöcke
aufrecht gestellt; darauf die oberen Enden derselben zusammen-
gebogen, yerflochten und mit dem BaumbafiFt gebunden. Dies bildet
das Gerüst. Rund herum wird nun Buschwerk hineingeflochten und
angebunden, bis das Ganze eine compacte Fläche annimmt, welche mit
Kahmist in Ermangelung von Lehm bestrichen wird. An einer Stelle
wird aber ein Loch, etwa 2| Fufs hoch und 2 Fufs breit, als Thüre
gelassen, durch weiche man auf allen Vieren hineinkriechen mufs, wenn
man in das Innere der Hütte gelangen will. Ebenso wird oben eine
kleine Oe£FiDung gelassen, damit der Rauch hindurch ziehn kann, wenn
Feuer in der Hütte angezündet wird. Da das Dach aber auFserdem
Ton der Hitze des Feuers und der Sonne sehr trocken wird and springt,
legt man von Aufsen, besonders zum Schatze gegen den Regen, Ocfasen-
häute darauf und beschwert diese mit Steinen, damit sie nicht vom
Winde verweht werden. Sobald die Bewohner Lnftwecfaset' bedürfen,
stehen sie die Felle auf die Seite, bei Nacht aber, wenn sie die Hütte
recht behaglich warm zu machen wünschen, ziehen sie dieselben wieder
darüber. In der Mitte der Hütte befindet sich eine gabelf5rmige Stütze,
um das Dach zu stützen.
Die innere Aus stattüng der Hütte, um auch einen flüchtigen Blick
hineinzuthun, besteht aus einigen Ochsenhäuten, um darauf zu liegen
oder zu sitzen, mehreren hölzernen Gefäfsen und einigen Kalebasfla-
«ehea, einem thönernen Kochtopfe, der oft so grofs ist, dafs man we-
gen der kleinen Thüröffnung die Hütte theilweise abreifsen mufs, um
Im faineinzuschaffen. Ferner befindet sich in der Hütte ein Sack zu
iSrd&issen bestimmt, ein Lederbeutel, der etwas Putz enthält, wie
rothen Ocher odjsr Eisenerde, um sich damit zu bemalen, und ein klei-
ner JBeutel oder eine Schildkrötenschale mit Fett oder Butter gefüllt.
Yielleiefat befindet sich auch ein eisernes oder ein Holzspalte-Messer
^bei; lUles Andere wird von den Bewohnern an ihrem Korper getragen
<>deT im Geheimen in den Boden vergraben, damit es nicht gestohlen wird.
— Wenn sie schlafen, liegt die ganze Bevölkerung der Hütte bunt durch
248
JoBaphftt bahn:
einander in jeder erdenklichen Lage nm das kleine Fener heram; um
sieh zazndecken, haben sie nichts als höchstens einen Karofs (Pek-
decke ans Schafs- oder Schakalsfellen). Die Kinder werden, bevor
sie lanfen können, von der Matter in einer Art von Ledershawl, otyi-
vereko genannt, auf dem Racken herumgetragen; dann Ififst man sie
für sich selber soi^en und sich ihren Lebensunterhalt unter den Erd-
nfissen, so gut sie können, suchen.
Die Kleidungsstücke, Waffen und Schmucksachen der
Herer6 sind sehr einfach. M&nner wie Brauen bedienen sich nur eines
oder einiger Schaf- oder Ziegenfelle mit oder ohne Haare, welche sie
nm die Lenden schlingen. Diese Felle sind, wie die Herero selbst,
meist mit dicken Massen von rothem Ocher und Fett beschmiert Man
kann dies Beschmieren mit Fett und Ocher, so seltsam und unsauber
es auch erscheinen mag, nicht als eine üble Angewohnheit bezeichnen,
sondern es ist für jenes Klima etwas durchaus Noth wendiges. Die
Haut bleibt dadurch fortwährend geschmeidig und wird vom Staube
nicht irritirt, was dort leicht hfifsliche und nicht ungefährliche Hant-
krankheiten, Ausschläge und dergleichen nach sich ziehen würde.
Ferner wird man hierdurch vor plötzlicher Abkühlung des Schweifses
bewahrt. Aus demselben Grunde trägt jeder Europäer dort zu Lande
eine wollene oder flanellene Jacke auf der blofsen Haut, was eine
durchaus nothwendige Vorsichtsmafsregel ist. Die Herero gehn nie
.ganz nackt, denn das gilt bei ihnen für durchaus unanständig. Fast
jeder Herero hat deshalb aufser jenem Felle um die Lenden ein ,)Ka-
rofs^ odsr Felldecke, gewöhnlich aus Schaffellen und bei den Reiche-
ren auch aus Schakalsfellen bereitet. Das Karofs vertritt zugleich die
Stelle eines Mantels, Bettdecke u. s. w. Die Männer gehen gewöhn-
lich mit blofsem Kopfe; wenn es aber kalt ist oder regnet, haben sie
eine Art Capuchon, oder richtiger ein Stück Fell, dem sie jede mög-
liche Form geben können, als Kopfbedeckung.
Aufser den erwähnten Pelzen tragen die Weiber eine Art Leib-
chen, welches aus einer Unzahl kleiner, runder Stückchen von Straufsen*
eierschalen, die an Fäden gereiht sind, verfertigt ist. Zehn bis zwansig
oder noch mehr solcher Reihen befestigt man an einander, so dafs der
ganze Putz schliefsiich ungefähr c^linderformig anzusehn ist. Mehrere
.Stunden dauert es oft bis dieses Kleidungsstück über Kopf, Arme und
Brust gestreift ist Uebrigens dient diese Tracht mehr zur Zierde als
zur nothwendigen Bekleidung. Eigenthümlich ist die Kopfbedeckung
verheiratheter Frauen. Sie ist recht malerisch und an Gestalt uod
Aussehen einem Helme nicht unähnlich. — Die Knaben laufen ge-
wöhnlich ganz nackt, die Mädchen dagegen tragen eine Art kurser
Die Ovaliererö. 249
Schurze, an der eine Menge feiner Streifen herabh&ngen, die mit Eisen-
und Kapferkügelcben verziert sind.
Die Mftnner tragen wenig Schmuck und überlassen ihn fast ganz
ihren Frauen und Töchtern wie bei uns zu Lande. Dagegen halten
ne viel auf eine Unzahl feiner Lederriemchen, die zusammengeflochten
einen Theil ihrer Bekleidung ausmachen, indem sie dieselben nachläfsig
aber nicht ohne Geschmack um ihre Hüften schlingen. An diesen
Biemen, die oft 100 FuDb lang sind, befestigen sie ihre Kirri's oder Keu-
len. — Die vermögenden Herero tragen als Schmuck auf ihren Pelzen
grobgearbeitete Eisen* und Kupferkügelchen von verschiedener Gröfse.
Jeder Häuptling legt eine besondere Perlschnur, die hauptsächlich aus
Eisenperlen besteht, und woran man seine Hfiuptlingswürde erkennt,
als Kette um den Hals. Die reicheren Hererö tragen auch eine lange
Schnur von Elfenbeinkugeln, die sie wie eine Halfter umlegen. Sie
baumelt vom Nacken den Rücken herunter bis zur Erde hinab. Die
Qröfse dieser Kugeln, welche sehr sorgfältig gearbeitet sind, geht von
der eines Billardballes bis zu derjenigen einer Hasel nufs herab. Die-
ser Sehmuck wird ^ornhumba^ genannt
Weiber, welche die Mittel dazu haben, tragen eine grofse Menge
Eisen- and Kupferringe um die Handgelenke und die Fufsknochel.
Gold und Messing hat wenig Werth bei ihnen, einen um so höheren
aber das Eisen. ' "
Als Fufsbedeckung tragen die Herero ganz schlichte und einfache
Sandalen, d. h. blos die Männer. Merkwürdigerweise aber gebrauchen
die Herero ihre Sandalen nie beim Gehen auf Reisen, sondern blos,
^enn sie- zu Hause in Ruhe und Unthätigkeit sind. Ehe ein Herero
die Wohnung eines anderen betritt, legt er jedesmal zuvor nach orien-
talischer Sitte an der Schwelle seine Sandalen nieder.
Die Bewaffnung der Herero besteht aus Assagai's oder Spee-
ren, Kirri's, Bogen und Pfeilen; sehr viele haben jetzt auch Schiefs-
gewehre. Manche tragen auch einen sclbstfabricirten Dolch in einer
ledernen Scheide bei sich.
Die Spitse der Assagai's ist von Eisen, sehr breit und wird ge-
wöhnlich sehr blank gehalten. Das Eisen ist weich, so dafs die Spitze
sehr leicht geschliffen und ausgebessert werden kann, wenn sie sich
abgenntst hat. Der Stiel ist manchmal auch von Eisen, noch öfter
aber von Holz und gewöhnlich ziemlich am Ende mit dem Büschel
eines Odisenschwanzes versehn. Seiner Breite wegen ist der Speer
recht gat zur Stofswaffe, der Schwere wegen nicht recht zum Werfen
geeignet. Man benutzt diese etwas unbeholfene Waffe meist als Messer.
1
250 JoiAphat Hahn:
Sie ist swar ein ungeschickter Stellvertreter desselben, kann aber den-
noch als solches gebraucht werden.
Der ^Kirri*^, aus eisenhartem Holz oder Bhinooeroshorn, ist eine
Lieblingswaffe der Herero, die sie mit grofser Geschicklichkeit fuhren,
nnd mit der sie mit grofeter Sicherheit Vögel in der Lnft and kleine
Yierfufsler, wie Hasen, im vollen Laafe erlegen. In einer getbten
Hand ist der Kirn eine furchtbare Waffe, da ein einziger wohlgezielter
Wurf oder Schlag den stfirksten Mann zu Boden zu strecken vermag.
Verfolgt der Herero einen Feind und hat einen Eirri bei sich, so
wird ihm der Flüchtling selten entgehn, denn ans weiter Entfemuog
aohmettert er denselben mit dem Eirri zu Boden.
Bogen, Pfeil und Köcher sind zwar die bestandigen Begleiter des
Herero, aber sie sind in seinen H&nden nicht so wirksam, wie sie es
aein könnten; ein Herero wird selten ein vollendeter Schütze mit
Bogen und Pfeil. Etwa auf 30 — 40, höchstens 50 Schritt schieisen sie
sicher, aber in größerer Entfernung vermögen sie wenig. Dies ist um
so mehr zu verwundern als die Herero mit Flinten ausgezeichnet sicher
schiefsen. — Jeder Hererokrieger schmückt sich, wenn er in den Krieg
zieht, mit einem besonderen Kriegsschmuck, bestehend aus einem Strau-
fsenfederbnschel, welcher auf dem Kopf befestigt wird und dem Krieger ein
sehr martiales Aussehen verleiht — Einen Dolch, wie gesagt, trägt
fast jeder Herero in einer ledernen Scheide an den Lenden. Den
Dolch gebraucht man aber höchst selten als Waffe, sondern mehr zam
Schlachten (was übrigens auch mit dem Speer geschieht) und zu Hob-
nnd Lederarbeiten.
Die hauptsächlichste Nahrung der Herero besteht nichtf. wie man
meinen sollte, aus Fleisch, sondern aus Milch, welche jedoch seltener
süfe, sondern gewöhnlich sauer und in einem Kalebas gerüttelt, ge-
nossen wird. Es ist dies übrigens eine aufserordentlich nahrhafte
Speise, bei welcher man ohne alle sonstige Zukost sehr gut leben
kann. Die Herero trinken oder essen ihre Milch immer aus einem
und demselben Holztopfe, der niemals ausgewaschen wird, sondern den
man höchstens dann und wann von Hunden reinlecken läfst Dies ge-
schieht in Folge eines Aberglaubens. Denn die Herero glauben fest,
wenn man die Holztöpfe mit Wasser oder anderswie reinigte, dann
würden die Kühe keine Milch mehr geben.
Mit Ausnahme von erlegtem Wilde essen die Herero sehr wenig
Fleisch, denn Hornvieh schlachten sie selten, und das geschieht aadi
fast nur bei Hochzeiten, bei Oeburtsfestlichkeiten , was man bei nns
Kindtaufen nennen würde, bei Begr&bnissen, bei der Bescbneidnng von
Knaben und einigen anderen religiösen Ceremonien und politischen
Festlichkeiten. Hierüber aber anderen Ortes ein Näheres. — Die ver^
Die OvBhererd. 251
«rmteD Herero, welehe keine Milch, am davon zu leben, haben, leben
Ton Erdnassen oder Saanüssen, die das Ausaehen and die Gröfee rou
wilden Kastanien haben and in Asche geröstet sehr wohlschmeckend
sind, doch mafs man sie in grofsen Quantitäten essen, am satt davon
m werden. Aach Wurseln und wilde Zwiebeln oder Oentjes, die
ebenfalls in Asche gebacken einen guten Oeschmack erhalten, dienen
als Lebensmittel. — Nicht selten jagen die Herero des Nachts mit
Feuerbrfinden in den Händen dem Löwen seine Beute ab und lassen
sie sich selbst wohl schmecken. Ein gans merkwürdiges Nahrungs-
mittel bei den Herero wurde bereits in der Abhandlung über „das
Land der Oyaherero^ erwähnt, nämlich der Gummi von der Acttcia
karrida. Er quillt in sehr grofsen Quantitäten aas dem Stamme die-
ses Baumes hervor und hat einen sehr angenehmen süfsen Geschmack.
Versdiiedene Arten Beeren, die auf Sträuchern wachsen, einige Pilz-
arten und wilder Honig und besonders auch Heuschrecken dienen den
Eingeborenen zur Speise.
Die Herero sind auch leidenschaftliche Raucher. Eine Art and
Weise bei ihnen, zu rauchen, ist sehr merkwürdig und unterscheidet
sich sehr von der bei den Hindu's, Mohamedanern und Europäern üb-
lichen Methode. Anstatt einfach den Rauch etnzuziehn und dann durch
den Mund oder die Nase herauszulassen, verschlucken sie ihn oft ab-
sichtlich. Dieses Verfahren ist zu merkwürdig, als dafs wir ohne
Weiteres darüber hinweggehn könnten. Man giefst, um den Rauch
abzukühlen einiges Wasser in ein grofses Antilopenhorn von mehreren
Paus Länge. Eine kurze Thonpfeife, die entweder mit Tabak, oder
wenn dieser nicht aasreicht, mit einer Mischung von Tabak und trocke-
nem Kuhmist oder Dadia^ (wilden Hanf-) Blättern gefallt ist, wird
fast am äufsersten Ende in das Hörn gesteckt, wo sich ein Loch be-
findet, welches mit der inneren Höhlung in Verbindung steht Wäh.
read die grofse Oeffnung am Hom zugestopft ist, ist durch die äufiserste
Spitze ein Loch bis in die innere Höhlung hineingebohrt und an dieser
Oeffnung wird beim Rauchen gezogen. Mit der in dieser Art con-
strairten Pfeife setzen sich die Anwesenden in einen Kreis und beob-
achten feierliches Stillschweigen. Wenn der Häuptling sich dabei be-
findet, thut er den ersten Zug aas der Pfeife. Sobald ein solcher
Raachdub seine Beschäftigung angefangen hat, scheint jedes Mitglied
allen Sinn für die Aufsenwelt verloren zu haben und überläfst sich
ganz dem Genufs. An demjenigen, der den Rauch verschluckt, wäh-
rend die Pfeife anter tiefstem Stillschweigen durch den Kreis wandert,
werden die Folgen davon bald bemerkbar. Er verzerrt das Gesicht,
die Augen werden gläsern und ausdruckslos und nach einiger Zeit
Hegt der Raucher der Länge nach auf dem Boden. Jetzt giefst man
1
2S2 Joiaphat Hahn:
Wasser anf ihn, reifst ihn gewaltsam am Haar und scbl> ihn ohne
Umstände mit der Hand aaf den Kopf. Alle diese, freilich unange-
nehmen Manipulationen haben gewöhnlich den Erfolg, dafs der Be-
täubte nach einigen Minuten wieder zu sich kommt. Man hat indefs
auch Fälle, dafs der mit dem giftigen Qualm angefüllte Raucher aaf
der Stelle todt blieb. Uebrigens rauchen die Herero gewohnlich aas
hübschen, zierlich gearbeiteten Thonpfeifen mit Rohrstielen, und zwar
ohne den Rauch zu verschlucken.
Trotzdem, dafs die Herero sehr viel mit ihren Wohnsitzen wech-
seln, was freilich nicht aus Wanderlust, sondern stets ans irgend einem
localen Grunde geschieht, ist dennoch die Liebe zur Heimath and
zum Grund und Boden bei ihnen, wie nur bei irgend einem ande-
ren afrikanischen Volke sehr stark ausgeprägt Anf dem heimatblichen
Boden, dem sie mit wahrhaft rührender Liebe zugethan sind, erschei-
nen die Herero als ein munteres und sorgenloses, aber nicht leicht-
sinniges Volk, das an Gesang und Unterhaltung, an Musik und an
Schaugepränge seine kindliche Freude hat, — Dabei ist jedoch das
einzige musikalische Instrument, welches sie besitzen, ihr langer
Bogen. Sie binden ein dünnes Stück Lederriemen um die Sehne and
den Griff, etwa in der Mitte des Bogens und schnüren sie fest an
einander, bis sie sich beinahe berühren. Dadurch wird natürlich die
Bogensehne ganz straff angespannt. Während nun der Musikant mit
einem Stöckchen an die gespannte Bogensehne schlagt, hält er den
Bogengriff horizontal mit der anderen Hand bald gegen die Z&hne,
bald hält er ihn mit den Zähnen selbst, indem er die Lippen abwech-
selnd an den Griff prefst und, um ihn nicht zu berühren und hellere
Tone zu erzielen, wieder zurückzieht, was natürlich stets die furcht-
barsten und komischsten Grimassen verursacht. Ferner hält der Vi^
tuose den Bogen nicht nur an einer, sondern an verschiedenen
Stellen (bald in der Mitte, bald am Ende) gegen die Zähne und mit
denselben. Durch das beschriebene Manöver weifs er die verschieden-
sten Töne, auch crescendo und minttendo, forte und piano dem Bogen
zu entlocken. Um einen solchen Spieler herum lagern sich unter einer
gewaltigen Giraffenakazie oder im Schatten der Mimose in den Nach-
mittags- und Abendstunden eine Menge Zuhörer, die Bewohner des
Dorfes. Ein guter Praktiker kann mit seinem Spiel eine grofse Wir-
kung hervorrufen. In allen Stücken tritt aber die Melodie gegen den
Rythmus sehr in den Hintergrund. Mit ihrer Musik ahmen sie haupt-
sächlich das Galopiren und Traben der verschiedensten Thiere, und
zwar mit grofser Vollendung, nach. Das plumpe Geplärr des Pavians
ist das Meisterstück, und wenn es gut ausgeführt wird, bricht die ganze
Die OTAhererö. 253
Corona in ein brauendes Gelächter aas. — Die Herero lieben sehr
den Gesang, doch singen sie nicht zusammen im Chor. Dagegen
werden Soli's bei ihren Liedersingereien und zwar glefoh aus dem
Stegreif gesungen, indem der S&nger Text und Melodie zugleich er-
findet. Bisweilen fSllt dabei der Chor brummend und des S&ngers
Worte wiederholend ein.
Vor allen Dingen liebt der Herero Erzählungen, die ebenfalls
bei solchen gemuthlichen Abendversammlungen von einem Erzähler er-
fanden und vorgetragen werden. Die Art und Weise und der Inhalt
solcher Erzählungen ist sehr charakteristisch. Angenommen, Einer will
zeigen, wie die Feuerwaffen oder der Branntwein von Europa nach
Afrika gekommen sind, so hält es der Erzähler, um diesen Zweck zu
erreichen, der Muhe werth, möglichst weit auszuholen und in allerlei
Nebenumständen und Vorbereitungen sich zu ergehen, ehe er zur
eigentlichen Pointe kommt. Es tritt diese Eigenthümlichkeit des
Erzählens besonders bei den Fabeln und Märchen hervor, von
denen manche so lang ausgesponnen werden, dafs der Erzähler
eine oder gar zwei Stunden damit ausfüllt, und wenn man dann
auf den Schlufs gespannt ist, verläuft der Strom der Erzählung
gewöhnlich im Sande, weil die Phantasie des Vortragenden zu Ende
ist, und derselbe meist schon längst vergessen hat, worauf er ursprung-
lich mit seiner Erzählung hinauswollte. Er hat mit seiner Erzählung
vielleicht nur darthun wollen, warum der Schakal gerade so heult,
wie er heult, und nicht anders.
Ueber die allgemeine Verfassung der Ovaherero ist wenig zu
sagen. Ein gemeinsames Oberhaupt haben sie nicht und scheinen nie-
mals unter einem solchen gestanden zu haben. Dagegen sind sie in
eine Menge gröfserer und kleinerer Stämme von mehreren hundert bis
einigen tausend Seelen getheilt, und jeder Stamm ist für sich vollstän-
dig unabhängig und steht den' übrigen durchaus gleichberechtigt zur
Seite. Trotz dieser Zersplitterung fühlen die einzelnen Stämme ihre
Znsammengehörigkeit in dem stark entwickelten Bewufstsein, zu einer
and derselben Nation zu gehören. Obwohl die einzelnen Stämme
durchaus nicht durch gemeinsame Institutionen in Beziehungen zu
einander gesetzt sind, kann man durchaus nicht sagen, dafs sie als
ganz bestimmt abgegränzte Corporationen einander gegenüberstehen.
Dazu ist das gemeinsame Nationalgefuhl der Herer6 zu stark, und so
kann es oft vorkommen, dals Unterthanen eines Häuptlings aus den
verschiedensten Motiven ohne besondere Veranlassung ein anderes Ober-
haupt ausersehn, indem sie zu einem anderen Stamme übergehn; und
dieser Freizügigkeit sind durchaus keine Schranken gesetzt. Aufser-
1
254 Josaphat Hahn:
dem aber ist durch das Kastenwesen ein bedeatungsvoUer innerer
Wechselverkehr zwischen den verschiedensten Stftmmen hergestellt
Doch hierfibet wird anderen Ortes aosfuhrlicher die Rede sein.
Die Organisation nnd Verfassung der einseinen St&mme
ist eine sehr einfache. An der Spitxe eines jeden Stammes steht du
Häuptling, von den Hererö ,,0muh6na^ genannt: dieser Titef kommt
ausschliefelich dem Häuptling zu! Jeder Stamm besteht aus einer
mehr oder minder grofseo Anzahl Dörfer, von denen das Hauptdorf,
in welchem der Häuptling oder Omuhöna seine Residenz hat, ^Ohona^
genannt wird. Die übrigen kleineren Dörfer, die alle mit einem Doni-
veriian umgeben sind zum Schutze für das Vieh, welches Abends in
die Dörfer hineingetrieben wird, heifsen entweder ^Oogandä^ oder
^Ozohambo.^ (Das z ist zu sprechen wie das weiche englische tk in
dem Artikel the,)
Die Verfassung der Herero innerhalb der einzelnen Stämme kann
man eine patriarchalische nennen, ähnlich wie bei den Beduinen.
Obwohl aber der Häuptling unumschränkter Herr über Leben und
Eigenthum aller seiner Unterthanen ist, so ist doch seine Macht durch
das Herkommen beschränkt, und da jeder seinen Häuptling verlassen
und sich einem andern anschliefsen kann, so ist dies mit ein Motiv bd
den Häuptlingen, nicht zu streng gegen ihre Unterthanen zu verfahren.
Im Ganzen jedoch hängt die Stellung und die Machtvollkommenheit
bei jedem Häuptling von seiner eigenen Persönlichkeit ab. Ein ener-
gischer, kraftvoller Häuptling braucht derartige Rücksichten, wie sie
oben angedeutet wurden, nicht zu nehmen. Die Verfassung bei den
Namaqua dagegen ist eine ganz andere als bei den Herero; m«i
könnte sie eher eine republikanische nennen. Kein Namaqua-
hänptling hat die höchste Gewalt in seinem Stamme, wenigstens for-
mell nicht Die Namaqua als höchst zähe Republikaner bestehn darauf,
dafs ein Rath* der Aeltesten endgültig Alles, was von dem Häuptling
vorgeschlagen wird, prüft und nach Gutdünken bestätigt oder verwirft
Selbst Jonker Affrekander, der oben mehrmals erwähnt wurde, zo
seiner Zeit der mächtigste und einflofsreichste Mann im ganzen Na-
maqualande, mufste sich dieser Form unterwerfen. Nur bei Vorfällen
von grofser Bedeutung soll er sich der Berathungen mit den Aeltesten
des Stammes entzogen haben.
Beim Tode eines Hererohäuptlings gebt seine Würde und sein
Reichthum, oder die Erbfolge nicht immer auf seinen ältesten Sohn
über, sondern oft auf den Sohn seiner Schwester. Bei der Theilung
seiner Habe ist der Schwestersohn meist der Haupterbe, eine Sitte,
die sich in Afrika bei mehreren Völkern wiederholt.
Wir können hier, wo von der Verfassung und Organisirung der
r
Die Oyahererö. 255
Hererost&nme die Rede iat, jcuni Schlufs eine Bemerkung über die
Entstehang einzelner Stfimme hinzufügen. Es ist nfimlicb bemerkens*
wertfa, wenn es auch sehr selten vorkommt, dafis in Folge einer eigen-
thomlichen Landessitte sich im Laufe der Zeit neue Stfimme bilden
köoDen. Da die Herero Nomaden sind, wird das ganze Land von
ihnen als gemeinsames Eigenthum betrachtet, es gehört deshalb Allen
and doch Keinem. Da aber aus diesem Grunde leicht Streitigkeiten
iwischen verschiedenen Stämmen um einen bestimmten District oder
eine Weide oder Quelle entstehen konnten, hat sich zur Verhütung sol-
cher Ffille folgender, fester Brauch ausgebildet Wenn sich n&mlich
ein Stamm oder auch nur ein einzelner Hererö (und auf diesen letz-
teren Fall kommt es uns an) zuerst an einer Quelle niederlifst, s6
wird er als der alleinige rechtmäfsige Eigenthümer des Wassers und
des dazu gehörigen Weidegebietes angesehen, so lange es ihm geffillt
dort zu verweilen, und Niemand wird sich erlauben, sich an derselben
Stelle niederzulassen, ohne vorher die Erlaubnifs des Eigenthümera
eingeholt za haben. Ertheilt nun ein solcher Quellbesitzer auch An-
deren die Erlaubnils, sich bei seiner Quelle niederzulassen, so werden
diese Hinzugekommenen, aufser wenn es ein ganzer Stamm ist, fortan
Unterthanen des Qnellbesitzers und dieser wird ihr rechtmäTsiger
gOmnfaona^ oder Häuptling. Wie aber gesagt, kommen solche Fälle
höchst selten vor, um so mehr aber ist es zu verwundern, dafs die
Herero mit Fremden, die sich auf diese Weise in ihrem Lande etabli-
ren, keine Ausnahme zu machen scheinen. Der Missionar Hugo-
Hahn wurde ohne sein Wissen und Wollen auf die eben geschilderte
Weise Omnhona eines Stammes. Dies ist freilich der einzige der-
artige Fall, der uns bekannt geworden ist
Die Herero gehören zur Negerrace, obwohl sie selten die cha-
rakteristische;! Grundformen der Neger in ihrer Physiognomie ha-
ben, auch haben sie nicht die dicken Lippen, die man den Negern zu-
schreibt Die meisten zeigen eine auffallend kaukasische Oesichtsbildnng,
ond wer sich an ihre dunkle Hautfarbe und das krause Haar gewöh-
nen kann, der wird sehr viele wirklich hübsche Leute unter ihnen
finden. Die Herero sind im Allgemeinen lang, zierlich gebaut, mns-
kolöe und vollkommen aufrecht Ihr Kopf ist gut zurückgeworfen und
ihr üppiges, wolliges Haar um die freie Stirn wohl gehäuft Ihre Züge
und meistens schön geformt, doch ist der Ausdruck oft mehr oder
minder roh, was bei ihrer ganzen Lebensweise nicht sehr zu verwun-
dern ist Ihr Körper glänzt von Fett oder Butter mit rothem Ocher
Tennischt, was, wie schon oben bemerkt, als Präservativmittel für die
Haut dient. Die der reicheren Erlasse Angehörenden sind sehr gut, wenn
auch einfach, aufgeputzt und bieten auf ihren l^peer oder Bogen ge-
256 Josaphat Hahn:
stfitzt, mit dem Köcher auf dem Rücken einen imponirenden, fast
bildsäulartigen Eindruck'). Andersson beschreibt die Hererö mit fol-
genden Worten: Im Allgemeinen sind die Herero ein schönes Volk,
ond es ist gar nicht selten, dafs man unter ihnen Leute yon sechs
Fafs und mehreren Zoll Länge findet, die in jeder Hinsicht wohl pro-
portionirt sind. Ihre Angesichter sind ebenfalls schon und regelmfiCsig,
und manche können als wahre Muster menschlicher Schönheit gelten.
Ihr Wesen und Leben ist angenehm und ausdrucksvoll. Aber obgleich
sie aufserlich sehr kräftig aussehen, können sie doch im AllgemeiDen
in dieser Beziehung keinen Vergleich selbst mit mäfsig starken Euro-
päern aushalten. (Wir bemerken hier, dafs in der letzteren Aenfserang
wohl zu viel gesagt ist, und dafs die Herero bei körperlichen Arbeiten
sowie auf anstrengenden Reisen sich als sehr ausdauernd bewähren.)
Ihre Augen sind schwarz und haben einen sanften Ausdruck. Die
Hautfarbe ist dunkel, obwohl sie nicht ganz schwarz ist.^ — Es ist
hier hinzuzufügen, dafs in der Hautfarbe einige Abstufungen und Unter-
schiede zu bemerken sind. Die Herero selbst machen einen Unter-
schied zwischen ^^Ovathorondii^, Schwarzen und ,)Ovatherandu*^, Rothen.
Zu den Ovathorondu gehören im Allgemeinen die eigentlichen Herero,
zu den Letzteren, den Ovatherandü, gehören dagegen im Grofsen und
Ganzen ihre Brüder und Stammesverwandten, die Ovambandyeni. Doch
läfst sich dieser Upterschied nicht stricte durchführen.
Im Hererolande kommen auch, wenn auch selten, Albinos vor;
wir selbst haben nur einen gesehen. Uebrigens werden alle Kinder
fast ganz weifs und mit ziemlich langen, schlichten schwarzen Haaren
geboren. Die Farbe verändert sich aber in den ersten Wochen und
-das schlichte Haar fällt bald aus und an seine Stelle tritt dann das
krause.
^Die Frauen sind,^ nach Anderssons Beschreibung, „meist fein und
symmetrisch gebaut, mit vollen, runden Formen und sehr kleinen Händen
und Füfsen. Ihr unsicheres Leben aber und der beständige Aufenthalt
unter einer brennenden Sonne u. s. w. ist der Grund, dafs ihre Schön-
heit bald verschwindet, und in vorgerücktem Alter werden sie oft die
abscheulichsten und häfslicbsten Wesen, die man sich denken kann.*'
Ganz grundverschieden von den Herero sind die Namaqua in
ihrem Aeufseren. Sie haben eine ziemlich hellgelbe Farbe, so dafe
-der von der Sonne verbrannte Europäer oft noch dunkler als viele
unter ihnen aussieht. Sonst aber sind die Namaqua die häfslicbsten
') Fast mit denselben Worten beschreibt der bereits erw&hnte Qalton die
Hererö, doch fügt er, da er kein besonderer Freund derselben ist, Einiges hinzu,
n^as nicht der Wirklichkeit entspricht und deshalb hier fortgelassen ist.
Die Ovaherer<5. 257
Menschen, die mao sich auf dem Brdboden denken kann. Man stelle
sich D&mlich ein mittelmäfsig grofses Individuum vor, von scbmotzig
gelber Hautfarbe, mit kleinem, rundem Kopfe ond eingedrückter Stirn,
mit kleinen, stechenden, schwarzen, stets unruhigen Augen ^ platter,
kaum sichtbarer Nase und weit aufgerissenen Nasenlöchern, hervor-
stehenden Backenknochen, mit spärlichen wolligen Haaren auf dem
Kopfe, und man hat einen leibhaftigen Hottentotten oder Namaqna vor
ach. um sie jedoch für so viel Häfslicbkeit einigermafsen zu entschfi-
digeo, hat die Natur ihnen die allerniedlichsten, kleinsten Hände und
FSlse gegeben, welche die elegante Welt sich nur wünschen könnte.
Die Kleidung des Namaqua besteht aus ledernen selbstfabri-
«irteo Mocassins, einer Lederhose, Lederjacke (ebenfalls eigene Fabri-
kate), einem Pilz-, Stroh- oder Lederhute mit herabhängender Krampe.
Ferner trägt der Namaqua stets ein Messer, eine Zunderdose und einen
Stahl zum Feuerschlagen nebst dem dazu gehörigen Feuersteine, ein
Stock Tabak oder Dacha (wilden Hanf) bei sich. Ist der Namaqua
mit allen diesen Gegenständen versehen, so dünkt er sich reich wie
ein König.
Da die Namaqua, wie die Herero, Nomaden sind, fuhren sie die-
selbe nnregelmäfsige Lebensweise wie diese. Viele Tage streifen
sie umher ohne hinreichende Nahrung. In solchen Hungerszeiten wird
der Schmachtriemen um den Leib gebunden und ein Knoten über den
Magen gedreht, dessen Druck den Heifshunger in Ermangelung besserer
Mittel mäfsigen mnfs. Dann verschlingen sie wieder, wenn sie im Be-
sitz von Nahrungsmitteln sind, eine ungeheure Mahlzeit, welche fast
für die ganze nächste Woche 'vorhalten mufs. Dann, ohne Speise ir-
gend einer Art zu geniefsen, trinken sie einige Tage hindurch blos
stark berauschendes Honigbier von eigenem Fabrikat oder Branntwein,
weoD sie es haben können, betauben sich durch Dacha, der die Ge-
sundheit zerrüttet und wie das Opiumrauchen entnervend auf den
Korper einwirkt, bringen den gröfseren Theil der Nacht schlaflos mit
IOeechwätz, Tanz, Lärm und Unfug zu. Eine bessere Darstellung des
iolce far nienie kann man nirgends finden als in den Binsenhütten
der Namaqua und in ihren Dörfern. Denn den ganzen Tag thun sie
^ gar nichts, aufser, wenn die gröfste Noth sie bedrängt, sondern
%%tVL träge umher in oder vor ihren Binsenhütten, indem sie abwech-
'tslod schlafen, rauchen oder auf einer Kalebasvioline stundenlang einige
monotone Töne fiedeln. Dabei ist nicht zu läugnen, dafs die meisten
Namaqua ein grofses musikalisches Talent besitzen. Kann der Na-
•Mqwt eine Oeige erlangen, so wird er in kurzer Zeit ein Virtuose,
dab er oft ein Stück, welches er nur einmal gehört hat, mit der
Ziiticlir. d. GMttUicb. £. Brdk. Bd. IV. 17
258 Josaphat Hahn: Die Ovahererd.
bewundernswerthesten Präoisioo und dem entfiprechenden Ausdrucke
wiederholen kann.
Reich iat der Namaqna, wenn er ein altes Gerippe ron Ochsen-
wagen besitzt, dessen R&der und Speichen der besseren Haltbarkeit
wegen mit Riemen durchflochten sind. Mit 12 bis 20 Ochsen davor
(möglichst alle von derselben Farbe, denn so liebt es der Namaqoa)
werden rüttelnd und krachend, als ob der Wagen jeden Augenblick
susammenstürzen könnte, ungeheure Strecken durch sandige Wfisten
und über Berg und Thal etc. zurückgelegt. Natürlich geht es nadi
Schneckenart. Gewöhnlich ist der Wagen ziemlich schwer mit allerlei
Artikeln beladen, die sie in der Eapcolonie absetzen, weil sie im eigeDen
Lande schlechten Markt dafür haben. Die Handels- oder Tauschartikel
bestehen hauptsächlich aus Fellen verschiedener Antilopenarten, Rhi-
nocerosfellen und Peitschen aus diesem Stoffe, sogenannten „Sambocks^;
ferner aus Springbockmatten, Schakalspelzen und grofsen Stücken Ser-
pentin, weichem, marmorirtem Seifenstein, der mit Leichtigkeit auch von
den Eingeborenen in allerlei Formen geschnitten, aber vorzugsweise
zu Pfeifenköpfen und Gigarrenspitzen (woher auch die BezeicbooBg
j,Pfeifenstein^) verarbeitet wird, endlich aus Straufsenfedern, Ochsen-,
Antilopen und Rhinoceroshömern etc. — Die Fracht vertauschen die
Namaqua gegen Bagatelle, z. B. für Pulver und Blei, besonders aber
für Tabak und Branntwein; die beiden letzteren Artikel werden von
ihnen besonders leidenschaftlich gesucht Die Branntweinsucht der
Namaqua ist so notorisch, dafs sie in der Kapcolonie sprfichwörtüdi
geworden ist. Für einen Schnaps, sagt der Kapl&nder, i6t der Nama«
qua jederzeit dienstfertig; für eine Flasche Branntwein reitet er die
ganze Nacht Courier, verkauft sein Weib und begeht einen Mord').
') Diese Skizze von den Namaqua haben wir zum Tbeil frei nach Kreteschmv
gegeben, wobei aber anch manches aus demselben Gmnde, der vorlun in Betreff
Galton's angeführt wurde, fortgelassen werden mnfste.
(Schlufs folgt)
r
259
XI.
Hohlenbauten aus der jüngeren Steinzeit auf Sylt.
Vom Assessor Ernst Fr i edel.
. AafSylt, der gröfsten Insel der nördlichen Uthlandsfrieseo, gebt,
wie an manchen anderen Orten des deutschen und scandin avischen
Nordens, die Sage von einem zwergartigen Urvolk» das einst das Land
bevölkert und das später durch ein gröfseres und kräftigeres Geschlecht
nicht ohne blutige Kämpfe verdrängt worden sei. C. P. Hansen,
der fleifsige Sammler nordfriesischer Sagen, giebt an, wie der Ueber-
lioferung nach viele der Hügel auf der hohen Braderup-Kamper*Haide
als Wohnstätten eines derartigen Menschenstammes anzusehen seien.
Als ehemalige Wohnstatten dieser Art gelten u. A. der £nnenhoog
imd der Lünghoog, und als Residenz des Zwergkönigs Finn der Reise*
hoog nordÜch von Braderup. Als gemeinschaftliche Grabstätten vieler
im Kampfe gegen das Urvolk gefallenen Friesen bezeichnet man die
Border bei Kampen, und als Grabbügel des friesischen Königs Bröns
and seines Sohnes, welche von den sich tapfer vertheidigenden Skrä-
lingen erschlagen wurden, nennt man die Brönshügel unmittelbar bei
dem grofsen Kamper Leacbtthnrm am Rothen Kliff. Naeh der Sage
ist der König auf seinem goldenen Wagen sitzend da bestattet, wo
er gefallen, und ein grofser Erdwall herumgeschüttet. Die Sylter hät-
ten nach diesem Kriege da, wo der Hauptkampfplatz gewesen war,
das Dorf Kampen und in der Gegend , * wo sie den Sieg gewonnen
hatten, den Ort Wonstadt oder Wenningstedt angelegt.
Uns interessirt bei dieser Sage hauptsächlich der Hinweis auf ein
aasgestorbenes Urvolk, das in seiner Gestalt von der späteren Bevöl-
kerong gänzlich verschieden ist. In der That ist auch das Vorhanden-
sein einer untersetzten, kleinhändigen Race, welche in mancher Be-
ziehung zu einem Vergleiche mit gewissen Polarstämmen einladet, aus
Graber^nden der neuern Stein- und der Bronze-Zeit «of Sylt festge-
stellt Das Material hierzu haben die erwähnten und andere Hügel
geliefert, die, wenn man erwägt^ wie viel gegenwärtig die Insel im
Westen durch Flnth und Sturm eingebüfst, als ursprünglich auf
der östlichen Hälfte der Insel belegen bezeichnet werden müssen
und die, nach dem Ergebnifs der bisherigen Forschungen, wohl
^nmitlich als Begräbnifsstätten, nicht als Wohnstätten von
Menschen anzusehen sind.
So gewöhnlich nun auch die Existenz vorgeschichtlicher Begrab*
1
260 Ernst Friedel:
nifs Stätten in Europa ist, so selten läfet sieb bis jetct das Vorbanden-
sein vorgescbicbtlicber Wohnstfitten nachweisen, namentlich sind
diese Nachweise bis jetzt überaus spärlich in Deutschland. Ehe man
Pfahlbauten auch im Norden unseres Vaterlandes entdeckte, waren
hierselbst sichere Spuren von Wohnst&tten der Urbevölkerung fast nir-
gends bekannt.
Diese Thatsachen, sowie der Umstand, dafs man von Seiten der
Alterthumsforscher dem Westrande der Insel Sylt so auffallend wenig
Beachtung geschenkt hat, mögen es entschuldigen, wenn ich es ver-
suche, die Aufmerksamkeit auf zwar nicht sehr ausgiebige, aber doch
ziemlich zuverlässige Spuren von Wohn Stätten aus der jungem
Stein zeit auf Sylt zu lenken.. Die Ursache, dafs die dänischen Alter-
thumsforscher, welche doch so viele Hügel im Osten der Insel geöff-
net, den Westrand derselben aufser Acht gelassen, mag darin liegen,
dafs die Ostseite jetzt der eigentlich bewohnte und leicht zugängliche
Inseltheil ist, auf welchem die meisten Dörfer und die meisten Orab-
hfigel liegen, während der unwirthliche und öde Westrand, dessen
weites einst mit Sumpf, Torf und Wald bestandenes Vorland längst
in die Nordsee versunken ist, seit mindestens drei Jahrhunderten anter
Wander-Dünen begraben liegt, die mit ihrem dichten weifsen Todten-
schleier alle Spuren geschichtlicher und vorgeschichtlicher Menschen-
thätigkeit verhüllen.
Der Umstand, dafs man am Westrande des etwa eine Meile
langen Rothen Kliffs häufig Steinwerkzeuge, welche zum Tbeil gut er-
halten, zum Tbeil auch durch langen Gebrauch abgenutzt und zer
brocben waren, gefunden hat, sowie die Mittheilung eines alten Insu-
laners, dafs sich in jenem seit unvordenklicher Zeit nicht mehr bewohnten
Landstrich Spuren von eigenthümlichen Pflasterungen und Steiobanten
gezeigt hätten, bewogen mich im Frühjahr 1868 Untersuchungen an-
zustellen, welche mich schliefslich , wie ich glaube nicht mit Unrecht,
überzeugten, dafs dort nicht allein reger Menschenverkebr in vorge-
schichtlicher Zeit stattgehabt hat, sondern dafs sich dort auch Spuren
neolithischer Wohnungen erhalten haben.
Das Rothe* Kliff wird gebildet aus einer Diluvial -Drift, die aas
lockeren, wenig deutlich geschichteten Ablagerungen von Lehm, von
Sand, der zuweilen durch Eisenhydrate rothbraun gefärbt und in Klam-
pen fest zusammen gebacken ist, femer von Kies, Geschieben und
Felsblöcken, deren abgeschliffene Flächen auf Gletscher- und Eistrans-
port schlielsen lassen, zusammengesetzt ist und oben von einer Lage
Ton Rollsteinen bedeckt wird, welcher eine magere höchstens 5 Fufs
dicke Erdschicht, das sogenannte Geestland, anfliegt Hier befindet
sich nun ein langer, schmaler und ebener Absatz, dem Strande pa-
HÖhlenbanten ans der jüngeren Steinzeit .anf Sylt 261
rallel laufend, gleichBam eine Stufe vom Strande aus nach der Krone
des Kliffs bildend und dadurch hergestellt, dafs die Ackerkrume, die
Geestschicht und das Rollsteinlager fast glatt abgekämmt ist. Begrenst
wird die hierdurch gebildete Plattform ostlich durch die senkrechte
Wand des mit einer spärlichen Grasnarbe bestandenen Kliffs, während
sie westlich so steil zum Strande abfiSllt, dafs man sich dem Rande
nicht ohne Gefahr hinabzustürzen, nähern kann. Nach der Meerseite
ist die Sohle dieser Stufe früher viel breiter gewesen ; jede Sturmfluth
bricht nämlich von ihrem Fnfse etwas ab, Frost und Regen wirken
nicht minder verderblich von oben her und haben so allmälig auf
Kosten der Plattfonn und ihrer Alterthumer einen beträchtlichen Theil
des Vorstrandes angeschüttet, auf welchem ich vom Meere abgeschliffene
Stein Werkzeuge , sogenannte Goast-Finds (Küstenfindlinge) '), schwer
zu bestimmenden Alters, sowie besser erhaltene Stein Werkzeuge und
Reste sehr grober Töpferwaare gefunden, welche der neueren Stein-
zeit angehören und wahrscheinlich früher auf der Plattform innerhalb
alter Wohnstätten gelegen haben, deren letzte Reste bereits hinunter
gestürzt nnd damit verwischt sind. Ob dieser Einschnitt von Men-
schenhand herrührt oder ob man bei Anlage der Wohnplätze, was
mir wahrscheinlicher däucht, eine bereits vorhandene Bodensenkung
benutzt und ausgetieft und planirt hat, wird sich kaum mehr entschei-
den lassen, weil die Contouren der Stufe zu sehr von der Witterung
gelitten haben, um ein sicheres Urtbeil zu ermöglichen. Der Boden
der Plattfonn selbst ist zum grofsen Theil wieder von Dünensand und
von herabgerutschtem Gerolle bedeckt^ doch an vielen Stellen, nament-
lich nach anhaltenden Winden, die den Flugsand oft von grofsen
Strecken fortfegen, noch deutlich erkennbar und so tief gelegen, dafs
man aufrechtstehend von dem Rande des Kliffs überragt und verdeckt
wird.
Auf der Sohle dieses Einschnitts befinden sich an verschiedenen
Stellen, zum Theil freiliegend, zum Theil vom Dünensand fufshoch
fiberschüttet, Steine von mittlerer Gröfse in so eigenthüm lieber Weise
gestellt und geschichtet, dafs man die Thätigkeit der Menschenhand
hier nicht verkennen kann. Verschiedene Steine sind kreis- oder
eifSrmig geordnet, als wenn sie die Grundlagen von Gebäuden wären,
andere sind zusammengeschichtet, als wenn sie zu Sitzplätzen oder
Feuerherden gedient hätten. Die Eingänge der Hütten oder Höhlen,
') DergL werden an den Kttsten der Nerd- und Ottsee, sowie anderer Meere
nnter dem Geroll gefunden ; sie sind von der See angesptthlt and mehr oder minder
durch das Walzen auf dem Meeresgrunde und am Ufer abgeschliffen, so dafs, wie
Nilsson und Sir John Lubbock hervorheben, weder ihre ursprüngliche Gestalt,
noch ihr Alter mit Sicherheit bestimmbar erscheint.
262 Ernst Friedel:
welche hier vorhanden sein mochten, scheinen gegen Osten oder Sa-
den gelegen zu haben, so dafs sie von der Morgen- nnd Vormittags-
sonne beschienen warden. Sehr auffallend ist ein schmaler nach Osten
mundender Pflasterstreifen Ton kleineren Feldsteinen, die in der Mitte
so gesetzt sind, dafs sie eine Art von Rinne bilden. Dieser Pflaster-
streifen scheint den Eingang zu einem nach Westen belegenen Ge-
bäude gebildet zu haben, das aber jetzt mit einem Theil des zugehö-
rigen Erdreichs g&oziich verschwunden ist. Ob der Pflasterstreifbn
dasselbe hohe Alter, wie die vorhandenen Qang- oder Gallerie- Wohn-
stätten hat, mag dahingestellt bleiben.
Dafs wir es hier nicht mitGräbern zu than haben, dafür spre-
chen folgende Anzeichen. Einmal sind die verwendeten Steine erheb-
lich kleiner als diejenigen, welche man zu den Gräbern der Steinzeit
wie überall im Norden so auch auf Sylt verwendet hat und in der
Regel Exemplare von ausgesuchter GrÖfse sind. Dann fehlt jede Spar
von Decksteinen, wie sie in den betreffenden Grabhügeln stets vor-
handen sind, während bei den neolithischen Wohn statten, die man
auf den dänischen Inseln, den Orkaden, in Schweden und anderen
Orten entdeckt hat, ebenfalls keine Decksteine verwendet sind. Diese
Wohnungen waren vermuthlich mit Holz, Reisig, Rohr, Rasen oder
ähnlichen Sachen bedeckt, welche im Laufe der Jahrtausende natnriieh
verwittert und völlig verschwunden sind. Sodann sprechen für be-
wohnte Niederlassungen manche der eigenthSmlich geschichteten Stein-
haufen, welche wohl Feuerherde waren. Durch Nachgrabungen habe
ich bei mehreren derselben nicht unbeträchtliche Massen von Asche,
Kohle nnd Enochenstücken, sowie vom Feuer geröthete Kochtöpfe xa
Tage gefordert, in welchen die Bewohner jener grauen Vorzeit Fische
und Fleisch zubereitet haben mögen. Ebenso sind dort Schalen von
mancherlei Weichthieren , die noch jetzt in der Nordsee lebend vor-
kommen, gefunden, namentlich von Cardium rtMltcum, MytUus eduliSy
Modiola vulgaris, Ostrea hippofws und Buccinum undaium. Diese Scha-
len sind zum Theil beim Oeffnen zertrümmert, zum Theil mit den
Thieren auf Kohlen gerostet worden und in Folge dessen calcinirt
Die erwähnten Gefäfse, die leider in dem feuchten Erdreich sehr ge-
litten haben, sind sämmtlich zertrümmert, aber deutlich erkennbar von
derselben ungeschlämmten, mit Kies vermengten und ohne Drehscheibe
mit den Händen roh geformten Marschthonmasse , aus welcher die
Todtenurnen der Sylter Grabhügel neolithischer Zeit bestehen. Diese
letzteren Urnen sind gar nicht oder doch nur schwach gebrannt, daher
an den Bmchfiächen der Scherben schwarz, während die Scherben
der — übrigens auch flacheren — Kochtöpfe sich an den Brnchflächen
.braunroth zeigen, als Folge lang andauernden Gebrauchs der Oe-
Hohlenbanten aus der jüng^eren Steinzeit auf Sylt 263
sebfirre im Kochfeuer. Unter den Topfen fanden sich Kohlen von
verschiedenen Holzarten, meist zu einer breiartigen Paste zusammen-
gedruckt, zum Theil aber auch noch so wohl erhalten, dafs man die
Holzart noch bestimmen kann. Auch unter den Steinen des letzt er^
wfihnten Pflasterstreifens, die übrigens behutsam wieder an geh5riger
Stelle eingefügt worden sind, fanden sich Spuren von Asche und Kohle,
welche vielleicht mit dem Regenwasser zwischen den Steinfugen ein-
sickerten. Dergleichen Holzkohlen finden sich aber in den betreffen-
den Gräben in dieser Weise nicht. — Zwischen den Scherben lagen
Reste von Tbierknochen, freilich nicht viele, da die meisten, den
Binflussen des Bodens preisgegeben, Ifingst verwittern mufsten. Men-
schenknochen fehlen gänzlich. Endlich sprachen dafür , dafs wir
hier nicht mit Grabstellen, sondern mit von Menschen und zwar lange
Zeit hindurch benutzten WohnstStten zu thun haben, die zahlreichen
tbeils unmittelbar innerhalb der Steinkreise und Steinhaufen, theils in
deren nächster Umgebung von mir und Anderen gefundenen Werk-
:Miige. Dieselben bestehen u. A. in zwei grofsen, über einen Fufs
langen, geschickt behauenen, aber nicht geglätteten Feuerstein äxten,
ferner in Beilen, Hauen, Keilen, Meifseln, Bohrern, Pfeil- und Lanzen^
spitzen, Messern und ähnlichen schneidenden Werkzeugen, sämmtlich
aus Feuerstein oder Quarz, sodann in Klopf-, Reibe- und Schleifsteinen
von Granit, Lava und Quarz, in Senksteinen und Netzbeschwerern,
^eils aus durchbohrten flachen Sandsteinen, wie man sie am Strande
findet, theils aus durchbohrten, runden, wulstformigen Thonscheiben,
die ungeschlämmt, sehr roh geformt und nur unvollkommen gebrannt
sind, femer in sogenannten Wirtelsteinen oder wohl besser Amuletten
oder Sehmucksteinen, die man vermuthlich an einer Schnur um den
Hids trug >), endlich aus einigen Stein- und Thongeräthcn, deren Be-
dentnng ich nicht zu enträthseln vermag und welche zum Theil viel-
leicht Kinderspielzeuge sind *). Alle diese Sachen zengeti von schar-
fem, fortgesetztem Gebrauch; sie sind zum Theil schartig, abgenutzt
und abgebrochen und scheinen hie und da als unbrauchbar fortgewor-
fen zu sein, während man in den Gräbern den Todten auf die Reise
in's Jenseits die schönsten und neuesten Werkzeuge und Waffen
mitgab.
Wenn es hiernach keinem wesentlichen Bedenken unterliegen mag,
dafs hier nicht Ruhestätten von Todten, sondern Wohnplätze von Le-
') Zorn Theil werden sie auch f&r Knöpfe gehalten; Nilsson: Tk« primitivt
»habitamts of Seandinavia, übers, von Sir John Labbock, III. Anfl., 18 BS, mit
Vorwort von Nüssen und Einkitnng Von Labbook. S. 82—84 a. 102. Abbildan-
gen Taf. IX. Fig. 191—194.
') Nilsson 8. a. 0.
264 Ernst Friedel:
beodigen vorliegen, so drängt sich als zweite Frage auf: welcher
Zeit gehören diese Wohnstätten an?
Neben den zahlreichen Gegenständen aus Stein ond Thon haben
sich in den sehr roh erbaaten Wohnstätten durchaus keine Spuren von
Metall entdecken lassen, auch sind die gefundenen Thoasachen, wi&
bereits geschildert, von unvollkommenster Art und aus dem grobstsn
Material. Nach alle dem gehören die Menschen, welche hier als Jäger
und Fischer hausten, der Steinzeit an, und es bliebe nur noch m
untersuchen: ob der paläolithischen oder der neolithischen
Epoche?
Meines Erachtens gehören die besprochenen Wohnstätten der
neuer n Steinzeit an.
Man characterisirt bekanntlich die paläolithische und neoütische
Epoche durch die Verschiedenheit der Steinwerkzeuge '). Die palSo»
Utbischen Werkzeuge sind äufserst unvollkommen, oft hat man an den
von der Natur gelieferten Feuersteinknollen nur mit einigen Schlägen
eine ganz rohe Spitze oder Schneide zu Wege zu bringen versucht;
von dieser Art sind die in den Kiesgruben zu St Acheul und Abbe-
ville in der postpliocenen Diluvialdrift des Sommethals bei Amiens ge^
fnndenen Werkzeuge, welche jetzt bereits aus dem ganzen Westen
Europa's (Portugal, Spanien, Frankreich, Belgien, England, Schottland^
dagegen noch nicht aus Scandinavien ') bekannt sind und die man
durchweg Stein Werkzeuge vom Amiens-Typus nennt. — Die neolithi-
sehen Werkzeuge dagegen sind erst behutsam im Groben vorgeklopft
und dann durch Schleifen und Feilen geglättet, auch oft in höchst ge-
fällige Formen gebracht. Diesen letztem Typus tragen nun die von
mir auf Sylt gefundenen Steingeräthe. Zwar sind einzelne Feuerstein-
splitter, die man für Bohr- und Schabe- Werkzeuge hält, von sehr roher
dem Amiens-Typus ähnlicher Arbeit, allein dergleichen rohe Steinsacben
kommen erweislich noch in der Bronze- und Eisenzeit vor; sie waren
billig und leicht herzustellen, und dabei zugleich ebenso brauchbar, als
wenn man sie in feinerer Qualität angefertigt hätte '). Ferner kennt
0 So Lubbock und Nilason a.a.O. S. Xfl ff., S. XXIII ff., 8. ( ff.
Lyell (Alter des Menschengeschlechts, deutsch von Büchner, 1867} S. 74. Lyell
giebt die Abbildungen der Amiens- Werkzeuge vom palilolithischen Typus (S. 75
u. 76) in halber, Lubbock a. o. O. (8. XVII, XIX u. XX) in voller Gröfse. —
Derselbe in: Prehütorie TTme», p. 96.
') Nilsson a. a. O. S. VH ff., 161, 268. — Aus der Abwesenheit wirklich
der palttolithischen Zeit angehöriger Werkzeuge folgert Kilsson u. A., daTs Scan-
dinavien erst während der neolithischen Epoche bevölkert wurde.
') Siehe dergl. ans Schweden und der jüngeren Steinseit sugehörig bei NiU-
son a. a. O. Taf. IL Fig. 23, 26, 28, 88; Taf. V. Fig. 84, 85; Taf. VL Fig. 141;
Taf. XVL Fig. 266 — 268. — Femer: Daniel Wilson: PrehUtoric Man. Re-
Höhlenbanten ans der jüngeren Steinzeit aaf Sylt 265
man in der paläolithiscben Zeit keine eigentliche Töpferwaare; end-
lich benutzte man 8tatt der schon ziemlich künstlichen Amulette und
Schmucksachen aus Bernstein und Stein, wie sie der neolitbischen Zeit
eigen, viel rohere, womöglich gleich fertig von der Natur gelieferte
Sachen, wie die Cosninopora globularis d'Orb. (= OrMulina Parker
a. Jones), eine kugelichte Versteinerung aus der Kreide, die h&nfig
durchbohrt vorkommt und von den Yerfertigern der Amiens-Steinwerk-
leage in Schnüren um den Hals getragen sein mag. Gleichwohl ist
das Alter dieser Sylter Höhlen Wohnungen noch immer ein sehr bedeu-
tendes, wenn man erwfigt, dafs die jüngere Bronzezeit in Scan-
dinavien, wie competenter Seits angenommen wird '), bereits der Vor-
geschichte angehört '}.
Wie die Binnenlandbewohner der jungern Steinzeit vorzogen, zum
Schutze gegen räuberische Angriffe ungesunde und unbequeme Zufluchts-
st&tten sich auf Pfählen und im Wasser zu bauen, so versteckten die
Küsten bewohner, um sich gegen Angriffe von der Seeseite zu wahren,
sich gern in Hügeleinschnitten, und zwar oft, wie auf Sylt, in form-
lichen mit rohen unvermauerten Feldsteinen ausgesetzten Gruben und
Höhlen, welche zwar dem Auge deer Feindes leicht entgingen, dagegen
aber dumpfig und feucht, auch für Fischer, welche ihren Unterhalt auf
dem Meere suchten, nicht gerade bequem gelegen waren. Der Typus
der gefundenen Werkzeuge, namentlich der thönemen Gewichtsteine,
von welcher Art sich zwei höchst ähnliche aus den Robenbausener
Pfahlbauten im Berliner Museum befinden, so wie der Amulette und
Topfscherben, weist auf einen den ältesten Pfahlbauten paral-
lelen Bildungszustand hin. Da aber die menschliche Gultur in
den verschiedenen Völkern und Ländern Kuropa's sich in ganz ver-
schiedenen Zeiten entwickelt hat, so berechtigt die Gleichartigkeit der
Artefacte aus den Schweizer Pfahlbauten der Steinzeit und der Arte-
&cte aus den Sylter Höhlenbauten der Steinzeit uns noch keineswegs,
die Entstehung derselben in dasselbe Jahrzehend oder auch nur in
dasselbe Jahrhundert zu setzen.
Die von mir beschriebenen Wohnstätten gleichen, was schliefslich
noch erwähnt werden mag, den von Sven Nilsson zuerst genau un-
tersuchten und beschriebenen sog. Gang- oder G all erie- Wob nun -
gea {gaüery-dwellvngs)^ welche sich in Scandinavien noch zahlreich
erhalten haben, und deren Gestalt sich noch jetzt in den Wohnungen
«aorcA««, mto the origin of civilisaHon in the old and tke new toorld, 11. ed. Lon-
don ise5. p. ISS ff.
M KiUson S. XXXVI, S. 257 ff.
') Kenerdings wieder von Rougemontin seinem Bronzealter bestritten.
266 Ernst Friedel: Höhlenbauten aus der jüngeren Steuueit auf Sylt.
der heutigen Eskimos wiederfindet. Das Gbaracteristische dieser Wohr .
aongen ist ein ans Steinen erbaater, bedeckter enger Eingang (poHery),
welcher oft so niedrig ist, dafs man darin mehr kriechen wie gehen
mols, nnd welcher gewöhnlich nach Osten oder Süden mündet. Die
Oestalt der eigentlichen Hütte ist gestreckt rechtwinklig, oder nind,
oder eiförmig. Oft sind die W&nde solcher Eskimowohnnogea aas
rohen Steinen ohne Mörtel zusammengeschichtet, fast niemals aber ist
die Hütte mit dergleichen Steinen gedeckt >). — Derartige Galleriewoh-
aungen vorgeschichtlicher Zeit sind nunmehr in Scandinavien, in gani
Westeuropa, in Asien und Afrika, in der Erimm, dagegen innerhalb
Deutschlands, wie es scheint, erst auf der Insel Sylt mit Sicherheit
nachgewiesen.
Ob hier im äutsersten deutschen Norden einst ein den Polanröl-
kern Ähnlicher Jager- und Fischer*Stamm gehaust hat, mag dabin ge-
stellt bleiben. Nicht unwahrscheinlich ist es, dafs das Volk, wekhee
seine Küchenabf&Ile, die von den Dänen sogenannten KjökhenmÖddin^er^
ia Form von gewaltigen Schalen- und Enochenmassen an den dänischen
Ostküsten anhäufte, demjenigen verwandt und gleichaltrig ist, wel*
ehes am Bothen Eliff auf Sylt hauste'), dessen ,)Ejökkenmöddinget^
aber an den Westküsten bis auf wenige Spuren von den rasenden
Fluthen des deutschen Ooeans verschlangen worden sind, ein Schick-
sal, welches vermutblich dereinst die Insel Sylt und die sfimmtiicbeD
friesischen Uthlande treffen winL.
1) Nilflson a. a. O. S. 124 ff., S. 14a ff. Abbildnngeü Taf. XIV. Fig. 84s6
bis 251. Nilsson bemerkt ausdrücklich: „Trotz der auffallenden Aebnlif^keit un-
serer Gangg^ttber mit den Winterhütten der Eskimos, glaube ich doch nicht, daft
erstere von dem genannten Volke errichtet sind, sondern, von einem Stamme, itA-
eher damals auf denselben Colttiretuft stand , wie heat zu Tage die Eskimos. —
"^ ""ISskimSBchädel sind hier im Lande nie gefunden. Was die Lappen betrifft, so
haben dieselben keine Monumente hinterlassen können, weil sie allem Anschein nach
keine errichtet haben". — Uebrigens ist zu beachten, dafs nach Retsina die Es-
kimos dolichocephaUprognath, die Lappen brachycephal-orthognath
sind.
') Auch nach L üb bock (a. a. O. S. XXTir u. ÜtXVI), sowie nach Steen-
strup und Lyell (a. a. O. 8. 12) gehören die KjSkkenmoddinger od^ shell-mounds
der jüngeren Steinzeit an. Lubbock: Prehutorio Timea, p. 96. — Interessant
erscheint, wie hier nachschriftlich bemerkt werden mag, die uns mündlich zugegan-
gene Mittheilung eines langjährigen Mitgliedes der Gesellschaft für Erdkunde zu
-Berlin, wonach im Sommer 1868 auch auf der Naclibarinael F5hr in einem Gartsa
des Hauptortes Wieok beim Nachgraben gebrauchte Topfreste, Knochen , Kohlen,
Asche etc. von sehr hohem Alter aufgeftinden worden sind.
i
f
t
267
MiscellexL.
Crocodile in Pjalftstina.
Das noch gegenwärtige Vorkommen ron Crocodilen in Palästina wurde lange
Zeit beiweifeU, während för ihre einstmalige Existens in diesem Lande die von
Strabo ond Plinias erwähnte, Ewischen Caesarea und Akka gelegene Stadt Kro-
kodllon, sowie ein gleichnamiges Eästenflürschen , endlich mannigfache Notizen
bei mittelaltrigen nnd neueren Schriftstellern Zeugnifs ablegen. Diese Zeugnisse
hat Titufl Tobler (Dritte Wandemng nach Palästina im J. 1857. Gotha 1359.
S. 376 fT.) und nach ihm Sepp (Jemsalem and das heilige Land. Bd. II. Schaff-
bansen 1863. S. 476 f.) sorgsam gesammelt. So erwähnt Vinisanf nm 1192,
da£s zwei Soldaten beim Baden im Crocodilflofs von einem Crocodil verschlungen
worden seien; ebenso schreibt Jakob von Vitry nm 1210 (in Bongarsii gesta Dei
per DrcmeoM 1103), dafs im Flnfs von Caesarea, wahrscheinlich also in der vier-
iig Minuten nördlich von dieser Stadt mündenden Zerka, jene Thiere in grofser
Zahl vorkämen. Thietmar spricht nm 1217 gleichfaOs von den Crocodilen, welche
in dem vom Karmel herabstromenden Bache lebten; er meint unstreitig den Ke-
ndscbi. d'Avienx erzählt (im Jahre 1660), dafs auf dem Wege von Tartüra
(Tantftra, Dor) über Kaisaria nach Ali Ben Aalam in der Richtung nach Ramleh
ein See liegt, welcher seinen Namen, Mujet-et-Tamsah oder Crocodilsee, daher
erhalten habe, weil ein in demselben hausendes gewaltiges Crocodil einen belade-
aen Esel verschlungen habe. Im Jahre 1674 meldet Nau, dafs in dem zwei
Lieues südlich von Tantüra liegenden kleinen, aber ziemlich wasserreichen Mühl-
baoh, Naher-e^Temasieh oder Crocodilflufs« sich Crocodile fänden, welche den
Yiehheerden grofsen Schaden zufügten; dieser Flufs würde daher mit dem Ke-
ndscbi (Choradsdie) fibereinstimmen. Pococke sagt, dafs man auf dem Wege
von Tartnra nach Caesarea zuerst den Flufs Coradge (Eeradschi), dann den Flufs
Zirka (Zerka) überschreiten mufste, welcher letztere um so mehr für den Kroko-
dilon der Alten gehalten wurde, weil man in Erfahrung gebracht habe, dafs in
der Zerka Crocodile lebten; einige von diesen seien nach Akka gebracht worden,
was von allen dort lebenden Europäern bestätigt wurde; diese Crocodile seien
nicht über 5 — 6 Fufs lang, und man vermuthete, dafs eine Colonie aus Aegyp-
ten ^ese Thiere vom Nil dorthin verpflanzt hätten. Im J. 1767 spricht Mariti
von dem sechs italienische Meilen südlich von Tantftra ^iefsenden und von klei-
nen Crocodilen bewohnten Naher-et-Temasieh. Seetzen, 1806, (Reisen II. S. 73)
sagt: er habe sich, da es ihm nicht möglich war, eigene Untersuchungen über
das Vorkommen von Crocodilen in diesem Thefle der palästinensischen Küste an-
mstellen, darauf beschränken müssen, Erkundigungen über diesen interessanten
aatnrhistorischen Gegenstand einzuziehen, und sei ihm von mehreren Personen
die Bzistens dieser Saurier bestätigt worden; so habe ein griechischer (Christ von
Haipha erzählt, dafs in der etwa eine halbe Stunde südlich von Tantüra mün-
denden Zerka zahlreiche Crocodile vorkämen; eine uralte Sage vorsichere, einst
Mi ein Paar Crocodile von Aegypten hierher gebracht, und dieses habe sich hier
•o vermehrt. Da man die Gefährlichkeit dieses Thieres kennt, so mache man
268 MisceUen:
erst ein grofses Geschrei, bevor man den Flnfs passirt, welcher nahe an seiner
Mündong seicht ist nnd keine Brücke hat. Derselbe Gewährsmann versichert, er
habe ein erschossenes Crocodil am Ufer der Zerka gefanden, welches 20 Fnfs
lang und so fett gewesen, dafs sein Fett den Boden tränkte; die Beschreibang,
welche er von der Gestalt des Thieres dem Reisenden Seetsen gab, lafst es anlser
Zweifel, dafs dasselbe wirklich ein Crocodil gewesen ist — Alle diese hier bei-
gebrachten Zeugnisse geben aber nur geringe Bärgschaft för das noch gegenwär-
tige Vorhandensein in den Kustenflussen südlich vom Karmel, und Robinson sagt
in seiner, nach seinem Tode erschienenen ^physischen Geographie des Heiligen
Landes", Leipxig 1865, S. 189: es knüpfe sich an den Flufs Zerka die Volks-
sage, dafs er von Crocodilen bewohnt sei, weshalb ihn die Eingebomen mitanter
noch Maat Temsäh, Crocodil- Wasser, nennen ; diese Sage trete erst zur Zeit der
Kreuzzüge anf und werde später von Reisenden bis auf die neueste 2^it erwähnt;
obgleich die Behauptung sehr positiv sei, so scheine es* dennoch, dafs Niemand,
weder ein Eingebomer noch Ausländer, je selbst in dieser Gkgend Wirklich em
lebendiges Crocodil gesehen habe. Einen sicheren Anhalt für die heutige Exi-
stenz des Crocodils in jenen Küstenflüssen gewähren jedoch die Nachrichten
zweier Reisenden. So berichtet Johannes Roth im J. 1857, welcher während
seiner Reise in Palästina starb, dafs er am Ufer der Zerka im Sande den deut-
lichen Abdruck eines Crocodils von 6 Fufs Länge entdeckt und selbst den Ca-
daver eines solchen Thieres mit nach Jerusalem gebracht habe. Auch gaben die
Eingebornen an, dafs sie oftmals Crocodile fänden und tödteten, weil sie den am
Ufer weidenden Schafen und Ziegen Schaden zufügen : auch hätte der Prenfsische
Viceconsul Ziffb in Kaipha bisweilen Exemplare erhalten (Athenaeum 1857. p. 1623
vgl. Petermann's Mittheil. 1858. S. 112). Endlich lesen wir in der »Times* vom
5. April 1869, dafs auch in dem in die Bai von Akka mündenden Khison Cro-
coclile leben sollen. Ein Engländer, der es sich zur Aufgabe gemacht hat, mit
einem leichttransportablen Boot gegenwärtig die Gewässer Palästina's zu befahren,
hatte, nach BeschifTung der Küsten des Sees von Tiberias und des Jordan, seinen
«Roh Roy" in den Khison bringen lassen und hat hier dicht neben seinem Boote
ein Crocodil auftauchen sehen, welches nicht übel Lust zu haben schien, nach
der Hand des Reisenden zu schnappen. Weiter unten entdeckte er anf einer
Schlamrobank zahlreiche Fufstapfen von Crocodilen und während er noch mit der
Untersuchung derselben beschäftigt war, setzte ein wahrscheinlich unter dem Boote
kriechendes Crocodil dasselbe in eine schwankende Bewegung. Auch will der-
selbe zu Nazareth ein Crocodil gesehen haben, welches vier Monate früher Inder
Zerka getödtet worden war. Consul Wetzstein, welcher den Khison in geringer
Entfernung von seiner Mündung überschritt und sogar ein<e Nacht an seinem Ufer
zubrachte, hat freilich nichts von diesen gefräfsigen Amphibien gehört, obgleich
sein Führer aus dortiger Gegend geburtig war; er schildert uns das Bett des
etwa 150 Fufs breiten Flusses als schlammig und zu Anfang Mai mit so wenig
Wasser bedeckt, dafs dasselbe den Reitthieren nur bis unter die Brust reichte;
möglich dafs weiter oberhalb Crocodile hausen, die aber jedesfalls bei der gerin-
gen Wassermenge nur sehr klein sein können. — Ob auch der Jordan Crocodüe
enthalte, ist sehr zweifelhaft. Zwar erzählt Salignac in seinem Itinerar (1522),
dafs sein Pilgergefährte beim Bade im heiligen Strome vor seinen Augen von
Crocodile in PaTästina. 269
eioem Seedrachen yerschlongen worden sei (Sepp U. S. 478), und der Bericht-
entatter in der Times behauptet, dafs noch vor einigen Jahren Crocodile im Jor-
dan gesehen worden wären, aber Spuren derselben hat unser Engländer bei seiner
Fahrt auf diesem Flnfae nicht entdecken können, da das Wasser damals zu hoch
stand und die genauere Untersuchung der Sandbänke und Gebüsche unmöglich
machte.
In Anschlufs an diese Notizen wollen wir auf eine in den Memoiren der St.
Petersburger Akadetnie der Wissenschaften (VII* Sdr. X. N. 13) erschienene Syn-
opsis der gegenwärtig lebenden Crocodiliden ^es Zoologen Alex. Strauch auf-
merksam machen, aus welcher ein Ton L. Lungershausen gemachter Auszug (Aus-
land 18G9. S. 490) uns vorliegt. In dieser fleifsigen Arbeit StraucVs wird Pa-
lästina allerdings nicht unter die Faunengebiete, in denen Repräsentanten aus der
Familie der Crocodiliden vorkommen, erwähnt. Als asiatische Faunenge-
biete, auf* welchen sich folgende Crocodilarten : Croeodilus palustris, Or. siamen-
sis, Cr. hicorpatusy Cr, pondicherianus, und die Gavial- Arten: Gavialis Schlegelii
und G. gangenticus vertheilen, werden genannt: die sädasiatischen Küstenländer
von Vorderindien östlich bis zur Halbinsel Korea, die grofsep und kleinen Sunda-
Inseln, Moluken, Philippinen, Neu -Guinea, ein Theil der Nordküste Australiens,
namentlich um den Golf von Carpentaria herum, und ein Theil der oceanischen
Inseln. Das gefahrlichste dieser Reptilien ' ist das Leistencrocodil {Cr. bicorpatus)f
welches vorzüglich häufig in Vorder- und Hinter-Indien, dann auf den Sunda-In-
seln, auf den Nikobaren, Philippinen, Pelew- und Fidschi -Inseln, westwärts auf
den Seychellen, Amiranten und Mascarenen und nordwärts bis Korea vorkommt;
sein Verbreitungsbezirk reicht von 35^ nördl. Br. bis 20^ südl. Br. nnd von 75**
östl. L. bis 195^ östl. L. von Ferro. — Das afrikanische Verbreitungsgebiet
umfafst den ganzen Continent, mit Ausnahmes des Stückes, welches nordwärts einer
von der Breite Thebens bis zum grünen Vorgebirge gezogenen Linie liegt. An
Specieszahl ist dieses Gebiet das ärmste, indem es nur 8 Arten aufzuweisen hat :
Cr. frontatus, Cr. vulgaris und Cr. cataphractus, Dafs das Nilcrocodil im Alterthum
nördlich von Theben vorgekonmien sei, weist der Verf. zurück. — Das nordame-
rikanische Faunengebiet, in welchem nur der Mississippi-Kaiman {Alligator
nississippiensis) auftritt, umfafst die Staaten Nord-Carolina, Georgia, Florida, Ala-
bama, Mississippi, Louisiana und Texas oder den Ländercomplex zwischen 24
bis 35' nördl. Br., und westlich begrenzt durch den Rio del Norte. Der nörd-
lichste Punkt, an dem der Mississippi-Kaiman auftritt, ist das Flüfschen Nense
in Nord-Carolina. Eine ungleich gröfsere Ausdehnung als das nordamerikanische
nimmt das südamerikanische Fannengebiet ein, welches den grofsten Theil
des südamerikanischen Continents, Central-Amerika, Mexico und Westindien umfafst
und von sechs Alligatorenarten {Alligator niger, A, latirostris, A, sclerops, A.
punctatusy A. palpebrosus nnd A. trigonatus)' und von drei Crocodil-Arten {Cro&h'
dibu rhombi/er^ Cr, Morslitii nnd Cr. acutus) bewohnt wird. — r.
270 MiflceDea:
Ortsbestimmimgen in TOridst&n.
In Bd. II, 1867, S. 80, Anm« 1 dieser Zeitschrift gaben wir Mittheiliuig tos
den bis dahin bekannten Ortsbestimmungen in Türkist&n. Wir fögen jetst die
neaerdings (im Rechenschaftsber. der Kais. Boss, geogr. QtB, ffir 1868, S. 24 der
Beil.) mitgetheilten hinzu, indem wir die früheren dabei reproduciren.
Breite Länge ÖetL ▼. Pnlkowa.
Törkistän . . 43 17 40 37 57 19
Ütsch-Knjuk 43 13 34 37 29 49
Steinkohlenlager am Flusse Bogon 43 .2 57 39 32 9
Anlie-Ata 42 53 44 41 3 34
Festung Merke 42 52 20 42 49 19
Festung Tokmak 42 50 25 44 54 34
Ak-Ssu 42 50 20 43 46 50
Tschimkend 42 18 8 39 16 19
Taschkend 41 18 40 38 56 49
Tschinas 40 56 2 38 26 34
Festung Keleutschi 40 53 53 39 9 0
Chodschend 40 17 2 39 17 20
Festung Nan . 40 9 7 39 2 30,5
Disak 40 9 5 37 28 28
Jany-Kurgan 40 6 50 37 II 50
Kairagatsch 40 3 20 39 24 6
Festung Samin 39 58 4 38 2 42
Üra-Tübe 39 55 16 38 38 23
Samarkand 39 38 45 36 38 54
Buchara 39 46 '45 34 7')
M.
. Notizen Über die Goldminen Californiens.
Nachbenannte Goldminen wurden im Jahre 1868 bearbeitet: In der Almador-
Mine (38*^ 5' nÖrdl. Br.), gegenwärtig in Besitz einer Compagnie, wurden jährlich
gegen 200^000 Tonnen Quarz zu Tage gefordert, die zum Preise von 20 D. brutto
nnd 14 D. netto per Tonne von 2000 PJiind einen Gesammtwerth von 430,000 D.
brutto und 300,000 D. netto reprasentiren. Das Erz wird in einer Tiefe von
1200 Fufs unter der Oberfläche des Bodens und 300 Fufs unter der Meeres-
böhe gewonnen. Die Ader selbst zeigt bei einer Breite von 12 FtLCs überall
denselben reichen Quarz; das Oold kann leicht durch Almagamation geschieden
werden. — Die Eureka-Mine in Grass -Valley (39* 15' nördl. Br.) liegt circa
2500 Fufs über dem Meere; sie ist gegenwärtig die ergiebigste Mine Californiens
*) Die Länge von Buchara ist annähernd aus den Marschrouten von Samtr-
kand nach Buchara und mit Berücksichtigung der Breite berechnet. M.
Notizen über die Goldminen Californiens. 271
«nd liefert jährlich circa 375,000 D. brutto #der 850,000 D. netto. Da ihre
Qnarzader aber aar 4 Fafs mächtig ist, so dürfte in der Zukanft die Alnuidor-
Mine ihr den Rang streitig machen; sie wurde im Jahre 1857 aufgeschlossen. —
Die Sierra Butte- Mine (39"* 30' nördl. Br.), in der N&he von DownieviUe, 6000
Fuis über dem Meere gelegen, wurde seit 1851 bearbeitet; vor 1857 wurden
dmn^schnittUeh 1500 Tonnen Erz, von 1866 -* 68 14,000 Tonnen Erz per Jahr
▼erarbeitet. In Betreff der Menge des Torhandenen Erzes und der Leichtigkeit
der Förderung- steht diese Mine über jeder anderen; dagegen bietet ihre hohe
Lage an einer steilen, für Wagen unzugänglichen Bergwand manche HindemisBe
dar, und ist sie zudem gelegentlichen Schneelawinen ausgesetzt — Die North
Star -Mine in Grass -Valley lieferte in den vier Monaten vom 19. Juni — 19. Sept.
1867 aus 3116 Tonnen En eine ^Ausbeute von 97,000 D. zum durchschnittlichen
Werthe von 31 D. per Tonne. — Der Mariposa Grundbesitz mit einem Areal yon
44,000 Acres Land . und dner Anzahl Quarzminen wurde lange Zeit für einen
der werthvollsten Minendiistricte gehalten; derselbe wurde im Jahre 1847 vom
Gouverneur Alvarado an Capt. Fremont verkauft. Letzterer kam aber erst in
den vollen Besitz seines Eigenthums, nachdem er, um seine Anrechte bestätigt
SU erhalten, eine Klage gegen die Verein. Staaten geführt und später die Streitig*
keiten mit den Squatters, welche sich ohne seine Erlaubnifs auf seinem Grund
und Boden angesiedelt hatten, abgewickelt hatte. Nach einem geringen An-
schlage hatten diese Eindringlinge aber inzwischen 5,000,000 D. herausgezogen,
von denen Fremont nie einen Cent zarück erhielt. Wenn nun auch Fremonfs
Bemühungen, seinen Besitz zu verwerthen, seit dem Jahre 1860 von glücklichem
Erfolge gekrönt waren, so zwang ihn doch die Schuldenlast, welche auf seinem
Eigenthume haftete, dasselbe im Jahre 1863 an eine Compagnie zu verkaufen,
welche aber sehr schlechte Geschäfte machte. Gegenwärtig stehen die Minen
unter Administration, welche die auf 3 Millionen Dollars angewachsenen Schulden
zo tilgen hat und das Gmndstück dann an die Gesellschaft zurückgeben soll. —
Das Goldwaschen nimmt in Califomien immer mehr ab, da die goldhaltigen
Lagen in den älteren und neueren Flnfsbetten erschöpft sind. Das meiste Wasch-
gold wird heut zu Tage aus den Betten von Strömen gewonnen, die seit Jahr-
tsuseaden ihren Lauf veränderten. Es folgen diese in paralleler Richtung der
Sierra Nevada, jedoch 30 — 35 Meilen von dem Höhenpunkte dieses Gebirges, so
da(s die jetzigen Flüsse sie rechtwinklig durchschneiden. Während der langen
dazwischenliegenden geologischen Periode haben sich die Bergketten gehoben
und die ihnen entspringenden Gewässer weiter nnten die Felsen durchbrochen,
so.dafs der relative Höhenunterschied zwischen den altern und heutigen Flüssen
oft 1000 — 1500 Fufs beträgt. Die gewöhnliche Richtung dieser vorhistorischen
Ströme, die besonders zwischen dem 39. und 40. Parallelgrade sehr zahlreich
sind, ist von Norden nach Süden. Sie sind breiter als irgendwelche der hentigen
benachbarten Flüsse, sie besitzen, wie diese, ihre felsigen Uferränder, ihre Strom-
sehnellen, ihre tiefen Ablagerungen von Kiessand, ihr Treibholz, ihre Wirbel und
3ire vom Wasser blofsgelogten Goldtheilchen , sind aber, ungleich den neueren
Strombildungen, alle mit Alluvialschichten, mit Sand, Lehm und Lava überdeckt,
wekhe letztere aus den längst erloschenen Vulkanen herrührt. Diese tiefen
Schiebten von Sand und Lava, die das Herausnehmen des edlen Metalls aus der-
272 Bfiscellen:
«rtigen alten Flafsbetteii zu 6meiii.4iar8er8t schwierigen und kostspieligen machen,
fichfitsen sie zugleich vor zn rascher Ausbeutung. Die nutzbringenden Minen in
solchen älteren Strömen sind diejenigen , deren Bett ans goldhaltigem Riessande
von 100 — 150 Fufs Tiefe besteht, ohne die oben erwähnte Ueberschüttnng von
Sand, Lehm etc. Solche Plätze wurden u. a. bei Gold<Run an der Facific-Bahn,-
3000 Fufs über dem Meere, gefunden. Die Bearbeitung dieser Minen, deren jede
gewöhnlich ein Areal von 2 Acres einnimmt) geschieht durch Wasserströme, die
über den Hügel hinweg und die steile Felswand hinunter in eisernen Röhren bis
zum Fufs der Anhöhen geleitet werden, wo kleinere Röhren das Wasser gegen
die Bergwände spülen. Das aus jeder Röhre geschleuderte Wasser kostet 10 bis
15 D. per Tag, und wird dasselbe per Zoll verkauft, worunter eine Menge rer-
standen wird, die aus einer Oeffhung von einem DZoll Weite fliofsen kann, die
an der Seite eines Kastens angebracht ist, welcher 6 Zoll Wasser über diesem
Loche eifthült. Ein Zoll füllt in 12 Stunden 50 Behälter und kostet gewöhnlich
ca. 10 — 12 Cents. Eine solche Wassermasse zerbröckelt und reifst 5 — 10 Ton-
nen Erde in die Canäle (Sluices) herab, in denen dann das Gold zurückbleibt
Der tägliche Verbrauch von Wasser in Uncle Ab > Mine belief sich auf 13,000
solcher Behälter s=s 1000 D. per Monat, während die Ausbeute die Summe von
4000 D. in derselben Zeit erreichte. Im Allgemeinen geht indessen die Hälfte
des Gesammtertrages in den Auslagen für Wasser auf. — r.
Die mittlere Pacific -Eisenbahn.
Eine der bedeutendsten Unternehmungen der neuesten Zeit ist jedesfalls die
mittlere Pacific-Bahn, die bestimmt ist, eine Verbindung zwischen Omaha am Missouri
(4r 20' nördl. Br.) mit San- Francisco (37* 48') herzustellen. Die Länge der
abgemessenen Strecke (vergl. Th. Jacoby's Califomischer Staats -Kalender, 1869,
S. 18) zwischen diesen beiden Endpunkten beträgt 1846 engl. M. und bildet,
mit der bereits vollendeten 1454 M. langen Bahn von Omaha nach New Torkf
einen ununterbrochenen Schienenweg von 3299 engl. M. Von San -Francisco
aus läuft die Bahn auf einer Strecke von 450 M. bis Winnemucca (41^) in nord-
östlicher, die übrigen 1400 M. in nahezu östlicher Richtung nnd berührt keinen
Punkt nördlicher als 40"* 70' und keinen südlicher als 40"* 31'. Sie durchschneidet
die Coast- Range in Califomien, die Sierra Nevada und die Rocky Mountains.
Den Rücken der Coast- Range übersteigt sie 49 M. von San -Francisco in eiqer
Höhe -von 734 Fufs, die Sierra Nevada 229 M. von San - Francisco in einer Höhe
von 7042 Fufs und die Felsengebirge in einer Höhe von 7534 Fufs, 1155 M. ron
jener Stadt. Die höchste Steigung, 8242 Fufs, findet beim Ueberschreiten eines
Ausläufers der Felsengebirge, am Evans -Pafs, 1297 M. von San -Francisco ent-
fernt, statt. Von Shady Run an, 197 M. von San -Francisco, beträgt für die
Strecke von 1150 M. in östlicher Richtung, die Bodenerhebung, auf der die Schie-
nen gelegt sind , an keiner Stelle weniger als 4000 Fufs Meereshöhe. Die erste
Section dieser Bahn (229 M.) zieht sich von San -Francisco an dem westlichen
Abhänge der Sierra Nevada entlang; die zweite, 721 M., liegt im Plateau des
Die mittlere Pacific -Eisenbahn. 273
Saliseebeckens, die dritte, 205 M., fallt in da« Gebiet de« Rio Colorado, der
«eine Gewässer dem 60I& von Californien zafobrt, die yierte, 691 M., begreift
das Flofiigebiet des Platte, eines Nebenflusses des Missouri , in sieb. Auf der
guten 1846 M. langen Strecke ^om Stillen Ocean bis Eum Missoori überschreitet
die Bahn nur drei g^öfsere Flüsse, den Sacramento, den Grreen- River» einen
Nebenflufs dos Colorado, und den nördlichen Arm des Platte. Von einem Punkte,
SSM. westlich yom höchsten Gipfel der Sierra Nevada ausgehend, bis zu einem
snderen, 322 M. östlich vom Felsengebiige, eine Entfernung von 1286 M,, war
auf der ganzen Bahnlinie früher keine Spur einer Ansiedelung, während jetzt
auf dieser Strecke Hunderte von Plätzen entstanden sind, deren Namen so fremd
UiDgen, dafs aufser den Bahnarbeitern schwerlich sonst Jemand sie behalten
kuin. Der Bau der Bahn ist von 3 Compagnien ausgeführt; die 124 M. lange See-
tion Ton San- Francisco nach Sacramento ist von der Western Pacific -Compagnie
gebsQt, die zweite, östlich von Sacramento, durch die Central -Pacific -Compagnie,
4ie dritte, westlich von Omaha, von der Union -Pacific -Compagnie. Namentlich
eilig sind die Bahnstrecken der beiden letzteren Compagnien gebaut, indem jede
täglich etwa 6 M. Schienen legte , während im Allgemeinen eine halbe M. als
ein gutes Tagewerk angesehen wird. Am 14. November 1868 hatte die Central-
Pacific- Compagnie 400 M., die Union -Pacific -Compagnie .850 M. vollendet. Die
Compagnien versprachen am 4. Juli 1869 Passagiere per Wag^n von San -Fran-
cisco nach New York zu befördern. Die letzte Schiene wurde am 8. Mai 1869
gelegt und durch die mit dem zuletzt eingeschlagenen Bolzen nach allen Haupt-
punkten der Union in Verbindung gesetzten electrischen Telegraphen die Vollen-
dnng dieses Riesenwerkes bis zum fernsten Osten und Westen hin verkündet.
Die anfserordentliche Hast, mit der die Arbeit betrieben wurde, hatte ihren
Gnind in einem Versprechen der Regierung, für jede ausgebaute Meile der
Bsbn 12,800 Acses in Ländereien zu schenken und 12,800 Dollars in Bonds
leihweise vorzustrecken. Der Qesammtbetrag dieser Vorschüsse belauft sich
aof circa 60 Millionen D., der der abzutretenden Ländereien auf circa 23 Mil-
fionen Acres, und würde der der Eisenbahn geschenkte Grund und Boden die
eine Hälfte eines Landstriches von 20 M. Breite, 10 M. an jeder Seite der
Bahn, begreifen, dessen andere Hälfte zum Preise von 2,60 D. per Acre aus-
geboten werden soll. Die Compagnie ist nicht veipfilchtet, zu diesem Preise zu
Terkaufen, wird aber jedesfalls kein Land unter demselben abgeben, und da nun
12,800 Acres, zu 2;&o D. gerechnet, genau 32,000 D. ausmachen, so müssep die
Lindereien die Bonds und diese ihrerseits die Bahn bezahlen. Da jener Vor-
BchoTs der Regierung von 32,000 D. pro Meile nach 30 Jahren mit 6 pGt jährlichen
Zinsen znrückbezahlt werden sollen, die Kosten für Beförderung der Post und
Begierungsgegenstände davon aber abgezogen werden, so ist zu berechnen, dafs
dnich vorgenannten Länderverkauf die Compagnie nach Ablauf von 30 Jahren,
ebne alle eigene Auslagen, die Nutzniefsung des Bahnbetriebes und eines Capitals
TOB 60MlUionen D. gehabt haben und sich nebenbei in unbestrittenem Besitt
der Bahn selbst sehen wird. Die Reise von New Tork nach San -Francisco wird
6 Tage 17^ Stunden dauern» der Preis eines Durchbillets wird sich auf etwa
115 Dollars stellen; die Fahrt von England nach San -Francisco würde 17 Tage,
ZeltMikr. d. GeteUteb. f. Brdk. Bd. lY. 1^
274 MiseeUen:
naeli den SandwiehinBeln 26 Tage, nach Japan 84 Tage nnd nach Hongkong
40 Tage dauern.
Jedesfallfl hat diese, in diesem AugenhKcke bereits vollendete mittlere Pa-
dflc*Bahn insofern eine gesicherte Znknnft, weil die greisen Minenplatse hi
nicht allsn grofser Entfernung yon derselben liegen; so liegen die Washoe-
Minen nur 30 M., die Reese Rivers, sowie die Pike's Peak -Minen 50 M.; Seit
Lake City nur 3 M. in südlicher Richtung, nördlich hingegen die Idaho -Silber-
minen in einer Entfernung von 100 M., die Idaho- Goldminen von 15011.,
die Montana- Goldminen 200 M. , nnd dürften diese Plätze mit ihren Neben-
districten und einer Gesammtbevölkemng von 200,000 Seelen durch ihren Handel
eine nicht unwichtige Stelle im Bahnbetriebe einnehmen. — Weniger günstig
gestalten sich die Aussichten ffir den Bau der Northern und Southern Pacifie-
Bahn, deren entere den Continent bei 4Y^ nördl. Br. durchschneiden nnd den
Lake Superior mit dem Puget Sound verbinden, die andere eine Verbindang
zwischen St. Louis und San -Francisco herstellen und die Felsengebirge iroter
dem 85. Grad fiberschreiten soll. Beiden Bahnen sind vom Congrefs 12,800 Acre
Land pro Meile augesichert, aber keine Bonds -Vorschüsse. Der Bau der Nortfaeni
Pacific -Bahn hat noch nicht begonnen; von der Southern Pacific -Bahn, welche
die längste der drei Bahnlinien ist, sind aber bereits von St. Louis ans mehr
als 100 W. und mt der Californischen Seite 80 M. von San -Jose bis Gilroy
ToUendet und dem Verkehr übergeben. — r.
Mittheilungen über den Aufenthalt der französischen Com-
mission in der Provinz YOnnan.
(Aaszug aus einem Vortrage des Lieut. Garnier: Revue des ctmrs UiUrairea,
1869. No. 3S.)
Am 34. December 1867 traf die franaösische Commission, 184 Monate nadi
ihrer Abreise von Saigon, in Yünnan, der Hauptstadt der Pronna gleicfa%nr Na-
mens, ein und fand hier endlich unter dem Schutz der chinesischen Regierang
zuerst die so lang ersehnte Ruhe nach dem mit grofsen Beschwerden ▼erknüpften
Marsehe durch die unbekannten, zwischen Cambodia,und den (jkenzen des chine-
sischen Reiches liegenden Gegenden. BcTor die Commission aber zu neuen Un-
ternehmungen aufbrach, zog sie erst genaue Erkundigungen über die Lage der
politischen Verhältnisse der Provinz ein. Zwölf Jahre wülhete bereits der Auf-
stand der mnhamedanischen Berolkerung in den südlichen Grenzdistricten geges
die chinesische Regierung; durch einen plötzlichen Ueberfall hatten sich die Em-
pörer der Hauptstadt Yünnan bemächtigt und sich, nachdem sie durch die chine-
sischen Truppen eine Niederlage erlitten hatten, auf Ta-ly, die zweite Hauptstadt
der Provinz, geworfen, hier eine befestigte Stellung eingenommen und eine im-
abh&ngige Regierung constituirt. Ohne Furcht ror den kaiserlichen Truppen be-
reiteten sie sich damals von Ta-ly aus zu einem neuen Angriffe auf die Provin-
zen Yünnan und Kuei-tscheu vor. Zur Zeit, als die Commission in Yünnan ein-
traf, näherten sich zwei Heere der Aufständischen der Hauptstadt; das ganze Land
Mittheilnogen über den Aufenthalt der französischen Commission etc. 275
zwischen Ta-ly and Yünnan war durch Streifcorps der beiden feindlichen Armeen
Yerwüstet Trotz dieser für die Förderung eines wissenschaftlichen Zweckes so
nogänstigen Verhältnisse unternahm die Commission die Reise nach Ta-ly, da
gerade dieser Ort den Hauptpunkt auf der Handelsstrafse zwischen Birma und
China bildete. Mit einem Empfehlungsschreiben des Leopapa oder Oberpriestert
der Muhamedaner in Yünnan an seine Glaubensgenossen in Ta-lj versehen, bra-
chen die Franzosen am 8. Januar 1868 nach dem 180 Eilom. nordöstlich von
Tännan gelegenen Tung-tschhuan auf, wo sie am 18. Januar eintrafen. Die win-
terliche Kälte wirkte auf den durch den langen Aufenthalt in dem heifsen Klima
geschwächten Gesundheitszustand der Franzosen günstig ein, während die anami-
tische Escorte viel darunter zu leiden hatte. Leider wartete aber hier der £x-
p<>dition ein schmerzlicher Verlust, indem der Führer derselben, Commandant
Lagr^e, an einem Leborlelden schwer erkrankte und unter der Pflege des Dr.
Joubert und von vier Mann der Escorte zurückgelassen werden mufste. Lagfr^«
erlag in Tung-tschhuan am 12. Mäiz 1868 seinen Leideui bevor noch seine Ge-
lahrten von ihrer Excursion nach Ta-ly zurückgekehrt waren.
Am 30. Januar war die Expedition, bestehend aus vier Officieren und einer
Escorte von 5 Anamiten, von Tung-tschhuan aufgebrochen» und erreichte am fol-
genden Tage die Ufer des Kin-scha-kiang ( Jang-tsy-kiang) , welcher an diesem
Tbeile seines Oberlaufes bis dahin noch von keinem Europäer besucht worden
war. Am 1. Februar wurde der Flufs, welcher an dieser Stelle 200 Meter breit
und dO — 40 Meter tief ist, überschritten und auf geschlängelten, durch die Felsen
geba&enen gefährlichen Pfaden, welche durch einen zwei Tage dauernden Schnee-
fall stellenweise fast nnpassirbar geworden warea, die Reise fortgesetzt Da es
miftlich schien, in einem durch die kriegerischen Verbältnisse so unsicheren
Lande ohne einen sicheren Führer weiter vorzudringen, liefs Garnier den katho-
fiscben Priester Lu, einen Chinesen von Gtoburt, welcher lu Maohong residirte
und zur Mission von Szy-tschuan gehörte, zu einer mündlichen Unterredung zu
och einladen. Der Geistliche stellte sich auch ungesäumt ein > seine Schildenm-
gen, welche er vom Zustande der Gegenden, durch welche die Expedition ihren
Weg nach Ta-ly zu nehmen gedachte, entwarf, waren aber keineeweges tröstlich.
Nach seiner Aussage führte die Hauptstrafse zwischen Szy-tschuan und Ta-ly
ober Tong-pe, eine bedeutende Stadt am Ufer des Blauen Stromes; abe( gerade
die Gegenden, welche diese Strafse berühre! wären in letzter Zeit in Folge des
Krieges vollständig verwüstet worden; zahlreiche Banden durchzögen plündernd
das Land, und anfserdem sei es höchst wahrscheinlich, dafs der muhamedanische
Befehlshaber in Yong-pe die Reisenden so lange zurückhalten würde, bis die Be-
fehle des Sultans in Ta-ly in Bezug auf die Fortsetzung der Reise eingetroffen wären.
» Es gäbe jedoch noch eine zweite, weniger besuchte Strafse, welche die Berge
am rechten Ufer des Blauen Stromes durchschnitte und sich mit der ersteren drei
Tagereisen vor Ta^ly vereinigte ; ganz in der Nähe der Vereinigung dieser beiden
Wege lebe seit 14 Jahren ein französischer Missionar, der P^re Legnilcher, des-
sen genaue Bekanntschaft mit der Gegend und den Verhältnissen der Expedition
von grofsem Nutzen sein könnte; freilich sei dieser Weg sehr mühevoll, ohne eile
Hqi£Bquel)en und nur deshalb vorzuziehen» weil die Reisenden hier der Gefahr
18*
276 MisceUen:
entgehen würden, bis in der Nähe von Ta-ljr auf Vorposten der Anfstandiaehen
zn stofsen.
Diesen Weg beschlofs die Expedition einzuschlagen. Am 17. Februar nber-
sehritt sie den Flufs und erreichte am 28. nach einem höchst beschwerlichen
Marsche, jedoch unbehelligt, den Wohnsitz Leguilcher's, welcher nicht wenig durch
die unerwartete Ankunft von Landsleuten überrascht war. Seit Beginn der Re-
volution war er nicht nach Ta-ly gekommen und hatte seine Anwesenheit im
Lande möglichst geheim gehalten. Durch die von den Muselmännern verübten
Grausamkeiten hätten sich dieselben den Hafs der Bevölkerung, im höchsten Grade
zugezogen, aber der Schrecken, den sie überall verbreiteten, hindere die Unter-
jochten, das verhafste Joch abzuschütteln. Nur einige Stämme in den Gebirgen
setzten den Muselmännern einen energischen Widerstand entgegen, und bei die*
sen fände er denn und die Mitglieder seiner Gemeinde zeitweise Schutz. Uebri-
gens hielt Leguilcher den von dem Leopapa in Yünnan ausgestellten Empfehlungs-
brief für genügend und entschlofs sich sogar, die Commission selbst nach Ta-lj
zum Uen-choai oder Sultan zu begleiten, indem er sich von diesem Besuche einen
günstigen Erfolg für seine eigene Lage und die seiner Gemeinde versprach. Nach-
dem der Commandant des in der Nähe gelegenen Städtchens Eaang-tscha-pin die
Beisenden benachrichtigt hatte, dafs der in der Festung Tschan-knang (32 Kilom.
von Ta^ly entfernt) residirende Mandarin ihre Bitte um eine Audienz bei dem
Sultan wohl vermitteln würde, wurde sogleich ein Courier mit dem Recomman-
dationschreiben des Leopapa an den Mandarinen abgesandt, während die Expe-
dition gleichzeitig dorthin aufbrach. Von der Spitze des Berges, an dessen Fufee
Tschan-kuang liegt, erblickte man am 29. Februar den blauen Wasserspiegel des
Sees von Ta-ly inmitten einer fruchtbaren, mit Gärten und Dörfern besetzten
Ebene ; hohe schneebedeckte Bergketten begrenzten den Horizont. Die Ortschaf-
ten aber, durch welche der Weg führte, boten überall ein Bild der Zerstörang
' durch den Krieg, während merkwürdigerweise die wohlbebauten Felder keine
Merkmale von Verwüstungen zeigten. Nach wenigen Stunden wurde das am Ost-
ufer des Sees gelegene Tschan-kuang erreicht, wo jedoch der Mandarin .den Rei-
senden die Weiterreise nicht eher gestatten wollte, bevor nicht die Antwort des
Sultans von Ta-ly eingetroffen wäre. Da am folgenden Tage ein günstiger Be-
scheid einlief, brachen die Reisenden am 2. März mit einer Escorte auf und
durchzogen zunächst die Stadt, welche, in einem von den Ufefn des Sees und
den Bergabhängeu gebildeten Deüld erbaut, den Eingang zur Ebene, in der
Ta-ly liegt, schützt. Ein gleiches Defil^, yon der Festung Tscha-knang ver-
theidigt, liegt an der Südspitze des Sees, sodafs Tschan-kuang und Tscha^kuang
als die beiden befestigten Eingangspforten von Ta ly angesehen werden können.
Am Abend desselben Tages zog die Commission in die Hauptstrafse , welche
Ta-ly von N. nach S. durchschneidet, ein, umdrängt von einer gaffenden Volks-
menge, und fast wäre es vor dem Palast des Sultans zu einem blutigen Rencontre
gekommen, wenn nicht durch die entschlossene Haltung der anamitischen Escorte
und durch das Einschreiten zweier Mandarinen die Aufregung beschwichtigt wor-
den wäre. Am Südende der Stadt aufserhalb der Mauern erhielten die Franzosen
ikr Quartier, wo sich auch sogleich ein hochgestellter Mandarin im Auftrage des
Sultans bei ihüen einstellte, um sich über den Zweck ihrer Reise zu erkundigeo.
Aufenthalt der französischen Commission in der Provinz Yünnan. 277
Mit Hülfe des Dolmetschers Leguilcher setzte Garnier dem Mandarinen die fried-
liehen Zwecke seiner Reise auseinander: anf die Nachricht von der Gründung
eines neuen Reiches seien sie nach Ta-ly gekommen, um den neuen Sultan zu
begrofsen und ein Handels- und Freundschaftsbündnifs zwischen ihm undJBirank-'
reich anzuknüpfen und gleichzeitig die Hülfsquellen seines Reiches wissenschaft-
lich zn erforschen ; es sei mithin ihr Wunsch, dem Sultan Yorgestellt zu werden,
wobei ihnen aber das orientalische Ceremoniel bei der Begrüfsung erlassen wer-
den mfifste. Am folgenden Morgen liefs jedoch der Sultan den P^re Leg^lcher
ZD sich bescheiden und eröffnete ihm, dafs er den Franzosen die verlangte Audienz
verweigere und dafs dieselben am folgenden Tage sofort seine Residenz und sein
Land auf demselben Wege, auf welchem sie gekommen seien, zu verlassen hätten.
Diese offenbar feindselige Eüütung des Sultans erheischte die gröfste Vorsicht,
und da weitere Veriiandlnngen nutzlos gewesen waren, so beeilten sich die Fran-
losen, am folgenden Morgen ihren Rückmarsch nach Tschan-kuang zu bewerk-
stelligen. Hier sollten sie nach den vom Sultan gegebenen Befehlen innerhalb
der Stadt einquartiert werden; da Garnier aber wohl nicht mit unrecht in der
fluien gebotenen Gastfreundschaft Verrath witterte, so erzwang er sich den Durch-
sog durch die Stadt und schlug jenseits derselben an derselben Stelle, wo er auf
seinem Hinmarsche den Bescheid des Sultans abgewartet hatte, sein Lager auf.
Durch diese entschlossene Haltung war es dem kleinen Häuflein gelungen» seinem
Untergänge zu entgehen. Begleitet von dem Pbre Leguilcher, dessen längeres
Verweilen in diesem Lande für seine Sicherheit gefahrbringend gewesen wäre,
wandten sich die Franzosen zunächst nach Sntscheu-fu, betraten am 15. März
wieder das kaiserliche Gebiet und erreichten am 2L März Hong • pu - so , am
34. März Huy-lj-tscheu, am 31. Man Monku und am 2. April Tung-tschhuan,
wo, wie bereits gesagt, der dort krank zurückgelassene Commandant Lagr^e in-
iwischen gestorben war.
Wir iugen hier noch eine Notiz ans einem Resum^ hinzu, in welchem Lieut.
Garnier (nBulL de la Soc. de G^gr^ XWIIL 1869. p. 97) die Arbeiten der fran-
sosischen Comnussion zusammengestellt hat. Von dem 6720 Kilom. betragenden
Rontier sind 1180 K. durch den Commandanten Lagr^e, 5000 durch Garnier.
450 dorch Delaporte und 30 durch Joubert aufgenommen worden. 58 Orte, von
denen 50 vollkommen neu, wurden astronomisch bestimmt (25 in Cambodia and
dem siamesischen Laos-Gebiet, 10 im birmanischen Laos-Gebiet, 23 in China);
femer wurde der Mekong von Cratieh bis Kemarat sondirt und zahlreiche Höhen-
messungen ausgeführt; ein meteorologisches von Garnier und Delsporte nach täg-
lich vieruMil angestellten Beobachtungen zusammengestelltes Journal verheifst in^
teressante klimatologische Aufschlüsse für die indo - chinesische Halbinsel. In
trcbäologischer Beziehung gewährten die zahlreichen Ruinenstädte zwischen Ang-
kor und Bassac eine reiche Ausbeute, und wurden aufserdem Vocabnlarien über
26 Dialecte zusammengestellt. Bis Luang-Prabang wenigstens wurden von dem
Geologen Joubert und dem Botaniker Thorel auf ihrer Hinreise reiche Samm-
langen angelegt ; von dort an verhinderte freilich der Mangel an Transportmitteln
die weiteren Sammlungen. Nicht minder reich sollen auch die Aufnahmen von
Gegenden, Monumenten, Costümen e%c, sein, welche durch Herrn Delaporte an-
gefertigt worden sind. Das ganze Material wird auf ca. 100 genaue chartogra-
278 • Kleinere geographisehe Mitlheilungen.
phtsche , ca. 20 photogjaphische Aufnahmen ,50 — 60 Grnndrisse von Mona-
menten , 4 — 500 Zeichnnngen , 250 geologische Proben , ein Herbarinm von
3—^000 Pflaneen, ca. 100 Inschriften und Proben einheimischer Sprachen berech-
net, deren Pnblication gegenwartig vorbereitet wird. — r.
Kleinere geographische Mittheilnngen.
• Eine uns mitgetheilte amtliche 1 abelle über die Auswandenmg TOIL
Hamburg nach Brasilien im J. 1868 nnd April 1869 bestiltigt, daTs trotz
so mancher Prohibitivmarsregeln nnd gehässiger Zeitungsartikel, welche in voll-
st&ndig ungerechtfertigter Weise gegen den ehrenhaften Character des Dr. Blu-
menau geschlendert werden, die Answandernng in die bereits von Deutschen eo-
lonisirten südbrasilianischen Provinsen in Zunahme begriffen ist. Im J. 1808
wanderten über Hamburg nach Brasilien aus: 3400 Personen, im April 1869
19dO Personen auf 44 Schiffen. Von diesen 5330 Personen gingen nach Bln-
menau 2208» nach Doüa Francisa 900, nach Rio Grande do Sul 1486, nach Bio
Janeiro 350, nach Sta. Leopoldina 332, nach den Colonien am Mncnry 54. Nach
Nationalitäten geordnet, waren unter den Auswanderern: Alt-Preufsen 399 1, Ha-
noveraner 41, Holsteiner und Oldenburger 192, Hessen 8, Sachsen und Thüringer
621, Braunschweiger 57, Anhaltiner 44, Mecklenburger 8, aus den Hanse-Stiidfcen
17, Oesterreicher 155, Bayern 20, Württemberger 14, Badenser 19; anfserdem
21 Schweiser, 120 Schweden, 1 Däne, 1 Brasilianer. Auf diese 5330 Personen
kamen mithin 5137 Deutsche (darunter 4132 Preufsen) und 143 Nichtdeutsche.
Am 31. März 1868 wurde swischen der Pforte und dem Hause Van der
Eist & Co. ein Vertrag abgeschlossen! durch welchen der genannten Firma eine
auf 90 Jahre lautende Concession zur Anlage eines EiienbahnnetSei in d6r
Tärkei und dessen Betrieb zugesichert worden ist. Dieses Eisenbahnnetz soll
aus folgenden Linien gebildet werden: eine Hanptlinie von Eonstantinopel über
Adrianopel, Tatar-Bazardjyk, durch Bosnien bis zur Save. Diese Linie soll fol-
gende Zweigbahnen h.iben : nach Nowipazar an der serbischen Grenze, nach Sa- 1
loniki, von Enos an der Mündung der Maritza nach Adrianopel, von Adrianopel i
nach Warna. Für die Hanptlinie ist den Erbauern ein jährlicher Reinertrag von
21,000 Fr., für die Nebenlinie von 22,000 Fr. p. Kilometer zugesichert, und ist
ihnen gleichzeitig gestattet» die in einer Entfernung bis zu 10 Kilom. von dem.
Bahnkörper gelegenen Minen und Wälder gegen eine Abgabe von 10 und 20 Fr.
vom Reingewinn an den St8;at auszubeuten. Jene Concession ist jedoch iniwi>
sehen an den Grafen Lagrand Dumonccan abgetreten worden. Wie es in der
«Mittheilungen der Wiener geograph. Qesellsch.'' 1869. S. 310 heifst, ist die An
schlufsfrage zwischen dem türkischen nnd ungarischen Eisenbahnnets aber nick
gehörig präcisirt worden. Das Bestreben der ungarischen Regierung geht dahii
die Haupüinie, anstatt über Bosnien mit theilweiser Umgehung Ungarns, in d«
jLti über Serbien zu führen, dafs dieselbe von Konstontihopel Über Adrianop<
BUeinere geographische Mittheüangen. 279
Philippopel, Tatar Bazarc^yk, Sofia nach Nisch an der serbischen Grenze, und
«ine Seitenlinie über Nowipazar nach Brod an der Save zum AnschluTs au die
OBgarisch-croatische Linie angelegt werde.
Ueber den Stand der Au&ahme und Beichreibimg des adriatisehea
Jleerei berichtet Herr y. Hochstetter in dem der 'Wiener geograph. Gesellschaft
Toigelegten Jahresbericht (1869. S. 7), dafs im Jahre 1868 die ganze Ktiste von
der Grenze Italiens an aber Istrien bis Bnccari» der Westseite von Veglia nnd
Chemo an^nommen nnd im Anschlnfs daran die Mappimng bis Sebenico nnd
das nordwestliche Ende von Zori fortgesetzt worden ist. Das ungünstige Wetter
aber verhinderte, da(s ' die hydrographischen Arbeiten mit der Mappimng gleichen
Schritt hielten. Vier Mappeurs vom Seefache und ebenso viele vom geographi-
schen Institute waren thätig, während diis hydrographische Abtheilung 11 Perso-
nen zahlte, wozu in der Mitte der Arbeiten die Mappeurs der Seefächer geschla-
gen wurden. — Die ausgelothete Etistenentwickeloag betrug 1015^ Meilen, ein-
schliefslich der 28 bewohnten und 426 unbewohnten Inseln, die Zahl der avf
dieser Strecke gemachten Lothungen 48,dB2f wovon 15,233 fizirte Hauptsonden,
die übrigen Zwischensonden sind. Die gelotheten Untiefen belaufen sich auf 205*
Das Areal der Mappirung betragt 468.4 Q Seemeilen. Zu diesen Arbeiten gehört
auch noch die Aufnahme nnd Lothung der Strecke von Porto Bnso bis Caorle.
Seit Juni war ein Marine-Offizier als Tiiangulator in Istrien detachirt, um in An-
schlufs an die in den J. 1854 und 1861 gemessenen Seiten Opschina, Slaunig,
Monte Maggiore das Netz bis an die Küste zu führen und die Sternwarten von
Triest und Pola mit diesem Netz zu verbinden. Endlich wurden in Triest, Per
reozo, Pola, Lussin, Zengg, Zara, Ponte Blanche und Zuri magneitische Beob-
achtangen angestellt. Die neuen Küstenaufhahmen haben namhafte Differenzen
in den Conturen, gegenüber den in den J. 1853 — 54 von den dalmatinischen Mi-
Ütair-Anfnahmesectionen gemachten, ei^ben. Wichtig ist auch die Eitichtung
einer Anzahl meteorologischer Beobachtungsstationen, deren Resultate, namentlich
in Bezug auf die physikalischen Verhältnisse des Meeres, vorzugsw^se der Schiff-
ahrt auf dem adriatischen Meere zu statten kommen werden. Die gewählten
Stationen sind: Triest, Fiume, Zara, Lesina, Bagusa, Castelnnovo mit Megline
und Punta d'Ostro im Golfe von Gattaro und Dnrazzo. SäknmtUehe Stationen
sind anf Kosten des k. k. Handelsministeriums errichtet, und ist ihre wissenschaft-
liche Leitung einer von der Akademie d. Wlss. eingesetzten Commisaion anver-
traut. Die der Kriegsmarine bisher zugeordneten Stationen Pola und Lissa sollen
^eichfalls ihre Beobachtungen jener Commission untergeordnet werden, pie me-
teorologischen Daten laufen allmonatiieh an die ständige Commission, diejenigen
Aber Ebbe nnd Flut an den Director Schaub in Triest.
Telegraph Bwiseheii HabaHa und Omoa, Verschie-
dene Projecte waren während der letzten 12 Jahre zu einer submarinen Verbin-
dvng der westindischen Inseln tmter sieh und mit dem Festlande von Nord- und
Sfidamerika aufgetaucht. So hatte sidi im Jahre 1856 in New York unter Mr.
Cooper eine Gesellschaft gebildet, um Cuba mit Cap Sable, der Südspitse Florida's,
durch einen unterseeischen Telegraphen zu verbinden, während der dänisdie CapC
280 Kleinere geogntpluiche Mittheilnngeii.
BaaslÖff die Hentellnng eiaer Linie beabsichtigte, welche einerseits von St. Thomas
fiber die Bahama-Inseln bis nach Sl Angnstine an der Ostseite yon Florida rei-
chen, andererseits über St. Lncia, St. Vincent, die Grenadines nnd Trinidad bis
nach einem Punkte von Venezuela geleitet werden sollte; ein anderer Vorschlag
endlich war, den Telegraph von St Thomas fIber Barbadoes, Tabigo nach De-
merara tu legen. Eis scheint aber, dafs man s&mmtUche Projecte fallen liefe, na-
mentlich weil darch den unebenen, felsigen und mit scharfkantigen Riffen best»-
ten Meeresboden swischen den Antillen die unterseeische Leitung sehr gefährdet
werden mnfste. Oegenw&rtig nun taucht ein neues Project auf, indem die Re-
gierung von Hondaras die Legnng eines submarinen Kabels zwischen Habana anf
Cnba und Omoa in Honduras beschlossen hat; von Omoa sollte sodann über Land
die Leitung bis an die Bucht von Fonseca geführt werden, so dafs alsdann eine
Telegraphenrerbindung swischen dem Stillen Ocean nnd Cnba bestehen wurde.
Nach den neuesten Berichten s<^ die im J. 1850 nach dem Osten ron Tmi-
nesiae verpflaiiste Theecnltor in gfinstigster Weise gedeihen, und hofli
man die Theestaude mit gleichem Erfolge auch in anderen Sfid Staaten einführe»
au können.
Expeditionen nach den südafrikanischen Goldfeldern. Wie Dr.
Petermann in seinen Mittheilungen (1869. S. 109} berichtet, ist am 3. Desem*
her 1868 von Falmoudi eine wohlausgerüstete Expedition unter Leitung Tho-
mas Baines', welcher an der Livingstoneschen Zambesi -Expedition theilgenom-
men hatte md später von der Walfisch-Bai nach dem Ngami-See gegangen war,
sowie des Schweden Nelson, welcher 11 Jahre in Califomien als Digger gelebt
hat, nach den Goldfeldern Sfidafrika's abgegangen, welche Mauch zwischen dem
Zambesi nnd Limpopo entdeckt haben will. Es wird also die Aufgabe dieser
Expedition eein, ni constatiren, in wieweit Manch's Angaben, die -wohl etwa« in
Miscredit gekommen sind, sich bewahrheiten. — Ein ähnliches Ziel scheint eine
in diesen Tagen von einem hamburger Handelshause nach dem Zambesi «na-
gesandte deutsche Expedition zu verfolgen, für welbhe zwei Greognosten und ein
Arzt engagirt worden sind. Dieselbe wird mit einem eigenen Dampfer den Zam-
besi befahren. Die Dauer dieser Expedition ist vorläufig auf etwa acht Monate
festgesetzt Wie die neuesten Berichten melden, soll aber der Ertrag der
Goldfelder weit hinter den Erwartungen zurückbleiben, welche man sich naeb
Mancfa*s ersten Berichten von demselben versprach.
In Hobart Town, der Hauptstadt Tasmanien's oder Vandiemenslands, wie dU
Insel von Abel Tasman, ihrem ersten Entdecker (1642), genannt wnrde, Ist der
letzte Tasmanier, ein gewisser BUly Lanny oder König Billy, gestorben; er
lebte daselbst als Walfischfahrer und galt für einen lustigen Kumpan. Noch im
Jahre 1803 bei dem Beginn der Colonisation zählte die In^el mehrere Tausend
Ureinwohner, die aber in Folge der gransamen Vertilgungskriege im J. 1835 attf
.200, im J. 1857 auf 11 Männer und 5 Frauen zusammengeschmolzen waren. In
gleicher Weise geht die Urbevölkerung auf vielen anderen Inseln der Südsee ihrem
Aussterben entgegen. . -*r.
Kleinere geographische MittheilangeD. 281
Eine neue Eisenbahn dnrch. die Colonie Victoria. Je weiter die
ColoDisation in Australien von der Küste ab nach dem Innern vordringt, desto
dringender macht sich das Bedürfnifs nach gnten Commnnicationswegen geltend, nnd
das nm so mehr, als dieser Continent bekanntlich an schiffbaren Gkwässem von
einiger Bedeutung anfserordentlich arm ist. Es vemothwendigen sich daher Eisen-
bahnen, and ee scheint in der That, als ob die einzelnen Colonien gegenwärtig
sich in der Anlegung derselben einander den Bang ablaufen wollten. Die Colo-
nie Victoria beginnt jetzt wieder den Bau^ einer grofsen Eisenbahn, mieten durch
ihr Land, von Melbourne vift Essendon, Kilmore, Broadford, Seymour, Wanga-
latta, Beechworth nach Belvoir am Murray R., in der Länge von 190 Miles, und
find die Kosten auf £ 720,000 veranschlagt Dazu würden noch £ 42,000 für
den Ankauf der schon fertigen kurzen Strecke von Melbourne nach deasen Vor-
stadt Essenden kommen. Die Bahn wird durch die fruditbarsten Agricultur- und
Pastomldistricte der Colonie laufen und alle 10 oder 12 Miles auf ein blühendes
Städtchen stofsen, imter denen Beechworth jedoch eine der gröfsten, schönsten
und lebhaftesten Landstädte Victoria's ist. Was der Bahn aber noch eine beson-
dere Wichtigkeit giebt, ist der umstand, dafs dieselbe die reichen Ovens Digs^ngs
zwischen Beechworth und Albury durchschneidet, bis wohin, der schlechten Wege
wegen, die Tonne Fracht jetzt oft £ 120 kostet Diesen Qoldfeldem wird nun
ohne Zweifel ein grofser Impuls gegeben werden, da die oberen AUnvialdiggings
noch lange nicht erschöpft und die tieferen Gänge noch gar nicht einmal berührt
smd. — ff —
Sitzung, der geographischen Gesellschafti zu Berlin
vom 6. Mfirz 1869.
Die Sitsung, welcher Se. Königl* Hoheit der Kronprinz beiwohnte, vmrde
durch den Vorsitsenden Herrn Bastian eröffnet, indem er einige Geschenke vor^
legte und dieselben in Kürze besprach.
Hierauf hielt Herr Koldewey, als Gast anwesend, einen Vortrag über die
Breignisse Und Resultate der vorjährigen Nordpolar -Expedition. Er entwickelte
sun&chst, dafs die Fahrt nur eine vorbereitende gewesen sei, die allerdings die
Erforschung der Ostküste Grönlands von 75* nördl. Br. an aufwärts im Auge
gehabt habe, deren Hauptzweck aber gewesen sei, für eine zweite, grölsere und
nach allen Seiten ausgerüstete Expedition Erfahrungen und Kenntnisse zu. sam-
meln. Die Aufgabe sei eine zu grofse, als dafs man hoffen könne, in einem
einsigen Jahre die Polarfrage endgültig zu lösen; Arktische Entdeckungen mnfsten
daher systematisch mit gröfster Umsicht nnd vorheriger Ueberlegung über die
.geeignetsten Mittel und Wege gefördert werden. Kleine Schiffe eigneten sich
am besten dazu, da dieselben bei einer leichteren Manövrirfahigkeit auch den
Vorzug von verMltnifsmäfsig gröfserer Festigkeit hätten und in Folge ihres ge-
ringen Tiefganges lange nicht so sehr der Gefahr ausgesetzt wären, in sich er-
(
282 Sitzongsbericht der BerÜDer geographischeii Gteaellschatt.
drückt sn werden. Danpfkraft sei übrigens unbedingt erforderUeh , am mehr
sa erzielen, fds man bisher yermocht habe. Der Vortragende sprach dann ober
das Schiff I dessen Gröfse, Ausrästung und Bemannang und die Ereignisse der
Reise, wobei die Hanptbeobachtttngen und Resultate mitangefiihrt wurden, Ton
welchen der werthvolle Beitrag zur Erforschung des Golfstroms, die Kustenaof-.
nähme von Ostspitzbergen und die angestellten LoAungen die wichtigsten sind«
Zum SchluTs wurden die Gründe entwickelt, die ffir die Efiste von Ostgrönluid
als beste Basia zum Vordringen in das^arktische Centndgebiet sprechen, und dann
der Plan für die nächste Fahrt dargelegt. Ein Schiff von 90 Fnis Lsoge, 22\ Fnfs
Breite und 11 FuTs Tiefe mit Schonertakelung und einer Dampfmaschine von
30 Pferdekraft werde eigens für den Zweck gebaut, die Gelehrten seien bereili
bis auf einen Arzt engagirt und für wissenschaftliche Instrumente Sorge getragen,
kurz; alle Vorbereitungen getroffen, damit die Expedition Ajn&ngs Juni segda
könne. Die noch nöthigen Geldmittel würden hoffentlich bald aufgebracht wer-
den, so dafs guter Grund vorhanden sei, zur Ehre der deutschen Nation und
deutschen Flagge das Unternehmen zu einem guten Ende zu fuhren.
Herr W. Gentz, von einer Studienreise in Aegypten zurückgekehrt, legte
eine Anzahl von 60 dort gezeichneten Köpfen der verschiedensten afrikanischen
Völkerrassen vor. Er machte von Kairo ans eine Reise nach der Oase Fay&m
und schilderte in seinem Vortrage die malerische Seite ägyptischer Landecbaftea
mit ihrer üppigen Vegetation und ihren gleich Termitenhaufen ans Nilschhnim
erbauten Dörfern sammt deren Bewohnern, den schmutzigen, aber deutlich «a
ihre Vorahnen, die alten Aegypter erinnernden Fellachen. Ferner schilderte der-
selbe das grofsartige Sandmeer der Wüste und die sie darchzieheuden Beduinen,
ihr häusliches, wie ihr Nomadenleben, mit ihrem an die biblischen Patriarchen
erinnernden Heerdenreichthnm, desgleichen die von unzähligen Vögelschaaren
belebten Seen Fayüm's. Schliefslich theilte er einige charakteristische und humo-
ristische Züge der Art und Weise mit, wie man in Aegypten reise, sei es auf
der Eisenbahn, sei es mit Karawanen, und zeigte, unter- wie erschwerenden Um-
ständen ein Maler dort seine Studien machen müsse.
Herr Hartmann sprach über .den Inhalt der von dem Dr. Theodor Kotschy
in .Wien hinterlassenen Tagebücher und schilderte nach Anleitung dersdben den
Kampf der Türken um Kordofän, sowie eine von dem Verstorbenen im Früljafar
1839 von Chartüm aus unternommene Reise.
Zum Schlufs legte Herr Blau einen Tbeil seiner IstndscfaafUicIien Skinen
ans Bosnien vor und gab zur Erläuterung derselben eine Schilderung der von
ihm bereisten Route von Brod nach Serajewo. Von Brod über Dariiend föhrt
die Strafse durch ein hügliges Vorland in das Bosnatfaal und dann meist dioht
am Unken Ufer derselben aufwärts bis Zenica; die Städtchen Doboi, Uifj^ und
Wranduk haben malerisch gelegene Burgen, welche theilweise auf dem Zuge des
Prinzen Eugen 1697 zerstört* wurden. Von der Architektur eines bosnischen
Stiidtchens giebt Zepse ein Bild. Der Einflufs der türkischen Herrschaft auf
die Bauart ist namentlich an den gröfseren Moscheen bemerkbar, die den byssor
tittischen Kuppelbauten in ihrer Anlage verwandt sind, während fUr die kleineren
-Bloscheen in den Gebirgsdörfem die altbosnische Bauweise beibehalten ist Bei-
SiUHiBgsbericht der Berliner geographischen Gesellschaft. 283
■piele daf&r sind die Moschee Ton Magiig und eine kleine Moschee bei Vites.
In Besag auf Flora nnd Bodenformation tritt ein auffallender Wechsel bei M%lij
ein, Ton wo ans hauptsächlich Serpentin, Talkschiefer und Thonschiefer und
weiterhin krjstallinischer Kalk und Dolpmit gebirgsbildend auftreten. Bei Lenica
TBriaTst die Strafse das Bosnathal und rereinigt sich bei dem Han von Vites
mk der Strafse, die von der früheren Hauptstadt 1'rawnik nach Serajewo fuhrt.
Sitzung der geographischen Gesellschaft zu Berlin
▼om 10. April 1869. ,
Der erste Theil der Sitsung war der Wahl der Beamten und der neuen
Mitglieder gewidmet. Hierauf legte der Vorsitzende, Herr Bastian, die einge-
gangenen Geschenke vor.
Herr I)ove sprach mit Bücksicht auf die vorgelegte Abhandlung von Sabine
fConiributions to terrettrial metgnetiame** über die magnetischen Verhältnisse der
Erde and äufserte sich bei dieser Grelegenheit sehr anerkennend ü^er die von
W. V. Freeden so eben bekannt gemachten bezüglichen Beobachtungen der nord-
deutsdien Seewarte in Hamburg.
Herr Ascherson machte einige Mittheilungen aus einem kürzlich eingelau-
fenen Briefe, des Dr. Schweinfurth , welchei^ bis Faschoda vorgedrungen ist und
▼ersdiiedene Sammlungen, insbesondere eine bedeutende Sammlung von Schädeln
zusammengebracht hat und demnächst in die Heimath befärdem wird.
HerrBaeyer berichtet über einen neuen von Dr. Steinheil in München er-
fundenen Mefsapparat. Nachdem der Vortragende das Mefsverfahren der Alten,
namentlich der Aegypter, Griechen und Araber ausführlich gewürdigt, die beiden
filteren, sowie die dritte Gradmessung von Femet im Jahre 1525 und die Bjp-
findung der Triangulation durch Snellius im Jahre 1615 berücksichtigt hatte,
verweilte er bei Condamine und Bouguer, welche durch Winkel- und Basismes-
sung die directen Messungen verdrängten und ein neues Mefsverfahren einführten,
welches an Genauigkeit das bisherige um das Zwanzigfache übertraf. Zu den
drei Mefsapparaten, welche bisher für die Basismessung in Gebrauch waren»
kommt nun durch Dr. Steinheil ein vierter hinzu, welcher durch Anwendung des
Bades die Intervalle zwischen den Mefsstangen gänzlich beseitigt Die Maschine,
an welcher sich die Temperatur leicht berücksichtigen und messen lafst, welche
femer durch einen Pendelapparat die Steigung registrirt, endlich durch eine an-
gebrachte Vorrichtung die Umgänge des Bades zählt und somit die ganze Mefs-
kunde auf einen neuen Standpunkt erhebt, wurde von dem Vortragenden in
einem Modell vorgezeigt.
Herr Stamm sprach über medicinische Geographie und Ansrottungsmog-
lichkeit ^er Pocken. Derselbe beginnt damit, die vollkommene Unrichtigkeit der
Hypothese einer allgemeinen canstitutio epidemica der Atmosphäre als Pocken-
284 Sitznngsbericlit der Berliner geographischen GeseUicbAft.
Ursache nachzuweisen; dann zeigt er ans zahlreichen Daten, dafs in Nord- und
Westasien, in Europa, in Nordafrika, in ganz Amerika und in Aostralien die
Krankheit eingeschleppt worden sei. Zweifellos sei der bei weitem gröfste Tlieil
der Erde mit dem Pockengift erst durch den Menschenvei^ehr künstlich infidift
worden. Die ältesten Nachrichten über das Vorkommen der Blattern stammen
ans dem südlichen Ostasien und ans China. Ob sich noch hente hier oder anch
im tropischen Afrika antochthone Heerde für das Entstehen der Blattern finden,
mufs erst spätere Forschung entscheiden. Das Pockengift sei jedenfalls ein orga-
nisches Gebilde. Die blofse Berührung eines Pockenkranken theile Niemandem
die Krankheit mit; das Einathmen der Krankenatmosphäre in der Nähe des
Kranken sei das Entscheidende für die Mittheilnng. Jede neue Vergiftung bilde
aber einen neuen Infectionsheerd. Die Milderung der Pockenepidemien in Europa
einzig und allein der Impfung beizumessen, sei irrthümlich, obgleich dieselbe
einen relativ bedeutenden Schutz gewähre. Die Vaccination direct von Küheo
scheine Vorzüge zu verdienen, wenn es anch «lehr als wahrscheinlich sei, daA
die Pocken am Euter der Kühe ursprünglich durch Uebertragung vom Menschen
entstanden seien; der Vortragende habe weder in Deutschland noch sonst wo
eine einzige Kuh mit originären Pocken am Euter oder an anderen KörpertheOen
auffinden können. Daraus ziehe er den berechtigten Schlnfs, dafs dies jedenfalls
nur höchst ^selten vorkommen könne, und dafs es auf der Erde gar keine Knh-
pocken- Epidemien von weiter Verbreitung gäbe. Die Pocken wären übrigens
nicht sehr zu furchten, wenn man die Kranken in ihren Wohnungen mögUehst
isolire und sobald als möglich nach freistehenden, gut ventUirten Pockenspitälem
bringe; es komme hier, wie so oft, hauptsächlich auf Isolation, Desinfection mid
Ventilation an. Schliefslich dringt der Vortragende darauf, durch den Volksnnter-
richt und anderweitig dahin zu wirken, dafs dergleichen mittheilungsfahige Sea-
•chen wo möglich gänzlich ausgerottet würden.
Herr Koch zeigt ein gespaltenes Stück Eichenholz aus der Gegend von
Dessau vor, in dessen Innerem ein sehr deutliches lateinisches Z zu erkennen ist.
Der Vortragende erklärt die Erscheinung dahin, dafs das Z zu Anfang dieses
Jahrhunderts eingehauen sein müsse, und dafs es durch Ueberwachsen von der
Oberfläche in das Innere verlegt worden sei.
Herr Wolfers überreicht eine kleine Abhandlung, in welcher die Temp^
raturverhältnisse des vorjährigen Sommers (1868) mit denen von fünf frühersn
Sommern verglichen werden.
Es ergeben sich folgende Verhaltnisse:
1868
Dauer des Sommers Sommertage
1868 137 Tage 84
1865 laO - 56
Periode
19 Tage
11 -
Regentage
27
42
1859
125 -
78
11 -
44
1857
121 -
74
14 -
22
1846
114 .
67
*
22 -
19
1842
104 •
53
30 -
18
Juli 1—10
Aug. 11—20
Min. tägl. Temp.
13,9
20,7
Minimum ) .
Maximum )
allen 6 Jahren
r
Sitzungsbericht der Berliner geographischen Qeselischaft. 285
*
Die drei Monate Jani, Jnli, August sb Sommer.
Mitt. tägl. Temp.
1868 1834 1842 1846 1857 1859 1865
16,6 16,9 15,1 15,9 15,6 16,1 14,6
Herr Kiens sprach über die Krankheit des Seidenwurmes in 'Italien und
ober den Einflufs dieser Erscheinung auf die finanziellen Verhältnisse des Landes.
Seit dem Jahre 1863 hat sich nämlich der Ertrag des Seidenbaues in dem Grade
Tsningert, dafs der Unterschied des jetzigen jährlichen Ertrages gegen 1863
77 MilL Lire ausmacht. So betrug z. B. im Jahre 1866 der Ertrag der Seiden-
cultur im Neapolitanischen nur iV nnd in Sicilien nur -^ des Ertrages ron 1863.
lok Jahre 1867 hat sich die Epidemie um etwas vermindert.
An Oeschenken gingen ein:
1) Perrot, Quillaume et Delbet, Exploration archiologique de la Ga-
laik et de la Bithynie. Livr. 18 — 21. Paris. — 2) £ey, Geahüe et les rives
du L€man, 2* ^dit Gen^ve et Baie 1869. — 3) Dum i eben, Die Flotte einer
ägyptischen Königin aus dem XVII. Jahrhundert Tor unserer Zeitrechnung. Leip-
lig 1868. — 4)dePuydt, Percement de Vlsthme du Danen par un Canal de
gnmde navigationf scms tunnel et actru icluaes, Chatillon-sur- Seine 1869. —
5) C. C. von der Decken's Reisen in Ost- Afrika in den Jahren 1859 — 65.
finähknder Theil. Bd. I. Leipzig und Heidelberg 1809. — 6) Statistica del
Ttgno ttItaUa. Indusiria mineraria, Firenze 1868. — 7) Dasselbe. Amministra-
zione pubblica, Firenze 1868. — 8) Dasselbe. Movimtnto della navigaxione nei
perti del regno. Anno 1867. Firenze 1868. — 9) Dasselbe. Mommento della
namgazione itaUana alV estero. Anno 1866. Firenze 1868. — 10) Dasselbe.
Morti molente. Anno 1866. Firenze 1868. — 11) Dasselbe. Le opere pie nel
1861. Firenze 1868. — 12)Hnnter, A Comparative Dictionarg of the Lan^
gnages of India and High Ana with a Dissertation, London 1868. — 13) Lo-
renz, Statistik der Bodenproduction von zwei Gebietsabschnitten Oberösterreichs.
Wien 1867. — 14) Lorenz, Bericht über die Bedingungen der Aufforstung
und Cnltivirung des croatischen Karstgebirges. Wien 1860. — 15) Lorenz,
Instruction zu den Beobachtungen über Temperatur nnd Salzgehalt des Meeres^
f&r die Österreichisch - adriatisohen Beobachtungs - Stationen. Wien 1868. — 16) L o -
renz, Karten und Apparate für Geographie und Kosmographie. (Sitzungsber.
d. Wiener Akad. d. Wiss.) — 17) Lorenz, Brakwasser- Studien an den adria-
tischen Küsten. (Sitzungsber. d. Wiener Akad. d. Wiss.) — 18) Lorenz, Ein
Tiefen -Thermometer von mehrfacher hydrographischer Verwendbarkeit. Wien
1863. — 19) Lorenz, Grundsätze für die Aufnahme und Darstellung von land-
wirthschaftlichen Bodenkarten. Wien 1868. — 20) Lorenz, Die Bodencultur-
Veihältnisse Oesterreichs. Wien 1868. — 21) ▼. Hochstetter, üeber das Erd-
beben in Peru am 13. August nnd die dadurch veranlafsten Fluthwellen im Päd-
fischen Ocean etc. (Sitzungsber. d. Wiener Akad. d. Wiss. 1869.) — 22) Rüge,
Ueber Compafs and Compafskarten. Dresden 1868. — 23) Liebe, üeber die
geographische Verbreitung der Schmarotzerpflanzen. Berlin 1869. — 24; Aus
don Leben eines Gletscherführers. Blätter der Erinnerung an Cyprian Grau-
biehler, genannt «Cyper*. München 1869. — 25) Welda, Dos proyectos sobre
fimdaeion de eolonias nacionale» jr evtrangeras en Mexico, Morelia 1865. -~
286 Sitsang9bericht der Berliner geographischen Qesellfchaft.
26) Welda, Michoacan y la introducion tU nnjoraa, Morelia 1868. — 27) Wol-
fers, Vergleichnng des Sommers yon 1868 mit den Sommern 1842, 1846, 1857,
1859, 1865 in Berlin. Halle 1869. — 28) Stein, Ueber das Vorkommen von
phosphorsanrem Kalk in der Lahn- und Dillgegend. Berlin 1868. — 29) D'une
n^uvelU mitKode pour d€terminef la paralaxt du aoleiL Florence 1869. — 30) In.
stmction Pix die fachmännischen Begleiter der K. K. Mission nach Ostasien^ md
Südamerika. Wien 1868. — 31) Mahr, Der Seeschrecken anf den Answandereiw
Schiffen. Oldenburg 1869. — 32) Zeitschrift der Gesellschaft für Erdknode so
Berlin. IV. 1869. Heft 1. 2. BerUn. — 33) BuUeiin de la Soc. de GiöffrapkU,
1868. Novembre et D^cembre. 1869. Janvier. Paris. -^ 34) Proceedings of iU
Roy, Geograph, Soc. Vol. XIII. No. 1. London 1869. — 35) Revue maritim
et coloniale. T. XXV. F^vrier. Mars. 1869. Paris. — 86) IV. n. V. Jahres-
bericht des Vereins für Erdkunde sn Dresden. Dresden 1868. — 37) Bastian
nnd Hartmann, Zeitschrift für Ethnologie. Jahrg. I. 1. Berlin 1869. -^ «
38) Ärchives des MtMsiona scient\fiques et litUraires, 2* S€r. T. V. Livr. 1.
Paris 1868. — 39) Mittheilnngen der K. K. geographischen Gesellschaft in Wien.
1869. No. 3. 4. — 40) Bulletin de VÄcad^ie Imp&iales des aciencea de Su P4-
tersbourg. T. XHI. No. 1— -3. St» P^tersbonrg. '— 41) Bulletin de la Sociiti
imp&iale des Naturalistes de Moecou, 1868. No. 2. Moscou. — 42) Jahres-
bericht der norddeutschen Seewarte f&r das Jahr 1868, erstattet y. W. r. Sree-
den. Hamburg. — 43) Gaea. Natur nnd Leben. Jahrg. 1869. Heft 2. Köln. ^
44) Zeitschrift für das Berg-, Hütten- nnd Salinenwesen in dem Preufsischeo
Staate. Bd. XVI. Lief. 5. Beriin. — 45) TranaacHons and Proeeeding* of ihe Roy,
Society of Victoria, IX. 1. Melbourne 1868. -* 46) Preufsisches Handelsarehiv.
1869. No. 4 — 14. Berlin. — 47) Abyssinia, Line of March of the Army unier
Lieut. Gen, Lord Napier of Magdala, 1868. 5 Bl. London 1^69.
Sitzung der geographischen Gesellschaft zu Berlin
am 8. Mai 1869.
Nach Ueberreichung der Geschenke durch den Vorsitaenden Herrn Bastian
fibergab Herr Gustav Fritsch der Gesellschaft als Beitrag su der Sawmlaug
anthropologischer Photographien Bwei Tafeln, enthaltend Araber-, Somali- nnd
Indier-Portraits, tou ihm aufgenommen während seines Aufenthaltes in Aden snr
Beobachtung der Sonnenfinstemifs. Er gab alsdann einen knrsen Abrifs der Be-
Volkerungsverhältnisse von Aden unter Angabe der besonders charakteristischen
Merkmale der einzelnen Stämme. Es wurde darauf hingewiesen, wie dieser Ort,
vermöge seiner eigenthfimlichen Lage, als Knotenpunkt alter Verkehrsstra&en
zwiscten Asien und Afrika, besonders durch den Sklavenhandel viele Elemente
seiner Bevölkerung aus Afrika erhalten habe, vornehmlich Somali nnd Sidi, wel-
cher letztere Ausdruck meist ohne weitere Unterscheidung ftir Bewohner des öst-
lichen Centralafrika's gebrancht wird. Stamme, welche sich nicht als Sklave»
Sitznngabericht der Berliner geographischen Qeeellschaft. 287
verwenden lassen, wie die Galla, sind nnter der Einwohnerschaft nur ansnahms-
weise vertreten. Die originalen Bewohner, die Araber, unterscheiden sieh durch
ihr Aussehen und ihre Tracht sehr wesentlich, je nachdem sie dem Orte selbst
ssgsfaören, oder aus dem Innern Arabiens herabkommen. Aber abgesehen von
diesen mehr auf Familienähnlichkeiten und Lebensweise gegründeten Unterschied
den, ist der ganse Ebtbitus dieser Stämme durchaus abweichend yon dem der so*
genannten Araber Aegyptens. Die Veigleichong ergiebt als unzweifelhaft, dafs
die letzteren viele reiiT ägyptische Elemente müssen in sich aufgenonmien haben
nid ihrer Zusammensetzung nach heutigen Tag^s eigentlich kaum mehr Araber
tu nennen sind« Es wurde aus der Geschichte nachgewiesen, wann und auf
welche Art die Verschmelzung der Eindringlinge mit der ursprünglichen Bevölke-
nmg Aegyptens stattgefunden hat
Herr Dove legte einige neuere Werke vor. Zunächst anknüpfend an den
Sturm vom 6. und 7. December 1868, charakterisirte er die vier verschiedenen
Klassen der Stürme und legte eine Karte des Herrn v. Chauvin vor, auf welcher
alle die an den Telegraphenlinien verursachten SehlUlen jenes Sturmes verzeichnet
riud. Hierauf zur Hydrographie sich wendend, besprach er die Verkürzung der
Rflsse vermittelst Durchstiche und die nachtheiligen Folgen der letzteren. Er
machte, femer auf den Unterschied solcher Flüsse aufmerksam, welche in Sehnee-
gebirgen, uM derjenigen, welche In Grebirgen, die keinen ewigen Schnee tragen,
entspringen. Endlich betonte er ausdrücklich für die tropischen Gegenden den
Einflufs der Richtung eines Stromes auf die mit einem Male aufzunehmende Re-
genmenge und die daraus entstehenden Ueberschwemmnngen , je nachdem der-
lelbe nämlich eine westöstliche Richtung, wie der MaraTion, oder eine südnörd-
liche (nordaüdliche) wie der Nil habe. Nähere Veranlassung zu diesen Unter-
suchungen gaben dem Redner: Beigrand und Lemoine, Resum€ des obsennitions
eentraUs^es du Service hydrom^trique du hassin de la Seine, Versailles 1869. unter
Vorlegung der 16 die Jahre 1866 und 1867 darstellenden Karten; femer; SuUa
temperatura del mare nel golfo di Palermo^ nota del Cav. Rodolfo de Vivenot;
endlich: Poleck, Beiträge zur Kenntnifs der chemischen Veränderungen fliefsen-
der Gewässer, mit 1 Karte. Breslau 1869. und Royal Meteorological Institute of.
ike Netherlands, On the Temperature of the Sea at the Surfaee near the South-
point of Jfriea hy 1. E, Comelissen, Utrecht An die Schrift: „Report of the
Mtttorological Reporter to the Government of the Bengal for the year 1867 — 1868.
Calentta 1868" knüpfte sich die Mittheilung, dafs in Türkistän von dem russi-
ichen Gouvernement 12 Beobachtungsstationen errichtet wurden. Schliefslich
legte derselbe vor seine eben vollendete Schrift; „Nicht periodische Veränderun-
gen der Verbreitung der Wärme auf der Oberfläche der Erde", in welcher von
einer grofsen Anzahl durch Wärmeextreme, wie das vorhergehende Jahr, ausge-
idchneter Jahre nachgewiesen wird, dafs das Zuviel an bestimmten Stellen der
Erde stets compensirt wird durch ein gleichzeitig hervortretendes Zuwenig an
andern.
Herr Ascherson theilte einen Brief des Reisenden Dr. Schweinfurth mit,
m welchem derselbe die Scenerie der Nilufer, sowie seine eigenen Eriebnisse
wihrend der Fahrt auf dem weifsen Nil nach seiner Abreise von Chartüm schil-
dert Der Brief wird demnächst veröffentlicht werden.
1
288 SitenDgsbericht der Berliner geographischen Gesellschaft.
An Qeschenken gingen ein:
1) Saint- Martin, L*ann€e g€ographique, 1868. Paris. — 2) Diseurto dd
Comm, Oristo/oro 'Negri, tenuto neW tuhmanza solenne del 2ß /ebbraio 1869.
Firense. — 3) Sveriges Geologiska Undersöhning, under ledning af A. Erdman»:
N. 26—30. Stockhobn 1868. Mit Atlas. — 4) Sabine, ContribuHonM to Ter-
restial Magnetism. {Proceed. of the Roif, Soe. 1868.) — 5) Bulletin de la So-
<si€U de Geographie. 1869. Ferner. Paris. — - 6) Le Globe, Journal giogra-
phique, 1868. Jnillet — Octobre. Gen^ve. — 7) MittheUvngen der K. K. Geo-
graphischen Gesellschaft. Jahrg. VHI. 1864. IX. 1865. 1869. N. 5. — 8) Petcr-
inann*B Mittheilnngen. 1869. N. IIL Gotha. — 9) BechenschafUbericht der E.
russischen Geographischen Gesellschaft für 1868. St Petersburg 1869. (rassisch)
— 10) Revue maritime et coloniale, 1869. AvriL Paris. — 11) Jahrbneh der
K. K. Geologischen Beichsanstalt 1869. N. 1. Wien. — 12) Abhandlnngen
heraosgeg. Tom naturwissenschaftlichen Vereine zu Bremen. Bd. U. Hft. 1. Bre-
men 1869. — 13) Preufsisches Handelsarchiv. 1869. N. 15— 18. Berlin.—
14) Zeitschrift der österreichischen Gesellschaft für Meteorologie. Bd. V. N. 1
bis 7. Wien 1869. — 15) Bonatti, Importanza del terzo moto rei viaggi al wubt
Polare e deW eecUsi de 18 agosto 1868, enthalten in: Vereo la Mißta, periodico
di lettere 1869. N. 7. — 16) Bonatti, A$tr<momica naturale, enthalten iji: La
voce dei giovani itaUani. 1868. N. 1. — 17) Ha8senstein*s Kartell cur Reise
des Baron C. C. t. d. Decken. Leipzig 1868.
XII.
Eine kritische Revision der biblischen Geographie.
Von Prof. Dr. L. Noack in Giersen.
Darf der jüngst erschienene Menke - Perthes'sche Bibel -Atlas als
larthograpbische Reprfisentation des bisherigen Standes der geographia
Sacra gelten, so erscheint diese letztere durch das ungefähr gleichzeitig
hervorgetretene Werk ^Von Eden nach Golgatha, biblische Forschun-
gen von L. Noack^ (Leipzig 1868, 2 Bände) geradezu auf den Kopf
gestellt, nur dafs freilich der Verfasser vielmehr der Meinung ist, die
bisher verkehrte biblische Geographie erst wieder richtig auf die Beine
ZD bringen. Es sei ihm gestattet, die Ergebnisse seiner dort nieder-
gelegten Forschungen in freier Gruppirung den Lesern dieser BlStter
Torzofuhren.
Während sich Menke, um im Süden zu beginnen, in Betreff der
Sioai'Frage auf die Seite des Serbäl -Vertreters Lepsius stellt, hätte
sich an dem Streite, der bis heute unter den Sinai-Fahrern über Gebel
Musa, Gebel Serb&l und Gebel Om-Schomar lichterloh brennt, nun-
mehr das Schicksal der drei Ringe in der Nathansfabel erfiillt: keinet
von den fraglichen Dreien ist der ächte biblische Sinai, der uns viel-
mehr durch die Tabula Peutingeriana als Mons Syna der Kinder Israel .
im Mond- oder Ring- Gebirge der Nakhl- Ebene des peträischen Ara-
bien» verbürgt ist, welchen nT>ch die ältesten Sinai -Mönche yor der
Zeit Justinian's besessen haben. Anstatt von der Spitze des Su^s-
Bosens erst nach der Südspitze des Halbinsel-Dreiecks zu ziehen und
also die Kirche um's Dorf zu tragen, zugleich aber den damals noch
tbatsächlich im Wädi-Feirän hausenden Ramessiden • Faraonen in den
Rachen zu laufen, sind nach jener alten romischen Reisekarte die Kin-
der Israel geradewegs durch die Ostwüste, die über dies noch heute allein
bei den Arabern der Halbinsel die Wüste Thih der Kinder Israel heifst,
ihrem Sterne zum gelobten Lande gefolgt. Und von dort südostwärts
KaiUehr. d. OMaUtch. f. Brdk. Bd. IT. 19
1
290 L- Noack:
hat auch der alte Jothor (Jethro) im Wethir-Thale in arabischer Trans-
seription beim Nordende des Aila- Golfes sein biblisches Andenken
landschaftlich bewahrt. Dafs neben Rossegger and dem Dimer Predi-
ger Faber aach der böse Sultan Bibars mithelfen mufste, um die Spnr
des rechten Sinai im Belad^el-bedr der Nakhl-Ebene zu bestätigen, wird
dieser Spur keinen Makel aufdrucken.
Von dort. aus steht das Antiübanonziel der Kinder Israel fest.
Beim Hermon war die Nordgrenze für das nachmalige Qebiet der
drittehalb Ostjordanstfimme einzunehmen. Diese heutige Golän- and
Haurän- Landschaft Ufst nun die bisherige Bibelauslegung den altem
Bewohnern recht eigentlich aar wie im Traume von den Hebräern ab-
genommen werden, und ohne dals auch nur der Yersach gemacht
würde, wenigstens einen Tbeil der angeblich nicht mehr nachweisbaren
Reisestationen Israels in dortiger Gegend zu suchen, befinden sich die
bereits siegreich bis zum Hermon vorgedrungenen Hebräer plötzlich
wieder am Nordende des todten Meeres, von wo sie nun einmal
schlechterdings ins Westjordanland eindringen müssen. Warum? Weil
dort angeblich Jericho, das Josua zu erobern hatte, gelegen hätte.
Nur leider aber hat die dort beim heutigen Dorfe Er-Riha angeblich
befindliche ^Oase Jericho^ schon darum mit der biblischen Jericho
nichts zu schaffen, weil diese der Vaticanische Uebersetzer der Ghro-
nikbücber als eine Zabulonitenstadt beim Tiberiassee gelegen wafiste
nnd überdies die Baureste in der Umgebang von £r-Riha, die man
für Herodianische Gründungen hat ansehen wollen, erst aus der S^eit
des saracenischen Baust jles herrühren. Ehe jedoch die Kinder Israd
noch an diesen ihnen als Reiseziel octroirten Platz gelangt wären,
haben sich die Ausleger der „wunderlichen Reise^ durch eine andere
falsche Ueberlieferung so vollständig das Concept verrücken lassen,
dafs freilich hinterher beim Jerichoplatze jeder Zweifel an dessen Aecht-
heit ohnedies zu spät gekommen wäre. Im Süden des riesigen Regen-
wasserbeckens, worin der Jordan sein Grab findet, läfst man die Kin-
der Israel rechts nnd links vom Sandmeer des Wädi-el-'Arabah recht
eigentlich wie das Thier auf dürrer Haide sich wiederholt nur immer
im Kreise herumdrehen, trotz ihrer zugestandenen Absicht, in's gelobte
Land zum „guten Gebirge beim Antilibanon^ vorzudringen. Die Land-
Strecke zwischen dem todten Meere und dem Aila-Golf geniefst bis
heute in der gelehrten Meinung die Ehre, für das biblische Edomland
(Idumäa) zu gelten, dessen Konig dem feindlichen Bruderstamme den
Durchzug verweigert hätte. Die Widerlegung dieses in der wissen-
schaftlichen Erdkunde fast veijährten und gleichwohl erst aus dem
Mittelalter stammenden Milsverstandes hat durch den glücklichen um-
stand leichte Arbeit, dafs noch in den ersten christlichen Jahrhunderten
r
Eine kritische Reyidon der biblischen Geographie. 291
die Lage des biblischen Edom-Oebietes im Norden des Ostjordanlandes
feststand, wo das Damaskenerland dazn gerechnet wurde. Roth war
'Esan, sagen auch die Rabbinen der Misch nah-Zeit, and roth war sein
Land. Ein Rothland aber (Ardh-el-haaranieh) ist die ganze Hanran-
Ebeoe bis zur südlichen Hamadgrenze und zur ostfaaurÄnischen Stein-
WQSte der vulkanischen Harrah. Derselbe aus verwittwtem volkani*
sehen Gesteine erzeugte rothbraune Lehmboden zieht sich durch das
antere Bett des grofsen Ostjordan armes (Scheriath-el-Mandhür) bis in
die 'Adesieh- (Linsen-) Ebene im Süden des Tiberiassees, wo wir die
Kinder Israel an der Grenze Edoms finden werden. Ohne es zu ahnen,
oder, wo sich die Ahnung aufdrängte, derselben Folge zu geben, sind
nach dem Irländer Porter unsere deutschen Landslente Wetzstein und
Doergens die eigentlichen Wiederentdecker des abhanden gekommenen
bibliscfaen Edomlandes geworden. Es gilt nur, mit den Errungenschaf-
ten dieser. Reiseforscbungen der beiden letzten Jahrzehnte Ernst zu
machen und über diesen für die rückständig gebliebene Geographia
Sacra noch ganz jungfräulichen Boden die Furchen zu ziehen, um zu-
gidch einen guten Theil biblischer Geschichte sogar bis ins Zeitalter
der Hasmonäer und Herodianer in eine durchaus veränderte Perspective
treten zu sehen. DieVormänner im Besitze des Edom-Hauranlandes,
die biblischen S^'eiriten oder Horräer (bei den Thargumisten und in
der arabischen Bibel geradezu Hauränier genannt) bezeugen sich bis
auf den letzten Mann in ihrer wahren alten Heimath ebenso zuverläs-
sig, als uns die biblischen 'Esau- Weiber und die alten Edomiter-Für-
stenbäaser (alufim) auf der gleichen hauränischen Wegspur begegnen,
nor dafs das letzte Edomkonigsgeschlecht der biblischen Ueberlieferung
dem Ostjordanlande untreu wird und so gefällig ist, uns auf den gleich-
falls rothen Boden einer westjordanisch - galiläischen Edomslandschaft
in die vulkanische Umgebung der galiläischen Maare (Kraterseen) zur
Bergveste Asqalon-Giscala und zum dortigen Stammsitze des idumäi-
sehen Herodeshauses zu fuhren.
Nach dem ostjordanischen Edom - Hauränlande bringt uns nun
Sehritt für Schritt die Verfolgung der beim Auszug aus Aegypten über-
lieferten Reisestätten vom Mons Syna der Peutingerschen Karte, d. h.
vom Mond- oder Ringgebirge der Nakhl- Ebene über Wadi-D41egheh
darch Wadi Müsa zunächst zur Farän-Steppe, als der alten Heer- und
Karawanen Strasse, welche (nicht mit der weiter östlich ziehenden heu-
tigen Pilgorstrasse zusammenfallend) vom Aila-Golf her durch das Ost-
jordanhochland zum Haur&n und nach Damaskos führte. An der Hand
der biblischen Rastplätze gelangen wir durch das Land Kerek und die
Belqa-Steppe bei Kefer Jehüdi, Schogl-beni-Israil und der Trümmer-
stStte von Gerftsch vorüber zum 'Aglun-Gebirge, wo im Lande Mö'orr&d
19*
292 L- Noack:
von Sof aaa, sor Brkundscbaftung der Oöl&n- und Haaran-Laodscbaft
die biblischen Kundschafter ausgehen, welche den Weg von Naw&, als
der Heimath Josua's, des Sohnes Nave, nach der hauränischen Hebron
(Hebr&n) machen, in welcher uns die biblische Kalebs-Hebron im Un-
terschiede von der Abrahams-Hebron entgegentritt, welche letztere noch
Mir Zeit Konstantins im nördlichen PalSstina bekannt war, wo ihre
Lage bei Kefer Habur und Hibbarieh auf der Terrasse des untern
Theim-Thales die Probe sämmtlicher biblischen Erwähnungen, wie des
Eusebiostextes im Onomastikon vollständig besteht
Der von Süf aus unternommene Haur4n-Zug der Sonderbandner
Israels und der Rotte Qoreh galt der verwünschten Wurzel 'Aoialeq.
Der vom Verfasser gemachte Versuch zur Lösung des biblischen 'Ama-
l^qiter-R&thsels l&fst zunächst die verworrene jung-arabische Ueberliefe-
ruDg über die 'Amafeqiter bei Seite, um aus vergleichender Prüfung
der biblischen Erwähnungen 'AmalSq's mit Hülfe der Wurzel dieses
Spitznamens den durchgängigen Bezug auf das über's ganze gelobte
Land zerstreute hami tische Blotsaugervolk der Faraonen festcustellen
und erst von hier aus den arabischen *Amaleqiter-Ueberliefernngen ge-
recht zu werden. Jenen Sonderbündnern Israel's, die den Kampf mit
dem südwesthauränischen *Amaleq auf eigne Faust aufgenommen hat-
ten, werden die nächstfolgenden Reisestätten des biblischen Berichts
zugewiesen und nebenher für die biblische Petra (Sela) der römischen
Palaestina saluiaris die osthauränisch-arabische Salä an der Hand der
m
griechisch-römischen Zeugen in Anspruch genommen. Während jenes
Sonderzuges zum Hauränrücken (Asalmanos die Station Aselmonah)
war mittlerweile das Lager des Moses und Ahron von der Warte Suf
nach der Midbar-$in (Palmentrift) oder Qades ('Adesieh-Ebene) beim
Südende des Tiberiassees vorgeschoben worden. Die nächsten Reise-
stationen führen jene Sippschaft zu diesem Hauptlager Israels zurück,
und der vielbesprochene Platz von 'Asiongaber, dessen angebliche
Lage am Ailagolf auf dem klarsten Mifsverständnisse beruht, erkennen
wir in der auch durch die syrische Bibelübersetzung dort verbürgte,
von Seetzen besuchte Gaditenstadt Gabir bei Irbid, während uns da-
gegen die Hafenstadt der Ofirfahrer an der nordfönikischen Küste bei
einer andern Ailath begegnen wird.
In der Palmeutrift der 'Adesieh- (Qades-) Ebene bestätigen uns
die an den Tiberiassee geknüpften Moses- und Mirjamsagen der Thar-
gumisten die Spur der dortigen 38jährigen Wartezeit Israels unter
Mosis Hut. Die dritthalb ostjordanischen Stämme hatten ein volles
Menschenalter hindurch Zeit, sich anzusiedeln und die Schwerter zu
schmieden, welche sich bei den ferneren Eroberungen der Israelsstämme
hülfreich erweisen sollten. Ein , Umgehen Edoms^ wird der Weg ge-
Eine kritische Rerision der biblischen Geographie. 293
nannt, auf welchem sich Israels Heeresmacht nach endlichem Aufbräche
fon Qades im letzten Jahre Ahrons und Mosis gesammelt hat. Der
Weitcrzng ging darch den Sudgrenzstrich der Ardh-el-Hauranieh und
des Naqra- Kessels den vulkanischen Schlachten des Scheriath-el-Man-
dhor and des ZSdy- Thaies entlang ostwärts nach der. Umgebung der
haaränischen Hebron des Qenez&ers Kaleb, in deren Umgebung frfiher
die Sonderbündner für ihren Vorwitz hatten büfsen müssen. Als der
in den Thargums Hur-Turah genannte Sterbeplatz Ahrons und weiter-
hin zugleich als der Gesetzgebangsplatz des Deuteronomiums gibt sich
Um-el-Torrah zu erkennen, in deren UxHgebong uns die heutigen Ben!
'Arad den Sitz des alten 'Arad-Eönigs in der Ardh-el*$u^th verbürgen.
Das Schilfmeer (jam sof), das hier noch einmal vorkommt, wird uns
im Angesicht des Schilfsees von MezSrib und der sumpfigen SchellaleE.
Niederung das Concept nicht verrücken, um nach dem längst weit
hinterm Rücken liegenden „rothen Meere^ zurückzuschielen. In der-
selben Ardh-el-§ueth hat der heutige Ortsname Seimänieh deutlich die
Station l^almonah erhalten. Der altberühmten edomitischen Fundn
(Fainon) wie zugleich der Heimath (Jefunneh) des israelitischen
'Anezy- (Qenezi-) Führers Ealeb begegnen wir in dem haaränischen
Bergwerksplatze *Afineh und klären uns dabei die Uebereiluog auf,
womit neuere Gelehrte die hauranische Faina (Faino) id der Nord-
west-Legähstadt Missema (Mismieh) ansetzen wollten, als ob die dort
inschfiftlicb erwähnten Fainesioi nothwendig auch am Platze der In-
scbrift gesessen haben müüsten. Mit der Lagerstätte Obgth (Väter)
Bind wir am Platze von 'Ain Müsa, der eigentlichen südhauranischen
Haaptquelle des ZIdy- Sehen ath Mandhurstromes angelangt, und löst
uns deren Name zugleich das Räthsel, wie dieses Strombett bei seiner
Mündung zum Westjordan arme den Namen des Mosesthaies (Wädi
Musa) fuhren kann.
Von hier ab haben es die Enkel Jaqobs zugleich mit den Kindern
Moab und 'Ammon zu tbun. Unsre heutige Geographia sacra lebt in
dem guten Glauben, dafs das Gebiet der biblischen Moabit er ost-
wärts vom todten Meere im Lande Eerek gelegen habe und preist
Seetzen, der diesen Irrthum theilt, als glücklichen Wiederentdecker der
Moabiter Landschaft. Aber noch von den Thargumisten , vom arabi-
Bcben El^Thabäry und sogar im 14. Jahrhundert vom gelehrten Rabbi
Esthjri Farchi, der sieben Jahre in Palästina lebte, um die alte bibli-
sche Geographie zu studiren, werden die Moabiter vielmehr in die
Hauranebene und nach Golan gesetzt. In den Qulüt- (d. h. Dsu-Lut)
Arabern der Legählandschaft hat sich die Namensrune der Lotsippe
als ein Fingerzeig erhalten, dafs jene Ueberlieferang richtig ist. Und
schliefst selbstverständlich die von der BodenbeSchaffenheit hergenom-
^
294 L. Noack:
me'ne Bezeichnung des Gebietes, in welchem sich der esauitische Stamm-
zweig (Edom) angesiedelt hatte, nicht aus, dafs sich im Umkreis eines
so weiten Landstriches auch andere Stammzweige festgesetzt haben;
so dSrfen wir nur die althergebrachte Ableitung des Namens Möab
(Wasser des Vaters) als landschaftlichen Fingerzeig festhalten, dafs
innerhalb der Marken der Ardh-el-haurinieh der Moabiterantheil aus
dem Gesichtspunkt der Gewässer und ihres Ablaufes seinen bestimm-
ten geographischen Platz rechtfertigt. Aus der vergleichenden Zosam-
menstellung der Bibelzeugnisse mit den Angaben des Eusebios im
Onamastikon stellt sich die Thatsache aufser Zweifel, dafs die Moabi-
ter ebensowohl an den Wassern des Quellenvaters Haurän, als an denen
des Hermon ihren Antheil gehabt, bei dessen Westgeh&ngen über dem
Haleh-Becken noch Eusebios Moabiter kannte. Und hier gerade in
der heutigen Ardb*el-Mejadin, die selbst durch ein Zeugnifs der biUi-
schen Eönigsbucher als der alte Jordan-Kikkar (Kechar bei den
LXX) verbürgt ist, begegnet uns im Halaq-Oebirge bei Paneas (Ono-
mastikon ed. Parthey p. 34) die Aljkd-Schlucht, die in der griechischen
Bibel statt des Siddim- (oder vielmehr Schedim-, d. h. Dämonen-)
Thaies auftritt und mit dem Haljke- (Salz*) Meere nichts zu schaffen
hat. In dordger durchaus vulkanischer Umgebung aber sind die Triim-
merlagen der sogenannten Pentapolis.Lots noch nachweisbar. Die
Fuhrung des Onomastikons ist sicher genug, um neben den vier an-
dern Lots-Stfidten den beim Dorfe Nimrah gelegenen Kratersee Birketb-
el-Räm (PJiiala) als den Platz der biblischen Sod5m erkennen zu las-
sen, auf deren Umsturz sich deutlieh eine bei den Bewohnern Ton
Nimrah gebende Sage bezieht.
Den Besuch der am todten Meere gelegenen Plätze, die der Eifer
des Münchener Prof. Sepp als angebliche Vertreter der im Jordan-
Kikkar Lots umgestürzten Städte aufgefunden zu haben meinte, dürfen
wir fernerhin leichtgläubigen Pilgern um so leichtern Herzens fiberlas-
sen, als noch kürzlich durch den Geologen Oscar Fraas (Aus dem
Orient, 1867, S. 65 f. 73 f. 204 f.) die Thatsache bestätigt worden ist,
dafs die angeblichen Erzengnisse unterirdischen Feuecs am Ufer des
sogenannten Bahr-Lüt reine Gebilde aufgeregter Phantasie und geolo-
gischer Unkenntnifs seien und von vulkanischem Gestein oder anch
nur Vulkanismus im weitesten Sinne sich dort schlechterdings keine
Spuren finden. Für die Enttäuschung über den an's todte Meer ge-
träumten Lötssitz wird sich dagegen die biblische Erdkunde wie das
liebräische Lexikon um einige geographische Begriffe bereichert finden,
durch deren Bestimmung eine ganze Reihe geographischer Mifsver-
ständnisse und Verlegenheiten der Bibelauslegung von selbst verschwin-
det. Nur für die „Bäche Arnon^ ergiebt sich ein bestimmter land-
Eine kritische Revifion der biblischen Geographie. 295
Mfaaftiicher Einzelplatz im Lavabette des nordhaar&nisohen Wädi-Liwä.
Di^egen bedeuten ^Berge Feghor^ den Bibelscbreibern die Vulkan-
krater und „B&cfae Fadgah^ (da die griechischen Uebersetzer jedenfalls
die richtige Aassprache beider Namen verbibrgen) den Lavastrom selbst,
wihrend ^'Aro^r^ der hebrfiische Ansdrack för das arabische ,,War^
ist» womit die Lavafl&che eines Vulkangebietes bezeichnet wird.
Die nordosthauränische Lage der alten Moabiterstadt Hesebon bat
ans Esthori Farchi in der Stadt Schohbah beim Schihi^nkegel, als dem
fichten biblischen Sihon, ebenso genügend verbürgt, als sich die süd^
os^ordanische Hosban uber'm todten Meere schon durch ihre sarazeni-
schen Bogen als mittelalterige Gründung erweist. Ebendemselben ge-
lehrten Rabbi verdanken wir den Nachweis der durch EJusebios im
Onomastikon bestätigten Identität der biblischen Jaz^r mit der im
Sodwestwinkel der Legäh gelegenen Stadt Zorä (livzra).
Das Zeugen verhör der Alten über die Lage von 'Ammon-Phila^
delphia weist uns in die westhauräniscfae Nuqrah-Ebene (die Mischor
der Bttbeniten), und die Tabula Peutingeriana führt mit ihren Entfer-
Dongsangab^n für die Lage von Philadelphia keineswegs, wie noch
Ritter annahm, auf den Platz der Sarazenenstadt 'Amman in der
Belqä, sondern genau zum „Brfiderkloster^ (Deir-el-Ehuwäth) in der
ttördlichen Haurän-Ebene, in dessen Umgebung wir zugleich alle Oert-
liehkeiten wiederfinden, welche uns griechische Autoren und Bibel mit
der 'Ammoniter-Veste in Verbindung nennen.
Mit der Richtigstellung der Idumfia-Landschaft wie des Moabiter-
and Ammoniter- Gebietes im nördlichen Ostjordanlande ergeben sieh
zugleich für die dritthalb Ostjordanstfimme Israels an der Hand der
Bibelzeugnisse wie des Onomastikons andere Sitze, als sie uns die bis^
faerigen Bibelkarten darbieten. Rüb^n safs nicht beim todten Meere,
sondern im östlichen Haurin und hatte dieGaditen nicht im Gebel
^Aglün, sondern in Golin als westliche Nachbarn. Nördlich von die^
sen wohnten die Gst-Manassiten bis zum Hermon hinauf, wo die
manassisch-judäische Efrathah am Platze ton Efry (Efreh) über dem
obern ßaradathale sich ebenso als Gideonssitz ausweist, wie die durch
die lateinischen Mönche nach der Neu-Jndaa verschleppte Rah^l-Todten-
stfitte in der dortigen Merg-Rakbleh beim Hermon uns begegnet
Durch dieses lediglich im Norden des grofsen Ostjordanarmes
(ZMj-Mandhnrstromes) sich erstreckende Gebiet der dritthalb Stämme
gmg im Todesjahre des Moses der Siegeszug Israels. Also nur vor-
wärts ^ Heer Jahwehs, vom Lagerplatze bei der hauränisohen Moses^
quelle her! Im Jenseits bei der Moabsgrenze, so heifst es weiter, wirA
in 'IjS-ha-'ibrim (nach dem samaritischen Text) gelagert Auch die-
sem „Steinhaufen der Hebräer^ begegnen wir aof Wetzstein'« HauciMih
296 L- Noaek:
karte (der nur endlich aach das so wichtige Q6)&ii-ItiDerar nachfolgen
möge!) am Nordwestrande der graasigen Yalkanlandschaft jungem
Datams in den „Wohnsitzen der Kinder Israel^ (Dar-beni-Israii), wo
sich auch das „Panserthal^ Zared beim Wadi-el-'Aragil der hauräni«
sehen Heraklioten-Faraonea ausweist Und das ^Lied vom Bmnnen--
kanal, den die Fürsten der Vorzeit gruben*', findet im Dfimonenkanale
der osthaur&nischen Beduinensage nicht blos seinen bestätigenden
Wiederhall, sondern diese letztere giebt sich zugleich als Seitenstüdi
zur biblischen Sage von der haur&nischen Ealebstochter *Askab und
ihrem Brautwerber Oothoniel zu erkennen.
Der Sihonkönig beim Thell SchihAn rüstet sich und wird beim
Ghadir-el-Has9& geschlagen. Der Hauranier Bil^am tritt auf den Plan
der schon durch die chaldäischen Bibel-Thargums verbürgten haurluii-
schen Oertlichkeiten, von wo Israel seinen Siegeshoffhungsblick in die
Zukunft richtete. Der Basanskonig wird aufs Korn genommen. Die
Lagerstätte 'Almon Deblathaim erkennen wir in 'Ölmeh ('Ilmj) am
untern Laufe des Wädi-el-Ghär, welchem aus dem Zeugnisse der
Jäqobsgeschichte die Ehre zu Theil wird, statt des Na)^r Zerqä für
den biblischen Jabbok einzustehen. Die Doppel residenz des Riesen-
konigs 'Og, dessen Namen der Nahr-el-'Awag bewahrt, tritt uns im
Landstriche der alten Faraonen-Wasserleitung, dem östlichen Chisfingaa
der ägyptischen Denkmäler entgegen als $anamSn und Adbrä'th, und
die Midj an it er forsten, demaskiren sich bei den Töchtern Moab als
„Herren vom Kriegsrocke^. Das Hebräergebirg (nicht 'Abarim der
Masoreten) bei Nawa (Nebe) mit dem Grabe des gölanischen Empe*
dokles-Moses bei den Yulkankratern Sion-Nawä wird noch von Esthoii
Farchi am rechten Platze gefunden. Der Nawä-Sohn Josua rückt
durch den Moabswesten, die noch in den Tagen der ersten Araber-
Eroberungen im westlichen Golän bekannte Landschaft Mab abend*
wärts zum Ziele der Israels Wanderung, dem Kinnerethsee vor, der nacb
dem arabischen Dichter ^den Mond am Tage vorstellt, umsäumt von
der Finsternisse Flor^. Ein neues Zeugenverhor der alten Schriftstel*
1er stellt die Lage von Jericho am Platze von Tarichea, dem ao»
Tiberiassee gelegenen Beth Jerach der Rabbinen sicher.
Israels Jordanübergang fand im Süden des Seebeckens bei der
Brücke Um-el-Qanätir und die „Stauung der Wasser^ im galiläischen
W&di Fegas statt, welches sich als das biblische 'Achor-Thal aas-
weist, während für Liebhaber die ,) zwölf Steine in Gilgal*' noch heute
als zwölf mächtige Basaltblöcke bei Sengol und Hagär - el - Nasrany
(Steine der Christen) in der Ardh-el-Hammä zu sehen sind, und sogar
in Schejrath-el-Qelef noch der Platz zu finden ist, den Hieroojmus als
den Hügel der Vorhäute kannte. Stellt es sich heraus, dafs der grofse
r
Eine kritische Revision der biblischen Geographie. 297
Siegesffihrer der Westjordaostämme als E fr ai ms -Richter lediglich für
das Haas Josef das grofse westjordanische Doppelstammgebiet Efraim-
Maoasse nicht in der mittel palästinischen Samaria der lateinischen
Mönche, sondern im galiläischen Westjordanlande beim obern und
mittlem Jordansee, zwischen den Ibn-'Amirmarschen and dem Qasi-
mfehstrome erobert hat, so trSgt aach nar die herkömmliche Befangen«
heit in der lateinischen Moncbskarte die Schuld des Mifsverständnifses,
das dem Oalilfierlande die Ehre raubte, den Thronsessel Josua's in der
dorch das Zeugnifs der Misch nah-Lehrer verbürgten S^lom-Selameh-
ebene getragen and anch das Josnagrab in der Oenezarethebene (6ha-
weir) geborgen zo haben. Statt einer angeblich jadfiischen Medinetb-
el-Ghai finden wir die Ton Josua eroberte Stadt *Ai.oder Ghai nir-
gends anders, als auf dem Berge 'Aibal (Ghaibal), d. h. Alt-'Ai
selber, and erkl&rt sich der seit den Tagen des Hieronymas über die
Lage der samaritischen Berge Ghaibal und Garizim geführte Streit
geradezu ans der Thatsache einer erst im 4. Jahrhundert am Platze
der heutigen Nablas gegründeten südlichem Neapolis, die der Bordeaaz-
pilger vom Jahre 333 n. Chr. so wenig kannte, als ihr die alte Nea«
polis-Münze mit dem Garizim - Aufstieg gelten kann. Der galiläische
Platz der seit Herodes' Tagen Neapolis genannten altbiblischen Sychem
(des Bordeauxpilgers Sechim) hat sich in arabischer Uebersetzung dea
Namens, der Rücken oder Schulter bedeutet, im Dorfe Ober-Dh&harieh
bei $afed erhalten, wo auch der Rabbi Schwarz von Jerusalem eine
Sychem kennt. Südwärts von dort vertritt Wädi-el-Ahmar das He-
mortbal und das griechische BSthachamar bei Sychem und der Aus-
läufer des südlichen $afed-Hügels den l^almon- (Götzenbilder-) Berg
der Sjchemiten. Kennen noch filtere Reisende die Ue herlief erung der
$afeder Juden, dafs in ihrem" Weichbilde Jäqob zur Zeit der Josefs-
verkaufung gewohnt und des Sohnes Verlust in einer dortigen Höhle
betrauert habe, so bestätigt dies die südostwfirts benachbarte Josefs-
grabe (Gubb Jnssuf), und' wir haben in den angeblichen Jaqöbs- und
Josefsplfitzen bei der lateinisch-christlichen Neapolis (Nablus) unserer
heutigen Palfistinakarten um so mehr blofse Mönchserzeugnisse zu er-
kennen, als nachweislich die alte Neapolis (Sychem) dicht bei Samaria
(Sebaste) lag, wfibrend die neue Usbuste mit ihren aus der spfitrömi-
schen Kaiserzeit stammenden Prachtruinen über 2 Stunden von Nablus
entfernt liegt. Erfuhr nun noch einer der Mfinner des ^Reyssbuches
▼om heiligen Lande^ im 16. Jahrhundert, dafs Qafed oder l^afeth (bei
den Juden Sewafs) die alte Sebaste des Herodes sei, so mufs uns
sogar die dicht bei der Stadt Samareia gelegene Sychar des 4. Evan-
geliums (4, 5), d* h. ^schikr^ (weibliche Scham), als der ^Hurenteich
TOD Schomron^ (1. Könige 22, 37 f.) den Platz des Quellenteiches bei
298 !«• Noack:
Dhabarieh im W&di Hamrä bezeugen helfen, den jüdische' Reidende
des Mittelalters als den grofsen ,,Baach^ (beten) beseichneo. Während
der bei den Ibn-'Amirmarschen gelegene Platz von Zerain mit der
biblischen Erzählung von Naboths Steinigung (1. Eonige 21, 19. 22, 38)
in unauflöslich geographischem Widerspruche steht, trifft dagegen
•die Trümmerstätte Khirbeth ^irin im Süden von $afed mit der
Nachbarschaft des Schomronteiches bei Dhiharieh aufs Glucklichste
zusammen. Das Gedächtnifs der Wasser Megiddö knGpft sich iui
Yolksmunde der $afeder Juden an das Leimontbal, dessen Gewässer
beim Qarn-el-Megd im Germakgebirge entspringen und somit die Wur^
zel des angeblich verloren gegangenen Megiddo- Namens bis heute be-
wahrt haben. Nicht in der Niedernog der erst in lateinisch-christlicher
Zeit als Esdrelom-ßbene getauften Merg-ibn-'Amir lag die Legeon
•des Eusebios, sondern am Platze des Dorfes Elgauneh ostwärts voa
$afed, und statt den biblischen Qischonfluüjs im Osten von 'Akka als
Maqatta-Strom zu begrussen, finden wir ihn beim Trümmerdorfe Qasiän
■im Wädi Muädhammieh wieder, der vom Germak her die schöne
Ebene von El-Gisch umschlingt. Mit der Einsicht, daÜB der biblische
Thabor und das Itabyriongebirge der griechischen Schriftsteller
icein „Nabel^ ist, den Hieron jmus als Berg von angeDfälliger Bunde
nach Sudgaliläa setzte, werden wir durch die Angaben des Eusebios
4iuf den Gebirgszug im Norden von l^afed als den rechten biblischen
Thabor geführt, der als Westrand des Huleh-Beckens bis zur Merg
'Ajiin reicht und die nordliche Hälfte der Nafthali-Terrasse bildete,
•deren südliche Hälfte bis zum. „Hügel der Vorhäute^ im Südwesten
des Tiberiassees reichte. Und die Ansetzung der Nafthalitiscben Son-
nenstadt bei Basimun hat durch die neuerdings stattgehabte Aufgrabung
«ines Sonnentempels bei Qedes Nafthali eine überraschende Bestätigung
«rhalten. Von dort westwärts begegnen wir im Gebel 'Amilab, dem
nördlichen Theil von Beläd-el- Besehära, den biblischen Plätzen des
•dienstbaren Knechtes Issachar mitten im weiten Efraim-Manasse-
gebiete, das sich durch die südliche und nördliche Galiläalandschaft
bis zum Qasimiehstrom zog und die durch Eusebios verbürgte galilair
«che, nicht südjudäische Daroma-Landscbaft einschlofo, an der bereits
im Jaqobssegen Nafthali seinen Antheil bekommen hat.
Das südwärts von den Gergesäer-Marschen des 'Amirsohnes fol-
gende westjordanische Plateau, welches auf der Kreuzfahrerkarte als
Gebirge Efraim und Judah auftritt, hat vor den Tagen von Zorobabel
and E^ra keine Judäer-Ansiedlungen gekannt. Die spätgeborne Herr-
lichkeit des Stammes Jüdah ist durch die neuere kritische Betrachtung
des Richterbuches bei unbefangenen Forschern längst aulser Zweifel
gesetzt. Judah's geschichtliches Auftreten im Richterzeitalter ist enl-
r
Eine kritische Bevision der biblischen Geographie. 299
Mbieden yeifrüht und erst durch spätere Zathaten in das Richterbuch
eingeschwärzt. Erst seit den Davids -Eroberungen gab es ein „Land
Jodah^, und die „Stfidte Judah von Schomrön bis Bethoron^ (2. Chro-
nik 25, 13) weisen unter König Ama^iah auf Ansiedelungen des „Maa-
ned Jodah^ beim Weinberg Israels in die galiläische Darömah. Das
StSdteverzeichnifs des Stammes Jüdah im Buche Josua stellt augen-
scheinlich erst den Bestand des Jahrhunderts dar, das zwischen Schom-
ron's Fall and die chaldfiische Eroberung des Landes fällt Es ent-
hält einen namhaften Theil froherer Besitzungen Efraims, dessen An-
theil darum im Josuabuche so augenfällig zu kurz kommt. Mit der
Einsicht, dafs die westjordanischen Stammgebiete keine räumlich ab-
gegrenzte einheitliche Complexe waren, verlieren die bisherigen Zu-
rechtstellungsversuche unserer Bibelkarten ihren wissenschaftlichen
Werth. Das weite Efraim - Manassegebiet war durch Enclaven der
Nafthaliten, Issachariten, Jndahsöhne und Benjaminiten zerrissen. Letz-
tere zogen sich auf den Wasserscheidehohen bei Seen und Merg's
(Meräg) auch durch das Hauptland Judah im obern colesyrischen
Theim-Thale, wo die vorexilische Davidsstadt lag. Sehen wir den
Traum einer Ausdehnung des davidisch - salomonischen Reiches vom
Aila-Golf im Süden bis zum Eufrath und Taurus hin mit der Aufklä-
rung des Mifsverständnifses in Betreff der Landschaft Aram-I^übah und
des Hafenortes A^iongaber haltlos zerrinnen, so wird uns für solche
gefabelte Besitztitel der Antbeil schadlos halten, der dem gelobten
Lande durch die biblischen Urkunden am Libanon und an Colesjrien
toftilt. Denn den AssSriten und Zabüloniten ist zum Theil bereits
im Makkabäischen Zeitalter, zumeist jedoch erst im Zeitalter des Euse-
bios, das südliche Galiläa als Wohnsitz angewiesen worden. In alter
Bibelzeit safsen erstere „bei den Brautbetten der Wasser und über deren
Einschnitten **, wie es im Jaqobssegen von Asser heifst, d. b. bei den
Qaellenorten der Bergströme des West-Libanon-Terassenlandes,* wo die
Asseritenstädte noch allesammt der Reihe nach von Norden nach
Süden gezählt nachweisbar sind. Andererseits finden wir vom Tyrischen
Kastenstriche nordwärts bis in die Gegend der Pafslücke zwischen dem
Libanon und dem Nasairiergebirge die vorexilischen Zabü Ions Städte
wieder. Und geradesoweit nordwärts reichen von der Merg-lbn-'Amir
her die alten Grenzen des gelobten Landes in den Mosaischen Büchern,
die ohne Frage nur dem wirklichen Bestand zur Zeit ihrer Abfassung
oder letzten Bedaction Ausdruck geben wollten. Während im bisheri-
gen Rahmen der Reiche Israel und Judah die aramäische Jordanwiege
nur mit dem verlorenen Eckposten einer vereinzelten Da niten- An-
siedelang bedacht erscheint, haben nunmehr sämmtliche Danittfnplätze
des Josaabuches beim HülehbeckKn sich ausgewiesen, dessen weite
300 L- NoÄck:
SampfBtreckeo biB nach Gazer (Ohaschar-Bracke) die Bibel als ^Meer
Jeraqon^ (Meer des GrSneo) bezeichnet
Aas ihrem Kafthor-Heimathsitze zwischen dem Fufs des Nasairier-
gebirges und der 'Akkar-Landschaft bei der Ganiabucht (dem Pelusiam
der biblischen Javaniten) waren die Filister durch ihr ^fönikisches
Mifsgeschick^ gendthigt worden, südw&rts zo wandern. An ihre Fer-
sen hat sich bis heate anaafgeklfirt der Mifs verstand geheftet, als hfit-
ten sie die heutige sudjudäische Kustenebene sich aasersehen, am dort
ihre reisigen Stfidte za gründen. Nur der offenbare Mifsverslaud einer
Stelle des griechischen Josefos hat dort bereits für die Zeit des Kai-
sers Yespasian die von der Mandung des W&di-el- 'Arisch nordwärts
folgende Stiidtereihe Gaza, Asqualon, Asdod, Jamneia und 'Aqqaron
aufgepflanzt. Noch im Zeitalter der Tabula PeuUngmiana (zu Anfang
des dritten Jahrhunderts) gab es dort keine Gaza; die angeblich dort
za suchende Gaza des Strabon und Plinias weist sich als eine am
Soesbusen gelegene afrikanische Gaza aus. Wer es auch gewesen sein
mag, der zuerst die biblischen Simonpl&tze nach den Simsim- (Sesam-)
Feldern bei Neu-Gaza verlegte, die Erzählung der Belagerung von
Gaza durch Alexander den Grofsen beweist, dafs für diese hochragende
Yeste an der syrisch-ägyptischen Knstenstrafse ebensowenig ein Platz
war, wie für die einem altberübmten Fischsee benachbarte Asqualon,
die uns in bildlicher Darstellung auf den Denkmälern des Nilthaies
als Bergfestnng begegnet und nach der Angabe des Josefostextes bei
Rufin noch zur Zeit des jüdischen Krieges 36 Stunden von Jerusalem
entfernt lag. Die kaum halb so weit von Jerusalem entfernte Neo-
Asqalon der Peutingerscben Tafel kann erst nach dem Titaskriege
an der südjudäischen Küste entstanden sein. Für die festen Städte
von Azotos und deren Berg ist in der Umgebung des heutigen Dorfes
Esdüd, nach welchem die Masorethen ihr Asdod für den durch die
griechische Bibel verbürgten Azotos -Namen in den hebräischen Text
brachten, kein Platz zu finden, und alle Fliegen, von welchen neuere
Reisende in dem elenden Dorfe 'Aqir geplagt wurden, vermögen die-
sem keinen Anspruch auf die alte 'Aqqaronburg des Baal Zebüb zu
begründen, dessen Wahrzeichen sich als ein ganz anderes ausweist
Mit dem Simson - Schauplatze wie mit der Filister - Pentapolis weisen
uns die biblischen Erwähnungen von den Richterzeiten bis in die Tage
der Makkabäer unbedingt in den Umkreis des Hülehbeckens und des
Kinnerethsees. Gerade den genauen Angaben der Geschichtsschreiber
Alexanders des Grofsen über Gaza's Lage verdanken wir die Möglich-
keit, bei dem Daniten-Meere Jeraqön den Platz der alten Gaza fest-
zustellen, deren namenlose Trümmerstätte de Saulcy, ohne es zu wissen,
während des Aufsucbens der Hasor des Königs Jabin beim Thell Heyeh
Eine kritische Revision der biblischen Geographie. 301
gefnndeu hat, in dessen Umgebung uns die bei griechischen Schrift-
stellern der ersten Kaiserzeit genannten zahlreichen Gazäerdörfer noch
aÜesammt ihre Pl&tze verrathen. Die heutige galüäische Hochebene
£1-Gisch (Oiscala) im Westen von '$afed war das Weichbild der
Bergveste Asqalon, wie sich aus der Ortscontrole des Onomasticon
in Uebereinstimmung mit der verstümmelten Stelle des herausgerisse-
nen Blattes im Text des Skylax von Earyanda ergiebt Gleichviel ob
£1-Giseh oder die Trümmer des benachbarten ßirketh-el-Gisch den
Platz der alten Burg bezeichnen, so umfafste das Weichbild der Pracht-
stadt des Herodes noch die Ortslage des sftulenreichen Kefer Biriam,
▼on wo bis Jerusalem gjenau die 36 Stunden zutreffen, die uns Rufin
als richtige Lesart des Josefostextes erhalten bat. War bereits dem
Fahler Aristeas in seiner Erzählung über die Entstehung der Septua-
ginta die Eleazarstadt, die ohne Frage gar nicht Jerusalem war, bei
den Gaz&ern und Asotiern „am Jordan^ bekannt, so wird er uns zum
Wegweiser nach der Bergveste Azotos beim Thell *Azeiz&th^ wo
nicht blofs das alte Nasairierdorf 'Ain Fith in der Azotosgeschichte
dorch den Yaticanischen Text der LXX verbürgt, sondern auch der
in den ältesten Josefos • Handschriften für den Berg von Azotos auf-
tretende Name Azara durch Robinsons Thell 'Azariäth vertreten
ist. Mit des Eusebios Angaben über Geth, der Heimath des Riesen
Goliath, von welcher sich den Reisenden an der südjudäischen Küste
gar keine Spur hat zeigen wollen, werden wir in die Merg 'Ayün
rar Nordwestecke des Hülehbeckens gefuhrt, während wir den Misch-
nah-Lehrern die Identität der beim Ostwalle des Hülehbeckens beim
Fufs des Hermon gelegenen Gabbatha-el-Zeith mit der Filiaterstadt
Gab bathon verdanken. Dagegen vnrd dem im Nordostwinkel des
Hülehbeckens bei Bäniäs gelegenen räthselhaften $ebeib eh -Schlosse
mit seinen riesigen altfonikischen Bauten die doppelte Ehre zu Theil,
(üT Beelsebübs 'Aqqaron und seit dem Verschwinden dieses Namens
aas der Geschichte für die Machairos-Veste der Makkabäer und
Herodianer zu gelten. Endlich hat der unbefangene Blick älterer bib-
lischer Geographen längst in die heutzutage bei Beisän angenommene
Lage der angeblich einzigen westjordanischen Dekapolisstädt Skytho -
polis gegründete Zweifel gesetzt Die ostjordanische Lage der alten
£listäischen Baithsan wird aus der vergleichenden Zusammenstellung
aller biblischen und griechischen, ja sogar der ältesten arabischen An-
gaben am Pllttze der golanischen Um-Qabür (Mutter des Grabes)
mit Nothwendigkeit gefordert, wo das nach den Tbargums ostwärts
vom Tiberiassee gelegene Gögs-Grab gleichfalls der Skythen- Stadt gilt.
Die Freude der biblischen Geographen über die Entdeckung des angeb-
lichen Gilboa-Gebirges im Westen des Jordan, welches hinterem Rücken
302 I«- Noaek:
der christlichen Nachfragen hei den Arabern eigentlich Gebel Taqiia
heilst, war entschieden verfrüht; selbst der Oelbon-Platz verrfith darch
den fehlenden semitischen 'Ain-Laat seine lateinische Herkonft Da-
gegen haben wir im Südwesten von Um-qabur in dem Randwalle der
westgöldnischen Baderschlucht, die sich vom Hammeth-Um-Solein bei
den übrigen heifsen Schwefelquellen vorüber bis Um-Eeis hinzieht (als
unteres Bett des heutigen Wadi-Moaqqir) die altbiblischen Gilboa-
(d. h. Sprudel-) Berge vor Augen, bei denen Saul sein Leben hatte
lassen müssen.
In die Reihe dlscreditirter Geschichten wird fernerhin aach die
Meinung gehören, dafs der heutige Platz von Bl-Qods (Jerusalem) das
Standlager der Lade Jahwehs in Davids Zeiten gewesen sei nnd den
Salomonischen Tempel eingeschlossen habe. Die alten Jahwehpriester
haben ihre Weihrauchdüfte aus ebendenselben benachbarten Libanon«
Bergen bezogen, auf deren Rücken uns durch Petermann der Gebirgs-
ort Thadmor bei den Quellen des Adonis - Ibrahimstromes den Platz
von Salomons Waldhans im Libanon ebenso bezeugt, wie noch im
1 7. Jahrhundert die colesyrische Tradition die Gräber Davids and Sa-
lomons nach dem im Westen des 'Angarr-Thales gelegenen Dorf So-
l^mteh setzte. Hier liegt bei der Wasserscheide des Antilibanon die
alte Kananäer-Amme der Davidsstadt, das Dorf E fei r Jahns (junger
Löwe Jabüs ) als der in ganz Syrien einzige Ort, der das Ged&chtnifs
der biblischen Jebnsäer im Sturme der Zweiten erhalten hat. Dafs
neuere Reisende die diesem Dorfe westwärts benachbart« räthselhafte
Trümmerstfitte Megdel-'Angarr als die aus der Griechenzeit bekannte
cÖlesjTische Chalkis bezeichneten, war nur eine Nothtaufe, die noch
dazu ohne Noth vollzogen war, da sich der Platz von Chalkis (Calcn»
bei Belon) in dem weiter nördlich gelegenen Dorfe Eusaia erhalten
hat. Den Nachweis des Weichbildes der alten Davidsstadt in der
Trnmmerstadt Megdel 'Angarr (als dem Platze der Unterstadt) und
auf dem nördlich benachbarten Thell-Neby Zanr (als dem Platze der
Oberstadt) wird der Leser im zweiten Bande des Werkes „Von Eden
nach Golgatha*^ finden. Im Südwesten bei der Trümmerstadt 'Angarr
stehen unsere Reisenden auf dem Tempelhügel von Megdel vor der
schönsten und besterhaltenen steinernen Tempelruine Cölesyriens rath-
los mit dem Geständnisse, nicht zu wissen, welchem aus der Geschichte
bekannten Platze dieselbe zugewiesen werden solle. Wir finden in ihr die
nur des verbrannten Gebälkes beraubten Trümmer desISalomonischen
Tempels in den Maafsen genau den biblischen Angaben entsprediend
wieder, sobald wir uns aus letztern über die bis jetzt ohnediefs nicht
festgestellte Gröfse der altern (kleinem) biblischen Elle wollen beleh-
ren lassen. Wie es kam, dafs die aus dem Ebul zurückgekehrten
Eine krituche Revision der biblischen Geographie. 303
JerusalemiteD , die sich in der Zeit des Eambjses die Tempelraine
anmafeten, dort abgewiesen warden ond nach einem durch die ^ Macht
Schomrons^ vereitelten Versnche, im galiläischen Samariterlande den
.altheiligen S^lom Selämebplatz als Mittelpunkt ihrer Neagründungen
festzahalten, endlich auf der südjudäischen Bergplatte ihr Nea-$i6n mit
dem Zorobabeltempel gründeten; darüber gibt ans das griechische
Esdrasbach, dafs die arsprangliche Textgestalt der 'Ezra - Geschichte
eothfiit 'die aasreichenden Anhaltspunkte, am mit Zuziehung des nach-
ezilischen Jesaias IL (Jes. 40 — 62), eines Abschnittes der Zacharjah-
Weissagungen und des räthselhaften galiläischen (Selom-) Tempelplatzes
im Ezechielbuche auf diese bis dahin an der Hand des Masorethischen
'Ezr4- und Nehemfahbuches so dunkel und verwirrt gebliebene Parthie
der neujudäischen Ansiedlungen das rechte aafklfirende Licht fallen
za lassen.
«
So recht im Herzen des syrischen Landesriesen, der im Libanon-
und Antilibanon-Gebirgszug seine Glieder ausstreckt, in der breitesten
Mitte der grofsen syrischen Völkerbrücke, soweit eben von allen Seiten
her der Alte vom Berge (Gebel-el-Scheikh) in Sicht war, hatte bis zum
chaldiischen Exile das von den Jaqobs-Stammzweigen eingenommene
Gebiet gelegen. In die Umgebung des Hermon - Gebirgsstockes bis
sfidw&rts zu den Marschen Ibn-'Amir fiel nachweislich der Schauplatz
der filtern biblischen Geschichte. Wie sollte es uns wundern, wenn
sich dieser Gebirgsriese, der sich auf seinem westlichen Wasserscheide-
joche thatsSchlich als Quellenvater der 4 syrischen Hauptströme Oron-
tes und Leontes, Jordan und Barata kundgiebt, zugleich nach der seit
dem davidisch - salomonischen Zeitalter allmfilig ausgebildeten An-
schauung von der biblischen Vorgeschichte des Hebrfierstammes aus-
wiese! Hat nun die biblische Flutbsage, analog den gleichartigen Sa-
gen anderer Völker, nichts anders als ein lokal beschränktes Ereignifs
im Auge gehabt, so haben wir auch kein begründetes Recht, die Mei-
nung der biblischen Edenssage zu einer Dichtung über den angeblichen
Ursitz des ganzen Menschengeschlechtes zu erweitern, um die bibli-
sche Edenlandschaft in Uebereinstimmung mit der chinesischen
Ueberlieferung weithinaus in den aufsersyrischen Osten auf der Hoch-
ebene Pamir zu suchen, von der ein biblischer Mann schlechterdings
nichts wissen konnte. Liefs die gelehrte Noth der altern und neuem
Edenssucher fast keinen bevorzugten Platz der alten Weltkarte unver-
schont, um dem Rahmen der biblischen Paradies-Ströme und ihrer vier
Stromhäupter gerecht zu werden, so wird sich des Streites Ende an
die nächstliegende, fast selbstverständliche Voraussetzung knüpfen, dafs
die biblische Sage vielmehr eine in der tageshellen Geschichte des bibli-
schen Volkslebens wohlbekannte inn er-S3rrische Landschaftim Auge hatte.
304 L- Noack:
Aach ohne die niitteisyrischen (aramfiischen) ^Sohne E^en*' der bibli-
schen Propheten and die nordostjordani sehen Edeni der romischeD
Kaiserzeit verräth der Garten in Eden seinen Platz im Bibellande sel-
ber. Die romische Station ^ad Medera^ der Tabula Peutingeriana^ die-
Yon den Herausgebern der Seetzen 'sehen Reisen ohne Grand anf der
Hochebene im Osten des Antilibanonrückens gesucht und darum auch
nicht gefunden worden, bezeugt uns als heutige Pafshohe des Madar-
thales über dem obern Wädi-el-Theim den Platz, auf welchem für den
landeskundigen Blick die Ursprange der Hauptströme vor Augen lie-
gen, deren Syrien gerade 4 und nur 4 aufzuweisen hat, wie der Er-
z&hler der biblischen Gartengeschichte ebenfalls nur von 4 Stromhäupteni
weifs, die vom biblischen Garten Eden ausgegangen wären. Es gzlt
darum nur einfach, den landschaftlichen und ethnographischen Finger-
zeigen sorgfältig nachzugehen, um die Identität der biblischen • Sagen-
namen Feison, Gihon, Eddeqel und Forath mit dem Orontes, Leon-
tes, Jordan nnd Barada vollständig klar zu machen.
Kennt doch die Bibel aufser dem grofsen Eufrath auch einen
mittelsyrischen Forath und gilt noch im 13. Jahrhundert bei Jäqnt der
arabischen Ueberlieferung gerade das Stromnetz des Damaskenischen
Far-Farah (Barada) als das Gebiet des biblischen Gartenstromes; so
hat bei den Quellen dieses Barada der Hermon-Antilibanon über sei-
nem westlichen Wasserscheidezuge in dem lieblichen Alpthale der
Ze be d an y- Ebene ein im Gebirgsrahmen verstecktes Hocbländchen
aufzuweisen, welches vollständig die Bedingungen enthält, um im Be-
ginne des 5. Jahrtausends vor unserer Zeitrechnung als ein Stammsitz
der syrischen (Adams-) Volkersippe zu gelten. Dem Ruhme des Va-
ters der vergleichenden wissenschaftlichen Erdkunde wird es keinen
Eintrag thuu, dafs er ebensowenig aus dem Labyrinth der gelehrten
Edensucher ^ wie aus den nach der arabischen Halbinsel und zu den
Hindus unternommenen Irrfahrten nach den Goldländern Ofir und
Havilah den Ariadnefaden zu gewinnen vermochte, den die Hüleh-
Landschaft beim Feison-Orontes mit den Hylaten des Plinius für das
•dortige kaschitische Havilah-Land der Bibel in der griechisch-römischen
Kasiotis reicht und andererseits der Vaticaniscbe Text der griechischen
Bibel mit der Uebersetznng durch Syria Nasib (Nisibenisches Syrien,
römische Nisibis am mittlem Eufrath) für die nordsyrische Lage des
Ofirlandes an die Hand giebt. Sind also die Schiffe Salomons und
■Josafats nicht von einer erträumten Hafenstadt Asiongaber am rothen
Meer, wo niemals Schiffe gebaut werden konnten, sondern von einem
Platze dieses Namens bei Ailath an der Nordküste des rothen Föniker-
Meeres ausgelaufen, so hat weiterhin die Gihon -Quelle bei der cole-
^yrischen Davidsstadt als 'Angarr-Hauptqoelie des Gihön-Lithanystromes
Eine kritiache ReriBion der biblischen Geographie. 305
Bit diesem letztem delbst den Wegweiser zar grieehisoheB Aetbiopev^-
Imdschiift des Fabelkonigs Keleus im Eefa-Fönikcr lande d«r Nilthul»-
denkmaler geliefert, und' wir sind za den Terass^n desselben Sjrrisoken
W^braneh- (Libanon**) Gebirges geführt, welchem durch die an8> bei
Straboir* und Cnrtias im Libanon begegnenden arabisehen StänuBe so^
gar der Ansprach auf arabischen Weihrauch in eüäer Periode der al*-
ten Geschichte gesichert wird, da das fabelhaft verworrene Gerede> Yofll
Weihrauch der arabischen Halbinsel noch nngeboren war. Endiidi
aber hat dem eigentlich heiligen Strome Palfistina's, dem Jdrdan^ sol-
gar noch ein Z^ngnifs der Mischnnh.den Namen des Diqlath (Bddeqel)
and damit die Ehre eines biblischen Edensstromes verbürgt
Nur Eine der mancherlei Pluthsagen des Alterthumes^ denen* die
bentige Wissenschaft immer nur einen beschränkten örtlichen Hinler^
gmnd zuzugestehen im Stande ist, gibt sioh uns in der biblischem
Flothsage za erkennen. Gerade die „Nofi-^E^ene^ (Belad Baarl«-
bek) der Nordhälfte Colesjriens bat der Fbrscherblick deutscber VLei*
senden als trockengelegtes Bett eines grofsen alten Seebleekeiis*erfcaBot^
dessen Darchbruch einst bei Qarü^n am mittlem Litbinystrome statti'
gefunden haben mufs. Und wie viele Landungsplätze des biblisohen
Flnthmannes da und dort, wohin eben mit dem- Gbristenthume M
Bibel gedrungen war, die geschäftige Sage fizirt haben mag; eS btzea*
gen ans nicht etwa blofs die verschiedenen Ruhesitze (Ni ha -Plätze)
Noahs auf dem westlichen GebirgsboH werke von Golesyrien, soad)Brn
die dortige Landesiiberlieferung selbst die' S annin -Gipfel im Libanon
als den Landungsplatz des cöler^ischen Fluthroannes. Der Nachweis,
dftfo der Armenische Ararat erst in der Zeit aufgekommen ist, ab
das Armenische Bergvolk mit dem* Ghristenthume auch die Bibel er*-
hielt, in^ weMev die Söhne Haik's aueb ihre heimischen Berge erwähnt
zu finden meinteO', bat nicht blofs an Strabon seine Stfitae, der den
(erst durch HSerosymus arnoenisirten) Namen Ararat in Armenien
noch gar nicht kennt, sondern ist schon durch die griechische Bibel
verbürgt, die aw zwei Steilen gar nichts y)m Ararat weifs, an dei*
dritten St^le nur ein Land, nicht einen Berg Ararat kennt;
Der Umstand, dafs in derselben cölesjrischen Umgebung des Anti«-
libanoD -Wasserscheidezugs, von wo aus der biblisohe- Bdenschreiber
seinen RundbBek m«chte, aachdie Noah^Sage durch den Aitvater nach
der Flotb das Land unter seine drei S6hne getheilt werden» läfst, gibt
oss den Fingerzeig über die Gegend, wo der Verfasser der biblischeü
Völkertafel seine Landesüberschan gehalten hat, ami in das N^
der ihm gelänfigen innersjriscbenr Stromgebiete seine Stamm«- und
V(Ukergli«dehing ehnatragen. Man hat noch in Jnngster Zeit dii Abh
fuinng dieser ethnographiseVen Tabelle ini's 7. vorehristEche Jalo^
Z«ltwhr. d. GM«lUob. L Brdk. Bd. IV. ^
306 ^' Noack!
hundert, als die 2^it der Kimmerier- unS Skythenzage, ansetzen n
mQssen geglaubt, nm in der Nachfolge Borcharts und Knobele die
darin vorkommenden Völkernamen über alle Weiten des Orbis antiqm»
unterbringen zu können. Wie konnte man aber aufser Acht lassen, dab
mit einem Theil der weit verschleppten Völkerschaften die 'üebrfier
bei den biblischen Propheten in die allernächsten Bezüge treten? Die
Heimath der Cedern Assürs weist man über den Tigris hinaus in die
Berge des aufsersyrischen Ostens, wo Cedern überhaupt gar nicht vor-
kommen! Die Euschiten mit der Sabakönigin müssen nach Afrika
und der arabischen Halbinsel wandern, um gleichwohl von dort aas
ungeheurer Feme her mit Heeresmacht den Jüdahkönigen Besuche ab-
zustatten und für die biblischen Propheten nicht etwa in Folge gött-
licher Offenbarungen, - sondern auf natürlichen Verkehrswegen eine all-
vertraute Erscheinung zu sein! Dagegen für das bei den Griechen alt-
berühmte Qebirgsterassenland bei der syrisch - fönikischen Küste, für
den weiten Osten der Antilibanon-Hochebenen, für die Ost- und West-
orontes-Landschaft hat man in den Tagen der Abfassung der Völker^
tafel keine andern Bewohner, als die den klarsten biblischen Zeug-
nissen zum Trotz nach allen Winden versprengten Aramssöhne der
Damaskener Landschaft! Dafe der Verfasser der biblischen Vöikei^
tabelle keine eingebildeten Völker und Stämme auf die Nachwelt hat
bringen wollen, ist gewifs. Ebenso klar ist es aber, dafs die biblische
Urkunde von fönikischen Seefahrern keine europäischen und afrikani-
schen Völkerschaften aufgerafft, sondern sich mit ihren Noacfaidea
lediglich innerhalb des Völkergesichtskreises hält, der im assyrisch-
chaldäischen Zeitalter für einen biblischen Mann vor Augen liegen
konnte. Ueber die grofse syrische Völkerbrücke zwischen dem Tan-
rus und der Nordgrenze Arabiens (in deren Breitelage auch der Mona
Syna der Peutinger'schen Karte fällt) auf der einen und zwischen dem
fönikischen Meer und dem grofsen Eufrath-Bogen auf der andern Seite
ist der geographisch - ethnographische Gesichtskreis der vorexilischen
Hebräer nachweislich nkmals erweitert worden. Keine Indus- und
Gangesbewohner begegnen uns in den vor dem Exil beschriebenen
Büchern des A. T., und keine Kaukasier waren nöthig, um den hell-
farbigen biblischen Völkern das Gepräge der Rasse aufzudrucken.
Der prophetische Butzenmann Gog von Magpg nicht minder, wie die
dem biblischen Schriftsteller alle Wege so vertrauten Aethiopen fallen
lediglich in den bezeichneten Umkreis des syrischen Landes. Den
Söhnen Javans so gut, wie den übrigen Stammzweigen Jafeths hat die
Sonne Abrahams geleuchtet, und vom ionisch - hellenischen Gewände
der Javanäer hat wenigstens der Verfasser der Völkertafel noißh nichts
gewuTst Indem der Mann als achter Morgenl&ndef sich von seiner
Eine kritische Reyision der biblischen Geographie. 307
cölesyrischen Hochwarte zum Sonnenaufgang wandte, fiel sein Blick
fnoächst auf die weite Palmyrenergegend , die langgezogene Semftw&-
Hochebene des Eufrath -Westens, als das Erbtheil 8em*s, das Tom
A8char-Kegel im Eafrath-Brückenlande bei Samosata 8ber die 'Ailam-
Hochebene beim Antilibanon - Abfalle zu Aram's Stammsitzen beim
Hermon-Quellen lande reichte. Weder Strabon's ArimÄer - Syrer, noch
Herodot's Sprachgebrauch des Namens Syria vermögen dem biblischen
Aram-Oebiete im Osten and Westen des Hermon-Bollwerkes auch nur
eine M^ile zuzusetzen. . Im ganzen biblischen Alterthum kommt aus-
Dahmslos Aram als Land und Volk lediglich in diesem engbegrenzten
Sinne vor. Das biblische Aram-Naharaim ist als Syria Mesopotam||i
nichts anderes als das Stromnetz des Barada bis zum Grabe dieser
Rinnsale im biblischen „Ostmeer^, den Damaskener Wiesenseen, wo
auch die Harran Labans doppelt verbürgt ist. Erst an die Zerstreuung
des mittelsyrischen Aramäerstammes seit den assyrisch - chald&ischen
Deportationen, also nach der Zeit der biblischen Völkertafel, hat sich
die Erweiterung des biblischen LandschaftsbegriiFes Aram zu dem uns
erst seit Herodot bei den Griechen begegnenden umfassenderen Lan-
desnamens Syria vollzogen.
Ueber dem östlichen Horizont der Semiten hinaus liegt dem Ver»
fasser der Völkertafel der Eufrat h bogen , dessen Blachfelder den Ja-
fethiten zuweist, deren Stammgrenzen sich als Wegzeiger der nord-
nnd ostsyrischen Karawanenstrassen ausweisen, während von den Ja-
TanSern aus Innersyrien her, durch die vom Qedessee des Orontes nach
der Kaste ziehende Durchbruchsebene der Weg für die Jaonen nach
Westen gebahnt wird. Die syrisch-fonikischen JavanSer sind als ein
Keil in den syrischen Weststrich des Hamiten -Gebietes eingeschoben,
welches nach dem Verfasser der Stammtafel rückwärts von seiner cöle-
Bjrischen Warte liegt, indem es zugleich als südwestlichen Winkel die
langgestreckte Nilthal-Oase einschliefst, die damals noch zu Asien ge-
borte. Dafs die Söhne Ham nach Syrien gehören, hat sogar noch Josefos
gewafst, welcher (Alterth. I, 6, 2) den Hamiten das «Land von Syrien
and den Bergen Amanus (bei den Orontesmündungen) und Libanon^ bei
der syrischen Küste zuweist. Während die Fuditen und Luditen bei der
nordsyrischen Kasiotis die Kuschiten des heutigen Nasairiergebirges
zu Nachbarn hatten und die südlichen Kuschiten als KefSner-Aethiopen
bei den Westgehfingen des Libanonzuges safsen, hatten sich die Ka-
naanssöbne in die Niederungen der fönikischen Küste und der grofsen
syrischen Längsspalte vom Orontes her durch das Jordanthal getheilt,
anstatt (wie es auf unsern Bibelkarten geschieht) das ganze westjor-
danische Plateau-Land, dem Namens Wahrzeichen zum Trotz,- einzuneh-
men. Den spätgeborenen Nimrodsfabeleien gegenüber ist mit dem
20*
308 L. NoEck:
Qalath Nimrüd beim Queilengebiete des Adonis^Ibrahimdasses der
Mittelpunkt der Nimrodsgrunduagen im nördlichen Libanon gesichert,
penn nach den klaren biblischen Zeugnissen asog Nimrod aus keiner
Eufrath - Ebene ans, die keine ^Beqaah^ ist, sondern aas der syrisch-
k^chitischen Sennaar-Hochebene beim nördlichen Libanon ging seine
Qplonie erst nach den sudlichen Eofrath- Niederungen. Für den dis-
credit^rten assyrischen Nimrod bietet der aus dem Gesammtverhör aller
Zeugen hervortretende West-Eufrathplatz der alten Ninos- Stadt, der
vorpersischen Ninive der biblischen Propheten im Weichbilde voa
Mabüg-Hierapolis einen überraschenden Ersatz.
W&hrepd die Me^rSmiten rechts und links von der ganz Syrien
Qurchziehenden grofsen Thalspalte des Orontes-, Leontes- und Jordan-
b^ettes auf den anliegenden Hochebenen in den nachweisbar syrischen
Mesraimiten- Landschaften der biblischen Völkertafel ihre Gehöfte aod
Städte gegrundei hatten, war im ganzen syrischen Westen für Sera
i^ur allein mit dem Arfaksad*Stammsit2e der Alpenlandschaft des nord-
lif^lien Libanon jene glückliche Insel (gezireth-el-kh4Udeh) im fonikischen
Qha^äßr)an4e Sanchuniatbon*s vorbehalten, von wo mit Abraham nicht
blofs die Söhne des Hauses der Verheifsung, sondern als Falegs Bra-
derstamn? auch die Jeqtaniden hervorgingen. Demselben griechischen
Elsdras- Buche, das den Schlüssel zur cölesyrischen Lage der Davids-
stadt liefert, verdanken wir auch die Aufklärung, dafs der biblische
I^iipdficha/Qtsbegriff „e*ber-ha'-nahar^ nicht dem Eufrath gilt, sondern
Bezeichnung Cöle Syriens war. Die bisherigen gelehrten Bemühungen,
<^en unglücklichen Dreizehn der biblischen Jeqtansippe in den jung-
arabischen Qahattän-Stämmen des südwestlichen Arabiens auf die Spor
zu kommen, durften sich nicht e^st als gänzlich mifslungen erweisen,
um der Thatsache Platz zu machen, dafs die biblischen Jeqtaniden
sämmtlicH innersyrische Araber sind, welche von der Hochebene des
Haleppinischen Syriens über die weiten offenen Länderstrecken im
Osten des Orontes hinaus bis zur Abdachung des Haurängebirges herab
ihre durch heutige Orts- und Landschaftsnamen verbürgten Sitze hat-
ten. Und, wie bei den Jeqtaniden, so hat sich auch bei den jungem
Ismael -Söhnen die bibelgelehrte Forschung von den erst seit dem
8. christlichen Jahrhundert datirenden arabischen Stammbaums-Uebei^
lieferungen allzu willig in's Schlepptau nehmen lassen. Auch die bibli-
schfen Ismalliter begegnen uns lediglich in Mittelsyrien, wo der Ism-ail,
als der da milchgebend macht, d. h. als Züchter milchender Thiere,
den. Vater der Eameelzüchtenden Araber bezeichnet, die im biblischen
Zejttalter im arabischen Osljordanlande und auf den Ost-Antilibanon-
Hochebenen des biblischen HaurUn- und *Ailamlande8 zu Hause waren,
yon wo sie sich ,bis zur. Schur (Blauer) im Angesicht Aegjptens^,
r
Eine kritische Reyision der biblischen Geographie. 309
d b. bis sar ^ägyptischen Mauer*^, die noch Strabon in der Apamencir
Landschaft wofste, bis auf den letzten Mann in beatigen Namen noch
ebenso aufweisen lassen, wie die Hettürahsöhne (nach LXX statt Qe-
tnrah) als ostjordanische Ituräer, die Tharrah- (Therach-) Sippe k!s
Trachoniter und die Nahor-Sippe als Abrabamiden im Haur4n, Gebäl
^Aglün und in der ßelqa sich knndgeben.
Nachdem der Heimathschein des alten Scbeikhs mit seiner Sarah
im nördlichen Libanon bei den Ibrahim- Adonisquellen und beim Sarah-
Hanse Bscherreh gefunden ist, wird fernerhin die hergebrachte Hypo-
these von Abrahams Heimath beim Tigris ihren letzten Schein Ton
Recht einbufscn. Und künftige Pilger im heiligen Lande mögen die
Orte, welche der Bibelsage als durch die Pilgerschaft Abrahams, Isaaks
und Jaqobs geheiligt gelten, an andern Orten suchen, als scflche die
landesonkundigen lateinischen Mönche und nach ihnen die Araber änf
der Strafse von Haleb bis Mekka "dazu gestempelt haben. Zur hett&i-
sehen Hebr6nstadt auf der Terasse des untern Theim- Thaies beiili
Mamre-Haine £m-Marih gesellt Sich Ldts Jordankreis in der östlichen
fioleh-Umgebung. Eine galiläische Oeraritica hat ein Berseba, efi^e
Baredquelle, eine Hagarsteppe und Faranwuste Ismails aufzuweisen,
wahrend die Labanstöcbter in der Damaskener Harran zu Hause wa-
ren und die Josefsfabel in der Umgebung der ewig jungen Schomr6n-
l^edhügel spielt
Die PalAstinakarte, die Menke nach dem Onomastikon als d^tA
eigentlichen Grundbucbe der Geographia sacra entworfen hat,.le}d€it
an dem G rundfehler *, dafs von den ursprunglichen Angaben des zur
Zeit des Bor^auxpilgers (333 n.Chr.) abgefafsten Eusebiostextes die
doreh den spätem lateinischen Uebersetzer (vulgo Hieronymus), im
Schlepptau der seit den Tagen der Helena angesiedelten Mönche, in
Scene gesetzte geographische Verwirrung nicht kritisch geschieden ist
Neben einigen anderen Plätzen sind es im Onomastikon hauptsächlich
die vier Eckpfeiler Nikopolis, Eleutheropolis, Diospolis nnd Ailia, nach
welchen von Eusebios eine erkleckliche Zahl anderer Orte nach den
4 Weltgegenden durch Entfernungsangaben bestimmt wurde. Diese
4 Angelpunkte sind die unglücklichen Mutter eines bis heute fort-
daaernden" biblisch-geographischen Wirrsals geworden. Sie wurden in
der lateinischen Mönchsiibersetzang an ganz falschen , zum Theil erst
im 4. Jahrhundert neugegrundeten Plätzen gesacht und darauf die
Landesgeographie der Kreuzfahrerzeit gebaut. Die Nikopolis des
Easebios war nicht die Emmaus-Nikopolis de« evangelisdien Eledpas,.
sondern lag in der sudlichen Bqäa' bei der Trummerstätte der 'Ain-
el-'Azzeh (Siegcsquelle) im W^i Falug. Die ahbiblische B^tfa-Horon
als griechische Eleutheropolis des Eusebios befand sich nicht am
310 L- Noack:
beadgen Platze von Beith-Gebrto im Südwesten von El^Qods (Jera-
salem), sondern in Nordpalfistina, der Pansburg weatwfirts gegenüber,
beim Lith&ny-Qasimieh-Knie am Platze von Qalatb-el-Scheqif-*ArndD.
Basebios kannte nocb keine Diospolis bei Ramleh, sondern eine ost-
jordanische Diospolis-B^röth im Gedarlande und wufste die westjorda-
nische Lud - Diospolis in Uebereinstimmong mit Josefos als eine gali-
Ifiische im Süden im $afed, wo noch ein jüdischer Reisender des 13<
Jahrhunderts den Trümmerort Kefer Lud, die vielgenannte Lud der
galilfiischen Mischnahlehrer, gelegen wufste, die seitdem dort verschwan-
den ist. Wo endlich Eusebios (von einigen erst aus der lateiniscbeo
Uebersetzung später in den griechischen Text des Onomastikons ein-
geschwfirzten christlichen Plätzen abgesehen) Entfernungen von Jero*
salem angeben will, gebraucht er diesen altheiligen Namen selbst Erst
im lateinischen Texte wird der durch Hadrian eingeführte Ailia- (Ca-
pitolina-) Name gleichfalls als Bezeichnung von Jerusalem genommen.
Der landeskundige Bischof von Caesarea verstand dagegen unter Ailia
den im nördlichen Oalilfia zwischen $afed und Tjrus gelegenen Platz
Aialeh, dessen bedeutende Trümmerlage uns nach den altern Beisenden
Dapper und Nau der Consul Schultz wieder vorgeführt hat Wird
iqit den nach diesen 4 Eckpfeilern des Onomastikons von Eusebios
bestimmten Plätzen die Probe gemacht, so lassen sich dieselben nach
den angegebenen Entfernungsrichtungen fast ausnahmslos an ganz ao*
dern heutigen noch vollständig nachweisen. Man begreift, welch ein
grundverschiedenes Kartenbild *) von Palästina zur Zeit des Eusebios
zu Stande kommt, je nachdem dieser kritische Gesichtspunkt festgehal«
ten oder- unter der Führung des lateinischen Onomastikontextes die
kartographische Construction vollzogen wird. Um die Zeit der Ent-
stehung der Hieronymus-Uebertragung des Onomastikons fallt an der
Hand der Masorethischen Revision des hebräischen Bibeltextes die so-
genannte Alexandrinische Recension der griechischen Bibel, deren auf-
fallende Abweichungen (sie erstrecken sich über mehr als drei Vier-
theile aller biblischen Ortsnamen) von den Ortsnamen des älteren Va*
ticanischen Textes, der mit gutem Rechte als Bewahrer der Ursprung*
liehen Bibelgestalt von Tischendorf in seinen Ehrenplatz wieder ein-
gesetzt worden, ein bis heute unerklärt gebliebenes Räthsel ist Nur
der übergebührliche Heiligenschein des heutigen hebräischen Bibeltextes
verschuldet die lange Reihe von Räthseln, Mifsverständissen und Wirr-
nissen der biblischen Geographie, die sich an der Hand des Yaticani-
scben Textes der Septuaginta auf das Befriedigendste aufklären.
') Dessen nördliche H&lfle ist in der dem 1. Bande des Werkes «Von Kdefi
nach Qolgatha* beigegebenen Karte von GalilHa vorgeführt
Eine kritiBCfae Bemion der biblischen G6ograi;hie. 311
Steht es mit den hier cuBammengefarsten ForBchcmgsergebnissen
richdg — and der Gerichtshof der Wissenfichaft wird ja daröber ent-
«cfaeiden — , so ist die im Menke-Pertbes'schen Bibelatlas beabsichtigte
Revision des Oesammtmateriales der biblischen Geographie verfrüht.
Mögen jedoch die Ergebnisse des Verfassers, statt als Lösungen und
feste Positionen, nur immerhin vorerst als blofse Probleme gelten,
welche die weitere Forschung auf diesem Gebiete au£Eunehmen hat;
so wird im Angesicht des aberall gewissenhaft beigebrachten Beweis-
materials der Verfasser wenigstens nicht der Anmafsung bezüchtigt
werden können, wenn er die Ueberzeagung hegt, dafs die biblische
Geographie auf eine dem heutigen wissenschaftlichen Standpunkt der
vergleichenden Erdkuude entsprechende Weise zu begründen, erst noch
die Aufgabe der Zukunft ist
XTTT.
Briefe des Dr. G. Schweiafurth.
a) An Prof. AI. Braun.
Chartüm, 10. Dec. 1868.
Endlich kann ich Ihnen Bestimmtes über meioe Weiterreise von
hier mittheileo. Da die Expeditionen nach dem Bahr-el-Ghasäl über
einen Monat später von hier abgehen, als die nach dein Bahr-el-6ebel,
so mufste sich nun mein Aufenthalt in Chartüm sehr .in die Lange
ziehen, da ich früher nicht die Nothwendigkeit in Anschlag brachte,
<üe oberen Gewässer mit ausreichender Eskorte zu befahreni Das
Arrangement mit dem Kaufmann, dessen Schutze ich mich anvertrauen
mo&te, hatte mithin keine Eile und ohnehin war ich nach wie vor
wohl aufgehoben in dem gastfreien Hause des Herrn Viceconsuls Duis-
berg bis aaf den heutigen Tag.
Ich bin nunmehr über die Art und Weise, wie ich meine Weiter-
reise einzurichten habe, im Reinen, und es fehlt nur noch die obrig-
keitliche Weihe, welche dem Vertrage auf dem Diwan ertheilt wer-
den mufs. Se. Excellenz brachte mir einen koptischen Grofshändler
Namens Ghattäs in Vorschlag, Besitzer von 15 Etablissements in den
oberen Gegenden, von welchen eines vollkommen meinen Zwecken ent-
sprechend befunden warde. Es liegt 30 deutsche Meilen südlich von
312 Britfe d«ft Dr. O. Sdiwflintoai
Aer Mtfseber» el'^Rek und -ist durch die Heiaen des lUlieneuB Piaggia,
welche QQter der Protection desselben Ghattäs ausgelohrt wardeo, be*
luMot. Letsterer yerpflichtet sich nun za Folgendem: Er stellt eis
eigfines Schiff eu meiner Verfügung, das, mit 8 Schiffern bemaant,
Such and meine 6 Leute stromaufwfirts fuhren soll, aunfichst bis Fa-
soböda (DenÄb), dem Sitz der Mudirie des Weifsen Nils, nördlich der
Sobat-Mundnng gelegen. Oberhalb dieses letsten ägyptischen Posteos
kann ich ohne Gefahr meine Reise mit so geringer Eskorte nicht
lortseteen, da Ueberf&lle schwach bemannter Barken nur zu oft vor*
kommen. Ich mnfs daher an diesem Platze die erst in Menatsfriit
Ton hier abgehende Ghattäs'sche Expedition abwarten, erhalte alsdann
eine Anzahl Bewaibeter an Bord und gebe in den Bahr*el-GhasiL
Ich h&tte allerdings die Reise viel wohlfeiler einrichten können, wenn
ich mit Leuten und Gepäck auf eine der Ghattas'schen Barken, welche
die Bewaffneten nach dem Bahr-el-Ghasäl fahren, gegangen wäre;
allein, abgesehen von der unerträglichen Ueberfullung dieser Barken,
hätte ich meinen Aufenthalt hierselbst nutzlos um einen Monat ver^
längert und aufserdem mich der Möglichkeit beraubt, unterwegs meinen
Beschäftigungen nachgehen zu können ; namentlich hätte ich für diesen
interessanten Theil der Reise ganz auf Sammlungen verzichten müssen.
Nun habe ich aber geFade Gelegenheit, •auf der FlufsCahrt im aasge-
dehntesten Mafsstabe zu aamaieln. Auf der weiteren Land reise werde
ich mich dagegen aufserordentlich im Gepäck beschränken musseo.
Die Reise von hier bis zum Ausscbiffungsplatze Meschera el-Rek wird
voraussichtlich 3 Monate erfordern; was ich in dieser Zeit an Natar-
pToducten zusammenbringe, soll bestens verpackt 'mit dem nämlichen
Schiffe zurückgehen und spätestens im Mai 1869 von ChartSm weiter
befördert werden. Ghattäs verpflichtet sich femer, die notbigen Trä-
ger zu stellen, um mein Gepäck vor dem seinigen am Hafen zur
Seriba zu schaffen. Ferner wird es mir freistehen, in welchem Eta*
blissement ich mich sefsbaft mache, wo man mir alsdann die nöthige
H6tte errichten wird. Schliefsltch verpflichtet sich der Genannte, falls
ieh auf seinen Seriben keine Möglichkeit finde, meine Zwecke zu ver-
folgen, -mir Geleit nach den Etablissements anderer Kaofleute zu er-
theilen. Den Bewegungen seiner Leute kann ich mich nach Belieben
anschliefsen , nrafs aber alsdann selbst für Träger sorgen, d. h. das
Ckpfick aufs Aeufserste beschränken.
Das Wort, welches der General-Gouverneur Djiaffer Pascha gleich
bei seiner ersten Unterredung zu mir gesprochen, er wolle der Wokfl
(Sachwalter) der Berliner Akademie sein, war also in der That ernst-
lich gemeint, indem er mir den Weg nach dem selbst der Macht des
Reichthnms, wie die Erfahrungen von Fräulein Tinne bewiesen haben^
r
«D Prof. AI. Braun. 3I3
80 schwer zugänglichen Gebieten so leicht geebnet hat. Aber Se. Ex-
cellenz that noch mehr, indem er die Ausstellung zweier Fermäne an-
befahl, eines, um d«cn Gontract mit Ohattas die gerichtliche Sanction
sa ertb^len, und eines zweiten, um mich den in den zu bereisenden Ga*
bieten sehr einflafsreichen Kauf legten Eurschid Ali und Agät zu empfeh^
ko, welche mir erforderlichen Falls Beistand zu leisten, sicheres Gqleit
von einer Seriba zur andern und Niederlassungsrecht auf ihren Territorieü
sa gewähren haben. Durch alle diese Beweise von Zuvorkommenheit
vod Bereitwilligkeit, einem wissenschaftlichen Reisenden Vorschub zu lei^
sten, woran es bisher leider so oft gefehlt hat, hat der General-Gouverneur
die Humboldtsdftuog ond mich zum tiefsten Dankgefuhl verpflichtet^).
Mein Herz schlägt vor Freuden, indem ich Ihnen, hochverehrter
Oönner, alle diese guten Nachrichten mittheilen kann. Wie viel war
bei meiner Abreise von Berlin an meinem Unternehmen noch unklar
uad zweifelhalt, und wie wenig ist von diesen Zweifeln übrig geblie«
beul Meine hiesige Tfaätigkeit beschränkte sich auf die botaniaehe
Ansbeatung der in dieser Jahreszeit sehr unergiebigen Stadtumgeban-
gen and auf Arbeiten, zu denen die Herreise so viel Stoff geliefest
Ich schicke die Beobachtungen über Wetter, ein botanisches Namens-
Yerzeichnifs in der Bega - Sprache und das Inhalts verzeich nifs meiner
letzten Sendung von Sammlungen, welche Prediger Blessing, der am
25. Nov. Chartöm verliefe, nach Alexandrien mitgenommen hat *).
Zur Rechtfertigung meiner Einsendung eines abscheulich von Ära-
berhänden verunstalteten ausgestopften anthropomorphen Affen aus dem
Nian-Niäm*Lande (hier Mbän, in seiner Heimath Ranja genannt) er*
lanbe ich mir Folgendes geltend zu machen: Es erscheint von Wi^-
tigkeit, das erste Exemplar dieser Art, das nach Europa kommt,
Beriin zuwenden zu können, nachdem bereits Aller Augen auf diese
Seltenheit gerichtet sind und der zoologische Garten in London dea
Gebrüdern Poncet, falls sie ein lebendes Exemplare schaffen, nur für
die Commission 200 £ geboten hat. Der Schädel fehlt zwar leider,
allein man gewahrt, was wichtig erscheint, die kleinen Ohren, die
Stirnglatze, die vollständige Behaarung, die Beschaffenheit der Haut
an den Händen, die proportionirte Armlänge. Der Affe ist häufig in
dem Grebiet, welches ich berühre, es bleibt aber nngewifs, ob es mir
gelingt, ein Exemplar za aoqniriren.
') Ein 'Dankschreiben der Königl. preufs. Akademie der Wissenschaiten an Se.
Ezcellenz Djiaffer Pascha wird in diesen Tagen der ägyptischen Regierang zugehen;
avch hat ein« Depntatton der Akademie dem YicekSnig bei dessen Anwesenheit in
Berlin persönlich ihren Dank abgestattet.
* ') Die erste Naturaliensendung, sämmtliche bis za seiner Abreise von ChartOm
Ton Dr. Schweinfarth gesammelten Gegenstände enthaltend, langte Mitte April 1869
m Berlin an.
3f 4 Briefe det Dr. G. Schweinfurth
Chaitünii am Christabend 1S6S.
Der Gontract mit Ohattäs ist in aller Form abgeschlossen and harrt
nur noch seiner Ansfuhrung; es bleibt noch das Schiff für die weite
Stromfahrt mit Mattendach etc. zu versehen, und das bereits geordnete
Gepäck für die Abfahrt herzurichten, welche noch nicht nach Tag und
Minute festgesetzt worden kann, unter allen Umstanden aber sich nicht
aber den ersten Tag des neuen Jahres hinausziehen solL Ich theile
Ihnen nun den wesentlichen Inhalt meines mit Ohattas geschlossenen
Contracts mit, eines langen, weitschweifigen arabischen Schriftstfickes,
das in Abschrift im hiesigen Viceconsulat Norddeutschlands deponirt
worden ist. Für das Schiff, das mich von hier ^ach Meschera el-Rek
bringen soll, ist ein Miethszins für 3 Monate im Belauf von 7000
Piastern Tarif (22 = 1 Marien-Theresien-Thaler) ausbedangen. Da die
Unterhaltung der Bemannung sich üuf 1 100 Piaster monatlich belauft,
and die Schiffsmiethe noch höher gerechnet werden mufs, so erscheint
diese Summe völlig den Umständen angemessen. Für 60 Trager, die
mein Gepfick vom Landungsplatze bis zur entferntesten Serlba des
Ghattäs transportiren sollen, mufs ich 5000 P. T. zahlen. Für jeden
später zu engagirenden Träger soll 15 P. T. per Tag gezahlt werden.
Für den Aufenthalt in der Seriba, für Herrichtong des Gartenlandes,
auf welchem ich meine Leute mit Gemüsebau, hauptsächlich aber mit
der Cultur des hier zu Lande in dieser Gröfse noch nie gesehenen
amerikanischen Mais beschäftigen will, sowie für Ek-bauung von drei
Hütten zahle ich 5000 P. T. Für Lieferung von monatfich 2 Ardeb
(genau = 6| pr. Scheffel) Durrakorn, zum Unterhalt meiner Leote,
habe ich, falls ich es verlange, 600 P. T. zu zahlen, nach hiesigem
Marktpreis gerechnet, da oben grofse Schwankungen in den Preisen
stattzufinden pflegen. Der Agent des Ghattäs, welcher in der Seriba
commandirt, wird über diese und andere an mich zu leistende Lieferungen
Buch führen, ich meinerseits werde über das Empfangene quittiren, and
soll der Betrag nach meiner Rückkehr an Ghattäs ausgezahlt werden.
Diefs wird auf einem Ghattäs'schen Schiffe stattfinden, falls ich nicht
eine andere Gelegenheit vorziehen sollte. Da die Meschera el-Rek
Sammelplatz aller Barken ist, so wird es mir nie an einer solchen
fehlen. Nachdem die Contracte von beiden Seiten unterzeichnet^ wurde
dem Ghattäs die ausbedungene Summe für Schiffe, Träger und Seriba
ausgezahlt. Die Hälfte der Schiffsmiethe zahlt ihm der Yiceconsol,
wenn Letzterer die von mir zurückgesandten Kisten erhalten haben
wird.
Die Zahl meiner Diener habe ich auf 6 beschränken müssen. Von
diesen erhält der eine, welcher die übrigen beaufsichtigen soll nnd
«a Prof. AI. BrAun. 3] 5
Besitzer vod 25 Fedan Land im Dongolaoischen ist, monatlich 12
Marien- Theresien- Thal er, Tier andere je 9 und der sechste 5 Thaler
DQODatlicb. 9 — 10 Monate Sold sind von mir vorausbezahlt worden.
Alle sind verheirathet und haben, aufser dem Dongolaner, hier in
Chartam ihre Hänser. Einer derselben, Namens Rich&n, hat Petherick,
dann auch Baker auf ihren Reisen begleitet and in Shepherd's Hotel
io Cairo das Metier eines Kochs gründlich erlernt. Aach die übrigen
sind bereits im obern Nilgebiet gewesen, und haben sich bereits als völlig
brauchbare, willige und ergebene Diener erwiesen. Auch eine Sklavin
im Werthe von 25 M.-T., naturlich alt und dürr, muTste beschafft wer-
den, um für die Leute täglich die nöthige Quantität Korn zu mahlen
Dod zu Brot zu bereiten. So besteht unsere ganze Gesellschaft, ab-
gesehen von der 8 Köpfe starken Schiffsmannschaft, die ebenfalls ihre
zweibeinige Mühle hat, aus 8 Personen.
Meine Ausrüstung ist sehr vollständig und auf die Dauer von
2 Jahren berechnet. Die Leute sind mit guten russischen Gewehren
bewaffnet, aufserdem besitze ich noch 2 Elephantetibuchsen, 1 Doppel-
büchse, 1 Stutzen, Doppelflinte und einige Revolver. Ich habe über
100 Pfand Pulver, Perlen von gangbarer Sorte, grofse Papiervorräthe
and die nöthigen Lebensmitte). Alles Gepäck ist getheilt in solches,
das für die Stromfahrt, und solches, das für den Transport zu Lande
berechnet ist. Die Trägerlasten veriheilen sich folgen dermafsen: 12 Leder-
koffer verschiedenen Inhalts, 10 Papier ballen, 8 enthalten Salz für 2 Jahre,
4 Spiritus, 2 Wein, 3 Blei, 2 Pulver, 1 Reis, 1 Weizen, 1 Gel und
Essig, 2 Zelt, 2 Bettzeug etc., 1 Kleider, 1 Datteln, 2 Perlen, 2 Ge-
webe, 1 Sämereien, 1 Ackergeräth. Auf der Seriba finde ich hinrei-
chende Lebensmittel, die ich selbst erhandeln oder mir von dem Agen-
ten Gfaattäs verabfolgen lassen kann. Von grofsem Werthe ist auch
^ein Hund (ein Spröfsling meines unvergefslichen Arslän, des Arm^
niers, den ich von Cairo mitbraclite), den ich von Berlin klein mit-
genommen, der aber nun bereits eine Grofse erlangt hat, welche Alles
bisher in diesen Ländern Gesehene bei Weitem übertrifft. Er kann
als akklimatisirt gelten, da er die Wüste in der heifsesten Jahreszeit
passirte. Die katholischen Missionäre wissen nicht genug Lobenswer-
tbes von dem Verhalten ihrer aus Europa mitgebrachten Hunde zu be- .
richten, welche Nacht» die besten Wächter gegen das Herannahen
wilder Thiere (besonders Hyänen, die den Vorrathskammerp sehr ge-
fährlich sind) abgegeben haben.
Sehr gespannt bin ich auf Ihre gütigen Mittheilungen, die mir auch
nach dem Bahr-el-Ghasäl nachgesandt werden können, da die Regie-
rung zum ersten Male beschlossen hat, Truppen nach dem Bahr-el-
Gbasäl zu senden, um den Sklavenhandel, welcher nach Sperrung de«
316 Bri«f des Dr. O. Bchw^nfnrth
Weifsen Nils den Weg von dort über D&rfar eingeschlagen hat, ca
-überwachen, und somit sich Öftere Gelegenheit zu Nachsendungen dar-
bieten dürfte. Zar Feier meiner Abreise hatte d^r General-Groovemear
▼or einigen Tagen eine Fete gegeben, die gestern vom Viceconsul er^
wiedert wurde, der dazu 15 Personen eingeladen und glänzend bewir^
thet hatte, worunter auch Miani, der nun endlich, unterstützt vom
General-Gouverneur, Aussicht hat, seinen ^Banm^ wiederzusehen und
die Wahrheit seiner Behauptungen erhärten zu können. So scheint
unter den Anspicien des jetzigen Statthalters eine neue Aera für wis-
senschaftliche Unternehmungen im obem Nilgebiet zu erblühen.
b) Brief des Dr. G. Schweinfurth
an seine Mutter.
Fa«choda, 2. Februar 1869.
Glücklich am Endpunkte des ägyptischen Reiches angelangt, und
die letzte sich mir darbietende Fostgelegenheit benutzend, beginne ich
sogleich mit Erzählung meiner tfiglichen Erlebnisse, da diese Form der
Mittheilung am Lebendigsten den Hergang der verschiedenen kleinen
Vorfälle zu schildern vermag, welche sich im Verlauf des ersten Theils
»einer Reise ereigneten.
Der 5. Januar war der Tag meiner Abreise von ChartOm, nach-
dem allerhand geringfügige Zwischenfalle dieselbe von einem Tage
zom andern verzögert hatten, wie es ja aUen Reisenden ergeht. —
Von den 7 Wochentagen sind, nach den abergläubischen Vorstellungen
der Hiesigen, nur 3 Tage gunstig, eine Reise anzutreten, die übrigen
bringen sicher Unglück. Der verständige Reisende thut daher wohl dran,
sieh den landesüblichen Sitten zu unterwerfen, Einspruch nützt ihm
wenig, seine Leute vom Gegentheil zu überzeugen ist unmöglich, und
schliefsHch hat er, falls er es durchsetzt, an einem Unglückstage ab-
zusegeln, bei der nächsten Gelegenheit, wenn etwas schief geht, das
Zetergeschrei seiner Leute in den Ohren , die ihn alsdann mit Vor-
würfen überhäufen, und alle Schuld, auf seine Halsstarrigkeit schiebend,
. rath- und fhätlos den Eingriffen des Fatuins zuschauen würden.
Aufser meinen 6 Dienern und der zu ihrer Küche gehörigen Sklüvin
befanden sich auf der Barke 1 5 dem Kaufmann Ghattäs (dem Eigenthümer
des Schiffes) gehörige sogenannte Soldaten, d. b. mit Büchsen bewaffnete
Nubier, welche, weil sie es vor Steuerbelastang in ihrer Heimath nicht
mehr aushielten, und der Feldbau sie kaum vor Hunger und Noth be-
wahrt, es vorziehen, sich in den oberen Gewässern als Räuber, Sklaven-
fönger und Kuhdiebe zu verdingen, meist junge Leute, welche aufserdem
an seine Mutter. 3(7
noch angeborner Hang zu Abenteuern mit dieser Lebensweise befreun-
det. Die aus 8 Köpfen bestehende Bemannung des Schiffes mit einer
zweiten brotbereitenden Sklavin completirt die ziemlich dichte Be-
völkernng meines plumpen Fahrzeuges^ welches am hintern Ende
einen ritzen- und locherreichen Bretterverschlag sehr primitiver Art
besitzt, welcher mir als Aufenthaltsort angewiesen ist und wo ich so
ziemlich Platz finde, um zu den täglichen Bedurfnissen meiner Reise
gelangen zu können. Hunderte von Kisten und Kästchen sind nach
dem Princip der Binschachtelung verpackt und daher leicht zugänglich.
Zwei Hände, der berliner Arsl&n, Sohn meineb unvergefslichen Freon-^
des aas Erzerüm, und eine kleine Hündin von landesüblicher Race,
gehören noch mit zur Einwohnerschaft, welche also summa summarum
33 Köpfe beträgt, während andere Barken, die den weifsen Nil hinauf-
gehen, nicht selten 50—80 auf der Hinreise und bis 200 Insassen auf der
Rückfahrt aufweisen, wenn der Kielraum mit Sklaven gefüllt ist, die, wie
Sardinen verpackt, nar von oben Luft erhaltend, monatelang in dieser
Lage verharren müssen, indefs die Bewaffneten des Nachts am Ufer
(falls es sicher ist) ihren Beinen etwas freieren Spielraum zu gewähren
Sachen, bei Tage aber wie Hühner am Bord und an aufgestellten Ge-
stellen hockend, sich auf das äufserste Maafs thierischer Cootractilität
beschränken.
Die erste Nacht wurde ununterbrochen gesegelt^ so entfernten wir
ans mit der Geschwindigkeit eines Dampfers immer mehr und mehr
von den einförmigen Gestaden des vereinigten Flusses bei Chartum.
Es war eine herrliche Mondnacht, und schlaflos vor Freude, mich end-
lich nnaof haltsam dem Ziel meiner Wünsche entgegen in die südlichen
Länder geführt zu sehen, werfe ich einen Blick auf das Deck, das
mit mumienartig eingehüllten Gestalten bedeckt, in geisterhafter Stille
mich umgiebt, die nur unterbrochen wird von dem gleich mäfsigen Rau-
schen des Kielwassers und vereinzeltem Geschrei von WasservÖgeln^
Am Vormittag des folgenden Tages befanden wir uns bereits einen
Breitengrad südlich von Chartum. Die Ufer, immer noch endlos flach,
und nur durch einen schmalen Baumstreifen begrenzt, entfalten das
regste Leben, das die Vogelwelt darzubieten vermag. Gänse und En-'
ten in solcher Menge, dafs ihr Anblick schliefslich den mit ihrem fet-
ten Braten überfütterten Reisenden mit Ekel erfüllt. Dann wieder
endlose Schaaren von Rinderheerden, ich sage Schaaren, weil die
Heerden, so weit das Auge reicht, gar kein Ende nehmen wollen, und
inuner wieder neue Gruppen auftauchen, die zum. Ufer getrieben wer-
^AHy oder an diesem iin Thonsiimpfe nmherstampfen.
318 Brief des Dr. O. Sehweinfurth
6. Januar.
Hirten setsen auf kleinen Böten von einem Ufer zom andern hin-
über und schwemmen Rinder mitten durch die Crocodille (denn ipro
wäre eine Stelle des weifsen Nils frei von diesen ?) hindurch über den
grofsen Flufs, auch Hunde schwimmen in groisem Abstände von der
Barke unverzagt ihren Herren nach. Abends, erzählt der Reis, ich mntä
es ihm glauben, da ich mich bald selbst davon überzeugen werde, soll
die Mückenplage oben auf dem Flufs so arg sein, dafs die SchifTsleate,
um ruhig schlafen zu können, die Nacht in Segeltuch eingewickelt
hoch an der grofsen Raa in den Lüften verbringen. In Folge dessen
treffe ich bereits Vorbereitungen, meine Moskiti^re herzurichten, und
sehe mich nach 2 festen Punkten um, an welchen ich meine Hänge-
matte befestigen kann, die gleichfalls mückenfest ist, allein, wie tböricht
ist mein Verlangen! Fjthagoras wäre zufrieden gewesen mit einem
Punkte und ich verlange deren zwei auf einer arabischen Barke.
7. Januar.
Morgens erreichen wir ein grofses Dorf der Hassanie - Araber
Namens Gctena. Auf einer weiten Thonfläche tummeln sich Tausende
der grofsen ägyptischen Ganseart, auf welche ich vergeblich Jagd
mache, da sie mich von Weitem sahen. Nach nutzlosen Manövern,
sie im Flug zu erwischen, und vielen Ereuz^ und Querläufen, bestän-
dig rauschende Schwärme vor mir auftreibend, gehe ich ernüchtert
zum Landungsplatze zurück.
Der Wind ist so heftig und der Strom so schwach, dafs der
Schiffsreis die Barke ohne Segel vorwärts treiben läfst, wir kommen
trotzdem prächtig vorwärts. Endlich 4 Uhr Nachmittags werden volle
Segel gemacht, die Barke schiefst wie ein Pfeil mitten durch Gänse-
schwärme, man feuert hin und wieder auf dieselben, erwischt aber
nur solche, welche in unserm Cours schwimmen. Nachts gewähreiv
die zahllosen Wachtfeuer der Hirten am Ufer und das wiederholte
Hundegekläff und Blöken des Viehs einen sehr gemuthlicben Eindruck
in der stockfinsteren Dunkelheit vor Aufgang des Mondes.
8. Januar.
Wir haben die Dörfer von Wod Schellai am Ostufer erreicht, wo
alle Nilbarken der ägyptischen Cultur Valet sagen. Weiter oberhalb
gebe .es keine Dörfer mehr, ko sagen jetzt die Leute, aber es finden
sich immer noch wieder solche, wo der Vorwand von Einkäufen gel-
tend gemacht wird, um sich an Merissabier zu laben und intime Be-
an seine Mutter. 319
kanntschaften anzuknüpfen <, wodnrch für mich nntzloser Aufenthalt
in der flachen Oegend und bei flachen Menschen entsteht*
Ich kaufe 2 fette Bullen für 5 Marien-Theresien-Thaler, lasse die
Felle zum Verpacken meiner Sammlungen sorgfältig abziehen, einen
Theil des Fleisches einpökeln, was selbst bei der betrachtlichen Hitze
dieser Tage völlig gelang, nur mufste das Fleisch unter Wasser liegen
und auf zwei Drittel Wasser ein Drittel Salz genommen werden.
Ich setze in einem Kahn zum Westufer hinüber, um zu botanisi-
ren. Orofse lichte Acacienwaldungen , welche das hiesige Schiffsbau-
holz liefern, bedecken die Gegend. Das Erdreich ist aschgrauer fester
Tbon, von demjenigen Aegjptens sehr verschieden, aber durchaus nicht
minder fruchtbar, wie Baker irrthümlicherweise bestreitet, der das linke
Stromufer nicht berührt hat und nur die sandigen, von dem nach Osten
wandernden Strome aufgerissenen Ostufer kennen lernte. Durrakom
in Kolben von riesiger Gröfse, | Fufs lang und j> Fufs dick, wurde .
von mir für die Sammlungen mitgenommen. Auf einer Excursion
passire ich, begleitet von Arslän, das Dorf. Die Einwohnerschaft
weicht überall entsetzt zurück unter dem Rufe: eine HySne, eine
Hyänel Dafs es wirklich nur ein Hund sei, war schwer ihnen be-
greiflich zu machen, üeberhaupt wird es schwerlich in der Welt ein
Land geben, wo die Furcht und der den grofsen Hunden gezollte Re-
spect so allgemein wäre, als bei den Einwohnern dieser Länder.
Die mit langen, wie Alleen gestellten Reihen von Acacien be-
setzten Westufer haben nichts Afrikanisches an sich, hauptsächlich
wegen des Mangels an Palmen, sie erinnern vielmehr an die weniger
bevölkerten Landschaften an der Wolga, wo Erlenwälder etc. einen
ganz ähnlichen Character zur Schau tragen.
9. Januar.
Endlich Nachmittags verlassen wirWod Schellai mit seinen Merissa-
Kneipen und Rinderschlächtereien. Die Nilpferde werden immer h'äu-
figer und wetteifern mit dem Knarren des Steuerruders durch ihr weit-
binschallendes Oegurgel.
10. Januar.
Morgens haben wir in Sicht den Äraschkol, einen mehrere hun-
dert Fufs hohen Felsberg des westlichen Ufers, welcher durch die
grofee Ausbeute, die der Reisende Kotschy vor 30 Jahren daselbst
gemacht, in der botanischen Welt sehr bekannt wurde. Bei den Vieh-
tränken des Dorfes Turra liefs ich Halt machen und wanderte selbst
nach dem 2 Stunden vom Ufer entfernten Ort durch die blüthenduften-
den Acacienwaldungen. Wir befanden uns jetzt immer noch im Ge-
n
320 Brief des Dr. Q. Schweinfarth
biete der Hassanieb- Araber, deren Viehreichthum wahrlich erstaanliefc
ist. Sie ersefaeinen mir weit zutraalicher, als die Beduinen des Osten»,
die Bischarin and Hadendoa, vielleicht nur deswegen, weil sie, gutes
Arabisch redend, zum gegenseitigen Verstandnifs das Ihrige beitrugen.
Ueberall lAufste ich weitläufig naturhistorisch-genealogische Erörterun-
gen ober meinen Hund geben, der ihr höchstes Interesse in Anspradi
nahm, weil auch sie, im Besitze einer prächtigen zur Grazelienjagd ge-
eigneten Windhundrace, grolse Stücke auf die ihrigen halten.
11. Janaar.
Ghattäs, der Geizhals, hat all' sein Pulver und die ftlr seine Ex-
peditionen erforderlichen Patronen auf mein Schiff, geladen, und zwar
mehrere Centner nur in Mattensficken und Papier verpackt, gerade uin
ter dem Eingang in meine Cabine, an welchem ich rauchend sitze, ob
•die Gegend zu beschauen, unterbringen lassen. Erst auf meine Vor-
stellungen sieht sich der Reis' veranlafst, ein^ Rindshaut über diese
gefährliche Mine zu spannen, damit weder das Wasser schade, nodk
•die herabfallenden Funken ein schreckliches Ereigniis zur Folge haben
mochten.
An den Ufern gewahrt man prachtvolle Rinderheerden eu iOOO
bis 3000 Stuck zur Tränke ziehen. Sie gehören der Höckerrace der
Zebud Indiens an und haben meist weifses oder tigerartig mit schönen
schwarzen Flecken punktirtes Fell. Die G&nsesehaaren wollen gar
kein Ende nehmen. Heute werden zur Abwechselung einmal wieder
Enten zubereitet, nachdem die Gänse alle Zubereitungsmethoden er^
schöpft haben, welche in Reisfullung, Tomatensauee und Champignon»
stets in dreifachem Wechsel wiederkehrend, bestehen. In ChartÄm
gab es gerade üeberflufs an Tomaten, und da liefs ich mir in Flaschen
den Brei derselben fallen, mit welchem, einem spanischen Sprichworte
zufolge, kein Koch eine Sauce verderben kann. Nachmittags wird
el Es, einstmals die Südgrenze der ägyptischen Herrschaft bildend
und noch jetzt der sudlichste Ort des^ Reiches, mit Ausnahme von Fa-
schöda, erreicht. Gleich oberhalb el Es beginnt die Region der Schill ak-
Inseln, zahllose kleine, dichtbewaldete Eilande, auf welchen die braa-
nen Hirten des Westens nur ab und zu ihre Rinder weiden und die
meist von schwarzen Fischern besucht werden, welche dem weiter süd-
wärts verbreiteten Scbilluk- Volke angehören» Grane Meerkatzen sind
hfer in den Bäumen so häufig, wie die Eichhörnchen in den Fichten-
waldungen Livlands.
12. Jannarv
Ich lasse bei einer reizenden Waldinsel halten , auf welcher sich
4ks reichste Thier- und Pflanzenleben entfaltet Das Ufer von Bippo*
r
an seine Matter. 321
potamus-Fafstapfen, grofaen Grubenlochera, 'wimmelnd, ist von ganzen
Reihen Grocodiilen aller Gröfsen besetzt, welche erst bei 30 Schritt
Aan&herong vor dem FremdHng Platz machen. Grofse Leguane mit
pr&chtiger blechstarker Haat, welche mir zam Verbinden aller mög-
lichen schadhaft gewordenen Sachen dient, rasseln nebst Schlangen in
dfirrem Grase. Ueberall Schlangenhäute und Eierschaalen unter den
Bäumen, als Zeichen der Zeit In den Zweigen der Bfiame das lustige
Treiben der Affen, aller Arten von Vögeln, Adler in riesigen Nestern
und ganze Schaaren umherflatternder Wasservögel. Eine Mimosa^
welche ein vielgetheiltes Blatt und an jedem Theil zwei grofse Stacheln
hat, bedeckt in dichten Horsten stellenweise das Ufer, so dafs man
beim Eindringen in dieselben auf der Jagd, um die Bewohner des
Wassers zu erwischen, von Tausenden von Händen zurückgehalten zu
werden glaubt. Eurbisartige Gewächse mit prächtig rothen Fruchten
raoken auf diesen unwirtfalichen Dickichten, gleichsam als fürchteten sie
die Habsucht des herannahenden Sammlers, der die Lust, ihrer habhaft zu
werden mit ebenso vielen Löchern in seinen Kleidern bezahlen mufs.
ladefs ich besiege alle diese Hindernisse mit Hülfe alter Winterhosen,
welche jeder Schaam haar, der Stacheln hohnlachen und erlege mit
eioem Schusse 4 junge Gänse und 2 Perlhühner, welche von nun an
mehr Abwechselung in di)e Küche bringen. Abends fährt man am
Westufer der Aha -Insel entlang, wo die Ssunt-Acacien eine nie ge-
sehene Grofse erreichen. Wie stolze Eichen ragen sie aus dem Ufer-
walde empor. Hierher hat. die Regierung jetzt ihre Schiffswerften ver-
legt, nachdem in den weiter nordwärts gelegenen Wäldern die besten
Stämme im Laufe der Jahre verbraucht sind. Zum erstenmale auch
tritt uns nun die Herminiera entgegen, das leichte Schwimmholz Am-
batsch genannt, dessen Gewicht man mit einer Federseele vergleichen
kann, und das man in Händen gehabt haben mufs, um es für möglich
halten zu können, dafs ein Mann leicht ein Flofs auf seine Schultern
bebt, das 8 Menschen über Wasser znerbalten vermag. Dabei gewährt
der Ambatsch mit seinen prächtigen grofsen gelben Bluthen einen be-
laobernden Anblick, da er im Verein mit dem frischen Grün des Ufer-
grases die Insel wie eine Schüssel Salat mit Eiern erscheinen lälst.
13. Januar.
Wir erreichen eine andere der Tausend Inseln, auf welcher das
erste Rencontre mit Schwarzen statt hat. Ich begrüfse ihre adamitische
Majestät mit dem landesüblichen Grufse „Salami^, was von ihnen freund-
lichst angenommen wird. Indefs, obgleich die Wilden Europa's über-
tünchte Höflichkeit keineswegs kennen, so erscheinen sie dennoch über
und über getüncht, d. h. mit Asche zum Schutz gegen Inseoten, und
MUefar. d. GM»U«ch. f. Brdk. Bd. IV. ^^
322 Brief des Dr. G. Schwcinfurth
zwar graa, wenn letztere von Holz gewonnen, and rostroth, wie rotbe
Teufel, wenn sie aas Eubmist erzielt wurde. Asche, Mist und eine
Flüssigkeit, welche im Verein mit Terpentin Veilcbendaft erzeugt, sind
die unentbehrlichsten Toilettengegenstande dieser Wilden. Die letzt-
genannte berührt anangenehm die Nase des Fremdlings, wenn er von
ihren Milchgefäfsen Gebrauch machen will, da diese nach weit and
breit bekannten echt afrikanischen Sitten damit gewaschen zu werden
pflegen, wahrscheinlich um den Salzmangel zu ersetzen.
Wir passiren auch einige streifenförmige Sandinseln, welche mit
Kronenkranichen besetzt erscheinen, welche wie in Reih and Glied
4 Mann hoch und den Schnabel nach dem Winde gekehrt, aufgestellt
und. Eine sonderbare Borstenkrone ziert ihren Kopf. Jung haben
sie, da sie nur von Korn und Bohnen sich nähren, ein wohlschmecken-
deres Fleisch als die Gänse, und bringen mit den Perlhühnern einige
Abwechselung in den Küchenzettel. Am westlichen Festlandsafer
kommt eine grofse Antilopenheerde mit langen, gewundenen Hörnern
friedfertig zur Tr&nke.
14. Jiuauar.
Heute ist der erste Ungluckstag gekommen. Auf einer reizenden
Insel, wo ich eine meiner neuen Acacien, A. verugera^ in prachtvoller
Ueppigkeit antreffe, und begleitet von 3 Mann eine Rondtour mache,
wird mein Diener Mohamed Amin, d. h. der Treue, an meiner Seite
von einem Büffel überrannt, dem ich nicht das geringste Leid zuge-
dacht, dem aber der Unglückliche im hohen Uferröhricht zafallig gar
zu nahe gekommen war. Ich stiefs auf einige weidende Heerden und
Baggara- Araber, welche mich fragten, ob ich den Büffel, der eben in
der Nähe sei, nicht gesehen hätte. Während ich mich nach dem mich
begleitenden Elephantenjäger des Ghattas umgehe, um ihm dieses mit-
zutlieilen, vernehme ich das gewaltige Rauschen eines mit der Wild-
heit entgleister Dampfrosse dah ersausenden Büffels. Nach links, nach
rechts hin macht er unter Grunzen und Brüllen die gewaltigsten
Sprünge, und da ich in seinem Gefolge eine ganze Heerde vermathe,
hajte ich, ohne Waffen, wie ich gerade war, es für rathsamer, einem
benachbarten Baume zuzuschreiten. Inzwischen sehe ich mich nach
dem Mohamed Amin um und erblicke ihn über und über blutend im
Grase liegen. Er war plötzlich von dem aufspringenden Büffel za
Boden geworfen und kopfüber in das hohe Röhricht geworfen worden,
80 dafs ein Ohr an einen spitzen Schilf halm aufgespiefst wurde; der
Eiephantenjäger^ in unmittelbarer Nähe dieses bemerkend, hatte auf
den Büffel angelegt, allein die Sicherheit, welche ich vor den Hahn
an seine Mutter. 323
meiner Bfichse gelegt^ hatte den Schufs aafgehalten; in seiner Yerzweif-
lang hatte der Mann rasch entschlossen mit einem Beil, das er für mich
bei sich trag, nach der Stirn des Büffels geworfen and sich dann, wohl
wissend, dafs der Büffel einem rahig Daliegenden kein Leid zu thon
pflegt, fiaoh auf den Boden geworfen. Der BSffel, der einige Augen-
blicke vor ond aber seinem Opfer gestanden, hatte in Folge des-
sea Reifsaus genommen. Alles dies hatte sich in viel kürzerer Zeit
lagetragen, als ich es berichten kann, and als ich um mich blickte,
nahet sich eben aas dem Grase der Elephantenjfiger. Wir richteten
Don den unglücklichen durch einen colossalen Schilfhalm mit dem Ohr
ao den Boden Angenagelten auf und sahen zu unserer Freude, dafs
die Verletzung nicht tödtlich sein konnte. Auch die Baggara kamen
herbei, und ich liefs sie frisches Wasser aus dem Flusse bringen, um
die Wunde zu waschen. Dann nahm ich die Büchse (einen schönen
Hinterlader fSr Scbroot), welche von den Hörnern des Büffels gefafst
and umher geschleift worden war, so dafs der eine Lauf an seiner
Mündung wie zusammengehämmert erschien und ein tiefer Eindruck
im harten Schaftholze von den Hufen die Wucht seines Körpers be-
zeugte (ein Unfall, der indefs bald wieder gut gemacht werden konnte)
and eilte zurück nach meiner Barke, wo ich Leute mit einer Bettstelle
absandte,' um den Verwundeten zu holen, der allmfthlig wieder zu sieb
kam und nur den Verlast von 4 Zähnen upd einigen -Knochensplittern
zu beklagen hätte. Allein es sollte noch schlimmer kommen.
15. Januar.
Nach langer Zeit kommt wieder einmal ein Berg in Sicht Es ist der
Njemati, der hart am Ostufer gelegen erscheint. Wir halten indefs zu-
nächst am Westufer, wo ein grofses Hirtenlager der Baggara- Araber an-,
getroffen wird. Habbäkum, Habbäkum, Habbäkum aschera (Gut Freund I
eig. Euer Bruder) und 1 0 Mal wiederholt rufen die Leute , sobald sie
schwarzbraune mohamedanische Glaubensbrüder am Ufer sehen. Die
nächsten Worte, die alsdann ausgetauscht werden, sind: Ssemmen, Ssem-
men, Ssemmen I d. h. Butter, Rob, Rob d. h. Buttermilch, darauf erwiedern
jene: Esch, Esch, d. h. Durrakorn, dann wieder die Schiffsleute: nein, das
haben wir genug, und dann beginnt es wieder von Neuem : Ssemmen und
Habbäkum tausendmal. Endlich sind wir am Ufer und umarmen die
Habbäkum's in innigster Herzensrührung. Letztere gehen aber auf
di(«e gar nicht ein, sondern lassen sich Alles hübsch zu Chartümer
Marktpreisen bezahlen, so dafs die Schiffsleute sie Nasbatälin nennen,
d. h. schlechte Leute, weil sie nichts umsonst hergeben wollen. Da-
gegen sind die Frauen sehr entgegenkommend und wetteifern mit ein-
21»
324 Brief des Dr. G. Schweinfurth
ander, um möglichst viel Besucher für ihre Merissa-Bierkneipen anzu-
locken. So vergeht der Tag in Saus und Braus, wfihrend ich mich
in' der ausgebrannten Steppe langweile und zum Zeitvertreib die Kin«-
der mit Zwieback wie bei uns mit Bonbons tractire. Die Baggara
sind nicht ^Hirten, wie sie die Idylle im Sinne der lieben Heimath
kennt^, es sind sämmtlich Horsemen, beritten und kriegerisch, räober-
haft und kecker und verwegener als irgend ein äthiopischer Stamm des
Ostens. Den Elephanten erlegen sie mit Lanze und Schwert, mit
Löwen und Leoparden spielen sie wie mit Jungen Katzen. Viele ver-
dingen sich daher bei den Händlern am obern Nil, und ' es kamen
Mehrere, um auch mir ihre Dienste anzubieten, da ich ja, wie sie
meinten, auch besonders das Einfangen von Sklaven zur Aufgabe habe.
Auch darin sind sie von ihren weit weniger civilisirten und zugleich
weit weniger muthigen Brüdern des Ostens und Nordens verschieden,
dafs sie mehr auf Kleidung halten und meist indigoblane Hemden tra-
gen, wie die Bauern Aegyptens. Wohlhabende Baggara haben aach
Kleider von purpurrotbem und geblümtem Kattun, ein fremdartiger
Anblick inmitten dieser nackten Wilden. Am Abend wurde hinüber
zum Gebel Njemati gefahren und dieser selbst besucht. Ich fand
mehrere Prachtbäume aus der Familie der Capparideen in Blüthe, die
von Weitem wie rosenrothe Rhododendren erschienen. In den tiefen
Spalten und Rissen der Gpanitfelsen wimmelt es von Milliarden von
Fledermäusen, und ein erstickender Mistduft haucht aus diesen dämo*
nischen Schlünden entgegen. Ich schiefse vergeblich auf einen mar-
melthi erartigen Nager, welcher katzengleich über die Felsblöcke schlupfte.
Der Boden unter den Bäumen des Uferrandes wimmelt jetzt von den
herabgefallenen pflaumenartigen Fruchten des Hegelig (Balanites aegyp^
tiaca)^ eines weit über Afrika verbreiteten Baumes. Diese Pflaumen
sind wie saftige Datteln, aber etwas bitterlich von Geschmack und,
wie die meisten Fruchte des Nil-Gebietes, an Pfefferkuchen erinnernd,
eine Beobachtung, welche bereits ein Reisender des vorigen Jahrhun-
derts gemacht haben will, und der ich ihrer Originalität wegen bei-
stimme. Auch Tamarindenbäume voller Frucht, welche mit ihrem
tiefen Schatten den Wanderer zum Ausruhen auffordern, traten hier
zuerst auf, ein langersehntes Ereignifs für mich, der ich nach langem
Gebrauch von Schwarzbeerensaft, vulgo Bordeaux -Wein, darnach
lechzte. Weshalb man in Deutsch- und Rufsland, wo es Schwarz- oder
Heidelbeeren in Menge giebt, nicht die Fabrication dieses in Tro-
penländern einen hohen Grad von Conservationsfähigkeit bewährenden
und namentlich für landesübliche Magenkrankheiten ein vorzügliches
Medicament abgebenden Getränks en gros betreibt, weshalb man über-
haupt in Frankreich bei der reichen Weinproduction der letzten Jahre
an seine Matter. 325
aod den dadnrcb gedrückten Preisen nicht lieber vin d'airelle, als vin
de Medoc etc. aaf die Vignette druckt und sicif diesen um so theurer
bezahlen läfst, sind Fragen, welche mich beim Einschlafen nach den
Mühen dieses Tages lebhaft beschäftigten.
17. Januar.
Abermaliges Zusammentreffen mit Baggara- Arabern, welche nicht
nar das ganze linke Stromufer inne haben, das sie im Winter, wenn
die Steppen des Innern verbrannt und verdorrt sind, besuchen, son-
dern die sich auch auf den Inseln und dem rechten Ufer festsetzen,
von wo sie im Laufe der letzten Jahre die Schilluk-Neger fast gänz-
lich verdrängt haben. Die Region des leichten Schwimmholzes hat
nan far eine weite Strecke Unterbrechung erfahren, erst in den näch-
sten Tagen (am Datum des Briefes) werde ich wieder dieselben er-
reichen; hier sind die Flufsufer und die zwischen den Inseln immer
schmäler werdenden Kanäle mit dichtem Schilf und Zuckerrohrmassen
bedeckt
18. Januar.
Die Gegend beginnt in besorgnifserregendem Grade langweilig zu
werden. Indefs finde ich am Halteplatze hinreichende Ausbeute, um,
wie bisher, den ganzen Tag beschäftigt zu sein. Schwarzbraune En-
ten and Löffelenten werden geschossen; den Thrangeschmack ihres
Fettes überwältigen rother Pfeffer und die sauren Gurken, die ich in
Cfaartiim besorgt, bei deren Genofs ich in der bedeutenden Hitze des
Tages unwillkürlich an die Sauergurkenzeit Berlin's erinnert werde.
Nachts unterhält man sich mit Erzählungen von Abenteuern in den
oberen Nilgegenden. Ein Jeder will etwas ganz Absonderliches, Nie-
dagewesenes erlebt haben und beschwört beim Koran und dem Bart
des Propheten die Wahrheit seiner Aussagen. Solcher Authenticität
gegenüber kann ich das Wichtigste dieses Neuesten aus Afrika dem
Leser dieser Zeilen nicht vorenthalten. In einem südlich vom Ge-
biete des Njäm-Njäm gelegenen Lande hat man Männchen gesehen,
die nie über 3 Fufs Höhe erreichen, einen langen weifsen Bart bis
an die Knie tragen und bewaffnet mit guten Lanzen, den Elephanten
unter den Leib jBchlüpfen und ihn so leicht erlegen, da er mit seinem
Rüssel ihrer nicht habhaft werden kann. Sie verkaufen den Händlern
viel Elfenbein und sollen den Namen Schiber di gento fuhren. Der-
gleichen Sagen von Pygmäen scheinen jetzt ebenso sehr Mode im. Sudan
zu sein, wie ehedem die Erzählung von geschwänzten Menschen. Alex.
Dumas an höherem Blödsinn überreiche Schrift: „rhomme a queue**
326 Bri«f <i«8 Dr. G. Schweinfurth
erregt nun mit sein'en sinnreichen Illustrationen die höchste Theil nähme
der Schiffsgesellschaft.*
19. Jannar.
Die Gegend wird so langweilig, dafs ein Nichthotaniker sagen
wiirde, dafs sie sprüchwörtlich sei. Indefs finde ich die reichste Aas-
heute in der vollendeten Wildnifs des rechten Festlandsufers. Büffel-
pfade allein bahnen durch die dichten Dorn- und Lianenmassen viel-
fach geschlungene Wege, auf welchen ich vor einer Menge Bewaffne-
ter einherziehe, da man beim Anblick der massenhaft angehäuften fri-
schen Losung dieser Thiere jeden Augenblick ein gefahrliches Reo-
contre erwarten kann, wie am 14. Januar. Wir segeln die ganze Nacht
hindurch, welche durch weit ausgedehnte SteppenbrSnde erhellt wird.
Das Gegurgel der Hippopotami am Wasser will gar nicht aufhören
und beginnt im höchsten Grade langweilig zu werden. Manchmal
glaubt man sie in nächster Nfihe zu vernehmen und schaut sich um
nach ihnen, um in weiter Ferne ihre plumpen Köpfe als ebenso viele
schwarze Punkte zu erblicken. Nachts auch am linken Ufer Löwen-
gebrüll zur Abwechselung, damit Afrika immer etwas Neues biete.
20. Januar.
Heute in Folge des starken Windes kühles Wetter; Nachmittags
nur -f- 38 Grad C. Der- Defafang, ein vom rechten Ufer etwas ent-
legener höherer Berg, taucht nun auf und bezeichnet die Grenze, welche
jetzt zwischen dem ersten Neger-Gebiet und dem Hirtenland der Bagt^ara
besteht. Bei einer herrlichen Wildnifs wird angelegt und reiche Aus-
beute gemacht, da mehrere bisher nicht gesehene Bäume und Str&ncher
in Btüthe stehen, darunter auch die abjssinische Besenna (Albi%sia
anihelminthica Brongn.), deren Rinde das vorzüglichste Band Wurmmit-
tel, das man kennt, liefert. Ein Varanvs (grofse Eidechse 3 Fufs
lang), schwarze Ibise und Meerkatzen werden erlegt.
21. Januar.
Vormittags segeln wir, weil Tiefwasser, hart am Schilfrande des
linken Ufers und scheuchen eine Büffelheerde auf, welche früher ver^
schwindet^ als man nach der Büchse greifen kann. Bald darauf Höl-
lenl&rm und Geschrei in einem benachbarten Zeltlager der Baggara.
Man gewahrt Hunderte von Männern mit Schwerdt und Lanze bewaff-
net und viele zu Pferde der Stelle zueilen, wo wir die Büffel sahen,
und vornehmen, dafs einem der Habakkum dasselbe Malheur, vielleicht
nur schlimmer, passirte, als meinem unglücklichen Mohamed Amin,
dessen von mir mit 2 Insecten nadeln zusammengenähte Oberlippe
an seine Matter. 327
flehnell zudammeDgewachsen lat und der nan mit Bleiwasser und Ca-
millentbee einen Knochensplitter nach dem andern ausspuckt, während
er sich sonst den Umständen nach ganz wohl befindet. Der gute
Wind treibt uns indessen bei den Baggara vorüber, ohne dafs wir ge-
naue Details über die Ursache des Alarms erfahren können. Nach-
mittags segeln wir mit einer Pelican-Flotille um die Wette, welche
sich durch wiederholtes Schiefsen nicht von ihrem Conrs abbringen
lälst, bis einer dem Schroote erliegt. Aus dem die Brust dieser Thiere
bekleidenden Fell bereiten sich die Wilden oberhalb (hier selten ge-
sehene) perrGckenartige Mutzen, welche täuschend üppigem wei-
fsen Haarwuchs gleichen und in jeder Theater- Garderobe eine Rolle
spielen könnten. Mit Sonnenuntergang wird bei einer verlassenen
Niederlassung des ehemaligen Haupt- Räuberhauptmanns vom weifsen
Nil gebalten. Der Platz, von £rd wällen und Gräben umgeben, liegt
am linken Ufer, unfern des Dorfes Kaka. Was hier am meisten
überraschte, waren die erstaunlichen Massen angehäufter Knochen
von den hier vor einigen Jahren zusammengeraubten geschlachteten
Rindern. Allein ich brauche Menschenschädel und darf ohne dieselben
nicht nach Berlin zurückkehren. Daher ist es jetzt an der Zeit, dafs
meine Leute ihre Versprechungen erfüllen. Und in der That sehe ich
mich, da ich ihnen zu viel abergläubische Scheu zugetraut, beschämt,
denn mit die gesehenem Eifer wühlt nun Alles in den Knochenhanfen
oder durchstöbert die halbverbrannten Steppen im Umkreise des un-
heimlichen Ortes. Leider aber ist Alles dermafsen zerstückelt, ver-
brannt und verwittert, dafs.nur zwei taugliche Hirnschädel aufgelesen
werden. Ich bin aber froh über die Bereitwilligkeit meiner Leute und
lege mich befriedigt, in Erwartung späterer Beute, nieder.
22. Januar.
Mittags wird in Hillet Kaka, einem grofsen Negerdorf, gehalten.
Nackte Schilluk in grofser Anzahl kommen zu Schiff, hauptsächlich
aas Neugierde, den Hund zu sehen. Ein grofser Sombrero mexikani-
scher Mode, der mein Haupt vor den Sonnenstrahlen schützt, erregt
auch die Wifsbegierde der Wilden, und da sie aus eigenem Haarfilze
ein ganz ähnliches, nur minder umfangreiches Geflecht auf dem Schei-
tel tragen, mache ich auf die grofse auch in diesem Punkte zwischen
einem Weifsen und einem Schwarzen bestehende Analogie aufmerksam.
Wie grofs war aber erst ihr Erstaunen, als sie sahen, das man das
Ding auch abnehmen und wieder aufsetzen könne; das lag allerdings
bei ihnen aufser dem Bereiche der Möglichkeit. Sie werden mit
ihren hohen Filzkämmen so zu sagen geboren, denn bereits beim
Säugling beginnt man mit Gummi und Asche das Scheitelhaar zu
328 Brief des Dr. 6. Schweinforth
einem halbkreisartigen Kamme zasammen zn kleben, so dafs es mik
der Zeit genaa die Gestalt eines massiven Heiligenscheins ansanehmen
vermag. Die ode Steppe in der Umgegend von Kaka bot nichts mei-
nen Blicken, was far die Sammlung verwerthet werden konnte, da die
▼erdorrten Reste der letzten Vegetationsperiode durch Feuer vollends,
vernichtet waren. Ich fuhr also weiter und wollte an einer Stelle hal-
ten lassen, wo ein üppiger Uferwald reiche Ausbeute in Aussicht stellte.
Die Stelle ist auf allen Karten dadurch leicht zu finden, weil hier der
Nil mehrere Meilen lang eine ausnahmsweise südöstliche Richtung ein-
schlägt. Indefs mein Wunsch wurde durch einen Vorfall vereitelt, an
welchen ich jetzt noch mit Schaudern und Schrecken denke. Wegen
der unpassenden Windrichtung ging ein Theil der Bemannung mit dem
Seil das. Schiff ziehend am Ufer entlang und kam einem Riesenbienen-
schwarm, wie ihn die ältesten Nilfahrer nie und nirgends gesehen
haben wollen, in den Weg. Sie wurden von den Bienen nberfaUen,
stürzten sich auf den Flufs, von demselben auf die Barke und brach-
ten so auch über uns Andere das Unglück, vor welchem ein günstiger
Wind uns leicht bewahrt haben würde. Ich arbeitete bei meinen Pflan-
zen in der Cabine, nichts Böses ahnend, als ich über und um dieselbe
herum ein Rennen und Springen der Leute vernehme, das ich anfangs,
da solches an der Tagesordnung stand, für Ausgelassenheit hielt. Mehr-
mals rufe ich den Leuten zu, was diese Tollheit zu bedeuten habe,
erhalte aber keine Antwort. Da stürzt einer derselben ganz verwirrt
mit dem Ruf herein: Bienen, Bienen I Eben will ich eine Pfeife an-
zünden, thörichter Versuch, als ich mich plötzlich im Gesicht and an
den Händen von den empfindlichen Stichen getroffen fühle, und bereits
Tausende in dichten Massen mich umsummen. Ich greife nach einem
Handtuch, um meinen Kopf zu schützen, es hilft aber nichts; ich schlage
wüthend um mich, um so mehr vergröfsert sich die Hartnäckigkeit der
Insekten ; da werde ich an den Augen verletzt, und Stich neben Stich
fällt mir in das Haupthaar; die Hunde unter meinem Bett springen
wie toll auf, werfen eine Menge Sachen um, und ich selbst, meiner
Sinne nicht mehr mächtig, stürze mich in Verzweiflung kopföber in
den Flufs, tauche unter, allein alles vergeblich, es regnet formlich Stiche
auf meinen Kopf. Ich achte nicht auf den Ruf meiner Leute, ja am
Bord zu bleiben, und suche mich im Ufersumpfe durch das hohe Schilf-
gras, das mir die Hände zerschneidet, fortzuschleppen, um im Walde
Schutz zu suchen. Da packen mich 4 kräftige Arme und schleifen
mich gewaltsam durch den Ufersumpf, dafs ich im Schlamme zn er-
sticken glaube, wieder in 's Schiff. Die Hunde waren mir nachgestürzt,
ich konnte nur die Worte hervorbringen: rettet den Hundl Als ich
fi^ieder auf der Barke war, gelang es mir endlich, ein Laken aus dem
an seine Matter. 329
£offer za zerren, and fand nun endlich Schutz, nachdem ich die in dieser
fioJle mit eingeschloMenen Bienen nach und nach zerquetscht hatte.
Mittlerweile hatten meine vortrefflichen Lieate mit grofser Selbstver-
leugnung wirklich den Arslan wieder an Bord geschafft und unter
TScher gedeckt. Drei volle Stunden mufste ich krampfhaft zusammen-
gekauert ausharren, während das Summen um mich herum ununter-
brochen fortwährte, und einzelne Stiche noch durch das Laken hin-
dorcbfielen. Da vernehme ich das Prasseln eines am Ufer im dürren
Schilf angemachten Feuers, und nun, während wir Alle lautlos in un-
sereo Stellungen verharrten, gelang es endlich, die Bienen von der
Barke abzubringen, diese selbst flott zu machen und das jenseitige
Ufer zu erreichen. Nun erst konnte man sich den Schaden ansehen.
Mit Hülfe eines Spiegels und einer Pincette zog ich mir alle sichtbaren
Stacheln aus Gesicht und Händen, sie hatten eine Länge von 2 Milli-
meter; alle diese Stiche blieben ohne schädliche Folgen. Dagegen war
es unmöglich, im Haar die Stacheln ausfindig zu machen, viele waren
bei meinem wahnsinnigen Gebahren abgebrochen und zerquetscht woi^
den. Diese letzten erzeugten aber eben so viele kleine Geschwüre, welche
2 Tage lang empfindlich schmerzten. Der arme Arslan war schreck-
lieh am Kopf und an den Augen zugerichtet, im langen Haar des
Rückens dagegen waren die Stiche wirkungslos geblieben. Sehr be-
klagen mufste ich nun den Verlust des netten HQndchens von Char-
tnm, welches sich verloren hatte und das jedenfalls den Stichen erlegen
war. Von diesen Mordbienen habe ich viele aufbewahrt. Niemand
auf meiner Barke hatte sie früher gesehen, überhaupt war es ihnen
unbekannt, dafs solche Insekten ein Schiff überfallen, ohne dafs man
ihren Nestern zu nahe gekommen war. Das Merkwürdigste aber war,
dals alle in unserm Kielwasser steuernden Barken an diesem und den
nächsten Tagen an derselben Stelle die nämliche Plage zu bestehen
hatten, so viel ich weifs 16 an der Zahl. Nun mufs man sich die
Verwirrung vorstellen, welche erst an Bord von Barken geherrscht
haben mufs, welche eine Bemannung von 50 — 80 eng zusammengedräng-
ten Bewaffneten führten. Beim Schlafengehen wünschte ich mir
lieber 10 Büffel und noch 2 Löwen dazu, als je wieder etwas mit Bie-
nen zu thun zu haben, ein Wunsch, in den die ganze Schiffsgesellschaft
lebhaft einstimmt. Ich nehme Chinin und erwache morgens neu ge-
stärkt und munter zu erneuter Thätigkeit. Mehrere argzugerichtete
Soldaten haben in der Nacht heftiges Fieber gehabt.
23. Janaar.
Es wird wieder am rechten Ufer, wo üppiger Urwald, gehalten
und unter beständiger Furcht vor Bienen eine Excursion gemacht, die
330 Brief des Dr. 6. Schweinfarth
reiche Ausbeate liefert. Ich führe ein Bündel Stroh und Zandholzchen
bestfindig bei mir, am zar Abwehr sofort das dürre Gras in Brand
stecken za können. Ein fast voUstftndiges Negerskelett wird gefanden
und sorgfältig verpackt. Seit 3 Tagen ist auch eine Art Tsetsefliege,
welche recht empfindlich aber ohne Folgen sticht, sehr häufig. Die
Rinder und das meiste Hausrieh erliegen bekanntlich immer einer
durch ihre Stiche bewirkten innern Krankheit. Nachmittags gewahrt
man mit Entsetzen wieder Bienen im Ufergrase und flieht daher znm
linken Nilufer hinüber, wo man mit zahlreichen Negern zusammen-
stofst, welche auf kleinen leichten Ambatsch-Efihnen Fischerei treiben
and hurtig wie die Fische selbst die Fluthen durchschneiden. Da der
Ambatsch bis mannsstarke Stämme bildet, welche plötzlich in eine
dünne Spitze aaslaufen, so braucht man nur eine Anzahl solcher
Stämme mit Stricken zosammen zubin den, um eine Art langgeschnfibelte
venetianische Gondel zu erbalten. Das linke Ufer ist nun, so weit
das Auge landeinwärts reicht, mit Hütten and kleinen Dörfern, die
kein Ende nehmen, besetzt, welche in Abständen von kaum einigen
hundert Schritten gelegen, eine anfserordentlich dichte Bevölkerong
verrathen. Berücksichtigt man nun die weite Ausdehnung des Schilluk-
Gebietes am Ufer des weifsen Nils, so erscheint die Annahme einer
Bevölkerung von 3 Millionen ffir dieses Volk keineswegs übertrieben,
ein Umstand, welcher bei einer Statistik Aegyptens wohl zu berück-
sichtigen wäre, da alle diese Schilluk jetzt aus dem Afien menschenalter
mit Uebergehung von Stein- und Broncezeit direct in das löbliche
Unterthanen-Stadiam übergegangen sind und nach ihrer Art (in Rindern)
punktlich ihre Steuern zahlen.
24. Januar.
Morgens halten wir unfern Faschöda am Ufer und eröffnen zam
erstenmale mit Hülfe der Glasperlen einen regen Tauschhandel mit
den Negern. Die Perlen sind aber bereits so sehr im Preise gesunken,
dafs man Eier, Huhner, Milch etc. genau zu Chartamer Marktpreisen
kaufen mufs, was ja auch, bei ihrem jetzigen Uebergangsstadium zum
Menschen und Untertbanen den armen Wilden nicht mehr als recht und
billig erscheinen mag.
Am Mittag hatten wir Faschöda erreicht. Der Gouverneur war
nicht am Platze, sondern mit der Mehrzahl der Truppen, 500 Mann,
2 Kanonen und einem Dampfer, im Lager oberhalb 6 Standen bei den
Dörfern des Schilluk -Königs. Sein Stellvertreter empfing mich sehr
zuvorkommend, schickte sogleich 2 fette Hammel der eigenthämlichen
Schilluk-Race, welche durch einen mähnenartigen Bart unter dem Halse
aasgezeichnet ist, und stellte mir seine Böte, Maulthiere, Pferde, Sol-
an seine Mutter. 331
daten, kurz Alles zur Verfügung, um die Umgegend in Augenschein
zo nehmen. Letztere aber erschien in sehr dürftigem Gewände. Die-
ser seit 2 Jahren stadtartig erbaute Ort besteht auTser dem Militair-
posten, dessen Lehmmauem, an welchen hunderte von Wasserrinnen
wie ebenso viele Kanonen sich ausnehmen, von Weitem wahrhaft im-
poniren, eigentlich nur aus einem grofsen Haufen von runden Stroh-
hotten mit Kegeldächern (im Sudan Tokui genannt). Da aber alle
Barken hier mehrere Tage halten, so bringt schon allein die zahlreiche
Mannschaft der letzteren sehr reges Leben in den Ort. Viele ägyptische
Galeerensträflinge, fessellos, weil ein Entwischen hier ebenso schwierig
ist, wie in Sibirien, treiben sich bettelnd am Ufer umher, reden mich
mit französischen und italienischen Phrasen an, tragen aber keineswegs
nur Gemfithlichkeit dieses Ortes bei.
25. Januar:
Ich lasse mein Zelt aufstellen, es müssen aber beständig, aus
Furcht vor Dieben, Leute mit geladenem Gewehr bei demselben Wache
stehen. Viele Barken kommen und gehen weiter nach den oberen
Gewässern. Alle haben noch von den Nach wehen der Bienen plage
bei Djerah-Esch zu leiden. Eine Barke ist da, deren ganze Mann-
schaft einen halben Tag, von Mittag bis zur einbrechenden Nacht, im
Wasser aushalten mufste, hippopotamusartig ab und zu den Kopf her-
vorsteckend, um etwas Luft mit einigen Dutzend Bienenstichen zu er-
kaufen.
26. Janaar.
Seit einigen Tagen ist die Witterung wieder ganz kühl geworden,
ein wüthender Nordost bläst unaufhaltsam und läfst nur nach Sonnen-
antergang etwas nach. Abends geht einem unserer sogenannten Sol-
daten unversehens das Gewehr los, ein Ereignifs, welches mich nicht
im Geringsten in Erstaunen setzt, da ich solches stündlich erwartete.
Die Kugel pfeift über die Barke weg mitten durch das Getümmel der
Mannschaft. Am selbigen- Tage hat auf einer ebenfalls hier ankom-
menden Barke ein Bewaffneter einem Sklaven des Vice -Gouverneurs
durch den Arm geschossen und dafür 150 Thaler Strafe zahlen müs-
sen, eine Summe, welche von der ganzen Mannschaft zusammengebracht
wurde, da ein solches Versehen, wie sie sagen. Jedem hätte passiren
können. Aus Achtung vor mir fallt nun der Sachwalter des Ghattäs,
der eigentlich commandirt, und Hauptmann, Bulluk Baschi, genannt
wird, sich mit der ganzen Mannschaft bisher aber kameradschaftlich
gestellt hat, über den Missethäter her, streckt ihn zu Boden und zählt
ihm mehrere Dutzend Hiebe auf. Ich lasse ihn gewähren und sage,
dafs mich nichts wundere.
^
332 Brief des Dr. G. Schweinforth
27. Jannar.
Da die arabischen Namen eich so oft wiederholen, wie Brown
nnd Smith, and allein 6 Mohamed's auf unserer Barke sind, so wer-
den die Meisten mit Spitznamen gernfen. Da beifst einer Aba aschera,
d. h. der 1 0 Väter hat, ein Anderer ßerdaniti, der Frostige, ein Dritter
Nerereh, ein Vierter Abu Bekrr (Name des ersten Chalifen, hier
witzig in seiner Wortbedeutung: „Vater der Jungfrau^ verstanden,
d. h. dem die Brodbereitung zu überwachen obliegt), ein Fünfter wird
Sohn des Säemanns, Wolled Basir, gerufen. Die Mannschaft ist im
höchsten Grade thoricht und voller Aasgelassenheit und dummer Streiche.
Da ist kein Händeanlegen an irgend eine Art Arbeit, ohne dafs dabei
schlechte Witze gemacht werden. Auch fehlt es nicht an einem Esprit
amüsant, dessen Mund weder bei Tag und Nacht einen Riegel duldet.
Macht sich einer lächerlich, so wird er mit vielstimmigem Gebrüll
von: hue, huS, huel (d. h. wortlich c'est lui) empfanget. Das Me-
rissabier von Faschöda, Eurbisweise gemessen (denn Seidel oder Maafs
kennt man hier nicht), trägt naturlich auch das Scinige zu dieser Aus-
gelassenheit bei. In ihren Späfscn und Spielen sind diese Leute so
naiv wie Kinder.
Von einem türkischen Offizier und einigen Soldaten begleitet,
mache ich einen Ausflug zu Pferde nach einigen benachbarten Dörfern
der Schilluk, ich sehe aber nur, was mir bereits in den letzten Tagen
zu Gesicht gekommen, aschgraue und rostrothe Teufel, endlose Kegel-
hütten und Rinderheerden, ohne einmal eine Schaale frischer Milch
angeboten zu bekommen.
28. Januar.
Ich habe Morgens bei Sonnenaufgang nur + 17 Grad C. im Zelt.
Haubenkraniche und verschiedene Vögel des Storchgeschlechts werden
am Ufer erlegt, auch wieder ein riesiger 4 Fufs langer Leguan er-
wischt.
29. Januar.
Eine Schädelstätte in der Nähe des Orts, wo vor 3 Jahren ein
Kampf mit den Wilden statt hatte und wo eine einzige Kanonenkugel
15 Mann hingestreckt hatte, wird von meinen Leuten ausfindig ge-
macht, und ich erhalte 18 prächtige, noch in keiner Sammlung befind-
liche Exemplare der Schilluk-Race, deren Verpackung, sowie diejenige
der bisher gemachten Ausbeute, mich tien Tag über beschäftigt. Ich
übergebe einige Kisten dem Vice-Gouverneur, der dieselben bis Char-
tum mit dem zurückkehrenden Dampfer befordern soll, wie die Ordre
des General-Gouverneurs lautet.
30. Januar.
Selbst den Nilpferden scheint es jetzt im Wasser zu kühl zu wer-
den, denn mit Sonnenaufgang kommen sie auf einer benachbarten
an seine Mutter. 333
Sandbank in Menge zum Vorschein. Ich scbiefse zum Plaisir mehrere
^pfundige VoUkageln auf sie ab^ die Kugeln aber prallen vom Wasser
ab. Abends bewirthe ich in meinem Zelte den Vice-Gouverneur mit
Sardinen und sauren Gurken, Hammel-Cotelettes und Griespudding mit
Rosinen. Der Gast trinkt keinen Wein, es wird daher bittere Pome-
ranzenlimonade mit viel Zucker bereitet. Mit Hülfe meiner ßlechteller
verschaffe ich mir in der Asche des Feuers vorzügliches Brod aus
Weizen des vorigen Jahres, in Chartüm gekauft. Auch der Genufs
dieser Speise tritt wohlthätig den Einflüssen der Schwarzbeerentinctor
entgegen und macht den der Tamarinde unnöthig.
31. Januar.
Ich beschliefse den Monat und den Aufenthalt in Faschoda, wo
meine Barke grofsen Kornvorrath nimmt, mit einem Besuch des rech-
ten Ufers. Perlhühner und eine mittelgrofse Pythonschlange von sechs
Ellen Lange erbeutet. Ein prachtiges Büchsenfutteral für mein gröfs-
tes Elephantengewehr mit gezogenem Laufe, eine Art kleiner Kanone,
die mit 4 Drachmen Pulver geladen werden kann, ohne empfindlich
zu stofsen; ebenso werden viele Riemen für die Pflanzenmappen aus
der Schlangen haut geschnitten.
1. Febmar.
Abends treiben wir ohne Segel bei tobendem Sturm stromaufwärts
and langen bei Sonnenaufgang im Lager des Gouverneurs an. Mit
Sang nnd Klang und Trompetenschall empfangen, führt der Gouverneur
mich zu seinem Zelt, wo ich, eine Pfeife nach der andern rauchend,
ihm von den Nilquellen und den Ereignissen des siebentägigen Krie-
ges, von Abyssinien und der politischen Weltlage stundenlang erzählen
mufs. Zum Dank dafür erhalte ich einen fetten Bullen und 2 junge
Ziegenböcke. Auch den König der Schilluk, adamitische Majestät, sehe
ich im Zelte des Gouverneurs, er scheint etwas Arabisch zu verstehen,
da er aufmerksam den Gesprächen zuhört. Ich bin der weifseste Mann,
den er gesehen hat, denn, obgleich der Gouverneur ein Kurde von
Geburt ist, erscheint doch seine Haut stark gebräunt, und die übrigen
Türken am Platze sehen aus wie gelbe Mumien. Ich habe nun die
gröfste Hälfte des Weges zum Gazellenflusse hinter mir und fahre
morgen weiter stromaufwärts. Das Wasser des Stromes ist hier we-
gen der Nähe der Sobat-Mündung (eines klaren Gebirgsflusses) weit
wohlschmeckender als oberhalb. Nun geht's in die Region des Papyrus
und dann auf nächstem Wege zum Gebiet der Zwerge und geschwänz-
ten Menschen.
334
6. Schweiafarth:
Pflanzen -Namen der Bega- Sprache
zwischen Suakin und Berber
aufgezeichnet 1868 ron Dr. G. Schweinfnrth.
Die Schreibart ist der norddeutschen Aassprache angepaCst Die
auslautenden Consonanten, wenn sie nicht verdoppelt sind, wer-
den nur undeutlich, halb verschluckt ausgesprochen. Die Nummern
hinter den lateinischen Namen sind jene, unter welchen die betref-
fende Art in Schweinfurth's und Asdherson's Katalog der Geffi&pflan-
zen der Nilländer (Schwelnf., Beitrag zur Fl. Aeth. I. 253—303) auf-
geführt sind. Die gesperrt gedruckten Arten sind aus Nubien noch
nicht verzeichnet.
Mimosaceae.
1. Acacia etbaica Schwf. Arratt.
2. — Ehrenbergiana Hayne.
Selem.
3. Acacia mellifera Benth. 12.
Eittr. Tekker.
4. Acacia pterygocarpa St 13.
Laüd. LaaO.
5. Acacia spirocarpa H. 15. Ssan-
ganeb.
6. Acacia tortilis Hayne. 16. Se-
jäl.
Moringaceae,
7. Moringa arabica Pers. 44. Re-
bahandit.
■
Caesalpiniaceae,
8. Caesafpinia elala Sw. 54. Ba-
banib.
9. Cassia obovaia Collad. 62. Om-
berkit. Amberkit.
Papilionaceae.
10. Crotalaria microphylla V. 145.
Quädd. Ohkoät. Ökot.
11. Crotalaria remotiflora H.
Quadd. Ohkoät, Okot.
12. Indigofera argentea L. 218.
var. nubica. Omai.
13. Indigofera lepiocarpa H. St.
Täbber.
14. Indigofera Schimperi J. n. Sp.
241. Ssarrätt.
15. Indigofera semitrijuga F. 242.
Dämra.
16. Indigofera spinosaF.2i3,Ssin'
gätt. Ssangätt.
17. Tephrosia Apollinea D. C. 353.
Abit.
18. Rhynchosia Memnonia D. C.
331. HaiTn.
Zygophyllaceae.
19. Tribuhn aUüus D. 569. Schik-
schik.
20. Zygophyllum decumbens D. 578.
Alkarbän.
21. Zygophyllum simplex L. 580.
LilankoT. Ankalait.
Pflanzen -Namen der Bega- Sprache zwischen Suakin und Berber. 335
Ruiaceae.
22. Haplophyllum tuberculatum A.
Jass. 581. Aia-tebu.
Burseraceae.
23. Balsamodendron Opobahamum
Kth. (= B.gileadense Kth. 594)
Ajökt. Majäk.
24. Bahamophloeos Kataf Berg.
596. Karkanit.
Änacardiaceae.
25. Anapkrenium abyssinicum H.
598. Lähla.
26. Odina fraticosa H. 600. Hant.
27. Rhus abyssinica H. 603. Ssa-
müt.
Euphorbiaceae.
28. Anisophyllvm granttlatumSchYff,
635. Ahthädd. Adhödd.
29. Crozophora obliqua A. Juss.
658. Abotniaai.
30. Euphorbia abyssinica
Raeusch. 664. To HTt.
31. Euphorbia Thi Schwf. Ja-set-
hlt (d. b. Hit der Hunde). Ahit.
32. Euphorbia triacanthaEhvb.C^ßd,
Ja-set-hit. Ahit.
33. Jatropha lobata MuH. Arg. 678.
Lamberett.
34. Lyciopsis cuneata Schwf. 681.
Job.
35. Phyüanthus tnaderaspatensis L.
684. Add-el-fadd,Add-el-deIläg.
36. Ricinus communis L. 693. Bei-
igst. Belläst.
Rhamnaceae,
37. Ziiyphus Spina Christi W. 726.
Oab&t.
Celastraceae,
38. Celastrus parvißorus V. (= ar--
butifolius H.) 734. Debbel-äh.
Sapindaceae,
39. fJodonaea arabica H. (= D.
viscosa, 760, non L.) Obn.
Balanitaceae.
40. Balanites aeyyptiaca D. 781.
Schaschöt.
Tiliaceae.
41. Antichoms depressus L. 814.
Hiuaimet. E&hlhagg.
42. Grettia eryihraea Schwf. Al-
mäüd.
43. GrewiapopulifoliaV,S3S,hl\iät.
Sierculiaceae.
44. Sterculia tomentosa G. P. R,
(= seti(jera D. 870) Tabaragui.
Jtfalvaceae.
45. Abulilon muticum Webb. 879
Hambök.
46. Hibiscus nitifolius Gav. 912.
Hambok.
47. Sida alba L. AbedküUa.
Portulacaceae.
48. Mollugo Cerviana Ser. 1018.
Adal-delläg.
49. Orygia decumbens F. 1024.
Merkisfteb.
50. Fortuiaca oleracea L. 1026.
Hamem.
51. Trianthema pentandra L. 1029.
Räbba.
52. Trianihema sedifolia Via. 1032.
Okol-Hamem.
336
G. Schweinfurth:
Cucurbitaceae,
53. Citnillus Colocynihis Schrad.
1043. Hamissinät. Ssinäb.
54. Coccinia Moghadd Aachs. 1046. ;
Hammühs.
55. Cucumis Figarii D. 1052. Wol-
lät.
56. Cucumis prophetarum L. 1054.
To-Iah. Tooll.
Resedaceae,
57. Ochradenus baccfUus D. 1118.
Uad-häb.
Capparidaceae,
58. Cadaba glandtUosa F. 1137.
Karmet.
59. Cadaba longifoiia D. C. 1138.
Scbaleb.
60. Cleomechrysani ha Dcne. 1147.
Arquäb.
61. Maerua crassifolia F. 1164.
Eamöb.
62. Sodada decidua F. 1171. Ssa-
röb.
Menispermaceae.
63. Coccfilus Leaeba G. P. R. 1333.
Ealicb. Lasset. Ssalängol.
Loranthaceae.
64. Loranthus Acaciae Zucc. 1363.
Adaliafit.
Ampelidaceae,
65. Cissus quadrangularis L. 1387.
Kattütt.
Ebenaceae,
66. Diospyrus mesptüfofmis H.
1469. Arial.
Orobanchaceae.
67. Cistanche lutea Lk. Hfmg. 1493.
Hadaimit.
Acanthaceae,
68. Acanthodium spicaium D. 1515.
Thaügg.
69. Dipteracanthus patulus Nees.
1557. Eguadit.
70. Justicia Ecbolium L. 1573. Kur-
müt.
Scrophulariaceae.
71. Linaria macilenia Dcne. 1641.
Dauhäb.
72. Siriga orobanchoides R. 1667.
Hadaimit.
Solanaceae.
73. Lycium arabicum Scbwf. (=
L. mediterraneum 1700, non
Dan.) SsahaDÜn.
74. Lycium sp. Singat. Tatuihn.
75. Solanum albicaule Kj. 1713.
Qruaqruatit.
76. Solanum dubium Fres. 1719.
Teilet. Ellit To-ülü.
77. Solanum sanctum L. Maniob,
Manjött.
78. Solanum Schimperianum H.
1733. Gübm.
79. Wiihania somnifera Dun. 1742.
Mehk-an»ss.
Convoleulaceae.
80. Breweria oxycarpa H. 1762.
Hammesch-hombäkt?
81. Contolvulus Hystrix V. 1770.
Ahid?
82. Ipomoea obscura Cbois. 1801.
HantQt.
83. Seddera latifoHa U.U. St 1818.
Ham m escb-hombäktL,S8imgedrt.
Pflanzen -Namen der Bega- Sprache zwischen Suakin und Berber. 337
Aspcrifoliae.
94. Ämebia kispidisHma D. G.
1825. Aguadit.
85. Heliophytum Steudneri
Schwf. Qaerrerah.
86. HeUotropium bicolor H. St.
1851. Kurt.
87. Trichodesma africanum R. Br.
1873. Hamaech-gaodd.
88. TrichodesmaEhrenbergii Schwf.
(= 1876) Täddat.
Cordiaeeae,
89. Cordia subopposUa D. C. 1881.
Diigrär.
«
Verbenaeeae,
90. Ltmtana Kisi R. 1891. Nebba-
bellam.
91 . ^emna resinosa Schauer. 1900.
Talluint. Ssät.
Labiatae,
«
92. Coleus barbatus BeDth.
1924. Eaüah.
93. Latandula coronopifolia Poir.
1943. Balolib.
94. Ocimutn menthifoUum H. 1986.
Jadamit. Jadanit.
95. Otosiegia integrifoliaBth,
1993. GaoahandTp.
Asclepiadaceae.
96. ßuccroßia Russeliana Gourb.
2059. Karaib.
97. Cahtropis procera R. Br. 2060.
Umberress. Birres.
98. Daemia aethiopica Dcne. 2071.
Ssalamböb. Heuü.
99. GlossoHMta Boveanum Dcne.
2075. Hambukaoit.
ZtiUehr. d. 6M«Usoh. f. Brdk. Bd.iy.
•t
1 00. Leptadenia pyroiechnica Dcne.
2097. Agnet.
101. Penlatropis cynanchoides
R. Br. 2102. Hadufiiet.
102. Pentatropis spiraHs Dcne.
2103. lUahindet. Lachandlt.
103. Stapelia Ängo R. 2110.
Scboök.
104. Stapelia macrocarpa R.
2111. Felangedit.
Apocynaceae,
105. Carissa edulis V. 2122.
Hernab.
Oleaceae.
106. Olea europaea L. var. nubica
(= Phillyrea? sp. 2141.) Dada.
Rubiaceae,
107. Hedyotis Schimperi Presl.
Egnadft. Oguaiol.
Cotnpositae.
108. Diplostemma alatum H. St.
2402. Haschäk.
109. Sonchus Hochstetteri Sz.
Bip. 2618. Scheigum.
Salvadoraceae,
110. Dobera glabraJü8B, 2702.
Schei8ch5t.
111. Saleadora persica L. 2703.
Uhlp.
Plumbaginaceae,
112. Statice axillaris F. 2708. Hib.
Aristolochiaceae,
113. Aristolochia bracteala Retz.
2731. Jamiai.
22
338
G. Schweinfnrth:
Nyciaginaeeae.
114. Boerkaavia repens L. 2748.
Deretnioäb. Ssakumtit.
Polpgonaceae,
115. Rumex vesicarius L. 2785.
Abk.
Atnaraniaceae.
116. Äerva javanica Juss. 2788.
Ehgäb.
117. Amarantusgraeci^ansL. 27 9S,
Tombalekk.
118. PupaHa lappacea Moq. T. 28 10.
Halakombit.
Ckenopodiaceae,
119. Ägathophora alopecuroi-
des Bge. 2812. Gafarlb.
Urticaceae,
120. ForshUia tenacissima L. 2870.
Tädda. Schema.
Moraceae.
121. Ficvs Sycomorus L. 2897.
Eantek. Euunteb.
122. ürostigma abutilifolium
Miq. 2908. Tilt.
123^ ürostigma glumos um Miq.
2913. Kantek. Euuuteb.
Ämaryllidaceae.
124. Pancratium tortuosum Herb.
3049. Abedkulai. Onkalai.
Liliaceae,
125. Aloe abyssinica Lmk. 3101.
Kalandoi.
126. Dracaena Ombet Kotschy
Peyr. 3129. To Ömba. Tom-
bet.
' 1 27. Sanseviera Ehrenbergii Schwf.
3150. DöT. Doh.
Commelinaceae.
128. Commelina benghalensit
L. 3192. Jadäb.
Cyperaceae.
129. Cyperus roiundus L. 3290.
Ssuguet.
Gramina.
130. Chrysopogon quinqueplumis R.
3511. Teeräb.
131. CoelorrlMchis hirsutaBrong[L
3513. LlQhch.
132. Dactyloctenium giaucophylium
Coarb. 3525. EüschoD. Oh-
Euaisch.
133. Eleusine flagelUfera Nees.
3550. Homra.
134. Elionunis elegans Etb. 3555.
To Eubbel.
135. Eragrostis muUißora Aschs.
3571. Helagoi.
136. Gymnanthelia lanigera Ands.
3603. Machareb.
137. Panicum turgidum F. 3743.
Schuhsch.
138. Panicum viride L. 3746.
^ Täddat.
139. Panicum sp. hori^ioniaU äff.
Ehläb.
140. Pennisehim spectabile Fig. De
Not. 3792. Hommareh.
141. Pennisetum 8p. dickotomo aS,
Earai.
142. Pennisetum sp. Ehdebätt.
143. Tricholaena Teneriffas Lk.
3852. Teeräb.
Pflanzen - Namen der Bega-Sprache zwischen Saakin und Berber. 339
144. 7Ws/o#;Aya6ar6a/aNee8.3863.
O Täbbes. Tebbis.
145. Tristachya sp. Madchäb.
Lichenes.
146. Usnea sp. Bokscbenäk.
November -Flora von Chartum 1868*).
Kulturgewächse in den Gärten der Stadt.
d) Bäume.
Acacia nilotica D. (= A. arabica 3).
— Seyal D.
— spirocarpa H. major 15,
Albiziia Lebbek Bth.
Parkinsonia aculeata L., sehr ge-
mein.
Tamarindus indica L. 69., sehr
grofse Expl.
Lawionia alba Lam. 472.
Balanites aegyptiaca D. 781.
Adatisonia digitata L. 867. Ein
Expl., 40 Jahr alt.
Kigelia pinnata D. C. (= K. aethio-
pica Dcne. 1502). 2 Expl., 30
Jahr alt.
Phoenix dactylifera L. 2948. Sehr
viel angepflanzt.
6) Stcäucher.
Caesalpifda pulcherrima Sw.
Sesbania sp., vom oberen Nil (vexillo
aterritno).
Punica Granatum L. 457.i^®^^.*^f *J"
_, . T «rry» JUgjmittel-
Cttrus Auranttutn L. ' '6.(jjjgfgj
— Limonium L. 778./ deihend.
Gossypiutn tiiifoHum Lam. 887.
Anona squamosa L., sehr gemein
und üppig gedeihend.
Vitis tinifera L. 1397.
Nerium Oleander L.
Ficus Carica L. 2888, häufig,
schlechte Früchte tragend.
c) Krautgewächse.
Canavalia gladiata D. C. 117.
Dolichos Lubia F. 174, gemein.
Faba vulgaris Mnch. 198, selten.
Lens esculenta Mnch. 260.
Phaseolus Mungo L. 309, gemein.
Vigna sp. äff. Catiang^ aus dem
Niam-Niam-Lande.
Cordt orus olitorius L. 820.] viel
Abelmoschus escalentus \ culti-
Mnch. 871. ^ virt.
Raphanus salitfts L. 1251. var.,
aus Aegypten.
Lycopersicum esculeniumMWh
1701, viel cultivirt.
Solanum esculentum Dud. 1720.
Batatas sp., aus dem Niam-Niam-
Lande.
Musa paradisiacah. 2988, mit-
telmäfsig gedeihend.
Wild in den Gärten der Stadt.
Crotalaria lupinoides H. 140.
Indigofera paucifolia D. 237.
— sp.
Rhynchosia Memnonia D. C. 331.
Sesbania punctata D. C. 344.
— sp. filiformi G. P. R. äff.
') Die gesperrt gedruckten Arten waren für das betreffende Gebiet noch nicht
▼erzeichnet.
22 •
[
n
340
O. Schweinfurth:
AbvtUon graeeolensW . u. Arn. 875.
Abulilon muticum Webb. 879.
Gynandroptis peniaphylla D. C.
1162, gemeinstes Unkraut.
Peristrophe bicalyculatal^eeB, 1588.
Striga hermonthica Bth 1664.
ßatatas pentaphylla Cbois. 1760.
Ipomoea Kairica Webb. 1797.
— sp. pertnutaiae H. äff.
Leptadenia heterophyliaDcne. 2095.
Ximenesia encekoides Cav.
Sonchus Hochstetteri Sz. Bip. 2618.
Aerva javatiica Juss. 2788.
Felder bei Burri, am südlichen Ende der Stadt, am linken
Ufer des blauen Nils; meist sandigthoniger Boden am
Rande der Wüste.
a) Kaltivirt.
Cqfanus flavus D. C. 116.
Dolichos Labia F.
Lapinus Termis F. 277.
Phaseolus Mungo L.
Abelmoschus esculentus Mnch.
Citrullus vulgaris Schrad. 1044.
Cucumis Chaie L. 1050.
Lagenaria vulgaris Ser. 1061.
Lycopericum esculentum Mill.
6) Wild.
Cassia acutifolia D. 56.
— obovata Collad. 62.
— occidentalis L. 63.
Psoralea plicata D. 322.
Tephrosia Apollinea D. C. 353.
— vicioides R. 366.
Fagonia parvißora B. 567.
Tribulus Ehrenbergii Aschs. 571.
— m Ollis Ebrb.
— terrester L. 575.
Zygophyllum simplex L. 580.
Anisophyllum aegyptiacum
Schwf. 632.
Anisophyllum granulatum Schwf.
635.
Anisophyllum indicum Schwf. 636.
Crozophora plicata A. Jass. 659.
Polygala erioptera D. C. 742.
Bergia suffruticosa Fzl. 800.
Mollug o Cerviana Ser. 1018.
Trianthema pentandra L. 1029.
— poly Sperma H. lOdO^
Cucumis Chate L.
Farsetia ramosissima H. 1217.
Sesamopteris alata D. C. 1504
Anticharis linearis H. 1609.
Datura Metel L. 1693.
Solanum dubium Fres. 1719.
Withania somnifera Dan. 1742.
Ipomoea reptans Poir. 1807.
— sp. coscinospermae H. äff.
— sp. permutatae H. äff.
Heliotropium coromandelianum
Lehm. 1854.
Calotropis procera R. Br. 2060.
Uedyotis Sckimperi Presl.
Amarantus gangetitus L. 2797.
— graeci^ans L. 2798.
Aristida hordeaceaKth, 3426.
Cef»eArti5nt/oltciisD. Not 3491.
Chloris punctulata H. 3506.
Dactyloctenium aegyptium W. 3522.
Eragrostis muUiflora Aschs. 3571.
— tenuiflora Rupr. 3577.
Panicum turgidum F. 3743.
Penicillaria typhoidea,
Tragus occidentalis Nees. 3842.
— racemosus P. B. 3843.
Vilfa minuta Triu. 3884.
Uebersicht der im Janaar 1869 am Weifsen Nil gesammelten Pflanzen. 341
Auf der Insel Puti, Chartum gegenüber.
Ammannia attenuaia H. 464.
Jussieua nubica H. 488.
Bergia erecta G. P. R. 797.
Trianthema pentandra L.
Senebicra nilotica D. C. 1260.
YahKa viscosa Roxb. (= V. Wel-
deni Rchb.) 1340.
Suiera giandulosa Rth. 1670.
Ipamoea reptans Poir.
Echium Rauwolßi D. 1841.
Heliolropium corotnandelianum
Lehm.
Heliolropium pallens D. 1859.
Thdodes octodon R. 2217.
Coiula anthemoides L. 2379.
Eclipta erecta L. 2413.
Cyperus pygmaeus Rottb. 3284.
Fimbristylis dichotoma V. 3308.
Crypsis schoenoides Lmk. 3518.
Am rechten Ufer des blauen Nils, oberhalb Chartum.
Acada aUtida D. 1.
— Seyal D.
Mimosa asperata W. 35.
Cas9ia acutifoUa D*
Sesbtmia sp. fiUformi O. P. R. äff.
Baplophyllftm luberculatnm
A. Juss. 581.
Securinega obotata Müll. Arg. 694.
Zizyphus Spina Christi W. 726.
Sodada decidua F. 1171.
Ipomoea Kairica Webb.
Heliotropium supinum L. 1861.
Kanahia Delilei Dcne. 2091.
Saliof Safsaf F. 2863.
Picus capreifolia D. 2887.
Am Ras Chartum.
A$iragalus prolixus Sieb. 106. | Francoeuria crispa Cass. 2448.
Uebersicht der im Januar 1869 am Weifsen Nil
gesammelten Pflanzen.
6. Rechtes Ufer oberhalb Gebel Berema (viel Sand).
Acacia spiroearpa H. bl., fr.
Crotalaria sp. fl, aibo,
Trigonella arguta Vis. 394.
Polygala irregularis B. 746.
Polycarpuea prostrata Dcne.
983.
Echium Raufcolfii Del.
HeUoiropium niloticum D. G. 1858.
— supinum L.
Heliotropium undula4um V. 1863.
Theiodes octodon R.
Brocchia Kotschyi 82. B. 2309«
Fimbristylis dichotoma V.
Cenehrvs niloticus D. Not.
Eragrostis aegyptiaca Lk.
3560.
Panicum turgidum D.
342
O. Schweinfarth:
7. Beim Dorfe Getena, oberhalb 15" nordl. Br., rechtes Ufer,
fester Nilthon.
Crotalaria ihebaicaD. C, 160.
Lotus arabicus L. 266. fl. roseo.
— nubicus H. 273.
ZygophyUum simplex L.
Anisophyllum aegyptiacum
Schwf.
Croiophora prostraia Dalz.
660.
Abutilon graveolens W. Arn.
Mollugo Glinus R. 1020.
Trianthema pentandra L.
— polytperma H.
-- «erff/'o/faVi8.1032.
Citrallus Colocynthis Schrad.
1043.
Solanum du b tum Pres.
Ipomoea sp. coscinospermae H. -äff.
Echium Rauwolfii D.
HeUotropium niloticum D. C.
— 5tiptaii«iii L.
— nnduiatum V.
Calotropis procera R. Br. in Masse.
Digera aUernifolia Aschs. 2807.
Dinaeba retroflexa Panz.
3543.
EragrosHs aegypiiaca Lk.
. — muUiflora Aschs.
Panicum obtusifolium D. 3720.
Vilfa minuta Trin.
8. Linkes Ufer bei Wod Schellai (alte Mandschera).
Gossypium vitifolium Lam. call.
Acacia arabica W. " ) i Waldbildend,
— nilotica D. i bl. u. fr.
Anisophyllum aegyptiacum Schwf.
Crozophora prostrata Dalz.
Luffa erinocarpa Schwf. ( =
Momordica? e. Fzl. 1067.)
Vahlia viscosa Boxb.
Stemodia serrala Beuth. 1663.
Ipomoea reptans Poir.
HeUotropium niloticum D. C.
-** si^tfitfui L.
Sonchus Hochstetteri Sz. Bip.
Aristolochia br acte ata Retz. 2731.
Rechtes Ufer daselbst.
Doliehos Lubia F. \
Lupinus Termis F. ; Cultivirt.
Pkaseolus Mungo L. /
Acacia albida D.
Rhynchosia Memnonia D.O.
Zi^yphus Spina Christi W.
Celastrus decolor D.
Bergia suffruticosa Fenzl.
CoceiniaHartmanniana Schwf.
Cadaba farinosa F. 1136.
Maerua oblongifolia R. 1165.
Rogeria adenophylla Gay. 1500.
Striga orobanchoides R. 1667.
Ipomoea asarifolia R. S. 1785.
^cAttim RautDolfii D.
HeUotropium niloticum D. C.
— n«pinvm Li.
— tindti/a/uin Y.
*) An Stamm, Wachs und Laub nicht von Ä. nilotica verschieden; Stockaiu-
Bchlag auch kahl and purpnrrindig, Blätter 9 — 10 jochig; Hülsen aber -Stets weifs-
filzig, w&hrend Ä. nilotica kahle, glänzende hat.
Uebenicht der im Januar 1869 am Weifsen Nil gesammelten Pflanzen. 343
Caloirapis procera R. Br.
Lepiadenia heterophylla Dcne.
Aerva javanica Jass.
Aliemanthera sessiUs R. Br. 2795.
Celosia anthelminihica Aachs.
2800.
Digera altemifolia Ascbs.
Cyperus sp. longo L. äff.
10. Bei Tiura am linken Ufer.
Uferwald.
Coriandrum sativum L. cuU.
1422.
Äcacia arabica W.
— niiotica D.
— albida D.
— melHfera Benth. 12. (Step-
— nubica Bth. / P®"!
o I T\ \wald.
— Seyal D.
Migofera paucifolia D.
Psoralea plicata D.
Anisophyllum scordiifolium Kl. n.
Gke. 642.
Cro%ophora plicata A. Jass.
Balanites aegyptiaca D.
MoUugo Glinus R.
Cucumis Ckate L., wild. .
Ltf/fa erinocarpa Scbwf., in Masse.
Sodada decidua F.
Sonchus Hochstetteri Sz. Bip.
Celosia argentea L. 2801.
Cenckrus niloticus D. Not.
11. Bei El Eö am rechten Ufer.
Acacia arabica W. j
fr
— mellifera Btlj. ^
Cßlastrus decolor D. bl«
O^ufo^a rotundifolia F. fr. 1139.
Crataeva Adansonii G. P. R. 11^8.
Cordia subopposiia D. C. 1881.
Asclepiadea sp. s/er.
Salvadora persica L. bl. fr. 2703i
Ceratophyllum demersum L. 2931.
12. Schilluk-In8el oberhalb El Es.
Ammannia aegyptiaca WiUd.
463.
CitruUus vulgaris Scbrad. wild. fr.
VahHa viscosa Roxb.
Adhatoda sp. n.?
BlepKaris sp. n.?
Sternodia serrata Benth.
Sutera glandulosa Rth.
Erigeron aegyptiacus L. 2420.
Gnaphalium pulvinatum D.
2471.
12. Ebendaselbst.
Acacia arabica W.
-» niiotica
Mimosa asperata W. bl. fr.
fr.
Coccinia Moghadd Ascbs.? bl. fr.
1046.
Oxystelma senegaletise Dcne. fr.
2100.
344
G. Schweinfarth:
18. Insel an der Westseite der Insel Aba.
fr.
Aeacia arabica W.
— niloiica D.
Vigna oblongifolia R. 422.
Moschosma polystachya Benth. 1974.
Ethulia gracilis D. 2440.
Aerva brachiata Mart. 2787.
Cenirostachys aguaiiea Wall.
2804.
AUsmacea sp.?
Insel oberhalb der vorigen.
Herminiera Elaphroxylon G. P. R.
209. bl. u. fr., 2— 4 jährig, löFufs
hoch.
Sesbania punctata D. G.
Cocdnia Moghadd Aschs.?
Cissus digitata Lam. 1381.
Ipomoea chryseides Lindl. 1789.
Cordia snbopposita D. C.
Polygonum g lab mm W. 2764.
Pittia aethiopxca Fenzi. 2963.
ÄMÜa nUotiea Dcoe. 3902.
14. Insel Om Mussöt
Aeacia meüifera Bth. fr.
— Seyal D. bl.
— Veragera Schwf. Schubäki
oder Kok. fr., 35—40 Fufs hohe
Bäume, die onn A, niloHca ver-
drängen.
Nephmia oleracea Loor. 36.
Juitieua repens L. 489.
— eillosa Lam. 490.
Greu>ia poputifolia V. 838.
Wissadula rostrata Hook. fil. 948^
Nymphaea sp. verdorrt.
Cappari» lomeniosa Lam. 1144.
Cissus quadrangularis L. 1387.
Achyranthes aspera L. 2786.
Pistia aethiopica Fensl.
Sans eeiera guinensis W. 8149.
Anosporum Colymbetes Bckl. 3224.
Aitolla nilotica Dcne.
15. Linkes Ufer, gegenüber Gebel Njemati. Steppe.
Boscia octandra H. 1132.
Ac€icia tneUifera Benth.
— nubica Benth.
— Seyal D.
— Verek G. P. R.
Balanites aegyptiaca D.
Cadaba farinosa F.
— rotundifolia F.
Maema angolensis D. C. 1163.
Aeacia mellifera Benth. fr.
— n^Mea Benth. fr., bis 10
Fnfs hoch.
Acada Seyal D. bl.
— verugera Schwf. fr.
16. Gebel Njemati (Grranit).
TafnariHdus indica L.
Aeschynomene sp. n.? 8 Fnfs hodi^
ambatschartiges Holz bildend»
Crotalaria remotiflora'SL. Ii6*
— sp.
Uebenieht der im Januar 1869 am Weifsen Nil gesammelten Pflanzen. 345
Dalbergia Melanoxyhn 6.P.R. 164.
Indigofera astrag alina D. C.
221.
Indigofera Bp.
Combretum Harlmannianum Schwf.
504.
Poiwea aculeata D. C. 514.
Ziiyphus Spina Christi W. fr.
Bakmiies aegyptiaca D. fr.
Ster cnlia HartmannianaSch^ff.
(ssr cinerea 869, non R.)
Abebnoschus esculentus Mnch. wild.
Abntilan graveolens W. a. Am.
Cucumis Ckate L. fr. wilcl.
— Figarii D. 1062-
Boscia octandra H.
Cadaba farinosa F.
Cadaba glandulosa F. 1137.
— rotundifaUa F.
Maenta angolensis D. C. bl. fr.
Lorant hus Acaciae Zvkcc. 1363.
Stereospermum sp. d.?
AcanthodiumhirtumYLfr, 1514.
Asteracantka attriculataT^oea» 1529.
Monechma bracteatum H. 1582.
ipomoea asarifoUa R. S.
Cordia subopposita D. C. fr.
Leonatis pallida Bentb. 1946.
Ocimum canum Bth. 1980.
Urosiigma popuUfoHum Miq. 2918.
Hyphaene thebaica Mart. Gestrüpp.
2947.
VaUisneria aethiopiea Fensl. 3079.
AUsmaeea ep.? am Ufer.
Ambatsch- Region am linken Ufer oberhalb Gebel Njemati.
Marsilia sp. ster.
19. Insel am linken Ufer oberhalb Gebel Njemati.
Glycine labialis W. n. Arn. 203.
Lab lab uncinatus A. Br. fr. 251.
Sesbania sp,
Vigna nilotica Hook fil. 421.
— sp.
Coccinia Moghadd Aschs.?
Cucumis Tianeanus K. P. 1056.
Laffa acuiangula fr.
Rhynchocarpa sp. fr.
Capfaris persieifolia R. 1143.
dssus digitafa Lam.
— quadrangularis L.
Ipomoea ckryseides Lindl.
— Kairica Webb.
Volkameria Acerbiana Vis. 1910.
Boerhaavia phimbaginea Cav. 2747.
Hyphaene thebaica Mart. Gestrüpp.
VaUisneria spiralis L.? bl. u. fr«
Panicum sp. bl.
20. Am rechten Ufer oberhalb Gebel Defafang.
Acacia Catechu W. (= A, campy- Poierea tiartmanniana Schwf. 515.
lacantha H. 4.) fr. r i-r . # !♦
Acacia Seyal D. fr. ^^^ '^"^'^ ^'
— verugera Schwf. bl. fr. Ipomoea acanthocarpa H. 1783.
Albiizia anthelminthica
BroDga. bl., fr. 22.
Ktnrica Webb.
346 O' Schweinfnrth: üebenicht der im Januar und Febr. 1869 etc.
21. Am linken Ufer ebendaselbst.
Acacia Catechu W. fr.
— Seyal D. bl.
— vemgera Schwf. fr.
Cassia occidenialis L. fr.
Tamarindus indica L. fr.
Grewia populifolia V. bl.
Gossypium punciatumSchQm/Thon n-
Hibiscus dongolensis D. 895.
Capparis lomentosa Lam.
Crataeva Adansonii G. P. R.
Maerua angolensis D. C.
Hypoestes latifolia H. 1568.
23. Unterhalb Faschoda am rechten Ufer.
Acacia Seyal D. bl. fr.
— verugera Schwf. fr.
Tamarindus indica L. fr.
Ziiyphus abyssinicus H. 721.?
Abuiilon graiteolens W. u. Arn. fr.
Capparis iomenlosa Lam.
Crataeva Adansonii O. P. R. fr.
Maerua oblongifolia R. var. an-
Hypoestes latifolia H.
SolanumxantkocarpvmSchrSid.
fr. 1739.
Ipomoea acanthocarpa H. fr.
Asclepiadea sp.
Leptadenia lancifolia Dcae. 2096.
Sanseviera guinensis W.
Urginea sp. fr.
gustifolia R.
Am linken Ufer ebendaselbst.
Leptadenia lancifolia Dcne.
Celosia trigyna L. 2803.
Acacia Catechu W. fr.
— verugera Schwf. fr.
Solanum xanthoearpum Schrad. bl.fr.
24. Linkes Ufer weiter oberhalb. Steppe.
Acacia verugera Schwf. Uferwald.
Asteracantha auriculata Nees.
Acacia fistula Schwf. bl. fr. 5.
— nubica Benth.
— Seyal D.
31. Rechtes Ufer, vis-k-vis Faschoda.
(
bl. fr.
Leonotis paJlida Benth., in Masse.
Achyranthes aspera L.
Acacia Seyal D.
— verugera Schwf. ^
Capparis persicifolia R.
2. Febr. Am rechten Ufer oerhal Faschoda, vis-ä-vis dem
Lager des Mudir's.
Acacia Catechu W. ^
— Seyal D. ( fr.
— verugera Schwf. \
Lotus arabicus L.
Cronophora plicata A. Juss.
Ziayphus ahyssinicus H.
Cardiospermum Halicaecabum L.
757.
AsieracasUha auriculata Nees. bl.fr.
Ipomoea acanthocarpa H.
— chrysddes Lindl. fr.
— Kairica Webb. bl.
Heliotropium supinum L.
Volhameria Acerbiana Vis.
Laggera aurita Sz. Bip. 2515.
Celosia argentea L.
347
xm.
Geognostische Skizze der Umgegend von Axum
und Adoa in Tigre.
Nach den Aufnahmen von W. Schimper bearbeitet von Dr. A. 8adebeck.
Mit einem Nachwort von Bich. Kiepert.
(Hierzu zwei Karten, Taf. V. VI.)
Unter den werthvoUen Sammlungen, welche Herr W. Schimper
hierher geschenkt hat, befanden sich auch zwei Packete mit Oesteinen,
welche dem hiesigen Eönigl. mineralogischen Museum der Universität
einverleibt wurden. Dieselben sind von einer speciellen Karte und
ausführlichen Profilen begleitet. Auf letzteren war das Vorkommen
der einzelnen Gesteine durch Nummern genau verzeichnet, mit einer
Sorgfalt, die um so mehr Anerkennung verdient, als damit durch ein
kleines Gebiet eine geognostische Basis gewonnen ist Es soll zuerst
die geolo^sche Darstellung dieses Gebietes versucht werden und dann
mögen einige Bemerkungen über die angrenzenden Lfindertheile von
Abyssiuien mit besonderer Benutzung der von Dr. Steudner hierher ge-
schickten Gesteine folgen.
Eine Colorirung der Karte vorzunehmen, wäre zu gewagt gewesen,
da mir doch die scharfen Grenzen der einzelnen Gesteine nicht be-
kannt sind. Eb wurde daher nur eine Farbe aufgetragen, welche
Sehimper auf der Originalkarte angegeben hatte und die die Verbrei-
tung des sogenannten Thonsteinplateaus angeben soll. Auf den Pro-
filen habe ich die Gesteine durch verschiedene Zeichnungen angegeben,
deren Grenzen Schimper scharf verzeichnet hat. Die crjstallinischen
Schiefer habe ich auf dem ersten Tableau nach zwei Richtungen schraf-
firt, die Lage der Striche soll hier das Einfallen der Schichten bezeich-
nen, fßr die übrigen Profile hat Schimper keine Angaben über Strei-
chen und Fallen der Schichten gemacht.
I. Allgemeines.
1) Die Grundlage des Gebietes scheint der Granit zu bilden,
welcher jedoch von Schimper im Gebiete der Karte nur an den Ufe^n
des M&räbb- Flusses anstehend angegeben wird. Dieser alte Granit
ist den Granititen G. Rose^s zuzuzahlen, denn er enthält viel rothen
Orthoklas, wenig in's Gelbliche spielenden Oligoklas, Quarz und wenig
Magnesiaglimmer. Er hat mittleres Kern und ist schon dadurch von
348 A. Sadebeck:
den jüngeren Graniten verschieden, welche viel feinkörniger sind. Gans
dasselbe Verhalten der beiden Granite findet auch in anderen Gregen-
den statt, so hat es e. B. G. Rose für die Granite des Riesengebii^es
nachgewiesen.
2) Crystallinische Schiefer überlagern den Granit in mannig-
facher Aufeinanderfolge, es sind Gneifs, Glimmerschiefer, Hornblende-
schiefer, grüner Schiefer, Talkschiefer, Thonschiefer.
3) Eruptiv-Gesteine, Granit, Porphyr, Melaphyr, Basalt etc.
haben an manchen Stellen diese Schiefer durchbrochen und bilden die
höchsten Spitzen.
4) Thon- and Sandsteine bedecken die Schiefer und bilden
die Thoneisenstein - Plateaus , wie sie Steudner genannt bat. Dieae
Decken fallen in den Thaleinschnitten immer mit senkrechten Wänden
ab, was jedenfalls damit zusammenhängt, dafs sie der zerstörenden Ein-
wirkung des Wassers weniger Widerstand entgegensetzten, als die crj-
stallinischen Gesteine. Mineralogisch sind die Gesteine folgende:
a. Thonstein, Gesteine von ebenem Bruch, der ganzen Masse
nach gleichartig, von verschiedener Farbe. £s herrscht vielfach die
violette und rothe Farbe vor^ auch haben sie einen starken Thoogerach.
Diese Gesteine gehen allmählig in ganz feste, dichte Gesteine aber«
die dann den Namen Jaspis verdienen.
6. Thonstein-Breccien. Die Grundmasse ist dieselbe Masse
wie die der Thonsteine. In derselben liegen eckige Bruchstücke von
sehr verschiedener Gröfse, die nur durch die Färbung von der Grand-
masse verschieden sind, sonst mineralogisch fast gleich. Sie sind nor
etwas härter, als die Grund masse, wefshalb sie auch auf den Verwitr
terungsflächen scharfkantig heraustreten.
c. Thonstein-Conglomerate. Diese Gesteine sind aosgeeeiclii-
net- durch einen Gehalt von Eisenozyd oder Eisenozydhydrat, der ihnea
f)in hohes Gewicht verleiht, weshalb sie auch Steudner Thoneisensteine
genannt hat
d. Sandsteine. Das Bindemittel ist hier auch Thonstein, die
Gröfse der Quarz- Bruchstücke ist verschieden, vielfach mufe man die
Gesteine besser Conglomerate nennen. Bei den Conglomeraten ist das
Bindemittel verhäitnifsmäfsig mehr vorherrschend gegenüber den Brach-
stücken, als bei den eigentlichen Sandsteinen.
Steudner hält diese Gesteine für vulkanischen Ursprung, eine An-
sicht, der ich deshalb nicht beitreten möchte, weil in der Nähe keine
sonstigen vulkanischen Gesteine vorhanden sind, und die Gesteine darob^
aus nicht den vulkanischen Producten gleichen. Ich bringe sie in Zo-
sammenhang mit dem Ausbruch der Eruptiv-Gesteine, des Porphyrs,
möglicherweise auch des Granits; mit dem Ausbruch der Gesteine mag
Geognostische Skizze der Umgegend von Axam und Adoa in Tigre. 349
«üu Ansbrach von Porphyr-Detritua verbuDden gewesen sein, welcher
dann dorch das Wasser zu den festen Gesteinen verkittet wurde. Da
wo die Oberfläche mit Quarz-Geröllen bedeckt war, entstanden Con*
glomerate, war es Sand, Sandsteine. Gonglomerate und Breccien, de*
ren Bmchstucke gleichfalls Tbonsteine sind, lassen sich so erklären,
dals die Bruchstücke zugleich mit dem feinern Detritus ausgeworfen
warden. An Reibungd-Conglomerate ist hier gar nicht zu denken, da
man dann den Thonstein als ein Bruptiv-Gestein auffassen müfste, das
sich deckenartig ausgebreitet hatte ^ es mufsten also die Conglomerate
und Breccien von Thonsteinen überlagert sein. An den vielen Stellen,
wo das nicht der Fall ist, wäre man zur Annahme genöthigt, dafs der
Thonstein wieder vom Wasser fortgespült ist.
n. Besohreibnng der Profile.
Profil I. Dasselbe durchschneidet in wellenförmiger Linie den
nord-ostlichen Theil des Gebietes. Am Märäbb beginnend, tritt zuerst
der alte Granit auf und wird dann von crystallinischen Schiefern ab-
gelöst Dieselben sind folgende: Zwischen 1 und 2 verwittertes, un-
deutliches Gestein, theils an Gneifs, tbeils an grünen Schiefer streifend.
Zwischen 2 und 3 verwitterter Gneifs. Zwischen 3 und 4 frischer
Gneifs, Feldspath gestreift, der reichliche Magnesia- Glimmer giebt dem
Gestein ein dunkeles Aussehen. Zwischen 4 und 5 wieder verwitter-
ter Gneifs. Zwischen 5 und 6 giebt Schimper nur Dammerde an.
6 bis Ende : Schiefer wie zwischen 1 und 2.
Die Reihenfolge der crystallinischen Schiefer ist an 3 Stellen von
Graniten unterbrochen, am Subhat, Bäto und Semajata. Dieser Granit
ist feinkörnig, bis dicht, er enthält keinen Oligoklas. In der Richtung,
die diese 3 Berge angeben, liegt das Einfallen der crystallinischen
Schiefer.
Zwischen Subhat und Bäto sind die Schiefer wellenförmig ge-
bogen, geknickt und steil aufgerichtet
Profil U. Dieses kreuzt Profil I. bei Eeren und. zeigt nur cry-
stallinische Schiefer.
Profil III. läuft dem I. parallel. Der Gneifs ist hier Hornblende-
führend, so dafs eigentlich der Name Hornblendeschiefer der correctere
wäre, ich habe jedoch denselben nicht gewählt, da die Hornblende
zu untergeordnet auftritt. Quarz ist spärlich vorhanden. Dieser Gneifs
wird vom Urthonschiefer abgelöst. Am Amba Bachele tritt Porphyr
auf. Es ist ein Quarz-führender mit grauer Grundmasse. Hier ist der
Porphyr nicht zum Durchbruch gekommen, sondern hat die Schiefer
nur gehoben, ähnlich mag es sich am Abuna Auf verhalten, aber hier
giebt Schimper keinen Porphyr an.
350 A. Sadebeck:
Profil IV. Der Berg Scholloda besteht aus Qaarz führen-
dem Porphyr, die aasgeschiedenen Krystalle sind Orthoklas, Oiigoklaa,
Qaarz und Hornblende. Am nördlichen Abbange des Berges wird das
Gestein ganz dicht, fahrt weniger ausgeschiedene Krjstalle and nähert
sich sehr den echten Felsiten. Die crystallinischen Schiefer sind Thon-
schiefer, allmfihlig in Glimmerschiefer übergehend, in der Nähe des
Porphyrs darch Eisenoxyd roth gefärbt, weiterhin besonders bei Adoa
graa; hier sind es schöne Dachschiefer. Zwischen a and b ist das Ge-
stein Talkschiefer, der darch Verwitterung etwas erdig geworden ist
und abfärbt.
Profil V. Dieses Profil durchschneidet das Gebiet naheza recht-
winklig zu Profil I. und folgt der Wasserscheide des Takasje und Mfi-
rfibb; es beginnt am Hedsoha and endigt am Gollo, am Subhat kreuzt
es Profil I. Während auf Profil I. das Eruptiv- Gestein Granit war,
so ist es hier Porphyr and Grunstein, den Subhat ausgenommen, der
der ersten Reihe angehört. Der Hedscha besteht aus Porphyr, wel-
cher dem vom Berge Scholloda ganz ähnlich ist. Die Schiefer sind
hier Hornblendeschiefer nnd werden wieder bei Magdalai von Porphyr
durchbrochen. Hierauf folgt der Granit des Subhat und dann der Poi^
phyr des Berrach, welcher verhältnifsmäfsig arm an Quarz ist. Die
nächste Erhebung, der Däbra Sina, besteht aus Melaphyr. Es ist ein
dunkles Gestein von hohem Gewicht, welches auf Magneteisenerz als
Gemengtheil hindeutet, mit welchem auch die braune Verwitterungs-
kraste des Gesteines zusammenhängt. In der dunklen Grundmasse
liegen einzelne kleine Feldspath-Krystalle von lichtgruner Farbe, an
denen ich Streifung beobachtet habe. Das Gestein ist ausgezeichnet
durch seine Festigkeit. Dann folgen wieder crystallinische Schiefer,
welche bei Edda Jaesus von demselben Melaphyr durchbrochen sind
und bei Eeflit von Basalt. Das vorliegende Stuck Basalt ist nicht
mehr frisch, die Oberfläche ist stark braun gefärbt und auch die Olivin-
krystalle haben eine rothe Farbe. Bei Abuna Licanos tritt Gceifs auf,
wo man eigentlich wieder ein Eruptiv-Gestein erwarten sollte. Von
da an lösen sich Melaphyr und Porphyr ab.
Die drei übrigen Profile gehen sämmtlich von A. Licanos aus.
Profil VI. Der Habal Zoddo besteht ans Melaphyr, von hier
bis zum Licanos aus Schiefer.
Profil VII. Hier treten die crystallinischen Schiefer und Mela-
phyr auf. Von besonderem Interesse ist der Pechstein, welcher am
Amba Berra von Schimper gesammelt wurde. Es ist ein schwarzes,
fettglänzendes Gestein, mit einzelnen porphyrartig ausgeschiedenen Feld-
spath-Krystallen, an denen es mir nicht möglich war die etwa vorhan-
dene Streifung zu bestimmen.
Geognostische Skizze der Umgegend von Axam und Adoa in Tigre. 351
Die Melaphyre sind hier als Mandelsteine entwickelt, sie schliefsen
grofse Achatkugeln ein, von denen Scbimper schöne Exemplare bei-
gelegt bat, die im Innern auch vielfach mit Quarzkrystallen bekleidet
sind.
Profil VIII. Edda Gijorgis besteht ans Porphyr und zwischen
dem Licanos tritt noch Melaphyr auf.
m. Geognostische Verhältnisse des ttbrigen Abessyniens.
Die geognostische Bildung bleibt auch nördlich des Märabb die-
selbe, wie auf dem eben abgehandelten Gebiete. Dies ist ersichtlich
ans den von Stendner mitgebrachten Gesteinen, welche auch der hie-
sigen Sammlung einverleibt sind. Die Stendner'sche Route ging von
Massaua nach Keren und von da nach Adoa.
Zwischen Adoa undEeren. In der Umgebung von Keren tritt
Granit aaf, dann folgt Glimmerschiefer, welcher wieder am Däbra Sina
6000 Fufs hoch von Granit -durchbrochen ist Weiterhin tritt der Gra-
nit bei Zad 'Amba auf, hier ist der Feldspath weifs, während er bei
Keren roth ist; bei Zansaga treten Hornblende-haltige Gneifse auf»
welche denen von Abuna Alif sehr ähnlich sind.
Ueber die Beschaffenheit des Gebietes südlich von Axnm
nad Adoa giebt die Stendner'sche Route nach Gondar Aufschlnfs.
Er überschritt den Takasje an der Stelle, wo der Ataba in denselben
mündet, und folgte dann dem Laufe des letzteren. Das Bett dieses
Flusses liegt auch in Urthonschiefer und Granit. Es setzen sich auch
die Thonstein-Plateans noch fort, welche sich gegen das Gebirge Semen
hin senken. Von Eruptiv- Gesteinen treten Mandelsteine und Basalte
aof, erstere mitunter sehr porös, und dann sind die Poren mit siner
grünen Glauconit- artigen Masse ausgefüllt. Achatkugeln finden sich
vielfach im Bett des Takasje, was darauf hindeutet, dafs auch östlich
noch Mandelsteine auftreten.
Bemerkungen zur Karte.
Das Original der vorliegenden Karte, im ungefähren Maafsstabe
von 1 : 60,000 ausgeführt, ward nebst Profilen nnd Gesteinproben von
dem bekannten Dr. Scbimper an seinen ehemaligen Landesherrn, den
Grofsherzog von Baden, eingesandt und von diesem dem hiesigen mi-
neralogischen Museum überwiesen. Leider ist es von keinem ausführ-
licheren Texte begleitet, kurze geologische Notizen abgerechnet, die
den Profilen beigegeben waren. Immerhin ist aber schon die Karte
an sich ein werthvoUer Beitrag zur Kenntnifs jenes merkwürdigen Ge-
7
352 ^* Kiepert: Bemerkungen zur Karte.
birgslandes, wie selbst der fluchtigste Vergleich mit allen früheren Klar-
ten lehrt. Die im vorigen Jahre erschienene Compilation Ton Raven-
stein, Route map of Abyssinia^ seigt in dem Gebiete, welches Tafel Y.
darstellt, statt des wechselvollen Terrainbildes derselben eine fast weilse
Flfiche. Denn Lefeb vre, der im Jahre 1842, v. Heuglin und Steadner^
die im November 1861 von Adaa ans nördlich zogen, und deren Boa*
ten in den Rahmen des Blattes fallen, berichteten zwar von dem stei-
len Abfalle der Plateaas sudlich vom M&rfibb, aber sie liefsen auf den
Karten die Gegend zwischen Axum und Adua einer-, dem Maräbb
andererseits ziemlich unausgefuUt. Man vergleiche nur die vortreffliche
Specialkarte von Nordabessinien von A. Petermann (Mittheilungen 1867
Tafel 1 5), die den damaligen Standpunkt der Kartographie jenes Lan-
des am besten wiedei^ab, um die Grofse der nun ausgefüllten Lücke
zu übersehen.
Leider hat es Dr. Schimper unterlassen, den zahlreichen Namen
Ortszeichen ^beizufügen, so dafs nur die .Signaturen der von ihm mit
Ringen bezeichneten Orte und mit Kreuzen versebenen Klöster in der
Reduction reproduzirt werden konnten. Es wfire möglich gewesen,
aus der Bedeutung der Namen auf den Charakter der damit bezeich-
neten Oertlichkeiten zu schliefsen, z. B. aus Baria Kirgos (d. i. Diener
des h. Gyriakos), aus Kidane Meheret (d. i. Verm&chtnifs der Gnade),
aus Arbaetu-Ensesa (d. i. die vier geistigen Thiere, sc. der Apokalypse)
Auf Klöster, aus Sakla Damba auf eine Bnrg, aus Gässa Schimper oder
G&ssa Galla auf Gehöfte. Aber wären danach die betreffenden Zeichen
in die Karte gesetzt worden, so hätte dies einen gröfsern Anschein von
Genauigkeit der einzelnen Positionen erweckt, als sie im Grunde verdien-
ten. So blieb denn nichts übrig, als Sorge zu tragen, dafs alle Namen ge-
nau auf dieselbe Stelle gesetzt wurden, die sie im Original einnehmen. Ein
anderer Mangel ist, dafs wir nicht wissen, in welcher Art von Fufsen
in den Profilen wie auf der Karte die Höhen angegeben sind. Da
aber die Zahlen durchgehends niedriger sind, als bei Ravenstein, so
mögen es wohl Pariser Fuls sein. Doch auch in diesem Zustande,
hoffen wir, wird dieser Beitrag zur Kunde eines der interessantesten
Theile des jetzt vom geographischen Publikum so bevorzugten Afrika
^en Lesern der Zeitschrift willkommen sein, zumal nach den neuesten
Nachrichten der ^^Times^ gerade die hier dargestellte Gegend durch,
die Intentionen des Fürsten Kassa Bedeutung erhält.
Richard Kiepert.
353
Miscellen.
Correspondenz vom Lake Kilalpanina im sogenannten
Lake-Distrikte Far-North, Süd-Australien,
Von einem in Hermannsbarg stationirten Geistlichen der am Lake Kilalpa-
nina begründeten latherischen Missionsanstalt enr Bekehrung der sogenannten
Lake Hope- und Cooper's Creek-Eingebornen (vgl. unten S. 354) findet sich nach-
stehende Mittheiinng in dem „South Australian Register* vom 13. März 1869.
Ans Mangel an Nahrungsmitteln und vor Allem an Wasser kann in hiesiger Ge-
gend nur eine dünne Bevölkerung ihr Dasein fristen, und ist auch die Zahl der
hier lebenden Eingeborenen nicht sehr erheblich. Die Meisten derselben sind
aber wohl gestaltete und gut aussehende Menschen und, im Vergleich zu den in
den südlichen Distrikten dieser Colonie wohnenden Eingebomen, viel schlanker
und besser proportionirt; ja man findet nicht Wenige unter ihnen, welche ihre
volle sechs Fufs erreichen. Eine Bekleidung ist ihnen völlig fremd, nicht einmal
Kangumhfelle oder Decken (rugs) aus Opossum- oder Wallaby - Bälgen besitzen
sie, denn weder diese Thiere noch ähnliche, deren Pelz sich verwenden liefse,
kommen hier vor. Nur die Männer tragen einen Gürtel um den Leib, der ge-
wöhnlich aus Menschenhaar, mitunter jedoch auch aus Haaren von Ratten und
Mäusen angefertigt ist, deren es hier nicht weniger als 20 Species gieht. Die
Farben, welche sie anwenden, sind ungefähr dieselben, wie bei den südlichen
Stiunmen, aber ihre Waffen von einer viel geringeren Sorte. Geeignetes Holz, woraus
sie Speere, die sie auffälligerweise , im Gegensatz zu den übrigen Eingebomen,
menudfl werfen, fabriciren könnten, wächst hier gar nicht, und sie müssen sich
dasselbe nun weit herholen. Ihre gfefährlichsten Waffen sind Boomerangs und
Waddies, womit sie wilde Hunde und andere Thiere, wie Schafe and selbst Ochsen
nicht ausgenommen, mit Geschick und Sicherheit tödten. Ihre Nahrang besteht
in mannigfachen Vegetabilien, Beeren von Sträuchem, Wurzeln u. s. w. Es
^ebt in hiesiger Gegend einige Pflanzen, welche im Süden dieser Coionie völlig
unbekannt sind und ein vortreffliches Surrogat für andere, die man nicht vorfindet,
abgeben. Die Ratten und Mäuse, welche nach Legionen zählen, bilden ihre haupt-
sächlichste animale Nahrang; aufserdem aber auch die hier existirenden 70
Specifs von Vögel, von denen dreifsig zu den Wasservögeln gehören, desgleichen
sieben Species efsbarer Schlangen und sechs Species Eidechsen i die zum Theil
sehr lang sind (die kleineren Arten essen die Kinder), vier Arten Fische, die
man sich aus den Seen verschaffen kann, und eine grofse Anzahl Würmer,
welche sie als besondere Delicatesse erachten. Endlich mufs als eine traurige
Thatsache erwähnt werden, dafs Cannibalismus hier zu Hause ist. Eine Mutter
ifst ihr eignes Kind auf, ^with a smiling face'^l Ja, dieser Horror geht so weit,
dafs sie nicht anstehen, die Leichname der Ihrigen bis auf die Knochen zu ver-
zehren. Vor kurzer Zeit starb der Aelteste des Stammes, ein alter, abgemagerter
Mann. Auf meine Frage, ob denn auch diese Leiche ihnen zum Mahle dienen
sollte, lautete jedoch die Antwort: »Nof too much poor feüow, no fat*^. Zum
Glucke wissen sie noch nicht, dafs Pferde efsbar sind, sonst würden sie ihre
ZdUebT. d. QM«Utoh. f. Erdk. Bd. IV. 23
y
354 Miscellen:
Waffen anch an diesen rennchen, wie es besonders an Schafen nnd selbst aoch
an Ochsen häufig genug geschieht.
Ihre Gebräuche und Ceremonien unterscheiden sich von denen der südlichen
Stamme sehr wenig, und ihr Sprachenbau ist ebenfalls ziemlich derselbe. Wir
begegnen nämlich auch in diesem Dialecte denselben Besonderheiten, welche wir
fast in allen übrigen Dialecten der australischen Eingebomen antreffen. Es fehlt
der bestimmte und unbestimmte Artikel, aber es ist aufser dem Singular und
Plural noch eine Dualform vorhanden. Es ist ein Fall mehr vorhanden, als in
der englischen Sprache, denn aufser dem Nominativ giebt es noch einen Tfaätig-
keitsfall, active ccue, welcher bei allen transitiven Verben zur Anwendung kommt,
während die erstere Form bei den Intransitivis steht Relative Fürwörter nnd
Präpositionen kommen nicht vor, und den Zeitwörtern fehlt das Passivum.
Zum Schlüsse heifst es in der Correspondenz : Wir sind noch nicht lange
genug hier gewesen, um Resultate unserer Mission aufweisen zu können, denn
das Erlernen der Sprache der Eingebomen will seine Zeit haben; aber wir halten
un» überzeugt, dafs das Evangelium Eingang bei ihnen finden werde. Die in-
tellectnelle Befähigung derselben ist nicht so niedrig anzuschlagen, als man es
gewöhnlich thnt Die Kinder lernen in der Schule viel leichter, als wir erwartet,
und ihre correcten Antworten setzen uns mitunter in Erstaunen, so dafs wir nicht
anstehen zu erklären, dieselben würden, falls wir ihnen nur Buchstabirbücher in
ihrer eigenen Sprache vorlegen könnten, in derselben Zeit lesen lernen, wie die
Kinder der weifsen Race ^). — ff — .
Aus dem Far- North in Süd -Australien.
Bis durfte wohl bekannt sein, dafs in den Jahren 1866 und 1867 lutherische
Misuonäre sich im Delta des Cooper Creek, im sogenannten Lake Districte der
Cülonie Süd-Australien am Lake Kilalpanioa», niedergelassen haben, wo sie die
Station Hermannsburg gründeten. Drei Missionäre der Brüdergemeinde zogen an
den Lake Kopperamana, acht Miles «weiter östlich. Die letzteren wurden jedoch,
in Folge der drohenden Haltung, welche die zahlreich versammelten Eingebomen
') Einsender dieses, ein alter australischer Colonist, mochte, nach seiner* filnf-
zehnjabrigen Erfahrung, diese Ueberzeugung denn doch recht sehr in Zweifel ziehen.
Die Missionäre Australiens und der Sttdsee sehen immer gern durch Yergröfsemnga-
brillen, und man sollte die Missionsberichte nur mit Vorbehalt lesen. Von wirklich
grofsen Erfolgen kann, nach meiner Ueberzeugung, nirgends die Rede sein. Kar
der Erfolg ist zu sehen, dafs. bald, falls die Bodenverhältnisse günstig sind, eine
Ansiedlung von Europäern nachfolgt und von da ab das Aussterben der Eingebore-
nen datirt. Ich verweise auf die verschiedenen Colonien des australischen Continents,
wo die Eingeborenen in grofsen Ziffern abnimmt, auf Tasmanien, wo ganz kürzlich
der letzte Tasmanier gestorben ist, auf Neu- Seeland, wo in den letzten drei De-
cennien die Maoris von 160,000 auf 38,000 gesunken sind, auf Ncu-Caledonien, wo
in nicht femer Zeit namentlich der Stamm der Qnebias oder Tendianons, bisher im
Norden der Insel ansäfsig, verschwunden sein wird. Die Fidschi-Inseln kommen jetzt
auch an die Reihe.
Aus dem Far- North in Süd-Aastralien. 355
annahmen, sehr bald gezwungen, nach Lake Hope znräckznkehren, wo sich die
nördlichste Polizei- und Poststation (630 Miles von Adelaide entfernt) befindet.
Bin Schreiben des Missionärs H. Walder vom 12^. October vorigen Jahres meldet
ovo Folgendes: „Lake Hope bildet gegenwärtig weiter nichts, als ein wasserloses
Becken. Wir. mnfsten in Folge dessen im Anfange dieses Monats nnsem Sitz
wieder nach unserer früheren Station am Lake Kopperamana verlegen. Auch
dieser See enthält nur noch einen halben Fnfs einer durchaus untrinkbaren flüs-
ii|^ Masse, die aber der heifse Wind wohl ebenfalls sehr bald aufgetrocknet
haben wird. Gutes Wasser für uns, so wie für unsere Pferde und Schafe, kön-
nen wir indefs aus gegrabenen Brunnenlöchem gewinnen) wiewohl auch dies meist
braekisch ist. Die ganze Gegend bietet einen äufserst traurigen Anblick dar, und
die armen Eingebomen führen ein sehr elendes Dasein."
Ein nm vierzehn Tage späteres Schreiben von der Missionsstation Hermanns-
borg giebt folgenden traurigen Bericht: »Wer die Region um Cooper's Creek
ror zwei Jahren gesehen und sie jetzt sieht, wird dieselbe wohl schwerlich wie-
der erkennen. Wasser ist nun schon seit einigen Jahren nicht mehr in den
Creeks und Ableitungskanälen heruntergekommen; den letzten Regen hatten wir
ia Februar dieses Jahres, "aber was damals davon fiel, reichte nicht hin, um Gras
beiToizubringen Wo sich bisher grofse Seen befanden, umgeben von weiten
Strecken vortrefflicher Viehweiden, da bieten sich jetzt dem Auge dürre, vegeta-
tioBslose, sandige Ebenen dar, ohne einen Tropfen Wasser. Lake Hope ist voll-
itandig ausgetrocknet, so dafs die Heerden von dort weggetrieben werden mufs-
tea, und das wenige Vieh, welches zurückgeblieben, tränkt man aus Brunnen.
Lake Eopperamana, 45 Miles westlich von Lake Hope, der sonst 5 Miles lang
md 2{ Miles breit und reich an Fischen war, verliert alle Tage an seinen Di-
Bensionen nnd enthält augenblicklich nur noch an einzelnen Vertiefungen salziges
Wasser, das nicht mehr trinkbar ist und wegen seines üblen Beigeschmacks sich
auch nicht weiter verwenden läfst. Wir haben schon in diesem Monate sehr
beilse Tage (bis tu 100^ Fahrenheit) gehabt, desgleichen mehrere Gewitter, aber
tun Regen ist es weder hier noch weiter nach dem Norden gekommen. Der
Salt Creek, welchen Major Warburton irrthümlicher Weise Barcoo nannte, ist
ebenfalls ausgetrocknet, und die Eingebomen sind fortgewandert. Es halten sich
gegenwärtig in unserer Nähe Eingeborae von fünf verschiedenen Stämmen auf,
nid wir erwarten in nächster Zeit noch einen bedeutenden Zuzug, da in den Ge-
genden, welche sie sonst occupirten, alles Wasser verschwunden ist.
Gleiche Klagen über die anhaltende Dürre enthält ein späteres Schreiben vom
»28. November; es heifst in demselben: „Wiederam hat es in dieser Gegend
a«eh nicht einen Tropfen Regen gegeben. Hingegen haben wir sehr heifses
{ Wetter gehabt, sowie in der Nacht vom 19. auf den 20. d. M. einen beispiellos
! heftigen Orcan von Westen her, welcher bis 4 Uhr Morgens anhielt. Selbst um
t 1 ühr Nachts hatten wir noch 100* F. nnd um 5 Uhr 95**, aber weder Regen
; noch irgend eine Abkühlung der Temperatur trat nach diesem Orcane ein. —
I Ich habe bei den Eingebornen sorgfältige Erkundigungen über das noch nicht
I angesiedelte Land im Norden von uns angestellt und erfahren, dafs der Salt Ri-
I
Tcr, wie man ihn hier, im Gegensatze zu der von Major Warburton irrthümlich
gewählten Benennung Barcoo allgemein heifst, kein Wasser enthalte, wiewohl
23 •
356 MUcellen:
selbiges darch Bnxnnen, yotl Entfernnng zu Entfernimg, leicht gewonnen werden
könne. Dasselbe gilt auch von einem Anne des Salt River, welehen die Eingebomeo
Kallacoopa nennen. Aber viel weiter nach Norden hinauf soll dieOegend, welclie
überhaupt, nach den Aussagen zu schliefsen, von* der hiesigen sehr yerschieden
sein mufs (von den Europäern ist sie nie betreten worden), überaus reich an offe- :
nem Wasser sein. Die meisten Waffen, welche die Eingebomen von dort mit
sich fuhren, sind aus einem vorzüglichen Holze angefertigt, welches hier in unse-
rer Nähe gar nicht wächst; auch zeigen sie grofse Muschelschalen vor, die sie ,
aus einem Creek, von ihnen Oonorakuttjamarra genannt, der ebenfalls einen Am
des Salt River bilden und in westlicher Richtung fliefsen soll, gesammelt haben wol-
len. Es ist dies, wie sie mit Bestimmtheit angeben, zwar kein breiter Creek, aber er
ist sehr tief und, so weit sie sich erinnern können, noch niemals trocken gewe-
sen. Am Ofer desselben stehen sehr dicke Bäume in üppigem Wüchse und Ksn- \
guruhs halten sich daselbst in Menge auf. Die Entfernung dieses Creeks von I
hier anzugeben, ist nicht möglich, da die australischen Eingebomen überhanpt
nicht im Stande sind, Entfernungen zu bestimmen, aber ich glaube doch aus ihren :
Andeutungen auf ungefähr 300 Miles schliefsen können.**
Wie ich vernehme, ist eine Gesellschaft mit der Ausrüstung beschäftigt, lun
von hier aus, sobald einiger Regen, welcher nothwendig ist, um die ersten 100
Miles zu passiren, gefallen ist, den noch unbekannten Norden zu exploriren.
Sollten diese Reisenden jene Gegend so vorfinden, wie sie von den Eingebomeo
beschrieben wird, so würde damit höchst wahrscheinlich der beste Weg für eise
Overland Route nach dem Northern Territory, wenn derselbe erst angesiedelt is^
aufgefunden sein.* — ff —
Muselmanische Zeitrechnung und der Todestag Adolphs
V. Schlagintweit
Prof. Hermann v. Schlagintweit in München ist nunmehr im Stande, am
neuerdings ihm zugekommenen Notizen den Todestag seines Braders Adoipb,
welcher bekanntlich in seinem Lager vor Eashgar von Väli Khan, dem Aniuhier
der aufständischen muselmanischen Bevölkerung in der Provinz Turkistan, ermo^
det worden ist, zu präcisiren. Abddlha, der Begleiter Adolphs auf seiner leUtcs
Elzpedition, schreibt nämlich d. d. Amritsar, 7. December 1868, an Prof. He^
mann v. S.: «Zu Eashgar kam es zum Kampfe, wo Euer Bmder von ValiKhifi
niedergehauen wurde ; ich wurde in den Kerker geworfen. Den andern Tag tt^
ich nach dem Himmel und sah den neuen Mond des Monats MuhiSrram; idi
glaube, es kann der 2. oder 3. Tag des Monates gewesen sein." Ist auch diese
Angabe des Todestages noch nicht ganz präcise, so weist sie doch zunächst anf
die Woche des Monats Muharram, des ersten Monats der muselmanischen Zeit-
rechnung hin, dessen erster Tag aber freilich nicht genau bestimmt ist Maha-
meds Flucht (Hegira) fand nämlich im Jahre 622 in der Nacht vom Mittwoch
den 14. auf Donnerstag den 15. Juli alten Styles statt. Die muselmanisches
Astronomen zählen nun vom Abende unseres 14. Juli an; das Volk im Allge-
Mnselmanische Zeitrechnung nnd der Todestag Adolphs v. Schlagintweit. 357
memen in Asien, Afrika und Europa, sowie die meisten historischen Berechner
rechnen aber diese Nacht noch nicht dazu, nnd f&r sie beginnt das erste Jahr
der Kortfn-Aera mit dem Sonnenuntergänge unseres 15. Juli 622 (alten Styles).
Diese Differenz ist demnach bestimmt genug definirt, vorausgesetzt, dafs zugleich
angegeben ist, von welcher der beiden Annahmen ausgegangen wird ; es sind Ta-
bellen far den Beginn des Jahres berechnet, dessen Dauer bekanntlich die eines
reinen Mondjahres ist, von 354 oder 355 Tagen, je nachdem ein Schaltjahr ein-
tritt oder nicht. Das Eintreten des Mnh&rram im Verhältnisse zu nnserm Kalen-
der ändert sich von Jahr zu Jahr von 10 bis 12 Tage. Im Jahre 1857 war der
Anfang des Jahres 1274 der Uegira der Sonnenuntergang des 22. August; im
Jahre 1869 fallt der Beginn des Jahres 1286 auf den Sonnenuntergang des
13. April nach der Civil-Rechnung. So grofse allm'alige Veränderungen zwischen
Jahresanfang und Jahreszeit, sowie die bedeutende Verschiedenheit der Zeitrech-
nung nicht nur der mitbewohnenden Hindns und Buddhisten, sondern auch der
christlichen Beherrscher, sind für die Muhamedaner entschieden ungünstig; noch
mehr wird der Verkehr dadurch gestört, dafs die Hauptfeste, wozu auch der Mu-
harram gehört, nicht einmal mit Bestimmtheit an dem Tage gefeiert werden, auf
den sie treffen, sondern wo möglich erst dann, wenn die Umstände erlauben, den
Mond wirklich zu beobachten. Die Sunniten, zu welchen in Indien die besseren
Klassen der Muhamedaner gehören, während die niedem Volksklassen Schiiten sind,
halten daran besonders strenge fest. Da aber doch in einzelnen Perioden, z. B.
in den Monaten der Regenzeit, die directe Beobachtung der Mondsichel nach «Nen-
mond zu unbestimmt verschoben würde, ist auch von den Sunniten festgesetzt,
dals wenigstens kein Monat länger als 30 Tage dauern dürfe; doch auch diese
Bestimmung bewirkt unter den Bewohnern der indischen Halbinsel mancherlei
Störung. — Nun sagt Abdallah aufserdem in seinem Schreiben, dafs seine Ge-
fangennehmung und die Ermordung Adolphs sich an einem Mittwoch, Chahibr-
shamba, ereignet habe. Da man aber im ganzen Orient die siebentägige Woche
hat, eine Zeitperiode, welche auch in Tibet und China mit der Verbreitung des
Buddhismusein geführt worden ist, nnd die Christen, Hindns nnd Muhamedaner in
Asien ebenso wie die Christen nnd Juden in Europa, am gleichen Tage Sonn-
tag, Montag n. s. w. haben, so läfst sich nach der Angabe Abdtillah*s, dafs der
Ueberfall am 1. Chab^-shamba des Jahres 1274 der Hegira stattgefunden habe,
also an dem Tage, welcher mit Sonnenuntergang Dienstag den 25. August be-
gann, mit Gewifsheit der 26. August 1857 als den Tag der Ermordung Adolphs
▼. Schlagintweit feststellen. — r.
Die Entdeckung der Mündung des Limpopo.
In der Sitzung der Londoner geographischen Gesellschaft vom 14. Juni 1869
theilte Mr. Mann einen Auszug aus dem Tagebuch des Mr. St. Vincent Erskine
mit, in welchem dessen Wanderungen durch die bisher noch völlig unbekannten
Gegenden am Unterlaufe des Limpopo bis zu der gleichfalls noch unerforschten
Mündung dieses grofsen Stromes niedergelegt sind. Von Pietermaritsburg wandte
358 Miscellen:
sich der Reisende am 6. Mai 1S68 über die Drakenberge, den Vilge und Orange-
Hufs nach Potschefstroomi der Hauptstadt der Transvaal Republik, nnd von dort
nach Pretoria. In Levdcnburg traf er mit Mauch zusammen, unter dessen Aa-
ieitung er sich zuerst mit dem Gebrauch des Sextanten und anderer Mefsinstni-
mente vertraut machte und die Lage dieses Ortes zu 31** 30' östl. L. und 26'
4' südl. Br. feststellte. Längs des Umschlasingvana - Flusses erreichte er nach
2/ Tagen Trigaardt Farm (24" 02' südl. Br.)i von wo er in Begleitung eines von
Natal mitgenommenen Kaffern Namens Adam, sowie mit 8 als Trager gemiethe-
ten Raffern am 13. Juli aufbrach und das Gebiet Umziola's, des vornehmsten
Häuptlings in dieser Gegend , dessen Residenz an der Mündung des LipaluH in
den Limpopo liegt, betrat. Drei Tage später blickte er von der Spitze der
Drakenberge in die grofse vom Limpopo bewässerte Ebene hinab, durch weiche
sich der Umschlasi - Flufs wie ein Silberfaden hindurchschlängelt. Durch eine
wild zerrissene Bergkluft stieg Erskine in die Ebene hinab nnd erreichte znoidut
Imperani's Kraal, wo er cindn Kaffernstamm antraf, welcher durch künstliche
Mittel die Gesichtshaut in eine Reihe kleiner Knoten von der Gröfse einer Erbse
von der Stirn herab bis zur Nase zusammenzuzwaiigen pflegt (wahrscheinlich
durch Einkerbungen bewirkt). In ähnlicher Weise verunstalten die Frauen ihre
Backen und Oberlippe. Mit neuen Trägern brach der Reisende von hier bid
17. Juli auf; sein Weg führte ihn durch eine flache, einförmige, mit Gestrüpp,
weifsem Sandstein, Conglomerat und Quarzfelsen bedeckte Gegend. Am Umtt-
siti-Flnsse bemerkte er einen prächtigen weifsen Quarzfelsen von ähnlicher Be-
schaffenheit, wie Mauch solche in den Golddistricten am Shashi - Flnfse gesehen
hatte, und von hier an betrat er die reichsten Jagdgründe, welche von zahllosen
Heerden von Giraffen, Elennthieren, gefleckten Gnus, Zebras, Büffeln etc. belebt
waren. Unter 23^ 29' südl. Br. erreichte er Imbondune's Kraal, von wo er mit
Zarücklassung seines Gepäckes eine mehrtägige Excnrsion durch gut bebaute und
dicht bevölkerte Gegenden an den Lipaluli unternahm, dessen Mündung in den
Limpopo er unter 23"" 34' südl. Br. und 33"" 40' östl. L. festlegte, eine Anishl
Temperatur - Beobachtungen anstellte und, wie es scheint, nicht aninteressaate
ichthyologiscfae Notizen sammelte, welche einen Anhang seines Tagebuches bil-
den. Nach mancherlei Kreuz- und Querzügen, nach mannigfachen Widerwärtig-
keiten, welche seinen Forschungen durch das Mifstrauen der KaffemhäuptÜDge
widerfuhren, und nachdem ihn seine Träger in Stich gelassen hatten, entschlofi
er sich, seinem Glücksstern vertrauend, allein und belastet mit einem für eiaen
Fufswanderer nicht unbedeutenden Gepäck, seine Wanderung am linken Ufer des
Limpopo fortzusetzen. Je mehr es sich der Mündung näherte, desto mehr verlor
die Gegend ihren bis dahin dichtbuschigen Charakter; offene, grasreiche Ebeoen
breiteten sich vor ihm aus, in denen nur hier und da Euphorbien und Elfenbein-
palmen {Phytelephas macrocarpa Rz et F.}» den Cocospalmen ähnlich, hervorragten.
Erskine's Erscheinen erregte übrigens unter den Kaffern am Unterlauf des Limpopo
grofse Verwanderung, da bis dahin noch kein Weifser bis in diese Gegenden vorge-
drungen war, und nur Wenige der Eingebomen in der Delagoabai die BekannUcbsft
mit Europäern gemacht hatten. Nach ihrer Aussage erfuhr Erskine in Manjobo's
Kraal, dafs die Mündung des Limpopo oder Bembe in die Delagoa- oder Dm-
iruna-Bai, wie sie von den Eingebomen genannt wird, nur noch vier Tagereisen
Die Entdeckung der Mündung des Limpopo. 359
entfernt sei. Endlich stand der Reisende am 5. September am Ziel seiner Wansohe»
an der Mündung des Limpopo in den indischen Ocean, deren Lage er unter
25^ 15' 29" südl. Br. und etwa 34** östl. L. bestimmte. Zwischen vvie fnsch ge-
£Ulener Schnee glänzenden Sanddünen ergiefst sich der Flufs, der an seiner Mün-
dung etwa 300 Yards breit ist, in den Ocean, und noch drei Miles weit in das
Meer hinein ist, da keine Barre die Mündung versperrt, die Ausströmung erkenn-
bar. Das Ufer an der Nordseite des Flusses zeigt sich als eine weite von dem
Flusse nnd von Springfluthen häufig überschwemmte Sandfiäche, hier und da wei-
ter nach Norden hin unterbrochen von hohen, thcils mit Gestrüpp bewachsenen,
tbeils kahlen Sanddünen; auch erblickt man dort eine 5 Miles lange und I Mile
breite Lagune, welche durch einen Canal mit dem Meere in Verbindung steht.
Die von Erskine entdeckte Mündung des Limpopo ist ohne Zweifel identisch mit
der des Inhampura-Flusses unserer Karten, den die Portugiesen als Splrito Sancto
bezeichneten. Unter grofsen Entbehrungen und heimgesucht durch Fieberanfalle
kehrte unser Reisende nach sechsmonatlicher Abwesenheit Ende December 1868
durch die zwischen der Küste und den Drakebergen gelegenen bergigen Gegen-
den nach Natal zurück. Durch Erskine's Untersuchungen der Uferlandschaften
am untern Limpopo und seiner Nebenflüsse ist der.Colonisation ein neues Ter-
rain eröfhiet, da die Fruchtbarkeit des Bodens, das vielleicht noch 150 Miles land-
einwärts reichende gesunde Klima sich einer europäischen Einwanderung höchst
günstig erweisen und die Eingebornen einer allmälig vorschreitenden Colonisation
keinen ernsten Widerstand entgegensetzen dürften. Bereits sind durch die «Glas-
gow and South African Company* geeignete Schritte geschehen, um von der
Delagoa-Bai aus auf dem Limpopo eine Inlandroute zu eröffnen. Die vollstän-
dige Publication von Erskine's Tagebuch wird für den 39. Band des Journals der
Londoner geographischen Gresellschaft verheifsen, nnd dürfen wir hoffen, dafs aus
demselben für die Geographie ein gröfserer Gewinn sich ergeben wird, als der
bisherige Auszug bietet. — r»
Europäer in Ost-TOrkistan.
^Vergl. 8Hp of Meeting of tke Royal Geographical Society Session 1868 — 69.
No. 1 und 10.)
Das Vordringen der Bussen in Westtürkistan hat jetzt die Augen der Eng-
länder anf die Nordwestprovinzen ihres indischen Reiches gelenkt und ihnen den
Gedanken eines Zusammenstofsens mit jenen nahe gelegt. Diese nRussoi^obia''
iand sofort in der Londoner geographischen Gesellschaft ihre Bekämpfnag: es
vurde darauf hingewiesen, dafs die gewaltigen Gebirgszüge des Muz-Tagh (Küen-lün
Homboldts) und Hindukusch und die Region hoher Plateaus nördlich vom ersteren
wohl nie einem Heere der civilisirten Nationen Europas die Ueberschreitung ge-
statten würden, wenn es auch einmal einem Herrscher Kascfagars geglückt sei,
nut seinen fliegenden Horden in Kaschmir einzudringen. Aber so unpassirbar
und jene Gebirge nicht, dafs nicht Handelskaravanen der Durchzug möglich wäre.
£iii Brief des Mr. Forsjth, Regierungscommissärs für den Handel Nordindieas,
360 Miscellen:
meldete schon Ende des vorigen Jahres die Eröfinnng eines bis dahin fast nn^
passirbaren Handelsweges von Kalu nnd Lahnl nach Leh in Ladakh und von da
über den 19,500' hohen Tschangtschenmo - Pafs in's Thal des Karakasch, nach
Sandschn and Jarkand, der Hanptstadt von Ost-Türkistan, ein Gebiet durchschnei-
dend, das zum Theil schon von Mr. Johnson auf seiner Reise nach Iltschi 186$
erforscht worden war (cf. Journal of the Roy. Geogr. Society 1867, p. 1 ff.). Zur
Erbaunng von Brücken nnd Ebenung der Wege auf der Strecke von Lahol bis
an die Grenze von Türkistan genügte die geringe Summe von £ 500 und mit
ebenso viel denkt man die Strafse bis Jarkand zu vollenden. Die Aufhebung
der hohen Steuern in Ladakh und das tüchtige Regiment des Jakub Bey Kusch-
begi in Jarkand tragen viel dazu bei, dafs diese Strafse benutzt wird, wenn auch
Anfangs nur von eingebomen Händlern.
Gleichzeitig zog Lieutenant Hayward, den die Londoner Gesellschaft aasge-
sendet hat, in Dschellalabad am Kabul Erkundigungen über die Wege nach
Norden ein, und es gelang ihm, von einem Jarkander Kaufmann ein genaues
Itinerar zu erhalten, wonach er eine Karte construiren konnte.
Diese Strafse führt von Dschellalabad nordöstlich durch das Kama- nnd
Tschitralthal und aus letzterem auf einem leichten Wege über den Hindakusch
in das obere Oxnsthal. Es soll dies der uralte Handelsweg sein, den schon
Ptolemätts beschreibt und den der portugiesische Missionar Benedikt Goez zu-
rückgelegt hat. Doch wird er jetzt, trotz seiner Leichtigkeit, nur selten benutzt,
da er den Angriffen der räuberischen Bewohner Kaüristan's ausgesetzt ist.
Ein englischer Theehändler, Mr. Shaw, benutzte nun eine einheimische Ka-
ravane, dem Herrscher Jarkands durch einen Diener Geschenke, denen Mr. For-
syth eine Pferdeladung Thee hinzufügte, überbringen zu lassen und um gnädige
Aufnahme zu bitten. Drei Wochen später begab er sich selbst an die Grenze
von Ladakh und Türkistan, und als er von seinem Diener aufgefordert warde,
zu folgen, stieg er auf dem zuerst beschriebenen, neu eröffneten Handelsweg
hinüber in's Thal des Karakasch, der nach Iltschi. hinab fliefst und das er bis
Schahdula verfolgte. Dort wurde er unter Abfeuern der Flinten von einem
Abgesandten des Herrschers empfangen, der ihm die Reise in jeder Weise er-
leichterte und ihm ein seidenes Ehrenkleid übergab. Keiner seiner Begleiter
durfte zu Fufs gehn; selbst die tibetanischen Kulis erhielten Jaks zum Reiten.
Täglich erhielt er Früchte und ein Schaaf — und seinen Thee verkaufte er zu
16 Schilling das Pfund, das in England mit ^\ sh. bezahlt wird. Kurz, Mr.
Shaw's Brief ist voll der besten Hoffnungen: er wurde geschrieben am 28. No-
vember 1868 bei Sandschn, wenige Tagereisen vor Jarkand, nachdem Tags zuvor
der elfte und letzte Pafs von Kaschmir an fiberstiegen worden war.
Nicht so gute Nachrichten meldet der Brief über Mr. Hayward, der es ver-
absäumte, sich den Weg auf gleiche Weise, wie der Theehändler, zu bahnen.
Er wird in Schahdula gefangen gehalten, und, obwohl Mr. Shaw nichts für sein
Leben furchtet, zweifelt er doch, ob er sein Ziel erreichen werde. Obwohl der
Kuschbegi augenscheinlich wünscht, freundschaftliche Beziehungen mit den Eng^
ländern einzugehen, so ist doch den beiden in seinem Gebiet Befindlichen vor-
läufig jede Correspondenz untersagt — nnd Mr. Shaw's Brief gelangte nur in
einem Mehlsack heimkehrender Jaktreiber versteckt in's britische Gebiet.
Europäer in Ost-Türkistan. — Bevölkenmg^- Statistik etc. 361
So werden sich denn in nnfemer Zeit Rofsland und England in Ost-Türkistan
begegnen, aber nicht mit Waffen in der Hand, sondern im friedlichen Theehandel
nnd hoffentlich auch in geographischen Entdeckungen wetteifernd.
R. K.
Bevölkerungs-Statistik der französischen Colonien am
Ende des Jahres 1866.
(Nich den: Tableaux de populatUm, de culture etc. pour Vann4e 1866 ^ Paris 18 69.
Yergl. diese Zeitschr. 1868. S. 877.)
Martinique. Angaben über den Stand der Bevölkerung im Jahre 1866
liegen nicht vor, es sind die Angaben für das J. 1867 hier anticipirt worden;
danach betrug die Seelenzahl 150,695, es hat mithin hier gegen das Jahr 1865
«ine Vermehrung um 11,586 Seelen stattgefunden.
Guadaioupe. Hier hat sich eine starke Abnahme der Bevölkerung ge-
seigt, indem sich im Jahre 1866 die Seelenzahl, welche 1865 auf 132,012 ange-
geben wurde, um 4062 vermindert hat. Guadaioupe zählte 109,965 E., 2916
weniger als im Vorjahre; Marie Galante 12,456 E., 575 weniger als im Vor-
jahre; La Desirade 1385 E., 247 weniger als im Vorjahre; Saint-Martin,
fianz. Antheil, 2821 £., 391 weniger als im Vorjahre; nur auf Les Saintes
hat eine Vermehrung um 67 Einwohner stattgefunden; dieselbe zählte 1866
1323 £.
Französisch Guyana wird mit 18,341 E. angeführt. Unrichtigkeiten,
welche in den Listen entweder in den Angaben über den Zugang oder Abgang
der Seelenzahl sich eingeschlichen haben, lassen vermuthen, dafs in dieser Colo-
nie die Einwohnerzahl in den letzten Jahren so ziemlich gleich geblieben ist.
R^union zählte im Jahre 1866 208,336 E.; es hat gegen das Jahr 1865
eine Vermehrung um 450 E. stattgefunden. Die Bevölkerung hat sich seit dem
Jahre 1847 mehr als verdoppelt.
Die Senegal-Colonien werden in den Tableaux von 1865 mit 159,598 E.,
in dem von 1866 mit 198,135 E. aufgeführt, und zwar das Arrondissement Saint
Louis mit 128,650 E., das von Gor^e mit 69,485 E. Wie weit die Angaben
ober diese starke Vermehrung der Bevölkerung um 38,537 E. sich rechtfertigen
laasen, mnfs dahingestellt bleiben. Im Jahre 1860 wurden nämlich die drei Ar-
rondissements, in welche die Senegal-Colonien bis dahin getheilt waren, auf zwei
ledacirt, indem das Arrondissement Bakel den Arrondiss. Saint Louis und Gor^e
theUweise einverleibt wurde, nnd die Serr^res-Stämme in die Zählung mit hinein-
gezogen wurden. Danach enthält das Arrondiss. Saint-Louisdie Städte: Saint-
Lonis, Dagana, Fodor und Bakel, nnd die Provinzen Dimar, Onalo, Cayor und
Toro; das Arrondiss. Gor de umfafst die städtische Bevölkerung von Gorde, Da-
W, Rnfisqne, und die ländliche Bevölkerung der Halbinsel Cap-Vert, Fetite-
Cdte, de« Kreises M'bidgen mit den Serr^res (40,000 E.), Kaolakh, Sedhion,
Carabane, Rio-Nuiiez, Rio Pongo und Mellacorde.
Colonien in Ost- Indien mit einer Gesammtbevölkernng von 253,171 E.^
/^
^
3 62 MisceUen :
^lieselbe hat sich gegen das Vorjahr am 26,108 Seelen vermehrt. Die Zunahme
der Bevölkerung fand vorzugsweise in Karikal statt, indem hier dieselbe von 61,090
bis auf 92,704 Seelen stieg, während in Pondichdry, Chandemagor und Mähe sich
die Bevölkerung vemandert hat. Dieselbe betrug fiir Pondich^ry 121,186 (545'J
weniger als 1S65), Chandemagor 25,846 (318 weniger als 1865), Karikal 92,704,
Mah^ 17,609 (100 weniger als 1865), Yanaon 5026 (371 mehr als 1865).
Mayotte, Nossi B^ und Sainte-Marie-de-Madagascar mit ehier
Gesammtbevölkemng von 26,827 Seelen. Die Zählung von 1866 war bereits in
dem Tableau von 1865 aufgeführt (vergl. diese Zeitschr. 1868. S. 378).
Die Inseln St. Pierre und Tile aux Chiens, Miquelon, Langladc
haben eine Gesammtbevölkerung von 2924 sefshaften Bewohnern, also 17 Ein-
wohner als im Vorjahre. Die flottirende Bevölkerung wird auf 3971 Seelen an-
gegeben.
Neu-Caledonien zählte 1866 eine Bevölkerung von 1060 Weifscn (Nonm^
und Saint- Vincent 843, Tat^ 22, Ue des Pins 11, Loyalty Inseln 38, Napol6>]i-
• ville 41, Houagape 30, Poncho 71, der Nord- West 4). Daxn kommen 706 Sol-
daten, 335 Einwanderer aus Asien, Afrika und Oceanien, 239 Sträflinge, zusam-
men 1280. Es würde mithin die nicht einheimische Bevölkerung auf Neu-Cale-
donien und den Loyalty -Inseln 2340 Seelen betragen, während die Stärke der
eingebomen Bevölkerung sich noch nicht einmal annähernd bestimmen läfst.
Taiti und Moorea mit 11,000 E.; die Zählungen für das Jahr 1866 sind
nicht eingegangen. Nach dem ^Annuaire de Tatti* von 1865 zählen die Gesell-
flchaftsinseln 13,847, Tuamotu 8000, Marqnesas 10,000, Tubuai 550 Einwohner.
Französisch Cochinchina hat nach dem Ärmuaire vom J. 1867 eine
Bevölkerung von 585 Europäern, 482,953 Anamiten, 17,754 Chinesen, 374 Ma-
labaren, 323 Indier, 81 Tagalen, 46 Muselmänner, zusammen 502,116 E., doch
aind hierin nicht die Beamten und Truppen eingerechnet — r.
Die dritte Northern Territory-Expedition oder Northern
Territory Survey Party.
Von H. G — h. aus Adelaide in SUd-Australien.
Keine Tagesfrage ist in der Colonie Süd-Australien wohl mit mehr Interesse
und gröfserer Aufregung behandelt worden, als die nun schon seit 1864 datirende
Northern Territory-Angelegenheit. Das erste Stadium derselben, unter Leitung
der Colonel Finnis, Mr. Ch. Manton und Mr. M*Kinlay, so wie das zweite
unter der Führung des Cpt. Cadeil ist in verschiedenen Berichten dieser Zeit-
schrift sur Sprache gebracht worden (Bd. III. S. 74. 273.). Jetvt ist die Sache
nun, wie es scheint, in das letzte Stadium getreten, wenn nicht noch ein sekr
kostspieliger Prozefs durch alle Instanzen, gegen die südaustralische RegieroDg
von Seiten der Landkäufer (land-order-holders) angestrengt werden sollte ')•
'} Die Northern Tenitory-Company, welohe auf 26,000 Acres Land subscribirt
Die dritte Northern Territory -Expedition. 363
Nach Beendigung der Expedition unter Cpt. CadeU, welcher bekanntlich den
Liverpool R. zur Ansiedlung empfohlen hatte, entspann sich am 18. August 1868
im Parlamente die erste Debatte über den zu wählcndea weiteren Gang in der
Northern Tcrritoi7 Affaire und dauerte drei Tage. Das damalige Ministerium
Reynolds hatte folgende Resolntionen eingebracht: 1) Dals es nothwendig sei,
die in der Northern Territory Acte No 23, 1863 festgesetzte Tradirungszeit des
za vermessenden Landes von fünf Jahren, welche schon mit März 1869 abliefen,
anf zehn Jahre zu prolongiren. — 2) Dafs den Zeichnern, als Entgelt für diese
Verzögerung, anstatt der 160 Acres pro Section nunmehr 240 zu überweisen
seien. — 3) Dafs denjenigen land-order-holders, welche es vorziehen, nicht ver-
messenes Land sich irgend wo im Northern Territory auszuwählen, 320 Acres
pro Section, anstatt 160, gestattet werden. — 4) Dafs für jede gezeichnete Section
auf Verlangen noch andere 240 Acres zum Preise von 5 s. pro Acre bewilligt
werden. — 5) Dafs denjenigen, welche diese Bedingungen nicht acceptiren, das
Recht zustehe, die angezahlte Kaufsummo zurückzuverlangen. Nach sehr heftiger
dreitägiger Debatte wurden endlich am 20. August No. 3, 4 und 5 mit grofser
Minorität abgelehnt, dagegen No 1 u. 2 mit dem Zusätze, dafs die Vermessung
nunmehr ohne weiteren Verzug zur Ausführung kommen solle, fast einstimmig
angenommen. Bevor noch die so emendirten Resolutionen vom Legislative Coun-
cil bestätigt waren, wurden schon am 2. September Angebote zur Vermessung
von 420,000 Acres Land im Northern Territory, in höchstens einem Jahre bu
bewerkstelligen, ausgcschtieben* Es liefen neun Angebote ein, welche in ihren
Forderungen zwischen £ 21,000, d. i. 1 s., und £ 100,625, d. i. 4 s. 9^ d. pro
Acre, lagen. Der Surveyor General, aufgefordert, sein Urtheil abzugeben, ver-
warf alle Angebote bis auf einen, welcher £ 45,500, oder 2 8. 2 d. pro Acre
verlangte, konnte aber doch wieder manche Bedingungen darin nicht gutheifsen.
Mittlerweile waren, nach australischem Gebrauche, vier oder eigentlich fünf
Ministerkrisen hinter einander in der Colonie Süd-Anstralien eingetreten, und un-
ter diesem politischen Wirrwar muTste natürlich auch die Northern Territory An-
gelegenheit wieder verschoben werden. Endlich kam der Beschlufs der Assembly
im Legisfative Council zur Berathung. Es erhob sich hier eine sehr starke Op-
position, und die Debatte wurde immer wieder von Neuem vertagt, bis endlich
am 5. November die Resolutionen mit dem Amendement angenommen wurden,
•dafs anstatt der im Prospectus stipulirten 160 Acres nicht 240, sondern 320, also
das Doppelte, gewährt werden sollten. Zwar hatte das Assembly wenig Lust, die
Aendemng zu billigen, allein sie gab nach, weil sonst keine Einigung möglich
war. Die Parlamentsacte vom Jahre 1863 fizirte den Preis des Landes anf
and Pränumerando - Zahlung geleistet, hat bereits ihren Attomey beauftrogt, eine
Klage auf Rttckeratattung der eingezahlten Summen nebst Zinsen gegen die süd-
aufltralische Regierung zu erheben, und ein Gleiches ist auch in London gegen die
South Australian Banking Company geschehen, bei der die Einzahlung fUr die Zeich-
nung in England gemacht wurde. Die Klage fufst darauf, dafs die Regierung sich
verbindlich gemacht habe, den Käufern das vermessene Land innerhalb fünfJahre
anzuweisen, und dafs dieser Termin mit Anfang März 1869 abgelaufen sei. Von
einem Vorbehalte, die Zeit der Ablieferung eyentualiter von ftlnf auf sehn Jahre aus-
zudehnen, finde sich in dem Agreement kein Wort.
364 Miscellen:
7 8. 6 d. pro Acre, d. i. 2 Thlr. 16 Sgr. Nach dem BeschloBse des Unterhaases
würde sich der Acre auf 5 a. oder 1 Thlr. 21 Sgr. gestellt haben, während er
jetzt 3 8. 9 d. oder 1 Thlr. 8 Sgr. za stehen kommt.
Das neue Strangwajs Ministeriam fragte nun beim Snrveyor General, Mr.
G. W. Goyder, an, ob er geneigt sei, selber die Vermessangen des Landes im
Northern Territory in Contract za übernehmen. Derselbe lehnte dies zwar mit
Bestimmtheit ab, erklärte sich aber bereit, dieselbe im Auftrage der Begiemng
innerhalb zehn Monaten ausfahren zu wollen, sofern man ihm in der Auswahl
seiner Feldmesser und der übrigen Arbeiter, sowie in der ganzen weitem Aus-
rüstung carte blanche lasse und ihm, aufser seinem fortlaufenden Gehalte, eine
Vergütigung von £ 3000 gewähren wolle. Die Gesammtkosten der Expedition
yeranschlagte er auf ungefähr £ 40,000. Die Regierung zögerte keinen Augen-
blick, dies Anerbieten anzunehmen, da sie wohl wufste, dafs die Sache in keine
bessern Hände gelegt werden konnte. Mr. Goyder, früher praktischer Feldmes-
ser, hat einen grofsen Theil des Eronlandea vermessen und dabei eine aoTser-'
ordentliche Tüchtigkeit bewährt. Es wurde also dem Parlamente schon am
12. November eine Bill vorgelegt, welche eine Anleihe von £ 40,000 bezwecktet
und passirte beide Häuser ohne weitere Schwierigkeit.
Bevor ich nun die neue Expedition weiter bespreche, mögen einige Worte
über das Conto des Northern Territory-Fond am Platze sein. Als im Jahre 1864
der Prospectus vorlag, wurden in Australien, vorzugsweise in der Colonie Süd-
Australien, £ 44,720 und in London £ 49,721 10 s. auf Land gezeichnet nnd.
haar eingezahlt, also in Summa £ 94,461 10 s. Dazu kommen nun noch Zin-
sen, welche sich bis zum 1. Juli 1868 im Cranzen auf £ 5,532 16 s. 6 d. belie-
fen. Mithin erreichte das Conto die Höhe von £ 99,993 6 s. 6 d. Die erste
Expedition, unter der heillosen Wirthschaft des Colonel Finnis in den Jahren
1864 und 1865 '), verschlang allein £ 78,740, inclusive der £ 8000, welche der
verunglückte Streifzug M'Rinlay'8 wegraffte. Die zweite Expedition unter Cpt.
Cadell im Jahre 1867 kostete ungefähr £ 10,500. Am 1. Juli vorigen Jahres
verblieb noch ein Rest von £ 10,731 6 s. 3 d. Da nun die jetzige Expedition
unter Mr. Goyder auf wenigstens £ 40,000 Kosten veranschlagt ist, so hätte die
südaustralische Colonie noch eine Zulage von mindestens £ 30,000 zu machen,
trotz der bestimmtesten Versicherungen des Ministeriums vom Jahre 1863, dafs
derselben auch kein Pfennig zur Last fallen solle.
Mr. Manton hatte seiner Zeit Port Darwin als den geeignetsten Ort für eine
neue Niederlassung im Northern Territory in Vorschlag gebracht. Der Hafen ist
so ausgezeichnet, dafs er dem von Sidney nichts nachgiebt. Mr. M'Kinlay hatte
nur dagegen einzuwenden, dafs in den heifsen Sommermonaten das offene Trink-
wasser ausgehen möchte und dafs man dann gezwungen wäre, selbiges aus Brun-
nen zu gewinnen. Das Land ist zwar in unmittelbarer Nähe des Hafens nicht
') Der galant Colonel fand z. B. viel Vergnügen an militürisehen Exereitien
und vergeudete einen grofsen Theil der Zeit damit, seine Mannschaft, welche explo-
riren und vermessen sollte, exerciren zu lassen. Ueberhaupt geberdete er sich wie
ein Pascha, welches Regiment aber natürlich der Gesellschaft sehr wenig zusagte
und die zuletzt gegen ihn fSrmlich rebellirte. Vor seinem Zelte mnfste Tag und Nacht
eine Schildwache stehen und die üblichen Honenrs vor ihm machen u. s. w.
Der Ipacaray. 365
sehr got, wird indefs schon in geringer Entfemnng immer besser, und dieCom-
mnnication dahin hat keine Schwierigkeiten. Hier nun bei Port Darwin soll die
Anlegung einer Stadt, welche der neuen Ansiedlnng zur Hanpt- und Hafenstadt
dienen soll, sowie die weitere Vermessung des zu Agricnltnrzwecken dienenden
Landes stattfinden.
Das Schiff Moonta, Capitain Bameson, 627 Tonnen, wurde yon der süd«
australischen Begierung für die Summe von £ 3000 engagirt, um die dritte Nor-
thern Territory-Expedition, oder, wie sie vielleicht richtiger genannt wird, Northern
Territory Survey Party, nach Port Darwin überzuführen. Dies Schiff verliefs am
27. December vorigen Jahres Port Adelaide und nahm seine Fahrt, welche vier
bis fünf Wochen in Anspruch nehmen dürfte, vi& Cape Leuwin, also um West-
Aastralien herum.
Die Gesellschaft, unter Anführung des Surveyor General, Mr. G. W. Goyder,
xahlt im Ganzen 130 Personen und wird von einem Ober- und Unterarzte, einem
Thierarzte, einem Geologen und einem Botaniker *), zwei Photographen u. s. w.
begleitet. Es wurden 45 Pferde, 10 Zugochsen und 50 Ziegen mitgenommen,
aber kein Schlachtvieh (Rindvieh und Schafe),- da man conservirtes Fleisch vor-
zog, von welchem allein bei der Melbourne Meat Preserving Company 10,000
Pfund entnommen wurden. Selbstverständlich befanden sich Drays, Wagen, leichte
Fahrwerke, Boote u. s. w. an Bord.
Das Schiff Moonta mufs 21 Tage in Port Darwin verweilen, damit ist aber
dann der Contract erfüllt und es mag seine Wege gehen. Die südaustralische
Begierung hat indefs einen kleinen Schooner, genannt Sea Ripple, in Melbourne
käuflich erstanden, der sich jedoch bei seiner Ankunft in Adelaide als seeuntüch-
tig erwies und durch den Schooner Gulnare ersetzt wurde; letzterer wird etwa
Mitte Februar mit weiteren Vorräthen der Expedition nachfolgen und in Port
Darwin verbleiben, iheils zum Zwecke des Explorirens, theils um als Postschiff
zwischen dort und der holländischen Stadt Coepang auf Timor verwendet zu
werden. Aufserdem ist noch ein kleiner Steamer angekauft und dem Mr. Goyder
zur Disposition gestellt. Ueberhaupt mufs man anerkennen, dafs bei der Aus-
rüstung dieser Gesellschaft keine Kosten gescheut sind. Wie die neuesten Be-
richte melden, ist dem Mr. Goyder, wenn auch Port Darwin zunächst als Colo-
nisationspunkt in's Auge zu fassen sein dürfte, doch in der Auswahl der zu ver-
messenden Gegenden vollkommene Freiheit gelassen.
Der Ipacaray.
Dieser See, im Innern Paraguays gelegen und bis jetzt kaum dem Namen
nach bekannt» wird von dem hohen Gebirge eingeschlossen, welches, von der Mün-
*) Beide sind Deutsche, die Herren F. und A. Schnitze, welche von dem'
Carator des zoologischen Museums, Mr. Waterhouse, und dem Director des botani-
schen Gartens in Adelaide, Herrn Schomburgk, sehr genaue Instructionen empfangen
haben«
366 Miscellen :
dang des Blasses Paraguay mit dem Parana aasgehend, in der Rlchtang nacb
NNO. and später N. anter dem dort gebr&aehlichen Namen «la Cordillera* die
ganze Republik dnreh zieht An seinen Ufern lagern in diesem Aagenblicke die
Reste der Armee des Diktator Lopez. Von dem Ipacaray and seinem Wasser
erzählt man die merkwürdigsten Eigenschaften and Karen im ganzen Lande, and
ist sein Name allein dafür bezeichnend, da derselbe in der Gaarani-Sprache wört-
lich übersetzt „Brannen von heiligem Wasser ** heifst — Derselbe ist über eine
Legna breit and an derjenigen Stelle, wo man znr Bequemlichkeit des leiden-
den Pablikams (zu dem vor allem die Bewohner Asampcions zu rechnen sind)
eine Art von Mole angelegt, von einer dichten Grappe der kolossalsten Bäume
dieses Tropenlandes beschattet, wie solche wohl selten in ähnlicher Pracht, GrÖfse
und Varietät wiedergefunden werden. In unmittelbarer Nähe seines Ufers erheben
sieh die weithin sichtbaren Berge von Aregai, an deren Fufs das Städtchen glei-
chen Namens liegt. Die Gipfel dieser Berge sind mit dichtem Walde bedeckt
und in der ganzen Gegend wegen ihres unerschöpflichen Reichthums an Basalt-
blöcken bekannt, deren in's röthliche schimmernde Farbe und sonore, glocken-
ühnliche Ton beim Anschlagen an dieselben weit und breit gerühmt wird. Die
gegenüberliegende Seite des Ipacaray's wird von der Cordillera im eigentlicfaen
Sinne des Wortes eingerahmt und bietet dem Beschauer einen ebenso majestäti-
schen wie überraschenden Anblick, von welcher Seite man sich auch demselben
nähere. in-ßl Sifflo*^ von Montevideo.)
Zum Leben in Australien.
Welchem Wechsel das sonst so sehöne und freie Leben eines aastralischen-
^Squatters** unterworfen ist, erhellt aus einem Artikel eines mittel -australi*
sehen Blattes, der in den Melboumer «Argus* übergegangen, mit Bezog aaf die
Herren F. und G. Desailly, deren Namen dort allgemein bekannt und geachtet
ist. — Vor etwa 5 Jahren hatten die Herren Desaiily ein Vermögen von £ 80,000
erworben. Nun zogen sie mit ihren Heerden in die wasserlose Wildnifs nördlich
vom oberen Lachlau und verloren dort ihr ganzes Capital! Im März d. J. ver-
liefsen sie die Scene ihres Mifsgeschickes, das sie haaptsächlich in Folge der an-
dauernden Dürre ereilt hatte, vielleicht für immer. Nachdem sie Mosoqiel — das
ist der Name ihrer Ansiedelung — verlassen, wandten sie sich über Hay nach
Mr. Wm. Campbeils Stationen hinter Conargo. Zwischen Hay und Conargo
überholte sie der Regen, für dessen Eintreten sie 4 bis 5 Jahre vergeblich ge-
betet und gefleht hatten, und folgte ihnen, einer Sündfluth gleich. Sogar ihr
Leben gerieth dabei in Gefahr I Sie reisten in einem offenen leichten amerika-
schen Wagen (buggy) in solchem Regen, als noch niemals von Weifsen dort er-
lebt worden. Vier lange Tage und Nächte dauerte ihre Wasserfahrt, denn sie
fahren buchstäblich durch eine unabsehbare Wasserfläche. Für 48 Stunden wa-
''en sie ohne Nahrung und ohne den geringsten Schutz gegen Wind und Wetter^
is endlich ihr Wagen in einem Sumpfe buchstäblich begraben wurde. — Ver-
fiblich suchten sie denselben wieder herauszuziehen, indem sie von ihm Stück.
Zam Leben in Anstralien. — Erdheben in Sonora. 367
für Stück abnahmen, was sich nar lösen liefs; er blieb jedoch fest im Sumpfe
and sie mnfsten ihn verlassen, nnr um sich selbst zu retten. Nach späteren Nach-
richten sollen die Herren Desailly, in Folge der nachhaltigen Regen, wieder nach
ihrer Station sich zurückbegeben haben, woselbst sie jetzt dennoch hoffen, sich
TOB ihren schweren, durch Dürre erlittenen Verhältnissen zu erholen.
F. Kawerau.
Erdbeben in Sonora und unter -Californien
am 15., 17. und 18'. October 1868.
In der Nacht des 15. Octobers stellte sich ein Orkan, begleitet von den hef-
ti^ten tropischen Regengüssen, in dem südlichen Theile des Staates Sonora und
ÜDter-Califomien ein, der vier Tage lang dauerte. Nach Berichten aus Guaymas
ist Loreto in Unter- Californien vollständig zerstört, indem nnr die fest gebaute
Kirche, in welche die Bewohner sich geflüchtet hatten, stehen blieb. Der Jaqui-
Flofs in Sonora stieg in der Zeit von 8 Stunden um nngefahr 40 Fufs, verwü-
stete das ganze Thal und rifs die anliegenden Ortschaften mit sich fort. Navojoa
am Majo-Flnfs, seit etwa 5 Jahren ein wichtiger Platz des südlichen Sonora, und
viele andere Orte sind ebenfalls verschwunden. Eine grofse Anzahl Indianer,
welche an den Ufern obengenannter Flüsse wohnen, fanden ihren Tod in den
Fiuthen.
Die schrecklichsten Nachrichten jedoch kommen aus Alamos. Diese Stadt
wurde nämlich durch eine Ueberschwemmung, die in der Nacht vom 17. zum 18.
eintrat und 26 Stunden lang fortwährend wuchs, fast vollständig zerstört; denn
es sind j- der Häuser von den Fiuthen fortgerissen, so dafs an vielen Stellen kein
Zeichen zurückblieb, wo dieselben gestanden haben. Die durch die Ueberschwem-
mung nicht heimgesuchten Gebäude wurden jedoch durch das übermäfsig fallende
Regenwasser zu Grunde gerichtet, so dafs von den etwa 400 Häusern im Ganzen
Dur 7 stehen blieben. (Da mir bekannt ist, dafs meine Vaterstadt 6000 — 7000
Einwohner hat und durchschnittlich 15 Personen in einem Hause wohnen, so darf
ich wohl die Zahl 400 als annähernd richtig angeben.) In einem gemauerten
Bassin» das durch seine freie Lage, und weil es. über den Boden hervorragt,
weder von oben her noch von der Seite Zuflnfs erhalten konnte und daher als
ein Regenmesser angesehen werden darf, fand man nach 72 Stunden den Wasser-
spiegel um 40 Zoll gestiegen. In Mexiko findet sich fast in jedem Hause ein
solches Bassin und dient zum Baden. Die Ueberschwemmung begann am 17. gegen
Mittemacht und kam so plötzlich, dafs einige Familien kaum Zeit hatteui nach den
Anhöhen zu flüchten. Einige Tage später konnte man schon mehr als 100 Todte
zshlen. Die meisten Bewohner verloren Alles aufser dem, was sie an ihrem
Leibe trugen. — Es ist kein Geld vorhanden, um die Stadt wieder aufzubauen,
and man fürchtet, dafs die schöne Kirche nun einsam zwischen zwei Bachen
daliegen wird zur Bewunderung der znkünftigcn Reisenden, — wenn man keine
bessere Methode zur Bearbeitung der Bergwerke einführt, der einzigen Quelle des
Rcichthnms dieser Stadt. Josd M. Ortiz.
368
Miscellen:
Stand der Bevölkerung im Königreich der Niederlanden
nach der Zählung vom 31. December 1867.
(Vergl. Statistische bescheiden voor het koningr. der Nederlanden, B* D. St. 1.
's Gravenhage 1869.)
Zfthlan
31. Dec.
1866.
g vom
81. Dec.
1867.
*-
Z&hlang vom
81. Dec. 31. Dec
1866. 1867.
Nordbrabant
's Hertogenbosch .
Breda
Tübnrg
Uebrige Gemeinden
24,201
15,193
18,449
368,730
24,579
15,210
19,306
372,158
Friesland.
Leeuwarden ....
Opsterland . . . . ^
Schoterland ....
Tietjerksteradeel . .
Weststellingwerf . .
Wonseradeel ....
Uebrige Gemeinden
25,273
12,348
11,289
1 1,277
12,853
11,438
208,025
25,113
12,382
11,426
11,407
13,051
Total
426,573
431,253
11,624
210,943
30,021
12,250
22,551
15,138
350,326
30,896
12,411
22,712
15,113
352,961
fieUeriand.
Total
292,503
295,946
Arnhem
Apeldoom
Nijmegen
Zutphen
Debrige Gemeinden
Overijssel.
ZwoUe
Deventer
Kampen
Uebrige Gemeinden
20,438
17,736
15,213
199,776
20,572
17,846
15,589
202,442
Total
430,286
434,093
Zuidholland.
's Gravenhage . . .
Delft
Dordrecht
Goada
87,801
21,877
24,265
15,527
38,000
115,277
16,706
354,308
89,068
22,049
24,420
15,524
38,605
117,104
16,768
357,783
Total
253,163
256,449
Groningen.
Groningen
Uebrige Gemeinden
36,852
189,287
37,292
191,726
Leiden
Rotterdam
Total
226,139
229,018
ochiedam
Uebrige Gemeinden
Drenthe
104,956
106,532
Total 1 673,761 681,321
Limburg.
Maastricht
Uebrige Gemeinden
28,495
195,033
28,557
196,769
Total
223,528
225,326
Nach der Zählung vom 31. December 1867 betrag mithin die Gesammt-
bevölkerang 3,592,415 Seelen, am 39,840 mehr als im J. 1866. Unter diesen
befanden sich 1,782,211 männlichen und 1,810,204 weiblichen Geschlechts.
— r.
Die höhlenbewohnenden Kannibalen in Sud -Afrika. 359
Die höhlenbewohnenden Kannibalen in Süd-Afrika.
(Nach dem „Anthropological Review'', April 1869.)
Die Beisenden Jamea Henry Bowker, Dr. Bleek und Dr. John Beddoe schil-
dern einen Besuch der gröfäten dieser Höhlen, die in den Gebirgen jenseits
Tliaba Bosigo gelegen ist. Der Weg dahin führte ein steiles enges Thal in die
Höhe, dann mufsten Berge erstiegen werden, von denen ans man an dem Ab-
hänge in die Höhle gelangte. Dieselbe wnrde durch einen überhängenden Felsen
gebildet, der Eingang entspricht der ganzen Grüfse, welche etwa 130 Yards lang
und 100 Tards breit ist Die Felsen waren vom Ranche geschwärzt, der Boden
mit vielen menschlichen Knochen bedeckt, die theils aufgeschichtet, theils umher
gestreut waren, auch vom Rande der Höhle aus auf den Abhang gelangt waren
und dort umher lagen. Schädel waren besonders zahlreich und gehörten meist
Kindern und jungen Personen an. Dieselben schienen mit stumpfen Aezten oder
geacharften Steinen zerschlagen zu sein, die Markknochen waren in kleine Stücke
getrennt und nur die runden Gelenktheile unzer brochen. Nur wenige Knochen
waren vom Feuer geschwärzt» woraus eine Vorliebe für gekochtes Fleisch gegen-
über dem gebratenen hervorzugehen schien. Innerhalb der Höhle sieht man eine
Art düstrer Gallerie, zu der unrcgelmäfsige rohe Stufen hinauf fuhren; hier sol-
len die unglücklichen Opfer aufbewahrt worden sein, die nicht augenblicklich
verzehrt werden sollten. Ein Entrinnen von dieser Stelle aus war unmöglich,
ohne die Höhle zu passiren. Diese schreckliche Sitte wird nicht etwa von einem
Volke betrieben, das durch Hnngersnoth dazu gezwungen ist, seine Feinde ge-
fingen zu nehmen und zu verzehren, nein, es sind die Bewohner eines frucht-
baren, wildreichen Ackerlandes, die nicht allein ihre Feinde jagen und verzehren,
sondern auch sich untereinander rauben, ja sogar in Zeiten der Noth ihre eige-
nen Weiber und Kinder fressen. Zänkische Weiber und unruhige Kinder werden
auf diese Weise zur Ruhe gebracht, auch körperlich schwach werdende Mitglieder
der Gemeinde sind dem ausgesetzt Wenn nun auch jeist gewöhnlich angegeben
wird, dafs diese Sitte verlassen sei, so fanden sich doch in der Höhle noch sehr
frische Knochen, deren Fettgehalt annehmen liefs, dafs erst vor wenig Monaten
ihr Eigenthnmer dort seinem Schicksal verfallen war.
Diese Höhle ist eine der gröfsten im Lande und nach allen Nachrichten
ein Hauptquartier der Kannibalen. Vor 80 Jahren war das ganze Land vom
Malnta bis zum Caledon von Menschenfressern bewohnt, die der Schrecken der
umwohnenden Stämme waren. Sie schickten kleine Streifpartien aus« die sich
«irischen den Felsen und Büschen verbargen, und Frauen, Kinder, Reisende, so-
wie Knaben, die nach verloren gegangenem Vieh suchten, wegschleppten. Uebri-
geos gicbt es auch jetzt noch eine ganze Menge alter Menschenfresser. Die
Bebenden lernten einen kennen, welcher mit einer Frau verheirathet war, die er
mit zwei andern Weibern geraubt hatte. Während die anderen geschlachtet wur-'
den, heirathete er diese, und die Ehe soll trota der ungewöhnlichen Verhältniss-
sine glückliche gewesen sein. <^
Die Reisenden besuchten auch einige der Kannibalen-Höhlen nahe den Que
ka des Caledon - Flusses , die jedoch nicht so grofs als die beschriebene wäre
Z«ltse1iT. d. G«flell8eh. f. Brdk. Bd. IV. ^^
370 . Miacellen :
Die jetzigen Bewohner derselben sind keine Menschenfresser mehr. Ein alter
Kannibale, der den Reisenden mittheilte, dafs er selbst noch dabei gewesen sei,
als 30 Menschen auf einmal verzehrt wurden, fand das Verlassen dieser Sitte
höchst unverständig, üebrigens hat sich einmal der eigenthümliche Fall ereignet,
dafs ein Mädchen, die gefangen und von den Kannibalen anf Leben gelassen
war, nm das Weib eines derselben zu werden, nach ihrer erfolgten Loskanfnng
freiwillig wieder dorthin zurückkehrte. Characteristisch für die GeringschatxuDg
und Rohheit dieses Menschenschlages gegenüber dem menschlichen Leben ist auch
der Zug, dafs als Köder in die Fallen zu dem Löwenfange kleine Kinder gesetzt
wurden, um durch ihr Wimmern die Löwen anzulocken. Der alte Hänptliog
Moshesh, zu dessen aus mehreren Nationalitaten gebildetem Stamme diese einsti-
gen Menschenfresser gehörten, hat alles gethan, um die unmenschliche Sitte zu
unterdrücken, und hierin auch Erfolg gehabt, da sich das Volk dem Ackerbau
zuwendet.
Dr. Bleek fügt folgendes über die Quellen hinzu, die man über den Kanni-
balismus nachschlagen kann: Obenan steht Arbonsset et Dumas' Relation d'm
Voycige cTexploratian au Nordwest de la Colonie du Cap de Bonne- Espirance; entre-
prig daus Ua mois de mars, avnl et mai 1836 (Paris 1842), Gap. 7, S. 105—123,
in der englischen Uebersetzung von Dr. Brown p. 52 — 61, jedoch in letxtever
' ohne die Abbildungen des Originals, welche das Portrait eines Kannibalen est-
haiten. In der dem Original beigegebenen Karte sind die Wohnplatze der Kan-
nibalen nordöstlich von Thaba Masigo angegeben. Ein kurzer Bericht findet sich
auch in Soloman's two lecturet on the native trihe» of the interior (CapetQwn 1855)
p. 62 — 64. Nach dem letzten Schriftsteller sind es vier Stämme, welche dem
Kannibalismus zngethan waren, zwei Betshuana-Stämme (Bafukeng oder Ba-hukeng
und Ma-katla) und zwei Caffern-Stämme, nämlich Ba-makakana und Ba-matlapatlaps.
Es scheint, dafs diese Stämme erst Menschenfresser geworden sind durch die Kriege,
die diese Theile von Afrika vor etwa 50 Jahren verwüsteten. Man kann nicht
bezweifeln, dafs wenn erst der Appetit nach Menschenfleisch rege geworden ist,
'» diese Unsitte auch weiter bestehen blieb, selbst wenn die dringende Nothwendig-
^ kcit nicht mehr vorlag. Dies ist um so auffallender in einem Lande, das nach
r den Berichten nicht nur zum Ackerbau sehr wohl geeignet ist, sondern auch an
lg^ Wild Ueberflufs hatte. Es ist indessen möglich, dafs der Kannibalismus in die-
U> sen Gegenden viel älter ist» wenigstens haben die Ueberlieferungen der Znlus und
Botshuanen zahlreiche Andeutungen von Kannibalen, welche in Zulu A-ma-zimu
und in Betshuana Ma-zimo genannt werden. In einigen der interessanten Ammen-
märchen der Zulu spielen die Menschenfresser dieselbe Rolle wie die Hexen und
Riesen in Europa. In einer derselben wird erzählt, wie ein Gefangener seine
eigene Mutter statt seiner auffressen läfst. Manche von diesen Geschichten sind
sowohl den Zulu als den Betshuanen gemeinschaftlich.
Folgendes ist eine Auslassung über die A-ma-zimu oder Menschenfresser,
, wie sie in Zulu Dr. Callaway von einem Eingebomen dictirt wurde: Die A-ma-
' be
, '.imu verliefsen die andern Menschen, um in den Bergen zu leben, das Land war
de, eine Hungersnoth zwang sie, Menschen zu essen, die sie zu diesem Zwecke
ngen. Hieraus entstand der Name A-ma-zimu, der so viel bedeutet, als ein
^inschmecker, gefräfsig sein. Mit der Zeit verloren sie die Aehnlichkeit mit
Die höhlenbewohnenden Kannibalen in Süd -Afrika. 371
den andern Menschen, gaben ihre festen Wohnstätten und Vieh auf, und lebten
in Hohlen, sobald sie Menschen gefangen hatten; sonst waren sie ohne Wohn-
statte. Ihre Opfer sachten sie znnachst durch Freundlichkeit sicher zu machen
und in einen Hinterhalt zu locken; kräftige Männer suchten sie auch durch
Kampf KU fiberwältigen. Trafen sie in Masse mit andern Nationen zusammen,
so kämpften sie mit ihnen, doch verlangte dies grofsen Muth, weil sie sehr kräf-
tig sind and namentlich sehr schnell laufen. Letztere Eigenschaft kommt ihnen
bei der Verfolgung sehr zu statten, da sie ihre Feinde ermüden und dann mit
sich wegschleppen, um sie an einem verborgenen Ort in der Wildnifs zu kochen
und zu verzehren. — Dr. Callaway ist im Irrthum, wenn er glaubt, dafs diese
Eiühlongen über Kannibalen nur die Erinnerung an den Einbruch fremder Skla-
venjäger sind; der Anblick der Höhlen widerspricht dem, und bestätigt die Er-
nhlung der Eingebomen, sowie die Berichte der französischen Missionaire. Die
langhaarigen Menschenfresser sind augenscheinlich Betshuanen, welche längere
Haare als die Kaffern tragen.
Dr. John Beddoe erzählt nach den Angaben eines Engländers, welcher die
Kannibalenhöhlen im December 1868 besuchte, dafs sie ein regelmäfsiges System
hätten, die Körper zu zerhacken, wie die Fleischer. Jeder Schädel wird mit einer
Axt quer durch die Nasenbrücke getrennt, die Kiefer werden weggeworfen, das
Gehirn wird dann durch ein Loch auf der Höhe des Schädels herausgekommen.
Die Rippen werden durchschnitten und in die Kochtopfe geworfen, die grofsen
Knochen getrennt und das Mark herausgenommen. An vielen Knochen fanden
sich noch die Knorpel. Femer sah man an den Schädeln ein Merkzeichen von
den Messern, wo die Bedeckungen streifenweise herantergeschnitten waren. Die
Körper der Europäer, die bei dem Angriff auf Thaba Basigo' fielen, wurden sofort
gegessen, indem die Kannibalen glaubten, dafs der Muth derselben hierdurch in sie
übergehen wurde. Ein Basuto, welcher vor kurzem bei einem Colonisten in der Nähe
von Grahamstown in Dienst trat, gab an, dafs die Kannibalen jederzeit die Wei-
fsen und die Schwarzen anderer Stämme, aber nie Hottentotten oder Mischlinge
verzehren. Nach seinen Mittheilungen essen sie das Herz und die Leber und
nehmen das Gehirn heraus, welches sie in einem Lappen binden und unter der
Asche backen. Dies geschieht jedoch nur in guten Zeiten, zur Zeit des Mangels
essen sie den ganzen Körper. Sammtliche Weifse wurden verzehrt, die während
des letzten Krieges im Freistaat in ihre Hände fielen. Der erwähnte Basuto
▼oUte selbst nie Menschenfleisch gegessen haben, gab aber an, dafs er es öfter
gesehen habe und Alles darüber wisse. W. Roth.
Nenere Literatur.
e
n
W. Zenker, Der Suez-Canal und seine commerdelle Bedeutung, besonden
f&r Deutschland. Bremen (Schttnemann) 1869. 77. S. 8. v
I ^ In dissem Augenblicke, wo der Tag der vorläufigen Eröffnung, wenn avcl
nicht der Vollendung des Suez-Canals so nahe bevorsteht, hat uns Herr Zenkc
24*
372 Neuere Literatur:
durch obengedachte Schrift gleichsam mit einer Festgabe bedacht, welche ein-
mal bestimmt ist, uns die Geschichte des Baues des Canals, sowie den gegen-
wärtigen Stand der Arbeiten an demselben zu vergegenwärtigen, dann aber in
eingehender Weise, wie solches wohl bisher noch nicht geschehen ist, anf die
dereinstige Wichtigkeit dieses Canals für die commerciellen Interessen und twar
speciell für unser Vaterland hinzuweisen. Freilich ist bis jetzt das Vertrauen der
meisten handeltreibenden Nationen auf die Practicabilität und demgemäfs anf die
Rentabilität des Canals noch ein geringes; man betrachtet bis jetzt die Doreh-
stechung des Isthmus von Suez mehr als eine glückliche Lösung eines grofsen
Problems, denn als ein dem Handel wirkliche Vortheile bietendes Unter-
nehmen, man kann sich« zumal gegenwärtig, wo die Meteorologie im Verein mit
der Nautik die sichersten Bahnen für den alten Seeweg nach Indien Torgezeichaet
hat, mit der Idee eines neuen Handelsweges noch nicht vertraut machen, und eise
Reihe von Jahren, vielleicht Jahre schwerer Prüfung für die Actionäre, dürfte
noch vergehen, bis nach völlig beendetem und den Ansprüchen des Handels ge-
nügendem Ausbau des Canals es gelingt, dieser neuen Handelsstrafse eine ge-
sicherte Zukunft zu eröfih^n. Ob und wie diese grofse Frage sich lösen wir!
liegt im Schoofse der Zukunft; sollte aber die Lösung eine glückliche sein, m
darf sie uns nicht anvorbereitet treffen; mit Energie mufs der richtige Angeo»
blick zur Betheiligung an diesem neuem Seeweg^ von unserm Handelsstande efc
fafst werden. Der Förderung dieses Zweckes gilt die fleifsige und unpartheiischeb
alle Verhältnisse in besonnenster Weise erwägende Zusammenstellung Zenker'i^
— Was zuerst die Frage über die Vortheile betrifft, welche der Wasserverkehr
durch den Canal dem Handel gewähren kann, so weist der Verf. zunächst dis
sanguinischen Hoffnungen der Vertreter des Canalprojects , dafs nämlich der ge-
sammte Handel, der bisher um daC Cap seinen Weg nahm, in der Zukunft über
Suez gehen würde, zurück, und ebenso bestimmt tritt er den Gegnern des UDte^
nchmens entgegen, welche, wegen der Ungunst des Mittel- und Rothen Meeres,
die Capronte als die allein berechtigte bezeichnen und dem Handel durch den
* Canal jede Lebensfähigkeit absprechen. Bekannt freilich ist es, dafs die Bich-
^ tung der Segelschi ff fahrt auf dem Rothen Meere vollständig den in den Monates
jg März bis Decemher von NNW. nach SSO., vom December bis März den in nm-
Sv gekehrter Richtung streichenden Winden gehorchen mufs, dafs in gleicher Weise
U« die Richtung der Monsuns im Indischen Ocean je nach den verschiedenen Jahres-
zeiten die Richtung der Segelschifffahrt auf gewisse Zeiten beschränkt, dafs end-
lich die Windverhältnisse für die Schiffe, welche die Route um das Cap ein-
schlagen, trotz des ungeheuren Umweges, welchen sie zu machen genöthigt sind,
bei weitem günstiger sich gestalten; aber gerade diese Verhältnisse, welche die
Segelscbifffahrt von der Suezlinie, wenn auch nicht gänzlich, so doch zum grofien
Theil ausschliefsen dürfte, geben dafür der Dampfschiff fahrt ihre berechtigte
Stellung zur Ausnutzung des Suez-Canals. Nachstehende Zusammenstellung msg
, ^ zunächst in ihren Daten über die Weg- und Zeitersparnifs zu Gunsten der Suez-
, , ' Dampferlinie sprechen, wobei der Dampfschiffscours unter Mitbenutzung günstiger
Winde auf 8 Seemeilen pr. Stunde und 200 Seemeilen pr. Tag, und der An-
( ^an^spunkt von Southampton angenommen wird:
W. Zenker: Der Suez-Canal and seine commercielle Bedentung etc. 373
Nach
nm das Gap
ttber Suez
Differenz
Tage
Zanzibar . . .
8,000 Seemeil. 6,040 Seemeil.
1,960
10
Bombay . . .
10,740
5,940
-
4,800
24
Point de GaDe .
10,500
6,580
-
3,920
19
Calcntu . .
. 11,600
7,680
-
3,920
19
Singapore . . .
11,780
8,070
-
3,710
18
Sundastrafse . .
11,300
8,280
-
3,020
15
Hongkong . .
13,180
9,500
-
3,680
18
Melbourne
11,140
- 11,200
-
60
zlinie, Dampf
Ersparaifs
Verhältnirs
33 Tage
47 Tage
2}:l
33 -
67 -
3 :1
37 .
63 -
2J;1
42 -
61 -
2i:l
44 -
59 -
2i:l
45 -
55 -
2*;1
53 -
57 -
2 :1
Für die Mittelmeerhäfen stellt sich durch ihre nähere Entfernung von Port
Süd die Wegedi iTerenz noch günstiger; indem von Marseille ans 1392 Seemeilen
(7 Tage), von Genua 1600 Seemeilen (8 Tage), von Triest oder Venedig 2516
Seemeilen (12 Tage), von Brindisi 2516 Seemeilen (12 Tage), von Konstantinopel
«18 3184 Seemeilen (16 Tage) erspart würden. Nehmen wir nun an, dafs die
^ze Dampf schifTfabrt der Suezlinie, die Segelschiff fahrt aber der Caplinie zu-
fiele, so dürfte folgende Tabelle die Zeiterspamifs der ersten Linie beweisen,
Southampton wiederum als Anfangspunkt gewählt ist:
Caplinie, Segel S
Zanzibar 80 Tage
Bombay 100 -
Point de Galle 100 -
r. Caicutta 103 -
i Singapore 103
Snndastrafse 100
Hongkong 110
Für Deutschland stellen sich die Zahlen in hohem Grade, anders, wenn man
«i die Dampfschifffahrt nach den Mittelmeerhäfen mit der Segelschifffahrt
h den Nordseehäfen vergleicht Nach Hamburg und Bremen würde die Segel-
ift vier Tage länger, nach Venedig die Dampfschifffahrt 10 Tage kürzer als
eh Southampton dauern. Time is monej, und nach dieser kaufmännischen
^1 wäre der Gewinn an Zinsen, den die schnellere Beförderung durch den
laal mit sich bringen würde, für die Nordseehäfen auf ca. 2 pCt., für die
Ktefaneerhäfen auf i — J pCt. zu berechnen sein; auch würde die Versichemngs-
imie sich für Schiffe, welche den Canal benutzen, günstiger stellen, da mit
kr Verkürzung des Seeweges auch eine Verminderung der Seegefahr eintritt
)er Verfasser geht nun zu der Frage über, wie sich die Gesammtkosten des
fefaiffes bei Dampf oder bei Segel auf die transportirten Waaren vertheilen, und
Im sich bei den Dampfern der Kohlenverbrauch stellt. Er ist zunächst der An-
sicht, dafs bei den Dampfern der Waarenraum möglichst grofs, der für die
fohlen aber möglichst beschränkt angelegt werden müsse, und schlägt, um
etwaigem Kohlenmangel vorzubeugen, die Anlage einer Anzahl Kohlendepots vor,
deren geringste Entfernung 4, deren längste (Aden bis Point de QtMe) 11 Tage
ton einander entfernt liegen sollen. Die Kohlenplätze sollen für die von unsem
Nordseehäfen abfahrenden Schiffe in Lissabon (6,5 Tage), Messina (6,6 Tage),,
374 Neuere Literatur:
Port Said (4,s Tage), Point de Galle (10,8 Tage), Siugapore (7,5 Tage), Hong-
kong (6 Tage) angelegt werden. Stellt man die Kosten für die Verzinsung,
Abnutzung und Versicherung der Schiffe zusanunen, so ergeben sich für die
Segelschiffe 21 pCt., für die Dampfer 23 pCt; rechnet man femer hinzu die
Kosten für die Löhnung und den Lebensunterhalt der Mannschaften, für den
Verbrauch an Steinkohle auf den Dampfern, endlich das Canalgeld, so stellt sich
der Dampftransport ohne alle Ausnahme kostbarer dari als der Segeltransport
um das Cap. Dem gegenüber steht aber der Vortheil der Zeitersparnifs , und
es bliebe somit die Frage zu erörtern, für welche Waaren überhaupt die Vor-
theile des Dampftransports und für welche die Nachtheile überwiegend sind.
Der Verfasser läfst zu dem Behufe die Export- und Import -Artikel eine RoTue
passiren, um auf die Canalfahigkeit derselben einen Schlufs zu ziehen. Was
zunächst den Export Europas nach Asien betrifft, so läfst sich derselbe in fünf
Classen theilen: 1) Manufacturen von Seide, Wolle, Baumwolle und Leinen;
2) Metallwaaren, besonders Waffen ; 3) Holz-, Glas-, Leder-, Kurzwaaren u. dgl. m. ;
4) Schiffs- und Eisenbahn-Bedarf; 5) Steinkohlen. Wahrend letztere entschieden
dem Segeltransport um das Cap zuzuweisen sind, gehören die Waaren der ersten
drei Classen gröfstentheils zu den sehr kostbaren, deren Werth die Grenzwerthe
der Canalfahigkeit oft weit übersteigt. Die Artikel dieser drei Classen, von denen
Deutschland aber gerade bedeutende Massen produclrtt gingen bisher nicht direct
nach Asien, sondern nach England, von wo sie, zum Nachtheil unserer einheimi-
schen Industrie, als englische Waaren und mit bedeutendem Gewinn für den
englischen Kaufmann nach dem Orient versandt wurden. Von den Import-
artikeln hingegen, die durch ihre Mafse Bedeutung haben, steht die Seide oben-
an, von der China allein ca. 90,000 Ctr. im Werth von »60 Millionen Thlr.,
Japan j- und Ostindien | davon liefert, und die von Hongkong nach Eng-
land fast ausschliefslich per Ueberlandspost und über Marseille zu dem enormen
Frachtsatz von 135 Thlm. pr. 50 Cubikfufs oder 7 Ctr. expedirt wird. Als
zweiter Importartikel ist der Thee zu nennen, von dem Deutschland freilich nur
ca. 2 Millionen Pfund, England aber ca. 120 Millionen Pfund consnmirt, und
dessen Transport durch den Canal den Actionären allein ein Canalgeld von
lj> Million Frcs. eintragen würde. Ferner sind von andern Importartikeln, nadi
einer Zusammenstellung über den englischen Handel im Jahre 1867, hervorzu-
heben: Caffee (im Gesammtwerth von 4,350,000 £), Wolle (18,478,034 £), Reis
(2,028,817 £), Färb- und Gerbstoffe (4,600,000 £), Kautschouck (700,000 £),
Palm-Cocos-Oel (1,876,000 £), rohe Baumwolle (52,000,000 £), H&ote
(3,104„246 £) Zinn (481,344 £) u. s. w. Den Umfang des Handels nun, der
sich voraussichtlich auf dem Suez- Canal bewegen wird, berechnet der Verfasser
für die Ausfuhr englischer Erzeugnisse, die ja den hauptsächlichsten Contingent
des europäischen Exports bilden werden, zu 28,0(X),000 £ oder 200,000 Tonnen,
eine Zahl, die durch deutsche und französische Exportartikel wohl auf 240,000
Tonnen steigen würde; importirt werden hingegen aus Asien nach England ca.
254,500 Tonnen im Werthe von ca. 146,500,000 £. SeUt man den Transit
nach den übrigen atlantischen und den Mittelmeerhäfen im Ganzen einem Drittel
der aufgeführten Massen und Werthe gleich, so giebt dies zum Continent
85,000 Tonnen (49 Millionen Thlr.), in Summa fast 340,000 Tonnen. Der Im-
W. Zenker: Der Saez-Canal und seine commercielle Bedeutung etc. 375
pOTi Ton Asien übersteigt mithin den Export aus Europa um ca. 100,000 Tons
an canalCahigen Artikeln. Dieser Unterschied wird aber wahrscheinlich einiger*
mafsen ausgeglichen theils dnrch die Beförderung der kostbaren Waaren des
nach Australien bestimmten europäischen Exports durch den Canal, theils durch
Hereinziehung der oben unter der vierten Waarenklasse aufgeführten Artikel,
endlich dnrch Beförderung einiger canalfäbiger asiatischer Prodacte auf der Cap-
linie. Es wurde sich danach der Transit auf dem Canal von jeder Seite auf
350,000 Tons, die Einnahme an Canalgeldem auf 7 Millionen Frcs. stellen.
Zieht man davon jährlich eine Million Frcs. für Unterhaltungskosten des Canals
ab (v. Lesseps normirt dieselben auf 1,400,000 Frcs., eine Summe, die keines-
weges zu hoch gegriffen erscheint, wenn man, auch ohne besondere Eventualitä-
ten, namentlich die unvermeidlichen Reparaturen und Verbesserungen der nach-
sten Jahre in Anrechnung bringt), so würden für die Actionäre 2 pCt. des An-
lagecapitals als Dividende zur jährlichen Vertheilung kommen.
Der Verfasser geht nun zur Beantwortung der letzten Frage, welche Stellung
der Continent und vorzugsweise Deutschland zu dieser neuen Verkehrsstrafse des
Welthandels, auf welcher voraussichtlich der Werth der Waaren ein Capital von
mehr als 400 Millionen repräsentiren durfte, einnehmen wirdi ob Deutschland
wie früher die Producte Asiens von Norden her aus zweiter Hand erhalten soll,
oder nicht vielmehr jetzt berufen ist, in thätiger Mitbetheiligung von den Mittel-
meerhäfen her dnrch seine Eisenbahnen dem Norden die Schätze Indiens zuzu-
führen. Freilich treten hier die hohen Frachttarife der Eisenbahnen des Zoll-
vereins, ganz besonders aber die der österreichischen und italienischen Bahnen
als Haupthindemifs für den Verkehr von Süden nach Norden entgegen; diese
Hemmungen im Int^esse des Handels zu beseitigen» dürfte die zunächst liegende
Aufgabe sein. Triest mit seinem trefflichen Hafen ist zunächst dazu berufen,
an dem asiatischen Handel zu participiren, die Häfen von Genua und Venedig
sowie der von Brindisl würden nach Vollendung der St Qotthardsbahn die
Slapelplätze für den Export und Import werden, und gerade von hier ans könnte
dem in jeder Beziehung so günstig gelegenen Hafen von Marseille eine gefähr-
liche Concnrrenz erwachsen. Eine Benachtheiligung unserer nordischen Häfen
würde aber ans dem Aufblühen der Mittelmeerhäfen nicht zu furchten sein;
nur die Rollen würden vielleicht in so fern getauscht, dafs in jenen sich statt
des bisherigen Importgeschäfts ans dem Süden, ein Exporthandel für die aus
dem Süden kommenden Waaren ausbilden dürfte. Um aber diese Schwierigkeiten
SU aberwinden, um mit Frankreich, welches auf die Eröffnung des neuen See-
weeges am meisten vorbeieitet ist und durch seine geographische Lage viel be-
günstigter erscheint, den Transithandel in vortheilhafterer Weise auszubeuten,
als Deutschland, bedarf es, da die Kräfte des Einzelnen dazu nicht ausreichen,
eines grofsartigen Zusammenwirkens unseres gesammten Handelsstandes, der
Gründung einer dentsch-asiatisehen Handelsgesellschaft. — Zur Realisinmg dieses
Wunsches, welchen Hr. Zenker u^erm Vaterlande so warm und mit den trif-
tigsten Ghründen ans Herz legt, bedarf es aber einmal eines einmüthigen Zusam-
mengehens der leider so arg zersplitterten und so schwer zu vereinigenden In-
teressen und Kräfte unseres Vaterlandes, dann aber, dafs der Suez-Canal dereinst
wirtlich die Lebensfähigkeit zeigt, welche von ihm gehofit wird. Und sollte
376 Neuere Literatur:
Riesenwerk wirklich mehr als ein todtgeborenes Kind sein, sollte es wirküdi
gelingen, dem europäisch-asiatischen Handel diese neue Bahn susnweisen, so ist
immer noch xu bedenken, dafs bei ernsteren politischen Verwicklungen der
Isthmus Ton Suez vielleicht der Boden werden würde, auf dem der Streit ans«
gefochten werden wird. Eine Störung des Isthmushandels, eine Zerstörung des
Canals, wie solche wohl bei einem länger andauernden Kriege nicht undenkbar
wäre, würde aber von gröfseren nnd unberechenbareren Folgen sein, als etwa
die Vernichtung eines Eisenbahncomplezes. Daher ist unser eaeterum eenseo,
dafs die Mettemich'sche Idee, den Canal unter den gemeinsamen Schutz der
europäischen Qrofsmächte zu stellen, ror allem ausgeführt ^werden mufs, da nor
Ton einer solchen Garantie ein Gedeihen für die Zukunft zu hofian ist
— r.
A. de Qnatrefage's Les Pohfn^ntnt et Uurs migrations» Paris, s.a. 4to.
Das vorliegende Werk behandelt die Sagen der Poljnesier, aus denen man
bekanntlich in neuester Zeit, namentlich in Folge von Grey's und Thomson^a
Nachforschungen in Neuseeland nnd nach dem Vorgange des nordamerikanischen
Gelehrten Haie, ein förmliches System der Einwanderungen der polynesischen
Völker in die einzelnen Archipele des stillen Oceans entwickelt hat.
Aus der Vorrede ersieht man jedoch, dafs, was den Verfasser zur Abfasaan^
seines Werkes bewogen hat, nicht die geographische Seite dieser Frage, sondern vi^-
taehr sein Interesse an der Anthropologie gewesen ist. Er stellt darin zunächst den
Gegensatz zwischen den beiden in dieser Wissenschaft sich jetzt befehdenden
Systemen, dem Monogenismus nnd Polygenismns , auf, nnd da die Art, wie
Amerika nnd die polynesischen Inseln ihre Einwohner erhalten haben, den Be*
kennem des Monogenismus von ihren Gegnern als eine unlösbare Schwierigkeit
entgegengesetzt zu werden pflegt, so hat er dies Buch geschrieben, um nachzn«
weisen, dafs die Bevölkerung der oceanischen Inseln in keinem Widerspruch an
den Grundsätzen des Monogenismus steht und sich wohl erklären läfst Dieser
anthropologische Streit kümmert uns natürlich nicht*; wir haben es hier nur mit
den geographischen Resultaten der Arbeit zu thun, und mit Bezug darauf mufs
man leider gestehen, dafs die interessante Frage, die der Verfasser behandelt^
von ihm gar nicht gefördert ist Der Hauptgrund davon ist, dafs er, wenn auch
Präsident der geographischen Gesellschaft in Paris, doch eigentlich kein Geo»
graph ist; er kennt die Völker, um die es sich hier handelt, nur wenig, nnd sein
Quellenstudium ist nur beschränkt und unzureichend gewesen. Von Schirren*«
Arbeit weifs er nichts, nnd wenn er sie gekannt hätte, würde er sie sieher nn-
berücksichtigt bei Seite haben liegen lassen, nicht blofs, weil ihm wahrscheinlich
das Verständifs dafür gefehlt haben würde, sondern auch, weil Schirren (die
Wanderungen der Neuseeländer und der Mmmythns S. 45) ganz auf der Seite
-meiner anthropologischen Gegner steht.
Das Buch zerfällt in zwei Abtheilungen, von denen die erste, die allgemeine
Charakteristik der Polynesier, für den Geographen von besonderem Interesse ist
8ie beginnt im ersten Kapitel mit einer physischen Sehilderung der Polynesier»
A* de Qnatrcfage's: Les I^fynisiens et leurs migrations. 377
in w«]cher, besonders durch Untersuchung von Schädeln, nachgewiesen wird^
dafs sie eine gemischte Baee sind, in welcher der weifse Menschenstamm die
Gnindlage bildet, während sich der schwarze und gelbe jedoch in verschiedenem
Gnide mit ihnen «gemischt haben. Diese ganse Untersuchung, von der sich erst
sp&ter zeigen wird, wozu der Verfasser sie nöthig hat, kümmert den Geo-
graphen nicht; wenn dabei die Verschiedenheit zwischen den Schädeln und den
Bildern, die einzelne zuverlässige Reisende von Polynesiem geliefert haben, da-
durch (S. 9) erklärt wird, dafs sich zu Nachbildungen der Schädel nur gemeine
Leute hergegeben haben werden, die Bilder dagegen von Vornehmen genommen
sind, so seheint uns das nicht wenig bedenklich; es hätte vielleicht eher den
Verfasser zuc Vorsicht bei seinen Schädelnntersuchungen auffordern sollen. Die
Beziehungen aber, welche zwischen den Polynesiem und den Melanesiem be-
standon haben und noch bestehen, nachzuweisen, ist der Verfasser bei seinen
unzureichenden Kenntnissen freilich nicht im Stande; gesteht er doch (S. 19)
selbst, dafs ihm sprachliche Studien ganz fremd sind!
Das zweite Kapitel handelt von den intellectuellen und socialen Verhält-
niaten, das dritte von der Religion der Polynesier; sie würden für den Geo-
graphen vorzugsweise von Wichtigkeit sein, allein in ihnen zeigt sich gerade das
nngenügende Quellenstudium des Verfassers am meisten. Seine hauptsächlichste
und für viele Dinge die einzige Quelle ist Moerenhout, ein wenig zuverlässiger
Schriftsteller, dessen Angaben stets mit Sorgfalt benutzt werden müssen, und er
ist es in dem Grade, dafs unkundige Leser zu der Annahme verführt werden, als
seien specifisch tahitische Institutionen (z B. die Areo'i) Gemeingut aller Poly-
nesier; daneben ist einiges aus Lesson und für Neuseeland aus d'Urville und
Hochstetter genommen, (Thomson scheint er nur aus diesem zu kennen). Die
Archipele Tonga, Samoa, Hawaii sind so gut wie gar nicht beachtet. Mit
gleicher Ungründlichkeit ist das vierte Kapitel über die Abnahme der Bevölke-
nnig dieser Inseln gearbeitet, die der Verfasser hauptsächlich durch Einführung
von Krankheiten durch die Europäer zu erklären sucht
In der zweiten Abtheilung werden die Wanderungen der Polynesier behan-
delt. Im ersten Kapitel untersucht der Verfasser die Abstammung derselben und
leitet sie von Asien her, indem er den von den einzelnen Autoren behaupteten
Zusammenhang mit den Amerikanern ansführlicher widerlegt, als nüthig war;
das zweite und dritte Kap. bespricht die Möglichkeit einer Einwanderung von Westen
her und enthält die bekannten, schon oft dafür angegebenen Thatsachen, darauf
folgt eine Schilderung der Seefahrten der Karolinier und der geographischen
Kenntnisse, welche Cook und R. Forster bei den Tahitiern ihrer Zeit vorfanden.
Das vierte Kapitel enthält dann einen Auszug aus Grey's bekanntem Buche:
Pofynenan mjfihology and ancient traditional histoty, die beiden folgenden die
Sagen der übrigen Polynesier und die aus ihnen gezogenen Schlüsse. Die in
diesen Abschnitten, welche den Kern der ganzen Untersuchung enthalten, mit-
getheilten Thatsachen beruhen fast ausschliefslich auf der Arbeit des Amerikaners
Haie (in der Ethnograph^ and Philology der United States Exploring ExpeditiotOf
und auch in den daraus geschlossenen Folgerungen hängt der Verfasser wesent-
lich von Haie ab Wie dieser ist er überzeugt, dafs den polynesischen Sagen
und den Gcnealogieen der Fürstengeschlechter ein historischer Kern zu Grande
378 Neuere Literatar:
liegt, den er ganz wie Haie zu entwickeln sich bemüht, ohne dafs es beiden
eingefallen wäre, diese Quellen einer schärferen Kritik zu unterwerfen. Wie
Haie nimmt er die ursprüngliche Einwanderung der Polynesier als von den indi-
schen Inseln ausgehend an und sieht ebenfalls in der molukkischen Insel Büro
den Ausgangspunkt derselben, gestützt auf den Namen Bolutu, mit dem die Ton-
ganer ihr Paradies und den Wohnsitz ihrer Götter bezeichnen, ohne dafs es
beiden Männern gelungen wäre, zu beweisen, was Haie behauptet, dafs die End-
sylbc tu »heilig** bedeute, und wie es zu erklären ist, dafs sich auf dem langen
Wege zwischen den Molukken und Samoa auch keine Spur polynesischer An-
siedlungen unter den Melanesiern entdecken lasse. Von geringer Erheblichkeit
ist dagegen das, worin der Verfasser von Haie abweicht, und was er als einen
Fortschritt in der Untersuchung bezeichnet. Er sieht (übrigens nach Thomson's
Vorgange) in den G^nealogieen der Fürstengeschlechter, auf denen die Bestimmungen
der Zeit der Einwanderung in den einzelnen Archipelen beruht, nicht wie Haie
die einzelnen Namen als Generationen, sondern als Regierungen an (S. 167}
und setzt für diese eine Durchschnittdauer Ton 21 bis 22 Jahren, findet also die
Einwanderungszeiten beträchtlich später als Haie, der für die einzelnen Namen
in den Genealogieen die Zeit von 93 Jahren annahm. Endlich weicht er noch
darin von Haie ab, dafs er aus den hawaiischen Sagen, nach denen die erslea
angeblich aus Tahiti gekommenen polynesischen Einwanderer die Inseln der Ha-
waiigruppe von Göttern bewehnt gefunden hätten, scliliefst, sie hätten bereits
eine andere Bevölkerung vorgefunden, die er für früher eingewanderte Mikronesier
erklärt. Ebenso benutzt er die bekannten Angaben der Neuseeländer, nach denen
es im Innern, namentlich der südlichen Insel, Stämme gebe, die in den Wäldern
in der tiefsten Erniedrigung und dem äufsersten Elend Preis gegeben ihr küm-
merliches Leben fahren, und in denen man bisher nur, wie die Neuseeländer
selbst, die Ueberreste von anderen durch Unglück im Kriege versprengten nnd
von ihren Besiegern verfolgten Stämme gesehen hat, und erklärt sie für die
letzten Spuren einer melanesischen Einwanderung, die der polynesischen vorauf-
gegangen sei; die gegen Osten führenden Strömungen mögen, so meint er
(S. 135), Australier nnd Tasmanier herbeigeführt haben. Also Australier in
Booten von Baumrinde und Tasmanier, die nur Flöfse von Bohrbündeln kannten,
sollen das Meer zwischen Australien und Neuseeland durchschnitten haben! Aber
noch seltsamer ist, wenn er die physischen Verschiedenheiten, namentiieh die
dunklere Farbe, wodurch sich die Bewohner der Paumotu von den Polynesiem
in Tahiti und in den Markesas unterscheiden, durch eine Vermischung der Polj-
nesier mit eingewanderten Vitiern und karollnischen Negern (es helfet ausdrück-
lich S. 154 Carolins noirsi) zu erklären sucht, und wie oberflächlich er dabei
verfährt, zeigt sich in den Worten: bien que Us termet de comparaUon Im-
guistique aoient encore insuffisanUy (jene Vermischung zu begründen), la philohgie
semble devoir conduire ä la mSme conclunon! Das soll doch wohl darauf gehen,
dafs die Bewohner der Paumotu, bevor sie in den westlichen Inseln die tahitasche
Sprache angenommen haben, eine besondere Sprache hatten, die* wie man jetat
weifs, die Sprache von Rarotonga gewesen ist, wie es denn ganz falsch ist, was
der Verfasser kurz vorher sagt, dafs die Einwohner der Gambierinseln einen
diaUcte essentielUment takitien sprechen.
A. de Quatrefage's Lta Polynisiens et Uura migrationa, 379
Wie weit nan die Ansichten von Haie durch das Torliegende Werk modi-
ficirt sind, ergiebt sich am besten durch eine Vergleichung der Resultate der
Untersuchung. Es ist die Einwanderung erfolgt in
Neuseeland nach Haie 1200 J. v. Chr., nach Quatrefages 1400 J. n. Chr.
den Markesas „ « 150 J. v. Chr., „ „ 420 J. „
Hawaii , „ gegen 500 J. n.Chr., „ „ 7—900 J. „
Rarotonga „ „ 940 J. n. Chr., „ « 1200 J. ,
Tahiti . „ 1200 J. V. Chr., „ „ 800—1000 J. „
llangarewa gegen 1300 J. „
Man ersieht zugleich hieraus, welches Zutrauen die Quellen verdienen,
welche zu so weit abweichenden Resultaten geführt haben. Haie hat es wohl
erkannt, dafs in den genealogischen Listen auch öfter die l^amen von Göttern
vorkommen; anstatt dadurch auf den mythischen Charaktev dieser Listen zu
schliefsen, hat er sich, (und der Verfasser des vorliegenden Werkes ist ihm darin-
gefolgt), mit dem rohen und mechanischen Mittel geholfen, die Oötternamen aus-
zustofeen und die dadurch zerrissenen Listen als ein Ganzes zu betrachten, ohne
dafs es ihm dabei eingefallen wäre, dafs er damit sich den Boden unter den
Füfsen fortzieht und seinen Dokumenten allen Glauben nimmt. Man mag über
Schirren's Arbeit urtheilen, wie man will, und wird gewlfs gegen seine Weise, die
polynesischen Sagen zu behandeln, manches mit Recht einwenden können; aliein
gewifs ist es, dafs er darin, dafs er die Sagen und genealogischen Listen als
Mythen ansieht, eher das Richtige getroffen hat Die Untersuchung über die
Urgeschichte der Polynesier ist also durch Quatrefages nicht gefördert worden,
und er hat sich vielmehr auf dem falschen Wege, auf den ihn Haie geführt hat,
noch tiefer verwickelt; diese interessante und für die Entwicklung der Geschichte
der Poljnesier so wichtige Frage erwartet noch ihre Lösung.
Den Schlufs des Werkes bilden einige Anhänge, die von keiner Erheblich-
keit sind, mit Ausnahme einer von den Franzosen in Tahiti gesanmielten Liste
der alten Könige der Insel Raiatea, aus deren Geschlecht die jetzige Königin
von Tahiti stammt. Unter diesen Anhängen befindet sich auch die bekannte
Charte des Tahitiers Tupaia, der Cook auf seiner ersten Reise nach Europa be-
gleitete und in Batavia gestorben ist; auch die Erklärung der darauf befindlichen
Namen, welche R. Forster in seinen bekannten „Observations* gegeben hat, ist
ganz wiederholt, ohne dafs der Verfasser bedacht hätte, dafs eine solche Er-
klärung, die 1780 für befriedigend gelten konnte, jetzt vollständig ungenügend
ist. So z. B. ist die Insel Oanna auf Tupaia's Charte nicht, wie Förster glaubte,
das Frince of Wales von Byron, sondern vielmehr Cook's Chainisland, welche
ihre Bewohner Anaä nennen a. dergl. mehr.
Meinicke.
Otto Schneider, Der climatische Cnrort Algier. Schilderungen nach drei-
jähriger Beobachtung in Stadt und Provinz, zugleich ein Rathgeber für
Reise und Aufenthalt Dresden (C. A. Werner) 1869. VUI, 295 S. 8.
Der Verf., welcher drei Winter in Algier zur Herstellung seiner Gesundheit
xogebracht hat, dem mithin die beste Gelegenheit geboten war, sich mit Land
380 Neuere Literatur:
and Leuten lowohl, wie mit den dortigen dimatischen Verbaltniasen vertrant za
machen, hat die Ergebnisse seiner Beobachtungen in yorliegendem Buch veröffent-
licht und somit der häufig nur allzaseichten französchen Literatur über Algier
eine glückliche Concurrcnx gemacht. Können nun auch die Schilderungen des
Verf. von Algier und dessen Umgebung selbstverständlich nicht gerade viel Neues
bringen, so bieten sie doch in so manchen Specialitaten, wie solche nur aus der
Feder desjenigen hervorgehen können, ^er für längere Zeit seinen Wohnsitz dort
aufgeschlagen hat, die einem Touristen aber meistentheils zu entgehen pflegen, ge-
nug des Interessanten. Das Buch, dem wir allerdings zur besseren Orientirong die
Beigabe eines Stadtplanes gewünscht hätten, dürfte sich datier in jeder Beziehung
als der beste Fremdenführer für Algier empfehlen, gleichzeitig aber auch durch
die anziehende Art der Schilderungen als eine belehrende Lecture für solche,
welche nicht gerade durch körperliche Leiden gezwungen werden, unser nordi-
sches Clima mit dem von Afrika's Nordküste zu vertauschen. Notizen über die
meteorologischen Verhältnisse, welche vorzugsweise den bekannten Arbeiten
H. E. Richter's in Schmidt's medicinischen Jahrbüchern entnommen sind, bilden
den Schlafs des Werkes, welches auch durch seine äofsere Ausstattung einen
günstigen Eindruck hervorruft. — r.
Barometer- Höhenmessungen von dem Kreise Ziegenrück im KÖnigl. Begie-
rungsbezirk Erfurt und vom nahen Auslande. Ausgeführt von A. W.
Fils, k. preufs. M^jor a. D. Pöfsneck (Gerold) 1868, 50 S. 8.
Höhenschichten -Karte vom Thüringerwalde und Umgebung. Nördl. Thoil.
Nach eigenen Messungen entw. und gez. von Major a. D. A. W. Fils.
Gotha (Perthes) 1869. qu.-fol.
Als wichtiger Beitrag zur Bereicherung unserer Kenntnifs der mitteldenteehen
Gaue tritt uns diese neue Arbeit des Major Fils, des thüringischen Hjpsometers nar
ifox^, entgegen, welche sich in ebenbürtiger Weise den frühem Arbeiten des-
selben anschliefst und uns wiederum die Rodenplastik einer der interessantesten
Parthien des thüringer Waldgebirges veranschaulicht. Es sind dies diejenigen
Theile des ehemaligen Orlagaues, welche sich um die Stadtchen Ziegenrück und
Ranis an den romantischen Ufern der in zahllosen Krümmungen dahinfliefsenden
Saale gruppiren, Parthien, welche leider, als abseits von den grofsen Touristen-
strafsen gelegen, von Reisenden su selten besucht werden. Die Höhenverfaältnisse
dieses Kreises, sowie der zu demselben gehörenden, aber abgesondert gelegenen
vier voigtländischen Parzellen Gefell, Blintendorf, Spamberg und Blankenbeig,
welche letzteren beide der Verf. jedoch nicht besucht hat, sondern die Höhen-
angaben der Preufsischen Generalstabskarte für seine Arbeiten adoptirte, endlich
die einer Anzahl aufserhalb des Kreises Ziegenrück gelegenen Orte werden uns
hier bekannt gemacht 438 Punkte sind es, welche der Verf. mit guten Instru-
menten und bewährter Genauigkeit grö(stentheils selbst gemessen hat, während
nur wenige Angaben anderen zuverlässigen Quellen entlehnt sind. Die gröfste
absolute Höhe erreicht der Kreis in dem Berge Rosenbfihl bei GefbU mit 1953
A. W. Fil 8 : Barometer-HÖheDmessungen von dem Kreise Ziegenrück etc. 381
FnTs, den niedrigsten Punkt nördlich Ton Bodelwitz, wo der Lützengmnd die
Chaussee von PÖfsneck nach Neustadt (östlich bei Köstitz) durchschneidet, mit
€34 Pufs. Die Gcsammterhebung beträgt demnach zwischen beiden Extremen
1319 Fnfs. Von besonderem Interesse sind schlieftilich noch, nächst den statisti-
schen Notizen über die bewohnten Orte des Kreises und der, wie seinen früheren
Arbeiten, so auch dieser Publication beigegebenen vergleichenden Stufenleiter der
Wohnorte in den Kreisen Ziegenrück und Schleusingen nach ihrer Höhenlsge,
<die unter N. 439 — 72 gegebenen Nivellements - Resultate der projectirten Gera-
Saalfelder Eisenbahn.
Zur übersichtlichen und practischen Anschauung seiner seit dem Jahre 1827
▼eröffentlichten Barometer-Höhenmessungen des Thüringer Waldes, denen sich auch
die im nächsten Hefte unserer Zeitschrift zu publicirenden Höhenmessungen im
Amte Ostheim vor der Rhön anschliefsen werden, hat der Verf. gleichsam als
bildlichen Gesammtausdruck seiner Messungen eine aus 2 Blättern bestehende
Höhenschichtenkarte des Thüringer Waldes und seiner Vorberge im Maafsstab
1 : 200,000 herausgegeben, von der die nördliche, südlich bis Suhl reichende Hälfte
bereits vorliegt. In sauberer und geschmackvoller Ausführung, wie auf allen
Karten der Perthes*schen geographischen Anstalt, sind hier in deutlich von ein-
ander sich scheidenden Farbentönen die Höheu schichten der Vorberge von 350
zu 250 paris. Fufs, die des eigentlichen Gebirges, mit 2000 Fufs beginnend, von
500 zu 500 Fufs dargestellt. Das aus der Ebene allmälig bis zu 750 Fufs auf-
steigende Terrain, blafsroth bezeichnet, schliefst südwärts mit einer ziemlich gera-
den Linie, welche man sich von Erfurt über Langensalza hinaus gezogen denkt;
TOQ dieser Grenze ab bis zu einer geschwungenen Linie, welche etwa die Orte
Weimar, Arnstadt, Gotha, Waltershausen, Sättelstedt und Eisonach verbinden
würde, reicht eine Terrasse, welche in ihrer Hauptmasse eine Erhebuog bis zu
1000 Fufs zeigt und nur hier und da von gröfseren und kleineren bis zu 1250
Fufs ansteigenden, sowie im NW. von den bis zu 1500 Fufs sich erhebenden Wald-
rucken des Hainich unterbrochen ist; hellgelb ist diese zweite bis zu 1000 Fufs
ansteigende Terrasse bezeichnet. Die darauf folgende, bis 1250 Fufs sich er-
hebende Terrasse ist rosafarbig und reicht mit vielen bald dünneren; bald brei-
teren Armen und Ausläufern theils in die vorhergehende, theils in die darauf
folgende höhere Terrasse, deren Grenze mit 1500 Fufs abschneidet, hinein; hell-
blau ist die Farbe, welche diese das eigentliche Gebirge ringförmig einschliefsende
Höhenschicht trägt, und nur einzelne kleine, bis zu 2000 Fufs ansteigende Berg-
massen finden sich in ihr inselartig zerstreut, z. B. westlich und östlich von Flau,
ostlich und südlich von Stadt lim und zwischen Meiningen und Schmalkalden. Wäh-
rend so die bis zu 1500 Fufs sich, erhebenden Terrassen in helleren Farbentönen
gehalten sind» hat man zur Bezeichnung der Höhenschichten des eigentlichen Wald-
gebirges saftigere Töne genommen, durch welche sich dasselbe gleichsam plastisch
aus den niederen Vorstufen heraushebt und das Streichen des Gebirges genau
bezeichnet wird. Chromgelb ist die Farbe dieser von 1500 bis 2000 Fufs ansteigen-
den Terrasse, deren nordwestlichsten Ausläufer der Wachstein bei Ruhla bildet;
sie schliefst in scharf markirten Grenzen die carmoisioroth bezeichnete Höben-
Schicht von 2000 — 2500 Fufs ein, welche auf der Karte sich dem Auge einer
Ausgebreiteten Alge ähnlich darstellt. Vom Wachstein an zieht sich, gleichsam
382 SitKangsbericht der Berliner geographischen GeaellBchaft.
als Haoptader dieser Blattpflanze, der Rennsteig hin, in welchen als Seitenadem
dnrch tief eingeschnittene Thaler die Fahrstrafsen ans den tiefer gelegenen Ter-
rassen heraufsteigend mfinden. Nur einzelne detachirte Berge von gleicher Hohe
erscheinen abgesondert von dieser Terrasse, z. B. der Breite und Kahle Berg bei
Ruhla, der Seimberg südlich von Brotterode, die Schwarze Kuppe westlich tod
Zella etc. Dunkelblau endlich ist die Farbe, welche die Höhenschicht von 2500
bis 3000 Fufs trägt; sie bezeichnet den eigentlichen Kamm des Qebirges und
beginnt auf unserm Blatte als zusammenhängende Masse von NW. nach SO. mit
dem Sperrhügel (2740 Fufs), während nach dem NW. zu nur einzelne Berg-
gruppen, wie der Inselsberg (2820 Fufs), der Grofse Jagdberg und der Hintere
und Mittlere Hühnberg (2569 Fufs) aus der bis zu 25(X) Fufs sich erhebendem
Terrasse henrorragen. Nur zwei Berge, der Schneekopf und der Grofse Beerberg
(aOlO und 3028 Fufs) überragen die Kammhöhe von 3000 Fufs, und diese bei-
den Zinnoberroth angedeuteten Bergkuppen treten deutlich aus dem Dnnkelblan
des Gebirgskammes herror. Unserer Ansicht nach müfste diese Karte eine noth>
wendige Begleiterin aller Derer werden, welche den Thüringerwald mit wahrem
Nutzen bereisen wollen, da kaum eine andere im Stande ist, ein so anschauliches
Bild der Bodenplastik des thüringer Landes wiederzugeben, als die Yorliegende
Höhenschichtskarte. — r.
Sitzung der geographischen Gesellschaft zu Berlin
vom 5. Jani 1869.
Die Sitzung eröffnend, theilte Herr Bastian einen ron dem Reisenden Hern»
Rohlfs ans Alexandria rom 17. Mai eingelaufenen Brief mit, wonach der letztere
die Oase Siwah besucht, dort einen sehr guten Empfang gefunden und die Er-
lanbnifs erhalten hat, die daselbst vorhandenen Ruinen zu untersuchen. Der Vor-
sitzende legt hierauf die eingegangenen Schriften und Karten, sowie eine einge-
sandte Probe des von England nach den Scilly- Inseln gelegten unterseeischen
Kabels ror.
Herr Roth sprach mit Zugrundelegung der seit dem Jahre 1859 jährlich er-
scheinenden ffÄrmy Military Reports" über den Einflufs des Gesundheitszustandes
der englischen Armee. Da dieselbe über den gröfsten Theil der Erde zerstreut
und theilweise selbst den Einflüssen des Tropen-Klimas ausgesetzt ist, so mufs
auf die Nahrung, Kleidung und Wohnung der Soldaten, als die Haupt-Schntzmittet
des Menschen gegen das Klima, die gröfste Sorgfalt verwendet werden. Die in
dieser Beziehung getroffenen Einrichtungen sind aber in keinem Heere so gut
wie in dem englischen, da beispielsweise für jeden Mann des englischen Heeres-
in den Depots ein vierfacher Anzug, nämlich eine gewöhnliche Tuchnniform, ein-
Anzug von leichteih Baumwollenzeuge, eine Pelzbekleidnng und ein wasserdichter
Anzug bereit liegen, um davon je nach den Umständen Gebrauch zu machen..
Was durch die Sorge für die Gesundheitspflege des zu zwei Dritteln stets in den
Colonien vertheilten Heeres zur Zeit erreicht wird, geht aus folgenden Zafaieui
hervor: In Gibraltar und Malta, als den gesundesten Stationen, beträgt die Sterb-
lichkeit unter je tausend Mann im Jahre 8,89, in Kanada und Neu-Braunschweig^
l •
Sitzungsbericht der Berliner geographischen Geseilschaft. 383
9,5, in England selbst 9,6, was der im prenfsiscben nnd französischon Heere ge-
wöhnliehen Sterblichkeit gleichkommt; am Kap nnd anf St Helena 10,6; bei den
Trappen, die sich der Dislocimng wegen an Bord der Schiffe befinden (durch-
schnittlich 6700 Mann), 10,5; in Australien und Nen-Seeland 12, anf Mauritius
14. Seit 1867 sind daselbst aber pemiciöse Fieber ausgebrochen, welche 88 vom
Tausend der Bevölkerung hinweggeraffl haben. In Ceylon 21, in Indien, wo sich
im Jahre 1866 58,000 Mann europäischer Truppen befanden, gleichfalls 21, auf
den Bermudas, wo den Soldaten nur Regen- oder Cistemen- Wasser zu Gebote
steht, 24, in Westindien, wo continuirliche und gelbes Fieber herrschen, 26; end-
lich in Hongkong, als der schlimmsten Station, 42. Hier wird die grofse Sterb-
lichkeit der aus der Verwitterung eines dunklen Granits entstehenden Malaria
zugeschrieben. Bei den eingeborenen Truppen, welche zum englischen Heere ge-
hören, sind die Sterblichkeitsverhältnisse im Ganzen dieselben wie bei den euro-
päischen Truppen, nämlich in West-Afrika, wo nur eingeborene Soldaten in An-
wendung kommen I 38 und in China 42. Der Durchschnitt des Ganzen beträgt
14, 12 vom Tausend.
Herr Fofs besprach v. Maack's Urgeschichte des Schleswig - Holsteinischen
Landes. Bd. I. Kiel 1869. Bei der Besprechung des Buches folgte jedoch der
Ref. nicht dem Gange des Werkes , sondern ordnete den Inhalt nach anderen
Principien. Zuerst behandelte er die Namen des Landes nnd die daran sich
knüpfenden Hypothesen. Darauf wurde die Westgrenze, also die Nordsee» be-
sprochen. Der Durchbmch des Canales und die Wirkungen desselben auf die
WestkQste wurden dargestellt, femer die Veränderungen, welche vor demselben
sich dort zugetragen hatten. Ebenso wurde die Ostseekäste untersucht. Dann
ging Ref. auf die Bodengestalt des Landes und zuletzt ganz kurz auf die Flora
und Fauna ein.
Herr Spill er besprach das prachtvolle Nordlicht, welches am 15. April d. J,
in der nordamerikanischen Union sichtbar wurde und welches in New- York ohne
künstliche Batterien die Telegraphendrähte mit einer Kraft von 400 Elementen
wirksam machte, und schlofs daran seine durch Zeichnungen nnd Modelle erläu-
erte Theorie dieser Erscheinung. Nach ihm gehört dazu: 1) ein hoher Grad
von statischer oder Spannungselektrizität in den obem Lnftschichten, wobei die
obere warme sQdliche Strömung positiv, die obere kalte nördliche aber negativ
elektrisch ist; jener Lnftstrom schiebt sich östlich vor, dieser bleibt westlich zu-
rück. 2) Eine hinreichend kräftige Entwickelung der dynamischen Thermoelek-
trizität an der Erdoberfläche, wovon der positive Strom in einer von O. nach W.,
der negative in einer von W. nach O. gerichteten Spirale geht 8) Der durch
die Thermoelektrizität erzeugte Erdmagnetismus, welcher an der Westseite des
magnetischen Meridians die positive, an der Ostseite die negative Elektrizität ab-
stöist. Bei relativ sehr trockener Luft findet dann eine durch Glimmlicht sich
olFenbarende doppelte Ausgleichung der Elektrizitäten statt: an der Westseite .des
magnetischen Meridians zwischen dem positiven thermoelektrischen Strome und
der negativen Elektrizität der unteren westlich zurückbleibenden Lüftschicht, an
der Ostseite zwischen dem negativen thermoelektrischen Strome und der positiven
Elektrizität der vorgeschobenen obem Luftschicht. Das Licht steigt eigentlich
in zwei Flächen empor, welche nach oben wegen der dorthin abnehmenden ab-
^tofsenden Kraft des Erdmagnetismus einander näher treten und eine Art Ton-
384 Sitoimgsbericht der Berliner geographischen Geflellschait.
nengewölbe bilden; aber der in der Richtung der Axe dieses Tonnels wiricend«l
Erdmagnetismus macht es durch seine polare Einwirkung su einem geschichtetet-]
und farbigen. Der Erdmagnetismus hält in der Richtung, in welcher er am. krif*
tigsten wirkt, nämlich in der Inklinationsrichtung, das elektrische Licht rings
sich fem, wodurch die Krone gebildet wird. Da die aufsteigenden Ströme eii
ander entgegengesetzt sind, so werden die Antheile ron ihnen, welche durch
statische Elektrizität der beiden Luftschichten noch nicht zur Ausgleichung
kommen sind, das Bestreben zeigen, einander anzuziehen, und können dieses
so eher, je weiter sie von der Krone entfernt sind, woraus sich völlig geschh
sene Bogen bilden. Durch das dunkle Kreissegment am Ende des Bogci
gewölbes sieht man, wie auch durch die offene Krone, in den leeren Weltraui
Dafs sich ein vollendetes Polarlicht kuppelartig gestaltet, beruht auf dertell
optischen Täuschung, welche uns den Himmel kugelförmig zeigt.
An Geschenken gingen ein:
1) Simon in, Sopra una collezione composta di oggetti antutorid trotfoti
isole delt arcipelago toscano, Firenze 1867. — 2) Registrande der geographiscl
statischen Abtbeilung dta grofsen Generalstabes. Berlin 1S69. — 3) Zenkej
Der Suez-Canal und seine commercielle Bedeutung, besonders für Deutschi
Bremen 1869. — 4) Quetelet, Observationg du ph^homhies p^wHquet
lea ann^es 1865 et 1866. {Acod, roy, de Belgique, Mim. XXXVIL) — 5) Qi
telety Sur la diffir&xce de longutide entre lea observatoires de Lejfde €t de
xelUs etc, {Bullet, de VAcad. rojf. de Belgique.) — 6) Quetelet, Sur lea
ßlemtea p&iodiquea <lu moia d'Aout 1867. Ebends. — 7) Quetelet, Progrh
iravaux atatiatiquea, Ebends. — 8) Quetelet, Sur lea phinomknea p&iodiquea
g4n&al. Ebends. — 9} Bulletin de la Soci€ti de Geographie. V* S^. X^
1869. Mars— Avril. Paris. — 10) Petermann's Mittheilungen. 1869. N.
Gotha. — 11) Gaea. Natur und Leben. 1869. Heft 5. Köln. — 12) Biji
tot de Icutl'land' en volkenkunde van Nederlandach IndiS. 3* Volg. D. IIL St 3.
13) Gonggrijp, £ene bijdrage tot het 3* Z>. 4* St. der Bijdragen vor het
Inat. voor de taaU^ land- en volkenkunde etc. — 14) Archivea dea Miaaiona acit
Jiquea. 2* S^r. T. V. Livr. 2. Paris 1869. — 15) Verhandlungen des nati
forschenden Vereines in Brunn. Bd. VL 1867. Brunn 18C8. — 16)
hifdrographiquea, 1*' — 3* trimestrc 1868. Paris. — 17; Bulletin de la Sodi
dea NaturaUatea de Moacou. 1868. N. 3. Moscou 1869. — 18) M^oirea
la Socim phgaique et naturelle de Bordeaux, T. VI. 1. 2. Bordeaux 1868^61
19) Preufsisches Handelsarchiv. 1869. N. 19-22. BerUn. — 20) Brüllow]
Wandkarte für die H«imathskuDde. 10 Bl. Beriin 1869. — 21) v. Dechei
Geognostische Uebersichtskarte von Deutschland, Frankreich, England und d<
angrenzenden Ländern. Nach den gröfseren Arbeiten von v. Buch, de Beaumoi
und Dufrenoy, Greenough. 2. Ausg. 1869. 2 Bl. Berlin. ~ 22) Piano tof
grdifico de la ciudad de Buenoa Airea y de todo au inclu^endo parte de loa partic
de BelgranOy levantado por el departamento topogrdifico y publicado por Satumk»
Salaay German Kuhr, Pedro Benoit, Ygnacio Casagemaa^ Ant, E. Malaver.
1867. M. 1 : 8000. 3 Exemplare. — 23) V. de Möller, CarU giologiqw dti
veraant occidental de VOural M. 1:840,000. St P^tersboui^ 1869.
gre
nsr ^äjihiinheiJb .
Taf.V:
Grosse. Eh t,n.t zum Distr.GlIIid.et/
,\\ent7 Ocker.
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6800.
6600.
6200.
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XV.
Barometer - Hohenmessungeu
von dem grofsherzoglich weimarBchen Amte Ostiieim vor der
Rhön, im eisenacher Oberlande*
Ausgeführt vom Major a. D. A. W. Fil^ aus Tlinenau i. J. 1868.
Das Amt Ostheim vor der Rhön liegt an der Sa£Ber0ten West-
igrensse der Grafschaft Henneberg und begreift denjenigen Landstrich,
der im mittleren Zeitalter einen Theil des alten Baringgaues nnd des
Tnllifeides aasmachte, zu beiden Seiten der Bahre und der Streu, g&ns-
iieh innerhalb des Königreichs Bayern, und östlich an dem Rhön-
Gebirge. Es falst folgende Ortschaften in sich: die Stadt Ostheim
mit dem Beinamen „vor der Rhön^, Schlofs Lichtenberg, Marktflecken
Sondheim vor der Rhön, die Dörfer Ursgringen, Stetten und das nord-
wärts abgesondert gelegenen Melpers. Eine Besondemheit, die wir in
den Fluren Ostheim und Sondheim finden, ist die, dafs die erstere
198, die andere 92 bayersche Enclaven (kleine und grofse
Ackerstncke, selbst einige H&user), in Summa also 290 in
sich schliefsen, über welche das Königreich Bayern die
Hoheitsrechte fibtl Es wfire wohl der Mühe werth gewesen, diese
ungünstigen, störenden Yerhfiltnisse bei dem Friedensschlüsse 1866
völlig abzustofsen.
Mit Melpers enthält das in Rede stehende Amt nach amtlicher
Angabe 1,075 □ Meilen Flächeninhalt, ^worunter die berührten bayer-
sehen Enclaven in Ostheim und Sundheim nicht inbegriffen sind. Nach
meiner Berechnung, der die Generalstabskarte 1 : 100,000 zu Grunde
liegt, fand ich für die Hauptmasse Ostheim 0,97o preufs. □ Meilen, für
Melpers 0,065 dergleichen, in Summa also für das ganze Amt 1,025 pr.
Q Meilen Flächeninhalt, Das gesammte Grofsherzogthum Weimar ent-
hält nach einer neuern im Ministerium angestellten Berechnung 65,786
□ Meilen. Nach der letztern Zählung (vom 3. Dezember 1867) hatte
das Grofsherzogthum 282,856, das Amt Ostheim 3860 Einwohner. —
Das Areal des Waldbodens in letzterem ist nach Verhältnifs des gan-
Esn Flächenrauoies nicht unbeträchtlich; der« Staatsforst Ostheim, d. i.
^der Höhn"" nördlich von der Stadt, umfafst 1688 Acker 95 DR., die
Gemeinde- und Privatwaldungen zur Stadt Ostheim 2216^ Acker, zu
Z^Uchr. d. QMftUteh. f. Brdk. Bd. IV. ^^
386 A. W. Filt:
Sondheim 1376 Acker 90 R.^ tu ürspringen 863 Acker 94 R., n
Stetten 432 Acker und xa Melpers ca. 6^ Acker, daher im gaam
Amte 6509 Acker Waldboden, d. i. etwa der 4. bis 5. Tbeil des g»-
gammten Flächeninhalts. Die Gemeinden decken, wie versichert wnrdi^
ihren Holzbedarf zum Haasgebraueh und za Hauptbanten ziemfidb
ganz. Die fiscalische Forst Ostheim bringt nach Angabe des d<»tq|ei
Revierforsters 35,000 Gabikfurs Holz jährlich ein. — Im ganzen Aale
finden sich ferner nach der letzten Zählung: 809 Wohnhänaer, 3866
Einwohner, 108^ Pferde und 2022 Stock Rindvieh.
In allen Orten ünden wir emsige Betreibung der Handwerke im Win-
ter, besonders viel Schuhwerk und gegerbtes Leder wird aosgefobt;
Ueberall zeigt sich eine gute Gultur der Felder, unterstützt durch gotea
Boden, mildes Klima und durch die bestehenden landwirth6cliaftÜdie&
Vereine; ferner finden wir Brandweinbrennereien und die damit verbsa-
denen YorUieile der Viehmastung; auch die Benutzung beträchÜicherHn-
feider auf der Rhön kommt dem dortigen Landmann sehr zn stattes.
Man kann jährlich, wie versichert wurde, 80 bis 120 Stuck gemästet«
Rindvieh rechnen, das in jedem Orte aufgekauft und in entfernte Geg«h
den gebracht wird. Selbst die Bienenzucht ist vertreten, indem dai
Amt 292 Bienenstöcke aufzuweisen hat
Die Burg Lichtenberg war sonst der Wohnsitz einer Linie der
Grafen von Henneberg, später fiel sie an Otto von Bodenlanbe, an
das Stift Würzburg etc. Eine Reihe Burgmänner von Ll<^tenbeTg
werden uns genannt, so: Jos. von Mafsbach, Jos. von der Kdire,
V. Sternberg. 1366 kam Lichtenberg an den Landgrafen za Tbiixiii-
gen, 1433 an den Grafen Georg I. von Henneberg*Römhild, der 1415
die Dörfer Sondheim vor der Rhön, Ürspringen, Melpers nnd AUeo-
feld (die jetzige* Wüstung) an sich brachte. Von jener Zeit an erfiieh
das Amt Lichtenberg nach und nach den heutigen Umfang. 1548 e^
hielt es Graf von Mannsfeid. 1555 kam zwischen diesem ond den
ernestinische Hanse Sachsen ein Vertrag zu Stande, demzufolge Rom-
hild und Lichtenberg den Herzogen zu Sachsen abgetreten wurde.
1638 erhielt Weimar das Amt Lichtenberg, das heutige Amt Ostheio
vor der Rhön.
Was nun speciell die hier folgenden Barometer -HöhenmessuDgeo
anbetrifft, so bemerke ich noch, dafs mir nachbezeichnete meteoit^
gische Stationen ihre 'gleichzeitigen Beobachtungen bereitwilligst zuge-
wendet haben: Arnstadt bei 873,5 — Meiningen bei 892,8 und Gr.
Breitenbach mit 1945,2 pariser Fufs absoluter Höhe. Allen Herren
Beobachtern nochmals meinen schönsten Dank für diese Mühen.
Barometer« Höhenmetsaxigen.
387
Die speciellen Hohenmessungen 'vom Amte
Ostheim.
No.
1.
2.
3.
4.
5.
6.
7.
8.
Benennnng der gemesseDen Punkte.
A. Der StrenfluBS nnd die daran liegenden
Orte thalaufwärtB.
Die bajersche Landesgrenze darchschneidet die
Strea antciiialb Ostbeim, nicht weit von der
Eupfermuble
Die Kapfermühle zu Ostbeim, 600 Scbritt west-
licb von der Landesgrenze, Thalsoble . .
Ostbeim vor der Rbön, Stadt mit 2434 Einwob-
nern, am Rockentbore nnd 200 Scbritt iiber
der Amtmannsmable, Wasserfl&cbe der Strea,
Mittel aus 2 Beobachtungen
Ostbeim, Gasthof zum Schwan, Hans II 210,
eine Treppe hoch, 18 Fnfs aber dem Stra-
IjBenpflaster in der Marktstrafse, Fensterbmst-
webr, Mittel aus 32 Beobacbtangen . . .
Das Strafsenpflaster an diesem Hause daher .
Ostbeim, am Forstbause, das am höchsten ge-
legene Wohnhaus der Stadt, No. IV. 438, ge-
gen 6 Fufs über dem Fufs des daneben ge-
legenen Neutbor£, ziemlich gleich hoch mit
der Kirche
Ostbeim, Fufs der Kirche, auf der hoben Nord-
seite der Stadt, nach der preufsischen Ge-
neralstabskarte (Mafsstab 1 : 100,000). . .
Ostbeim, im Garten des Felsenkellers, 3 — 400
Scbritt S. von der Streu am oberen Ende der
Stadt, gegen 5 Fufs über der Schwelle des
Hauses
Ostbeim ^vor der Rhön^, so bezeichnet zum
Unterschiede der beiden. Ostheims im Würz-
burgischen, bat schon im 9. Jahrhundert exi-
stirt. 1202 bestand eine adelige Familie die-
25 •
Absolute
Höhe
in pariser
FoTs.
861
870
892
919
901
943
941
934
388
.A. W. FiU:
No.
Beneunimg der gemesseDen Punkte.
AbMlote
Höbe
mptriMT
FoCl
sea Namens. Sonst waren hier begütert: die
Herren v. d. Kehre, v. Griesheim, v. ZafraCB,
V. Battlar, Neoenburg, v. d. Tann, v. Steinaa,
V. Weihers and andere. — Die Kirche ist mit
hohen Maoem umgeben, die mit 4 Thfirmea
besetzt sind. Der ansehnliche Kirchhofsraom
aber enthält, wie mir versichert wurde, gegen
200 massive Keller, die Eigenthum einzelner
Haasbesitzer der Stadt sind, in welche sie i^re
Wintervorräthe unterbringen. Jeder der be-
sagten Keller ist mit einem D&cbelchen ver-
sehen, hoch, niedrig und in allen Gestalten
geben sie ein wunderbares Ansehen des Gan-
zen, zumal neben einer Earche. Oben, nach
No. 3 und 5, liegt das Wasser der Streu nur
9 Fufs unter dem Strafeenpflaster im hohen
Sommer. Die Einwohner haben daher selten
trockene Haaskeller und sind genothigt, ihre
Bestände in jene hoch gelegenen Räume zu
schaffen. — Das Justiz- und das Rentamt,
beide befinden sich in der Stadt. Diese hat noch
aufserbalb 11 Mühlen, und zwar der Reihe
nach von oben her: Loh -Mühle, Johannes-
Mühle, Katzenhauks-Mühle, Scheer-Mühle, Walk-
Mühle, Moritz -Mühle, Eps- Mühle, Brücken-
Mühle, Bock -Mühle, Amtmanns -Mühle und
Kupfer-Mühle.
"9. Die Thalsohle der Streu an der Katzensauks-
Mühle, der 3. von oben
10. Die Streu tritt zwischen Ostheim und Nordheim
in das weimarsche Gebiet, nördlich vom
Dachsberge, Thalsohle
Bemerknng: Die obere Stren bis sar Quelle, siese
weiter nnter bei dem Dorfe Melpers.
929
983
Barometer- HöhenmeaBungen.
889
No.
Benenniing der gemessenen Paukte.
Absolute
Höhe
in pariser
Fafs.
11.
12.
13.
14.
15.
16.
17.
18.
19.
20.
21.
22.
23.
24.
B. Die linke Uferseite der Streu mit dem
Schlosse Lichtenberg^ und mit dem gress-
hercoi^lichen Ferste „der Hdhn'^ genannt.
Das steinerne Kreuz, zwischen dem kleinen
und grofsen Bargwege, N. vor der Stadt .
WeiherBhaak, kahler Kopf,* 1800 Schritt NW.
von der Stadt, mit schöner Aussicht . .
Sattel zwischen diesem und dem Schlofse Lich-
tenberg, am Wege von Ostheim nach Neu-
stildles nnd am Bargwege
Pfaffensteig, Berg O. dem steinernen Ejreuze
gegenüber
Die Südspitze vom Forstort Oestripp, am Barg-
wege
Der höchste nördliche Punkt vom Gestripp, am
B. 85 und gegen 30 Sehr. S. von der Bank
Braunsrahe, Bank*), 160 Sehr. S. vom Burg-
thore und N. am Oestripp, zu Ehren des
Herrn Forstmeister Braun in Zillbach also
benannt
Der FuTs des änfsem Burgthors vom Schlofse
Lichtenberg
Der Fufs des hohen massiven Thurmes ebenda
per Lindenplatz im Vorhofe, Mittel aus 5 Be-
obachtungen
Der innere Hof von Lichtenberg
In demselben Schlofse, Gaststube 2 Treppen
hoch (Lichtenberg mit 5 Einw.) ....
Der Thurmknopf von Lichtenberg, nach der
preufsischen trigonometrischen Messung . .
Dasselbe Schlofs, welcher Punkt? nach der preu-
fsischen Generalstabs-Earte (1 : 100,000) .
1096
1304
1192
1121
1299
1381
1388
1445
1451
1459
1465
1496
1579,m
1446
') Mit schöner Aussicht anf die Gleichberge, Hafsberge, auf den Kreniberg;
nnd aaf die Bhön ttberbaapt.
390
A. W. FÜ8:
25. Sattel zwischen dem Schlofsberge ood dem er-
sten Kopfe östlich, Grease swiecheii den
Forstorten Winterieite und Weingarten • •
26. Erster Kopf gegen 800 Schritt O. von der Burg,
Grenze zwischen Winterleile und Weingar-
tenthal
27. Sattel zwischen dieser und der O. zunächst fol-
genden Kuppe
28. Die O. darauf folgende Kuppe, Grenze dersei-
hen beiden Forstorte
29. Winterleite, östliche untere Waldspitze auf dem
Kamm, nahe am Stein 75 , hier geht der
Crinolinenweg vom Scblofs her vorüber. .
30. Der nahe Sulzbach östl. davon (schon bayerisch)
31. Geifsruck, Feldköpfchen gegen 800 Schritte N.
von der Kupfermuble
32. Die westl. obere Wiesenspitze im Winterthale,
zwischen Winterieite u. Schwarzelochswand
33. Das Südende von der Linie zwischen Sulzwand
und Schwarzelochswand, am Stein 45 . .
33a. Die SO. -Waldspitze von der Sulzwand nahe
am Stein 45 ..... .'
34. Nordostecke der Sulz wand an den Willmarschen
Sulzwiesen, B. Landesgrenze, St. 23, 26, 27
K. B., \ Meile S. von Willmars ....
35. Die Sulz ebenda, Östlich daneben .....
36. Die nördliche Landesgrenze an der Linie Alten-
burg und Sulzwand und am Stein 26. . .
37. Da wo die Linien von Sulzwand, Sendeisgraben
und Altenbiirg zusammentrefTen , in einem
Thälchen
38. Das Zusammentreffen der Linien von Sendeis-
graben, Schwarzelochswand und Sulzwand ;
3d. Oberes Ende der Linie zwischen Winterleite
u. Schwarzelochswand, am Ost heimer Schlofs-
felde, nahe a. St. 54, oberer Anfang eines
Thälchens
1333
1349
1209 •
1223
989
918
962
1004
957
939
961
950
1076
1061
1129
1128
Barometer* BobOflmflssnngen.
39 r
Absolnte
No.
Benennnng cler gemessene« Pmikie..
Höhe
in pariser
Fnrs.
40.
Oberes Bnde der Linie swischen Sebwarse^oobfr*
wand und Sendeisgraben
1158
41.
Oberes Ekide der Linie zwiscbea Sendeisgraben
und Altenburg
1149
42.
Das Ostfaeimer Schlofsfeld, Sattel N. am Scblofs
Lichtenberg, niobt weit ?om Schlofsbergs-
Grenzstein No. 75
1265
43.
NordoBtende der Linie zwischen. Altenburg,
Willmarser Weg und Fiehtig, Landesgrense.
1261
44.
Die nördlichete Waidspitze, am Fiefatig und am
Willmarser Felde, zugleich am Holze des
Grafen von Soden, Stein No. 1 . . . .
1202
45.
Nördliche Landesgrenze am FSchtig und. an der
■
Eintenpfutze . • • •
1349
46.
Am Durchschnitt der Linien von Willmarserweg,
^» «^ ♦«■ ^^
;
Fichtig, Entenpfutze und Kellersweg. . .
1456
47.
Die Linie 200 Sehr. N. davon, zwiseheu Fich-
tig und Bntenpfutae • • .
1471
48.
Die Kahhalle, Forsteifeld NW. vom Scblofs-
berge, höchster Funkt
1266
49.
Durchschnittspunkt -der vier Linien zwisdien
Entenpfutze^ Tännerschlag, Eellersweg und
Franzosensehlag t
1511
50.
Höchster Punkt der Linie zwischen Entenpfutze
und Tännerschlag, gegen 250 Schritt N. von
No: 49
1527
51.
Ein Ponkt in derselben Gegend, nach der preo-
fsischen Generalstabs^Karte ......
1538
52.
Nordende d^r Linie »wischen Entenpfutze und
Tännerschlag, LandeSgrenze, nahe a. St 19
1465
53.
Nordende der Linie zwischen Tännerschlag und
Kinsburg, Ländesgrenze, nahe a. Wald St. 7
1421
54.
Die N W.-Ecke des ganzen Forstes, Landesgrenze
•mit Nordheim und Neustadtel, Grenzstein
No. 1. Forstort Einsburg ......
1412
55.
Höchster Punkt des Grenzweges am Forstort
Kinsburg, am St. S. u. 52. 17 . . . .
1563
S9Z
A. w. ruti
AbMhto
Ko.
BeneniiBiig der gemestenea Pnnkie.
HöW
in pariser
Fnfi.
56.
Westende der Linie switoben Kineborg nnd
Saobad, Laodeegrenze
1503
57.
Krens der Linien swischen Fransosenscblag,
Kinsbarg, Saabad nnd Rodwand ....
138&
58.
Der Rappacherbmnnen am Westende der Kali-
balle nnd an der Rodwand, nabe am Stein
No. 37
im
Dieser Brunnen ist gefafst; aas ibm ent-
nehmen die Bewohner des Scbiobes Lichtenberg
ihren Wasserbedarf nnd bringen ihn mnbsam
hinauf.
97.
Dnrchschnitt der Linien swischen Rodwand,
Saabad und Mfinnerhölseben
1427
60.
W estende der Linie zwischen Saabad nnd filfin-
nerhölzchen, Landesgrenze
1371
61.
Südwestecke des ganzen Forstes, und 8 W. -Ecke
vom Männerhölzchen, Landesgrense am Nord-
heimer Felde, nahe am Waldsteine No. 10.
1601
109S
62.
Das untere westliche Rommersbuhlköpfehen,
* w^^
No. 61 südlich gegenüber
im
63.
Die Wiese zwischen beiden letzteren Punkten,
die ^brausende Wand '^^ genannt ....
1034
64.
Der Sattel zwischen M&nnerhölzchen und dem
obern Rummelsbflhi, am St 14 nnd an der
Doppeleiche : . ,
1173
65.
Obere Rommersbühl, freier Kopf S. über dem
eben genannten Sattel
121»
66.
Das Sudende der Linie zwischen M&nnerhölz-
chen und Rodwand. ........
1133
Hiermit sind von No. 15 bis 66 dieser Mes-
^ ^ ^^^^
sungen, die wesentlichsten Pnhkte des Qrols-
herzogliohen Forstes Ostheim nach ihren abso-
luten Hohen gegeben. Von seiner niedrigsten
Stelle, dem Südende der Ruizwand mit 939 FuTs,
steigt das Terrain alim&Ug nordwärts an, bildet
un Tiinn erschlag nnd Entenpfütze ein Plateau
1
Barometer - HöhennMiBungen.
393
No.
Benenaung der gemesaenen Punkte.
Abiolate
Höhe
in pariser
Fali.
67.
68.
69.
70.
71.
72.
73.
74.
75.
76.
77.
78.
79
von 1525 Fafs Höhe ond erhebt sich dann noch
westwärts bis in den Forstort Eühnsbarg mit
einer absoluten Höhe von 1563 Pnfs (s. No. 55).
Auf dem Südabfall steigt plötzlich der Schlols-
berg (Kalk) stiBil heraus bis su 1464 Pnfs; alles
andere sind nach Norden, Osten und Süden
nicht sehr auffallende Abdachungen.
Höchster Punkt der Chaussee von Oetheim nach
Nordheim, gegen 500 Schritt östlich von der
Landesgrense .
Die Landesgrenze wird von derselben Chaussee
durchschnitten
Nordheim, bayrisches Dorf, an der Brücke über
die Bahre, 400 Schritt südlich vom Orte»
Wasserspiegel
C. Das rechte Ufer des Streuflusses,
Meilenberg, Landesgrenze SO. von der Kupfei^
mühle
Bflchig, freier Berg S. von derselben Mühle,
ansehnliche Hocbflfiche
Menriohstädter Graben, Kessel W. vom Büchig
Der Weg von Ostheim nach Hainhof schneidet
die Landesgrenze
Mellrichstädter Graben, Höhe, flacher Kopf im
weiten Sattel zwischen Büchig und dem
Münchskopf
Der Sattel östlich daran, gegen Büchig hin .
Der Sattel westlich daran, gegen Münchskopf
hin
Die NO. Holzecke am Münchskopf, nahe der
Landesgrenze
Münchskopf, östlich vom Wege von Ostheim
nach Frickenhausen
Höchster Punkt des eben genannten Weges, in
dem Sattel zwischen Münchskopf und grofse
Lindenberg
1007
986
1002
1014
1098
948
1019
1077
1034
1061
1171
1277
1253
3U
A. W. FHs:
No.
Absolute
Höhe
in pariser
Fnfs.
80. Sattel Ewkohen Mflnebskopf uttd Heidelberg,
S. Ton No. 79 1217
81. Der schon genannte Weg nach Frickenhaasen
** schneidet die Landesgrenxe am Felde and
SO. am Heidelberge, Wegweiser .... 1183
82. Der hISchste Punkt desselben Weges im Heidel-
berger Holze ond N. von No. Sl . . . . 1214
83. Der grofse Linden beig, N. vom Heidelberge . 1356
84. Der kleine Linden berg, N. vom letzteren . . 1188
85. Sattel zwischen beiden Lindeubergen .... 1 1 13
86. Oberband, Feldköpfchen N. vom kleinen Linden-
berge 995
87. Erste Höhe gegen 250 Schritt S. vom Felsen-
keller, Weg nach Frickenhaasen .... 961
88. Die Chaussee 40 Schritt N. vom Felsenkeller,
am Wegweiser 915
89. Das Thal : der Käfig, W. am kleinen Lindenberge 981
90. Heidelberg, höchster Ponkt, speciell ^beim
Erlebusch '^ genannt, Landesgrenze . . . 1595
91. Derselbe Punkt, das bayersche trigonometrische
Signal, unterer Rand des Bretterbelags, nach
der preufsischen trigonometrischen Landes««
Vermessung 1640,tss
92. Der erste NW. Sattel von No. 91 » am Bock-
wege, Landesgrenze, auch am untern Wald«»
behronger Wege, oder auch aber d. Birkicht
, genannt 1382
93. Ruckweg, oder mittlere Heidelberg, efste Höhe
NW. von No. 92 1423
94. Rückweg, zweiter Sattel vom gr. Heidelberge,
Landesgrenze, höchster Punkt des Fufswega
nach Ober-Waldbehrungen 1391
95. Das oberste Kreuz, nfichster NW. Berg, am
Vierherrnstein, es grenzen hier Ober- und
Unter-Waldbehrungen, Ostheim, Sandheim,
so berichtete mein Fahrer; am Rückwege,
oder wie sie in Bayern sagen, am Ffirtwege 1449
Barometer -HöhMunMsungeii.
395
No.
Benennung der gemessenen Punkte.
Absolute
Höhe
in pariser
Fnfs.
96. H6eli0ter Pa&kt des Weg«8 von Ostheim nadk
SoodbciiD, Ober-Ehbach and Ober« Wald-
befarungen, Sattel zwischen Oberkrens und
Eaffenberg, auch das östliche Ende rom
Handsrück und am Sondheinier Felde . •
97. Eaffenberg, Gemeindewald zu Sondheim . .
98. Sattel zwischen Kaffen- ond groise Dacbsberg,
höchster Punkt des Weges von Ostheim nach
Sondheim
99. Or. Dachsberg) Orenzweg zwischen dem Ost-
und Sondheimer Walde
100. Derselbe Berg, nach der preafsischen General-
stabskarte
101. Dachsberg, höchster Punkt des Fnfswegs von
Ostheim nach Sondheim, bayrische Grenz-
ecke am Stein No. 49 und 80 (alle drei
Heims grenzen hier)
102. Kleiner Dachsberg, freies Köpfohen, 900 Sehr,
östlich vom grofsen Dachsberg
103. Die Ostheimer Warte, höchster Punkt des Berges
104. Sattel W. an dieser Warte, am Schiingenwege
105. Das Kehltbal, zwischen derselben Warte und
Raffenberg, der Schiingenweg tritt hier in
das Thal, oberer Anfang der Kehl wiese •
106. Das freie Köpfchen NO. von der Ostheimetf
Warte (AllvÄter)
107. Der nächste O. Sattel von der Ostheimer Warte
108. Der BremeJsberg, am Häuschen
109. Das Thal zwischen diesem und dem Ochsenberge
110. Der Ochsenberg •
111. Sattel zwischen diesem und dem Heidelberge,
am Schiingenwege
112. ^Der östliche Waidrand am Ocfasenberge» ÖOO
Schritte W. von der Rode
119. Das freie Köpfchen auf der Rode, östlicher Ab-
fall des Ochsenberges
114. I Scheitel des Weges hierbei, ösüich an No. 113
1262
1417
1279
1371
1374
1251
1248
1329
1240
1120
1153
1178
1197
1055
1305
1149
1132
1114
1096
396
A. W. Fila:
No.
115.
116.
117.
118.
118a.
118b.
119.
120.
121.
Benennung der gemeseenon Ponkte.
Der Weg von' Sondheim nach Ostheim dorcb-
sehneidet das Thfilehen: die Spring, anch
Fleischanger genannt, am W.*Fufo des gr.
Daehsberges
Derselbe Weg, dessen höchster Punkt S. am
Osterberge
Der Osterberg, NO. am Flecken Sondheim
Derselbe, nach der preofeischen Oeneralstabs-
Karte
Bin Köpfchen ca. 700 Schritt S. vom Osterberge
Nächster S. Sattel nach dem Galgeoberge zn
und etwa 300 Schritte entfernt von dem
letztern Köpfchen
Marktflecken Sondheim vor der Rhön mit
481 Einwohnern, Gasthof zam bayersdien
Hofe*), Haas No. 192, eine Treppe hoch
und 15 Fufs über dem StraXsenpflaster, Mit-
tel ans 14 Beobachtungen
Daher das Strafsenpflaster ebenda
Das nahe dnrchfliefsende Wasser, unter der
Bracke
Sondheim vor der Rhön, mit diesem Bei*
namen zum Unterschiede von Kalten-Sondheim
und von dem im Amte Römhild gelegeneu
Dorfe Sondheim im Grabfelde. Sonst zum
Baringau gehörig. Die Grafen v. Henneberg
besafeen S. schon 1169, in der Folge kam es
an Graf Otto von Bodenlaube, 1230 an das Stift
Wurzbnrg, 1435 an den Grafen Georg von
Henneberg. — Sonst war Sondbeim Hauptort
des Amtes und weit volkreicher als jetzt. Dicht
daran der Centberg und nicht weit davon der
Galgenberg, woraus man folgert, dafs hier im
Absolute
Höhe
mparieer
1068
113S
1283
1281
1185
1140
1111
1096
1087
>) Diests Haas gehört, wie so yiele EncUven, in der Sondheimer Flor,
mit Stumpf und Stiel, sogar mit der HausDummer, einem Dorfe in
Bayern an. Die Polizei kommt von drflben und ttbt hier ihre Rechte, sowie sie
die Schwelle betreten, revidirt die Fremdenbücher, tadelt was ihr nicht geftUlt n. a. w.
Barometer - Höheametsangen.
387
Mittelalter die Geotgericbtsstätte gewesen m.
Yorhemcfaend ist hier Ackerbau, Viehzacbt and
Flachsbau. Der Wieswachs bat bedeutenden
Zuwachs durch das auf dem Rhöngebirge
wachsende, an Qualit&t jedoch geringere Heu,
das auch oft 3 Stunden weit auf Gebirgswegen
herbeigebracht wird. Der Flecken liegt an der
Bahre, die in Urspringen quillt und bei Nord-
heim in die Streu fallt. Auch bedeutende Wal-
dungen hat der Ort, so dafs jeder Nachbar das
benöthigte Breno- und Bauholz bekommt. Eine
Familie v. Watershausen, eine v. Steinau, v. Stein
und V. Oebsattel waren hier begütert. Eine
Urkunde von 1574 giebt an, dafs Hr. v. Stein
hier einen Ansitz gehabt und auf den RhÖn-
bergen viele Wiesen besessen, die derselbe an
Einwohner zu Sondheim, Stetten und Ursprin-
gen vererbte.
122. Der Gentberg, dicht sudlich an Sondheim, N.
Kuppe, an der Linde
123. Derselbe Berg, die Südkuppe
124. Der Sattel zwischen beiden Kuppen ....
125. Der höchste Punkt der Chaussee W. am Centberge
126. Der Galgenberg, östlich am Dorfe Urspringen
127. ' Der freie Hügel im Osten vom Galgenberge
und S. von Sondheim
128. Sattel zwischen beiden letzteren Bergen. . .
129. Sattel zwischen dem Galgenberge und dem
Huudsrücken
130. Hnndsrücken, schmaler langer Berg mit der
Landesgrenze, höchster Punkt und am Wege
von Ostheim nach Ober-Elzbach ....
131. Die Landesgrenze geht auf der Südseite des
Berges hin und senkt sich dort circa . .
132. Der Sattel zwischen dem Hundsrück und dem
Heppberge (nicht Hess-Berge), S. von Ur-
springen
1219
1204
1184
1184
1296
1230
1208
1223
1407
1150
1347
398
A« W. Fils:
No.
Benennung der gemesfenen Punkte.
Abfolnte
Höhe
inptiiNr
Fois.
133.
134.
135.
136.
137.
Höehster Paokt der Chaogeee Ton UrapringeB
nach Ober-Elsbaehf gegen 230 Schritt west-
lieh vom letstern Sattel
Der dstliche Holsrand Tom Heppherge, gegen
300 Schritte W. von N. 133
Dorf Urspriugen mit 392 Einwohnern, am
Gasthofe, Hau8 No. 23 zam Hirsch, Mittel
aus 2 Beobachtungen
Diesen freundlichen Ort zeichnet beson-
ders eine grofse, schone nnd herrlich gefafste
Quelle aus, deren Wasserabflufe 5 Fufs breit
nnd gegen 5 Zoll hoch ist. Sie liegt am Fufse
einer Höhe, auf der die schone, neue, im gothi-
schen Style erbaute Kirche steht Die Quelle
füllt gleich daneben ein aus Sandstein-Quadern
erbautes und mit einem geschmackvollen Eisen-
gitter geziertes und mit dem Landeswappen ver-
sehenes Bassin, das eine Breite von 8 Fufs und
eine Länge von 36 Fufs hat. Oleich darunter
treibt das Wasser
eine Mühle. Der besagte Spring hat eine
Temperatur von 6,7 Orad R. und eine abso-
lute Höhe von
Die schon genannte neue Kirche wurde in
den Jahren 1842 bis 1846 von Döbner in Mei-
ningen erbaut, eine Zierde des Orts und der
Gegend, für den Baupreis von 40,000 Thlr.;
ihr Fufs hat eine absolute Höhe von ....
Die ganze Ansicht von der Quelle, dem
Bassin, dem Berge hinan zur Kirche, diese setbst
mit den zur Seite rechts und links liegenden,
etwas, aber regelmäfsig vorgeschobenen hübschen
Amtswohnungen des Lehrers und des Predigers,
ist eine so liebliche und schöne, dafs man sich
I nicht gern von ihr trennt. Eine photographi-
1365
1401
1202
1196
1227
Barometer- Höhenm^snDgen.
No.
Beaennang der gemessenen Punkte.
Absolute
Höhe
in pariser
Fnfs.
sehe Aafnafame davon warde ein sehr belohnen-
des und freundliches Bild geben.
138. Heppberg, nicht Hessberg, wie auf der General-
stabskarte steht, 2000 Schritte SW. vom
Dorfe Urspringen
139. Die Landesgrenze S. auf der Abdachung des
Heppberges (der Euppe zunächst) ....
140. Der N? Waldrand an demselben Berge . . .
141. Der erste NW. Sattel am Heppberge und An-
fang der Lahrberge, die sich von hier bis
zum Hohenroth hinziehen, von andern auch
die Sträuche genannt
142. Die nächste MW. bewaldete Hohe ....
143. Der darauf folgende NW. Kopf, spitz geformt
144. Der nächste NW. Sattel
145. Der folgende Kopf
146. Der nächste Sattel, mit einem Wege quer über
diesen Höhenzug
147. Nächster NW. Berg, etwas lang gestreckt . .
148. Nächster Sattel am Hohenroth
149. Hohenrod (oder Hohenroth), Berg mit Landes-
grenze, 1000 Schritte SO. vom Forsthause
Gangolfsberg
150. Der tiefste Punkt der Landesgrenze am Elz-
bache, auf der SW. Seite der Lahrberge .
151. Die östliche Waldspitze am Hinterroth . . .
152. Am Theerofen, O. Abhang von Hinterroth, an
den Stredten
153. Der Weg von Urspringen nach Gangolfsberg
in der Aue, gegen 800 Schritte W. von
Urspringen
154. Das Altenfelder Wasser tritt unten östlich aus
dem Walde, ca. 2000 Schritte W. von Sond-
heim und au der Flurgrenze zwischen Ur-
springen und Sondheim, am Reithwalde
1658
1615
1478
1516
1537
1609
1563
1625
1560
1631
1584
1808
1409
1492
1441
1238
1255
400
A. W. FiU:
155.
156.
157.
158.
159.
160.
161.
162.
163.
164.
Das östliehe untere Ende vom Sondheimer Holze
an der Wiese und am Krtimmelohe, Weg
von Urspringen nach Stetten
Am bajerschen Forsthanse Oangolfsberg'), 4500
Schritte NW. von Urspringen, nach Ober-
Ekbach gehörig, hübsche, schöne and freie
Lage mit prächtiger Aussicht nach Osten,
zugleich O. Waldrand vom Gangolfsberge,
auch gleiche Hohe mit dem Sattel zwischen
Hohenroth und Oangolfsberg; Thurschwelle
des Wohnhauses*)
Die Landesgrenze N. am Hohenroth geht aber
den Weg nach Urspringen
Dieselbe Grenze geht über das Altenfelderwas-
ser, \ Meile NW. vom vorhin genannten
Forsthause*)
Der höchste Punkt der Landesgrenze, 700 Sehr.
NW. von No. 158, auf dem hintern Rothen-
köpfe, Sondheimer Wald .......
Oberer Anfang vom „Sondheimer Felde^ zwi-
schen dem Holze, sudlich daran das Roths-
loh, N. das Rothehaag auch Mittelstück ge-
nannt
Am Weinbrunnen, auf der SO. Abdachung des
Rothenberges, nach Sondheim gehörig, Quel-
lentemperatur = -f- 6,a • R.
Die Landesgrenze am Waldrande, 50 Schritte
W. davon
Rothe Berg (in Bayern) dicht S. am Dorfe Roth,
mit Basalt- Steinbruch (funfseitige Prismen
und 75 — 80 Gr. aufrecht stehend) . . .
Sattel zwischen dem Rothen Berge und Rothe
Köpfte
1201
1768
1727
2164
2355
1356
1640
1666
1679
683
1) Die Quelle dabei mit + 6.1 ^ R.
') Besteht aus 1 Wohnhause, 1 HolzschuppeD , 1 Schauer und 1 Backofen,
Summa 4 Häuser.
*) Ehemals standen hier die Häusergruppen: Altenfeld, Ober- und Unter- A^pen.
Barometer- Höhenmessuogen.
401
No.
Benennung der gemessenen Punkte.
Absolute
Höhe
in pariser
Fufs.
165.
166.
167.
168.
169.
170.
171.
172.
173.
174.
175.
176.
177.
Das Jägerhaus zo Roth am NW. Abhänge des
rotben Eöpfle, kann mit diesem Sattel siem-
lich gleich liegen, daher
Der diesem Sattel (No. 164) NW. gegenüber
liegende Hilbeberg *in Bayern (3 Häuser
mit Burgveste) kann nach meiner Schätzung
60—80 Fufs höber liegen, daher ....
Westlicher Sattel am Rotbei^kopfle, Wiese süd-
lich und Reibesholz westlich, Bayern . .
Rothe Kopfle (Bayern), SW.amDorfe Roth, Wald
auf der ostlichen, Hütung auf der westlichen
Abdachung, hier stand sonst ein trigonome-
trisches Signal
Dorf Stetten >) mit 387 Einwohnern, im un-
tern Ende gemessen
Dasselbe, westliche und höchste Gartenecke .
Dasselbe, an der Kirche
Das Jungholz, Höhe O. bei Stetten, mit dem
schönen Eichwalde
Höchster Punkt der Landesgrenze am Eichen-
walde (Jungholz)
Dieselbe Grenze N. von No. 173, am Wasser
Obermittel mich, Feldhöhe NW. von Stetten,
Landesgrenze
Der Stettenbach entspringt NW. über Stetten
Derselbe Bach 'verläfst das Ostheimer Gebiet
an der Mündung in die Bahre
D. Die Parzelle Melpers, 1| Meilen nord-
westlich von Ostheim.
Melpers ist von Bayern ringsum begrenzt und
liegt an der obem Streu und an der Strafse von
Ostheim nach Ealten-Nordheim. Die Parzelle war
1840
1910
2051
2163
1245
1308
1279
1345
1289
1159
1777
1346
1155
1) Schon S8S kommt es mit dem Kamen »Stetihaha^ als eine im Gau Grab-
feld gelegene Villa vor.
Zaittehr. d. Oasellieb. f. Brdk. Bd. IV.
26
402
A. W. File
Absolute
No.
Benennung der gemessenen Pnnkte.
Höhe
in pariser
Fnfs.
sonst Wüstung. Im Jahre 1555 wnrde sie von
den Herzogen von Sachsen an sechs Einwohnern
▼on Kalten - Nordbeim überlassen, die H&oser
bauten und die Felder urbar machten.
178.
Dorf Melpers mit 172 Einwohnern, an der Kirche
1539
179.
Die Streu tritt oben in die Melperser Flur, Lan-
dessrenze
1604
180.
Derselbe Flufs verlfifst die Parzelle an der süd-
lichen Landesgrenze
1420
181.
Der höchste Punkt des Erlsberges, an der NW.
Ecke der Landesgrenze
1724
182.
Der Abtsberg, östlich von Melpers, Erbenh&use-
ner Forst
1915
183.
Derselbe Berg, tiefster Punkt des Waldrandes
an der südlichen Landesgrenze. ....
1621
184.
- Nächster N. Sattel yom Abtsberge, gegen den
Stellberg
1785
185.
Stellberg, N. vom Melpers, der Hähl, Erben-
häusener Forst
2031
186.
MMmui%M^^^^Mm^^M ^k ^^m w^ m • www ■• ■ www
Der nächste NW. Sattel, zwischen Stell- und
Streufelsberg, am Hähl, und am Erbenhäu-
sener Forst, zugleich höchster Punkt der
Chaussee zwischen Reicbenhausen und Mel-
pers (zwischen Fladungen und Kalten-Nord-
heim)
1832
187.
Die nordwestlichste Spitze der Landesgrenze am
Hähl, noch Erbenhäusener Forst ....
1913
E. Noch einige Punkte in der nächsten
*
und entfernteren Nachbarschaft.
188.
Der Streofelsberg, | Meile NW. von Melpers,
im Amte Kalten-Nordheim
2279
189.
Die Quelle der Streu, SW. am Streufelsberge,
im Amte Kalten-Nordheim
2003
190.
Dorf Birz, auf der Rhön zu Kalten-Nordheim
^296
I
J
Barometer - HöhenmesBong^n.
403
No.
191.
192.
193.
194.
195.
196.
197.
198.
199.
200.
201.
202.
203.
204.
Benennnng der gemessenen Punkte.
Dorf Frankenheim , auf der Rhön , su Kalten-
Nordheim, an der £[irche
Ellenbogen, Berg SW. von Reichenhaasen, zu
Kalten-Nordheim
Kalten-Nordheim^ an der Kirche
Oberkatz, Dorf im Meiningschen
Disberg, N. bei Wohlmuthshausen ....
Die Geba, Berg bei dem Dorfe Oeba . . .
Bettenhausen, Dorf an der Herpf ....
Raine Hatsberg, S. bei Helmershaasen . . .
Dorf Stedtlingen
Dorf Hermannsfeld
Mellrichstadt in Bayern am Gasthofe z. Schwan
Kreazberg auf der Rhön
Milseburg, Berg bei Eieinsafsen
Grofser Beerberg, höchster Punkt auf dem
Thüringer Walde
Absolate
.Höhe
in pariser
Fufs.
2336
2504
1334
1451
2194
2312
1094
1986
1141
1153
854
2830
2544
3028
Aus den Torstehenden Messungen ergiebt sich, dafs ina ganzen
Amte Ostheim der tiefste Punkt an dem Austritt des Streuflusses in
das Königreich Bayern, und zwar unterhalb der Stadt Ostheim =861
pariser Fufs, der höchste dagegen auf dem hintern Rothkopfe in den
Sondheimer Rhönbergen = 2355 Fufs hoch liegt. Der Höhenunter^
schied zwischen beiden Extremen beträgt demnach 1494, oder rund
1500 Fufs.
26
XVI.
Die Küste von Caracas.
Von Franz Engel.
Nach einer anunterbrochenen und von keinem Unfälle ge-
trübten Fahrt von sechs Wochen trat das Festland von Venezuela bei
dem Cabo Codera in Sicht; unter gunstiger Brise trieb die Brigg der
Küste naher und näher und endlich unweit der Brandung langsam an
dem palmenumgürteten Ufer vorüber. Der Abendhorizont erglühte in
dem reinen brennend -leuchtenden Farbenprisma der untergehenden*
Sonne; gluthroth überflutheten ihre Strahlen die bewegte Meeresfläche,
die bewaldeten, mächtigen Eüstengebirgsflanken, die nackt emporragen-
den Felsenkuppen und die schmalen Streifen flachen Vorlandes zu ihren
Füfsen ; — jene klare, heitere, sichere. Ruhe, die den tropischen Natiu>
erscheinungen einen Schimmer der Verklärung verleiht und sich den
innersteir Oemüthsregungen unmittelbar, wie ein psychisches Agens
mittheilt» lag ausgebreitet über Himmel, Land und Meer.
Die Eüstencordillere ' von Venezuela fallt vom Cabo Codera an bis
zum Cabo blanco westlich von La Guayra im Mittel 3 — 4000 Fofs
steil ab in das Antillenmeer ; nur stellenweise schiebt sich ein schma-
les, flaches Vorland zwischen Fels und Wasser ein; die scharfen £in-
and Ausschnitte, die spitzen kahlen Grate, die jäh absteigenden, be-
waldeten Schluchten und der, aus dem mannigfaltigsten Blattgrün her-
vortretende graue Steingrund geb#n der Landschaft einen scharf aus-
geprägten, imponirend grofsartigen Charakter.
Deutlich liefsen sich am nahen Ufer die einzelnen Hütten und
Häusergruppen mit ihrer Fflanzenumgebung, die einzelnen Höhen- und
Thalzüge genau unterscheiden. Lange Zuckerrohrpflanzungen ziehen
sich hinein in die Schluchtenfurchen und heben sich mit ihrem lichten
Grün anmuthig ab von dem graugrünen Farbenton der Wälder. Die
Zuckerrohrmühlen mit ihren hohen Schornsteinen, die weifs getünchten
Gehöfte, von Mais- und Bananen feldern umsäumt, treten lebensvoll aas
dem dunkeln Schatten der Schluchten in den Vordergrund. Hohe Palmen
mit weiüsen und goldgelben Blumentrauben überragen deh Wipfel der
Die Küste von Caracas. 405
Wfilder, blähende Baumgruppen werfen helle Schlaglichter aaf die auf-
und absteigenden dunkeln Waldschatten. Zerrissen schlachtig, Kamm
an Kamm gereiht, tritt die Gebirgsmasse in die offene See vor; lose
Wolkenflocken hängen sich an ihre Spitzen und streifen hinunter in
die fahlen, dunklen Schluchten. Ein Gürtel von Bananen- und Eokos-
bfiumen zieht sich um das ellenhoch umbrandete Ufer, das sich bald
in scharfen, steil abfallenden Felsvorhfingen , bald als ebenes kultivir-
tes Vorland dem schäumenden Gischte entgegen stemmt.
Hoch über alle Kuppen der Küstencordillere ragt die Silla de
Caracas empor; ihre Form rechtfertigt ihre Benennung; die abgerun-
dete Einbuchtung zwischen den beiden hervorspringenden Gipfeln läfst
sie als einen Riesensattel auf dem Rücken des Gebirges erscheinen :
ihre mächtige Erhebung ' täuscht das Auge über die wirkliche Entfer-
nung von dem Meeresufer derart, als ob sie steil aus dem Meere em-
porstrebe, obschbn sie sich weit in das Land hineinlehnt. Eine ster-
nenhelle, weiche, windstille Sommernacht legte die Brigg still zu den
Fn&en dieses Gebirgskölosses ; tiefe Stille und eine milde, von lauem
Wasserdunste und Fflanzenaroma geschwängerte Atmosphäre hauchte
das Land über die See; in dem Dämmerlichte der Nacht stieg die ge-
waltige Eüstenmauer noch schwärzer und hoher — ein riesiger Schat-
ten im Schatten — zu den sie umhängenden Wolken empor. Der
tropische Wald entbindet aus seinen Blüthen, Blättern, Früchten, Rin-
den und Wurzeln eine Atmosphäre verschiedenartigster, kräftiger Ge-
rüche, sodafs ein eigenthümlicher Landgeruch sich über den nächsten
Saum des Meeres ausbreitet, und nicht nur Auge und Ohr, sondern
auch die Geruchs- und Athmungsorgane die Annäherung des Landes
wahrnehmen; die Beschaffenheit und die Kraft dieser Waldausathmun-
gen erwecken eine ganz besondere Erregung und Belebung des AU-
gemeingefühles.
Am andern Morgen trieb die Brigg an Macuto, einem grofsen
hübschen Dorfe vor La Guayra, vorüber, und gleich darauf wurden
die Segel eingerefft und die Anker ausgeworfen. Das Ziel der Reise
war erreicht, ein Jeder der Fassagiere seiner neuen Bestimmung ent-
gegengeführt.
Sobald die Ankunft eines Schiffes signalisirt ist, erscheint die ZoU-
nnd Oesundheitsbehörde an Bord; wenn sich der Arzt von dem gün-
st^en Gesundheitszustände der Mannschaft überzeugt hat und ein Zoll-
beamter zur Ueberwachung der Ladung zurückgeblieben, ist Niemand
mehr behindert, den Fnfs auf die feste Erde zu setzen.
Sofort umringt eine Menge von Booten das eingelaufene Schiff,
deren Führer mit wildem Gedränge und Geschrei um die Ausschiffung
4()b Franz Engel:
der Passagiere und ihres Gepäckes streiten und wetteifern; sie schla-
gen sogar mit den Rudern auf einander los, wenn der Wettstreit hef-
tig wird; Jeder empfiehlt sieb mit so lauter Stimme und lirmender
Oeschwfitsigkeit, als er hervorcubringen vermag. Ekidlich gelang ee
unter deo ringenden Bootffihrern einem grofsen, muskulösen Malatteo,
sein Boot dicht an die Schiffstreppe zu legen und daselbst seine Stel-
lung zu behaupten. Die Matrosen warfen ihm vom Deck aus die
Koffer und Ballen su, welche er in seinem hefdg auf- und abscfaan-
kelnden Boote mit aierviger Faust und in fester Stellung gleich Spiel-
bällen auffing; nicht viel and^s gelangten die Passagiere eben&Us in
das Boot und wurden, wenngleich das Gepäck es schon hinreichend
schwer belastete, dennoch sämmtlich untergebracht, während der Mar
latte eine bewundernswerthe Lebendigkeit und Geschwätsigkeit ent-
wickelte, so wenig auch in der gegenseitigen Unterhaltung ein Ver-
stand nifs vorhanden war.
So, bis aufs äufserste Maafs belastet, dafs kaum eine Hand breit
Bord aber Wasser stand, von dem hohen Seegange geschaukelt, von
Haifischen umringt und umschwärmt von den leer zurückkehrenden
Bootsfahrern, die ihre erfolglose Rfickkehr mit übersprudelndem Spott,
Gelächter und Geschwätz rächten, wurde die Ausschiffung wunderbarer
Weise glücklich zu Ende geführt und die Ausladung an der Muelle —
der Landungsbrücke — ebenso veranstaltet, wie die Einladung. Aof s
Neue empfangen und umringt von einem wilden, länbenden Hänfen
fiurbiger Packträger, setzte ich den Fufs wieder auf festes Land und
auf das Land^ zu welchem ein ungestümer Drang, hohe Erwartungen
und der Lieblingstraum meiner Kindheit mich hingezogen. Der Augen-
blick, in welchem man zuerst eine alte, bisher gewohnte Welt mit einer
neuen, fremdartigen, ungewissen Welt vertauscht uhd sich mit einem
Sprunge über die Schwelle eines neuen Lebensabschnittes hebt, prägt
sich für alle Zeit tief und mächtig in das Gedächtnifs ein.
Mit dem Hin- und Herschaffen des Gepäckes und der Unter-
suchung im Zollgebäude, die übrigens in sehr liberaler Weise vollzogen
ward, vergingen mehrere Stunden; man wurde sofort in d€n vollen
Strom des öffentlichen Lebens und Treibens geworfen und bekam so-
gleich einen Anblick von der allgemeinen Physiognomie des Volkes
und Landes. Später fanden wir Passagiere, die wir sechs Wochen
lang den engen Raum der Kajüte mit einander getheilt, uns sämmtlich
wieder an der Nachmittagstafel des einzigen Hotels von einiger Be-
deutung zusammen und verbrachten mit einander den Rest des Tages
im Herumstreifen, Bekanntwerden und Besichtigen der Stadt, ihrer Lo-
kalitäten und deutschen Bewohner.
Die Küste von Car&caa. 407
La Guayra, unter dem 10® 36' 15" DÖrdl. Br. und 69* 26' westl.
Lange von Paris gelegen, ist auf dem schmalen, unebnen Vorlande
«wischen der offnen See und der steil ansteigenden Küsten kordillere,
die ihren Höhepunkt in der Silla de Caracas, auch Cerro de Avila ge-
naiint, 8383 Fufs über dem Meeresspiegel erreicht, in einem langge-
streckten, verschobenen Vierecke erbaut. Die beiden Flügel des un-
regelmäfsigen, langgestreckten Häuser Viereckes folgen der Bucht nach
Osten und Westen in krummer Linie; die Mitte mit dem schattigen
Marktplatze bildet eine wenig vorspringende Landspitze, deren nach
Süden aufsteigender Boden noch mehrere hundert Fufs hinauf mit un-
regelmafslgen Häusergruppen bedeckt ist; eine enge Schlucht mit
schroffen Felswänden, durch welche ein, bei hohem Wasserstande mäch-
tig brausender und zuweilen drohender Gebirgsbach sein tiefes Bette
gegraben, durchschneidet den hochgelegnen Stadttheil^ dessen regellos
durch einander aufgerichtete Hütten und Häuser von der armen und
schwarzen Bevölkerung bewohnt sind. Die unteren Strafsen sind fast
nur von den Kaufleuten, Lagerhäusern, Gomtoirs und Werkstätten der
Geschäftsleute eingenommen, da sich das gesellige Leben und Treiben
und der Besitz auf einem engen Räume zusammendrängt. Des beeng-
ten Raumes halber haben die meisten Häuser keine Höfe; sie sind
mit wenigen Ausnahmen einstöckig aufgebaut; die wenigen zweistöcki-
gen haben Balkone vor den Fensteröffnungen, diese reichen bis unter
das Dach und sind, wie überall in den tropischen Ländern, nicht
von Glasscheiben, sondern durch vorspringende Holzgitter verkleidet
und des Nachts durch Jalusien geschlossen. Eine neue Kirche und
«ine neu erbaute, geräumige und schön ausgestattete Markthalle sind
unter allen Gebäuden der Stadt allein bemerkenswerth.
Etwa 4000 Menschen bewohnen die Stadt, unter welchen die
Weilsen gröfstentheils Fremde, meist Deutsche, dann Engländer, Fran-
isosen, Italiener und Spanier sind; die Deutschen und Engländer haben
bedeutende Handelshäuser gegründet und vermitteln hauptsächlich den
Handel mit Europa; sie unterhalten auch eine regelmäfsige Paquet Ver-
bindung mit San Thomas zum Anschlufs an die englisch-westindischen
Dampfboote. La Guajra ist der erste Hafen der Republik und hat
unter allen Häfen das gröfste Importgeschäft, während es im Export-
geschäft nur mehr Speditionsplatz ist.
Der unerquickliche Eindruck der von allem fruchtbaren Pflanzen-
wachse entblöfsten Stadt wird einigermafsen verwischt durch das rege
Leben und Treiben in den engen Strafsen, die fast nur aus Waaren-
magazinen und Gomtoirs bestehen. Als Hafenplatz der Hauptstadt
Caracas steht La Guajra mit dieser in täglichem regen Verkehre; in
408 Frans Engel:
gerader Linie sind beide Orte etwa nur zwei Legaas ') von einander
entfernt, aber La Oaayra liegt fast 3000 Fufs tiefer; auf der grofseo
Fahrstrafse aber das Gebirge legt ein Maalthier den Weg in drei bi»
vier Stunden zarück; tfiglich geht zwischen beiden Flfitzen sweimal
eine Fafspost and ein Stell wagen hin and her; beide verbindet der
Telegraphendraht, der von Caracas weiter fortgeführt ist durch das
Thal von Aragua nach Valencia and Puerto Cabello. Als Waareo-
lager der bedeutendsten transatlantischen Handelsstädte ist die Rhede
La Guayra's mit den Flaggen aller hervorragenden, handeltreibenden
Nationen Amerika's und Europa's geschmückt; den lebhaftesten Ver-
kehr aber unterhält der Hafenplatz der Hauptstadt Yeneznela's mit
Hamburg. Deutsche Industrie füllt seine Speicher.
Für einen Seehafen von solcher Bedeutung konnte kaum eine on-
günstigere Lage aufgefunden werden; Hafen ist überhaupt nicht die
rechte Bezeichnung für den Platz, da die Stadt an vollkommen ofiFener,
nur im Westen durch das Cabo blanco einigermafsen geschätzter See
liegt. Das Ausladen und Befrachten der Schiffe ist mit den gröfsten
Schwierigkeiten verbunden ; die Schiffe sind in der beständig bewegten
See fortwährenden Schwankungen ausgesetzt und durch wechselnde
Sandbänke bedroht. Zur Verbesserung und Unterhaltung des Hafens
soll ein Theil des Eingangszoiles verwendet werden; derselbe ist aber
unter der Präsidentschaft des Generals Falcon in neuester Zeit an
England ausgeliefert zwecks Zinsen- und Eapitaltilgang verschiedener
bedeutender Anleihen; aus dem Fond, der zur Hafenverbesserang aas-
geworfen, wurde auch bereits ein Leuchtthurm auf den Inseln Los Ro-
ques im Norden der Bucht von La Guayra errichtet.
Wer zur Seekrankheit geneigt ist, verfällt derselben bereits auf
dem Schiffe, das noch vor Anker liegt. Die Waarenbällen werden
von der Hafenbrücke — der Muelle — in die Packboote geschlendert,
da die bewegte See das ruhige Anlegen der Boote an der Brücke nicht
gestattet, und die Schiffe können es der wechselnden Sandbänke hal-
ber nicht wagen, sich der Landungsbrücke und dem Strande über eine
gewisse Entfernung hinaus zu nähern. Zum Klaren und Loschen der
Schiffe eignen sich auch nur die Neger und Mulatten, die mit grofser
Muskelstärke und Gewandtheit ausgerüstet sindl Zuweilen waten sie,
oft 4 — 6 Mann unter einem einzigen Ballen, nie and unter keiner Last
von ihrem glücklichen Humor verlassen, bis an die Brust in's wogende
Meer hinein, obgleich der Hai dicht um sie herum seine geräuschlosen
1£reise zieht. Es scheint, als ob diese Hyäne des Meeres sich hier an
') Ein geographischer Dreitengrad gleich 20 Legaas.
Die Küste ron Caracas. 409
die Gesellschaft des Menschen und sein geschäftiges Treiben gewohnt
habe; selten nur wird von einem Angriffe auf den Menschen gespro-
chen, und wenn dieser Fall sich ereignete, so geschah es immer nur
in weiterer Entfernung von La Guajra. Das Temperament von Thie-
ren einer und derselben Gattung fiufsert sich nicht überall gleich ; Oert-
lichkeit und Einflüsse verschiedener Art bestimmen es; so läfst sich
nicht selten die Wahrnehmung machen, dafs gewisse Land- und Was-
serraubthiere in manchen Gegenden sehr gefurchtet und an anderen
Orten wenig beachtet werden. Die Erklärungen solcher Erscheinungen
werden immer mehr zahlreich und von einander abweichend, als zu-
treffend sein.
Längs des Strandes lehnt sich gleich einer Vorstadt der Pueblo
Maiquatia an La Guajra; dieser Ort wurde sich in Rucksicht auf
Lage und allgemeine Gesundheitsverhältnisse viel besser zu einem
Landeshafen eignen, als La Guayra; er ist dem Luftzuge und der Ab-
kühlung zugänglicher, und der Boden eignet sich mehr zu Anpflanzun-
gen von Kokospalmen und anderen Küstenpflanzen, durch deren Schat-
ten und Aufsaugang atmosphärischer Gase die Wirkungen der Hitze
abgeschwächt werden. Ein geringer Temperaturunterschied übt an den
heiüsen Küstenstrichen schon merklichen Einflufs auf den Gesundheits-
zustand aus, mithin liegt darin schon ein grofser Vorzug, welchen Mai-
quatia voraus hat vor La Guayra. Aber in einem Lande ohne ener-
gische Unternehmungs- und Betriebskraft und den Bürgschaft leisten-
den Schutz einer festen, gesicherten Regierung hat es grofse Schwie-
rigkeiten, einmal eingenommene Positionen zu verdrängen und zu um-
gehen.
Die Temperatur von La Guayra ist belästigend heifs, und um so
mehr lästig, als sie auch des Nachts fortdauert und sich nur gegen
Morgen etwas abkühlt; die geringe Brise, die am Abend weht, treibt
oft nur die noch mehr durchglühte Luftschicht der Küste vor sich her.
Die von den nackten Felsen eingeschlossene Sonnenhitze scheint höber
zu sein, wie sie ist, weil eingeschlossene Wärme drückender empfun-
den wird, als freie, ungebundene Wärme; wenn nun am Abend die
glühenden Sonnenstrahlen weichen, 90 strömt die, während des Tages
eingesogene Gluth zurück und verhindert somit jegliche Abkühlung.
Selten nur fallen einige Regentropfen auf den ausgedo'rrten Sand, denn
selbst die ungeheuren Wassermengen eines jeden Tages, welche durch
die Sonne verdunstet werden, ballen sich in der durchglühten Atmo-
sphäre zu keinen schweren Dunstmassen zusammen und erleiden keine
hinreichende Abkühlung zum Niederschlage. Uro so mehr sammeln
sich die Dunstmassen um die Gipfel der Cordillere an; namentlich
410 Frani Engel:
wird die Silla stets von einer gewaltigen Wolkenscbicht umhüllt, die
im ewigen Wechsel von Niederschlag and Neabildong begriffen lat
In den Monaten November und Februar kühlt sich die Tempen»
tur ab; diese Zeit nennt man dort die kalte Jahresseit, obsehon der
hunderttheilige Thermometer am Tage nicht unter 24* flUt, wflireni
er in der heifeen Jahreszeit bis 31 — 32* steigt Die Durchsehnitta-
wärme La Ouajra's — das Mittel der ganzen Jahrestemperatur ~
ist 28* 1; die mittlere Temperatur des k<esten Monats 23* 2; dei
heifsesten Monats 29* 3. Seine Lage macht den Ort zu einem der
heifsesten Plätze Amerika*s.
Die Bekleidung der Einwohner aller Stfinde beschrankt sich sol-
cher Temperatur gemäfs auf das fiufserste Maafs des Schicklichen nadi
den Begriffen eines jeden Standes. Die Herren der Comtoirs, der Bu-
reaus und Strafsen entledigen sich, wo es die Gelegenheit gestattet, noch
gern eines Theiles ihrer vom Kopf bis zu den Fnfsen weifsen Wäsehe,
die an Dichtigkeit und Dicke den leichten Flor der DameDgewander
nicht viel übertrifft, und beweisen durch die feuchten Sparen an den
Reste der Bekleidung, dafs auch dieser den Körper noch hinreichend
beschwert. Die Neger und Mulatten bewegen sich durchaus angenin,
und dennoch überzieht der Schweifs ihre dicke Fetthaut mit einer giäii-
zenden Politur und mit einem Parfüm, der ihre Ann&herung schon sos
der Ferne wahrnehmen läfst. Auch des Nachts kühlt der schlafende,
' mehr oder minder entblöfste Körper nicht einmal in der luftigen Hänge-
matte aus; und die Stunde vor Sonnenaufgang, die etwaa kahler ia't
offene Zimmer hineinweht, mahnt wieder sofort zur Vorsicht, da jedci
abgekühlte Lüftchen auf den durchglühten Körper leicht eine ErkältaBg
hervorruft; jede Erkältung aber ist, namentlich zur Zeit der Fieber-
epidemien, wohl zu vermeiden.
Dem unbemittelten Theile der Bevölkerung macht Haas, Bett and
Kleidung die geringste Lebenssorge. Auf der Muelle, vor den Haas-
thüren, in den luftigen Corridors, in Hof und Strafsen h< mancher
sorglose Arri^ro und Peon seine Nachtruhe, nur bedeckt von der Co-
vija, seiner bestfindigen Begleiterin : oder die Gevatterin und Freundin,
welche zur Zeit obdachlos, bittet sich bei der Freundin Nachtherbeige
aus, — eine ebenso bescheidene, als leicht zu gewährende Bitten denn
das Nachtlager ist im ersten besten Winkel mit einer aaseinander
gefollten Binsen- oder Palmenmatte hergestellt; oder der schwane
Lastträger, der vielleicht an zwei Tagen in der Woche arbeitet und
die übrigen fünf Tage feiert, und an einem dieser Feiertage sdnea
Schlaf schon am Tage vorweggenommen hat, sucht gar kein Nacht-
lager auf; er vergnügt sich vielmehr auf eigene Hand wfihrend der stilleo
Die Küste ron Caiicas. 411
Standen der laaen Sommernacbt und tanst, aingt, brummt, muaicirt
ond Ifirmt auf seinem eigenhändig gezimmerten Instrumente bis sum
irfiben Morgen zur besondern Erbauung für den Müden, der in seiner
Nahe den Schlaf begehrt.
£benso wenig, wie ein besonderes Nachtlager, entbehren diese be-
dürfnifslosen und durch die Gunst des Klima's fast aller Sorge ent-
hobenen Menschen eine eigene Eucbe und Wohnlichkeit von ii^end-
welcher Ausdehnung und Einrichtung. Eine Hand voll Bananen und
ein Stück, an einem zugespitzten Stocke geröstetes Fleisch ist überall
leicht erreichbar, wo sich nur einige glimmende Kohlen hinschütten
und anfachen lassen; mit dem Hemdzipfel oder dem um die Hüften
geschürzten Taschen tuche wird die Asche von dem Rostspiefse gest&ubt
nnd die anspruchslose Mahlzeit alsdann an Ort und Stelle mit dem
Wohlbehagen eines Diogenes verzehrt. Bekleidung, vollstfindige Be-
kleidung, gehört der grofsen Menge zum Luxus, der für die Sonn- und
Festtage aufgespart wird; gewöhnlich genügt den Männern ein baam-
wollnes Hemde oder ein Unterbeinkleid, das etwas über die Knie reicht
und weit und plundrig zugeschnitten ist; beides zusammen bildet schon
eine seltene Vollständigkeit des Anzuges. Der Kopf wird zum Schutze
gegen die Sonne oft nur mit einem Tuche umwickelt, oder mit einem
Stücke von Strohhut bedeckt, dem häufig der Haupttheil, der Deckel,
fehlt; es ist unglaublich, wie hart und gestählt der Negerschädel gegen
Sonnenbrand und Körperdruck ist. Etwas vollständiger deckt die
weibliche Bekleidung die Blöfsen; jedoch die heranwachsende Jugend
bis zu sechs Jahren und darüber wärmt sich mit paradiesicher Unbe-
fangenheit an der lieben Oottessonne; vielleicht dafs eine sorgsame
Mutter ihrem Lieblinge ein Taschentuch in Form einer Serviette um
den Hals knotet und ihm einen abgetragenen Hut ohne Deckel und
Krempe über den Kopf stülpt.
An Sonn- und Festtagen aber wird grofse Toilette gemacht ; dann
verschwinden plötzlich alle alten Lappen von dem Leibe, und sogar
die sonst zur Schau getragene Haut mit der dicktropfigen Schweifs-
politur versteckt sich hinter weifise, zierlich gefaltete und wohl gesteifte
und geplättete Leibwäsche, aus welcher nur Kopf, Füfse und Hände
sichtbar werden. Andrerseits rauschen und schleifen in der Kirche
die hartgesteiften Kattnnröcke bis zu den weifsen Musselingewändern,
den Seide- und Atlaskleidern hinauf, aufgebauscht durch umfangreiche
Reifrocke; harmles treten ans dem Kleiderwnlste die nnbeschuhten,
nicht überaus zarten Füfse an's Tageslicht, während die, durch ihre
Farbe gegen allen Sonnenbrand geschützte Hand den glühenden, wenn
auch nicht rosigen Wangen mit zierlichem Fächer Kühlung zuweht
Auf den Strafsen La Ouayra's, wenigstens auf den Geschäfts-
412 Frani Engel:
BtraCseD, bort man ebenso Viele deutscb, wie spanisch sprechen; dal
erste Wort, das aof fremdem Boden an mein Ohr schlag, war di
deutsches. Nirgends offenbart die Muttersprache solche Fülle von Me-
lodie, wie auf fremdem Boden; ihr Laut schlfigt momentan Brockci
über tausendmeilenweite Entfernungen. Wenn der Creole sicfa anföo
Strafse angeredet sieht in einer Sprache, die er nicht versteht, so deu-
tet er auf den ersten besten vorübergehenden Fremden mit der Phrase:
Fragen Sie den Herrn, der ist ein Deutscher! Er setzt also »choD
voraus, dafs der Fragende ein Deutscher sei. Es ist nur nöthig, des
Mund aufzumachen, um zu einem Landsmanne zu kommen; aber scboa
mit dem Auge erkennt man leicht den Ausländer, und die Auslända'
scheidet das Aeufsere mit scharfen Charakterzugen in die verschiede-
nen Nation aKtfiten.
Der Grofshandel La öuayra's liegt fast ausschliefslich in deutsciies
Händen ; auch die Angestellten der deutschen Handelshäuser rd^rudreo
sich ausnahmslos aus Deutschland, namentlich aus Hamburg; verschie-
dene Handwerke wurden ebenfalls von Deutschen betrieben, and ebenso
waren Doctor und Apotheker ersten Ranges aus Deutschland herübei^
gekommen. Auch einzelne deutsche Arbeiter, Hausknechte u. 8. w.
finden sich an der Küste ; mehrere derselben haben sich mit dem Falir-
und Fracbtwesen des Esel- und Maulthiergespannes bekannt gemacht
und gute Rechnung dabei gefunden; andere haben es bis zu kleines
Krämern und Grundbesitzern in den Bergen gebracht and befind«!
sich in ziemlichem Wohlstande; etliche stehen in ständigem Dienste
als Hausknechte oder Tagarbeiter und erhalten einen Lohn, der viel
höher ist, als er in der alten Heimath gezahlt wurde, ohne dafs die
Ausgaben besonders gewachsen wären. Wer körperliche Arbeit ge-
wohnt, gesund und betriebsam ist und sich das Klima angeeignet hat,
findet zweifellos sein gutes Fortkommen. Aber dem Klima geht der
Ankömmling wie einem schweren Verhängnisse entgegen, dem sidi
nur Wenige gänzlich entziehen ; mancher braver Deutscher, der in vol-
ler Jugendfrische und mit hohen Erwartungen über das Meer zog,
ruht dort auf dem Kirchhofe der Fremden.
Die furchtbarste Geifsel des Tropenklima's ist das Fieber, haupt-
sächlich das sogenannte Gelbe Fieber; aber es ist nicht der einzige
Würgengel, der unter Palmen daberschleicht. Hautkrankheiten, Leber-
und Gallleiden, chronische Ruhr, Dyssenterie lösen in kürzerer oder
längerer Zeit den Organismus auf. Der Pujo (Unterleibsschwindaucht?)
zehrt zahllose Opfer langsam, doch bestfindig auf, bis sie endlich gäoi-
iich erschöpft und ausgezehrt in das Grab sinken; die Dyssenterie eilt
schneller an ihr Ziel und hat in wenigen Tagen sämmtliche Unterleibs-
organe aufgelöst; auch die remittirenden Fieber enden vielfadi nach
Die Küste yon Caiieas. 413
langem Siechtham mit vollständiger EntkraftUDg und Tode; jedoch die
furchtbarste Geifsel bleibt immer der vomiio priäto^ das schwärze Er-
brechen; unerwartet and mit unbarmherziger Hast rafft es Alt und
Jung ans dem frischen Leben fort. Die beliebte und allgemein aas-
gefibte Heilmethode der Brechmittel, Purganzen und Blutentziehangen-
reicht den Seuchen die hulfreichste Hand, und wenn sie nicht direkt
das^ Leben knickt, so trägt sie doch bei zu endlosem Siechtham und
dauernder Lebensschwächnng. Gewifs ist, dafs durch Mäfsigkeit in
allen Genüssen, durch gesunde und einfache Nahrungsmittel und strenge
Beobachtung diätetischer Vorschriften vielen Gefahren aus dem Wege
gegangen und manche Krankheitserscheinung im Ursprange, erstickt
werden kann; doch auch die strengste Hygiene deckt das Leben nicht
als fester Schild vor den unsichtbaren Todesstreichen des Tropenklimas.
Die Ursachen der zerstörenden klimatischen Krankheiten sind, wie
der Ursprung der Mehrzahl der Krankheiten überhaupt noch in Dun-
kel gehüllt. Die Ansichten der Creolen über die tropischen Krank-
heitssjmptome gehen ebenfalls weit auseinander. Man wiegt sich oft
in der Hoffnung und dem festen Vertrauen ein, den Krankheiten durch
Temperaturwechsel, durch den Umtausch in der untern Luftschicht mit
der frischen, abgekühlten Berginft entgehen zu können; ja, die Erfah-
rungen bestätigen, dafs das Gelbe Fieber zur Zeit der höchsten Tages-
temperatnr eintritt und abnimmt, sobald diese um einige Grade sinkt,
also, dafs ein geringer Temperaturunterschied merklichen EinffufiB auf
die Epidemie ausübt; und doch folgt diese Tropengeifsel dem Fliehen-
den sogar bis in die reine frische Bergluft nach, und ibr tödtlicher
Athem baucht von La Guayra hinauf bis zu der 2879 Fufs höher ge-
legenen Hauptstadt Caracas. Manche halten die Krankheit fiir an-
steckend und verschleppbar, Manche suchen ihren Keim in den Mias-
men der Luft; Andere schreiben sie der Wirkung der grofsen Hitze
auf die Verdauungsorgane zu. Andere wieder dem Verdunsten ausge-
tretener Wasser oder dem Regen auf den ausgedörrten, lang durch-
glühten Erdboden. Vielleicht wirkt von alle dem^etwas oder alles zu-
sammen; aber sicher ist, dafs weder Absperrung vor Verschleppang
schützt, noch eine kühlere Temperatur der Inficirung oder Vertragung
eine absolute Gränze setzt, da weder die Verdunstung ausgetretener
Wasser überall gleiche Erscheinungen hervorruft, noch die Wirkun-
gen der grofsen Hitze auf die Unterleibsorgane überall dieselben sind.
Europa möge sich nicht dem beruhigenden Wahne hingeben, dafs es
durch seine Zone und Klimate uneinnehmbar vor dieser Tropengeifsel
geschützt bleibe; sie wird vielleicht einst ebensowohl, wie die, durch
4en Weltverkehr bereits ausgebreiteten Seuchen der fernsten Zonen,
^ine allgemeine Weltgeifsel werden, Süd und Nord amspannen.
414 Frans Engel:
Der Schaaplats der Zerstdrungen des Gklben Fiebers dehnt toA
bis jetst über die Nachbarschaft der heifsen Küsten des atlantiacfaea
Meeres and der Fiafsufer ans, deren Strome in dasselbe einmanden.
Die Schale seines Entsetsens and Orauens bat es aber die Inseln dei
atlantischen Oceans ausgegossen, aber die Bewohner des Archipels des
stillen Oceans kennen es kaam dem Namen nach; es ist dem Laufe
der Flösse gefolgt, den tiefern Kern des Festlandes hat es noch nidit
beröhrt Die Seache beagt nicht einmal die ganse heifse Zone onter
ihre Herrschaft, sondern hält sich mehr — iiar allmählich nach ein-
zelnen Richtungen, welche der Weltverkehr beseichnet, vordringend ~
an gan% bestimmte Theile dieser Zone gebunden. Nicht die heilse
Temperatur, sondern die Dauer derselben ruft ihre Entstehung hervor;
sie ist ebensowohl endemisch, wie epidemisch, denn aus einigen Tro-
pengegenden schwindet sie selten oder nie, während sie in anderen,
höheren Breitengraden periodisch erscheint. Nach den Aa&eichnungea,
die gemacht worden sind, hat man gefunden, dafs sich das epidemische
Gelbe Fieber in Zeitabschnitten von 15 zu 30 Jahren bewegt; so
herrschte die Krankheit 1762 in Philadelphia und kehrte im Jahre 1793
wieder; so wuthete sie im Jahre 1791 in New-Tork, 1794 in Baltimore
and in andern Städten bis zum Jahre 1804 und erschien wieder iis
Jahre 1819, um 15 Jahre später.
Es sind nicht die Ausländer allein, welche den klimatischen Seo-
eben unterworfen sind^ auch die von Europäern im Lande Qeborenen,
wie überhaupt alle Eingebornen entfliehen ihnen nicht; Indianer und
Mischlinge aller Abstufungen unterliegen ihnen ebenso, wie- die Weifsen.
Die geringste Disposition zu klimatischen Krankkeiten tragen die
Schwarzen in sich; die Nerven derselben zeigen weniger -Reizbarkeit,
als die der andern Racen; nicht nur, dafs die anhaltend hohe Tem-
peratur (in der Permanenz der Hitze liegt die erschlaffende Wirkung
derselben) die Energie ihrer Constitution nicht schwächt, dafs schlechte
Nahrungsmittel, Noth, Entbehrungen, Einathmung schädlicher Miasmen
sie weniger angreife, — sondern auch direct in Fleisch und Blnt ein-
dringende Schärfen und Gifte, wie z. B. Stiche von Insekten and gif-
tigen Thieren, werden ihnen weniger empfindlich und verderblich ; schon
ihr Temperament, das unter allen Verhältnissen und selbst den drückend-
sten Lebenslagen stets heiter und anangefochten bleibt, ihre nie alte-
rirte Disposition zu kindischen Späfsen und der unerschütterliche
Gleichmuth gegen alle ernsten Gemüthsbewegungen deuten auf eine
geringe nervöse Reizbarkeit hin. Die remittirenden Fieber selbst, die
sie angreifen, kehren nicht so hartnäckig wieder und fuhren nicht zn
derartiger Entkräftung, wie bei den andern Racen. Hingegen kommen
bei ihnen Schärfe und Unreinheit der Säfte häufig vor, wie die vielen
Die Kfiste von Cftrdcas. 415
offenen Wanden an Beinen und Füfsen, Geschwfire, Eiterbeulen und
andre AuBsatzkrankeiten, die man an ihnen viel bemerkt, zur Genage
darthnn. Die Natarkraft wirkt in ihnen überaus energisch and unge-
8toni darch Durchbruche von Abzngskanfilen durch Fleisch und Haut,
wie auf dem natürlichen Auswege; die Plautth&tigkeit ist namentlich
eioe ganz enorme; dennoch trachten sie abergläabisch nach allen und
jeglichen Heilmitteln, die ihnen bekannt und unbekannt sind, und sie
verschlingen bei dem geringsten Anlasse unglaubliche Mengen der
wirksamsten Arzneistoffe; ihre Constitution wird damit fertig, ohne von
besonderen Störungen und Nachwehen erschüttert zu werden.
In jeder seiner einheimischen Pflanzen erblickt der Ci^ole ein
medicinisches Orakel; er selbst vernimmt zwar nur selten dessen Offen-
barungen, aber er fragt jeden Fremden, den er mit naturwissenschaft-
lichen Kenntnissen ausgerüstet glaubt, mit grofser Hast und Gier nach
den verborgenen Kräften in der festen Voraussetzung ihres Vorhanden-
seins. Trotz dieses Glaubens oder Aberglaubens an schlummernde
Heil- und Naturkräfte in allen Erzeugnissen der Natur, die ihn in
grofser Fülle und Mannigfaltigkeit umgeben ; trotz der vollen Erkennt-
nifs, ja Ueberschätzung des wirklichen Reichthums, mit welchem
die Natnr seine Heimath fiberschüttet, schreitet er nicht zur Ausbeu-
tung der Schätze aus Mangel an Energie, Thatkraft und Unterneh-
mungsausdauer; er hebt immerwährend den Stein gegen seine eigene
Indolenz und Unkenntnifs auf, und bemüht sich doch nichts sie abzu-
werfen. Alles erwartet er von aufsen, und dennoch ist er mifstrauisch
und eifersüchtig auf den fremden Ausbeuter. Seiner materiellen Denk-
and Handelsweise liegt das Arbeiten, Streben und Opfern far die ab-
strakte Wissenschaft, für die ungreifbäre Theorie zu fern, als dafs er
begreifen könnte, wie Jemand seine Wälder durchstreifen und Entbeh-
rungen und Gefahren auf sich laden könne, ohne einen direkten, hand-
greiflichen, persönlichen, materiellen Nutzen von der Sache zu haben;
daher hat jede Pflanze, die man bricht, jeder Stein, den man aufhebt,
einen praktischen Zweck und Werth in seinen Augen. ^Wozu ist
das?** ist seine erste Frage, die er an den Sammler richtet, und da
ihm die Befriedigung der nächsten Leibesbedurfnisse als das höchste
Ziel der menschlichen Anstrengungen und Bestrebungen vorschwebt,
BD fagt er gleich die Frage hinzu: „Wird daraus Kleidang oder Farbe
gemacht?** — Hieraus erklären sich die vielen Selbsttäuschungen und
adoptirten Mälirchen so vieler kurzsichtigen und leichtgläubigen Frem-
den, die das Land bewohnen oder durchreisen, und solche den neu
Ankommenden wieder gläubig zustecken oder mit nach Hause nehmen.
416 Frans Engel:
Nor das nfichfite Ufer hart an der See bietet gangbare Spaner-
wege in der Umgebung von La Ouayra dar. Nach oder mit Sonnea-
nntergang versammeln sich einzelne Gruppen von Spasiei^ngem am
Strande, um die Kustenluftströmung als vermeintliche Kühlnng einn-
athmen; das Dorf Maiquatia gegen Osten, wie gegen Westen einige
Villen und freundliche Ruhepunkte bieten ihnen ein kürzeres oder ent-
fernteres Ziel , zu welchem sie hart an der sanft rauschenden BrandaBg
langsam, nach Kühlung dürstend, hinausschlendern. Gesellige Unter-
haltungen in anderer Weise, als sie der Club, Spazierengeben und Rdt»
und die h&nfigen Volks- und Kirchenfeste bilden, kennen die Einwoh-
ner nicbt; Zusammenkünfte in Familienkreisen uud öffentliche Vei^u-
gungen finden nur bei aufserordentlichen Veranlassungen statt.
Der kleine eng gezogene Kreis von deutschen Landslenten, der
sich in der Botica alemana (deutschen Apotheke) zu versammeln pfl^e.
veranstaltete einen Ausflug in die nahe Küsten cordit lere. Am frühen
Morgen standen sechs gesattelte Miethsmaulthiere vor der Tfaüre; er-
fordert der Charakter eines Maulthiers für den Reiter schon mehr Be-
obachtung, als der eines Pferdes, so ist das noch mehr der Fall bei
einem gemietheten Maulthiere, dessen Rücken jedem Zahlangsfahiges
feil geboten wird und jeder Baum blofs gestellt ist. Alle Bosheit ond
Tücken finden sich deshalb ii} einem solchen Thiere vereinigt, und mit'
scharfem Instinkte erkennt es daher viel schneller die schwachen Sei-
ten des Reiters über sich, als dieser die Eigenschaften des Thieres
unter sich. So sah ich mich denn zur günstigen Zeit und am geeig-
neten Orte sehr geschickt aus dem Sattel gehoben und fand dabei die
unerwünschte Gelegenheit, in sehr empfindlicher Weise die erste Be-
kanntschaft mit den Cactusstacheln zu machen. Von dem AagenblidLe
an behielt ich immer eine gewisse Scheu gegen die nähere Berühroog
mit Miethsmaulthieren und Cactusfeldern.
Die nächsten Anhöhen von La Guayra sind dürr und vegetation»-
arm; durch die monströsen, starr unbeweglichen Cactus-, Agaven- uod
Opuntiengebilde starrt nackt und roth der aufgerissene, harte, ausge-
brannte Boden — ein Gemenge von rothem Tbon, Sand und Stein-
gerölle, hindurch; vereinzelt zwischen den lederhäutigen Saitscbläuchen
der Sukulanten tauchen die grofsen, runden, tellerartigen Blätter der
Coccololia unifera und die wohlriechenden, rosarothen Blütbent rauben
der Äsclepia gigantea auf, die nur einen schmalen Gürtel an der See-
küste bewohnen; ihnen gesellen sich die baumartigen Mimosen mit
zart gefiederten Blättchen. • Lautlos -eintönig und dennoch vielseitig-
gegliedert gruppiren sich die blattartig ausgereckten Zweige der Opun-
tien mit den gerippten, schlanken Säulen der Echinocacteen und den
dazwischen eingestreuten dickfleischigen Kugeln der Mamillarien and
Die Küste yon Oaricas. 4l7
Melocacteen, überragt und durobbrochen von den steifen, starren, za-
gespitzten, scbwertförmigen Blättern der Agaven und AloSn, deren
kandelaberartiger Blutbenschaft kerzengrade aas dem dicht zusammen-
gedrängten Blattcyelus aufwärts strebt; ein achtes Bild unverwüstlicher,
starrer und inmitten vibrirenden Gluthdun8te|^esättigter Ruhe.
Mehrere hundert Fufs aufwärts nimmt die Vegetation zu an Frische
and Reichhaltigkeit. Der Thau hing in schweren Tropfen an den
Gebaschen und näüste die vorüberstreifenden Kleider; die dichter ge-
schlossenen Baumgruppen gewährten mehr und mehr Schatten gegen
die höher steigende Sohne; Vogelschwärme mit lebhaft schillerndem
Gefieder durchruderten die durchsichtig blauen Lüfte; einzelne Sänger
lockten und flöteten munter und melodisch in dem blühenden Gebüsche.
Fälschlich ist die Meinung verbreitet, dafs die glänzend gefiederten
Yögel der Tropenlande des Gesäuges entbehren; haben sie auch nicht
den lang-anhaltenden, schmett*ernden Gesang unserer weniger stattlich
gefiederten Sänger, so hört man doch sehr melodische Anschläge,
Rufe, kurzes, fröhliches Pfeifen, ergreifende lejer-, vogel- und glocken-
artige Töne; der fhryoihorusj ein Zaunkönig, sucht mit seinem angeneh-
men Gesänge die Nähe des Menschen auf, während der mystische
Leiervogel, der Gampanito und der Orgelspieler sich mit seinen lang-
gedehnten, wunderbar eindrucksvollen glocken- und lejerartigen An-
schlägen in gebeimnirsvoUes Dunkel hüllt. So ungerecht auch die ge-
ringschätzende Meinung über den Gesang d^r Vögel verbreitet ist, so
ist doch das Lob ihres glänzenden Gefieders vollkommen gerechtfertigt;
das schillernde Smaragdgrün, das leuchtende Carmin, dab glühende
Porpurroth, das Sammetblau, den Gold- und Orangeschmelz, der ein-
farbig oder in bunter Schattirung Leib und Schwingen schmückt, giebt
keine Farbe, kein Pinsel wieder.
Weit über die trocknen Höhen hinauf verbreiten sich viele Arten
von Lantanen, namentlich die L. scahrida^ die dem Landmanne in sei-
nen Pflanzungen oft ein lästiges Unkraut wird ; ihnen folgen mehrere
Arten von Akazien, als A. arenoia und flexuosa, Jacguiwia armilUiris^
TUhecoUobium microphyUum. Eine reizende Zierde für Gärten und
Feld ist die Poinciana pulckerrima^ deren anmuthig-gefiederte Belaubung
über und über mit goldgelben und flammend rothen, herrlich geform-
ten Blüthensträufsen bedeckt ist. Die wichtigen Gattungen Croton und
CoMui sind vertreten durch Catiia propingua, indeeara; Croion hispi-
dm^ pingeut und andere mehr.
Die tiefen Thalschluchten, Quebrada's genannt, die den Gebirgs-
pfiftd durchbrechen, rufen durch ihren dunklen Schatten, die rieselnden
Bergwasser und die abweichende Schluchten Vegetation eine mannig-
faltige Abwechslung in der Landschaftsphjsiognomie hervor. Eine er-
ZeitMhr. d. OMellieb. f. Brdk. Bd. IV. 27
418 Franz Engel:
frischende Kühle und merklicher Temperataranterschied eiiialf den
Pflanzenwacbs saftig, üppig und frisch. Saftstrotzende Aramgew&cbse
umschatten die rieselnden Quellen mit grofsen, pfeilförmigen, dunkel-
grünen, metallisch schimmernden Blättern; unter ihnen Calladien, tqü
welchen zwei zusamn0)gelegte Blätter die Stelle eines Schirmes ge-
gen einen unerwarteten Regenschauer ersetzen können, üppige SdUtt-
mineen, unter denen sich die Paradiesblume der Creolen, Amomwm
Granum paradisüj besonders durch ihre Schönheit, und der Ingwer,
Zingiber Jterrumbet, durch seine nutzbare Gewürzwurzel auszeichneL
Um Lorbeer und Myrthen bäume windet sich das Philodendron pertmswm
mit seinen grofsen, durchlöcherten Blättern; Winden und Passions-
blumen mit tief • dunkelfarbigen Kelchen und leuchtenden Staabfadea,
grofsblumige Schmetterlingsblüthler und Mimosen umranken Baum and
Busch undurchdringlich fest und dicht; ihnen zu Füfsen schmiegen sich
krautartige Labiaten an, und aus dem dunkelsten Schatten blickt die
Dorstenia auf, der man gegen Schlangenbisse eine heilende, und für
den Magen eine stärkende Kraft zuschreibt
Die vertikale Gliederung der kolumbischen Länder ist sehr reidi
an Wechseln und Contrasten und bedingt dadurch eine grofse Abwei-
chung und Mannigfaltigkeit ihres Klima's; diese Gegensätze in KUma
und Oberfläche des Festlandes treten sehr schroff und übergangsloe
neben-, über- und durcheinander auf, sodafs dem Reisenden der
Pflanzenwuchs in überaus verschiedenem Charakter entgegentritt and
die ebenso reichhaltige Mannigfaltigkeit, wie Fülle des Gewächsreiches
erklären läfst. Der allgemeine Wachsthum ist üppig, unerschopflidL
sich gegenseitig überbietend und überwältigend; die einzelnen Pflanzen-
theile und Organe entwickeln sich vollständig, kraftvoll and wider^
standslos, die Belaubung ist vollsaftig und gesättigt, die Triebkraft
drängt nach einer Ueber fülle von farbenreichen, glänzenden, besonders
rothen und gelben Bluthenständen, nach Verholzung des krautartigen
Stengels, nach Baumbildung der Gräser und Kryptogamen und mit
erdrückendem Ungestüm nach Licht für ihre Gebilde; in diesen Be-
strebungen offenbart sich bereits der fremdartige Boden, welchen der
Reisende betreten. Durch die lokale Beschaffenheit der Erdoberfläche
und des Klima's wird Umfang und Gestalt der Gewächse ^ wie deren
einzelnen Theile, die Anhaftung und Bildung des Laubes, Bewnrzelung,
Verzweigung, Textur u. s. w. bedingt, ebenso die mehr oder minder
feste Textur des Splintes und Kernholzes, wie der reichere oder min-
der reiche Harzflufs. Die besondere Bodengliederung aber formt und
bildet je nach ihren Regionen ihre besondere Gestaltung und Bigen-
tbümlichkeit und verleiht jeder einzelnen Region ihre eigene Vegetation^-
Die Koste von Car&cas. '419
Physiognomie mit ihren eignen, ihr angehörigen Haupt- und Grund-
formen.
Ein Blick auf die einzelnen Familien läfst einen auffallenden Man-
gel an Umbelliferen und Goniferen, dagegen als vorherrschend die
Leguminosen, Rubiaceen, Myrthen, Melastonieen, Euphorbiaceen, Lauri-
neen, Malpighiaceen , Palmen, Grchideen und Farrngewächse erken-
nen. Ihre Blüthenbildnng ist vom Standorte abhängig, nicht allein von
der absoluten Höhe; wo an einem Grte die Blüthe schon vollendet,
beginnt sie häufig erst am andern Grte; ebenso entwickelt der Stand-
ort auch die Oröfse der Blüthentheile, Farbenglanz, häufig gänzlich
verschiedenartige Ausbildung einzelner Theile und Grgane; auch das
Alter verändert oft den Gesammthabitus der Pflanze, indem die ein-
zelnen Theile der nicht blühenden und der fruchtbaren Pflanze durch-
aus verschieden sind. Hemmende Einflüsse im Wachsthum sind nur
in der Ueber Wucherung, wie in Mangel an Kraft und Nahrung zu
suchen und zu finden.
Schon in der nächsten Umgebung La Guayra's zeigt sich die
grofse Verschiedenartigkeit der bekleideten Erdoberfläche und ihres
Klima's, die in der Tropenregion Raum findet. Von der Küste land-
einwärts innerhalb der kurzen Ausdehnung von wenigen Stunden un-
terscheidet man bereits eine Küsten-, Berg-, Thal-, Wald- und Savan-
nenvegetation, und jede derselben trägt genau wieder ihr eigenes Ge-
präge je nach Lage und Oertlicbkeit; stets nimmt die Vegetation einen
anderen, innerhalb desselben Gürtels aber festen Charakter an, je nach-
dem man landeinwärts von der glühenden Sandküste eine der schatti-
gen, quellenreichen Wasserschluchten aufsucht, oder aus diesen Schluch-
ten wieder einen der rothen Cactushügel besteigt, oder diese Hügel
hinter sich läfst und in den geschlossenen Wald eintritt oder die trock-
nen Bergsavannen durchschreitet; und wieder erscheint derselbe Abhang»
dieselbe Ebene unter einer anderen Pflanzendecke, je nachdem sie von
Sonne, Winden, feuchten Luftströmungen u. s. w. getroffen werden
oder nicht. Nirgends treten Wechsel und Mannigfaltigkeit auf einem
geringen Flächenraum so scharf und schroff ausgeprägt auf, als unter
den Tropen; die senkrechte Sonne zeugt mit der dunstgeschwängerten
Atmosphäre einen Wachsthum ohne Ende, aber jede Gertlichkeit be-
stimmt denselben nach ihrer Eigenthümlichkeit.
Der westlich in einiger Entfernung von La Guayr& gelegene Cabo
blanco ist der heifseste Punkt des venezuelischen Festlandes, es giebt
Punkte, deren mit Elektrizität gesättigte Atmosphäre noch schwüler^
noch drückender empfunden werden mag, die aber dennoch den absoluten
Hitzegrad nicht erreichen. Die Zurück Strahlung der Sonnenstrahlen
27»
420. Frans Engel:
von den ataubigen, gelbweifisen, glühenden Sandhageln, welche, toii
Spalten und Gängen durchbrochen, gleich einem Home in die See
Yorepringen, wirkt peinlich, fast schmerzhaft auf das Gemeingefub].
Ein monströses Bild von leuchtend - flimmernden Sandhageln , fremd-
artigen Pflauzengestalten, durcheinandergewürfelteo Steinen, roth-heifseiB
Farbendunste und vibrirender Luftschicht steigt da vor den stark ge-
reizten Sehnerven wie eine verkörperte' Fata morgana aof. Hohe, la-
byrinthisch verzweigte Cactusbäume starren mit ihren gefarchten, mit
lederartigen Häuten überzogenen und mit Stachelbüscheln bewaffneten,
unbeweglichen Armen, wie regungslose Pflanzenstatuen in die flammend-
bewegliche , heifs - durchdunstete und von glühenden Staabkömdiea
durchwirbelte Atmosphäre hinein, einen kurzen, unbeweglichen Schat-
ten auf den gelben, ausgedorrten Boden hinter sich werfend. Und
selbst diese dürstende Wüste berührt der fruchtbare Haach der üppi-
gen Schöpfungskraft, und es umschleicht sie sogar noch das schma-
rotzende Leben mit seinen gierigen Fangarmen. Parasiten winden
sich um die blattlosen Fleiscbsäulen , bohren ihre Saugwurzeln durch
die pergamentartige Membran und saugen die fertige Nahrung und
Feuchtigkeit aus den fremden SaftgefaTsen, welche ihnen das ausge-
brannte Erdreich versagt Dazwischen fristen einige wenige Legumi-
nosen ein kümmerliches Leben, und selbst kleine verkrüppelte Gnajava-
bäume * ) und Totumo's ') strecken ihre blätterarmen , schattenlosea
Zweige nach atmosphärischer Feuchtigkeit; die Asclepia giganiea ver-
breitet sogar Duft und Schönheit um sich her mit ihren Prachtblüthen,
welche die Sonne aus ihrem, unter der lederartigen Membran vor Yei^
dunstung geschütztem Safte brütet; die Goccoloba beugt ihre flachen,
runden, unbeweglichen, grofsen, tellerartigen Blätter ermattet unter der
Last der Sonnengluth und des brennenden Staubes , der sich auf sie
lagert; fleischige, lange, dickhäutige Epidendrum-Knollen umklammern
in grofser Menge mit ihren, von weifser Pergamentmembran überzoge-
nen Wurzeln die straffen Astarme der Cactusbäume. So entsteigt den-
noch, trotz der schattenlosen Sonnengluth, der ausgedorrten, sandigen
Erdrinde und trocknen Staubatmosphäre, dem üppigen Schöpfongs-
schooföe der Tropenzone Leben und Wachsthum, aber ein starres, un-
bewegliches, monströses, und doch sogar ein saftstrotzendes Pflansen-
leben; gleich dem Kameele in der Wüste nährt es sich aus seinem
eignen Wasservorrathe, den es aus dem Wasserdunste, welchen die
Sonnenstrahlen dem Meere täglich in ungeheuren Mengen entziehen
und in der Athmosphäre auflösen, in sich aufnimmt und in seinem
^} Pfidium pirifervm,
') Creacentia Cujete,
Die Küste von Caracas. 421
lederartigen Schlauche sammelt nud aufbewahrt. In die Erde sendet
'hB seine Wurzeln nur, um seinen schweren Körper zu stutzen und zu
halten; seine Nahrung schwimmt in der AtmospbSre, welche es durch
die mikroskopischen Spaltöffnungen der gegen alle Endosmose und
Sxosmose undurchdringlichen Epidermis in sich aufnimmt.
Zwischen Cabo blanco und La Guayra trägt die flache Küste
einen breiten Saum von Cocospflanzungen , namentlich ist der Pueblo
Maiquatia, unmittelbar neben La Guayra gelegen, fast ganz von die-
sen Palmen eingeschlossen. Wohl kaum macht eine Pflanzengestalt,
auf die Phantasie des Nordländers einen tiefern Eindruck, als die
Cocospalme; in ihr erblickt er seit alten Zeiten das Sinnbild des ewi-
gen Sommers und ewiger Fruchtbarkeit der wundervollen Tropenerde.
Worin liegt die dauernde Anziehungskraft dieses Baumes der Sud-
kuste? Die Fabeln, welche die ersten Seefahrer aus jenem Lande der
Wander mit seinen angestaunten Fruchten heim getragen, sind längst
veraltet und ihrer bunten Farben entkleidet; der Mythus ist der Kennt-
nifs der nackten Thatsachen gewichen, die Poesie vor der nüchternen,
altklugen Prosa geflohen; aber nach wie vor umgiebt ein idealer Nim-
bus die Cocospalme. Auf ihren gewölbten Blättern liegt noch immer
der ewige Sonnenhimmel, und das ganze Jahr hindurch wirft sie ihre
gereifte Frucht in den offnen Menschenschoofs. Als ächte Küstenpflanze
umgurtet sie das Meeresgestade der unvergänglichen Sommererde —
den Schoofs der Tropen -Ceres — und winkt dem nahenden Schiffe
die ersten Willkommensgrüfse, fröhliche Verheifsung und Zuversicht
entgegen, dem das Auge lange erwartungsvoll entgegengesehen; eine
neue, ungekannte Gestüt aus der Pflanzenwelt tritt ihm gegenüber;
aas den glänzenden, langgewölbten, das grelle Sonnenlicht zurückspie-
gelnden Blättern hört er nie gehörte Stimmen rauschen ; durch das ge-
fiederte Laub sieht er in ein Himmelsblau so rein und klar, in einen
Farbendnft so lebenswarm, in ein Licht so leicht gewellt und heiter,
wie er noch keines gesehen. Alles ist neu an ihr, und die ganze
Fremdartigkeit des neuen Landes gipfelt und erscheint zuerst in ihr,
— und weil sie neu und die erste Erscheinung einer neuen Welt, da-
rum so voll Reiz, darum mit solchem idealen Nimbus umkleidet. Die
Cocospalme personiflcirt den ersten Eindruck, den das Land der Tro-
pen in dem Gemüthe des neuen Ankömmlings hervorruft, und dieser
Eindruck bleibt mit ihrer Gestalt im Gemüthe und in der Erinnerung
haften, und lebt in dem allgemeinen Bewufstsein des Nordens als
Sinnbild eines wunderreichen Landes fort.
Das ist die ideale Auffassung von der Anziehungskraft der Cocos-
palme; aber nicht minder, wie das Gemfithsleben, zieht sie das mate-
rielle Interestoe an sich. Ihre Eigenschaften als Frucht- und Nutzpflanze
422 Franz Engel:
greifen wichtig in das Leben der Menschen ein, die anter ihrem Sdüt-
ten wohnen; fast das ganze Jahr hindorch steuert sie den HaoBhak
mit ihren Fruchten aus, die demselben eine unversiegbare Erwobt-
quelle eröffnen; und nicht die Frucht allein, sondern der gaaze Baum
findet Geltung in nutzvoller Verwendung, in seinen Blättern, aeinem
Holze, seinen Nufsschaalen und seinem Baste. Daher redet die Goco»-
palme nicht alloin nur von der Naturpoesie, sondern vielmebiF nodi
von dem materiellen Naturreichthume und der unerschöpflichen Ze«*
gungskraft der neuen Welt; ein zwiefacher Nimbus umstrahlt die
Palme. —
Nach einem drei- bis vierstündigen Ritte war das Ziel dea Aos^
flnges, die kleine Ansiedlung einer mecklenburgischen Familie aaf den
Abhängen von Soledad erreicht. Mann, Frau und Kinder redeten ihre
plattdeutsche Muttersprache — fremdartige, fast märchenhalte Klfinp
unter jenem Himmelsstriche, unter jener Naturfärbnng. Die Leate
kamen gar nicht in Verlegenheit, ihre Muttersprache zu vergessen, denn
sie hatten ihren Verkehr nur mit La Guayra und daselhst nar mit
Deutschen und namentlich Norddeutschen, die gröfstheils das Platt-
deutsche sprechen, wenigstens verstehen. Die Einrichtung ond Bauart
der Hütte, die Lebensweise und Kleidung war dem Landesbrauche,
oder richtiger gesagt, dem Klima angepafst. Für die Gesundheit des
Leibes und der Seele kann ein Wohnsitz gar nicht gunstiger gelegen
sein; er geniefst eines immerwährenden Fruhlingsklima's, die Tempe-
ratur schwankt etwa zwischen 18 — 22* C. — eines best&ndig blauen?
heiteren Himmels, leichter, reiner Bergluft, frischen Quellwassers, does
nimmer welkenden Sommerschmuckes der Erd^, üppiger Fruchtbarkeit
des Bodens bei grofsartiger, erhebender Fernsicht auf Berge, Wfilder,
Fels und Meer!
Es mangelte der Familie an nichts; sie war gesund, kraftig und
zufrieden; ihre Niederlassung hatte bereits anch gute materielle Fort-
schritte gemacht; sie baute Mais und Bananen und hielt einige Knbe,
deren Unterhalt bei dem reichlichen Futter umher wenig Zeit raubte,
und aus deren Milch in La Guayra ein gut Stück Geld gewonnen
wurde. Die Leute verstanden freilich zu arbeiten und waren in ihrer
Heimath schwerer Körperarbeit und geringer Bedürfnisse gewohnt ge-
wesen. Für den Auswandrer hängt von dem ersten, gut angelegten
und ausgeführten Angriffe und von der Wahl der Oertlichkeit der Ei^
folg seiner Unternehmungen hauptsächlich ab.
Die Ackererde der schräg an den Abhängen niederfallenden Frucht-
felder war den Wäldern abgerungen, die, zwar vielfach unterbrochen,
im Osten von La Guayra noch einen grofsen Theil der Küstencordil-
lere uberkleiden. Während die Begleiter des Ausfluges unter dem
Die Küste von Caracas. 423
Schatten der ObstbSame und der bluheoden Hecken, auf Decken und
in Hängematten ausgestreckt, sieb nach dem anstrengenden Ritte der
Erholung hingaben und tbeil weise für ein st&rkendes Frühstück Sorge
trugen, folgte ich meiner brennenden Begierde nach der ersten Anschau
und Umschau des tropischen Pflanzen Wuchses und setzte endlich, mäch-
tig bewegt, den ersten Fufs in das Innere des dichten, schwer zugäng-
lichen Tropenwaldes. So sah ich denn die Träume meiner Kindheit,
die Sehnsucht meines Jünglingsalters verwirklicht, — Palmen rausch-
ten über meiner Stirne und der Geist der Schöpfung hauchte mich
•aud seinen erhabensten Werken an!
Der erste Waldeindruck ist überwältigend, das entschleierte Bild
übertrifft die geträumten Erwartungen und Vorstellungen; die Empfin-
dungen jedoch bei der ersten Berührung mit dem Tropenwalde sind
zu getheilt, zu erregt, das Gefühl zu hingerissen, zu schwelgend in dem
allgemeinen Wunder, dafs der überwältigte Mensch im schwelgerischen
Geniefsen zu keiner Klärung, Rechtfertigung und Spezialisirung der
Genüsse kommt. Nach allen Richtungen zugleich wird das Auge hin-
gezogen, Sinne und Seele von einem Gegenstande zum andern abge-
zogen, aus sich heraus geleitet, zerstreut und durch Ueberschüttung
aufgelöst. Die Betrachtung und Beobachtung taumelt gewissermafsen
hin und her,'"man wünscht eine Vervielfältigung seines Selbst, um Alles
begreifen, betasten, sichten und sondern zu können; die Fülle, Man-
nigfaltigkeit und Massenhaftigkeit ist erdruckend ; der allgemeine Ueber-
blick giebt kein Genüge, der zerlegende und ordnende Geist geht in's
Einzelne und schweift, durch die Sinnen weit abgeleitet, immer wieder
vom Einzelnen zum Ganzen zurück; Alles erscheint nah gerückt und^
fafsbar, leicht angeeignet und eingeprägt, und doch bleibt Alles fern
und abwehrend, und nichts prägt sich genau und correct ein.
Die Wälder Europa's beruhigen, besänftigen in ihrer gro£sartigen
Einförmigkeit; die Eichen-, Buchen- und Nadelholzwälder Deutschlands,
zu einer einzigen Einheit individualisirt, stimmen das bewegte Gemüth
zur Ruhe und Ausgleichung seiner Schwankungen, der Schritt wird
nicht gehemmt, die gleichförmige Wölbung ist durch keinen Wechsel
unterbrochen, ist von einer und derselben Säule getragen. Wie anders
der Tropen wald I Durch seine dicht gedrängte Mannigfaltigkeit, wo ein
Baum, ein Busch dem andern den Rang streitig macht und die wuchernde
Kraft des Wachsthums in unendlicher Fülle und Verschiedenartigkeit
von der festen Erde bis zu den äufsersten Wipfeln des Waldes hinauf-
steigt, einen Wald auf den andern setzt, wird der Geist nach allen
Seiten hin in Anspruch genommen und das Gemüth aus seiner Ruhe
gerissen. Das gewaltige Gewölbe, das Himmel und Sonne von seinen
Gründen scheidet, ist zusammengeschichtet von unzählig verschiedenen
424 Franz Engel:
Gebilden and Formen, von Stammsaulen getragen, die 80 — iOO Fois-
glatt aufwärts streben, bevor sie sich verzweigen, und deren Holz,
Rinde, Strebepfeilern gleiche Wurzeln, deren Harze und Gerüche nicht
Eines dem Andern gleicht. Jeder Schritt ist durch dichtes Unterholx
gehemmt, jede Bewegung aufgehalten durch wirr durcheinander ge-
schlungene Schlingruthen, durch seilartig lierabfallende, verknotete Luft-
wurzeln, von drohenden Stacheln und Dornpanzern und dicken Lia-
nenketten, welche die Stämme umringein, netzartig das Zweiggerosle
umschlingen und in langen, schweren Bögen vom Gipfel zur Erde, von
der Erde zum Gipfel und von Wipfel zu Wipfel auf- und niederfallen.
Jedes Kraut der nordischen Zone wird in jener Erde ein holziger
Strauch, Gras und Farren erheben sich zu Bäumen; die ewige Trieb-
kraft umspinnt das feste und schwebende Waldgerust mit immer neuen
grünen Fäden und Blattgeweben, blühenden Guirlanden und Gamita-
ren ; Cryptogamen, Orchideen, Ananasgewächse und Epyphyten wiegen
sich auf den ausgespannten Binnennetzen und Wurzelseilen, und aus
den modernden Leichen am Boden wächst und drängt neues Leben
zum unterwölbten Lichte hinan. Da ist keine Ruhe, kein Aufathmen»
kein Ausgleichen, kein Insichgehen; Alles drängt sich auf mit heraus-
fordernder, zerstörender und widerstrebender Kraft, und nimmt die
physische und psychische Energie und Thätigkeit. zugleich in Anspruch.
Ernst und melancholisch ist die Stille, und das Licht tief gedampft
im Waldinnersten; die Sinne fühlen sich um so mehr dadurch befrem-
det, als die Tropensonne beständig eine Fülle von Licht und Glanz
ausströmt, und eine heitere, leichte, lichtdurch wallte Atmosphäre die
immergrüne E^de umspült; als Licht und Glanz nur mit dem Dunkel
der Nacht abwechseln, und Schatten und gedämpftes Licht nur den
flüchtigen Uebergang von Tag zu Nacht begleiten. Vielseitig und dodi
eintönig, reich an wechselnden Erscheinungen und doch wechsellos im
Wesen, überströmenden Lebens voll und doch stumm -einsam ist der
Wald; ein ewiges Gebären und ein ewiges Zerstören, Vernichtung und
Neubildung, ewige Unruhe und doch tiefste Stille und Verlassenbeiu
lautlose Vereinsamung mitten in der regsten, üppigsten Schöpfangs-
kraft. Jedes Geräusch, das sich aus der Stille des Waldes erhebt»
klingt geheimnifsvoll, unerklärlich, geisterhaft; selten wird ein thieri-
scher Lant hörbar; der Anschlag des Vogels klingt melancholisch^
gleich der elegischen Klage, die durch die Nacht oder um verlassene
Ruinen seufzt; jeder Laut erweckt vielmehr das Gefühl der Einsam-
keit, als dafs er die Einsamkeit verscheuche. Die meisten Blumen
wiegen sich auf den höchsten Banmgipfeln im hellen Sonnenlichte, so-
dals selbst ein Insekt nur selten die dunklen Gründe durchsummt,
weil es sich oben im Licht- und Duftmeer tummelt.
Die Küste von Carilcas. 425
Hin and wieder wird die lautlose Stille und Einsamkeit plötzlich
durch ein donnerartiges Krachen aufgeschreckt und erschüttert; Luft
und £rde ereittern, jeder Odem scheint zu stocken und das zitternde
Ijaub dem grollenden Donner zu lauschen; langsam und dumpf ver-
hallt der zürnende Schall, und die vorige tiefe Stille kehrt wieder
zurück unter das grüne Schattengewöibe ; — das Geräusch rührte von
dem Sturze eines trocknen, abgelösten Astes her, oder von ^inem
Baume, der sich, mit seinen schwachen, abgestorbenen Wurzeln aus
der Erde löst, die ihn Jahrhunderte lang emporgehalten; in seinem
jfihen Falle reifst er das dichte Baumgehege mit sich zu Boden, und
iDit furchtbarem Getöse stürzt ein ganzes Stück Wald zusammen, das
lawinenartig im Sturze Alles mit sich fortrollt und begräbt, was unter
seiner Decke lebt und athmet.
Zuweilen treibt ein eigenthümlicher Ton durch die Stille, dessen
Entstehung nicht erklärbar ist; er klingt ähnlich, wie das Bersten der
Eisrinde bei eintretendem Thauwetter, oder als ob ein hohler Baum
von einer Metallstange getroffen werde. Am häufigsten unterbricht
der Specht mit dem schnellen Hämmern seines Schnabels, womit er
das versteckte Gewürm aus den Spalten und Löchern der Rinde
scheucht, das monotone Schweigen; plötzlich wieder erhebt sich in der
Feme oder auch dicht über dem Haupte des arglos Ein herschreitenden
mitten aus der tiefsten Stille und Schwule das wirbelnde Geheul einer
BrüllafTenheerde, die über ihm auf den untern Baumzweigen mit dum-
pfem, trommelartigen Gebrülle seinem Gange folgt, oder sich im Hin-
tergrunde des ^Valdes rings um ein Wasser versammelt und unter
Anführung des Vorsängers im vollen Chore ihr erschütterndes Klage-
geheul anstimmt. Es jst, als ob ein ferner Sturm im Meere wühle;
der fremdling schrickt zunächst zusammen, und seiner noch lebhaften
und wiilkührlichen Phantasie theilt sich die Erwartung irgend eines
schaurigen, blutigen Drama's mit; er denkt an den König der Wüsten
und Wälder, dessen zürnende Stimme donnernd über die Erde rollt,
oder an das blutdürstige Geheul des schleichenden Tigers; harmlos
jedoch klingt die klägliche, fast winselnde Stimme der Bestien gegen
dies vielstimmige Unisono; aber die Entdeckung von dem harmlosen,
fast tragi -komischen Charakter des geharnischten Getöses stimmt in
dem Augenblicke sehr behaglich.
Wenn sich nun auch das Waldinnerste in tief umschatteten,
lautloBen, melancholischen Ernst einhüllt, und so ungeeignet auch der
Wald fÜY- den Aufenthalt des Menschen ist, — dennoch liegt in ihm
eine magische, mystische Anziehungskraft für ein Gemüth, das seine
urwüchsige, gesunde Kraft noch vor Verweichlichung und Verzärtelung
bewahrt hat. Nirgends tritt die Natur dem Menschengeiste so erhaben
426 Franz Engel:
und grofs entgegen, als in dem Urwalde; nirgends warten seiner phy-
sischen Existenz mehr Gefahren, mehr Herausforderungen zur Selhst-
holfe und gröfsere Aufreibungen, — aber nirgends stählt und stärkt
sich der Wille und das Selbstbewufstsein zu solcher Entschiedenheit,
nirgends gestaltet sich das Leben der Erde so erhaben, so mächtig
und grofs.
Der ununterbrochene Wald giebt der Landschaft einen einheit-
lichen, starken, männlichen Charakter; aber sie gewinnt eine gro£Bere
Mannigfaltigkeit des Ausdrucks durch das Mosaik-Relief, das die Cul-
tur in das eherne Standbild der wilden Naturkraft hineinmeifselt. Eän
freundliches Lächeln gleitet über die ernst-markigen Züge, wenn das
lichte, milde Grün der Bananen, der helle, scharfe Farbenton des
Zuckerrohres und das gesättigte und lichtgelb umschimmerte Laob
kleinerer und grofserer Fruchtfelder sich an dem graugrünen Farben-
ton der Wälder oder an das ernste Grau nackter Felswände anlehnt,
und wieder das tief dunkelglänzende Grün der Kakao- und Kaffee-
pflanzungen von diesem hellen freundlichen Rahmen umspannt ^wird.
In den waldartigen Kulturpflanzungen der Tropenzone aber herrscht
derselbe Schatten und das schweigsame Dunkel, wie in ihren Wäldern.
Das Unkraut drängt als Unterholz fast noch dichter und verworrener
und mit wilderem Ungestüm gegen die Kulturbäume an, und über dem
Scheitel verschliefst das dichte Laubzelt jede Fernsicht nach aufserhalb
und oberhalb. Wenn nicht dauernde Sorgfalt und Pflege die Pflan-
zungen bewacht und gegen die wilde Nebenwucherung schützt und
stets mit bewaffneter Hand aus ihr einen zugänglichen Hain und Gar-
ten schafft, so lehnt sie sich noch widerspänstiger und abwehrender,
als der hoch gewachsene Urwald, gegen den Aufenthalt des Menschen
auf. Eine duukle, feste, unbewegliche Laubdecke, über welche hin. die
•
glänzenden Lichtstrahlen und die warmen Lüfte gleiten, ohne den Bo-
den zu berühren oder die Blätter aus ihrer festen Lage zu heben,
spannen die Kakao- und Kaffeehaine über die Erde ihre Wurzeln aus»
das lichte, leichte, vom Winde vielfach zerschlizte Laubzelt der Bana-
nengärten erzittert bei dem leisesten Luftzuge, und seine beständig
flüsternde Beweglichkeit, bringt ein Geräusch hervor, als ob ein fein-
tropfiger Regen niederfalle ; das durch den Blattschatten tief gedämpfte
Licht unterstützt diese Sinnestäuschung; in seinem blendendsten und
brennendsten Glänze liegt das Sonnenlicht, oder, von dem Wasser-
spiegel des Nachtthaues aufgefangen, das weifse Mond- und Sternen-
licht auf den hellgrünen, schuf blättrigen Zuckerrohrfeldern mit ihren
federbuschartigen, silberglänzenden, zittern d-be weglichen Blüthenrispen.
Ruhen auch Sorge und Anstrengung für den Lebensunterhalt här-
ter und schwerer auf dem Bewohner des Nordens, so ifst doch > auch
Die Küste von Caracas. 427
der Tropeifliwobner sein Brod nicht anders, als im Schweifse seines
Angesichts. Ebenso, wie die üppige Ve>ietation6kraft auf d^r einen
Seite die Anstrengungen des Landmannes unterstützt, arbeitet sie ihm
Jiaf der andern Seite wieder entgegen. Werden aber die Schwierig-
keiten überwunden , welche die Natur und politisch - gesellschaftliche
Lage des Landes dem Ackerbaue bereiten, hat man das Glück, sich
Hülfsquellen zu eröffnen und den klimatischen EinBüssen und Krank-
heiten nicht zu unterliegen, so ist gewifs, dafs die Arbeit einen reichen
Xiohn findet, der bei einer unabhängigen und durch Uebermafs von
Anstrengungen nicht gedrückten Existenz nicbt allein den Nahrungs-
sorgen enthebt, sondern auch zum Wohlstande führt.
Von dem einsamen Ausfluge in die nächste Umgegend zu der
Gesellschaft, die ich im Schatten der Orange- und Manghobäume la-
gernd zurückgelassen, heimgekehrt, fand ich dieselbe in voller Tbätig-
keit mit dem Abschlagen und Abschälen von Orangen und Ananas
and dem Entkorken mehrerer Weinflaschen; es galt, aus dem Reste
der kleinen Weinkiste, die mir in Hamburg eine gütige Hand an Bord
der Brigg geschickt, ein Getränk nach heimathlicher Weise za berei-
ten. Der lang entbehrte Anblick einer vaterländischen Giäsermnde
mit längst nicht mehr gekosteter Füllung erhöhte den Reiz des Ge-
nusses, und erweckte in der Gesellschaft halb elegische, halb jubelnde
^Herzensregungen; auch den mecklenburgischen Landsleuten war Ge-
ruch und Farbe des Rebensaftes fremd und anziehend, und Grofs und
Klein trat neugierig an den fröhlichen Kreis heran uod leerte das dar-
gereichte Glas mit grofsem Wohlbehagen. Hätte nicht der Kalender
an den Monat December erinnert, und die Luft weniger lau und weich
die erhitzten Stirnen umspült, sodafs ein Kleidungsstück nach dem
andern abgelegt wurde, und rings umher die Erde im grünen und blü-
henden Schmucke prangte und der Duft der Myrthen und Orangen
die Luft erfüllte, so hätte man glauben können, dafs von den Bergen
Deutschlands dem Vaterlande das laute Hoch erschallte und weiter-
schallte von Thal zu Thal.
In erheiterter Stimmung wurde der Rückweg angetreten ; die stör-
rischen Maulthiere vergafsen auf dem Heimwege zum ersehnten Stalle
allen Ungehorsam und Eigenwillen. Fröhlicher Gesang in deutschen
Worten und Weisen wechselte mit harmlosen Scherzen und unterhal-
tenden Gesprächen; die Kühle des nahenden Abends und die leichte
frische Bergluft belebten im hohen Grade das allgemeine Wohlgefühl.
Grofsartig ist der Anblick des Meeres in der Tiefe, wenn man
auf der Küstencordillere nach La Guajra hinuntersteigt Von der
Höhe herab erscheint es wie eine unbewegliche, nnbegränzte, mit dem
Horizonte in's Unendliche verschwimmende Dnnstfläche; allmählich
428 Frans Engel:
beim Niedersteigen treten seine Umrisse and die Bew^^chkeit der
FlSche klarer hervor; es wogt auf und ab, and sein Anblick aJleiB
erfrischt schon, and das um so mehr, je schwerer die untere Luft ww-
der beim Eintritt in die heifse Zone auf die Athmungsorgaoe faDt
Bald durchrauscfat es fernhin und undeutlich die Schluchten, die ans
der Qebirgsmaaer zn ihm niederfallen, bald wieder schwindet daa ob-
bestimmte GerSusch, wenn der Weg um eine Bergwand biegt. Aber
tiefer und steiler senkt sich der Weg hinab, es rauscht wahrnehmbarer,
und Je deutlicher das Auge das Schwellen und Fallen der Wogen er-
kennt, desto bestimmter vernimmt auch das Ohr das dumpfe Raasdi^i^
bis endlich unten am Strande sichtbar die Brandung aufscbäumt, der
Dunst über dem Wasser gerinnt, und das ab- und zunehmende Brau-
sen, das An- and Abprallen der Brandung sich auch in dunkler Nacht
vernehmbar macht.
Hat die Sonne erst den Mittagsbogen zurückgelegt, so beginnt sie
schneller und endlich überraschend schnell zu sinken; noch steht sie
hoch in der halben Himmelshöhe, und doch wird das Auge nicht mehr
von der, schon mit deutlichen Umrissen sich abhebenden Scheibe ge-
blendet; noch erscheint sie weit entfernt vom Horizont, and schon
taucht sie unter ihn hinab.
So sinkt sie, eine grofse, glühend-rothe Feuerkugel, nieder dnrdi
das klarste, heiterste, von keinem Wölkchen umflorte Himmelsblau..
Weit über den Horizont hinauf erglänzt der Himmel im glühenden
Farben schmelz, den das glühendste Wort, der feurigste Pinsel nicht
wiederzugeben vermag; allmählich lösen sich die Abstufungen der Far-
ben auf qnd legen sich ohne sichtbare Uebergänge reihenweise über-
einander; zunächst umfafst den Feuerball tief dnnkelgluhendes Gold,
dann flammendes Roth, dann alle Abstufungen von Orün, Violet u. s. w.,
bis endlich die einzelnen Tinten sich verwischen, das ganze glühende
Prisma ineinanderschmilzt und sich auflöst in einen weichen, wohl-
thuend - besänftigenden Farbenduft, und der erste Nachthauch seinen
mattgelben Schattenflor um den verlöschenden Farbendaft des sinken-
den Tages , legt. Noch streift ein geschwätziges Papageyenpaar mit
den schillernden Schwingen den farbig umd unsteten Waldwipfel, sei-
nem nächtlichen Asyl zufliegend; seitwärts vom Wege flötet in dem
regungslosen Gebüsche noch ein ansichtbarer Sänger; noch ist es hell,
— die Sonne taucht unter; es dämmert. Der Flötenton schweigt, das
Papageyenpaar Ist verschwunden, die Farben am Himmel sind vet-
danstet; es dunkelt. Noch athmet das Leben des Tages einige Male
tief auf, und Nacht liegt auf der Erde. — Kaum eine halbe Stunde
dauert der Uebergang vom hellen Tag zur dunklen Nacht.
Tief bewegte mich diese grofsartig-iTiedliche Naturerscheinung; mit
Die Küate von Carüou. 429
stammer Bewunderang hing ich an Erde, Himmel, Luft and Waaaer
am mich her; auch die Lieder meiner Gefährten waren nach und nach
verstummt, sanfter, fügsamer schritten selbst die Thiere aus, würziger
stieg der Daft aus den Blumen auf, lauschend hing das Laub an den
Bäomen. Andacht athmete die Natur.
Mit der eintretenden Nacht aber regte sich nach und nach wieder
neues Leben ; leuchtende Käfer stiegen vor uns auf, der Ziegenmelker
huschte über den Weg, Nachtvögel stiefsen ihre langet, seufzenden
oder angstvoll hervorgeprefsten Laute aus, die Brise nahm sich auf,
das Meer brauste und näher kam die Stadt mit ihrem Geräusche. Mit
xunehmender Bodentiefe fallt die Schwüle der Athmosphäre wieder
drückender und empfindlicher auf die Brust; die in den Bergen ein-
gefangene Hitze wirkt einschläfernd, und ^müdet zieht endlich die
Gesellschaft wieder durch die Strafsen, vorüber an erleuchteten Fen-
stern, ans welchen schone Frauen, von luftig - leichten, schmückenden
Gewändern umhüllt und webenden Fächern gekühlt, mit dunklen Augen
auf sie schauen.
XVIL
Specialstatistik von Persien.
Von Dr. J. C. Häntssche in Dresden.
In Persien existirt eine allgemeine ofücielle Statistik nicht, und
selbst die Steuerregister, welche überdies sehr schwer zu haben sind,
können, aus verschiedenen Gründen, nur annähernden Werth besitzen.
Die folgenden Angaben stützen sich gröfstentheils auf die person-
lichen Erfahrungen des Verfassers, welche er während eines mehr als
siebenjährigen Aufenthaltes in Nordpersien zu sammeln Gelegenheit
fand, und sind durch die neuesten zuverlässigen Berichte von ans
Tervollständigt worden.
Maafse, Gewichte, Münzen. Längenmaafs. Das Arschin
(8er, Ges) = 4 Tschehrek (oder Viertel); das Tschehrek = 4 Gire;
^as Öire = 2 Bar. Ein Arphinschahi = l,i9 franz. Meter. Ein klei-
430 J* C* Hintsiche:
Des Arechin oder Mokeser (in Tehran, Schinis ete. gebriochlieh) = Ivm
Meter. E«in Arschin torkiscb (Endase) oder rassisch (im Norden and
Nordwesten namentlich gebr&ocblich) s= 0,n Meter. Den FlficfaeDraiuii
mi(st man nach QSer, □Tscbehrek etc., den Kubikinhalt nach Kabik-
Ser etc. Grofsere Ländereien werden nach dem Dsdierib Termesses.
welches meistens *= 1066 Qaadrat-Ser ist Wegemafs ist das Farsangr
welches 6000 Arschinschahi = 6,7S Kilometer (schweres Farsang) ent-
halten soll, in verschiedenen Gegenden aber sehr verschieden lang ist,
durchschnittlich 5,o65 Kilometer (leichtes Farsang). Eine (Karwane)
Tagereise (Monsil, eigentlich Herberge, Quartier), ist ungleich grob,
je nach Verschiedenheit des Weges und der verschiedenen Ekitfernunf
eines bequemen Rastortes (für die Nacht), durchschnittlich ä bis 6
Farsang.
Die grofseren Gewichte sind sehr verschieden, wiewohl meist von
derselben Benennung. Kleines Gewicht: Ein Miskal (= 460 franz.
Gentigrammes) = 24 Nachod; ein Nachod (=s 19} fr. Cgrs.) = 4
persische Gendnmscho (= Gerstenkorner) oder 4 türkische Bogdai
(= Weizenkörner). Grofses Gewicht: Ein Man oder Batmann = 4
Tscbehrek; ein Tscbehrek =: 10 Sir; ein Sir = 16 Miskal. Der Ge-
halt der Man an Miskal ist aufserord entlich verschieden, wiewohl sie
unter sich in einem gewissen arithmethiscben Verhaltnisse stehen. Die
in Persien gebräuchlichsten Man sind die folgenden: Das kleine oder
Batman von Tehran, mitunter fälschlich auch Batman von Tebris ge-
nannt, = 640 Miskal (fast drei franzosische Kilogrammes); das Bat-
manschahi oder Man von Scbiras, Isfahan und Rescht = 1280 Miskal
(fast sechs franz. Kilogrammes); das kleine Batman von ReT = 2560
Miskal (fast zwölf franz. Kilogrammes); das grofse Man von ReT =
3000 Miskal (= 13,8 franz. Kilogrammes); das eigentliche Tebrisbatman
= 1000 Miskal (= 4,6 frauz. Kilogrammes). Ein Charwar diwani
a= JOO tehraner (vnlgo tebriser) Batman (= 294,4 fr. Kilogrammes);
ein Charwar asbi (am kaspischen Meere vorzugsweise gebräuchlich)
= 20 Manscbahi (117,76 fr. Kilogrammes). Alle Flüssigkeiten und
Nahrungsmittel (aufser Eiern), selbst Holz, werden nach dem Gewichte
verkauft und zwar an den meisten Orten alle nach dem sogenannten
Mantebrisi zu 640 Miskal, Kohlen aber überall nach dem Manscbahi
zu 1 280 Miskal (nur findet dann an einigen Orten, wie in Tebris z. B.,
eine andere Ein theilungs weise des Batman statt); Juwelen nach dem
Kiratgewicbte ; 23 Kirat = 1 Miskal = 460 fr. Gentigrammes. Das
Bar (= Bürde, Maulthierladung) beträgt 40 — 44 kleine Man, das
Lenge oder Nimbar (= halbes Bar) die Hälfte. Ein Ferde oder Laie
Rohseide = 6 Batmanschahi = etwa 86 Kilogrammes.
Ein Toman (Goldmünze) = 10 Kran oder Sabebkran (Silber-
Specialstatistik von Persien. 431
mnnze); ein Kran (früher 28 Nacbod mit sehr reinem, jetzt nur 25
l^achod mit schlechtem Silber) = 2 Panabad (Silbermmize, gegen
früher ebenfalls verschlechtert) ; ein Kran = 20 Scbahi (Kupfermünze);
ein Panahad = 10 Scbahi; ein Nimpanahad oder ^ Panabad (Silber-
munze = 5 Schahi; ein Scbahi «s 2 Nimschabi oder halbe Scbahi
(Xapfermünze); in Tebris nnd Umgegend: ein (Kara-) Pul (Kupfer-
^Id) » ^ Schahi. Real (= 1| Kran), Abbasi (= 4 Schahi) und Di-
nar sind nur noch imaginäre Rechen münzen ; hesar (= 1000) Dinar
«= 1 Kran, dehesar (== 10,000) Dinar = 1 Toman. Ein Toman
(fast reines Gold) wiegt unbeschnitten 18 Nacbod oder {- Miskal
(= 345 fr. Cgrs.). 101 Toman = 100 holl&ndische Ducaten. Im
gewöhnlichen Verkehre: 1 Toman = 12 Francs, 1 russ. Halbimpe-
rial in Scbiras 17, in Tehran 17-}-, in Rescht 17^, in Tebris 18 Kran,
1 Zwanzigfrankenstück = 16 Kran.
Areal. Flächeninhalt 22,000 geogr. □ Meilen.
Bevölkerung in runder Zahl fünf Millionen, wovon etwa 30 pCt.
Nomaden, 40 pCt. Landbewohner, 30 pCt. Städtebewohner sein mögen.
Die Anfangs 1860 das erste Mal und seitdem nie wieder vorgenom-
mene officielle Zählung ist nicht durchgeführt worden.
Bedeutendste Städte. Die Residenzstadt Tehran, etwa 80,000
Einwohner, Tebris 160,000 Einw., Isfahan 60,000 Einw., Rescht
26—30,000 Einw., Meschhed 70,000 Einwohner.
Nationalitäten und Sprachen. Perser 3 Millionen (60 pCt.
der Gesammtbevölkerung), Turktataren 1 Million (20 pGt. der Gesammt-
bevölkerung), während der Rest von etwa einer Million Seelen (20 pCt
der Gesammtbevölkerung) von Turkmenen (125,000), Armeniern (26,000),
Nestorianern und Chaldäern (25,000), Juden (16,000), nebst Kurden
(c. 400,000?), Arabern (c. 300,000?), Zigeunern, Abessiniern, Negern
von Sansibar, sowie wenig Afganen (worunter auch die sogenannten
Berberi), Beludschen, Bucharern, Chiwaern, Hindus, Europäern, Ame-
rikanern, sehr wenig Mulatten und vielen andern Mischlingen gebil-
det wird.
Eine procentische Statistik der gesprochenen Sprachen und vielen
Mandarten läfst sich um so weniger aufstellen, als die Sprachgebiete
nicht überall genau geschieden sind. Im Allgemeinen möchten hier die
bei den entsprechenden Nationalitäten angegebenen Verhältnisse ob-
walten, nur unter Hinzuziehung der grusinischen, als einer der in Per-
sien am wenigsten gesprochenen Sprachen, und unter Erhöhung des
Procentsatzes für die turktatarische Sprache, namentlich auf Kosten
der persischen, um mindestens die Hälfte der für den Stamm der Turk-
tataren angefahrten. Die vorherrschende Umgangssprache unter den
432 J- <^' Häntzschc:
gebildeten Abendlfindern in Persien iflt die französische; ihr zunächst
möchte die «deutsche kominen.
Religionsbekenntnisse. Schie (Perser, Turktat«reiL, Karden,
Araber, Zigenner, farbige ScUven und Freie, Mischlinge): 3-4- Millionen
s=s 70 pCt. Sunni (Turktataren, Kurden, Araber, Turkmanen, Zigeu-
ner, Afganen, Belndschen, Bucharer, Chiwaer, farbige Sclaven and
Freie, Mischlinge): 1 Million = 20 pCt. Sectirer (Perser, Turktataren,
Kurden, Zigeuner, Mischlinge) : 400,000 = 8 pCt. Christen (Armenier
26,000, Nestorianer und Ghald&er 25,000, griechisch Orthodoxe [Rassen,
Griechen, Grusiner], Katholiken, [Armenier, Ghaldäer, Franzosen, Italie-
ner, Oesterreicher verschiedener Nationalitäten], Lutheraner [Teatsche,
Briten, Holländer, Schweden], Calviuisten [Schweizer], Puritaner [Nord-
amerikaner] und verschiedenen Kirchen angehörige Mischlinge); Jaden
(16,000 Hebräer, Daudikurden?); Feueranbeter (8000 Parsi), Heiden
(Indier, Zigeuner), zusammen etwa 100,000 = 2 pCt
Grundeigenthum. Nach ungefährer Schätzung:
Bebautes Land 10 pCc
Wiesen und Weiden 10-
Wald 5 -
Brachliegendes. Salz, Sand- und Steinwüsten, Felsen, Ge-
wässer 75 -
Nach Dr. J. E. Polak (Persien. Leipzig 1865) giebt es in Per-
sien folgende sechs Besitzkategorien:
1) Rajeti, kleinere Grundstücke, welche von dem Besitzer selbst
als freies Eigentbum bebaut werden.
2) Arbabi, gröfsere Liegenschaften, welche einem einzigen Be-
sitzer angehören, auf denen sich Landbauer (Rajet) unter herkömm-
lichen Vertragsbedingungen niedergelassen haben.
3) Wakf, die durch Schenkung in geistlichen Besitz gekommenen
Liegenschaften, welche einen sehr bedeutenden Tbeil des sämmtlichen
Grundeigenthums in sich fassen.
4) Chalife, con6scirte Landgüter, welche durch Beamte der Krone
für die letztere, aber sehr schlecht, bewirthschaftet werden.
5) Tiul, Kronsland, dessen Ausnutzung einzelnen Personen statt
des haaren Gehaltes überlassen wird.
6) Mnlkechas sind die dem Schah persönlich eigenen Güter.
Jedes Dorf ist in sechs gleiche Theile (Dung) getheilt, deren je-
der einem anderen Herrn gehören kann. Ein Drittheil des angebau-
ten Landes 9 sowie aller unangebaute Boden gehören der Krone. 60
bis 80 pGt. des Ernteertrages hat der Rajet an den Arbab abzuliefern.
Per nefas behält der Bauer sehr oft nur höchstens 10 pCt Der Rein-
SpectalstatiAtik von Parsien. 433
«rtrag ein^s Gutes wird bei der Verpachtaog oder bei dem Verkaufe
4larcbscbnittl]ch zwischen 12 und 15 pCt. berechnet
Land wir thschaft und ^iehxucht. Erstere wird zu etwa
40 pCt., letztere zu 30 pGt der Gesammtbeschäftigungen des ganzen
Xiandes betrieben. Arbeitskräfte : Menschen, Rindvieh und Pferde. Ma-
schinen gänzlich, Düngung fast unbekannt Die Ernteergebnisse rich-
ten sich meistentheils nach der Ausdehnung und Ausgiebigkeit der
künstlichen Bewässerungen. Getreidearten geben zwischen 10 — 15
Kömer. Analog ist der Ertrag von Gemüse und Obst. Gebaut wer-
den: Weizen, Gerste, Reis, Hülsenfrüchte, als Bohnen, Saubohnen,
Kichererbsen, Linsen, Erbsen, grüne Gemüse und Wurzeln, als Lattich,
gelbe und rothe Rüben, Rettige, Dill, Koriander, Petersilie, Spinat, Fut-
terkräuter, Zwiebeln, besonders Knoblauch, Baumwolle, Tabak, Hanf
zu Beug (Haschisch), Mohn zu Teriak (Opium), Lein, Mais, Sesam,
Ricinussamen, Oliven, Zuckerrohr, Schilfrohr, Färbestoffe, als Henna,
Indigo, Safran, SafiTlor, Kreuzbeeren, Isperek und Krapp, Kürbisse,
Gurken, Wasser- und Zuckermelonen, Weintrauben, Früchte und Blät-
ter von Maulbeerbäumen, Feigen, Pfirsiche, Aprikosen, Pflaumen meh-
rerer Varietäten, Quitten, Birnen, Aepfel, Kirschen, Mandeln, Nüsse,
Pistazien, Datteln , Granaten, Orangen, Citronen, Badreng, Manda-
rinen u. s. w. Die bedeutendste Production der besten Rohseide findet
Id der kaspischen Küstenprovinz Gilan statt
Gezogen werden: Pferde, Esel, Maultbiere, Kameele, Rindvieh,
w^orunter auch Fettschwänze, Ziegen; von Federvieh hauptsächlich
Hühner; Bienen mäisig, Seidenwürmer sehr viel. Vieh-Import gering:
Pferde, Esel, Kameele, Büffel, seltnere Hühnerarten in geringsten Quan-
titäten. Vieh-Export unbedeutend: Pferde, Esel, Maultbiere, Rindvieh,
Schafe; Seidencocons.
Jagd ist, mit neuerer Ausnahme der königlichen Reviere, auf de-
oen jedoch keine Förster hausen, völlig frei und sehr ergiebig.
Fischerei in den wenigen Binnen wässern, in denen Forellen und
Weifsfische, frei und sehr gering, in den Seemündungen der Zuflüsse
des kaspischen Meeres dagegen sehr ergiebig und von der persischen
Regierung jährlich verpachtet. Die hauptsächlichste Fischerei daselbst
ist an der Mündung des Sefidrud und wird, für Rechnung persischer
Pächter zumeist, von 150 allherbstlicb aus Astrachan dahin kommen-
den, unter einem russischen Verwalter stehenden russischen Fischern
betrieben, denen man neuerdings sunnitische Turktataren von Chalchal
in Nordpersien zur Beihilfe zu geben versucht hat. Von dieser Fische-
rei allein werden, abgerechnet die gefangenen kleineren, im Lande
adbst verbrauchten Fische, jährlich über 100,000 grofse Knorpelfische
Z«ittehr. d. G«8«U8cb. f. Brdk. Bd. IT. ^3
1
434 J* ^* Häntseche:
gesahen oder aach getrocknet, etwa 50,000 Päd geprefster Gariar and
an 250 Päd Hausenblase nach Astrachan verfahrt. Die Paditsamme
dafar war von einer früher sehr geringfügigen Summe zaietxt bis auf
120,000 persische Toman gestiegen.
Bergbau und Hüttenwesen stehen in sehr niedrigem Yet-
hältnisse zu der Reichhaltigkeit des Landes an Mineralsch&txen ood
werden nur ganz empirisch betrieben. Statistische Nachrichten aber
die Gewinnung von Salz, Steinkohlen, Salpeter, Alaun, Anthracit, Bo-
rax, Schwefel, Arsenik, Kobalt, Blei, Kupfer, Eisen, Zink, Zinn, Braun*
stein, Marmor, Flinten- und Edelsteinen (Türkise und Granaten) darcb
die Regierung sind nicht zu erlangen. Die persischen Kupfermünzen
werden meistens aus russischem Rohkupfer, die Gold- und Silbermnn-
cen nur aus dergleichen russischen MSnzen geschlagen und sind hat
ganz rein, bis auf die Ende der fünfziger Jahre geprfigten neoen ^
bermunzen.
Grofse und kleine Industrie. Völlige papieriose Freizogig-
keit und Gewerbefreiheit ohne geschriebene Gewerbegesetzgebang. An
der Spitze jedes Gewerkes steht ein von und aas den selbststandigen
Handwerkern frei gewählter Vorsteher, welchem die Vertretung der
gemeinsamen Interessen des ohne Zunftzwang bestehenden Gewerbe
obliegt. — In der Stadt Kaschan 600 Kupferarbeiler. — Fabriken cxi-
stiren nicht mehr. Manufacturorte: Tebris, Kaschan, Kam, Hamadan,
Isfahan, Schiras, Jesd, Kirman, Meschhed, Rescht, Lahidschan, Kas-
win. Wasser benutzt als bewegende Kraft im Muhlenbetriebe. Be-
rechnung der Wasserkraft einer Quelle oder eines Canales nach der
Zahl der Mühlsteine, welche sie treibt.
Producte: Ziegel, Steingut, Thonwaaren, auch poröse, als Wasser-
kuhler, ordinäres Glas, Kupfer- und Zinkgeschirr, Messinggeschirr,
Kanonen. Holzlöffel mit und ohne Schnitzwerk und andere Holz-
geräthe, namentlich zu den Wasserpfeifen (Kalian), Holzkohlen^ rohe Po-
tasche und Soda, Pflanzenfarb »n, Arzneiwaaren, wohlriechende Wässer,
Scherbet, Essig, Wein (nur durch Christen oder Juden), Zucker, Melasse,
eingedickter Most, Seile, Schilf- und Strohmatten. Lederwaaren (Safiaa
and Schagrin in Hamadan), Filz-, Pelz-, BaAmwoUe- und WoUenwaa-
ren vieler Muster, Farben und Sorten, Leinenwaaren, Teppiche, Shawls,
Tuch- und Seidenmosaik. Knocbenmosaik, Buchbinder- und Posamen-
tire rarbeiten. Seidene und halbseidene Stoffe, Seidensammet von Ka-
schan. Orientalische Schiefsgewehre und damascirte krumme Klingen
nebst Scheiden dazu. Weizenmehl und flache Brode davon. Zacker-
werk. Graveorarbeiten. Stickereien. Emailarbeiten. Miniaturmale-
reien. Edelstein-, Gold-, Silber- und Perlenarbeiten. Schie£Bpalver
nnd Feuerwerk.
Speciaktatistik ron Peraien. 435
Handel. An der Spitze der Eanfleute jedes Ortes steht ein von
und aas ihnen selbst gewählter Melektadschar (= Vorsteher der Kauf«
leate). Handelsfreiheit durch Binnenzölle beschränkt. Während per-
sische Kaufleute nur sehr geringen Bin- und Ausfuhrzoll zahlen, zah-
len europäische 5 pCt. ad valorem, entrichten dafür aber keine Bin-
nenzölle. Türkische Händler zahlen nur 4 pCt. vom Werthe Ein- und
Ausfuhrzoll. Frenndschafts- und Handelsverträge mit Rufsland, Eng-
land, der Türkei, mit Frankreich, Spanien, Nordamerika, Italien (Sar-
dinien), dem päpstlichen Stuhle, der Schweiz, Holland, Belgien, Oester-
reich, Preufsen und den teutscben Zollvereinsstaaten, sowie mit den
Hansestädten, von denen die allermeisten nur den Werth todter Pa-
piere besitzen. Ausfuhrverbote für Nufsbaumholz, dessen Ausfuhr Mo-
nopol des persischen Consuls Mirsa Jusuf in Astrachan war, und zeit-
weilig für Reis nach Rufsland, für Seidenraupeneier überhaupt Bin-
nenhandel ziemlich bedeutend, ebenso der Transitohandel mit Central-
asien. — Persischer Seehandel existirt nicht, nur ganz unbedeutende
kleine KüstenschifTfahrt von Rhode zu Rbede. Bisher Ausfuhr jährlich
lar reichlich sechs Millionen pers. Toman, Einfuhr beinahe ebenso hoch.
Der sehr bedeutende Schmuggel englischer BanmwoUenwaaren etc. von
Persien nach Rufsiand kann hierin nicht wohl mit einbegriffen sein.
In Folge der Seiden raupen krankheit, welche in den letzten Jahren lei-
der auch in Persien aufgetreten ist, sind namentlich auch die Seiden-
ernten in Gilan viel schlechter ausgefallen, wodurch mit die Oesammt-
ausfuhr Persiens ganz bedeutend abgenommen hat, so dafs sie gegen-
wartig nur etwas über drei Millionen Toman noch beträgt, die Ge-
sammteinfuhr jährlich auch nur etwa b\ Millionen Toman.
Ausfuhrartikel: Brennholz, Farbestoffe, Sesamöl, Galläpfel, Dro-
guen, Getreide, Reis, rohe und verarbeitete Baumwolle, Seide und
Wolle, Felle, Haare, Häute, Filze, Teppiche, Shawls^ Seidencocons,
8eidenabfälle, Knochen-, Seide- und Tuchmosaik, Perlen, Türkise,
Weichselrohre, Blutegel, Fische, Hausenblase, Gaviar, getrocknete
Früchte, besonders Aprikosen, Pflaumenarten, Mandeln und Korinthen,
irische Orangen, in Essig eingemachte Kräuter, Tabak, Butter, Käse,
Talg, Schafe, Pferde, Maulthiere, Esel, sehr wenig Rindvieh, tnrkmar
nisches Salz und Neftegil etc.
Einfuhrartikel: Zucker, schwarzer Thee, Kaffee, Ärzneiwaaren,
Farbestoffe, englische, schweizer und russische Baumwollenstoffe, eng-
lisches, belgisches, russisches und österreichisches Tuch ordinärer Quali-
täten, böhmisches und russisches Glas, russische Theemaschinen von
Messing, russisches Steingut (grofsentheils Ausschufswaare), russisches
Robeisen (200,000 Pud jähriich), Stahl, Zink und Rohkupfer, euro-
päische Luxusartikel, Taschenuhren und Quincailleries, verarbeiteteB
28»
436 J- ^- HäntsBche:
Eiden, Waffen, Pelzwerk tod Buchara und Rufsland, indische Sbawla,
Gewnrze, Salz, Reis, Seife, Champagner, franzosische und transkau-
kasische Rothweine, Perlen, Diamanten, Rubine, Smaragde, Grmnaten.
Die seit fünf Jahren auch in Persien ausgebrochene Seidenranpen»
krankheit zwingt die Perser, welche dem seidenranpenkranken Gurops
früher ihre Unterstützung verweigerten, neuerdings zum Ankanfe tob
Seidenraupeneiern aufserhalb Landes.
Hauptbandelsplätze: Tebris, Rescht, Barfurusch, Meschbed, Jesd,
Kirman, Bender Abnschehr, Bender Abbasi, Schiras, Isfahan, Hamar
dan; für Transit: Chol, Ardebil, Kirmanscbah, Astrabad, Tehrao.
Seidenprodnction, Consumtion und Handel der südkaspisdiea
Küstenprovinz Gilan (Hauptstadt Rescht, Haupthafen EnselQ-
1854 war der Preis der Rohseide in Rescht 10 — 12 persische To-
man das Batmanschahi («=» etwa 6 Kilogramm). 1855 und 1S56
lag der Seidenhandel durch den orientalischen Krieg darnieder. 1857
hob er sich wieder.
1858 wurden in Gilan etwa 18,000 Ferde oder Lnle Rohseide,
das Ferde oder Lule = 6 Batmanschahi oder =» etwa 36 Kilogramo,
erzeugt Ein Batmanschahi Rohseide wurde damals in Reacht mit
10 — 27 Toman bezahlt, je nach der Qualitit und der Zeit; im Allge-
meinen hielten sich die Preise sehr hoch.
1859 wurden daselbst nur 17,000 Lule von im Allgemeinen mittel-
mfifsiger Qualität erzeugt, weil zu Anfang Juni, wo die Seidenraupen
zu steigen beginnen, unvermuthete Regen eintraten.
1860 erzeugte man 19,000 Ferde von im Allgemeinen ziemlicfa
mittelmäfsiger Qualität. Die Cocons waren zwar in sehr grofsen Men-
gen vorhanden, aber wenig ausgiebig an Seide, deren Fäden sich ubei^
dies ziemlich ungleich und nicht glatt abwickelten.
1861 ungefähr dieselbe Quantität wie im Vorjahre, aber* im All-
gemeinen von viel besserer Qualität. Im Beginne des Frühjahrs hoffte
man auf eine besonders reichliche Ernte von mindestens 20,000 Ferde.
J)a aber in Folge der ganz ungewöhnlichen, wenn auch sehr knxxen
Winterkälte und des verzögerten Frühjahres die Maulbeerbanmblitter
Ach später als gewöhnlich entwickelten, welchen Umstand dieGilaner
bei Zeiten zu beachten unterlassen hatten, so wurden sie meist nodi
ganz klein Verfuttert, und im Spätfruhlinge sah man sich dann, aus
Blättermangel, genöthigt, Unmassen von Seidenraupen vor ihrer völli-
gen Entwickelung ungenutzt wegzuwerfen. Trotzdem stieg die beste
Qualität nur bis achtzehn Toman für das Batmanschahi (fast 6 Kilo-
gramm) Rohseide.
1864 machte sich die Seidenraupenkrankheit das erste Mal in
Oilan beraerklich, und zwar zumeist im Centrum und im östlichen
Theile der Provinz, während ein Theil dieses letzteren und der ganxe
SpecialstatistUL Ton Persien. 437
^eestliche noch eine ziemlich gnte Ernte aufwiesen. Die Perser schrie-
ben grofsentheils der grofsen Hitze wahrend der Ernte (Nochan) und
eiDem feinen Stauhe, cfer im April ein paar Tage lang die Luft der
betroffenen Gegenden erfüllte und alles mit einer sichtbaren Schicht
bedeckte, das erste Auftreten dieser Krankheit zvu — Seitdem aber
hat die schreckliche Krankheit alljährlich der sonst so reichen Provinz,
sowie dem ganzen Persien sehr erhebliche Nachtheile zugefügt.
1867 gewann man nur etwa 4000 Ferde Rohseide und an 1000
Ferde Las (rohe SeidenabfKlle). Das Batmanschahi Seidensamen war
50 — 60 p. Toman werth.
1868 war der Winter in Gilan ziemlich kühl und schneereich ge-
wesen, weshalb man auf ein warmes Frühjahr und einen heifsen Som-
mer hoffte. Allein aufsergewöhnliche heftige Regen zu Anfang Juni
verdarben die Aussichten auf eine gute Seidenernte, so dafs man
schliefslich nur auf einen Ertrag von etwa 6000 Ferde Rohseide und
1500 Ferde Las rechnen konnte. Von Seidenraupeneiern waren ein-
geführt worden: 1200 Batmanschahi in Kisten, 75 Batmanschahi in
Canons zu einem Drem (200 Drem = 1 Batmanschahi). Die besten
Resultate ergaben die von Lenkeran in russisch Talysch eingeführten
Seidensamen, deren Preis bis auf 100 persische Toman für das Batman-
schahi stieg, nächst ihnen die wirklichen japanischen und die von ja-
panischen auf gilan er gezüchteten, die chorasaner (von Sebsewar) und
die tarumer; gar nichts taugten die arabischen und die auf italifinische
gezüchteten japanischen Samen. Aufserdem brachte man Samen von Te-
nekabun in Masanderan und von Jesd in Südpersien, denn eigentliche
gilaner waren von 1867 her nebst japanischen in Gilan gezüchteten
Seidenraupeneiern nur sehr wenige übrig geblieben. Der Preis der
Rohseide schwankte zwischen 20 — 32 p. Toman für das Batmanschahi
and der des Las zwischen 3| bis 5 p. Toman für dasselbe Gewicht.
Im Jahre 1860 betrug der Export aus der Provinz Gilan:
an Rohseide für 846,000 Toman
an Las ) 77,640
rr . u 1 Rohseidenabffille „« o^^
an Ketsch \ 37,860
'961,500 Toman
Fische, Caviar und Hausenblase zusammen für etwa 300,000 (?) -
Gesammt- Export . . c. 1,261,500 Toman
Der Import betrug im gleichen Jahre an Colonialzucker, Thee,
Kaffee, Tombeki (pers. Rauchtabak), Farbe- und Arzneiwaaren, Bntp
ter, Reis aus Masanderan, Opium und Zucker aus Jesd, persischen Ma-
nufacten aus Isfahau, Jesd und Kaschan, englischen Manufacten, Mehl^
Eisen, Olas und Qnincaillerie aus Rufsland, dürrem Obste etc. zu-
sammen für 594,127 Toman»
438 ^' C- HäntBiche:
Dayon warde wieder mit ausgeführt: nach anderen persischen Pro-
vinzen: an Eisen, Glas und Qaincailleriewaaren und nach RoDslaod
(d. fa. Georgien und Kaukasus): an Baumwollen und Seidenstoffen aas
Isfahan, Raschan, Hamadan, an Tombeki, trocknem Obste, wie Rosi-
nen, Pflaumen, Pfirsichen, Oliven, und etwas weniges an rober Baum-
wolle etc. zusammen für 168,000 Toman.
. Es blieben somit in Gilan für den eigenen LandesbeAarf fir
426,127 Toman.
Unter den abendlfindische Handelsfirmen in Persien and deren
Correspondenten sind die folgenden zu erwähnen.
Thomas Ralli, Agelosto und Coropagnie in Tebris und Rescht.
Griechisches Handebbaus, früher unter russischem, jetzt unter engli-
schem Schutze. Import: Englische Baumwollenzeuge. Export: Roh-
seide. Correspondent: E. Schilizzi in Konstantinopel. — Ralli & Co.,
in Tebris und Rescht. . Griechisches Handelshaus unter rassischem
Schutze. Import: Englische Baum wollenzeuge. Export: Rohseide. —
Hanhart, Wirth & Co. (früher J. J. Dinner, Hanhart & Co.), in
Tebris und Rescht. Schweizer Handelsbaus unter russischem Schutze.
Import: Schweizer, englische und belgische BaumwoUenzeuge, Tuche,
Quincailleries etc. Export: Rohseide, Cocons, Seidenabfalle, rohe Baum-
wolle etc. Auch Commissionsgescbäfte. Correspondenten:' Ho negger,
Pirjentz <& Co. io Konstantinopel (Walide Chan in Stambul) und Trape-
zunt. — Karl Grnnert, Posamentier aus Oberwiesenthal im sachsischeo
Erzgebirge, unter russischem Schutze, Kleinhändler und Commissionir
in Tehran für Posamente, Luxusartikel, Quincailleries etc. Correspon-
dent: C. A. Schreiber, Posamentirwaaren Fabrikant in Schlettaa im
Königreiche Sachsen. — Die (neue) russische transkaspische Handels-
kompagnie in Ardebil, Rescht, Enseli, Barfurusch, Schabrud (Bestam}
und Aschurada. Import: Eisen, Messing, Glas, Steingut« rassische
Baumwollenzeuge und Tuche, Quincailleries etc. Export: Getrocknete
Früchte, Krapp, Baumwolle, Rohseide etc.
Verkehr. Die SeeschiffTahrt im persischen Meerbusen ist meist
in den Händen der Araber, aufserdem der Engländer, die auf dem
kaspischen Meere gänzlich in den Händen der Russen. Schiffbare
Flusse und Canäle sind ebensowenig vorhanden, wie Eisenbahnen, oder
künstliche Landstrafsen, von welchen letzteren nur die elenden Reste
des von Schah Abbas I. vor mehr als zweihundert Jahren in den sud-
■kaspischen Küstensümpfen erbauten, mit Steinen gepflasterten Chiaban
theilweise sich noch vorfinden. Einkehrstellen bieten die Karwanse-
ral und Rubepuncte die Ufer von Gewässern und die Cisternea
(Abambar).
Die Bef5rderung von Waaren geschieht durch Karwanen, denen
Specialstatistik von Persien. 439
«ich auch Reisende anscbliefsen , welche der gröfseren Sicherheit und
Bequemlichkeit halber nicht allein weiter wollen. Der Mietbpreis der
Karwanlaatthiere wechselt je nach der Jahreszeit und den Handels-
bedürfnissen, so z. & für ein Lasttbier von Tehran nach Tebris zwi-
«cben zwei und drei Toman, von Rescht nach Pirebasar zwischen 1
and 5 Kran, zwischen Enseli and Astara (Lenkeran) zwischen 1 bis
2, selbst 2^ Toman« Die Beförderung von Coarieren (Tschapar) und
-anch von Reisenden, welche aber dann mit einer Regier ungsan Weisung
▼ersehen sein müssen, geschiebt aaf Postpferden, welche in den von
^er Regierung jährlich verpachteten Posthäusern (Tscbaparcbane) der
Hauptstrafsen gehalten werden. Zuerst wurden die Pferde gratis ab-
gegeben, später wurde für je ein Farsang Wegs für jedes Pferd ^ Kran
bezahlt; jetzt zahlt man 15 Schahi dafür pränumerando und gewöhn-
lich noch ein Trinkgeld an den begleitenden Tschaparschagird (Post-
knecht), dessen Pferd man, falls sich der zufällige Anscblufs an einen
Courier nicht darbietet, ebenfalls bezahlen mufs, wofür man dasselbe
|edoch auch als Packpferd mit benutzen kann. Die Versendung von
Briefen, Zeitungen, kleineren Geldsummen und Waarenproben geschieht
Je nach Bedürfnifs entweder durch eigens bestellte und bezahlte, sehr
flinke und recht zuverlässige Fufsboten, welche einer Art Genossen-
gehaft angehören, oder durch nicht regelmäfsig abgehende berittene
Cooriere, von welchen die der europäischen Gesandtschaften und Con-
-solate weit zuverlässiger und schneller sind, als die der persischen
Regierung, und darum auch viel mehr benutzt werden. Briefe etc.
von und nach Europa müssen der Weiterbeforderung halber unbedingt
entweder an ein Grenzpostcomptoir in Rufsland (Nachitschewan, Eri-
wan, Tiflis, Lenkeran, Baku, Astrachan), oder an bekannte abendlän-
dische Handelshäuser in Bagdad, Trapezunt und Konstantinopel adres-
sirt werden.
Der Staatstelegraph zwischen Tehran und Tebris ist nenerdingp
nach Rescht in Gilan abgezweigt, andererseits von Tebris bis zur rus-
aachen Araxesgrenze bei Dschulfa (von wo über Tiflis nach St. Peters-
burg etc.) verlängert werden, wird jedoch wegen der grofsen Unzuver-
lässigkeit der persischen Beamten, welche in persischer und französi-
scher Sprache telegraphiren , fast gar nicht benutzt. Die Linien von
Tehran nach Bagdad und Ben derb uscbehr sind in Angriff genommen
worden und gegenwärtig vermuthlich beendigt.
Geld- und Credit wesen. Das Münzenschlagen ist Vorrecht
' der Krone. Münzstätten befinden sich in den gröfsern Städten, deren
Namen auf die betreffenden Münzen mit geprägt werden. Die alten
atädtischen Kupfermünzen sind vor zwölf Jahren ungiltig erklärt und
durch neue allgemeine Staatsscheidemünzen aus Kupfer ersetzt worden»
440 J- C* Hänftsflche:
Vor sieben Jahren ist jedoch wieder eine willkorliche TerSnderaog
der kapfernen Scheidemünze vor sich gegangen, indem der Werth der-
selben im Verhältnifs von 2 sa 3 heral^esetxt und neoe Kapfennanse
in Umlauf gesetzt worden ist, was jedoch den Gold- und Süberenn
nicht beeinflafst. Papiergeld nnd Banken existiren nicht. Rossiadies
Papiergeld wird jetzt im Handel in den kaspischen Seeprovinzen mit
gMngem Verluste angenommen. Der gesetzliche Zinsfufs von 12 pOL
j&hrlicb wird gewöhnlich bia zu 36 pCt. und wucherischer Weise noch
'viel höher hinaufgeschraubt. Das Wechselrecht flielst aus dem Scher
und wird deshalb von den schiitischen Priestern gehandhabt; die welt-
liche Macht leitet, da ein eigentlicher Wecbselarrest im abendländiscbeo
Sinne nicht existirt, die Execution durch ihre Executoren (MofaassilX
för deren Kosten in diesen Fällen der Gläubiger aufkommen mnb.
Trotz allem sind Concurse änfserst selten, betrügerische unerhört.
Löhne. Tagelohn für Handarbeiter | — 1^ Kran. Diener bei
Abendlfindern erhalten 1 — 5 Toman Monatslohn nnd keine Kost, zum
persischen Norus (Neujahrstag) ein Geschenk; den Einheimischen die-
nen sie häufig ohne Lohn, gewöhnlich gegen Unterhalt und gelegent-
lichen Verdienst
Bildung und Unterricht. Bildung mehr äufserlich. £in des
Lesens und Schreibens Kundiger ist schon ein Gelehrter und fuhrt
dann den Titel Mirsa vordem Eigennamen (nach demselben bedeuteter
^Prinz^). Der Unterricht ist sehr spärlich und kGmmerlich, noch ge-
ringer der für das weibliche Geschlecht. Schulzwang existirt nicht, ood
der Staat besoldet die Lehrer nicht, bekümmert sich überhaupt gar
nicht um das Volksschulwesen, ebenso wenig die städtische Obrigkeit.
Die Volksschnllehrer leben von dem sehr niedrigen Schulgelde and
von Nebenbeschäftigungen, die sie während des Unterrichts mit be-
treiben, wie Schreiben, Malen, Büchereinbinden etc. Die Lehrer (geiaC:-
Kchen Standes) an den mit Mesdsched (Betfaaus) oder Imamsade (Hei>
ligengrab) verbundenen Medrese (geistliche und Rechtsschulen) werden
aus den geistlichen Fonds honorirt. Die militärische und medicinisehe
Schule, nach europäischen Mustern und mit europäischen Lehrern von
der Regierung in Tehran im Jahre 1851 eingerichtet, ist wieder ein-
gegangen.
Wissenschaften und Künste. Die geistlicben Bibliotheken
an den Schulen und heiligen Orten entziehen sich jeder statistischen
Controle. Die Maler (Nakkasch) bilden in den grofseren Städten eine
handwerksmäfsige Zunft unter einem selbstgewShIten Vorstand (Nak-
kaschbaschi), jedoch ebenfolls ganz ohne Zunftzwang. Instrumental-
musik, Gesang und Tanz gelten als nicht anständige Beschäftigungen^
SpedalfltatUtik von Penien. 441
man den sogenannten Luti überläfst, welche sie nebst der Taschen-
spielerei in gröfseren oder kleineren Vereinigangen betreiben. Die
Tänzerinnen darfen nar im Harem auftreten, öffentlich nnr die Tänzer-
knaben (Matrib). Das Dichten ist eine freie Knnst, die von Hof- und
anderen zahlreichen Porten eifrig betrieben wird. Das Theater wird
nar durch Passionsspiele ersetzt, welche namentlich im Aschre (die
ersten 10 Tage des Monats Mnbarrem) allgemein stattfinden.
Press'le und Literatur. Druckereien giebt es nicht, dagegen
in den gröfseren Städten eine oder mehrere lithographische Anstalten,
welche hauptsächlich Bücher mit schlechten Illustrationen liefern, die
meist leicht eingebunden im Basar verkauft werden. Die persische #
Literatur ist sehr reichhaltig in Bezug auf Theologie and damit zu*
sammenhangende Rechtslehre, Poesie, Mathematik, Astronomie, Astro-
logie, Alcfaemie, Geschichte, Geographie und arabische oder eigentlich
galenische Medicin. Am Ende jedes Mondjahres wird der persische
Kalender herausgegeben. Eine seit 1861 christl. Zeitr. schlecht illu-
strirte lithographirte Hof- und Staatszeitung in persischer Sprache er-
scheint wöchentlich ein Mal in Tehran. Strenge Ueberwachung der
gesammten einheimischen Literatur wird durch die Geistlichkeit und
durch die Staatsgewalten ausgenbt.
Religiöser Cultus. Staatsreligion ist die islamische grofse
6ecte der Schie mit locaten geistlichen Oberhäuptern ( Mudschtehid,
Imam Dschame, Scheichulislam). Viele kleine Secten (Aliallahi,
Tschiraksönderan , Susmani, Jesidi, Sofi,'Babi etc.) wuchern im Ge-
heimen. Andere (geoffenbarte) Religionen (siehe oben unter „Religions-
bekenntnisse^) werden geduldet. Der Uebertritt vom Islam zu einem
andern Bekenntnisse ist mit dem Tode bedroht. Die geistlichen Ein-
künfte sollen sich bis auf 2\ Millionen Toman jährlich belaufen, von
denen die Ausgaben zum Besten des Islam bestritten werden. Wall-
£üirtsorte (Imamsade, Asitane) giebt es unzählige, von denen die haupt»
Bächlichsten, welche auch als Best (= Asyl) dienen, in Schah Abda-
lasim bei Tehran, in Kum und in Meschhed sich befinden. (Das an-
gebliche Grab des Ali in Kerbela, nächst Mekka der Hauptwallfahrts-
ort der Schie, liegt, wie jenes, im türkischen Arabien.
Für die einheimischen Christen residirt ein (gregorianischer) ar-
menischer Bischof in Dschulfa bei Isfahan und ein nestorianischer in
Ürumia, vpn denen in geistlichen Angelegenheiten der erstere von dem
Kirchenoberhaupte im Kloster Etschmiadzin im westlichen russischen
Transkaukasien abhängt, der andere von dem in Dschulamerk im tür-
kischen Kurdistan. Eine nordamerikanische puritanische Mission in
Urumia macht unter den einheimischen Christen noch weniger Prose-
442 J- C. H&ntssche:
IjteD, als die zwei französischen romisch-kaÜK^ischen io Ummia und
Dilman am Unimiasee.
Oesandheitspflege. Bei dem gfinzlicben Mangel an Medieinal-
behörden and Gesetzen ist eine auch nur annähernde Statistik rem
anmöglich. Sogenannte Aerzte, Wund&rzte, Augen&rzte und Hebammen
giebt es aufserordentlich viele, dagegen keine Geburtshelfer, Thierürzte,
Apotheker, Apotheken und Krankenanstalten. In Tehran bestand ein
Miiit&rhospital, welches diesen Namen durchaas nicht verdiente. Nor
selten giebt man in Kriegsf&Uen den Truppen einige sehr schle<^t be-
zahl te Aerzte in ungenügender Anzahl und ohne Medicamente etc. beL
Eine ärztliche Honorartaxe giebt es nicht, und der Arzt läCst sich ent-
weder vorausbezahlen, oder hält sich durch die selbst dispensirten
Arzneien schadlos für seine Mühe, welche der Perser bei seinem ste-
ten Ueberflusse an Zeit und seinen wissenschaftlich ungebildeten Aerz-
ten nicht begreift Die Gesammtzahl der sehr verbreiteten Mineral-
quellen, sowie die der io jedem gröfseren Orte häufigen orientalischen
warmen Bäder ist nicht genau zu ermitteln. Turnvereine bestehen
nicht, dagegen für das männliche Geschlecht allein ein oder mehrere
altpersische Turnbänsi^r (Sorchane) in jeder gröfsern Stadt, in welchen
sich namentlich die weifsen und farbigen Ringer (Pehlewan) von Pro-
fession ausbilden, wie in den Bädern auch die Bader oder Barbiere
(Dallak) 0-
Armenwesen ist gänzlich in den Händen der höheren Geistlich»
keit, wie auch die Bevormundung der Wittwen und Waisen. Bettet-
▼erbole giebt es nicht; deshalb begegnet man sehr zahlreicheorBett lern
und Bettlerinnen jedes Alters, und bekanntlich nähren sich die sehr
verbreiteten 48 Orden der Derwische nur vom Betteln. Besondere
Wohlthätigkeitsanstalten giebt es nicht, dafür viel Frivatwohlthätigkeit.
Sittlichkeit. In Ermangelung officieller Ausweise ist eine Sta-
tistik der vorzugsweise in den höhern und niedrigsten Ellassen vorhan-
denen Unsittlichkeit unmöglich.
Staatsverfassung. Der Schah von Persien ist unumschränk-
ter Herrscher. Im Widerspruche mit dem muhammedanischen Gesetze
ist in den vergangenen Decennien mit Hülfe europäischer diplomatiscbw
*) Von abeodllUidischen Aerzten, die theilweise fest angestellt sind, practiciren
mehrere in Tehran, deren einer erster Leibarzt des Schah und mehrere Gesandt-
achaftsftrzte, nnd in Tebris, einer (ein Schwede) in Schiras; frtther l«bte auch ein
dentscher Arzt in Rescht. Zwei russische Marineftrzte der kaspischen Flotte sind
zeitweilig auf die Insel Aschurada, russische Flotillenstation in der Bucht \'on Astra-
bad, abcommandirt ; der eine von ihnen bringt jährlich mehrere Wochen als pracU>
cirender Arzt auf dem nahen persischen Rttitenfestlande (Astrabad und Uasanderan) so.
Specialstaüstik von Persien. 443
Yereinbarang das Thronfolgerecht der erblichen männlichen Erstgeburt
in absteigender Linie festgestellt worden, am die durch viele Thron-
Prätendenten beim Tode des jeweiligen Schah vermehrte Anarchie ab-
zukürzen. Der gegenwärtige Herrscher aus dem ost- türkischen, in
Persien heimisch gewordenen Stamme der Eadschar, Nasreddin Schah,
ist 1830 geboren und regiert seit dem Herbst 1848 christlicher Zeitr
rechnung.
Staatsverwaltung. Dem Grofswesir, dessen Stellung, häufig
mit anderen Titeln begünstigt, etwa der eines Reichskanzlers gleich-
kommt, aber nicht immer besetzt ist, sind bei- oder untergeordnet die
Wesire der auswärtigen Angelegenheiten, des Innern, der Finanzen,
der Justiz, des Krieges, des Handels, der Wissenschaften, der Wesir
für die Verwaltung der frommen Stiftungen, der Muschir Dow 1 et (Mi-
nister ohne Portefeuille) und der Ealanter (Polizeimeister) der Resi-
denz.
Persien wird gegenwärtig in folgende zwanzig Hakimäischin oder
Wilajet (Gouvernements oder Provinzen) eingetheilt:
1) Aserbaidschan mit der Hauptstadt Tebris; 2) Gilan mit der
Qrenzgebirgslandschaft Talysch und der Hauptstadt Rescht; 3) Masan-
deran mit der Hauptstadt Sari; 4) Astrabad mit dem persischen Turk-
manenlande und der Hauptstadt Astrabad; 5) Chorasan mit der Haupt-
stadt Meschhed; 6) Tehran mit der gleichnamigen Hauptstadt, welche
zugleich Landeshauptstadt und königliche Winterresidenz ist; 7) Kas-
win mit der gleichnamigen Hauptstadt; 8) Chamse mit der Haupt-
stadt Sengan; 9) Kurdistan mit der Hauptstadt Sene (Sihna); 10) Kir-
manschah; 11) Hamadan; 12) Kum, 13) Kaschan, 14) Isfahan, 15) Kir-
man; 16) Jesd; 17) Burudschird sämmtlich mit den gleichnamigen
Hauptstädten; 18) Pars und Luristan mit der Hauptstadt Schiras;
19) Arabistan mit der Hauptstadt Schuschter; 20) Malairtusirkan.
Jedes Gouvernement zerfällt in Bezirke (Buluk) und Gemeinden
(Maballe).
Die Organißation des • persischen Beamtenwesens ist eine um so
verworrenere, als neben den Staatsbeamten auch die hierarchischen
fun^ren, welche in sehr viele Fächer hinübergreifen, namentlich in das
Justizfach, in das Steuer- und Bauwesen, in den Wege- und Brücken-
bau etc. In manchen Provinzen finden sich Yerwaltungseinrichtungen,
die in anderen gänzlich fehlen oder anderen Beamten, oder wenigstens
anders benannten Beamten, untersteilt sind. Die Provinzen werden
▼on Gouverneurs (Hakim, auch Wali) verwaltet, welche entweder
Prinzen oder Günstlinge sind, die ihre Stellen alljährlich zum Noras
(das persische Neujahr, am 21. März) kaufen müssen» oder von deren
444 J- 0. Häntssehe:
Stellvertretern (Kaimakam), welchen wieder meist rom GoaTemenr
ernannte Wesire zur Seite stehen Jede Provinz hat in der Haaptstadt
Tehran einen Mastofi, welcher die Rechnungen zu prüfen und in Evi-
denz zu halten hat. Die s&mmtllehen Mastofi stehen unter dem Ma*
atofielmemalek (Minister des Innern). Auch das auswärtige Ministerium
unterh< in den Provinzialhauptstfidten je einen Beamten, WekaTnigar,
Mumschi, Debir, auch Naibelwesare genannt, zum nächsten Verkehie
mit den auslfindischen Vertretern und den in ihrem Schutze oder aulser-
halb desselben stehenden ausländischen ünterthanen, zur Regelung dee
Grenzverkehrs etc. Gröfsere Städte haben einen eigenen Stadtgouver-
neur (Hakimschehr) als Ortsvorstand, kleinere den Polizeimeister (Ea-
lanter), Marktfiecken (Basar) die Marktmeister (Daroga), deren es in
grÖfseren Städten, wo sie auch als Viertelsmeister (Daroga Maballe)
fungiren, mehrere giebt, Landgemeinden (Mahalle) und Dorfer (De)
die Dorfschulzen (Eedchuda) und Ortsältesten (Rischsefid = Weila-
bart). Nomaden (Hat) stehen nicht unter dem Hakim, sondern unter
ihrem Stammesoberhaupte (Ilchani), welches, bei gröfseren Stämmen
wenigstens, dem Hakim coordinirt ist. De facto besteht die Praxis
der ganzen persischen Staatsverwaltung einschliefslich eines grofsen
Theiles der hierarchischen, volkswirthsehaftlich nur in einem systema-
tischen Raube von oben nach unten und social von unten nach obeo.
Das priesterliche Gesetz (Scher, Soheriat) ist aus dem Koran her-
geleitet und wird von den Priestern als Richtern gehandhabt, das welt-
liche, Urf, mehr auf dem augenblicklichen Bedurfnisse beruhend, vom
Schah, von den Hakim und von dem weltlichen hohen Gerichtshoie
(Diwanchane). Die Competenz des Urf wird von den Priestern nickt
anerkannt, was die allgemeine Rech tsun Sicherheit noch mehr erhobt
Die Strafen, einschliefslich die Todesstrafe, sind grausam, können durdi
Entfliehen in das Best (Asyl) oder in entfernte Provinzen, oder auch
durch ferne Wallfahrten oft umgangen und gröfstentheils mit Geld ab-
gekauft oder gemildert werden. Auch von der gesetzlichen Blutrache
ist Loskauf möglich. Tortur ist zulässig und wird häufig als Basto-
nade (Feleke) angewandt.
Einheimische Christen, Juden und überhaupt Andersgläubige stehen,
wo sie in gröfserer Anzahl beisammen leben, zunächst unter ihren
eigenen Gemeindeältesten und Priestern, dann aber auch unter der
persischen Verwaltung, und sehen sich bei Bedrückungen derselben
oder bei Uebergriffen der muhammedanischen Priester oft genöthigt,
die Intervention oder den Schutz der fremden Vertreter anzurufen,
den der russische, englische und türkische nach den Tractaten wirk-
sam zu verleiben ermächtigt und im Stande sind. Die persischen
Diener fremder Unterthanen erfreuen sich ebenfalls mehr oder minder
I
Spectalstatistik von Persien. 445
des Schdtzea der betrefifendea Vertreter ihrer Herren, ausgenommen
in den auf das Confessionelle bezuglichen Verhältnissen, in welchen
selbst anslandische Schiä den einbeimischen geistlichen Gerichten mehr
oder minder unterliegen, Sehr h&ufig begeben sich sogar die schiiti-
dchen persischen Unterthanen selbst vor ihren Bedrückern momentan
in den Schutz der europäischen Mfichte.
Die Zölle werden von der Regierung an die Meistbietenden ver-
pachtet; in diesem Jahre in der Gesammtsumme von 536,660 Toman.
Indirecte Besteuerung geschieht namentlich durch die ebenfalls
von der Regierung allj&hrlich verpachteten Binnenzölle. Directe Steuern
erbeben die Gouverneurs durch die Unterbeamten. Die Vertheilung
der geringen Gewerbesteuer (bis zu 20 pCt. der Einnahme) geschieht
gewöhnlich ziemlich uniform auf die Basarläden (Dnkkan) und schon
deshalb sehr ungerecht. Uebrigens wird ungerechter Weise von allen
Steuern weit mehr erhoben, als an die Regierung abgeliefert wird, so
daCs manche wirklich nicht arme Provinzen, deren Bewohner die jähr-
liche Gesammtsteuer (Maliat) in Wirklichkeit mehr als reichlich bezahlt
haben, dennoch officiell vor der Centralregierung in Tehran selbst
jahrelange Steuerreste aufweisen. Der Voranschlag der Steuern und
ihre Erhebung erfolgen alljährlich um das Noras (das altpersische Neu-
jahr am 21. März) herum praenumerando, wie auch die Gehälter eben
80 auf ein ganzes Jahr voraus zwar angewiesen werden, sehr häufig
aber nicht zur Auszahlung gelangen. Als Grundsteuer soll ein Fünftel
-des Ertrages erhoben werden, gewöhnlich aber wird ein Viertel davon
erhoben.
Die Hat fNomaden), wenn sie überhaupt etwas an die persische
Regierung leisten, zahlen für das Weiderecht, liefern Thiere an den
Hof in Tehran, namentlich Kameele und Esel, welche keine feste
Steuer zahlen, und stellen Soldaten. Jeder gröfsere Stamm soll ein
Pantsch (Bataillon von nominell 800 Mann) regulärer Infanterie stellen
and eine Schwadron (100 Mann nominell) irregulärer Reiterei, welche
zeitweilig den Grenzdienst versieht und vom Stamme selbst völlig aus-
gerüstet werden mufs, sold berechtigt jedoch nur während des Dienstes
ist. An Weidegeld zahlen die Nomaden jährlich für eine Kuh 2 Kran
bis 2 Eran 2 Schahi, für ein Pferd 14 Schahi bis 1 Kran; für Schaafe
xind Ziegen wird die Butter- und Käsemenge als Steuernorm angenom-
men. Wo die Stückzahl des abgabepflichtigen Viehs von der persi-
schen Regierung nicht ermittelt werden kann, zahlt der Ilchani eine
jährliche Bauschsumme nach eigenem Gutdünken. Aufserdem macht
er dem Schah und den einflufsreichen Personen in Tehran alljährlich
bedeutende unfreiwillige Geschenke an Pferden, Teppichen, Shawls und
Geld, was auch die Hakim und die übrigen gröfseren Beamten thun
446 ^- 0. HäntzBche:
muBSl^n, wollen sie sich in ihren Stellen länger erhalten. Von den
persiachen Turkmanen zahlen die Jamut kein bestimmtes Maliat (j£hi^
liehe directe Oesammtabgabe) an den Schah von Persien. Im Jahre
1858 sollten* sie von jedem Zelte 12 Kran (etwa 4 Thaler) geben.
Das Maliat des grofsen Tarkmanenstammes der Goklan war auf j&hrliefa
6000 Toman beziffert, doch nahm man ihnen, da sie cugfinglicher aand,
als die anderen Tarkmanen, und auch mehr Bodencaltar betreiben,
im Jahre 1857 per fas et nefas allein 27,000 Toman ab, aufserdem
von jedem Toman (= 1 Ducaten) Abgabe noch 30 Schahi (= ^ Thaler)
Steaerzaschlag an den damaligen persischen Provincial-Gouvernear von
Astrabad, der zugleich Ilchani war. Den dritten grofsen Stamm der
sogenannten persischen Turkmanen, die Tekke, hat die persische Re-
gierung noch zu keiner regelm&fsigen Abgabe zwingen können. (Vgl
^Topographie und Statistik der persischen Turkmanen^ von Dr. J. G.
H&ntzsche in Dresden in der Zeitschrift für allgem. Erdkunde, Neue
Folge, Bd. XIII. 1862. S. 97— 104.) üebrigens wird die anschei-
nend höhere Besteuerung der freien Nomaden durch die systema-
tische Bedrückung und Aussaugung der sefshaften Bevölkerung mehr
als ausgeglichen.
Staats finanzen. Sie befinden sich trotz der Abwesenheit von
Staatsschulden in der traurigsten Verfassung. Die jährliche Einnahme
war in den letzten Jahren auf 3^ Millionen Toman veranschlagt. Da
sie aber einerseits nie erreicht wird, andererseits, weon erreicht, kaum
zur Deckung der Ausgaben für den Hofstaat und der Gehalte — Pen-
sionen giebt es nicht — , welche beide Posten die fast ausschliefsliehen
des Ausgabebudgets bilden, ausreichen wurde, so mufs ^s Deficit durch
unfreiwillige Geschenke, durch gewaltsame Confiscationen und durch
SteuerzuschlSge in dieser oder jener Provinz gedeckt werden, oder
endlich auch durch theilweise und gänzliche Verkümmerung von Ge-
hältern. Die Finauzperioden sind einjährig und der Voranschlag wird
von den Regierungsbeamten gewöhnlich noch vor dem 21. März auf-
gestellt. Für das laufende Jahr beträgt der Voranschlag der Einnah-
men 4,9 1 2,500 Toman, welcher naturlich wieder nicht erreicht werden
wird, und der der Ausgaben 4,250,000 Toman, welcher sicherlich wie-
der überschritten werden wird, zumal der Werth der für Unterbältung
der Armee und der Hofhaltung des Schah erforderlichen Natural-
abgaben an Thieren, Gerste, Weizen, Reis und Seide mit 550,840 To-
man zu hoch taxirt erscheint; und sollten auch die Zölle mit 536,660
Toman eingehen, so wird der Voranschlag von 3,825,000 Toman haa-
ren Einkommens von den Provinzen gewifs wieder bedeutende officielle
Reste aufweisen. Vergl. oben unter „Staatsverwaltung.**
Specialfltatifltik von Persien. 447
Kriegsmacht. Die persische Armee zerfällt in die reguläre
Trappe (Nisam) und in die irregulfire (Redif). Die letztere, deren
Höhe auf dem Papiere zu 80^000 Mann, unter denen 30,000 Mann ir-
reguläre Reiter, angegeben wird, besteht zum grofseren Theile aus
Nomaden, über deren Aushebungsmodus schon oben unter ,) Staats-
verwaltung*' mit berichtet wurde. Zu erwfihnen wäre hier noch,
dafs die persischen Tnrkmanen im Kriegsfälle der persischen Regie-
rung zwei Bewaffnete zu Fufs (Tufeukdschi ==: Flintentr&ger, Infanterie-
miliz) und einen zu Pferde von jedem Zelte stellen sollen, was aber
höchstens mitunter von den Ooklan befolgt wird, und dafs die masan-
deraner Miliz zum grofsen Theile noch mit Luntenflinten bewaffnet ist
Auch die regulären Truppen recrutiren sich — ohne jegliche ärzt-
liche Untersuchung und gewöhnlich zwangsweise — gröfstentheils ana
den türkisch - tatarischen Nomadenstämmen, so dafs, bei dem Mangel
eines allgemeinen Recrutirungsgesetzes, die Landesvertheidigung haupt-
sächlich den nördlichen und westlichen Grenzbewohnern anheimfällt.
Es giebt auch ein Fautsch regulärer Infanterie aus Fars und Luristan,
sowie früher zwei aus einheimischen Christen (meist Chaldäern) beste-
hende Fautsch existirten. Ein militärpflichtiges Alter kann auch hier
nicht verlangt werden, weil kein Mensch im ganzen Lande weifs, wie
alt er ist. Der einmal Ausgehobene, gleichviel ob tüchtig oder nicht,
ob jung oder alt, bleibt Soldat bis a^ sein Lebensende, sollte er auch
während des Dienstes invalid werden. Pension ist daher auch beim
Militär unbekannt. Der Sold wird am Ende des Jahres von der Re-
gierung nur zu 75 pCt. nachträglich ausgezahlt. Bis die Zahlung durch
die verschiedenen Officiers hindurch bis zu dem Unterofflcier oder Ge-
meinen gelangt, sind mindestens noch 35 pCt. des ursprunglichen Sol-
des in deren Händen bangen geblieben und der Rest von 40 pCt. wird
ihm in stärk beschnittenen Toman ausgezahlt. Davon mufs er seinen und
mitunter seiner Angehörigen ganzen Lebensunterhalt, des (vorhergehen-
den) Jahres bestreiten, ferner etwa die Hälfte des Futters für den Pack-
esel, welcher Eigenth um von je zwei bis drei Soldaten ist und deren Hab-
seligkeiten auf dem Marsche trägt, da ein Train nicht existirt, endlich
einen grofsen Theil der höchst ungenügend gelieferten Bekleidung. Män-
tel erhalten die Truppen nicht. Die Schiefsge wehre sind ausrangirte euro-
päische mit Feuerschlofs, die Bayonets locker und verbogen. Etwas besser
wird die Artillerie und deren Material, die zahlreichen Kanonen alter
Constmction, gehalten. Obwohl die reguläre Armee nach europäischen
Mustern organisirt ist, so entbehren doch die Officiere, welche ihre
Stellen der Protection und Bestechung, oder auch ihrer Geburt ver-
danken, aller Bildung, sowohl allgemeiner, als sachlicher, und meist
448 J- C- Häntitche:
auch alles Mothes. Die onteren Chargen werden von den obern eben
ao gedruckt and ausgepreist, wie sie es mit ihren Untergebenen hal-
ten. Jedes Fautsch soll ein Jahr um das andere beurlanbt aeiii, vim
welcher Regel aber hiafig abgewichen wird, zornal wenn es einen
Generalmajor einfallen sollte, den vollen Jahressold fnr sich iuhI sein
Fautsch cu beanspruchen, in welchem Falle auch die Androhang too
Versetzungen in entfernte und ungesunde Gregenden ein anderes bei dea
hohen Militärchargen beliebtes Mittel ist, um die sogenannten Wider-
spenstigen wieder gefugig cu machen. Die Zahl der Mannschalten der
von ihrem jetzigen Mirpendsch Fesan Aga besser gehaltenen Artillerie
mit Inbegriff der kleinen, 200 Mann starken Feldabtheilung Kamed-
artilierie (Semburektscbi =s die Wespenartigen) wird auf 2000 Mann
angegeben. Die Infanterie soll etwa 84 Fautsch, das Bataillon von nomi-
nell 800 Mann, stark sein, von denen jedoch selten mehr als die ELalfke
im Dienst ist. Die reguläre Cavallerie ist nur 300 Mann stark. Das
berittene Corps der Gulam, eine Art reitender Gensd'armes, gehört
nicht zur regul&ren Armee, und findet meistens als Leibgarde des
Schah seine Verwendung. Jäger, Pioniers, Pontoniers, reitende Ar-
tillerie (aufser den 200 Semburektscbi) und Train kennt man nicht.
An der Spitze der ganzen Armee stehen der SerdarekuU (Geaeralfeld-
marscball), der Sepabsalar (Feldmarschall), der Kriegsminister (Ad-
schutanbaschi) und der Lieschkeifcwisbaschi (oberster Kriegscommissar);
unter ihnen die Mirtoman (Befehlshaber von Zehntausend), Mirpendsch
{Befehlshaber von Fünftausend), Sertip (Generalmajor und Brigadier),
Serheng (Oberst), Jawer (Major), Sultan oder auch Jfisbaschi (Haupt-
mann), Naib (Lieutenant), Wekil (Feldwebel), Debaschi (Gefreiter),
und die gemeinen Artilleristen (Toptschi), Infanteristen (Serbas) und
Reiter (Sawar). Auch Adjutanten (Adschutan) mit Officiersrang und
Generaladja tauten (Ad schutanbaschi) giebt es in der regul&ren persi-
schen Armee.
Waffenplätze sind Tehran (Festung), Tebris, Urumia, Ardebil'
{Festung), Isfahan, Schiras, Benderbuschehr, Meschbed, Aatrabad
(Festung), Enseli (Kustenbastionen).
Eine Kriegsmarine besitzt Persien eben so wenig, wie eine Han-
delsmarine, dagegen ein Paar Admirale (Deijabegi), deren Titel in der-
selben Familie erblich ist.
Auswärtige Politik. Die oben schon unter den Rubiiken
^ Handel^ und „Staatsverwaltung^ erwähnten Freundachafb-
und Handelsverträge anlangend, so berühren die von Persien mit Ruß-
land, England und der Türkei abgeschlossenen Tractate nicht blos
handelspolitische Interessen, während die mit Frankreich und den vie-
len übrigen Staaten nach französischem Muster eingegangenen neueren
Specialstetifltik von Persien. 449
Tertr£ge, fast nnr commercieller Natar, ziemlich harmlos und far die
^netreffenden Staaten grdfsteiitheils überflussig, nur im persischen (Staats-
«nd persönlichen) Interesse abgeschlossen erscheinen. Persien besitct
drdi Oesandtschaften, welche cwar stehend sind, sich aber, bei jeder
Neubesetzung, stets unter dem Titel ^ an fser ordentliche^ wieder-
holen, n&mlich in Konstantinopel, in St. Petersburg und in Paris, so-
wie Consules missi, nämlich Generalconsulate in Tiflis und Alexandria,
Consulate in Astrachan, Erzerum, Trapezunt, Damas, Damiette, Dschidda,
Smyrna, Snes, Eahira, Bagdad und Bombay; in Odessa und in Elber-
feld je einen Consul electus.
In Folge der Tractate befinden sich dagegen in Tehran eine rus-
sische, eine englische, eine türkische und eine franzosische Gesandt-
schaft stehend, in Tebris ein englisches, ein russisches, ein türkisches
und ein belgisches Generalconsulat, sowie ein französisches Consnlat,
in Kirmanscbah ebenfalls ein tfiridsohes Ck)nsttlat, in Benderbuschehr
und in Tehran englische Consulate, russische Consulate in Astrabad
und Rescht, in welcher letzteren Stadt auch ein englisches und ein
iranzösisches Consnlat. Mit Ausnahme des englischen Consulats in
Tehran nnd der beiden franzosischen in Tebris und Rescht, sind alle
diese Consulate, beziehendlich Generalconsulate, nicht blofse Handels-
consulate, sondern auch diplomatische Stellen, und die russischen ressor-
tiren nicht allein von der k. russischen Gesandtschaft in Tehran, wel-
cher zugleich die russische Kriegsflotille bei Aschurada im kaspischen
Meere mit untersteht, sondern, in manchen Beziehungen, gleich der
kaiserlichen Mission, auch von dem Statthalter des Kaukasus, und
direct* sowie indirect durch die k. russische Mission in Tehran , von
dem asiatischen Departement des auswärtigen k. Ministeriums in St.
Petersburg. Sfimmtliche fremde Consnln in Persien sind gleichfalls
Consules missi. Die bei weitem überwiegende Mehrzahl der Ausländer
in Persien steht unter russischem und unter türkischem Schutze und
eine Minderheit unter englischem, während die verschwindend kleine
Anzahl von Schützlingen und die viel entfernter stehenden etwaigen
sonstigen Interessen den Geschäftskreis der französischen und belgi-
schen Vertretung sehr beschränken.
Die vorliegende erste ausfilhrlichere Statistik von Persien erhebt,
'vie sieh ans ihr selbst ergeben dürfte, nicht den Anspruch auf volle
^iltigkeit in allem nnd jedem, sondern soll wo möglich als eine An-
fang dienen zu ergiebigerer wissenschaftlicher Bearbeitnng einer
Specialstatistik von Persien, soweit dies die gegenwärtig noch immer
Ztitteltr. d. QettlUoh. f. Brdk. Bd. TV. 29
450 Gerhard Rohlfs:
dort herrftcbeoden Verhfiltnisse gestatten möchten. Einstweilen folilt
sich der Verfasser belohnt» wenn er in den bisherigen (anch nicht ein-
mal orthographischen) Wirrwarr der meisten europäischen ond vieler
persischen Angaben, namentlich ober Maafse, Gewichte und MuDzen,
über Nationalitäten ond Religionsbekenntnisse, Grundeigenthum, Staats-
verwaltung, Kriegsmacht und auswärtige Politik einiges Licht ge-
bracht hat.
xvm.
Zur Karte der Oase des Jupiter Ammon oder Siuah.
Von Gerhard Rohlfs.
(Hierzu eine Karte, Taf. VIl.)
Zur grofsen nordairikanischen Depression gehörend, liegt Sioah
ca. 50 Meter unter dem Niveau des Meeres. Im Norden zieht sich
wie im Halbkreise das steile, aus Kalkstein bestehende Ufer des 8<^.
libyschen Wustenplateaus um die Oase, welches eine durchschnittlicli
absolute Höhe von 100 Meter hat, hier also ca. 150 Meter relativ hoch
ist. Fast überall senkrecht abfallend, sind bei Entstehung der Oase
einige Felsen als Zeugen stehen geblieben, so die Berge Amelal, Djari,
Sid Haromed, Brik und Siuah und Agermi selbst, welche ebenfalls
auf Ealkf eisen erbaut ist
Der Boden der Oase ist durchaus salzartig (Sebcha), und nur die
Menge von Süfs wasserquellen haben eine Entsalzung des nächsten Erd-
reiches zur Folge gehabt. Dieses ist dann zu Garten mit Palmen und
Oelbaumhainen umgewandelt. Mit zahlreichen Conchilien und Versteine-
rungen bedeckt, geht schon hieraus zur Genüge hervor, dafs der Bo-
den einst von Meeres wellen bedeckt war, und dieser Umstand war auch
schon den Alten nicht entgangen. Gänzlich ist selbst im Laufe der Zeit
die Spur des Meereswassers nicht verschwunden: mehrere Sebcha
trocknen nie aus, und haben selbst im Spätsommer noch tiefes, salzi-
ges Wasser. Die ausgetrockneten Sebcha findet man im Herbste mit
einer dicken Salzkruste bedeckt, und dies ist das einst so hoch be-
rühmte Ammonische Salz.S^^An noch anderen Stellen haben sich die
Sebcha so stark mit Sand und vegetabilischen Stoffen gemischt, dab
Zur Karte des Japiter Ammon oder Sinah. 451
das Erdreich Hattienartig geworden ist and eine gute Stätte fnr die
Agalpflanze abgiebt.
Die Oase setzt sich nach Osten durch Sebcha and Hadideh (Eisen-
okerboden) noch weit fort, ebenso nach Westen, wo sie eigentlich erst
beim Brunnen Earfaya endet. Im Süden wird sie durch niedrige, gelbliche
Sanddunen begrenzt. Von ihr in gerader Richtung sudlich ca. 4 deutsche
Meilen entfernt liegt die Oase Lebak, welche unbewohnt, wilde Palmen,
Tamarisken und Agalweiden hat. Durch eine Hadideh und Sebcha mit
Siuah verbanden, liegt dann im Osten etwas zu Sud, zwei kleine
Tagemärsche, also ca. 8 deutsche Meilen entfernt, die Oase Dorha.
Diese hat ganz gleiche Vegetation wie die Oase Lebak; was man aber
von in Dorha sich befinden sollenden Ruinen gesagt hat, ist nach Aussage
der Siuahner, an deren Glaubwürdigkeit kein Zweifel zu erheben ist,
Fabel, und erklärt sich durch die wunderlichen Formen der Felsen.
Nach beiden Oasen ziehen die Sioahner im Frühjahre, um die Pal-
men zu befruchten, und im Herbste, um die Datteln einzuheimsen.
Siuah, reichlich mit Sufs wasserquellen versehen ' ), von denen Ain
el Hammam (Taubenquell) oder der Sonnenquell am bekanntesten ist,
hat aufser einigen kleineren Ortschaften nur die Orte Siuah selbst und
Agermi. Die Bewohner sind Berber und sprechen einen Dialect des
tamrsirht Ihre Zahl beläuft sich auf ca. 5500 Seelen. Die Länge
der Oase beträgt ca. 4 deutsche Meilen, vom Djebel Mulei Yus bis
Bled el Rum gerechnet, die Breite zwischen dem südlichen Sandmeere
and dem nordlichen Plateau beträgt an der breitesten Stelle ca. 2 deut-
sche Meilen.
Aufser den bekannten Wegen von Aadjila, Alexandria, Kairo und
den Uah-Oasen, fuhrt noch ein gerader Weg von Siuah nördlich ans
mittelländische Meer. Man erreicht dies nach 5 Tagemärscben: erster
Tag Meless nördlich von Siuah , auf dem Rande der Hochebene ge-
legen, zweiter Tag Bassur, ein Allem oder Wegweiser, dritter Tag
Boeb, eine Hattie, vierter Tag Gotrani, ein Sufswasserbrunnen , und
fünfter Tag (halber Tagemarsch) Hollu, ein Sufswasserbrunnen am
Mittelmeere. Geht man von Gotrani in nordöstlicher Richtung, so
kommt man bei Hakfa, ebenfalls ein Sufswasserbrunnen, am mittel-
ländischen Meere heraas.
') Alle Quellen haben die constante nicht wechselnde Temperatar von 29^ C.
29
452
Miscellen.
Werner Munzinger's Reise durch die grofse Salzebene
Sswischen Hanfila und dem Fufse der Abyssiniscben Alpen
1867.
(Vergl. Proceed. of tke Roy. gtogr, 8oc, XIII. 1869. p. 219.)
W. Mnnzinger wurde im Jahre 1867 vY>n der englischen Begierang mit der
Untersuchung der von Hanfila am Bothen Meere nach den Abyssinischen Hoch-
landen führenden Strafse beauftragt. Dieselbe war zwar bereits von den Jegoitea
Patres Mendez und Lobo Im 17. Jahrhundert beschrieben, seit jener Zeit aber
von keinem Europäer wieder wissenschaftlich untersucht worden. Am 10. Jimi
1867 landete Munzinger mit einer bewaffneten Begleitung von 8 Mann, und rer-
sehen mit den nöthigen Lebensmitteln und Instrumenten. Die Umgegend da
aus 20 Hütten bestehenden Dorfes Hanfila bot einen traurigen Anblick dar, dt
nirgends sich ein Baum noch Strauch zeigte; auch konnte der Beisende, da die
Küstenbewohner ohne jeglichen Einflnfs auf die tiefer wohnenden St&mme sind,
erst dann es wagen, seinen Marsch anzutreten, nachdem er von dem ersten HSopt*
Ung der Dumhoitas einen Führer erhalten hatte. Sandboden mit Koralleofelfiea
vermischt, nur hier und da mit dünnem Gras wuchs und wenigen Mimosen b^
standen, bedeckte die weite Ebene, in der nur in grofsen ZwischennLumen sich
Brunnen vorfanden. Am 18. Juni überstiegen die Beisenden einen von Gyps
gebildeten Bergrücken, in dem sich Muschelschaalen, Quarzstücke und Talkadem
zeigten. Von dieser Höhe erblickten sie die grofse Salzebene, welche im Sadea
von der vulkanischen Bergkette Artali, im Westen von den Abyssiniscben Alpea
begrenzt wird. Eine Beihe von Palmen bezeichnet die Grenze dieser Salzebene,
in deren Schatten einige Familien vom Woyta- Stamm ihre Hütten aufgeschlagen
hatten. Der erste Theil des Salzbassins ist sandig; dann zeigt sich Thonboda
mit Spalten, welche mit Salzstaub gefüllt sind ; weiterhin gleicht der Boden einem
bereiften Ackerfeld, endlich aber einem gefrorenen See, welcher namentlich bei
Mondschein einen überraschend grofsartigen Anblick gewährt Nach den Mes-
sungen liegt das Salzbassin unter dem Meeresspiegel; ringsum ist dasselbe tob
einem hohen Bande von Gjpslagern eingeschlossen; der nach Osten gelegene
Theil ist vollkommen trocken, während die Westseite in ihrer ganzen Länge von
einem Morast eingenommen wird ; an der Südseite liegt ein 6 Miles langer See
von 1 — 4 Fafs Tiefe. Von dem Mittelpunkt des Bassins an erheben sich der Art&fi
Vulcan und zwei Hügel, auf denen sich Schwefellager finden. Männer vom Stamn
der Afar, welche die Salzgewinnung betreiben, leben hier das ganze Jahr hindorcb
unter den Palmen in Höhlen. Das Salz wird hier in Stücken, ähnlich einem
Schleifstein, geschnitten und für den Export nach den Hochlanden verpackt; eio
Kameel trägt 500, ein Maulthier 250, ein Esel 200, ein Mädchen 60 solcher Sali-
stücke. — Ueber eine, von einzeln stehenden Kuppen unterbrochene allmälig an-
steigende Ebene näherte sich Munzinger von hier aus dem Alpenlande, indem
Werner Mnnzinger^s Reise darch die grofse Salzebene. 453
er die von dem Gebirgsbache Labba gebildete Thalscblncht aufwärts zog. Das
Bett des Labba ist nnr 20 Fnfs breit und an beiden Ufern von 200 Fufs beben
Schieferfelsen eingeengt. Der erste Ort, den Mnnzinger erreicbte, war Ala, der
Salzroarkt f&r die Dumhoita's ; etwa 2000 Menschen waren hier versammelt, welche
Salz gegen Dollars nnd Stoffe, die von Massaaa nach Abyssinien gebracht
werden, eintanschten. — Das vom Stamme der Afar bewohnte Gebiet ist im
Westen von Abyssinien, im Osten vom Meere begrenzt; nördlich zieht es sich
bis znr Annesley Bai, während die südliche Grenze eine von Zeyla bis zn den
Bergen gezogene Linie bilden würde. Dieses Dreieck zerfallt in acht Land-
schaften, nämlich: die 10 — 20 Miles breite Kiistenebene; die Hügellandschaft zwi-
schen der Küste nnd dem Salzbassin ; das Salzbassin selbst; die Gegend zwischen
dem Nordende des Salzbassins und der Annesley Bai, bestehend aus vulkanischen
Hügeln und mit Muscheln und Madreporen bedeckten Ebenen; die Halbinsel
"Bxai', eine Masse hoher vulkanischer Berge an der Südseite des Salzbassins;
eine andere Salzebene südlich von^ den Bergen , von denen der Hawasch herab-
strömt; das terrassenförmig zn den Abyssinischen Alpen vom Salzbassin aufstei-
gende Land. Nach Mnnzinger's Ansicht stand das Salzbassin einstmals mit dem
Meerbusen von ZuUa und Boka in Verbindung, als die gegenwärtige Halbinael
Bnri noch eine Insel war; für diese Ansicht sprechen jene mit Muscheln be<
deckten Niederungen. Alle von den Abyssinischen Alpen herabkommenden Wasser
iliefsen in das Salzbassin ab und bilden dort jenen oben erwähnten Morast, wel-
cher unstreitig ein grofses Seebecken sein würde, wenn die starke Hitze nieht
die Verdunstung der Wassermassen bewirken würde.
Die Bewohner dieses Ländergebietes werden bisher falschlich mit dem Na-
men Danakil bezeichnet, doch bilden die eigentlichen Danakil nur den dritten
und gerade den ärmsten Theil der Bevölkerung. In Wirklichkeit besteht die
Bevöikerung aus einer kleinen Zahl von Stämmen, welche dieselbe Sprache reden,
nnd durch die Einheit der Sprache entsteht gewissermafsen eine gemeinsame Na-
tionalität. Die Sprache ist das Afar, und das ganze Volk müfste eigentlich Afar
genannt werden. Den ärmsten Theil der Afar bilden die Dumhoita, welche die
Halbinsel Buri und die Küste bewohnen; auch gehört ihnen der oben erwähnte
Ort Ala. Die Danakil sind gegenwärtig den Dumhoita unterworfen, während sie
vor hundert Jahren der herrschende Stamm waren. Die anderen Stämme heifsen:
Dahimela, Bellesua, Hadarema und Madeyto. — Die Afar wohnen in Dörfer,
jedes aus etwa zwanzig Hütten bestehend, zerstreut, welche oft durch meilenwette
Wüsten von einander getrennt sind. Jeder Stamm hat sein Oberhaupt, Makaben
genannt; gewöhnlich ist diese Würde erblich von Vater auf Sohn. Die Hantfarbe
der Afar ist im allgemeinen schwarz, nicht selten aber schattirt sie ins Braune:
ihre Gesichtszüge sind regelmäfsig, nnr sind Mund nnd LipfVen breit und dick;
das Haar ist kurz und straff. Sie werden nns als geizig, widerspenstig, grausam,
falsch und sehr geschwätzig geschildert; der kleinste Streit veranlaÜBt einen blu-
tigen Messerkampf, und der Mörder steht hoch in Ehren; als eine gute Seite
ihres Characters wird ibr Abscheu vor Diebstahl und die Achtung, welche sie
dem Alter zollen, hervorgehoben. Dem Namen nach sind die Afars Muselmänner
und dem Vicekönig von Aegypten tributär, in Wirklichkeit jedoch sind sie ohne
454 MiieeUen:
Religion, noeh Kahlen sie an Aegypteo eine Abgabe. Der Abyssiniadien Sek-
markte giebt ei fünf an Zahl, welche am Fnfse der Hauptkette des Alpenlandes
liegen: zwei befinden sich auf der Strafse nach Agam^, die anderen aaf der
nach Atsbi; hier ist der Hauptsalsmarkt für Abyssinien. — r.
Die dritte Northern Territory Expedition.
Mitgetheilt von H. 6 — h. ans Adelaide.
In Bd. IV. p. 362 ff. dieser Zeitschrift lieferte ich einen Bericht über die diitte
Northern Territory Expedition unter Fährung des Mr. Gojrder, Chef-Geometen der
Colonie Süd- Australien. An denselben mögen heute nachfolgende interessante Mit-
theilnngen gereiht werden. Das Schiff Moonta, welches das Personal der dritte«
Northern Territory Expedition nach Port Darwin übersnführen hatte, langte nach
einer rierzigtagigen Fahrt am 5. Februar glücklich am Bestimmungsorte an. Nur
ein Pferd war auf der Reise gestorben. Am 2. Februar ward der Schooner
Qulnare von Port Adelaide aus mit Provision und anderen Hülfsmitteln nach-
geschickt und traf Mitte Mars in Port Darwin ein. Nach einem Aufenthalte von
fünf Wochen kehrte derselbe am 5. Mai nach seiner Heimath zurück and fiber-
brachte daselbst am 6. Juni Nachrichten, die, im Ganzen genommen, recht gün-
stig lauten.
Mr. Gojder hatte sich, mit der ihm eigenen Energie, welche er mit grofser
Fachkenntnifs verbindet, sofort nach der Landung seiner wichtigen Aufgabe unter-
sogeUf und bei Abgang des Schooners Gulnare waren bereits über 50,000 Acres
Land vermessen, sowie drei Städte an gesundester Lage ausgelegt Die groisie
derselben, zur City der neuen Ansiedlung bestimnO, liegt am Fort Point, wie der
Punkt genannt ist, wo sich der Hafen in schiffbare, ins Land sich hinein er-
streckende Arme theilt. Hier ankerte der Schooner in 6 Faden Wasser bei nie-
drigster Ebbe. Von den beiden Townships befindet sich das eine einige Miles
landeinwärts am EUizabeth River oder East Arm des Hafens, und das andere am
South Arm an der Verbindungsstelle der Flüsse Darwin und Blackmoore. &n
üebrigen versichert Mr. Goyder, dafs die ganze Arbeit der Vermessung spätestens
bis zum 1. Oktober d. J. 1869 vollendet sein werde. In Folge dieser günstigen
Nachricht hat die Northern Territory Compagnie in Adelaide, welche mit einer
Klage gegen die Regierung wegen verzögerter Ablieferung des erstandenen Lan-
des vorgehen wollte, gelindere Seiten aufgezogen, und ist zu dem Entschlüsse
gekommen, sich auflulösen und die ihr zufallenden 25,000 Acres durch Auctioe
SU veräufsem. Das ist in der That geschehen, und die Land-orders, welche im
letzten Februar gar keinen Cours mehr hatten, wurden fast zu pari willig gekauft
Aus den vielen eingelaufenen Berichten über Port Darwin und Umgegend
entnehme ich nun weiter noch Folgendes. Port Darwin bildet einen ausgezeich-
neten und, wohl ohne Zweifel, den besten Hafen an der Küste von Nord- Austra-
lien. Der Eingang in denselben hat die Weite von zwei Miles; hohe Ufer um-
geben ihn von der Landsoite ringsum; schon in einer Entfernung von 12,000
Die dritte Northern Territory Expedition. 455
IFnCi Tom Ufer zeigt er eine Tiefe von reichlich seeha Faden, and der Ankergmnd
l&fst nichts zn wünschen fibrig. Dabei ist er so geräumig, dafs eine beliebige
Anzahl Fahrzeuge bis zam gröfsten Tonnengehalte die sicherste Herberge darin
findet, and dafs ein Schiff fast bei jedem Winde auszulaufen vermag. Mit nur
geringen Kosten lassen sich Dämme und Werfte herstellen. Mehrere Buchten
erstrecken sich flufsartig, und zum Theil weit, in's Land hinein und sind schiff-
bar. Dahin gehören zumal der South und der East Arm des Hafens. Der letz-
tere, welcher bisher Finnis River hiefs, jetzt aber den Namen Elizabeth River er-
halten hat, teigt noch 10 Miles von der Mündung den unterschied von 9 — 10 Fufs
hei Ehbe und Fluth ; sein Wasser ist beim niedrigsten Stande in der nassen Jah-
ireazeit süfs und geniefsbar; die Ufer sind mit Mangroven, an manchen Stellen
in der Breite von 20 bis 30 Chains, bewachsen, und der Fischreichthum ist ein
•enormer.
Das umliegende Land tritt meist flach auf und steigt nur allmälig wellenförmig
an. Der Holzstand nimmt an Dichtigkeit zu, je weiter man vordringt, und besteht
meist ans Nadelhölzern, Bambus, Ironbark, Paperbark (besonders in den Sumpfen)
und einer Art Enkaljpten oder Peppermint, wozu sich später auch Stringybark in
grofser Menge gesellt. An Palmen finden sich vor: Fem-Palm (C^ccu), Screw-Palm
%JhHeUmu8\ Fächerpalmen und Kohlpalmen. Man stöfst bald auf leichten sandigen
Lehm, bald auf reichen schwarzen Humusboden, der sehr wohl fähig ist, Alles zu
produciren, was solchem Clima angehört. Das Weideland gewinnt, namentlich nach
SSW. nnd SO. zu, an Güte. Der üppige Graswuchs erreicht an manchen Stellen die
Höhe von 8 — 12 Fufs, dessen Stengel einen süfslichen Geschmack haben nnd
durststillend sein sollen. Ein grobes Gras erreicht sogar die Höhe von 15 Fufs.
UeberaU erblickt man zahlreiche Sümpfe und Creeks, die süfses Wasser enthal-
ten, indefs dürften insbesondere die meisten der letzteren zur Sommerzeit wohl
"austrocknen, ohne dafs man doch darum einen Wassermangel zu befürchten
brauchte. — Auf wilde Landthiere ist man bis dahin nirgends gestofsen, desto
häufiger aber lassen sich Papageien und Tauben verschiedener Varietäten blicken.
In den Seen, Flüssen und Sümpfen trifft man zwar Alligatoren, aber sie sind nicht
^zahlreich. Die Eingebomen bringen mitunter Schildkröten in's Lager. Auf grö-
ssere nnd kleinere Schlangen stöfst man gelegentlich; die gröfste, welche bisher
getödtet wurde, war 10 Fufs lang und hatte die Stärke eines kräftigen Mannes-
armes.
Die Hitze ist allerdings grofs nnd während sechs Monate im Jahre fast er-
-drfickend, wiewohl heifse Winde, begleitet von Staubwolken — die grofse Plage
"des südlichen Australiens — , nicht herrschen. Man fürchtet, dafs in solchem
Clima Europäer nicht im Stande sein werden» die Arbeit auf längere Zeit zu er-
tragen. So viel steht jedenfalls fest, dafs sich nicht in dem Maafse arbeiten
labt, wie in Süd-Australien und Victoria. Ein Berichterstatter drückt sich dahin
aas, dafs Europäer nur ein leidliches Lebensalter um Darwin Bay hemm errei-
-chen werden, wenn ihnen ostindische Bequemlichkeiten zu Gebote stehen, z. B.
sahireiche Diener, gut ventilirte und mit Punkahs versehene Häuser u. s. w. In-
defs wird Acclimatisation wohl auch das ihrige thun, und dann lassen sich auch
Goolies in beliebiger Anzahl von den benachbarten Inseln ohne Schwierigkeit er-
Stngen. In der Regenzeit ist es ein oder zwei Tage lang entsetzlich hei£s; dann
456 MifceUes!
folgt ein fiircbtbarer Regen, welcher ohne Unterbreehang gewöhnlich gegen sechs-
Stunden anhUt (es kam vor, dafs in zwei Standen aber 1^ Zoll Wasser firi);.
hieranf theilen sich die Wolken; die brennenden Sonnenstrahlen scbiefsen anfs
Nene nieder» and schon nach wenigen Stunden ist Alles wieder so trocken, wi»
svTor, während die dnrch die rasche Verdunstang entstehende Schwtie kanai na
ertragen ist.
Es ezistiren aber aafser der Hitze noch andere Plagen, welche nicht weniger
schrecklich sind. Wegen der Legionen Mosqnitos, die znm Theil enorm groia
sind and von denen man nar zwei Monate im Jahre verschont wird, ist es nicht
mdgjich, ohne Schleier zn schlafen, denn sonst würde man lebendig aasgesogen
werden. Und hat man diese Gesellschaft einigermafsen abgewiesen, so machen
zahllose SandflÖhe ihre Anfwartong, welche, von der Oröfse eines Nadelkopfet^
in jede kleinste Oefhiang einkriecUen und aufs schmerzhafteste stechen oder, wi»:
der englische Correspondent will, beiisen. An ein Entkleiden znr Nachtcelt ist
gar nicht zu denken, sondern man bindet die Kleidung sorgfaltig zn, um das
Einschleichen dieser lästigen Insekten möglichst zu verhindern. Die nach indi-
scher Art mit Gaze überzogenen Bettgestelle gewähren freilich nur eine geringe*
Erieichtemng.
Viehzucht wird mit bestem Erfolge betrieben werden können. Wenn nHB.
fürchtet, dafs die Qualität der Wolle sich bei der grofsen Hitze verschlechten^
werde, so sprechen die Erfahrungen im nördlichen Queensland dagegen. Am
vortheilhaftesten wäre wohl die Pferdezucht. In Ostindien fehlt es bekanntlicb
an guten Pferden, indem die besten Racen dort immer wieder ausarten, und man
ist jetzt, da auf die frftfaeren Bezugsquellen : Aegypten und Arabien, wegen fran-
zösischer Goncurrenz, kein Verlafs mehr ist, zum grofsen Theil auf Anstraliea
angewiesen, dessen Pferde zu den ausgezeichnetsten der Erde gehören. Aber
durch die Ausfuhr derselben aus Nord - Australien , anstatt, wie bisher, aus den
Golonien im S&den dieses Continents, würden sich die Entfernung und daarit
natfirlich auch die bisherigen Kosten des Transports um ein sehr Erheblichea
verkürzen.
Für die Gewinnung von Baumwolle, Reis und Zuckerrohr bietet Port Darwinr
ohne Zweifel ein sehr ergiebiges Terrain, und man ist der Ansieht, dafs nament-
lich die Gegend an den Daly Ranges sich für die Cultur des Zuckerrohrs in aus-
gezeichneter Weise eigne.
Die Eingebomen — die häfslichsten und jammervollsten Gestalten, die man
sieh denken kann — sind in keiner Beziehung belästigend gewesen. Beim Haupt-
depot treiben sich ihrer sechzig umher, sonst sieht und hört man nichts von ihnen.
Soweit die Berichte.
Der Schooner Gulnare verliefs nun wieder am 2^. Juni d. J. Port Adelaide,,
um vi& Timor nach Port Darwin zurückzukehren. Er nimmt folgende Instructio-
nen fiir den Snrveyor-General mit. Sobald dOO,000 Acres vermeesen sind, soll
Mr. Gojder sich mit den\jenigen Personal, welches nicht femer nöthig ist, nach
Adelaide zurückbegeben und ein Certificat, dafs obige Ackerzahl den Känfon
zur Auswahl nunmehr wirklich vorliege, mitbringen. Zieht er es dagegen vor,,
bis zu Ende der zu vermessenden 650,000 Acres zn bleiben, so soll er auf alle
Fälle obiges Certificat ohne Verzug einschicken, damit die Land-order-holdata mit
üeber die portogiesischen Wappenpfeiier. 457
Oeiober den Besitz antreten können. Die zurückbleibende Mannscbaft hat theils
den Beat der Vermessung zu vollenden, theils mit solchen Arbeiten vorzugehen^
welche für den Anfang einer neuen Niederlassung nothwendig "werden. Gleich
nach Empfang des Certificats wird die südaustralische Regierung einen Dampfer en-
gttgiren, der einen GonvernemeDt-Residenten und das übrige Beamten-Personal nach
Port Darwin überfuhren soll und der zugleich von Ansi edlem u. s. w. benutzt werden
mag. Damit wäre dann endlich die neue Filial-Colonie in's Leben getreten.
— ff—
Ueber die von portugiesischen Seefahrern zur Bestimmung
ihrer Entdeckungen errichteten Wappenpfeiler.
•
Aus den Notizen bei de Barros, aus dem „Roteiro da viagtm de Vaseo da
G€una** und anderen älteren portugiesischen Quellen wissen wir, dafs die Könige
Dom Joäo II und sein Nachfolger Dom Manoel den Befehl ertheilten, dafs die
Seefahrer aus Stein gehauene und mit dem königlichen Wappen versehene Wap-
penpfeiier oder Padroes auf ihren Reisen mitnehmen sollten, welche zur Be-
zeichnung ihrer Entdeckungen an hervorragenden Küstenpunkten aufgerichtet wer-
den sollten. Mit der Ermittelung der Lage dieser für die Geschichte der Ent-
deckungen nicht unwichtigen Denkmale beschäftigt sich eine uns von Alex. Magno
de Castilho zugesandte Schrift: Etudes Kistorico-giographiques, V €tude sur les
cohrmes ou monuments comm^noratifs des d€couvertes portugaises en Afrique. Lis'
borme 1869, durch welche, mit Benutzung des ganzen darüber vorhandenen Mate-
rials, in den oft ungenauen und sich widersprechenden Angaben alter Quellen-
Schriftsteller und Karten eine recht glückliche Lösung dieser geographischen Fra-
gen erzielt worden ist. Zudem hat die Auffindung wenigstens einiger dieser
Wappenpfeiler die Resultate der Arbeit wesentlich gefördert. Wie schon gesagt»
ging der Befehl zur Errichtung derartiger Wappenpfeiler, welche einerseits dem
glücklichen Entdecker eines Landes das Prioritätsrecht an der Entdeckung, an-
dererseits der Krone Portugals die Hoheitsrechte über das entdeckte Land sichern
sollte, von Dom Jo&o IL aus, der am 31. August 1481 den Thron bestiegen und
im Jahre 1485 den Titel eines „Herrn von Guinea" angenommen hatte; Diogo-
Cam war der erste Seefahrer, der unter der Regierung Joäo II. mit derartigen
steinernen Padroes seine Entdeckungen bezeichnete, während die von früheren
Seefahrern errichteten Holzkreuze zu leicht der Zerstörung ausgesetzt waren.
Diese Steinpfeiler hatten nach de Barros eine Höhe von etwa 10 Pufs, trugen
auf ihrer Spitze ein Steinkreuz, und zeigten auf der einen Seite das königliche
Wappen, auf der anderen zwei Inschriften in portugiesischer und lateinischer
SpiachCy in welchen die Zeit der Entdeckung nnd der Name des Entdeckers be-
zeichnet war. Zwölf solcher Padroes waren auf Afrika's West- and Ostküste
südlich vom Aeqnator und auf dem Wege nach Indien von Diogo-Cam, Bartho-
lomeu Dias und Vasco da Gama errichtet worden; ihre Lage wird weiter unten
angegeben werden. Aehnliche Padroes waren übrigens von portugiesischen See-
458 Miscellen:
fahrem auch an anderen Punkten aufgestellt worden; so waren, nach Casal's
Chorographia hrasilita, deren fünf in Südamerika von Gonfalo Coelho im Jahit
1502 oder ron Cbristovio Jaqnes im Jahre 150B errichtet, nämlich an der Bai
von Parahyba, am Cap Santo -Antonio an der Bai von Bahia, am Ansflufs des
Cannan^a, auf der Insel Maldonado in der Bai gleichen Namens, nnd auf der
Südspitze zwischen den Baien S. Mathias and Padrao. Ebenso wurden solche
Wappenpfeiler errichtet von Dom Louren^o d'Almeida an der Küste von Ceylon
im Jahre 1506, von Diogo Lopes de Sequeira zu P^dir und Pacem im Jahre
1509, von Antonio im Jahre 1511 in Agacira, Ambo'ina und Banda auf seiner
Entdeckungsreise zu den Moluken, von Antonio de Brito im Jahre 1522 gleich-
falls auf der Insel Banda, endlich von Henrique Leme im Jahre 1522 zu Calspt.
Wir lassen nun in geographischer Reihenfolge die Ortslagen der auf dem Wege
nach Indien gesetzten Padroes folgen.
a. WappeDpfeileFf erriehtet unter der Regierang des Dom Joao IL
1. Wappenpfeiler von Diogo- Cam im J. 1484 errichtet südlich von der
Handung des Cungo oder Zaire auf dem Vorgebirge Turtle's Point der englischen
Karten (6* 6' 0" südl. Br. — 21' 18' 15" östl. L. von Lissabon), wo derselbe
im J. 1859 aufgefunden und durch einen neuen Pfeiler ersetzt wurde. Auf alten
Karten vom J. 1500 und 1508 flihrt der Zaire noch den Namen Padrio-Flofs.
Der Pfeiler fUhrte nach Barros den Namen S. Jorge, da Dom Jo&o II. diesen
Heiligen vorzugsweise verehrte.
2. Wappenpfeiler von Diogo -Cam auf der Spitze des Cap Santa Maria, ehe-
mals Cap Santo -Agostinho genannt (13^ 27' 15" südl. Br. — 21" 38' 0" östl.L.
von Lissabon) im J. 1485 errichtet.
3. Wappenpfeiler von Diogo -Cam im J. 1485 auf der Spitze des Cap Negro
errichtet (15' 40' 30" südl. Br. — 21" 2' 0" östl. L. von Lissabon). Ueber
die richtige Lage dieser Säule wurde man früher durch die Notizen de Barros
irre geleitet.
4. Wappenpfeiler errichtet im J. 148G oder im Anfange 1487 von Bartho-
lemeu Dias an der Inselbai (Ilhdus) an einer in den alten Berichten »Serra-
Parda" genannten Localität. Die Reste dieses Pfeilers wurden im J. 1786 am
aüdwestlichen Eingange zu jener Bai, Pedestal- oder Bartholomeu- Dias -Spitze
genannt, aufgefunden; kleinere Reste fand noch M. Saisset im J. 1845 vor
<26" 35' 37", 38' oder 39" südl. Br. — 24' 10' 11" oder 25' ösü. L. von
Lissabon). Der Pfeiler war dem Heiligen Santiago geweiht.
5. Wappenpfeiler errichtet im J. 1487 von Bartholomeu -Dias (der zweite
von ihm errichtete Pfeiler) auf der Insel S. Cruz (33" 45' südl. Br. — 35" 43'
ostl. L. von Lissabon); derselbe war wahrscheinlich dem Heiligen Gregorio ge-
weiht
6. Wappenpfeiler errichtet im J. 1487 von Bartholomeu -Dias (der dritte
von ihm errichtete Pfeiler) auf dem Cap der Stürme (Tormentas), sp&ter Boa-
Esperan^a genannt (34" 22' südl. Br. — 27" 36' 45" östl. L. von Lissabon);
^weiht dem S. Felipe.
Einige nähere Notizen aber die Ermordung de« Fräulein Tinne. 459
b. Wappenpfeiler errichtet unter der Regierung des Dom Nanael.
7. Erster Wappenpfeiler Vasco-da-Gama's, errichtet am 6. December 1497
an dem südlichen Theile der Bai S. Braz (34* 10' südl. Br. — 31M7' östl.
L. Ton Lissabon). Barros führt einen von Vasco-da-Gama an diesem Orte
gesetzten Pfeiler nicht auf, sondern nennt die von ihm errichteten fünf Denk-
mäler: S. Rafael, S. Jorge, Santo Espirito, S. Gabriel und Santa Maria; im „Ro-
teiro da viagem de Vasco da Gama^ findet sich jedoch die Notiz, dafs Vasco da
Gama in der Bai S. Braz eine Denksänle errichtet habe, die jedoch am folgen-
den Tage von den Eingeborenen umgestürzt worden sei.
8. Im J. 1498 wurde von Vasco-da-Gama an der Mündung des Flusses
Bons-Signaes (vielleicht der Quilimane) auf der Ostküste Afrikas (18* 1' 25"
sfidl. Br. — 46** 9' östl. L. von Lissabon) sein zweiter, dem S. Rafael geweihter
Wappenpfeiler gesetzt.
9. Der dritte Wappenpfeiler Vasco- da -Gama's, im J. 1498 auf einem Hügel
bei Meb'nde auf der Ostküste Afrika's (3* 15' 40" südl.Br. — 49* 19' 30" östl.
L. von Lissabon) errichtet und Santo -Espirito genannt; im „Roteiro da viagem
etc." nicht erwähnt.
10. Der vierte Wappenpfeiler Vasco- da -Gama's, dem Heiligen Gabriel ge-
weiht, im J. 1498 bei Calicut auf der Malabarküste errichtet (11* 18' nördl. Br. —
84* 56' östl. L. von Lissabon).
11. Der fünfte Wappenpfeiler, der Jungfrau Maria geweiht, wurde von Vasco-
da-Gama im J. 1498 auf einer der kleinen Inseln an der Malabarküste zwischen
Bacanos und Baticala errichtet, welcher den Namen Santa Maria erhielten (wahr-
scheinlich die Moolky- Rocks) (13" 24' nördl. Br. — 83* 43' ösü. L. von Lis-
sabon).
12. Der S. Jorge -Pfeiler, auf einer Insel gleichen Namens von Vasco-da-
Gama im J. 1499 auf seiner Rückkehr aus Indien an der Küste von Mozam-
bique (14* 57' 20" südl. Br. — 49* 57' 5" östl. L. von Lissabon) errichtet.
— r.
Einige nähere Notizen Ober die Ermordung des Fräulein
Tinne.
Gerhard Rohlfs, welcher bei seiner letzten Anwesenheit in Tripoli Gelegen-
heit hatte, die persönliche Bekanntschaft des Fräulein Tinne zu machen und über
ihre Reisepläne nähere Notizen einzuziehen, prophezeite damals (vgl. diese Zeit-
schrift 1869. S. 178) mit richtigem Seherblicke das Mifslingen des etwas aben-
tenerlichen Zuges dieser Dame nach Central - Afrika. Leider ist diese Prophe-
zeiung eingetroffen, und mannigfache Telegramme ans Tripoli haben bereits die
Ermordung der unglücklichen Reisenden und ihrer beiden deutschen Diener be-
stätigt. Ausführlicheres darüber erfahren wir jetzt aus nachstehendem Briefe des
Ortsvoratehers von Mursuk, Hadschi Ibrahim ben Alna, welchen derselbe vom
460 MitoeU«B:
5. August 1869 (27. Rabbia Tenj) an den österreichiscben Consnl in Tripofi,
Herrn de Rossi, gesandt hat. Die italienische Cebersetzang dieses arabisch ge>
schriebenen Briefes warde nns durch die Freundlichkeit des Herrn Rohlfs Ql>er-
sandt, und theilen wir denselben mit möglichster Berücksichtigung der AusdrackS'
weise des Originals nachstehend mit:
«So viel kann ich Ihnen über das Unglück sagen, welches sich vor -weni^n
Tagen zugetragen hat Seit Fräulein "nnne's Ankunft in Murzuk habe icli ihr in
Folge Ihrer Empfehlungen meine Dienste gewidmet, und hat sich dieselbe bei
ihrer Abreise dahin geäufsert» dafs sie mit meinen Diensten recht sufrieden ge-
wesen sei. Leider gab ihr jedoch ihr Schicksal den lebhaften Wunsch ein, eine
Reise nach Gh&t zu unternehmen, und zu dem Zwecke schickte sie vor einiger
Zeit einen Boten mit einem Briefe an den Scheich Achnucken, einen Häuptling
der Tu^regs, in welchem sie ihn nm seinen Schutz ersuchte; wenn es möglich
wäre, möchte er selbst sie abholen, um sie zu begleiten, oder einen seiner Ver-
trauensmänner zu ihr senden. Ihrem Briefe echlofs sie ein Empfehlungsschreibea
an, welches sie von dem hiesigen Gouverneur empfangen hatte. Scheich Ach>
nocken antwortete ihr darauf, er würde selbst kommen oder eine Person seines
Vertrauens an sie absenden, um sie zu seinem Wohnort zu begleiten, damit sie
so diese Gegend in Augenschein nähme, oder, wenn sie es wünschte, sie nach
dem Tnat - Sudan zu bringen , ohne dafs sie irgend Furcht zu haben braachte.
Nachdem Fräulein Tinne diesen ermuthigenden Brief gelesen, bereitet« sie sich
vor wenigen Monaten, d. h. nach ihrer Krankheit, zur Abreise vor, und schlag
ihre Richtung nach dem Wadi-el-Scherki (östlicher Wadi) ein, theils wegen der
Luftveränderung, theils um mit dem Scheich Achnucken dort zusammenzutrefiTen,
der ihr, wie es scheint, jene Gegend als seinen Aufenthaltsort bezeichnet hatte,
weil derselbe vielleicht aufserhalb der Landesgrenze läge, oder vielleicht weil sich
der Scheich dort hinreichend für ft'ei hielt, ohne furchten zu müssen, gefangen
genommen zu werden. Wirklich trafen sie sich im Wadi - el - Scherki, und dort
scheint zwischen ihm und Fräulein Tinne eine Abrede getroffen worden sn sein.
Sie beschäftigte sich, wie es scheint, damit, die Angelegenheiten des Scheich Ach-
nncken zu ordnen, welcher damals mit der hiesigen Regierung etwas gespannt
war, oder besser gesagt, Achnucken zürnte dem hiesigen Pascha, weil derselbe
angeblich seinen Feinden, den Maogasate-Tudrcgs, erlaubt hatte, sich auf türki-
sches Gebiet zu flüchten, nachdem sie seine Schützlinge und seine Leute ermor-
det und beraubt hatten. Das heifst: Achnucken versprach dem Fräulein Tinne
freies Geleit, indem e^ sagte: „ich bin jetzt sehr beschäftigt wegen der Streitig-
keiten, welche ich mit den Mangasate - Tuäregs habe; wenn Sie jedoch ntkit mir
kommen wollen, werde ich Sie jetzt nach dem Wadi-el-Gharbi (westlicher 'WaäSi}
fuhren, und wenn ich meine Streitigkeiten mit den Mangasaten beendet habe,
will ich Sie überall dahin führen, wohin Sie irgend wollen. Ist Ihnen dieser mein
Vorschlag nicht recht, so rathe ich Ihnen, nach Murank zurückzukehren, und ich
werde Ihnen Jemanden senden, der Sie von mir fort, oder besser» wohin Sie
wünschen, fuhrt*. Nach diesem Besuche kehrte sie zufrieden nach Murzuk zurück.
Einige Zeit nachher schrieb Fräulein Skendina (Alexine) von ihrem Geschick ge-
trieben, von Neuem an den Scheich Achnucken, sie wolle ihn aufsuchen. A^ch-
nucken antwortete ihr, indem er den Brief durch den Marabu Hadschi Achmed-
Einige nähere Notizen über die Ermordung des Fräulein Tinne. 461
l>eD'Salah schickte, mit dem sich das Fräulein über das für die Reisebedürfnisse
mitznoehmende Gepäck und über die Geschenke für die Tuiregs berieth. Nach
seinen Angaben traf Fräulein Tinne die Vorbereitungen zur Reise. Inzwischen
kam einer der Tuäreg-Häuptlinge von der Partei des Acknncken, Hadschi Scheich
foen-Babakr (Bubekr?) Ahaggari, nach Murznk mit einem Gefolge von 8 Personen,
und als diese sich dem ITräulein vorgestellt hatten, wurden sie von demselben be-
Bchenkt und verabschiedet. Einige Tage darauf reiste Fräulein Tinne mit ihrer
Caravane, mit ihren Frauen und Dienern ab. Zu gröfserer Sicherheit hatte sie
Tttiregs zu Kameeltreibem genommen. In Scharba angekommen, einem Ort etwa
S Tagereisen von Murzuk, suchte sie wiederum Hadschi Scheich ben Babukr auf,
den sie von Neuem mit Burnus und Geld beschenkte, woflir er ihr, wie es heifst,
sein Wort gab, er werde sie zum Scheich Achnucken geleiten. Wirklich scheint
Ben -Babukr, so weh man überblicken kann, mit ihr von Scharba bis Birguig ge-
gangen zu sein. Die Verräther, welche auch mit einem gewissen Othman-el-Busifi
und einem seiner Begleiter und 5 Mann von den Uled-Kossen , den Einwohnern
von Tschat, im Einverständnifs gewesen sein müssen, fafsten den Plan, Fräulein
Tinne mit ihren beiden christlichen Dienern, vor denen sie sich am meisten fürch-
teten, zu ermorden, um sie zu berauben und den Raub unter sich zu theilen, was
sie auch thaten. Es heifst, die Tnäreg (Hadschi Achmed und die Kameeltreiber)
seien in der Richtung auf Ghät abgezogen, aber die Leute des Stammes Uled-
Bnsif und die Araber sind nach Tscbat zurückgekehrt. Die Dienerschaft, die
algerischen Türkinnen, Kammerzofen des Fräuleins, sind gestern in Murzuk an-
gekommen und befinden sich, wie das ganze Gefolge, im Gewahrsam der Regie-
rung, welche einen Procefs vorbereitet . . . .*
«Es scheint, dafs Fräulein Tinne zwei Wunden erlegen ist. Zuerst hieb ihr
ein Tnäreg mit dem Säbel die rechte Hand ab, wahrscheinlich um sie am Ge-
brauch ihres Revolvers zu hindern; gleich darauf schofs ihr ein Araber von den
Uled-Busif in die Brust, Andere sagen in den Rücken. Von den christlichen Die-
nern starb der eine durch einen Schufs, der andere durch Lanzenstiche. Es ist
jedoch auffallend, dafs die Räuber nicht die türkischen Dienerinnen mitgenommen
haben, anter denen noch junge gewesen sein sollen, sondern sich nur einer jun-
gen Schwarzen, Gtelsomina (Jasmina), bemächtigt haben, welche dem Fräulein
sehr lieb war. Viele meinen, und das wird sich in Kurzem aufklären, der Scheich
Achnucken habe mit dieser Missethat nichts zu thun gehabt; sie könnte vom
Scheich Babukr und seinen Genossen aus Orcwinnsucht begangen sein, da sie
imfsten, dafs Fräulein Tinne sehr reich sei, und auch um das Vertrauen zu ihrem
Häuptling Achnucken zu erschüttern und sich an ihm dafür zn rächen, dafs er
in einen Frieden gewilligt hatte, welcher als nicht sehr ehrenvoll und als unvor-
iheilhaft für sie galt wegen der Räubereien, die sie zu begehen pflegten. Inzwi-
schen hat die Behörde von Murznk und die Bekannten des Fräuleins, sobald sie
vom Tode gehört, Leute mit Kawassen abgesandt, um die Gebeine zu sammeln,
^d jetzt sind die drei Christen — nämlich Fräulein Tinne und die beiden Die-
ner — zu Birguig begraben.*
Aehnlich lautet der Bericht des holländischen Consuls in Tripoli, Baron
de Testa, über die Ermordung der Reisenden. Dort heifst es, dafs sich das
traurige Ereignils am 1. August im Wadi Berdjoudji, eine Tagereise von Scharba
462 MieceUen:
und fiiiif Tagereiflen westlich von Mannk zngetnigen habe. Der letzte Brief de»
Frl. Tinne, welche am 30. Juni 1869 too Tripoli aafgebrocheo war, ist tob
Scharba datirt, und kam gleichzeitig mit der Nachricht Ton ihrem Tode, die ein
Diener der Ennordeten, Mohammed ben Hassan el Bennani, eingeschickt hat, in
Tripoli an. Nach diesem Bericht wäre die Reisegesellschaft von einem Araber
Namens £1 Hadschi Ahmed Bu Selah, den der Tntf reg -Häuptling Scheich Ikhe>
noukhen (Achnucken) zu ihrem Schutz aasgesandt hatte, geleitet worden, als eine
aus sechs Arabern und acht Tuäregs bestehende Bande unter dem Befehl des
Tuireg-Scheichs Bu-Bekr sich dem Weitermarsch feindlich entgegensetzten, indem
sie behaupteten, dafs Scheich Ikbenoukhen sie mit dem Geleit des Fräulein Tinne
nach Taharat betraut habe. Beide Parteien einigten sich endlich dahin, gemein*
schaftlich die Escorte zu übernehmen; übrigens hatte die Beisende bereits rier-
zehn Tage früher den Scheich Bu-Bekr in Murzuk gesehen und ihn reichlich be>
schenkt. Am folgenden Tage nun, am 1. August, soll zwischen den Arabern nnd
Tuäregs ein Streit darüber entstanden sein, wer von ihnen den Palankin der Fd.
Tinne zu tragen habe. Die Araber bemächtigten sich der Waffen der Diener-
schaft der Reisenden, um sich gegen die mit Lanzen und Säbeln bewaffneten
Tutfregs zu schützen, und während Frl. Tinne nnd die beiden sie begleitenden
holländischen Matrosen sich zwischen die Streitenden warfen, wurde der eine der
Matrosen, Namens Ootsmans, sofort von einem Tutfreg niedergestochen nnd gleich-
zeitig ein hinter ihm stehender Neger verwundet; unmittelbar darauf wurde dem
Frl. Tinne von einem Tuireg die ausgestreckte rechte Hand abgehauen, während
ein Araber sie durch einen Schufs in die Brust tödtete. Ebenso wurde der an-
dere Matrose, Jacobs, welcher seiner Herrin zu Hülfe eilte, von einem Araber
durch einen Schafs niedergestreckt. Die übrige Dienerschaft wurde, mit Ansnaihme
der jungen Negerin Jasmina, freigelassen. Noch bemerkt der Bericht, dafs Scheich
Ikhenookhen im Jahre 1863 mit Henry Duveyrier in Paris gewesen isL — Nach
den neuesten Nachrichten aus Tripoli vom 30. September ist es den türkischen
Behörden gelangen, die Mörder des Frl. Tinne zu ergreifen; ein Theil des ge-
stohlenen Eigenthums, sowie die Negerin Jasmina, sind den Behörden ausgelie-
fert worden. Scheich Ikbenoukhen will übrigens mit den Mördern in keinerlei
Beziehung gestanden haben und hat man seinen Bemühungen vorzugsweise die
Gefangennehmnng derselben zu danken. —
Ueber Dr. Nachtigal, oder Idris Effendi, wie er sich arabisch nennt, lagen^
wie ans Herr Gerh. Rohlfs schreibt, beunruhigende Nachrichten vor. Derselbe
war von Murzuk nach Tibesti aufgebrochen, um dann nach Fesan zurückzukehren
und im Spätherbst die Karawane mit den von König Wilhelm fiir den Sultan von
Bomu bestimmten Geschenken» welche einstweilen in Marzuk deponirt sind, wei-
ter zu führen. Nun sollen die Tebu Rschade, welche hauptsächlich Tibesti be-
wohnen^ in voller Razia gegen Fesan begriffen sein. In dem oben von uns mit-
getheilten Briefe Hadschi's Ibrahim ben Alna an den Consul Rossi findet sieh
aber die Notiz, dafs Idris Effendi glücklich in Tibesti angekommen sei. — Neuere
inzwischen eingetroffene Nachrichten melden die Rückkehr Dr. Nachtigals nach
Marzuk. — r.
Das neue Cabel zwischen Aastralien and Tasmanien. 463
Das neue Oabel zwischen Australien und Tasmanien. '
In den Tagen ▼om 20. bis som 30. April d. J. wnrde die Legong eines
Cabels zwischen der australischen Colonie Victoria und der Insel Tasmanien yer-
mittelst des Schraabendampfers Investigator, Capitän Craickshank, 560 Tonnen,
gificklich beweikstelligt Der Dampfer Pbaros, befehligt vom Lieutenant Stanley,
assisdrte. Das vom Investigator eingenommene Cabel hatte die Länge von
900 Seemeilen nnd ein Gtewicht von mehr als 500 Tonnen. Den beiden Anlseii-
enden hat man dieses Mal, im Gegensatz zu der Constraction des früheren, aber
röllig zerstörten nnd verloren gegangenen Cabels, auf die ersten sechs Miles eine
aoTserordentlicbe Stärke gegeben, denn die auf die naatische Meile entfallende
Länge wiegt nicht weniger als 8^ Tonnen, während der f&r die tiefe See be-
stimmte Theil auf dieser Strecke nur die Schwere von 2 Tonnen 2 Ctm. hat.
Man glaubt, dafs das Cabel dadurch im Stande sein werde» jedör Reibung auf
die Daner Widerstand zu leisten.
Zum Ausgangspunkte auf der Victoria-Kfiste war anfänglich Barker*8 Point
zwischen Cape Schanck und West Head ausersehen , da von hier ab schon eine
directe telegpraphische Verbindung mit Melbourne besteht Allein die auf dieser
ganzen Linie sich aufthürmenden hohen, nackten Felsen, gegen welche die ewig
sostürmenden Wellen eine continuirliche Brandung bilden, machten es zu einer
Unmöglichkeit, hier eine nur irgendwie passende nnd sichere Stelle aufzufinden.
Hat man dagegen die jähen Höhen von West Head oder, wie Andere sagen,
Black Head des Western Port passirt, so fährt man in eine durch Philipp Island
Ton der Seeseite nnd durch Hochland von der Landseite her vor jeder Witterung
geschätzte kleine Bucht ein, welche zwar in der Nähe des Head viele seichte
Stellen enthält, aber an der gegenüberliegenden Seite eine von Felsen, Sand nnd
Seegras völlig befreite und in tiefes Wasser endende Stelle in der Länge von
200 Yards darbietet. Hier, sieben Miles von Cape Schanck, liegt das neu ange-
legte und gegenwärtig erst schwach bevölkerte Städtchen Flinders, dem ein rasches
Aufblühen gesichert ist. Es besitzt einen vortrefflichen Hafen, tief genug, um
die gröfsten Schiffe aufzonehmen, imd ein sehr substantiell gebautes Pier, an
welchem die Schiffe ihr Cargo ans- and einladen, Ifiuft in der Länge von einigen
bondert Fnfs in die See hinein. Die Bai selbst ist aufserordentlich fischreich
und gegenüber am äufsersten Punkte von Phillip Island kann man auf einem
Riffe, genannt Black Rocks, Robben in jeder beliebigen Menge fangen.
Dies Städtchen Flinders wählte man zum Ausgangspunkte des Cabels an der
Victoria-Küste, und hier ward das Cabelhaus angelegt, mit welchem der Investi-
gator schon am ersten Tage, Abends 9 Uhr 15 Minuten, die ersten Signale mit
bestem Erfolge austauschen konnte. Der Dampfer verliefs dann am nächsten Mor-
gen Flinders und gab, der Küste von Tasmanien zusteuernd, das Cabel mit einer
Geschwindigkeit von 4 — 5 Knoten pro Stunde ans. Um fünf Uhr Nachmittags
stellte sich jedoch heraus, dafs dasselbe durch Quetschung an einer Stelle schad-
haft geworden, so dafs 120 Yards ausgeschnitten werden mnfsten. In wenigen
Standen war indefs der Schaden reparirt und das Abrollen konnte wieder vor
sich gehen. Aehnliche Vorgänge des SpleiTsens wiederholten sich noch am
28., 23. nnd 26. April.
464 MuceUen:
Endlich, am 87. April, ward da3 Oabel bei Low Head an der Mündanif des
Tamar River, und zwar an der East Bay, glücklich gelandet; die weiteren Arbei-
ten vollendeten sich aber erst am 80. April, so dafs am 1. Mai die Telegraphen-
^rerbindang Tasmaniens mit Victoria nnd dadurch wieder mit den Colonien /Sid-
Australien, Nen-Siid- Wales und Qoeensland hergestellt war und dem Pablikoa
«nr Benutsnag übergeben werden konnte* An diesem Tage wurden die eratei
Depeschen, wie fiblich, zwischen dem Gouverneur von Tasmanien, Bfr. Du CaiM,
•«nd dem Gronvemeur von Victoria, Sir H. Manners Sutton, sowie zwischen des
Jiayors der beiden Hauptstädte, Hobart Town und Melbourne, gewechselte Da
aber zwischen Flinders und Cape Schanck keine Telegraphenlinie bestand, so
mufsten in den ersten 14 Tagen die Depeschen zwischen beiden Stationen zu
Pferde befördert werden. Von da ab war anch diese Lücke durch Legnng eines
Telegraphen ausgefüllt Verfertiger des Cabels ist die bekannte Telegraph Con-
«truction and Maantenance Company in London. Die Oberleitong war den Henren
Fisher nnd Windle anvertraut, welche bei der Legnng des atlantischen und fast
flUer früheren Cabel in gleicher Eigensdiaft engagirt waren. Die Gesammtkosten
belaufen sich auf £8a000. —ff—
Der Vulkan Lassen's Peak in Californien.
Von dem durch seine werthvollen geologischen Untersuchungen rühmlidut
bekannten Baron v. Bichthofen liegt uns eine in der Zeitschrift der deutschea
«eolog. Gesellsch. Bd. XXI. 1869. S. 599 publicirte Arbeit über den Vidkaa
Lassen's Peak in Nord - Californien vor, welcher wir nachstehende Notizen eut*
nehmen. Die Sierra Nevada, deren südliche Partien durch die geologischen
and topographischen Aufnahmen der Herren W. H. Brewer, Clarence King und
Gardner in den Jahren 1864 und 1866 wissenschaftlich durchforscht wordea
aind, stellt sich in diesen Theilen als ein vielgipfliger Kamm dar, der auf seiner
Ostseite nach der Hochfläche des Great Bassin steil abfällt, während der West-
abfall zum Thal des Sacramento ein gleichmäfsig langgedehnter ist, unterbrochen
durch zahhreiche 1000 — 3000 Fufs tiefe, in rechtwinkliger Richtung zur Streich-
richtung des Gebirges sich hinziehende Spaltenthäler. Hier, an den QneUbächen
des Stanislans, Tnolumne, King's River und Merced erheben sich die Gipfel über
15,000 Fufs, kein Pafs ist niedriger als 9000 Fufs. Gegen Norden hin senkt
«ich der Kamm und theilt sich in eine doppelte Gipfelreihe, zwischen denen sich
grofse Ebenen und tfaeils ehemalige, theils noch wirkliche Seebecken ausdehnen,
s. B. der 6200 Fufs hoch liegende Tahoe-See» das ehemalige Sierra Valley
Seebecken, u. a. m. Nördlich von Sierra Valley verbreitert sich der Kamm der
Sierra Nevada noch mehr; an die Stelle der beiden Gipfelreihen aber tritt jetzt,
in Plumas County, ein Labyrinth von Gipfeln nnd verbindenden Rücken, welche
zahlreiche Becken mit fruchtbarem Thalboden, wie Mohawk Valley, American
Valley , Last Chance Valley , Indian Valley n. a. einschliefsen. Doberall zeigen
«ich die Spuren einstmaliger vulkanischer Thätigkeit, namentlich in dem Auf-
treten vulkanischer Gesteine an der nördlichen Fortsetzung der beiden Gipfid-
Der Ynlkan LaBsen^s Peak in Califomien. 465
ttShm im Osten und Westen von Sierra Valley. Steigt man dnreh das Indian
Yallej über den Greenville-Pafs in nordwestlicher Richtung aufwärts, so erreicht
man die Wasserscheide und tritt jenseits derselben plötzlich in eine gans Ter-
sehiedene Gebirgswelt hinaus. Breite Wiesenfl&chen , wie die Big Meadows und
Mountain Meadows, dehnen sich in einer Höhe von circa 4500 Fufs meilenweit
ans, von wenig darüber erhabenen bewaldeten Bänken, alten Lavaströmen, unter-
brochen, die sich zungenförmig von Norden hereinziehen. Waldige Hügel schliefsen
nach Norden hin die Scenerie, fiberragt von dem wilden nackten Felsenriff des
Lassen's Peak mit einem ihm nach Westen verbundenen, zackigen Grat, während
«ich östlich schwarze bewaldete, von vulkanischem Material aufgebaute Klippen
SBScbliefsen. Es scheint, als habe die Kette der Sierra Nevada mit ihren meta-
morphischen Gresteinen und Graniten hier in ihrer ganzen Breite einen plötzlichen
Einbruch erfahren, und als habe die vulkanische Thitigkeit in der Kette von
Lassen's Peak culminirt und lange Zeit hindurch fortgefahren, Gesteine über das
Niveau der Ausfüllung höher und höher aufzuthürmen , als hätten dann die von
dieser Gebirgskette gegen Süden strömenden Wasser zwischen den Lavaströmen
die Wiesenfl&chen geschaffen. Dieser Einbruch in dem Kamme der Sierra Ne-
vada zeigt sich am deutlichsten nördlich von Lassen's Peak in der flachen, wohl
15 Meilen breiten, vom Pit- River oder oberen Sacramento durchströmten Thal-
mnlde, an deren Nordseite der freistehende Kegel des Vulkan Shasta 14,442 Fufs
hoch ansteigt, während gegen Nordwesten der frühere Kamm sich als ein von
«chroffen Schluchten durchfurchtes Gebirge bis zur Küste von Oregon fort-
setzt — Der Lassen's Peak, nach den Messungen von Brewer und King 10,577
Tntß hoch, ist schon von Weitem durch seine röthliche Färbung kenntlich. Ge-
waltige, von einzelnen Felsgraten zusammengehaltene Trümmerhaufen bilden sei-
nen wilden, völlig nackten Gipfel, dessen Fufs im Süden, Osten und Westen etwa
1500 Fufs unter der höchsten Spitze liegt, während nach Norden hin die Gipfel-
masse sich tiefer ausbreitend steil abfällt. Dieselbe besteht aus drei Kuppen,
die einen Kessel umschliefsen , den man jedoch, da alle Anzeichen von Aus-
wurfsthätigkeit fehlen, nicht als Krater bezeichnen darf. Nur die vulkanische* .
Natur des Gesteines deutet auf die Nähe eines vulkanischen Heerdes. Den
eigentlichen Krater hat v. Richthofen in den Vorbergen gegen Südwesten geftin-
den. Hier zieht sich vom Gipfel ein Grat mit gezackten Profillinien und schrof-
fen Gehängen ungefähr eine geographische Meile nach WSW. Ein Sattel, der
vngefihr 1500 Fufs unter dem Gipfel von Lassen's Peak in gleicher Höhe mit
dem südöstlich sich anschliefsenden Plateau liegt, verbindet ihn mit dem Grat,
dessen Gipfel zum Theil eine Höhe von 10,000 Fufs zu erreichen scheint Ein
anderer, weniger schroffer Rücken, der mit einigen steilwandigen Kuppen beginnt
und dann rasch auf ein anfangs schmales, dann sich mehr und mehr ausdehnen-
des Lavaplateau abfällt, zieht sich vom Gipfel nach Süden. Eine tiefe Einsen-
kong mit steil in das Gestein eingeschnittenen Wasserschluchten befindet sich
zwischen beiden divergirenden Rücken; sie stellt sich als ein nach Südwesten
geöffneter tiefer Kessel dar, rechts begrenzt durch den zackigen Grat, während
Uaks aus dem Kessel selbst steile Mauern und bewaldete Gehänge aufsteigen,
die mit eastellartigen Felsen von dunklen Conglomeraten gekrönt sind. Dazwi-
schen sind in verschiedenen Höhen kleine Becken und Böden mit intensiver Sol-
Xtitocbr. d. G«ielUcb. f. Brdk. Bd. IV. ^^
466 MisceUen;
fitterenthStigkeit, die fich in kochenden Schlammpfahlen, kleinen dnrchbohiteii
BchUmmkegeln, kochenden Seen, heftiger AnMtromung Ton Dampf, geiBerartigCR
Bncheinnngen, Schwefelabsate mid intensiver Zersetzung des Gesteins zn rotben
und gelben ibonigen Messen knndgiebt Es laAt sich also mit Gtewifsheit an-
nehmen, dafs an dieser Stelle der ehemalige Krater gelegen habe. Sieigt man
in den Kessel hinab, so findet man die Wände bis zu seiner Tiefe nnr aas
brannen Breoden nnd Rapilli aufgebaat, die vom Boden des Kessels bis zar
höchsten gegenwärtigen Höhe des Kraterrandes, in einer QesammtmächtigMit
Ton ungefähr 4000 Fnfs, mit unverändertem petrographischen Charakter anstehen.
Und doch ist der heutige Kraterrand nor der Ueberrest eines weit höheren, dordi
Zerstörung von erstaunlicher Intensität abgetragenen ehemaligen Schuttkegelsi der
möglicherweise einstmals den jetzigen Kraterrand um 1 — 2000 Fnfs überragt hMr
ben mag. — Was die Aussicht von der Spitze des Berges betrifft, so bietet die-
selbe, wie kaum ein anderer Punkt, die Gelegenheit, ein aosgedehotes Gebiet
vulkanischer Gesteine zu fiberblicken. Nach Westen dacht sich das Land all-
mäHg bis zur Ebene des Sacramento- Thaies ab, eine wilde, mit dichten Wäldern
bedeckte und nur spärlich von Indianern bewohnte Gegend. Gegen Norden
erheben sich einige hohe, anscheinend mit Kratern versehene Gipfel. Oestüch
sehliefst sich dem Lassen's Peak ein onerforschtes, wahrscheinlich ganz vulkani-
sches Gebirge mit zum Theil bis 8 und 9000 Fuft hohen Gipfein an, deren einer
sich als ein aus loser Asche aufgebauter Vulkan mit wohlerhaltenem Krater dai^
steUt und deshalb von Prof. Whitney „Cinder Cone" genannt worden ist. Zahl-
reiche andere kleinere Kegel dieses Gebirgszages zeigen schön gefonnte Kraler
und deutliche Lavaströme; jedesfalls deutet die geringe Zerstörung ihrer Kraler
darauf hin, dafs sie einer späteren Periode vulkanischer Thätigkeit angehören,
als der grofse Krater des Lassen's Peak. Nach Nordosten senkt sich das Land
allnuUig nach dem Pit- River: ein basaltisches Tafelland mit schroff eingeachait»
tenen Flufsbetten. — r»
Lord Howe Island.
Im Juni dieses Jahres (1869) lief bei der Colonial-Regiemng von Nen-Sud-
Wales (Australien) ein Memorial von den Bewohnern der zu dieser Colonie ge-
hörigen Lord Howe Insel ein, des Inhalts, dafs wegen einer unter ihnen verübten
Mordthat die nothwendig gewordene Criminal-Untersnchung gegen das betref-
fende Individuum eingeleitet werden möge '}. Es hatte nämlich ein alter TOj&hiiger
Greis in einem heftigen Streite und, wie sich später beim gerichtlichen Verhöre
erwies, eigentlich mehr in der Selbstvertheidigung seinen Schwiegersohn erstochen,
weshalb er denn auch, um dies gleich vorweg zu nehmen, vom Richter freige-
sprochen wurde.
') Es ist aufnülig, dalli selbst auf den neuesten Karten Lord Howe Island faib-
los, also als herrenlos, angezeichnet wird, während es doch englisches Besitstlivaa
ist und der Colonie Neu-Sfid- Wales angehört
Lord How« bland. 467
Da nas, selbst auch in Australien, über die Lord Howe Insel — ^ ist hier
die Haapiinsel der gleichnamigen Grnppe gemeint — äufserst wenig bekannt war,
80 beorderte die Regierung von Neu- Sud- Wales Mr. Charles Moore» Director des
botanischen Gartens, Mr. Carson, Vorstand des zoologischen und mineralogischen
Museums, und andere competente Personen, sich zugleich mit dem Criminalricbter
auf dem Dampfer Thetis nach Lord Howe Island zu begeben und geographische
Forschungen anzustellen. Folgende Mittheilungen aus dem veröfifentlichten Be-
richte werden mit Interesse gelesen werden.
Die Insel liegt in Lat 32,30 S. und Long. 159 0. Gr. und ist 450 Miles von
Sydney entfernt, also in ungefähr 40 Stunden per Steamer erreichbar. Ihr Um-
£iiig betragt sechzehn und ihre Länge sechs Miles, während die durchnittliche
Breite nur eine halbe Mile ausmacht. Am südlichen Ende wird nahezu ein
Drittel der ganzen Insel von zwei Berghöhen eingenommen, die sich an manchen
Stellen der Küste völlig perpendicnlär in's Meer niedersenken. Die eine dersel-
ben heilst, nach dem Entdecker dieser Insel und von der eigenthümlichen Gestalt,
Ball's Pyramid, und erreicht die Höhe von 2800 Fufs. Der Gipfel ist sehr schwer
sogäng^ch und konnten, trotx aller Anstrengung, die letzten 400 Fufs von den
Touristen nicht erstiegen werden. Auf der Sfidwest-Seite befindet sich ein klei-
ner Hafen, der vor dem Hochgange der See durch eine in der Entfernung von
I Miles davor liegende felsige Schntzwehr hinlänglich geschützt wird.
Die Insel ist erst seit 30 Jahren überhaupt bewohnt, zu welcher Zeit sich
eine englische Familie daselbst niederliefs und 17 Jahre verblieb. Im Jahre 1855
belief sich die Zahl der Colonisten insgesammt auf 33. Im Monat Juni dieses
Jahres hatte sich die Bevölkerung auf 42 erhöht, und zwar auf 24 männliche und
18 weibliche Individuen. Die Zahl der Kinder unter 5 Jahren betrug fünf; im dann
folgenden Alter von 18 — 30 Jahren standen 15 Personen; sieben waren 30 bis
50 Jahre alt und der Rest gehörte dem höheren Alter an. Drei der Colonisten
stammen aus Amerika, vierzehn ans GroÜBbrittannien ; zwei Frauen sind Eingebome
der Sfidsee- Inseln und der Rest gebome Australier. Die Meisten sind schon
lieben bis zwanzig Jahre ansässig* Der älteste Ansiedler ist der Matrose Mosely
ans London, welcher mit seiner Frau bereits 25 Jahre dort lebL
Den gröfseren Theil der Bewohner, bilden gewesene Capitäne von Walfisch
fahrem oder doch wenigstens Matrosen. Ueberhanpt ist die Insel — früher noch
mehr als jetzt — eine Station für Walfischfanger, und die ersten Colonisten
liefsen sich in der Absicht dort nieder, um mit denselben Handel zu treiben.
Obgleich sie keine Gesetze haben oder wenigstens keine Magistrat^person
unter ihnen residirt, welche dem Gesetze Geltung verschafft, so lebt die Bevölke-
rung doch äufserst friedlich mit- und nebeneinanJer. Uneinigkeiten fallen höchst
selten vor, und obiger Fall ist als ein ganz aufserordentlicher zu bezeichnen.
Es scheint ein stillschweigendes Uebereinkommen unter ihnen zu bestehen, das
gegenseitige Eigenthum zu respectben. Sie besitzen weder einen Geistlichen noch
einen SchuUehrer, wiewohl die Regierung von Neu-Süd- Wales damit umgeht, die-
sem Mangel abzuhelfen. Die Geburten und Sterbefälle wurden bisher nicht re-
gistrirt, jetzt ist jedoch der dort ansässige Capitän Spurling zum Registrator er-
nannt worden. Die Heiraihen, welche arrangirt werden, beruhen mehr auf frei-
irilligem Zusammenleben, da sie nach den legalen Vorschriften nicht vollzogen
30*
468 BliteeUen:
werden können, aber die Eken sind darum nicht weniger treu and glGckliehi th
sonst wo. Sie leben in gröfster Unwissenheit in Betreff dessen, was jensett ihrsr
kleinen Erdscholle Torgeht, nnd scheinen anch überhaupt alles Interesse an der
grofsen Welt verloren xn haben. Der Wunsch, das Eiland wieder tn Teriassen,
kommt kaum bei ihnen auf. Ihre Bekleidung ist angemessen und reinlich. Die
Wohnhäuser sind sum Theil aus sogenannten 81abs (Planken oder breiten Pfäh-
len) aus hartem Holze gebaut und niedlich eingerichtet, während andere ia
leichterer Art aus Palmbaumholz zusammengestellt und mit Palmblättem bedeckt
sind; Palmb&nme umstehen gewöhnlich die U&nser.
Einen Industriezweig irgend einer Art betreiben sie nicht, nnd moTs alles,
was dahin schlägt und ihnen nöthig ist, importirt werden. Drei der Ansiedler
besitzen ein kleines Schiff, womit sie drei- bis viermal im Jahre nach Sydney
fahren, um die Bedürfnisse, namentlich Mehl, Thee, Zucker, einzukaufen. Sonst
gewinnen sie reichliche Vorrathe an Lebensmitteln von der grofsen Fruchtbaikeit
des Bodens. Der Export besteht in den Naturprodukten der Insel^ wie Zwiebeln,
welche ganz vorzüglich gedeihen, Kartoffeln, Mais, Bananen. Auch Schwein-
Pökelfleisch nnd Schinken müssen dahin gerechnet werden. Gelegentlich lauft
anch ein fremdes Schiff ein, um Wasser einzunehmen und Tauschhandel zu trei-
ben, denn Waare nehmen sie im Handel lieber, als Geld.
Die Insel ist aufserordentlich reich an Schweinen und Ziegen. Erstere strei-
chen wild umher und nähren sich hauptsächlich vom Saamen der Palmenbäume,
welche zahlreich vorhanden sind und in gröfster Ueppigkeit wachsen. Bdan be-
hauptet, dafs das Fleisch von dieser Nahrung einen sehr feinen Geschmack an-
nehme. Federvieh ist ebenfalls in grofser Menge vorhanden. Die Insel ist übenll
gut bewaldet. Unter den Bäumen kommt anch der Bangan, Ficu$ Indica, vor,
nnd befindet sich davon ein Exemplar daselbst, welches die Fläche von 1| Acree
bedeckt. Auch hat man einen bisher unbekannten Baum aufgefunden, welcher
der Familie der Epacridaceae anzugehören scheint. Die einheimische Vegetation
l^eicht meistentheils der der Tropen. Der wellenförmige Boden ist sehr frucht-
bar und fähig, alle tropischen und semitropischen Gewächse zu prodnciren. Li
4er Mollusken Land- Fauna trifft man vier besondere Species der J7e/ix, eine vom
Genus BuUmtu, vier desgleichen vom Genus DiplommatmOf eine vom Genus Qf-
clophonUy eine vom Gknus Regiatoma nnd eine vom Genus Ompkalotropis.
— ff—
Capitän James Cook's Denkmal in Sydney.
Ein Jahrhundert ist dahin gegangen, seit der berühmte englische Navigator
Capitän James Cook die Ostknste Australiens entdeckte nnd mit einer Genauig-
keit erforschte, welche spätere Beobachtungen nur bestätigen konnten. Capitän
Cook landete, wie bekannt, am 19. April 1770, als der erste Europäer, in Bo-
tany Bay und nahm am 23. April, im Namen der britischen Krone, Beaits von
Australien. Am 6. Mai ward der Hafen von Sydney aufgefunden, und h&tte der
Entdecker damals eine Ahnung davon gehabt, dafs es der schönste Hafen der
Capit&n James Cook's Denkmal id Sydney. 469
Weh war, ao wQrde er ihn schwerlich nach dem Matrosen Jackson (der snr Zeit
die Wache hatte nnd «Hafen" aasrief, als sein Capit&n gerade bei Tische safs
und sich nicht weiter stören lassen wollte) Port Jackson benannt haben. Der
Landungsplatz ist i^ Miles von Sydney entfernt, liegt aber 2 Mtles südlich vom
Eingänge der Botany Bay, wo zwei grofse Flfisse in einer wilden nnd schwer
ragangliehen Gegend münden. Man kann denselben nur von der Wasserseite
erreichen, nnd eben deshalb ist er von sehr wenigen Colonisten je besncht wor-
den und den Meisten überhaupt völlig unbekannt. Die Stelle selbst, welche jetzt
zum Besitzthume des Hon. Mr. Thomas Holt zu Warren an Cook's River gehört,
wird durch nichts weiter bezeichnet, als durch eine anbedeutende Messingplatte,
welche am Felsen angebracht ist. Forbes Sntherland, einer von Cook^s Matro-
sen, welcher hier starb nnd nach welchem das in unmittelbarer Nähe liegende
.Point Sntherland* benannt ist, liegt als der erste Europäer an dieser Stelle be-
graben. Zur Säcularfeier soll nun dem Capitän Cook ein öffentliches Denkmal
in Sydney errichtet werden, und zwar an der östlichen Seite des Hyde Park, un-
mittelbar dem Anstralian Museum gegenüber. Das Fundament dazu wurde schon
am 27. März dieses Jahres von dem zam Besuche in Sydney anwesenden Prinzen
Alfred, Herzog von Edinburgh, der bei den üblichen Ceremonien unter Anderm
auch einen aus dem am Landungsplatze wachsenden Holze kunstreich angefertigt
ten Hammer benutzte, gelegt und besteht aus einem Piedestale vom ausgezeich-
neten Momya-Granit, dessen Quadratseite 13 Fufs mifst. Darauf soll weiter eine
Säule ans demselben Gesteine zu stehen kommen, nnd auf dieser dann die Statue
selbst. — ff—
Die Humboldtfeier der Berliner Gesellschaft für Erdkunde
am 14. September 1869.
Werfen wir einen Rückblick auf die Verhandlungen unserer Gesellschaft von
der Zeit ihrer Gründung an bis zum Jahre 1859, durchblättern wir die Publi-
cationen unseres Vereines während eben dieser Zelt, so begegnet uns überall
der Name Alexander v. Humboldt's als Förderer der Zwecke, welche die Berliner
Gesellschaft für Erdkunde unablässig zu verfolgen bemüht war. In dankbarer
Erinnerung tragen wir jene zahlreichen Mittheilungen über die grofsen Entdeckun-
gen auf dem Gebiete der Geographie, welche er uns durch den Mund seines
Freundes Carl Ritter zu Theil werden liefs, seine Aufmunterung und seinen
Schutz, welchen er so manchem strebsamen Mitgliede unseres Vereins angedeihen
liefs, in dankbarer Erinnerung endlich seine Bemühungen um das Gedeihen an-
serer Gesellschaft in einer Zeit, wo politische Meinungsverschiedenheiten das
Fortbestehen derselben wenigstens zeitweise zu gefährden drohten. Der Vater-
stadt Humboldt's, dem wissenschaftlichen Verein, dem Humboldt mit besonderer
Liebe zugetban, dessen Ehrenmitglied er von der Zeit seiner Gründang gewesen
war, fiel mithin die schöne Aufgabe zu, das Andenken an den Heroen der Ka-
turwissenscbaften , seinen hundertjährigen Geburtstage als Festtag in würdiger
Weise zu begehen. Von der geographischen Gesellschaft in Berlin, als der alte-
470 Miscdlen:
steil and zahlreichsten DeatschUnds, mafste die Initlatire ergriffen werdeo, nicht
allein die jüngeren Schwestergesellschaften unseres Vaterlandes zu einer gemeia-
samen Festfeier zu vereinen, sondern auch die zahlreichen natarwissenschaft-
liehen Vereine unserer Hauptstadt zur Theilnahme an derselben heranzuzleheB.
Mufste man auch befürchten, dafs die um wenige Tage sp&ter in Innsbruck
tagende Versammlung deutscher Naturforscher und Aente, die nach ^Vlen uad
Heidelberg berufene Vereinigung der Astronomen und Geologen uns die Tlieil-
nahme so mancher Coryphäen der Wissenschaften entziehen würden, so giaubiB
doch das durch den zeitigen Vorsitzenden unserer Greselischaft, Herrn Dr. Bastiaa,
gebildete Festcomit^ den 14. September als den (Ur die Feier geeignetsten Tag
festhalten zu mQssen, und die allgemeine Theilnahme, welche sich an derselbe!
knndthat, rechtfertigte roUkommen diesen Beschlufs des Comit^s. Dem Anden-
ken Humboldt's wfirdig bildete die von unserem Verein an jenem Tage gehal-
tene Festsitzung einen schonen Abschlufs zu dem feierlichen Acte, durch wel-
chen die Stadt Berlin die Erinnerung an Humboldt auch für spStere GeneratioDsn
wach zu erhalten gedenkt. — Mit folgender Ansprache des Geh. Rath Dr. r.
8 tramp ff wurde die Festsitzung erÖfÜiet.
„Da mir als Delegirteu der bei unseren heutigen Festlichkeiten betheiligtai
Gesellschaft der naturforschenden Freunde, des filtesten natnrwissenschafUiehea
Vereins Berlins, die Ehre zu Theil geworden ist, den Vorsitz in dieser hoch-
ansehnlichen Versammlung übertragen zu erhalten, so eröffne ich hiermit &
Sitzung *
„Es scheint mir angemessen, zunächst in der Kürze mitzutheilen , weicht
Schritte die hiesige Gesellschaft für Erdkunde und die übrigen naturwissenschaft-
lichen Vereine Berlins gethan haben, um den heutigen Tag, an welchem tot
100 Jahren unser grofser Zeitgenosse und Mitbürger Alexander von Humboldt
geboren worden, festlich sn begehen, und welches der Erfolg dieser Schritte
gewesen isL**
„In der Sitzung der Gesellschaft für Erdkunde vom 8. Mai d. J. kam eine
Vereinigung dieser Gesellschaft mit den anderen geographischen Gesellschaften
Deutschlands zum Zweck einer gemeinsamen Humboldtfeier zur Besprechung,
und in der Sitzung vom 3. Juli wurde auf Antrag des Votsitzenden, Herrn Dr.
Bastian, der Beschlufs gefafst, die naturwissenschaftlichen Gesellschaften Berlins
aufzufordern, sich bei der Feier zu betheiligen und ein Comit^ zu constitnirea,
um die Festlichkeiten zu berathen.*
„In Folge dieser Einladung wurden von der Gesellschaft der naturforscfaendea
Freunde, von der geologischen, botanischen, Hufeland^schen, medizinischen, medi-
zinisch-psychologischen, chemischen, omithologischen, entomologischen und poly-
technischen Gesellschaft Delegirte ernannt ')} un^ mit dem Vorstande der Ge-
'} Ab Delegirte waren ernannt: von der Gesellschaft der natnrforsehendsn
Freunde: Kammeigeriohts-Prisident Geh. Bath Dr. v. Strampff; von der geologiacbea
Gesellschaft : Geh. Rath Prof. Dr. Rose und Dr. Knnth ; von der botanischen : Prof. Dr.
Braun und Privatdocent Dr. Ascberson; von der Hafeland'scben : Geh. Rath Dr. v.
Hom; von der medizinischen: Geh. Rath Prof. Dr. Bardeleben und Dr. Fiitnkel;
^on der medizinisch -psychologischen: Prof. Dr. Skrzeczka; von der chemischen:
Die Hnmboldtfeier der Berliner Gesellschaft für Erdkunde. 4TI
«ellschaft für Erdkunde die weiter erforderlichen Vorbereitungen in gemeinsamen
4Sitsongen zu treffen.*
«Es wurden nun Einladungsschreiben an die geographischen Gesellschaften
in Wien, Leipzig, Kiel, Frankfurt a. M., München und Darmstadt mit dem Er-
fludien erlassen, den in Berlin, der Vaterstadt Humboldts, durch eine Festsitzung
und ein fVestmahl zu feiernden 100jährigen Geburtstag Humboldt's durch Dele-
girte ZQ beschicken. Aller Orten fand diese Einladung den lebhaftesten Anklang.*
«Die Kaiserl. KonigL Geographische Gesellschaft in Wien und der Verein
4er Freunde (Br Erdkunde in Leipzig haben derselben durch Entsendung von
Delegirten entsprochen '), welche wir heute zu unserer Freude in unserer Mitte
sehen. In München hatte die Einladung die Folge, dafs die dortige geographische
Gesellschaft einstimmig beschlofs, dort eine Feier zu veranstalten, und auch die
Dresdener geographische Gesellschaft trat von ihrer ursprünglichen Absicht, De-
legirte hierher zu senden, zurück, da in Dresden selbst eine allgemeine Feier
vorbereitet wnrde. Die geographischen Gesellschaften in Frankfurt a. M., in
Daormttadt und in Kiel, die sich zu ihrem Bedauern verhindert gesehen, sich bei
unserem Feste zu betheiligen, haben ihr Interesse schriftlich kund gegeben.**
,Dafs aufser unserem Kreise in unserer Hauptstadt, an anderen Orten Preu-
fsens und Deutschlands und aufser den Grenzen unseres Vaterlandes in Europa
und in anderen Welttheilen das Andenken an Alexander von Humboldt durch
Feste mancherlei Art verherrlicht wird, ist Ihnen bekannt*
»Seine Majestät unser König haben geruht, uns sein Bedauern aussprechen zu
lassen, durch das Manöver bei Königsberg in Preufsen verhindert zu sein, dieser
Versammlung beizuwohnen, und die Gnade gehabt, uns den Saal des Königl.
Schauspielhauses für die gegenwärtige Feierlichkeit zu bewilligen, wofür wir
unseren ehrerbietigsten Dank aussprechen.^
«Einige unserer ersten Staatsmänner beehren diese Versammlung mit ihrer
Gegenwart. Manche Freunde Humboldt^s, inbesondere mehrere namhafte Gelehrte,
fehlen in unserer Mitte, weil sie sich theils zu ihrer Erholung, theils zu wissen-
schaftlichen Zwecken auf Reisen befinden. Aus diesem Grunde vermissen wir auch
schmerzlich die beiden Männer, welche vor Anderen Alexander von Humboldt
nahe gestanden haben, seine Gefährten auf seiner nordasiatischen Reise, die
Professoren Ehrenberg und Rose. Ersterer hat seiner Theilnahme dadurch einen
-dauernden Ausdruck gegeben, dafs er eine der hiesigen Gesellschaft (Ür Erd-
kunde bereits übersandte gröfsere Abhandlung, seine neueste gelehrte Arbeit,
«üeber mächtige Gebirgs - Schichten vorherrschend aus mikroskopischen Bacilla-
rien unter und bei der Stadt Mexiko*, dem hundertjährigen Geburtstage Hum-
boldt's gewidmet hat. — Ich ersuche nunmehr Herrn Dr. Bastian, die Festrede
zu halten.*
Dr. Scheibler; von der omithologischen : Oustos Dr. Gabanis; von der entomolo-
-gisdien! Dr. Stein; von der polytechnischen: Director Baerwald.
') Die K. K. geographische Gesellschaft in Wien wurde vertreten durch: Dr.
Aatou Edler von Rntbner und Dr. E. Marno; die Leipziger Gesellschaft flkr Erd-
kunde durch: Dr. Delitsch, Dr. Rieh. Andr^e, Dr. Kersten, Dr. Lamp4-Btoder*
472 MiMeUen:
Folgeodes bildeten die Haaptpnnkte der Festrede *};
Religion und Wissenschaft , beide, wenn anch durch mifsTerttandeDen Eifcr
häofig aoteinander geserrt, doch unauflöslich als Zwillingsschwestem Terbundeo^
bilden die Kleinodien des Lebens, sn deren Huter su allen Zeiten gottbegeisterte
Propheten berufen waren, die in klarschauendem Geiste die Ideen des Komiiic&-
den verkündeten. Ihre Namen bilden die Grenzpfeiler der Cnlturepochen ia d«
Geschichte der Völker. Als ein solcher, den Beginn einer neuen Aera Terkiio*
dender Prophet sei Alexander t. Humboldt aufgetreten, der auf der breiten Cnte-
läge vergleichender Wissenschaften ein festes und sicheres Fundament gelegt hs^
um den Tempel des Kosmos inductiv zu erbauen; diese bedeutsame, Ton Nt^
mandem angefochtene Stellung Humboldfs in der Wissenschaft stehe so uner-
reicht da, dafs die niemals von menschlichen Schwächen, wie solche ja dss Erb-
theil alles Irdischen seien, beeinträchtigt werden könnte. Die letzten drei Jshr-
zehnte des 18. Jahrhunderts reinigten und ebneten in den Naturwissensduülcn
den Boden, ans dem in unserem Jahrhundert die damals gesaete Saat sieii in
herrlichster Weise entwickeln sollte. Chemie und Physik begannen sich danuis,.
jene durch Stahl und Priestley, diese durch Dufay und Qalvani ihrer aUhecg^
brachten mystischen Fesseln zu entledigen , und gerade in dieser, den Wende-
punkt einer neuen Weltanschauung bildenden Periode, sehen wir den jugendliches
Humboldt als Mitarbeiter an der Lösung der gestellten Aufgabe sich betheiligen,
seine erste productive Thätigkeit auf den Gebieten der Mineralogie und Botanik,
seine erste grofse Publication auf physiologischem Gebiete ȟber die gereiiteo
Nerven- und Muskelfasern" gehören dem Beginn dieser Periode, dem letitoi
Jahrzehnt des vorigen Jahrhunderts an. Ebenso aber wie auf dem Felde der
Naturwissenschaften die Neuzeit mit gewaltigem Flügelschlag heraDranschte, wuen
auch dem bisherigen Gebäude aller anderen Wissenschaften der Boden entzogen,
war auch der künstliche Aufbau unserer socialen Verhältnisse in seinen Gnod-
festen mächtig erschüttert In grausem Chaos stürzten die ethischen Prineipien,.
auf denen die Wohlfahrt und Existenz der Gesellschaft beruhten, zusammen;
man negirte das Bestehende, ohne die Mittel zu haben, das Alte und Vergangene
neu zu beleben. Diesen verwüstenden Fluthen einen Damm entgegen zu setzen,-
der sittlichen Welt ihren verlorenen Schwerpunkt zurückzugeben, schien Deutsch-
land berufen. Im fernen Westen erstand der Mann, von dem diese Regeneration
ausgehen sollte, der auserwählt war, der alten Welt die unabänderlichen Gesetie
des Kosmos in grofsartigen Zügen zur Anschauung zu bringen. Im tropischen
Amerika, wo die Natur die Grundzüge der vergleichenden Wissenschaften offen-
kundigst niedergezeichnet hat, wo die Vergleichungspunkte näher als anderswo
sich zasammendrängen , indem gerade hier, wie fast an keinem anderen Punkte
der Erde, die verticale Gliederung der Gebirgsketten eine unendliche Mannig-
faltigkeit der klimatischen und pflanzengeograpbischen Erscheinungen bedingt,
schuf Humboldt jenes grofsartige, von der Erde als Grundbasis ausgehende Syiteia
') Die Festrede ist inzwischen erschienen: Alexander t. Humboldt. Festredt
bei der von den naturwissenschaftlichen Vereinen Berlins veranstalteten Humboldt'
Feier am Sttculertage gesprochen von Dr. A. Bastian. Berlin (Wiegandt und Heo-
pel) 1869. 80 S. gr. 8.
Die Hnmboldtfder der Berliner Gesellschaft für Erdkunde. 473
der Forschnngsmethode, welches für unsere Zeiten mafsgebend geworden ist und
auf welchem alle späteren Geschlechter fortbauen werden. Aber nicht allein die
pbysicalischen Verhältnisse unseres Erdkörpers waren es, ftir deren Erklärung
Humboldt in Amerika wie in Centralasien eine neue Anschauungsweise schnf,
es war Tielmehr ebenso die Erforschung des Menschengeschlechts in der es um-
gebenden Natur, für die er eine neue Bahn brach. Auf den Bergterrassen der
Cordilleren, auf Mexico's Hochebenen, in Asien auf der Markscheide westlicher
und Östlicher Cniturgescbicbte, mit ihren Ruinenst&tten und Reminiscenoen unter»
gegangener Völkergeschlechter, mit ihrem vielgestalteten Völkerleben der (jegen-
wart eröffnete sich dem philosophischen Geiste Humboldt's durch Heranziehung
comparativer Hnlfsmittel eine neue Anschauungsweise für den kulturhistorischen
Entwickelnngsgang der Völker des Erdballs. Die methodische Anbahnung der
Ethnologie als comparative Hülfswissenschaft und historische Entwickelungs*
geschichte ist das Verdienst Humboldt's, und wenn auch die vergleichende Völker*
künde noch nicht die ihr gebührende Geltung erlangt hat, wenn auch die Ver-
gleichung, welche Humboldt in die Gebiete der physikalischen Geographie, Zoo-
logie und Botanik eingefEÜirt hat, f&r die Ethnographie noch nicht in gleicher
Weise zur Geltung gekommen ist, so wird doch dereinst, wenn das bisher als
unbeachtet gelassene Material als nothwendiges Glied zur Schliefsung der Kette
richtig gewürdigt sein wird, die noch schlummernde Saat gewinnbringend für die
richtige Erkenntnifs des Menschengeschlechtes aufgehen* Durch Humboldt, als
Repräsentanten der naturwissenschaftlichen Forschungsmethode, hat die mensch-
liche Forschung, das Eindringen des Geistes in die Natur eine neue Gestalt ge-
wonnen, seine Forschnngsmethode hat jeden Menschengeist zum Bürger im Reiche
der Wissenschaft geadelt, er hat uns gelehrt, wie es die Aufgabe des Menschen*
geschlechta sei, den Aufbau der Wissenschaften durch ein Zusammenwirken aller
Zweige der Naturforsch nng auszuführen.
Ein solennes Festmahl in dem mit der Kolossalbüste Hnmboldt's, einer Ar-
beit Ton Bläser s Meisterhand, geschmückten Meser^schen Saale schlofs sich jener
Feier an. Von den von Mitgliedern unserer geographischen Gesellschaft aus-
gebrachten Toasten heben wir folgende hervor: Kammergerichts -Präsident, Geh.
Rath Dr. v. Strampff leitete den auf des Königs Majestät ausgebrachten Toast
mit folgenden Worten ein:
„Einer unserer gröfsten Dichter läfst König Carl VU. von Frankreich sagen:
Es soll der Sänger mit dem König gehen,
Sie beide wohnen auf der Menschheit Höhen.
Alexander von Humboldt war nicht Sänger, nicht Dichter; aber auch er, der
rutlose, unermüdliche, sinnige Forscher der Natur, der sich in seinem langen
Leben ihr weites Reich in allen seinen Gebieten erschlofs wie wenigen beglückten
und auserwählten Geistern, der einzelne Erscheinungen bis in ihre schwer au*
gangUchen Tiefen verfolgte und ergründete und zugleich die mächtigen, daf
Weltall und alle Wesen, Organismen und Körper beherrschenden, bewegenden»
gestaltenden und erhaltenden Kräfte nnd dis ihnen innewohnenden Gesetze mit
Uarem Auge schaute und erkannte, der unvergefslicbe , unsterbliche VerfasMr
des Kosmos — auch er wohnte nnd wandelte auf der Menschheit Höhen, auch
mit ihm gingen Könige; Könige, die wir mit Stolz die unserigen nennen, nah*
]
474 MisoeUeo:
men ihn auf wie einen Freand und hörten seinen Rath, zn Nutz nnd FironmeD
der Witsenschaft, ihnen selbtt zom nnverg&nglichen Ruhme. So haben wir dem
bei nnserem hentigen frohen nnd festlichen Zusammensein einen ganz besonderai
and eigentfaämlichen Anlafs, unseres Königs in Liebe und Ehrfnreht za gedenken.
Es tritt vor unsere Seele lebendig das Verhältnifs zwischen Humboldt und un-
seren Königen, der Gedanke, was sie ihm, was er ihnen gewesen.*
Dr. Brehm begrüfste die anwesenden Ehrengaste mit den Worten: Dem
Streben Alexander ▼. Humboldfs verdanken wir den Wahlspruch der Gegenwatt:
Natfirliche Anschauung der Dinge, die Alles im Leben umgestaltet hat AQe
hier Anwesenden huldigen dieser Devise, und in solchem Sinne feiern wir diesei
Fest, ein VerbrQdemngsfest der freien Geister der Menschheit. Geeckt aber
wird dieses Bewufstsein durch diejenigen Männer, welche nicht dem engen Kreise
der Festtheilnehmer angehören, durch die Lehrer der Wissenschaft im weitesteo
Kreise, und dies sind unsere Ehrengäste".
Staatsrath Dr. v. Brandt ans St. Petersburg wies auf Humboldt^s Verdienste
in Rufsland hin nnd schlofs mit einem Hoch auf den Grefeierten als Zoologen.
Im Anschinfs an den Toast Dr. Brehm^s sprach Dr. A. y. Ruthner, Dele-
girter der K. K. geographischen Gesellschaft in Wien nnd Ehrenmitglied unserer
Gesellschaft:
kEs ist tief in der Natur des Menschen begründet, dafs er vor Allem die
Sprache liebt, welche zuerst die Wiege des Kindes umtÖnte, in welcher es zuerst
seinen Wfinsqhen Ausdruck zu geben gelernt hat, — dafs er vor Allem seine
Muttersprache liebt. Mit der Liebe zur Mattersprache ist ihm aber auch ange-
boren die Sympathie fiir Diejenigen, welchen dieselbe Sprache eigen ist, die
Sympathie für seine Stammesgenossen. Durch Zwischenfölle wird diese Sym-
pathie zwar gestört, aber nicht zerstört: sobald aber sich die düsteren Wol-
ken zertheilt haben, tritt die alte Zuneigung wieder in ihr volles Recht. So geht
es uns Deutschen in Gestenreich. Wir fühlen die Zusammengehörigkeit mit Nord-
deutschland, wie wir sie je gefühlt haben, und weitaus ziehen wir die innigste
staatliche Alliance mit dem norddeutschen Bunde jeder Verbindung mit Staates
firemder Zunge vor. Meine Herren! Ich habe kein Mandat von 7 Millionea
Deutschen in Oesterreich — und gröfser noch als 7 Millionen ist die Zahl der
Deutschen auch nur in Cisleithanien — ich spreche hier Mos meine eigenste
Anschauung aus; ich zweifle aber nicht, dafs sie die Zustimmung zahlreicher
deutscher Männer in meinem Vaterlande finden wird. Vollkommen innerhalb
der Grenzen meines Mandats bin ich dagegen, wenn ich die hohe Achtung aoi-
spreche, welche die geographische Gesellschaft in Wien f^r die Gesellschaft für
Erdkunde in Berlin hegt, und die grofse Ehre, welche die Stadt Berlin heote
der geographischen Gesellschaft in Wien dadurch erwiesen hat, dafs sie ihre Ver-
treter mitberufen, die Hammerschläge auf den Humboldtstein zu führen, wird eis
neues Bindemittel sein, welches die Gesellschaft im deutschen Süden mit der
chwester im Norden nur noch fester verbindet Aus diesem doppelten Gesichts-
punkte bringe ich ein Hoch unseren deutschen Brüdern im Norden des Main»
ein Hoch der Gesellschaft für Erdkunde in Berlin!"
Prof. Dr. Virchow brachte ein Hoch der Naturforschung und ihren För-
derern aus* Humboldt sei es gelungen, die Naturwissenschaften hoffähig und
Die Hamboldtfeier der Berliner Gesellschaft für Erdkunde. 475
▼olksthinnlich zugleich zu machen ; er habe darin Aristoteles fibertroffen, der bei
der Schalfahigkeit stehen geblieben sei Im Volksunterricht wurden hoffentlich
die Naturwissenschaften dereinst einen integrirenden Bestandtheil bilden. Sodann
erinnerte der Redner an die Jugendfreundschaft zwischen Humboldt und Schiller
und überreichte im Auftrage der einzigen noch lebenden Tochter des grofsen
IHchters, der Frau von Gleichen -Rurswurm, einen Lorbeerkranz zum Zeichen
▼erehrungsToller Theilnahme, mit welchem die Bfiste Humboldt's geziert wurde.
Oberstabsarzt Dr. Roth brachte auf unsere Nordpolfahrer, sowie auf die
Afnkareisenden einen Trinkspmch aus, indem er nachwies, wie alle späteren
Beisenden von Humboldt erst Reisen und Entdecken gelernt hätten.
Der letzte officielle Toast, ausgebracht von Dr. Zenker, galt den Beglei»
tem Humboldt's auf seiner asiatischen Reise: Ehrenberg und Rose.
Schliefslich gedachte Dr. Paul Goldschmidt der Frau v. Bülow, der
jetzigen Besitzerin des Schlosses Tegel und treuen Hüterin der Grabstatten der
beiden grofsen Bruder.
Koner.
Sitzung der geographischen Gesellschaft zu Berlin
vom 7. Juli 1869.
Der Vorsitzende, Herr Bastian, begrüfst bei Eröffnung der Sitzung im
Namen der Gesellschaft den anwesenden Afrika- Reisenden Herrn Grerhard Rohlfs
und legt darauf die eingegangenen Geschenke vor.
Herr Eawerau sprach über seine Erlebnisse in Australien. Die Colonie
Victoria, in welcher der Redner sich aufhielt, empfing ihre ersten Colonisten im
Jahre 1S35 und wurde am I.Juli 1851 von Neu -Süd -Wales, zu welchem es
bis dahiti gehört hatte, abgelöst und zu einer selbstständigen Colonie erhoben.
Noch in demselben Jahre erfolgte die Epoche machende Entdeckung der Gold-
felder, durch welche die ganze Colonie in die gröfste Aufregung versetzt wurde.
Alle Vertiüge und anderweitig bindenden Verhältnisse wurden gewaltsam gelöst,
indem Jedermann den Goldfeldern zuströmte. Auch sonstige Nachtheile, wie
s. B. Wohnungsmangel in Gerlong, blieben nicht aus, und zu alle dem kamen
im Jahre 1852 noch Räubereien und Mordthaten. Indessen gingen die Hoff-
nungen, welche anfangs sehr getiiuscht worden waren, allmSlig in Erfüllung, und
die ersten neun Jahre nach der Entdeckung lieferten einen Ertrag von 954 MiU.
Thlr. Gold.
Herr Br Uli ow legte hierauf seine Wandkarte der Heimathskuode vor; Herr
Bastian ttbergab den 1. Band des von dem ungenannten Verfasser der Gesell-
flchaft geschenkte Prachtwerkes „Die Balearen in Wort und Bild*.
Herr Rohlfs gab einen UeberbUck über seine eben vollendete Reise, die
ihn im Herbst des vergangenen Jahres zunächst nach Tripolis gefuhrt hatte. Am
21. Februar d. J. von dort aufbrechend, reiste er Über Bengasi nach Cyrene, wo er
ÄCht Tage verweilte, viele photographische Aufnahmen machte und Pflanzen sam-
ni«lte. Am 27. März kehrte er nach Bengasi zurück. Bei der Fortsetzung seiner
476 Sitsungsbericht der Berliner geographischen Gesellschaft.
Beise beobachtete er die grpfse, unter das Nireaa des Mittelmeeres hinab-
gehende Einsenkung des Bodens, welche bis snr Oase des Jupiter Ammon reicht.
Mit dem Empfange, der dem Beisenden hier zn Theil wnrde, hatte er alle Ur-
sache zufrieden zu sein; man kam allen seinen Wünschen entgegen, erlaubte
ihm, die alten Tempel zu besuchen und die Hieroglyphen, soweit sie zug&nglieh
waren, zu copiren. Während seines sechstagigen Aufenthaltes an diesem Orte
wurde auch die Topographie der Oase von ihm beriicksichtigt, und am 25. Mai
traf er wieder in Alexandria ein.
Herr Ascherson machte eine Mittheilnog über den verstorbenen Botaniker
und Beisenden Kotschy und das demselben zu errichtende Denkmal, für welches
zu Beiträgen aufgefordert wird.
Herr Frits che berichtet über Diamanten, die vor Kurzem von einem seiner
Freunde, Herrn Kaufmann Ghitry, im südlichen Afrika entdeckt wurden. Mao
fand sie auf einer Farm, unweit des Oranje- Flusses, in einer flachen, von Kalk-
kuppen durchsetzten Gegend, welche keine Anzeichen für Diamanten darbietet^
Einer dieser Steine ist jetzt angeblich mit 33,000 Pfd. St. bezahlt worden. Die
in jener Gegend neu entdeckten Goldfelder gewähren dagegen bis jetzt einen
sehr geringen Ertrag.
Herr Dove legte die erste Section der vom Major Fils herausgegebenen
und an die Gesellschaft eingesandten Höhenschichtenkarte des Thüringer Walde»
vor, die in mehrfacher Hinsicht Interesse zu erregen verdient
An Geschenken gingen ein:
1) Die Balearen. In Wort und Bild geschildert Bd. I. Die alten PftynseB.
Leipzig 1870. — 2) Mühry, Ueber die richtige Lage und die Theorie de»
Calmengürtels auf den Oontinenten. Wien. — 3) Beise der Oesterreichischen
F^gatte Novara um die Erde. Anthropologischer Theil. 3. Abthl. Ethnographie
bearbeitet von Fr. Müller. Wien 1868. — 4) Schwabe, Die Berliner Volks-
zählung vom 3. December 1867. Berlin 1869- — 5) Trautwein, Wegweiser
durch Südbaiem, Nord- und Mittel -Tirol etc. 2. Aufl. München 1868. —
6) Magnetische und meteorologische Beobachtungen auf der K. K. Sternwarte
zu Frag im Jahre 1868. Heransg. von Hornstein und Murmann. Prag 1869. —
7) Breusing, Gerhard Kremer, gen. Mercator, der deutsche Geograph. Dnb-
bnrg 1869. — 8) Ehrenberg, Ueber die formenreichen von Hrn. Dr. Jenzsch
aufgefundenen mikroskopisch-organischen Einschlüsse im Melaphyr. Monatsber.
der Berlin. Akad der Wissensch. 1869. — 9) Strobel, Relazione delle gite da
San Cdrloe a Mendoza effettuate nei men gemnajo e febhrajo del 1866. Parma
1869. — 10) Zeitschrift der Gesellschaft für Erdkunde. IV. Heft 3. 4. BerUn
1869. — 11) Proceedings of the Ro^al Geographical Socißty, Vol. Vlll. No. II.
London 1869. — 12) BulUtin de la SoeiiU' de Giograpkie. 1869. Mai. Paris.
— 13) Mittheilungen der K. K. geographischen Gesellschaft in Wien. 1869.
No. 7< — 14) Revue maritime et coloniale. 1869. Juin. Paris. — 15)Petermann*s
Mittheilungen. 1869. No. V. und Ergänznngsheft No. 26. Gotha. -— 16) Gaea.
Natur und Leben. ISG9. Heft 4. Köln. ~ 17) 13. Gericht der Oberhessischen
Gesellschaft flir Natur- und Heilkunde. Giessen 1869. — 18) Zeitschrift für
Sitzungsbericht der Berliner geographischen Gesellschaft. 477
das Berg-, Hütten- nnd Salinenwesen. XVI. Lief. 6. XVII. Lief. 1. Berlin. —
19) Fils, Höhenschichtenkarte vom Thüringer Walde nnd Umgebnog, nördlicher
TheU. Gotha. M. 200,000. 1869.
Sitzung der geographischen Gesellschaft zu Berlin
vom 2. October 1869.
Der Vorsitzende, Herr Bastian, gedenkt znerst in kurzen Worten der am
14. September d. J. begangenen Hnmboldtfeier, legt alsdann die eingegangenen
Geschenke Tor und giebt eine gedrängte Uebersicht ihres Inhaltes.
Herr Kiepert legt eine ihm von Djevdet Pascha, früherem Generalgonver-
aenr von Aleppo, zugesandte, auf seinen Befehl von türkischen Officieren nach
Original- Recognoscirnngen zusammengestellte nnd in Constantinopel autographirte
Specialkarte des südöstlichen Kleinasiens und nördlichen Syriens vor nnd bespricht
die neue Karte der europäischen Türkei vom Oberst v. Scheda (in 13 Blatt).
Die Kritik der letzteren fallt insofern nicht günstig aus, als beim Entwurf der-
selben viel bereits publicirtes werthvolles Material unbenutzt geblieben, andererseits
noch nnpublicirte neuere Arbeiten in unbefugter Weise nnd ohne Angabe der
Quellen ansgebeutet worden sind ; aufserdem wurde die Karte entstellt durch eine
gewaltige Menge fehlerhaft. geschriebener Namen, selbst unverstandener griechischer
und russischer Wörter, in Folge der Unkenntnifs des Verfassers bei der Benutzung
besonders russisch abgefafster Originalkarten. Schliefslich legt der Vortragende
ein Paar Blatter seiner eigenen grofsen Karte der europäischen Türkei zur An-
sicht vor.
Herr Dove berichtet über einige neuere Werke, welche hydrographische nnd
verwandte Verhältnisse znm Gegenstande haben. Die Temperatur der Meeres-
ilache wird auf Veranlassung des meteorologischen Instituts der Niederlande anfs
SorgfiUtigste beobachtet. Dasselbe geschieht auf Befehl der englischen Admirali-
tät, wovon 12 Karten über die Temperatur des süd-atlantischen Oceans (London
1869) Zengnifs geben. Andere Beobachtungen beziehen sich auf die Schweizer
Seen. So hat sich u. A. eine Gesellschaft gebildet, um das Steigen und Fallen
des Bodensees in der jährigen Periode an verschiedenen Punkten zu bestimmen.
Hiemach erreicht der See seine höchste Höhe, in Folge der Schneeschmelze, im
Juni. Bei Friedrichshafen z. B. steigt derselbe vom Mai zum Juni um 53 Zoll,
und der unterschied des höchsten und tiefsten Standes beträgt ebendaselbst
^2} Zoll, während derselbe am Rhein bei Basel sich nur auf 52 Zoll beläuft.
Hiermit hängen anoh die Temperatnrverhältnisse der dortigen Gewässer zusammen,
wid es fällt demgemäfs die gröfste Abkühlung der Rhone bei Genf in die Mo-
nate Mai und Juni. Hinsichtlich der Meteorologie des Meeres lehrt eine neu er-
sehienene Abhandlung von RoUin, dafs sich in Algerien der Charakter der sub-
tropischen Regen anf die entschiedenste Weise zeigt, indem eine Regenzeit im
Frühling nnd eine zweite im Herbst eintritt. Um im Allgemeinen die Meteoro-
logie des Meeres zu beobachten, ist in England neuerdings die ganze Kriegs-
marine mit Barometern, Thermometern nnd Hygrometern versehen worden, wobei
478 SitooD^bericht der Berliner geogn^hisehen OeaeUichatt.
die telegraphischen Mittheilmigen fiber da« Herrannahen der Stanne nock a
Hülfe kamen. Aofserdem hat man für Aafstellang grofser Barometer an dea
Küsten gesorgt, damit die Fischer von ihnen entnehmen können, ob eine Ver-
änderung des Wetters zu erwarten sei, oder nicht. Was die Klimaiologie der
südlichen Erdhälfte betrifft, so führen die Untersuchuifgen des Vortragenden in
dem Resultat, dafs die klimatologischen Verhältnisse der Tropenzooe, wenn maa
sie rings um die Erde verfolgt, im Laufe des Jahres nicht überall gleich sind,
und dafs, während dieselben in Westindien fast keine Veränderung zeigen, sidi
in Hindustan dagegen entschieden eine jährige Periode derselben heransstdlt
Schliefslich macht der Vortragende darauf aufinerksam, dafs für die barometriscbeii
Beobachtungen jetzt in ganz Deutschland dieselbe Beobachtnngsmethode aagenom-
men seien und dafs ron der türkischen bis zur französischen Grenze in dem Netz
der Beobachtungsstationen fast keine Lücke mehr vorhanden sei.
Herr Fried el sprach über seine diesjährigen Ausgrabungen auf Sylt. Der
Vortragende hat mehrere Hügel der Steinzeit geöflhet and die früheren Unter-
suchungen am Aufsenstrande fortgesetzt, welche zur Entdeckung voigeschichtUcher
Eisenschmelzstiitten , sowie zahlreicher Kjökkenmöddinger, namendicli mit Kno-
chen ausgestorbener Thierarten, führten. Den Untergang der dort belegenen
Wohnstätten schreibt der Vortragende den sogenannten dmbrischen Flnthen, d. h.
den zahlreichen grofsen Ueberschwemmungen zu, welche die Uthlande aeit den
Durchbruch des Canals betroffen. Dem Vortragenden ist auch gelungen, in di-
IvTialen Kieslagem der Insel Feuersteinwerkzeuge vom Typus der Amiens-Drift-
werkzeoge aufzufinden.
Ein an das österreichische Consulat in Tripolis gerichteter, durch Hm. Rohlfs
eingesendeter und vom Vorsitzenden mitgetheilter Bericht giebt Einzelnheiten über
die Ermordung des Fräulein Tinne und ihrer christlichen Diener wenige Tage
nach ihrer Abreise von Murzuk.
Zum Schlufs hält Herr Strehz auf Qrund eigener Anschauung einen Vor-
trag fiber die Philippinen, namentlich über Manila und dessen Bewohner. Er
schilderte die verschiedenen Völkerstämme, die den Archipel bewohnen, sowie
den Einflula, welchen die Chinesen auf die Cultur der Eingebomen ausgeübt
haben, und machte auf die Thatsache aufmerksam, dafs, abgesehen von den chi-
nesischen Mestizen, in der Mehrzahl der Indier, besonders der Tagalen und Ho-
canen, der chinesische Typus mehr oder weniger aasgeprägt seL
An Geschenken gingen ein:
1) Bastian, Alezander von Humboldt Festrede. Berlin 1869. — 2) Ed-
lund, MeUoroloffisha Jakttagelaer i Sveriffß, 1864.65.66. Stockholm 1866. 67. 68.
3) L. del Gas tili o y Trigueros, Geografia para tuo de los nmos. Madrid
1869. — 4) De Wajangverhalm van PdUUSdrd, Pandoe m Raden Pandji^ m hü
javaansck, met cumteekingen door T, Roordtu 's Gravenhage 1869. — 5) v. Ruth-
ner, Aus Tirol. Berg- und Gletscher- Reisen in den österreichischen Hochalpen.
Wien 1869. — 6) v. Freeden, Mittheilungen aus der Norddeutschen See warte.
L Ueber die wissenschaftlichen Ergebnisse der ersten deutschen Nord£üirt von
1868. Hamburg 1869. ' — 7) KongL Svenska Fregatten Eugemes re»a omrmg'
iordm under befal af C. A, Virgin. Zoolmgi VI. Stockholm 1868 8) Ziegler,
Ueber das Veihältnifs der Topographie zor Geologie bei Darstelivng von Gebiigt*
Sitznngsbericht der Berliner geographisehen OeseUschafL 479
karten in größerem MaaTsstAbe Wintertbar 1869. — 9) Report of ihe Commüsio-
«er of Agriculture for the Year 1867. Washington 1868. — 10} Malmgren,
NordUka Hafi-Annulater. (K, Vet. Akad. Förh, 1865.; ~ 11) Smitt, Kritisk
ßSrteckning ö/ver Shandinamms Hafs Bryazoer. £bds. 1865. — 12) Malmgren,
Atmulata pcfyehaeta Spetshergiaty Groentandiae^ Iskmdiae et SccauHnaviae hactewu»
cogmia, Ebdfi. 1867. — 13) Malmgren, Jakttageher oeh onUckningar tili Fin-
markens och SpeUbergene Daggdjyrsfaiuia, Ebds. 1863. — 14)Chydeniafy
Bidrag tili kmnedomen om de jordmagnetiska förhällendena vid Spetsbergen. Ebdfl.
1862. — 15) Malmgreni öfvertigt af Spetehergene Fanerogam- Flora, Ebda.
1862. — 16) Chjdenius, Om den under Svenska expeditionen tili Spetabergen
är 1861 f&reiagwi undereökntng af en gradmätnings utflfrbarhet derstädee. —
17) Malmgren, Bihang tili berättelsen om den Svenska expeditionen tili Spete^
bergen 1864. Stockhohn 1868. — 18) Nordenskiöld, Geogrc^fiska ortsbestäm"
rnngar pä Spetsbergen. Stockholm 1863. — 19} Dnn^r och Nordenskiöld,
FSrberedande undersöckningar rSrande utfdrbarheten af en gradmätning pd Spets-
bergen, Stockbohn 1866. — 20) Blomstrand, Geognottiska jakttagelser undel
en resa tili Spetabergen dr 1861. Stockholm 1864. — 21) Dno^r och Norden-^
skiöld, Anteckningar tili Spetsbergens geogrc^fi^ Stockholm 1865. — 22} Lind-
ström, Om Trio*' och Juraßreteningar frän Spetsbergen. Stockholm 1865. —
93) Nordenskiöld, Utkast tili Spetsbergens geologi, Stockholm 1866. —
24) Malmgren, Anteckningar tili Spetsbergens Fogel- Fauna, (öfoers af K,
Vet. Akad, FOrh. 1863.) — 25) Malmgren, Om^ Spetsbergens Fisk-Fauna, Ebda
1864. — 26}Boheman, Spetsbergens Insekt-Fauna. Ebds. 1865. — 27} Goes,
Crustacea ampMpoda maris Spetsbergiam alluentis, Ebds. 1865. — 28) Norden-
skiöld, Geogrqfisk och geognostisk beskrifning öfver nordostra delame af Spets^
bergen och Hinlopen Strait» Stockholm 1863. — 29) Fries, Lichenes Spitsber-
genses, Stockholm 1867. — 30) Agardh, Bidrag tili kännedomen af Spet^
bergens Alger. Stockholm 1868. — 31) Die Preafsische Expedition nach Oat-
Asien. Ansichten ans Japan, China nnd Siam. Heft V. Berlin 1869. —
32) Heffter, Die Wärme- nnd RegenverhSltnisse Brombergs. Bromberg 1869.
33} Baeyer, Wissenschaftliche Begründang der Rechnnngsmethoden des Central-
boreans der Europäischen Gradmessnng. Berlin 1868. — 34) General - Bericht
ober die Europäische Gradmessnng f. d. J. 1868. Berlin 1869. — 35) ▼. Klo-
den, Handbach der Erdkunde. 3. Tbl. 2. Aafl. Berlin 1869. — 36) v. Hell-
wald, Die Rassen in Central-Asien. Wien 1869. — 37) v. d. Osten-Sacken
nnd Ruprecht, Sertum Tianschanicnm. St. Petersburg 1869. — 38) Le Gras,
Phares des edles des (les BritanniqueSy corrig€s en avril 1869. Paris. — 39) Le
Gras, Phares des cStes nord et ouest de France y corrigfy en avri7 1869. Paris.
— 40) Le Gras, Phares des cötes ouest, sud et est d^Afrique, corrig^s en mors
1869. Paris. — 41) Le Gras, Phares de la mer Antilles, corrig^s en juillet
1869. Paris. — 42) Magno de Castilho, £tude8 historico ' g€ographiques.
1* €tude sur les colonnes ou monuments comm^morates des dtfcouvertes portugaises en
Afrique. Lisbonne 1869. — 43) Stroh el, Relazione della gita da Curicö ner
Chili a San Rafael nella Pampa del Sur effettuata nel febraio del 1866. 2* edis.
Parma 1869. — 44} Ludwig, Versuch einer Statistik des Grofsherzogth. Hessen.
Darmstadt 1868. — 45} Pierotti» Une caravane pour la Sgrie, la Ph^ieie et
480 Sitsangtberichl der Berliner geographischen Geflellschaft.
ia PaluÜM partani €k UfarteilU «nf^wrUr 1870. Laoeanne 1869. — 46) Malm-
g ren, Om tandhyggnadm hos ffvalroase, {K, VeL Akad, FTfrh. 1863.) — 47) Lind-
atröm, Analster pa bergarter frdn Sp^Uhtrgen, Ebds. 1867. — 48) MonAhf
Reports of the Department of Agriculture for ihe Year 1868. Washington. —
49) Beaty, lOM Annual Report of the Trade and Commerce of Chicago, Chi-
cago 1868. — 50) Fried el, Zar Kunde der Weichthiere Schleswig - Holsteins.
(MalakoEOol. Bl. XV.) — 51) y. Baer, Das neuentdeckte Wrangells-Land. Dor-
pat 1868. — 52; Ehrenberg, Ueber die formenreichen von Hm. Dr. Jenssch
aufgefundenen mikroskopisch - organischen Einschlüsse im Melaphjr. — Weiter«
Entwickelung aus den vom Schiffe » Germania'* bei seiner Nordfahrt unter Eapt
Koldewey's Fuhrung gehobenen Gmndproben. — Die mikroskopischen Lebens-
verhältnisse auf der Oberfläche der Insel Spitzbergen. (Monatsber. der Berliner
Akad. d. Wiss. 1869*) — 53) Bastian, Ueber die Bedeutung der Ethnologie.
Jena 1869. — 54) Notizblatt des Vereins für Erdkunde etc. su Darmstadt
3. Folge. Heft 7. Darmstadt 1868. — 55) Petermann's Mittheilungen 1869.
N. VIl. Gotha. — 56) Mittheilungen der k. k. geographischen Gesellschaft in
Wien. Bd. XXII. Wien 1868/69. — 57) Journal of the Royal Geographical So-
eietg. Vol. 48. London 1868. — 58) Bulletin de la Sociit€ de Geographie.
Juin. Juillet. Paris. — b%) Revtie maritime et coloniale. 1869. Mai — Septembre.
Paris. — 60) Bolletino della Societa geogrqfica italiana. Fase. 3. Firenze 1869.
— 61) Gaea. 1869. Heft 6. Köln. — 62) Annual Report of the Board of
Regent» of the Smithsonian Institution for the Year 1867. Washington. 1868. —
63) Journal of TVavel and Natural ffistory. Vol, I. No. 6. London 1869. —
64) Transactions of the American Philosophical Society. Vol. IX. Philadelphii
1846. — 65) Jahrbuch der k. k. geologischen Reichsanstalt 1869. XIX. N. 2.
Wien. — 66) Bulletin^ de VAcadimie Imp. des Sciences de St. Petershow g. T. XIH
N. 4. 5. — • 67) Der Zoologische Garten. X. N. 5. 6. Frankfurt a. M. 1869.
— 68) Proceedings of the American Association for the Advancement of Seiene«,
16th Meeting. Cambridge 1868. — 69) Journal of the Roy, Geological Society
of Ireland, Vol. II. 1. Dublin 1868. — 70) The Journal of the Royal Asiatie
Society of Great Britain and Ireland, N. Series. Vol. III. PI. London 1869.
— 71) Zeitschrift für das Berg-, Hütten- und Sali neu- Wesen in dem Preufsischen
Staate. Bd. XVIL 2. Lief. Berlin 1869. ~ 72) Mimoires de la Soci€t€ imp.
des sdences naturelles de Cherbourg. T. XIV. Paris 1869. — 73) Prenfsischei
Handelsarchiv. 1869. N. 27— 37. Berlin.— 74) Reufse, Strafsen-, Orts- und
Flnfskarte von Kurhessen. Maafsstab 1 : 96,000. Cassel 1839. — 75) Ueber-
aichtskarte von A. v. Humboldt's Reise. (Petermann^s Mittheilungen 1869.)
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XIX.
Die Ovahererö.
Von Josaphat Hahn.
(Schlofs der zweiten Abtheilung.)
Die Sprache der Herero ist nicht im Mindesteo mit der der
Hottentotten oder Namaqaa, wohl aber mit der KafFern- und manchen
anderen Negersprachen verwandt. Die Hererosprache bildet die süd-
westliche Orenze des bis jetzt noch namenlosen grofsen südafrikani-
schen Sprachstammes, welcher, in gröfserer oder geringerer Verschie-
denheit und Abweichung, in mehr originaler oder schon mit anderen
Sprachst&mmen vermischter Form, im Süden des Aequators auf der
West- und Ostküste, wie im Innern des grofsen afrikanischen Conti-
nents, von unzähligen Völkerschaften auf einem Flächenraame von
vielen tausend Quadratmeilen geredet wird.
Wenn eben gesagt wurde, dafs dieser grofse Sprachstamm noch
namenlos sei, so war das nicht ganz richtig, Die portugiesischen Mis-
sionare in Benguela nennen die Sprache, welche die Eingeborenen in
Congo, Loango etc. reden, Lingua Bunda. Dieser Name gründet sich
darauf, dafs weiter im Innern des Landes eine Nation lebt, welche
Bunda genannt wird. Darauf hin hat man begonnen, alle die west-
lichen Negerstämme unter dem Namen Bunda-Stämme zu begreifen.
Für die westlichen Sprachen hat daher der Collectivname Bunda-
Sprache hier und da Eingang gefunden. Man hat die Sprachen Snd-
Afrika^s auch ^hamitische^ genannt, doch fehlt bisher noch eine Be-
gründung dieser Ansicht Im Grofsen und Ganzen hat sich herausgestellt
oder wird wenigstens mit Wahrscheinlichkeit angenommen, dafs der
grofse südafrikanische Sprachstamm sich in drei Zweige theilt, von
denen der eine an der Ostküste unter den Kaffernstämmen bis Zan-
2ibar hinauf, der zweite an der Westküste unter den Bunda -Volkera
Ztlttehr. d. 0«sell8ch. f. Brdk. Bd. IV. 31
482 Josaphat Hahn:
und der dritte im Inneren, von den Betschuanen nördlich hinauf In»
zum Aequator oder noch darüber hinaus, gesprochen wird. Die Ein-
theilung in Eaffem- und Negerst&mme , resp. Sprachen, ist jedenfalls
ganz und gar unbegründet, denn die Kaffern sind auch nichts anderes
als Neger.
Aus den Rheinischen Missionsberichten entnehmen wir folgende
allgemeine Bemerkungen des Missionars Hugo Hahn über die Herero-
sprache. „Es ist wohl ohne Zweifel,^ heifst es, dafs das Otyiherero
einem Sprachstamm angehört, der sich über den ganzen südlichen
Theil, vielleicht über den gröfsten Theil von Afrika ausbreitet. Diese
Hoffnung, welche ich schon lange gehegt, bewahrheitet sich immer
mehr. Das Sitschuana (Betschuanen -Sprache), die Kaffern- und Mo-
zambiquersprache sind nahe verwandt mit dem Otyiherero, nur dafs
das Otyiherero durch die Abgeschlossenheit des Volkes bis auf die
jüngste Zeit mehr originell ist; es hat sich freier von fremdartigen
Bestandtheilen gehalten und bedarf derselben nicht, da es eine so
schöpferische, den Keim der Ausbildung in sich selbst tragende Sprache
ißt. Das Idiom dieser Sprache ist fast ganz dasselbe, die Verschieden-
heit besteht fast nur in Wörtern, obgleich auch da grofse A^nlichkdt
sich nachweisen l&fst. Nach den Nachrichten des Herrn Oswell, der
bis zum lange vermutheten Ngamisee zuerst vordrang, sprechen aoeh
jene Nationen eine mit dem Sitschuana verwandte Sprache, die aber
nach den Wörtern zu urtheilen> die er aufgeschrieben hat, viel ähn-
licher dem Otyiherero ist. Ebenso ist die Sprache der Ovambö ein
Zweig desselben Stammes, und wer eine dieser Sprachen erst inne
hat, der kann ohne Mühe eine der anderen erlernen. — Wenn bei
allen afrikanischen Völkerschaften die Kenntnifs ihrer Sprache ein
Band der Freundschaft ist, wie bei den Ovaherero, dann sind mit der
Kenntnifs derselben die Thore zum Herzen Afrikas geöffnet. Wenn
z. B. Ovaherero hierher kommen, die noch nicht wissen, dafs wir ihre
Sprache kennen, dann sagen unsere Leute stets als Empfehlung für
uns : „sie (die Missionare) sind hiesige Kinder, Ovaherero, sie sprechen
unsere Sprache.^ Auf Reisen, wenn wir die uns Unbekannten in ihrer
Zunge anreden, antworten sie oft mit einem lauten Jubelgescbrei, und
die anfänglich Schüchternen drängen sich voll Zutrauen und Freude
um uns, um selbst die weifsen Ovaherero zu hören. ^
Es sei erlaubt, noch einige wenige Bemerkungen über die Herero-
sprache selbst zu machen^). Das Otyiherero besitzt eine besondere
*} Die nun folgenden Bemerkungen stutzen sieb auf die Grammatik der Herer^
spräche meines Vaters, des Missionars Hugo Hahn.
Die Ovaherero. 483
Weichheit and Harmonie der Laute, es ist klangvoll, biegsam und
schmiegsam. Obgleich dies eine Eigenthümlichkeit aller jener Sprach-
zweige des grofsen südafrikanischen Sprachstammes ist, so zeichnet
sidi doch das Otjiherero durch ein grofseres Maafe des Wohllautes vor
ihnen aus, weil der Yocalreichthum der Hererosprache bedeutend grö»
fser ist, als jener anderen Sprachen. Dazu kommt, daTs die Ka£Fem-
dialecte, sowie die Zulusprache die übelklingenden Schnalzlaute der
benachbarten Namaqna in ihre Sprache mit aufgenommen haben.
Ferner finden sich in diesen Sprachen die rauhen KehUaute, welche
das holländische g noch bei weitem übertreffen. Viele jener Volkei^
Schäften, wie die Betschuanen, haben starke Nasenlaute, und bei den
meisten nördlich von den Herero gelegenen Stämmen ist ein grofser
Theil der Yocale schon verschwunden, oder contrafairt und elidirt
worden.
Eine besondere Eigenthümlichkeit der Hererosprache ist, dafs jedes
Nomien substantiman ein Praeflwum hat, welches, von der Wurzel ge-
trennt, keine Bedeutung hat, aber mit dieser verbunden, derselben erst
ihre nähere Bestimmung und Eigenschaft als Hauptwort giebt. Dieser
Snbstantivbildung durch Präfixe analog ist die der Verbalformen durch
Affixe. Ferner hat die Sprache einen grofsen Mangel der Casusbildung
durch Flexion des Nomens; dieser Mangel wird aber hinreidiend durch
Präpositionen oder andere Partikeln mit directiver und possessiver
Kraft ersetzt. Auch finden für die Geschlechter fast gar keine unter-
sdieidenden grammatischen Merkmale statt. Ein grofser Mangel findet
sich endlich in der Comparation, für welche eigentliche Formen gänz-
lich fehlen, es mnfs diese daher durch Umschreibung gebildet werden.
Will der Herero z. B. sagen: „Dieser Berg ist hoher als jener**, so
drückt er sich folgen dermafsen aus: ondundu indyi yorkapita indyim,
d. h. wortlich: Berg, dieser geht vorbei jenem oder übertrifft jenen.
Oft ist die Umschreibung aber noch viel unbehülf lieber; so darf man
e. B. auf Reisen nie fragen: „welche ist die gröfeere von beiden, die
nächste Station oder die folgende?^ sondern man mufs etwa sagen:
„die letzte Station ist klein, ist die erste die grofse?** Die Antwort
darauf ist aber nicht: „sie ist grofser oder kleiner,** sondern einfach:
„es ist so,** oder „es ist nicht so.**
Durch die Mission ist die Hererospracbe zur Schriftsprache
geworden und hat ein eigenes Alphabet EJs sind bereits mehrere
Bücher im Otjiherero gedruckt worden: das ganze neue Testament
and grofse Auszüge aus dem alten Testament, übersetzt von Hugo
Hahn; ebenso die Uebersetzung von Luthers Katechismus, von einer
Anzahl Kirchenlieder und sonstige Erzählungen für Lesebücher in der
Schule von demselben Verfasser. Derselbe hat auch, wie schon be-
31»
484 Josaphat Hahn:
merkt, über die Hererosprache eine Orammatik nebet einem Worter-
bache verfafst und drucken lassen.
Ungleich schwerer zum Erlernen als das Otyiherero ist die Na-
maqaasprache, die bis jetzt der Mission ein nnuberwindlicbes Hin-
dernifs gewesen ist. Die Schwierigkeit liegt weniger darin, dafs die
Sprache so überaas schwer zo verstehen wäre; denn es haben schon
etliche Missionare es nicht nar zum Verstehen, sondern auch zam
Schreiben derselben gebracht. Neuerdings hat z. B. der Missionar
Krön lein grofse Auszüge aus der Bibel in die Namaquasprache über-
setzt und dieselben dem Druck übergeben. Jene Schwierigkeit liegt
dagegen in der Anssprache. Die bekannten Schnalzlaute sind es,
welche ebenso unerlfifslich zum richtigen Ausdruck des Gedankens als
für den Fremden unmöglich zu vollkommener Nachbildung sind. We-
nigstens gilt das Letztere von zweien dieser Schnalzlaute. Unter den
Namaqua steht es als eine ausgemachte Thatsache fest, dafs es für
Jeden, der nicht von Kindesbeinen an unter ihnen gelebt und gespro-
chen hat, unmöglich ist, ihre Sprache richtig reden zu lernen. Diese
Eirfahrung machen sie an ihren eigenen Kindern, die ihre Jugend unter
den Colonisten verlebt and holländisch sprechen gelernt haben ; kehren
diese zu ihrem Volke zurück, so lernen sie nie ordentlich ihre Mutter-
sprache reden. Amraal, einer der angesehensten Hänptlinge unter den
Namaqua, der kürzlich gestorben ist, konnte nie, obgleich er ein Alter
von mindestens 90 Jahren erreichte, seine Muttersprache geläufig re-
den, weil er in seiner frühesten Jagend nicht immer zu Hause gewe-
sen war. Die Bergdamra, von denen bereits früher die Rede war,
sprechen, obwohl sie schon seit mehreren Mensche nähern unter den
Namaqua leben, immer mit ihnen verkehren und sogar schon längst
ihre Sprache angenommen und die eigene ganz verlernt haben, nar
schlecht den Namaquadiaiect. Bis jetzt hat es noch kein Missionar
dahin gebracht, in der Namaquasprache frei zu predigen. Entweder
braucht man Dolmetscher, was seine grofsen Schattenseiten hat, oder
der Missionar schreibt seine Predigt auf und verliest sie wörtlich. Frei
za predigen hat seine ebenso grofisen Bedenken, wie das Dolmetschen,
da ein einziger verkehrter Schnalzlaut die lächerlichsten Mifsverständ-
nisse hervorrufen und den ganzen Eindruck der Predigt verwischen
kann. Dafs die Namaquasprache nach den Forschungen des Dr. Bleek
mit der Koptischen aufs Engste verwandt zu sein scheint, davon ist
schon anderen Ortes die Rede gewesen. Wir wenden uns mm der
näheren Charakteristik dieser beiden interessanten Völker za.
Von Natur sind die Her er 6 nicht träge, sie zeigen viel Gkschick
und Neigung im Erlernen von Handarbeiten oder Handwerken; sie
Die Ovaherord. 485
sind eine sehr praktisch angelegte Nation. Aach im Unterricht ver-
rathen sie nicht unbedeutende Gaben ; Sprachen lernen sie wenigstens
mit bewundernswerther Schnelligkeit. Durch die Missionare lernten
manche auch den Ackerbau und manches andere Nntzliche mit der
gröfsten Leichtigkeit. Die Herero haben ein offenes, fröhliches (aber
darchans nicht leichtsinniges) Gemuth, was auch schon in ihrem Volks-
namen ausgedruckt zu sein scheint; denn ^hererä^ heifst ^fröhlich sein,
frohlocken.^ Darnach hiefse ^Ovaherero^ das „fröhliche, muntere
Volk.^ Ihre Kameraden, die „Ova-mbandyeru,^ heifsen „die Betrüger,^
aus welchem Grunde ist uns unbekannt. — Obwohl die Herero ziem-
lich erregbar sind, kann man sie doch nicht Gefühlsmenschen nennen,
wie ihre sudlichen Nachbarn, die Namaqua. Während die Herero
Verstandesmenschen sind, da bei ihnen der Verstand vorherrscht,
ist für die Namaqua eine aufs erordentliche Entzündbarkeit und
Rührigkeit durchaus charakteristisch. Die Rührigkeit, Reizbarkeit und
Entzündlichkeit in der Natur des Namaqua, die gewifs auch ihre gu-
ten Seiten hat^ birgt aber auch zugleich die Nachtseiten desselben in
sich. Seine Gefühle verflackern ebenso leicht, wie sie entflammt wer-
den, die Eindrücke sind einem jähen Wechsel unterworfen ; die Gren-
zen des Patriotismus, den die Namaqua in hohem Grude besitzen, und
des Egoismus, des Edelsinns, soweit davon bei ihnen die Rede sein
kann, und der Gemeinheit und Rachgier liegen im Charakter des Na-
maqua dicht bei einander; der Drang nach Selbstständigkeit und Frei-
heit wird zur wildesten Zügellosigkeit und Ungebundenheit ; der be-
ständige Trieb nach grofsen Unternehmungen und tapferen Thaten
artet leicht in Raubsucht aus; der leichte Sinn verwandelt sich in
Leichtsinn; die Wandelbarkeit des Charakters ruft alle wilden Leiden-
schaften wach, als Jähzorn, Zank, Tobsucht, Trunk, Grausamkeit und
Bestialität.
Dieser tiefgreifende Unterschied in den Charakteren bei-
der Völker zeigt sich besonders in ihrem Verhalten dem Christenthnm
gegenüber. Die Herero wollen stets von dem, was ihnen gepredigt
wird, mit Vernunftgründen überzeugt werden. Die Namaqua dagegen
werden vom Christenthum leicht erfafst. Doch hat die Erfahrung die
Missionare gelehrt, in solchen Fällen sehr vorsichtig zu sein; denn die-
selben Leute, die unter Bufsthränen „im Sack und in der Asche*^
laoren und herzzerreifsende Bufspredigten an ihre eigenen Landsleute
hielten, sind nur zu oft einige ^Monate oder Wochen darauf die erbit-
tertsten Feinde und Verfolger der Missionare gewesen. Darum fafst
das Evangelium, wenn es einmal einen Herero ergriffen hat, meist
viel tieferen und bleibenderen Grund bei ihm als bei einem Namaqua.
486 Josaphat Hahn:
Obwohl der Hererö leicht in Zorn geräth, so ist er doch nichts
weniger als rachgierig, und ob er schon in seiner Sprache keine eigent-
üche Bezeichnung fSr ^Dankbarkeit^ besitzt, so ist ihm diese Tagend
doch keineswegs fem and anbekannt, sondern sie wird hoch geschätzt
Eltern-, Kinder- und Oeschwisterliebe ist bei ihnen sehr stark und aas-
geprägt. Es ist zum Beispiel nicht unerhört, dals Eltern sich beim
Verluste eines Kindes aus Schmerz hierüber selbst entleiben. — Die
Herero sind solide und haushälterisch und neigen darin zum Geiz und
sind hierin wiederum das Oegentheil von den Namaqua. Dem Tranke
sind sie abgeneigt und Feinde der Branntweinhändler. Nichts weniger
als putzduchtig and eitel verwerfen sie, gerade amgekehrt als die Na-
maqua, bei der Auswahl von Kleidangsst&cken, die grellen und bunt-
farbigen Stoffe und wählen die schlichtesten und dauerhaftesten. Im
übrigen characterisirt die Herer6 ein ruhiges und friedliches Volks- und
Familienleben. Ihre Hauptfehler, wie bei allen Heidenvolkern, sind
Loge und Sinnlichkeit. Doch bei aller geistigen und sinnlichen Ver-
kommenheit liegt schon darin eine nicht unbegründete Hoffnung zu
ihrer Besserung durch das Christenthum, dafs sie, wie die meisten Ne-
gervölker, von sich selbst im Grunde ziemlich gering denken, oder we-
nigstens die Ueberlegenheit der Weifsen in allen Dingen bereitwillig
anerkennen. Hierin liegt aber wieder ein tiefgreifender Unterschied
in den Charakteren beider Völker; denn die Namaqua stellen sich in
ihrem merkwürdig starren Hochmuthe sogar über die Weifsen und ver-
fichten alles, was nicht Namaqua heifst. Aufser dem Branntwein ist
es höchstwahrscheinlich gerade dieser unbeogsame Hocbmuth, diese
schroffe Haltung und Abgeschlossenheit allen anderen Nationen gegen-
über, was eine reifsend-schnelle Abnahme der Seelenzahl bei den Na-
maqua herbeifuhrt; während vor circa 200 Jahren die Namaqua im
Grofsen und Ganzen reichlich 600,000 Köpfe gezählt haben sollen,
wird ihre Zahl jetzt auf 50—70,000 taxirt
Die Herero haben, ebenso wie die meisten afrikanischen Völker,
nur sehr unbestimmte Ideen von Zeit und Entfernung, doch darf
uns dies nicht zu sehr Wunder nehmen, wenn wir uns erinnern,
wie nicht selten die mangelhaften Begriffe unseres Landvolkes über
Raum und Zeit dazu geeignet sind, einen Touristen in Verzweiflung
zu bringen. Bei den Herero ist dies freilich noch schlimmer; zu
der Unwissenheit kommt noch hinzu, dafs es manchem das gröfete
Vergnügen macht, mit dem einfältigsten Gesichte von der Welt den
Reisenden durch die dümmsten, ausweichendsten Antworten in Un-
gewifsheit zu erhalten, und mit dem ernstesten Gesichte aufs Schänd-
lichste zu belügen. Andere, die auch den besten Willen haben, dem
Die Oiraherer($. 487
fVemden zu dienen, können dies oft nicht wegen der Unklarbeit ihrer
Oits- und Zeitbegrifife. Wenn man zu diesen sagt: ^angenommen, wir
gehen bei Sonnenaufgang ab von hier; wo wird die Sonne stehen, wenn
wir in X ankommen ?^ so zeigen sie ganz witlkohrlich nach dem Hirn-
mel , obgleich Pie so etwas von Astronomen sind and mehreren Ster-
nen Kamen geben. Doch giebt es auch unter den Hererd in dieser
fieziebung recht viele lobenswerthe Ausnahmen. Manche, nicht nur
solche, die etwas mehr in BerShrung mit Bnropfiern gekommen sind,
sondern auch manche andere können nach dem Stande der Sonne sehr
genau die Tageszeiten bestimmen. Auch können diese bestimmt an-
geben, wieviele Tagereisen ein Ort von dem anderen entfernt ist, wäh-
rend bei den anderen die Unwissenheit in allen numerischen Vorstel-
lungen sehr belästigend ist, obwohl sie ziemlich weit zu zfihlen im
Stande sind. — In Anbetracht dessen, dafs die Herero Naturmenschen
oder Wilde sind und deswegen den Instinkt der Oertlichkeit stark ent-
wickelt haben sollten, sind sie schlechte Fuhrer auf Reisen. Es ist
schwer die Vorstellungen eines Europäers von einem Lande mit den-
jenigen eines Eingeborenen zu vergleichen, weil beide dasselbe auf
so verschiedene Weise betrachten und ihre Aufmerksamkeit auf so ganz
verschiedene Dinge richten. Ein Herero verallgemeinert nichts; so hat
er z. B. keinen Gesammtnamen für -einen Flufs, dagegen fast fElr
jede einzelne Strecke desselben einen anderen Namen. Die Bezeich-
nung ^Zwachaub*' für den grofsten Flufs in Hereroland ist ein Namaqua-
Kame, es giebt aber kein Herero- Wort fUr den ganzen Strom. Fer-
ner: ein Herero, der den Weg .von A bis B und auch von B nach C
genau kennt, wurde von einer geraden Strecke von A bis C kaum
eine Vorstellung haben; denn er hat keine Karte vom Lande in sei-
nem Geiste, sondern eine Unzahl ortlicher Einzelheiten. Er erinnert
sich an jeden Baumstumpf oder Stein etc., und je kindischer die Ge-
genstände sind, desto stärker scheint er sich daran zu erinnern. Wenn
der Reisende daher zu seiner Hererodienerschaft sagte: „ich will an
der Seite des Berges übernachten, wo das Flufsbett dicht an seinem
Fnfse vorbeigeht,* so wurden seine Leute den Platz durch diese Be-
schreibung wohl kaum erkennen. Wenn man aber etwa sagte: „unter
der Mimose ein wenig an der anderen Seite des Ortes, wo der roth
und weifs gefleckte Ochs mit den langen schwarzen Hörnern brfillte,
als der schwarze Ochs vor ihm war und Kamupindi seinen Speer fal-
len liefs etc. etc.,* so wurde jeder Herero aus der Reisegesellschaft
die Stelle genau begreifen, welche gemeint wäre. Der Herero wählt
eben seinen Weg Schritt für Schritt und denkt nicht im Traume daran,
«ine bestimmte Richtung zu nehmen und sich nach ihr zu halten. Seine
488 Josaphat Haha:
ganzen Beobachtangen sind auf Spuren, Steine, Stocke, BSsche and
Bäume eto« gerichtet, und er sieht beständig auf den Boden nieder und
nicht um sich her.
Die Zeitrechnungen bei den Herero gehen nicht nach Tagen,
Monaten und Jahren, sondern nach den Jahreszeiten, nach de»
Regen- und trocknen Zeiten. Fragt man also einen Herero, wie alt
er sei, so zahlt er nach den Regenzeiten, die er erlebt hat. Hier*
mit verwandt erscheint die Zählung der Jahre nach Wintern, was wir
bei den altgermanischen Stämmen der Gothen und Angelsachsen
wiederfinden. — Mit der Zeitrechnung der Jahre nach den Jahres-
zeiten bei den Herero scheint ihre Berechnung der Tage nach Näch-
ten zusammenzuhängen. Es ist ja auch im Grunde die Nacht, welche
den einen Tag von dem anderen trennt oder scheidet, wie der Winter
oder die Regenzeit das eine Jahr vom anderen. Darum zählten nicht
nur die Ijbischen Nomaden und die alten Gallier und Germanen ihre
Tage nach Nächten, sondern dieser Sitte folgen theil weise noch heute
die Engländer sowie auch die Araber.
Sehr interessant sind die socialen Zustände bei den Herero.
EtfS ist z. B. sehr bemerk enswerth, dafs die Hererofrauen bei weitem nicht
alle häuslichen Arbeiten zu verrichten haben, sondern sich mit den
Männern darin theilen. Bei den meisten afrikanischen Völkerschaften,
wie bei den Betschuanen, Bajeje, Makololo, Zulu, Kaifern, Namaqoa
etc., wäre das etwas ganz Unerhörtes. Während das Aufrichten der
Hütten bei den Herero merkwürdigerweise gerade das Geschäft der
Frauen ist, fällt den Männern die Aufgabe zu, das Dornenverhau oder
„Kraal^ darum zu machen, Brunnen zu graben, das Vieh zu tränken
und zu hüten, hölzerne Gefäfse zu fabriciren, auf Jagd und Raub aus-
zugehen oder am „Okurno^ (Feuerheerde) zu sitzen und Taback m
rauchen. Die Frauen müssen, aufser dem Hüttenban, das Viehmelken
verrichten (was jedoch auch die Männer tbun), die Kinder beaniisich*
tigen, die sie meistens auf dem Rucken tragen, Brennholz suchen«
wilde Wurzeln graben und irdene Gefäfse anfertigen. Abends sitzen
Männer und Frauen zusammen, singen und schwatzen, oder tanzen
auch wohl ihren „Ongangura^, wobei sie im Kreise stehn, mit den
Füfsen auf den Boden stampfen, die Arme- in die Höhe halfen, um die
Hörner der Rinder nachzuahmen, und dabei brüllen. Es ist dies ein
höchst geschmackloser Tanz. Abends tanzen die Herero auch gern
ihr „Outyinä^, namentlich die Mädchen. Sie stehen dabei ebenfalls im
Kreise, klatschen mit den Händen, singen und machen allerlei Panto-
mimen. Auf ein gegebenes Zeichen laufen sie auseinander und kom-
men dann wieder zusammen. Es ist dies ein Tanz, der auf ünsitt-
lichkeit berechnet ist, und der deshalb auf den Missionsstationen nicht
Die Ovahererd. 489
geduldet wird, während man sonst die Maxime verfolgt, alle heidni-
schen Gebrfincbe bestehn zu lasisen, so lange sie nicht der Einführung
der Gultnr und des Christenthums zuwider sind.
Bei den Herero bestehen drei Formen des ehelichen Verhält-
nisses: Monogamie, Polygamie und Polyandrie. Die ursprüngliche
Form, die auch noch vielfach besteht, ist die Monogamie. Die Poly-
gamie scheint erst später aufgekommen zu sein und ist ziemlich allge-
mein, doch ist dabei eine Frau immer die erste und „grofse^ Frau.
Die Frauen bei den Herero sind durchaus nicht unterdruckt, sondern
nehmen eine sehr freie Stellung ein, so hat z. B. des Häuptlings Mut-
ter einen ganz bedeutenden Einflufs im Stamme; ebenso geht, wie
frSher bemerkt wurde, die Häuptlingswürde nicht immer auf dessen
Sohn, sondern sehr häufig auf den ältesten Sohn seiner Schwester über.
Die Hererofrauen haben in der That nicht viel Ursache zu klagen ; sie
sind werth volle Gehülfinnen und geniefsen als solche auch die nöthige
Ehrerbietung. Die Folge davon ist, dafs die Herrschaft im Ehestande
nicht so sehr von Gewalt oder Interesse, sondern vielmehr von Zunei-
gung abhängt. Ein Herero wird deshalb seine Frau höchst selten
schlagen, und wenn er es thut, so läuft sie davon und er hat das
Nachsehen. Galton giebt einige interessante Notizen über die He-
rero-Damen und Herren seiner Reisegesellschaft. „Die Achtung des
Mannes vor der Frau,^ sagt er, „war eine grofse Schwierigkeit in Be-
zug auf Disciplin, denn ich hatte die Damen meiner Reisegesellschaft
oft zu bestrafen und konnte die Männer nicht dazu bringen, dafs sie
dieselben für mich prügelten, uud ich war natürlich viel zu galant, als
dals ich dies durph andere Hände hätte tbun lassen. Sie ärgerten mich
mit ihrem fortwährenden Plaudern fast zu Tode; ich mufs aber zuge-
stehen, dafs sie viele gute Eigenschaften in ihrem Charakter haben.
Sie waren z. B. aniserordentlich geduldig, wenn auch nicht weiblich
nach unseren Ideen. — Ein Hauptnutzen der Frauen in meiner Gesell-
schaft war der, dafs sie jeden Plan oder jedes Geheimnifs ausfindig
machten, welche die Eingeborenen, unter denen ich mein Lager auf-
geschlagen hatte, sorgfältig zu verbergen suchten. Erfahrung sagt uns
zweierlei: erstens, dafs es den Frauenzimmern Vergnügen macht, jedes
anderen Geheimnisse einander mitzutheilen ; zweitens, dafs Ehemänner
und Ehefrauen einander gegenseitig alles erzählen, was sie wissen.
Daher hatten die verheiratheten Frauen meiner Reisegesellschaft, so-
bald ich in der Nähe eines Platzes hielt, sehr bald alle Geheimnisse
der Bewohner ausfindig gemacht, welche sie sofort ihren Männern und
diese mir erzählten. Es war dies ein Spionirsystem, welches sich für
mich auf meinen Reisen höchst vortheilhaft erwies.^ Soweit Galton.
Schliefslich ist noch eine häfsliche Sitte zu erwfihnen, welche
490 Josaphat Hahn:
sehr nahe an Polyandrie grenzt. Sie tritt bei den Herer6, wie bei
allen jenen Völkern auf, ist bei den Hererö indessen nichts weni-
ger als allgemein, sie kommt im Oegentheil siemlidi selten vor. Diese
Sitte besteht darin, dafs sich suweiien einige Männer tu Güter- und
Fraaengemeinschaft verbinden. Die Hererö nennen dies ^Oapanga^.
Die Hererö heirathen schon siemlich fr6h, die Mfinner etwa vom
1 6ten, die Frauen vom 1 2ten oder 1 3ten Jabre ab. Die Verlobungen
werden oft sehr früh unter den Kindern geschlossen. Nicht selten
wird einem kleinen M&dchen, oft schon bei der Geburt, ein Angebinde
oder Pfand überreicht, wodurch der Geber dasselbe fSr seine cnkfinf-
tige Frau erklart.
Das Verh<nifs zwischen Eltern und Kindern bei den
Hererö ist ein sehr schönes und pietfitsvolles. Wie der Hfinptling der
Patriarch des Stammes, so ist der Vater der Patriarch der Familie.
Für die Piet&t der Kinder zu den Eltern spricht am schönsten die
rührende Sitte, dafs der Hererö bei den Thr&nen seiner Mutter schwort.
Von einer ausgebildeten Justiz kann bei den Hererö nicht die
Rede sein. Der Häuptling ist der oberste Richter des Stammes,
er hat in allen wichtigeren, aber auch manchen unwichtigen Dingen
nach eigenem Gutdünken zu entscheiden; er hat sogar Gewalt über
Leben und Tod, doch die wenigsten Häuptlinge machen Gebrauch von
diesem Recht, und zwar aus politischen Gründen: erstens hat nicht
jeder Häuptling das Ansehen und die Mittel, einen Todesbefebl rar
Ausführung zu bringen, und wenn er auch im Besitz davon ist, mufs
«r die Rache der Verwandten des Verurtheilten furchten. Nur starke
und energische Häuptlinge machen darin eine Ausnahme.
Neben der richterlichen Gewalt des Häuptlings existirt bei den
Hererö das Faustrecht, besonders die Blutrache. Wird jemand
bei ihnen ermordet, so sind die nächsten Verwandten verpflichtet, sei-
nen Tod zu rächen. Doch kann die Angelegenheit — und dies ge-
schieht auch in der Regel — auf gütlichem Wege abgemacht werden,
wenn der Mörder oder dessen Angehörigen sich dazu verstehen, eine
Sühne zu entrichten, welche immer aus einer Anzahl Rindern besteht
Hieraus darf man aber nicht den Schlufs ziehen, dafs bei den Hererö
ein Menschenleben sehr gering geschätzt würde, sondern es ist ein
Beweis für den aufserordentlich hohen Werth der Rinder in den Augen
dieses Volkes, wovon früher bereits die Rede war. Dies Verfahren
bei der Blutrache mufs uns unwillkfihrlich an die ähnliche Form der
Blutrache bei unsern altgermanischen Vorfahren erinnern.
Der Blutrache im Kleinen entsprechen im Grofsen die Fehden
zwischen den einzelnen Stämmen. Da kein gemeinsames Oberhaupt
Die Ofahcrerd. 491
^ ist, mafs das Famtrecht in atreitigen Dingen entscheiden. Viel-
kieht lockt eine schone Heerde die Habgier eines Häuptlings, er über-
fällt die Hirten and fahrt im Triumphe die Beute heim. Repressalien
folgen, and oft zieht sich eine Fehde Jahre lang hin, bis sie mit ir-
gend einem Vergleiche oder meistens einer entscheidenden Demüthi-
gang des einen oder des anderen endigt. Hierbei ist aber bemerkens-
werth, dafs, wenn ein Stamm den anderen gänzlich besiegt oder za
Grande gerichtet hat, der Sieger dem Besiegten als einen Beweis seiner
Gnade einen Theil des geraubten Viehes zarückgiebt, wodurch er zu-
gleich selbst gegen Wiedervergeltung und der Besiegte gegen fernere
Aflgriffe gesichert ist. Eine sehr humane and kluge Handlungsweise,
durch welche verhindert wird, dafs der Besiegte schliefslich zu den
äofoersten Mitteln der Rache eines Verzweifelten getrieben wird.
Wir gehn nnn zn den äufseren, gesellschaftlichen Sitten und
Gebräuchen dieses Volkes aber. — Sehr merkwürdig sind bei den
Herero, wie auch bei anderen afrikanischen Volkern, dieBegrüfsungs-
flfidBewirthungsceremonien, denen sich Fremde wie Einheimische
ohne Unterschiede unterwerfen müssen. Nachdem die ersten Begrü-
ÜNingen, von denen gleich die Rede sein wird, vorüber sind, mufs der
Fremdling, wenn er ein hoher Gast ist und speciell zum Häuptling
will, aaf allen Vieren durch die nur 2 — 2\ Fufs hohe und ebenso enge
ThSre in die geräumige Hütte des Häuptlings kriechen. Man setzt
ihm dann ein hölzernes Geschirr, aus einem einzigen Stücke gehöhlt,
^Ehoro'' genannt, vor. Dies Gefäfs ist mit sauerer Milch gefüllt und
oben auf der Milch schwimmt eine ganze Decke von ertrunkenen Flie-
gen und von Schmutz. Solch ein Topf darf nie gereinigt werden, und
er wird vom Vater aof den Sohn a. s. w. vererbt. Aus des Häuptlings
Milchgefäfs darf weder eine Frau noch ein Kind trinken. Der Fremde
darf bei dem Genufse dieser Milch durchaus keinen Ekel verrathen,
wenn er nicht als unanständig gelten und den Häuptling tödtlich be-
leidigen will. Langt man dagegen mit dem hölzernen Löffel wacker
la von der mit Schmutz and Fliegen verunreinigten Milch, dann ist
des Häuptlings Gunst gewonnen.
Wenn die Herero Besuch erhalten, so sind die ersten Empfangs-
ceremonien folgende. Der Fremde bleibt aufserhalb des Verhaues,
womit jedes Dörfchen umgeben ist, stehen und stützt sich nachlässig
auf seinen langen Bogen oder Assagai. Nach einer Weile, oft erst
nach einer Stande und darüber, kommen der Häuptling oder, wenn dieser
abwesend ist, andere Dorfbewohner und beginnen folgende Begrüfsungs-
feierlichkeit, bei der man ad libitum sitzt oder steht. Der Häuptling
redet den Ankommenden, wenn es ein einzelner ist, mit: „Kora!* an;
492 Josaphat Hahn:
sind es mehrere, so sagt er: ^Eore^^, d. h. ^ersfible^ oder „erzihlt^
Der Fremde antwortet: „iode*^, d. h. ^nein^. Dann geht es folgeDde^
malsen weiter:
Häuptling: ^Kora!" „erzähle!**
Fremder: „inde, ind^^, „nein, nein**.
H.: „Koral** „erzähle I**
Fr.: „inde vanga^, d. h. „nein, darchans nicht**.
H.: „Eor'omämbo**, d. h. „erzähle Worte oder Geschichten*^.
Fr.: „hin'omambo**, oder „hin'omamb'**, d. h. „ich weiTs kerne
Geschichten."
Bleibt nun der Fremde unerbittlich, so kommt schliefsUcb die
eigen thüm liehe Aufforderung von Seiten des Häuptlings : „kor'ovizese**,
d. b. wortlicb: „erzähle Lügen**, was so viel heifsen soll, wie bei ods:
„Anekdoten, Gerüchte oder Zeitungsenten**. Endlich kommen dann
die Neuigkeiten, und es mufs alles ausgekramt werden, was auf der
Onganda, woher der Fremde stammt, oder sonstwo vorgefallen ist, wo-
bei es auf Wahrheit oder Dichtung nicht ankommt. Während dessen
unterläfst es der Erzählende nicht, seine Zuhörer wiederholt darauf
aufmerksam zu machen, dafs er sehr guten Appetit mitgebracht habe.
Wenn der Fremde seine Erzählung geendet hat, werden die Rollen
in Fragen und Antworten ausgetauscht und mit denselben Umständ-
lichkeiten von vorne an wiederholt. Endlich wenn diese Ceremonie
ihr Ende erreicht bat, wird ein Gefäfs mit Milch gebracht, woran der
Fremde sich labt. Dann wird er in die Onganda geführt, wo er am
Berathungsfeuer „Okuruo** vor des Häuptlings Wohnung von einigen
Kriegern empfangen wird und bald gemächlich seine Pfeife schmaucht
Nachdem er nun von Zeit zu Zeit auf seinen leeren Magen faingedeo-
tet hat, wird ein Schaaf geholt, geschlachtet und ein gemeinsamer
Schmaus veranstaltet; der Fremde ist dann völlig wie zu Hause.
Merkwürdig ist bei den Herero die Art der Autorisirung von
Botschaften. Der betreffende Absender giebt dem Boten irgend ein
Zeichen mit. Häuptlinge nehmen gewöhnlich einen Stock, schneiden
bestimmte Kerben hinein und geben diesen Stock dem Boten mit aof
den Weg. An den bestimmten Kerben wird dann die Richtigkeit der
Botschaft erkannt. Die Missionare binden gewöhnlich ein buntes
Taschentuch an einen Stock und geben dies dem Boten mit, wenn sie
einen solchen aussenden. Zuweilen wurde indefs die Autorität der
Missionare von Spitzbuben in dieser Hinsicht mifsbraucht. Einige we-
gen Dieberei oder Todtschlages von ihren Stammesgenossen vertriebene
Schelme erbettelten sieb zuweilen auf einer Missionsstation ein zer-
lumptes Tuch oder ein zerrissenes Blatt Papier. Dies banden sie
an einen Stock und kehrten dann keck zu ihrem Stamme zurück. Un-
Die Orahererd. 493
ter YorzeigaDg jener Botenzeichen machten sie dann im Namen der Mis-
sionare die anverschämtesten Forderungen an Vieh, denen dann auch
schlennigst und ohne Widerrede Folge geleistet warde. — Hierbei ist
zo bemerken, dafs jeder Bote bei den Herero während seiner Function
sacrosanct ist. — In gleicher Weise fahrten sie sich bei einigen Nach-
barstfimmen ein und machten sich dann zuletzt mit dem erlangten
Vieh aber alle Berge.
Die Art der Kriegführung bei den Herero unter einander be>
steht meistens mehr in Neckereien. Zu einer eigentlichen Schlacht
kommt es zwischen den einzelnen Stämmen nie oder höchst selten.
Meist begnügt man sich damit, einander die Heerden wegzunehmen
nnd vielleicht die Hirten zu tödten. Zuweilen überfällt man auch die
Ongandä (Dorf) und mit dem Grauen des Tages sucht man unvermerkt
einzudringen. Die Zugänge zu einer Ongandä sind mit Dombäumen,
deren stachelige Kronen nach aufsen gekehrt sind, geschlossen. Hat
man diese erst heimlich entfernt, dann stürzt man auf die Rinder los,
die sich überall zwischen den runden Hütten gelagert haben, und sucht
sie in's Freie zu treiben. Sobald die Eigenthümer dies merken, eilen
sie herbei und suchen es zu verhindern. Es fallen dabei gewohnlich
Dicht viele, und nur sehr selten kommt es vor, dafs ein eigentliches
Handgemenge entsteht; dies geschieht nur wenn man es bei dem An-
griff mehr auf die Menschen, als auf das Vieh abgesehen hat. — Ist
der angreifende Theil siegreich gewesen, so zieht er trotzdem so schnell
wie nur irgend möglich davon. So oft man nun mit der Beute bei
einer befreundeten Ongandä vorbeikommt, — der Weg fuhrt nie durch
dieselbe — , wird ein Triumphzug gehalten. Man schliefst sich dabei
eng an einander an. Einer, der Anfuhrer, tanzt und springt dem
Haufen voran und rühmt sich mit den vollbrachten Heldenthaten. Der
ganze Trupp springt dann im Takte und schwingt die Speere. Dabei
stofsen die Krieger in kurzen Zwischenräumen, indem sie die Hände
vor den Mund halten, einen eigenthümlichen Kehllaut aus, wie: ^ho^,
«ho'' etc., was sich ans der Ferne wie das kurz abgebrochene, abge-
setzte Bellen eines Hundes anhört. Man nennt dies Ombimbi oder
Eriegsgesang. Derselbe besteht aber nicht blofs aus diesen merkwür-
digen Kehllauten, sondern es ist auch eine Art Wechsclgesang damit
verbunden, in welchem die Helden ihre Thaten berichten. Derjenige
nämlich, welcher dem Trapp vorausspringt, wirft Fragen auf, die sich
auf die vollbrachten Thaten (etwa die Ermordung eines Wehrlosen,
eines Weibes oder Kindes) beziehen, und der Chor antwortet darauf
und schliefst jedesmal mit jenem ^ho^, „ho^. Sind die Sieger zu
Hause angekommen, so findet ein feierlicher Einzug statt. Sobald aus
der Ferne das dampfe „ho* — »Ijo^ — jjho** gehört wird, entsteht ein
494 Josaphat Hahn:
ungeheoerer Jabel aaf dem Platze. Mit Ausnahme der M&aner laoft
alles ihnen entgegen, und die Fraaen spielen eine Hauptrolle dabei^
wie weiland bei Saul und David, als sie aus der Phüistersdilacht häm-
kehrten; die Frauen stimmen nfimliob ihrerseits einen Chor an loai
Lobe der Tapferen. Alles ensammengenommen verursacht einen Höl-
lenlärm. So erreicht der Trupp die Ongandä. Dort sitzen wfirdevoO>
die Krieger des Stammes, in ihrer Mitte der Häuptling, an dem „Oka-
ruo^ (Berathungsfeuer) und rauchen ihre Pfeife, als ob nichts vorge-
fallen wäre. Endlich sind die Kriegshelden angelangt; man begrfifet
sie ähnlich, wie in der oben beschriebenen Weise; dann erst siebt
sich der Häuptling die Beute an, und ist sie grofs, so lobt er sdne
Tapferen, worauf diese ein sehr grofses Qewicht legen. Schlielslicb
nimmt der Häuptling die Theilung der Beate vor und behält für sieb
das Meiste. Ist dies geschehn, dann läfet der Häuptling einige Rinder«
mit Speerstichen tödten, worauf schüefslich ein Siegesschmaus untnr
Tanz und Gesang folgt.
Die Beraubten verfehlen nie den Siegern eine Gesandtschaft
auf dem Fufse nachzusenden und diese inständigst um Rüdkgabe des
Viehes zu bitten. Fast regelmäfsig erhalten die Besiegten einen Theil
des Raubes zurück. In neuerer Zeit sind übrigens die Kriege der He-
rero mit ihren Nachbarn, seitdem sie im Besitz von Feuerwaffen mi,
bedeutend grofsartiger geworden. Es sind Schlachten zwischen Herero
und Namaqua vorgefallen, in denen auf beiden Seiten 3 — 400 Maim
standen und Hunderte von Todten das Schlachtfeld bedeckten.
Interessant sind die Todtenfeierlichkeiten bei den Herero.
Wenn eine Person im Stamme gestorben ist, so sammeln sich alle Ver-
wandten derselben, um den Todten mit Klagen und Weinen zu be-
trauern. Auch hierbei spielen die Weiber die Hauptrolle, indem sie
alle anderen mit ihrem Jammergeschrei übertönen; jemehr Tbränen
dabei fliefsen, desto besser ist es. Die Trauerzeit dauert meist mehrere
Monate lang. Je reicher der Todte war, desto gröfser sind die äuise-
ren Zeichen der Trauer — ähnlich wie in unserem civilisirten Erd-
theile. Während der Trauerzeit mufs sich der Leidtragende idles
Schmuckes entäufsern; Armspangen und Fufsringe, welche sich nicht
abnehmen lassen, werden umwunden. Als Kopfbedeckung trägt der
Leidtragende eine dunkle lederne Mutze, welche in eine konische Spitie
ausläuft. Diese Trauermütze, welche sowohl Männer als Frauen trar
gen, nennen die Herero „Otylpiriko**. Hiermit hängt ein heiliger Schwur
der Herero zusammen. Derselbe lautet: ^otyimbe otyipirikol^ and
bedeutet etwa: „so wahr meine Trauer ist I** — Um den Hals ist ein
Riemen geschlungen, an dessen beiden Enden kleine Stuckchen Strsa-
fseneierschalen angebracht sind. Wem ein sehr naher Freund gestor-
Die Ovahererd. 495
ben ist, der scheert sich oft das Haupthaar ganz ab und geht mehrere
Jahre lang mit kahlem Haupte einher. — Wenn die Traaerzelt vor-
über ist, werden die Kleidungsstücke, welche die Leidtragenden wäh-
rend der Zeit trugen, nebst der eigenthümlichen Trauermütze als un-
reine Gegenst&nde in's Feld getragen, dort verscharrt, und darnach
werden die Personen durch Opfer gereinigt. Man nennt dieses Opfer
gOmeva^, d. h« „Wasser^. Auch wfihrend der Trauerzeit wiederholen
sich die Todtenopfer. Die Herero verbinden mit diesen Opfern nicht
die Vorstellung, dafs die geschlachteten Thiere, denn daraus bestehen
die Opfer, dem Verstorbenen als Wegzehrung nachgesandt würden,
wie dies meist die Anschauung jener Völker ist, sondern sie haben
eine tiefere Auffassung davon: es sind eigentliche „Sühn* und Reini-
guDgsopfer", was in dem Worte Omeva oder Wasser selbst angedeu-
tet zu sein scheint, da bei der Opferhandlung gar kein Wasser ge-
braucht wird.
Nach einem Tod es falle, namentlich eines Häuptlings, zieht
der Stamm weiter. Kehrt derselbe nach einigen Jahren zurück, was
sehr häufig geschieht, so wird abermals ein Todtenopfer gebracht und
dem Verstorbenen auf ^em Grabe aus dem oben erwähnten Milch-
gefafse ein Trankopfer gespendet. Der dem Todten Nächststehende
hat dasselbe auszurichten. Dieser kniet am Grabe nieder und betet
Kam Geiste des Verstorbenen; er erzählt ihm, wie es ihm und dem
Stamme seit seinem Tode ergangen sei, fragt ihn um Rath und bittet
ihn schliefslich um langes Leben, um Gedeihen und Vermehrung sei-
ner Heerden und um Glück in allen seinen und des Stammes Unter-
nehmungen.
Väter und Mütter versammeln in der Regel, wenn sie den Tod
herannahen fahlen, ihre Kinder um sich, ermahnen und segnen diesel-
ben schliefslich, indem sie die Hände auf ihrer Kinder Häupter legen
und ihnen alles Gute wünschen ; eine gewifs schöne und rührende Sitte,
ahnlich der schon gedachten, dafs die Herero bei den Thränen ihrer
Matter schwören. Ist der Todte in's Grab gesenkt, dann läfst man die
Kinder auch wohl über das Grab springen, was ihnen Heil und Segen
bringen soll. Das letzte Opfer für die Verstorbenen nennen die He-
rero „Ondyoza^ (z wie das weiche englische th zu sprechen), was man
mit ^schuldlos^, „los von Schuld" übersetzen kann. — Diese erwähn-
ten Ceremonien sind durchaus religiöser Art. lieber die übrigen reli-
giösen Vorstellungen und Ceremonien dieses Volkes wird unten noch
veiter die Rede sein.
Die Gräber der Häuptlinge sind meist am Fufse eines an-
sehnlichen Baumes. In das enge, aber ziemlich tiefe Grab senkt man
die Leiche in sitzender Stellung, mit dem Angesichte nach Norden ge-
496 Josaphat Hahn:
kehrt. S&rge kennt man nicht, dagegen umhGllt man die Leiche nu^
Pellen. Um das Grab herum macht man ein Verhaa von Dornen
damit die Hyäne, die ^Entweiherin der Gräfte^, den Leichnam nicht
aufischarren kann. Eine Menge Rinder, je nach dem Reichthom d^
Verstorbenen, wird geschlachtet and zum Todtenopfer dargebracht.
Die Hörner derselben befestigt man an einem Stocke, ein Hom über
das andere, und diesen auf dem Baum am Grabe, von wo sie wie
ein Monument weithin sichtbar sind. Dieselbe Sitte findet sieh auch
in Madagaskar. Auch Pfeile und Bogen des Häuptlings werden am
Baume aufgehängt. Zuweilen werden auch mächtige Häuptlinge nicht
begraben. Man legt sie dann auf ein Gerast in ihrer eigenen geran-
migen Hütte und umgiebt letztere mit starken Palissaden und diese
wieder mit einem undurchdringlichen Dornenverhau. Hat der Va^
storbene etwas von der Schmiedekunst verstanden — denn Häuptlinge
halten es nicht für unter ihrer Wurde ein Handwerk zu erlernen — ,
dann hängt man am Grabe seinen Blasebalg auf. In der Hütte wer-
den seine Waffen und Schmucksachen neben ihm hingelegt.
Wir kommen nun zu dem wichtigsten Theile unserer Arbeit, za
den religiösen Anschauungen und den damit zusammenhängen-
den religiösen Gebräuchen der Ovaherero.
Es ist eine sehr interessante, wenn auch schwierige Aufgabe, bei
aller Grundverschiedenheit der Racen, Völkerschaften der Vor- und
Jetztzeit, der Culturstufen, vom Buschmann bis zum Chinesen und
Europäer, einen Einigungspunkt und eine Verwandtschaft aller Ge-
schlechter nachzuweisen. Es ist dies hauptsächlich die grofse Aufgabe
der sprachvergleichenden Wissenschaften, ein Licht in dieses Dunkel,
eine Lösung dieser interessanten und wichtigen Präge zu bringen.
Grofse Anfänge sind bereits gemacht, aber diese Aufgabe ist noch
nicht zur Genüge gelöst. Aber auch auf anderem Wege geht man an
die Lösung dieser Frage, auf dem Gebiete der Völkerpsychologie^ und
zwar speciell in religiöser Beziehung; und auch auf diesem Wege ist
man noch nicht zum endgültigen Abschlufs gekommen. Es kommt
hierbei darauf an, bei aller Verschiedenheit der Racen, der Caltor-
stufen, der Volksanlagen und Volkscharactere, wie diese sich am tief-
sten in den religiösen Anschauungen und den religiösen Gülten der
Völker ausprägen, dennoch eine Einheit des religiösen Bewufstseins
und des religiösen Bedürfnisses bei allen nachzuweisen, und zwar
sind die Hauptpunkte, auf die es hier wiederum ankommt : der Glaube
an ein höchstes Wesen und damit unmittelbar oder mittelbar, be-
wufst oder unbewufst zusammenhängend, das Schuldbewufstsein
und das Erlösungsbedürfnifs bei allen Geschlechtern der Erde. —
Man hat zu verschiedenen Zeiten an verschiedenen Völkern das Vor-
Die OTalierer<$. 487
hAndensein dieser Grandbedingongen der Religiosit&t bezweifelt. Doch
ist bis jetst bei keinem Volke der Erde nachgewiesen, dafs es nicht
wenigstens einen Theil dieser religiösen Grandlagen besitze. Ein
Schuldbewolstsein und ein Erlösangsbedarfnifs findet sich mehr oder
weniger bei allen Völkern; schwerer ist es dagegen, das Gottesbewufst-
sein aberall deotlich heraaszofinden , wenn es auch durchaus undenk-
bar ist, dafs bei dem Vorhandensein des Schuldbewufstsein and des
Erlösan^bedurfnifses gar keine Spur von einem Gottesbewnfstsein zu
finden w&re; denn jene beiden Richtungen des religiösen Gefühls ha-
ben in diesem ihren Ausgangspunkt. So hat man z. B. bei den Na-
maqua, trotz ihrer religiösen Gebrfiache, lange gemeint, sie hätten nicht
die geringste Idee von einer Gottheit, und manche haben deshalb aber
die eben ausgesprochenen Ansichten triumphiren zu darfen geglaobt.
Schliefslich hat sich aber herausgestellt, dafs die Namaqaa allerdings
an einen Gott glauben, den sie sogar Zui-goab nennen, und es ist nach
den Vermuthungen von Sachverständigen in der Sprachforschung nicht,
an wahrscheinlich, dafs die Wurzel Zui mit dem griechischen Zwg zu-
sammenhängt Es läfst sich ferner sogar bei den Fetischanbetern nach-
weisen, dafs ihrem Fetischdienste eine mehr oder weniger bewufste
oder unbewufste Ahnung von dem Vorhandensein eines höheren We-
sens, welchem gegenfiber sie sich schuldig oder verschuldet, und von
dem sie sich deshalb abhängig fühlen, zu Grunde liegt — Bei den
Boschmännern vielleicht allein ist man eigentlich noch im Zweifel, ob
sie einige religiöse Anschauungen haben oder nicht Das liegt aber
hauptsächlich daran, dafs es fast unmöglich ist, mit diesem so tief ge-
sunkenen Volke in nähere Berfihrung zu kommen, und aus diesem
Grande können die Buschmänner eigentlich noch gar nicht in Betracht
kommen. Factum ist aber, dafs sie wenigstens an eine Fortexistenz
der Seele nach dem Tode und an eine Seelenwanderung glauben, und
bei ihrer ursprunglichen engen Zusammengehörigkeit zu den Namaqua
lädst sich wohl voraussetzen, dafs sie noch einiges von dem Gottes-
bewufstsein der Letztern beibehalten haben.
Es wird sich also wohl nicht läugnen lassen, dafs ein religiöses
Gefahl bei allen Völkern mehr oder weniger vorhanden sei. Auf der
tieffiten Stafe in dieser Hinsicht stehen vielleicht die Buschmänner und
die Fetiscfaanbeter. Nicht auf der tiefsten Stufe, wenn auch auf einer
sehr tiefen und unentwickelten, stehen entschieden die Ovahererö in
dieser Beziehung. Aus den Todtenopfern , von denen oben die Rede
war, geht ganz klar ein Schuldbewufstsein und ein Erlösungsbedurfiiifs
bei ihnen hervor. Man kann schon daraus weiter schliefsen, dafs die
Hcrero auch an ein höchstes Wesen glauben, in Beziehung zu welchem
ihr Schuldbewufstsein entspringt; und dies ist auch der FalL
ZiUNhr. d. CtoMlliob. L Brdk. Bd. IV. 32
498 JMaphal H«]in:
Die Herero glaaben, dafs Himmel und Erde, MeoBchen, Thkie
und Pflanzen von einem höchsten Wesen, welches sie ^^Makaro',
d. i. ,,der Uralte^, nennen, geschaffen sind. Die Menschen, sowohl
die schwarzen wie die gelben (Neger und Namaqua), and die Tie^
fufsigen Thiere liefs Mukiiru aus einem Baume „Omumborombonga^
hervorgehn, die Vögel und Fische dagegen aus dem Regen. Die
schwarzen Menschen setzten sich in den Besitz des Viehes, der Rin-
der, Schafe und Ziegen, die gelben Menschen dagegen machten sieb
Bogen und Pfeile. Das Letzte bezieht sich auf das friedliche Nom*-
denleben der Herero und den kriegerischen Unternehmungsgeist der
Namaqua '). Diese Vorstellung der Herero von einem höchsten We-
sen hat grofse Aehnlichkeit mit einem Volksglauben der Betschnaoeo.
Diese glauben nämlich auch an einen „Uralten*^, den sie „Morimo*'
nennen. Sie stellen sich ihn als einen alten Mann vor, der weit im
Norden wohnen soll. Die Zulu glauben an den „Inkulukuln*', den
„Vollkommenen^, dem sie, wie die Herero ihrem Mukuru, die Schöpfang
zuschreiben. Offenbar haben die beiden Wörter, Mukuru und Inkola-
kulu, dieselbe Stammwurzel: kuru oder kulu. Die Sylben mu und in
sind Präfixe.
Neben der Bezeichnung „Mokuni^ för Qott gebrauchen die He-
rero auch zuweilen den Namen „Ombepo^, zu übersetzen mit „Wind'^,
„Hauch^ oder „Geist^. Es ist nicht ganz klar, ob die Herero aidi
unter „Ombepo^ ein selbstständiges göttliches Wesen neben Mukun
denken, oder ob sie für ein und dasselbe Wesen diese bei-
den Bezeichnungen, welche verschiedene Wesenseigenschaften des-
selben ausdrücken sollen, gebrauchen. Für das Erstere konnte der
Umstand sprechen, dafs die Herero zuweilen im Plural von „den
Grofsen im Himmel^ sprechen, ohne jedoch sich unter diesen ^Groisen
im Himmel^ etwas Bestimmtes zu denken; denn wenn man aie fragt,
was sie sich unter „den Grofsen im Himmel^ vorstellen, wissen sie
keine Antwort darauf zu geben. Es ist deshalb wahrscheinlicher, dafo,
da der Name Ombepo stets in Beziehung zu Mukuru gebrancht wird,
') Aus dem Worterbuche der Hererösprache von Hugo Hahn entnehmen wir
noch Folgendes über die Schöpfungssage der Herero: «An einem Tage gebar dieser
Baum (OmumborombongA) Menschen aller Farben und zahme und wilde vierftfsige
Thiere. Die Bererö zeigten grofse Vorliebe fUr die zahmen Thiere. Da sie nach
Osten zogen, entspann sich ein Streit mit den anderen um das Vieh, welcher die
Zerstreuung der Menschen und die Verschiedenheit der Sprachen zur Folge hatte.
Vögel, Fische und GewQrm entsprangen aus dem Regen« — Sie zollen dieeem Baume
noch immer fast göttliche Verehrong. Selbst in seinen einladenden Schatten wagt
man kaum sich zu setzen. Wenn die Eingeborenen in die Nähe dieses ihres Ur-
vaters kommen, rufen sie aus: U-zera, Taternukuromme, Du bist heilig, Grofs-oder
ErzTater.
Die OTtherei^. 499
die Hereri sich unter beiden Bezeichnungen ein und datsselbe Wesen
denken, and zwar so, dafs Muküru, der ,,Uralte^, ,. Ursprüngliche**,
von welchem alles Endliche mittelbar herrührt, ein geistiges Wesen
sei, wie z. B. die Indianer vom ^grofsen Geiste^ reden.
Mit dem Glanben an Mokürn und Omb^po hängt bei den Herer6
auch mittelbar der Glanbe an die Fortexistenz der Seelen nach
dem Tode zusammen; denn ihr religiöser Dienst oder Gultns bezieht
sich zunächst auf die Seelen der Verstorbenen und erst in zweiter
Linie auf Mukuru. Ihr religiöser Dienst verdient deshalb weniger die
Bezeichnung eines Muküru- oder Gottesdienstes als vielmehr eines
Ahnendienstes. Den Ahnen gelten zum grofsen Theil ihre Opfer
und an sie richten sie vorzugsweise ihre Gebete. Wenn auch, wie
gesagt, von einem eigentlichen Mukurn-Dienste bei ihnen weniger die
Rede sein kann, so l&fst sich doch, namentlich bei den Opfern, und
besonders bei den Schuld-, Reinigungs-, Sühn- und Todtenopfern, leicht
nachweisen, dafs sie ursprünglich ausschlieislich dem Muküru ge-
golten habe.
Wenn man die Herero fragt, woher sie die vielen religiösen Ge-
bräuche, wie Opfer, Speisegesetze, Beschneidung etc., bekommen haben,
so antworten sie zunächst, von ihren Vorfahren oder „Ovaküru^, und
fragt man weiter, woher diese sie hatten, so erhält man die Antwort:
von Mnküm oder von Ombepo. — Mit der Beobachtung der vielen
Gebräuche nehmen es die Herero sehr genau ; doch geschieht dies nicht
so sehr aus Treue und Pflichtgefühl, als aus Furcht, es möchte ihnen
bei Versäomnng derselben ein Unglück zustofsen.
Neben dem Ahnencultus, aber in untergeordneterem Range, findet
sich bei den Herero auch derjenige des Feuers (Omuriro). Auf je«
der Ongandd (Dorf), ja vor jeder Hütte (Ondyno), brennt ein „hei-
liges Feuer ^, welches, wie die Herero sagen, ihnen von Muküru oder
Ombepo selbst gegeben ist. Vor der Häoptlingswohnung, welche im-
mer auf der Ostseite- der OngandÄ liegt, ist der Hauptfeuerheerd und
die Opferstelie, „Okuruo*^ genannt. An dieser Stelle schlachtet man die
Opferthiere und kocht ihr Fleisch, und hier versammeln sich die Ael-
testen zur Berathnng, wenn der Häuptling ihres Käthes bedarf, hier
werden endlich Fremde empfangen und Gesandtschaften bewirthet etc.
Za den Schmausereien, welche bei allen feierlichen Ceremonien statt-
finden, mufs jedermann. Fremde wie Bekannte, Freund und Feind,
hinzugelassen werden, und jeder Anwesende hat bei solchen Festen
Antbeil an dem Fleische; es darf dies demselben niemals verweigert
werden. Der Fluch des Fremden würde den Ungastlichen und Frevler
treffen, welcher ihm seinen gerechten Antheil am Mahle vorenthalten
32^
500 Josaphat Hahn:
wollte; and diesen Fluch farchtet der Herero über alles, weil er oadi
dem Volksglauben eine unfehlbare Wirkung hat.
Das ^heilige Feuer^ wird von einem jungen M&dchen, meist von
der ältesten Tochter des Häuptlings, gepflegt. Diese heilst ^Ondaa-
ger^^, und das heilige Feuer wird ^Omurangere^ genannt. Beide Be-
zeichnungen haben dieselbe Wurzel : „rangera^, d. h. ^heilige Gebrfiache
thun.^ Die Ondanger^ mufs das heilige Feuer unterhalten und des
Nachts in ihrer Hütte brennend erhalten. Von dem Omuranger^ wer*
den alle anderen Feuer auf der Onganda unterhalten; denn jeder Fa-
milienvater hat vor seiner Hütte ein privates Okuruo (Heerd). Jeder
Familienvater ist seiner Familie und der Häuptling wieder s^nes gan-
zen Stammes Priester.
Verläfst der Stamm seinen Wohnsitz, dann geht die Ondang^re,
des Häuptlings Tochter, mit einem brennenden Feuerstnmpfe voo
Haupt-Okuruo allen voraus, wobei sie sorgsam darauf Acht geben mofs,
dafs das Feuer nicht verlöscht. Sollte dies gleichwohl doch unglSck-
licherweise geschehen, so. wird das als ein ungunstiges Omen angesebeo.
Der ganze Stamm versammelt sich in diesem Falle und treibt alle
Heerdeu herbei und schlachtet eine grofse Menge Opfer, worauf das
Feuer durch das Reiben zweier heiligen, von den Ahnen and Urahnen
ererbten Hölzer — aber nicht Götzenbilder, wie Andersson meiot (die
Herero haben überhaupt keine Götzen) — , welche jeder Hfiaptling
unter seinen Reliquien besitzt, von Neuem angezündet wird'). Dieser*
innert uns an das heilige Feuer bei den Römern, welches unter ähn-
lichen Umständen blos durch Feuer vom Himmel, den Blitz, angezün-
det werden konnte. Jene heiligen Hölzer und das heilige Feoer, sagen
die Herero, stammen ursprunglich von Muküru oder auch von Gm-
bepo her.
Der Feuerdienst bei den Herero ist ein schöner Aasdrnck
ihres Familienlebens; das zeigt z. B. folgende sinnige symbolische
Handlung. Der Segen des Vaters, dessen Kind einen neuen Haas-
stand gründet, besteht darin, dafs er demselben Feuer von seinem
') Vielleicht verwechselt Andersson diese Hölzer mit den heiligen StSckeiH
die beim Opfern gebraacht werden, aber auch keinen Götzen yertreten. Diese Opfer-
stöcke oder Reiser werden von BKamen oder Büschen geschnitten, welche den Afaneo
geweiht sind and dieselben bei den Opfermablzeiten reprttsentiren, indem ihnen du
bereitete Opferfleisch immer zuerst vorgesetzt wird. Manche haben diese StÖckOi
in ein Bündel mit Riemen znsaramengebanden and mit Amuleten behangen, fort-
während auf der Opferstelle (Okurud), in den Zweigen des auf der Opferstelle be-
findlichen Opferbusches, stehen. Dieser Opferbnsch dient dazo, däCä das Fleisch dei
Opferthieres, nachdem es zerlegt ist, auf denselben gelegt wird, nnd vertritt somit
gewissermafsen einen Opfertisch oder Altar. Die Opferstöcke nennt man Omnoit-
kisua nnd den Opferbuscb makera, beide von demselben Stamm, welcher Mschmeckeo*,
»prüfen* bedeutet.
Die 0Yah6rer<$. 501
Okaraö mitgiebt; that er dies aber nicht, so bedeutet das seinen
Flach.
Die Herero sowie viele andere afrikanischen Volker haben die
Besehneidang. Es ist dies ein aralter Braach bei ihnen und h&ngt
schwerlich mit dem Islam zosammen. Die Beschueidung wird an den
Knaben von 6 — 8 Jahren vollzogen nnd ist durchaas eine religiöse
Handlang. Man beschneidet immer eine gröfsere Anzahl Knaben an
demselben Tage, und diese bilden dann ihr ganzes Leben hindurch
eine nfihere religiöse Verbrüderung, Gesellschaft oder Gemeinschaft;
sie sind von da an ,,Omakura^, d. h. ^^Gesellen^, ,,Genossen^.
Aufser diesen rein religiösen Gebräuchen haben die Herero auch
gemischt -religiöse. Eine religiös -politische Ceremonie ist
s. 6. die des Mannbarmachens oder der Mannbarkeitserklärung,
wenn wir uns so aasdrncken wollen. Die meisten afrikanischen Stämme
haben Volksunterscheidungszeichen ^ entweder durch Tättowiren der
Haut oder durch Einfeilen oder Herausschlagen gewisser Zähne. Bei
den Herero ist es, wie gesagt, ein religiös-politischer Act. Wenn die
Herero nämlich ein gewisses Alter, etwa das 12.— 16. Jahr, erreicht
haben, dann empfangen sie feierlich die Nationalabceichen. Es wird
ihnen das Speichen einer umgekehrten römischen Fünf (a) ii^ die bei-
den obem Schneidezähne hineingefeilt und von den unteren Zähnen
werden 3 — 4. ausgestolsen. Um die Waden wird femer ein dunner
Riemen gebnnden, dessen beide Enden vom an den Schienbeinen wie
Troddeln herunterhängen. Erst nach dieser Ceremonie, mit welcher
ebenfalls grofse Festlichkeiten verbanden sind, wird einer ein vollgül-
tiger Mann und Krieger seines Stammes und darf von da an an den
Rathsversammlnngen der Männer oder Krieger theilnehmen. — Aber
aoch die jungen Mädchen müssen wie die Jünglinge in einem gewissen
Alter, etwa im 12. — 14. Jahre, ohne irgend eine Miene zu verziehen,
die schmerzliche Ceremonie des Zähnepfeilens und Zähneausstofsens
darchmachen. Von da an sind sie heirathsfähig. Das AusstoIiBen der
Vorderzähne hat zur Folge, dafs alle Herer6 lispeln.
Sehr bemerkenswerth ist es, dafs die Herero und Bandyern, sowie
auch die Ovambo, Aschantee, Fante und andere afrikanische Nationen
eine Art von Kastenwesen haben. Die Kaste erbt merkwürdiger-
weise bei den Herero von der Matter auf die Kinder. Die HerenS
nennen dies Kastenwesen ^Eyandd^, was man mit „Abkunft^, „Her-
kanft^, ,)Drsprung^ übersetzen kann. Es giebt etwa acht solcher
^Omaandi^ (plar. von Ejanda). Die Einen nennen sich z. B.: ^Ova-
knenomburä^, das ist: „Verwandte oder Abkömmlinge des Regens^;
andere heifsen: „Ovakuenejnvd^, d. i. „Verwandte der Sonne^; ferner
andere: „Ovakuatyiti% ^ Verwandte des Baumes^ ; und wieder andere:
502 Josaphat Hahn:
^Ovakaaher^^, ^Verwandte des Oher^^, einer Art Munnelthier, etc. ete.
Jede Eyanda hat ihi^ genaa bestimmten Speisegesetze und sonstigen
Oebränche. In den verschiedenen Eyanda, oder richtiger Omaanda,
dürfen z. B. gewisse Rinder oder Schafe von bestimmter, aber jedes-
mal verschiedener Gestalt, Farbe, Wuchs der Homer etc. nicht geges-
sen werden, u. s. w. '). Diejenigen, welche za einer and derselben
Eyanda gehören, haben, wenn sie auch verschiedenen St&mmen
angehören, eine engere religiöse und sociale Gemeinschaft
unter einander.
Mit den religiösen Vorstellungen der Herero hängen ihre aber-
gläubischen zusammen, worüber wir hier noch einiges hinzafQgeo
wollen. Wie gesagt, glauben die Herero an eine Fortezistenz der
Seele nach dem Tode, wie es aber derselben im Jenseits ergeht, davon
haben sie keine Vorstellung. Doch glauben die Herero, dafe die Ver
storbenen zuweilen als Gespenster escheinen können, und zwar in
der Gestalt eines weifsen Hundes, oder wenigstens handeartigen Thie-
res, welches sie „Otyirurü^ nennen. Begegnet dies Gespenst jemandem
und ruft ihn an, dann mufs derselbe sterben, falls er ihm antworte.
Auch besucht das Otyiruru des Nachts die Hütten der Leute und labt
sich an ihren Milchkalebassen. Häufig geschieht es nämlich, dals
des Nachts eine ganze Onganda in Schrecken und Aufruhr versetzt
wird, wenn mit einem Male aus irgend einer Hütte der Ruf erschallt:
„Olyirurn etyohil^ „das Otjirnru ist dal^ Auf diesen Rof stürzt alles,
was nur laufen kann, in gröfster Hast in's Freie und verläfst die On-
gandÄ, um ja nicht mit dem Otyirurü in Berührung zu kommen. Den
nächsten Morgen hat dann regelmäfsig diese oder jene Hausfrau darüber
zu klagen, dafs das Otyiruni in der Nacht bei ihrem Milchkaiebas ge*
Wesen ist; keine denkt daran, dafs dieser oder jener Schelm sich den
Alarm zu Nutze gemacht oder denselben gar angeregt haben könnte,
und während die übrigen Einwohner aus ihren Hütten flohen, den
Kalebassen seiner Nachbarn einen freundschaftlichen Besuch abgestat-
tet hätte.
Auch die Zauberei ist bei den Herero gang und gäbe. Vieles
davon ist jedenfalls Betrug, aber vieles auch läfst sich nicht anders
als durch Einwirkung oder Mitwirkung natürlicher Exäfte erklären.
Die Zauberdoctoren heifsen : „Omundü organda^ oder „Omundo ondyai*
*) Diesen Rindern zollen die Hererd fast abgöttische Verehrung. Ein solches
heiliges Rind nennen die Herero : ohivirike , d. h. ein Rind , welches besangen y ge-
priesen wird. Das Lob dieser Thiere recitativisch su besingen oder sn enihlen,
ist nämlich ihr Hauptvergntlgen und etwas dagegen zu sagen und das Lob zu schmft-
lem, kann nicht nor zu Streit, sondern sogar zu Blutvergiefsen, selbst Krieg, Ve^
anlassimg geben.
Die Ovahererd. 503
d. h. ^Zaaberer^, ^Elager^, „Weiser^. Die Voretellangen der Herero
über Zauberei sind folgende:
£a giebt geistige böse Mächte. Mit diesen kann sich der Mensch
durch gewisse Zauberformeln in Verbindang setzen und sie zum Nach-
theil anderer Menschen anwenden, z. 6. um Krankheiten nnd Tod zu
verursachen, aber auch um Krankheiten zu beseitigen. Hierzu gebrau-
chen aie aber auch eine gewisse Sympathie. Es nimmt z. B. jemand
aus einer Lowenspur etwas Staub und streut diesen auf die Spur sei-
nes Feindes mit den Worten: ^ga t'ongeama!^ d. h. ^dafs du vom Lö-
wen getodtet werdest I^ Dies erinnert sehr an folgende westfälische
Sitte bei dem Landvolke. Wenn einem Bauern etwas gestohlen ist,
sucht er die Spur des Diebes auf, bindet die Erde, worauf er eine
Fttfsspnr desselben gefunden hat, in ein Tuch und hängt dies in den
Rancbfang mit dem Wunsche, dafs der Uebelthäter verdorren möge,
wie die Erde im Schornstein. Derartige Verwünschungen, wie die
obige, kommen bei den Herero auch häufig vor in Verbindung mit
andern Thieren. So dient eine braune, sehr giftige Schlange sehr oft
als Verwunschungsmittel, sie heifst Eraraviz^, und der Herero braucht
in Folge dessen manchmal die Verwünschung: ga t*eraraviz6, d. h.
^daXs er durch die eraraviz^ sterbe I'^
Andere Verwünschungen oder Zauberformeln dienen dazu, um die
Feinde im Kriege zu beschwören. Die Herero nennen dies ^kutire^,
d. b. wörtlich ^»fesseln*', die Feinde durch Zauberformeln in Fesseln
schlagen.
Nicht jeder Todesfall und jede Krankheit wird einer Zauberei zu-
geschrieben, wie dies bei den Kaffern, Zulu, Betschuanen und manchen
anderen geschieht, doch mnls bei den Herero jedesmal der Zauberer,
der Priester der bösen Mächte darüber entscheiden, woher ein Krank-
heits- oder Todesfall herrührt, ob er durch Zauberei oder auf natür-
lichem Wege herbeigeführt sei. Dieser sucht nun vermittelst seiner
Zauberformeln die Schuldigen heraus, wenn überhaupt solche da sind.
Uebrigens kommt es, wenn wir nicht sehr irren, n i e vor, dafs bei den
Herero ein der Zauberei Ueberfahrter oder Angeklagter getodtet wird,
wie dies alltäglich bei den Kaffern sich ereignet; dagegen mufs bei
den Herero eine Sühne an Vieh entrichtet werden. Die Doktoren
lassen sich natürlich für ihre Dienste immer gut bezahlen. Ihre Me-
difiin, mit der sie Krankheiten heilen, besteht in Hyänenmist, welchen
sie dem Patienten um den Mund und die Stirne schmieren, wobei der
Dokibr seine Zauberformeln spricht. Eine andere Methode der Ent-
laubemng, wenn die Krankheit als Bezauberung ausgegeben worden
ist, besteht darin, dafs der Kranke über einem kochenden Topfe hin-
und herbewegt wird. Die Herero nennen dies Verfahren: Karipirirä.
504 JoBaphat Hahn:
Wie grofs auch der Unfug und die Macht der Zauberei im Herero-
lande sein mag, so kann sie doch durchaas keinen Vergleieh bestebn
mit derjenigen unter anderen Völkern Afrikas, denKaffern, Zalu,BasBoto,
Betschuanen, Aschantee u. s. w. Bei diesen Völkern tritt die Zauberei
ganz in den Vordergrund des socialen und staatlichen Lebens, während
sie bei den Herero sich im Ganzen sehr im Hintergrund hSit. Es ist
bekannt, welchen furchtbaren Einflufs die Zauberer, Zauberdoktoren
und Regenmacher bei den genannten Völkerschaften auf ihre Volks-
genossen ausüben, wie sie dieselben in steter Furcht erhalten, wie sie
alle noch vorhandenen sittlichen Grundlagen, den Glauben an die Göt-
ter, überhaupt alle dunklen Anklänge an die Wahrheiten des Christen-
thums, die in der alten hergebrachten Religion, im Cultus etc. verbor-
gen lagen, mit vollkommenem Bewufstsein durch raffinirten Betrug and
boshafte Intrigue untergraben und dem Eindringen des Ghristenthunis
dadurch ein fast unüberwindliches Hindernifs entgegen setzen. Bei
den Betschuanen ist es, um ein Beispiel anzufahren, soweit gekommen,
wie (wenn wir nicht irren) Moifat berichtet, dafs man als ein Dumm-
kopf verspottet wird, wenn man noch von ,,MorimQ^, d. i. ^Gott**,
spricht; man hält es höchstens den alten Grofs vätern wegen ihrer
Schwachköpfigkeit zu Gute, wenn sie noch an Morimo glauben. Dies
i%t lediglich durch den Einflufs der Zauberer gekommen. Es ist fer-
ner auch bekannt, mit welcher raffinirten Bosheit die Zauberer die
Autorität der Missionare herabzudrücken und ihr Werk zu vereiteln
suchen.
Anders verhält es sich bei den Herero. Ihre Zauberer haben n i e
die Macht besessen, wie jene, ein ganzes Volk beständig an der Nase
herumzuführen, unzählig viele unschuldige Opfer gemeiner, teuflischer
Rache und Intrigue den grausamsten Todesqualen zu übergeben, das
Familien- und sociale Leben zu zerrütten und zu untergraben und die
Missionare in den Augen des Volkes lächerlich zu machen. In letz-
terer Beziehung haben sogar die Hererozauberer im Gegentheil von
Anfang an die Ueberlegenheit der Missionare mehr oder weniger be-
reitwillig und offen anerkannt. Als die ersten Missionare in's Hererd-
land kamen, traf es sich, dafs verschiedene angesehene Personen in
einem Stamme krank waren, bei denen der Hyänen mist und die Zau-
berformeln der Zauberdoktoren nichts ausrichten konnten. Bei der
Ankunft der Missionare drangen nun die Zauberer selbst darauf, man
solle die ,,weifsen Zauberer^, die mehr als sie vermöchten, zu Ratbe
ziehen. Dies geschah denn auch, die Kranken wurden von den ^wei-
fsen Zauberern^ geheilt, und von da an war das Ansehn und der Ein-
flufs der Missionare auf immer fest begründet.
Auch das Wahrsagen ist bei den Herero, wie bei allen heidni*
Die Ovaherertf. 505
sehen y5lkem, gaog und gäbe ; sie nennen es : huna, d. h. wahrsagen
oder das Loos werfen. Die Here.ro werfen das Leos vermittelst klei-
ner Steine ) die von solchen, die den Wahrsagergeist sa haben voi^
geben, überall gew&hlt werden können. Sie werfen die Steinchen auf
der flachen Hand hin und her, bis sie in gewisse Lagen oder Stellun-
gen kommen, und je nachdem diese sind, thut der Wahrsager seine
Ausspruche, die sich jedoch nur auf die Vergangenheit beziehen.
— Das Wahrsagen in Beziehung auf die Zukunft geschieht durch
Tra umdeuterei. Bei jeder Krankheit oder irgend einem Unfall
nimmt man seine Zuflucht zum orubio, einem Loose, vermittelst eines
Messers und einer Sandale, die zu diesem Zwecke gehalten wird, oder
zum okuvetera oder okuhuna, um herauszufinden, ob die Krankheit
oder das Mirsgeschick zauberischen, bösen geistigen Einflüssen oder
natürlichen Ursachen zuzuschreiben ist.
Dies Wort huna bedeutet auch, die Eingeweide der Thiere, über-
haupt den Abfall bei etwas Geschlachtetem oder Erlegtem nehmen.
Man könnte daraus vielleicht schliefsen, dafs die Herero in früheren
Zeiten auch aus den Eingeweiden geschlachteter Thiere (Opferthiere)
gewahrsagt haben.
So weit über den Glauben und Aberglauben dieses Volkes. Zum
Schlufs möge es erlaubt sein, noch einige Sagen und M&rchen,
welche den Volksgeist der Herero nach einer andern Seite hin cha-
rakterisiren, hier ihre Stelle finden zu lassen. Wir haben uns bemüht,
diese Sagen und Mfirchen dem Inhalte, sowie der Erzfihlungs weise,
d. h. dem Volkstone nach, in unserem Stile möglichst getreu wie-
derzugeben ').
Vor vielen, vielen Jahren, heifst es, liefsen ,«die Grofsen im Him-
mel*^ (Ejoru) wegen der zunehmenden Gottlosigkeit der Menschen den
Himmel auf die Erde niederfallen und in Folge dessen verloren fast
alle Menschen das Leben; nur einige wenige blieben übrig. Diese
') Im XIII. Bde. des ^Globus*, 1868 finden sich die im Folgenden erzählten
Sagen und Mttrchen der Herertf bereits unter dem Titel: „Sagen, Märchen und Fa-
beln der Ova-Hererd von Theophilus Hahn** abgedruckt, mit der Angabe, dafs
dieselben ^frei nach den Mittheilungen des Missionärs, Herrn Hugo Hahn", mit-
getheilt seien. Wir müssen diesen bedauerlichen Irrthum (?) dahin berichtigen, dafs
jene Sagen und Märchen nicht „frei nach den Mittheilnngen** des Herrn Hugo
Hahn mitgetheilt sein können, da sie fast ganz wörtlich unserem Mannscript
entnommen sind, dafs ferner jener Verfasser derselben von uns weder das Recht
erhalten hat, Abschrift von diesen Märchen und Sagen zu nehmen, noch weniger
Aber dieselben dem Druck zu Übergeben, noch endlich am wenigsten, dies ohne die
directe Quellenangabe zu thun. Wir verdanken allerdings diese Sagen und Mär-
chen ursprünglich den Mittheiluugen unseres Vaters, des Missionars Hugo
Hahn, in dieser Form aber hauptsächlich der mündlichen Mittheilung unserer
Amme, einer getauften Herero.
506 Josaphat Hahn:
wenige, die am Leben geblieben waren, nahmen in ihrer Notfa, da der
Himmel sehr schwer auf der Erde lastete, ein schwarses Schi^ tind
opferten dasselbe den „Grofsen im Himmel^. Da. beschlossen ,|die
Grofsen im Himmel*^, jene zvl verschonen ond zogen den Himmel wie-
der zurück, and non halten sie ihn bis aaf den heutigen Tag. Seit
jener Zeit kann aber niemand mehr in den Himmel steigen, was früher
möglich war; denn „die Grofsen im Himmel^ haben Wfichter aufge-
stellt, welche dort Wache halten müssen, wo Himmel und Erde zusam-
menstofsen. Diese Wächter sind gewaltige Riesen, welche ein&ogig,
einohrig, einbeinig ond einarmig sind und überhaupt alles in der Ein-
heit besitzen, was wir doppelt haben. Dazu fehlt es den Armen und
Beinen noch gar an Gelenken. Will jetzt ein Mensch in den EUmmel
steigen, dort am Horizont nämlich, wo Himmel und Erde zusammen-
stofsen, dann ziehen ihn die Riesen an den Beinen wieder herunter.
E^ klingen in dieser schönen Sage ganz unverkennbar die Ge-
schichte vom Sündenfall und von' der Sündfluth hindurch; jedenfalls
ist dies der Grundgedanke. Aber auch im Einzelnen finden wir manche
auffallende Anklänge an die biblische Erzählung jener Ereignisse, so-
wie an die Sagen anderer Völker über diesen Gegenstand. Die „xu*
nehmende Bosheit^ unter den Menschen, das könnte fast fSr einen der
biblischen Erzählung entlehnten Ausdruck gelten; aber auch, dafs die
Menschen nicht mehr in den Himmel gelangen können, deutet unver-
kennbar auf die Erzählung vom Sündenfall oder vielmehr auf die un-
mittelbaren Folgen desselben, auf die Verweisung des Menschen aas
dem Paradiese. Wunderbar ferner, dafs ^Wächter^ aufgestellt werden,
um den Menschen den Zugang zu dem Orte, wo Himmel und Erde
sammenstofsen, zu verwehren! Und was kann der Ort, wo Himmel
und Erde zusammenstofsen , anders sein als eine dunkle Vorstellung
von einem Paradiese? Femer ist es auffallend, dafs gerade der Him-
mel auf die Erde fallen mufs, um die Menschen umzubringen. Man
könnte fast glauben, dafs der Fall des Himmels auf die Erde ein poeti-
scher bildlicher Ausdruck für das Herunterströmen des Regens auf die
Erde sei; ein räthselhafter Ausdruck, von welchem die Herero selbst
sich keine Rechenschaft zu geben wissen, und den wir früher schon
berührt haben, ist jedenfalls der von den „Grofsen im Himmel.*'
Die an vielen Orten der Erde vorkommende Sage vom Basilisken
ist den Herero auch nicht ganz unbekannt. Nur erzählen die Herero,
dafs er wie ein Lamm blökt, während man sonst gewöhnlich sagt, er
krähe wie ein Hahn oder glucke wie eine Henne. Er soll sowohl
Menschen als Thiere anfallen^ und sein Bifs soll tödtlich sein. Der
Norden wird als seine Heimath bezeichnet.
Die Ovahererd. 507
Wir wollen jetzt noch einige artige M&rohen folgen lassen.
Eiin H&optling verliebte sich in die schone jange Frau eines an-
deren Häuptlings. Er tödtete diesen deshalb meachlings, entführte die
Schöne wider ihren Willen and brachte sie auf seine Onganda. Als
nun eines Tages der Häuptling und seine Leute auf die Jagd gegan-
gen waren, benutzte die Entfahrte diese Gelegenheit und entfloh. Zu-
fällig kehrte der Häuptling gerade an diesem Tage etwas früher als
gewöhnlich heim, entdeckte sofort ihre Flucht und verfolgte ohne Ver-
zug und in der gröfsten Wnth die Entflohene mit allen seinen Krie-
gern. Die junge Frau ist noch nicht sehr weit entkommen, als sie
schon die Stimmen ihrer Verfolger in der Ferne hinter sich vernimmt
und dieselben schon immer näher und näher kommen hört. Da ent-
deckt die Geängstete plötzlich in ihrer gröfsten Noth einen dichtbelaub-
ten, hoch- und diokstämmigen Giraffenakazienbaum. Die grofse Angst
macht es ihr möglich, ihn zu erklettern, und sie verbirgt sich im dich-
testen Laube. Eben ist sie damit fertig, da sind auch ihre Verfolger
zur Stelle; sie sind ganz verwundert und rathios darüber, dafs die Spur
der Entflohenen mit einem Male bei diesem riesigen Baume aufhört.
Daran denkt keiner, dafs sie hinaufgeklettert sein könnte; denn selbst
einem gewandten Manne würde das ein Ding der Unmöglichkeit ge-
wesen sein. — Da es über dem Suchen, Forschen und Berathen Mit-
tag geworden ist^ die Sonne empfindlich brennt und der hungrige Ma-
gen seine Rechte fordert, so setzt man sich, des vergeblichen Nach«
suchens müde, in den Schatten des Baumes, ruht sich aus und berath-
schlagt, was weiter zu thun ist. Plötzlich lenkt ein leises Geräusch
in den Blättern des Baumes, welches die junge Frau aus Unbedacht-
samkeit durch eine leichte Bewegung verursacht hat, unwillkührlich die
Blicke aller nach oben — und die Unglückliche wird entdeckt. Alle
springen auf und stofsen ein^n Schrei der Freude und des Erstaunens
aus, der die Arme erzittern macht. Man fordert sie nun auf, herab-
snkommen, bittet und macht ihr Versprechungen, — aber alles um-
sonst, sie läfst sich nicht in die Falle locken. Darauf geht man zu
Drohungen über, aber ebenfalls vergeblich; ebenso scheitern alle Ver-
suche, den Baum zu erklettern, an der Dicke des Stammes. Endlich
besinnt man sich eines andern ; es werden einige Leute nach der On-
ganda zurückgesandt, um Beile zu holen. Sobald die Boten mit den
verlangten Gegenständen zurück sind, geht man frisch an's Werk, den
Baum zu f&llen. — Viele Axtbiebe sind schon gefallen, während die
arme Entflohene dort oben die furchtbarsten Qualen vor Angst aus-
steht; schon wankt der Banmriese und man holt aus zu den letzten
Hieben, — da kommt mit einem Male ein gewaltiger Geier mit weit
508 Josaphat Hahn:
ausgebreiteten Fittigen zo der jungen Fraa anf den wankenden Baam
geflogen, bietet ihr den Racken dar nnd sie besteigt ihn ; dann breitet
der König der Lüfte seine ro&chtigen Flügel wieder aas und tragt die
ge&ngstigte, ihrem ermordeten Gatten treu gebliebene junge Frau sanft
durch die Lüfte zu ihren Eltern der Heimath zu. Die überraschten
nnd erschrockenen Verfolger haben das Nachsehen.
Eines solchen Märchens brauchten wir Deutschen uns wahrlidi
nicht zu sch&men. Welch eine reine, naive Poesie, und welche feine,
tiefe Moral enthält diese sinnige Erzählung, und wie schlicht, einfach
und spannend ist sie zugleich *). Ein anderes schönes M&rchen ist
folgendes:
Auf einer Onganda lebte ein Häuptling, welcher sieben junge
schöne Töchter hatte. Diese bauten oich eine eigene hübsche Hütte
und bewohnten sie gemeinschaftlich. Als nun nach einiger Zeit der
Stamm weiterziehn wollte, um neues Weideland far die Heerden auf*
zusuchen, weigerten sich die sieben Mädchen, aus Anhänglichkeit an
ihre hübsche Hütte, aufs hartnäckigste mit den Eltern weiter zu ziehen.
Alle Bitten und Vorstellungen von Seiten der Eltern and Verwandten
hatten keinen Erfolg, und es blieb schliefslich nichts anderes übrig,
man mufste sie zurücklassen und ohne sie abziehen, in der Erwartung,
es würde den sieben Schwestern die Verlassenheit von aller Welt recht
bald leid sein, und dafs sie deshalb bald nachfolgen würden. Darin
hatten sich jedoch die Eltern ganz verrechnet Die jungen Damen freuten
sich nun einmal so recht ihres Lebens und ihrer Freiheit und dachten
gar nicht daran, den Ihrigen far's Erste zu folgen. Das dauerte aber
nicht lange so; denn schon nach wenigen Tagen kam ganz unerwar-
tet ein Stamm der ^Hankoin^ oder Bergdamra, die erbittertsten Feinde
der Herero. Der Häuptling dieses Stammes hatte aber sieben er^
wachsene Söhne. Sobald nun die sieben jungen Mädchen entdeckt
wurden, nahm sie der Häuptling als gute Beute gefangen, in der Ab-
sicht, sie an seine Söhne zu verheirathen , und liefs sich deswegen
gleich dort mit seinem Stamme nieder. Wider alles Erwarten des
Häuptlings sträubten sich die jungen Mädchen mit aller Macht und
Standhaftigkeit gegen jedes Heirathsgesuch. Um die Widerspenstigen
mürbe und willig zu machen, sperrte man sie beständig in ihre eigene
Hütte ein und behandelte sie sehr hart. — Eines Tages nun gingen
') Die Belohnung der Unschuld and Treue, sowie das Eingreifen höherer sitt-
licher Mttchte in der Form von Naturmftchten oder Kräften (hier in der Qeetalt
eines Geiers), in das Leben der Menschen aum Schntse des Guten , da wo nach
menschlicher Berechnung keine Rettung mehr möglich ist, sind hohe sittliche Mo-
mente, die wir auch durch alle unsere deutschen Volksmärchen hindurchklingen
hören.
Die Ovahererd. 509
die Bergdamra mit ihrem Häuptling auf die Jagd, gebrauchten jedoch
die Vorsicht, einen alten Krieger zar Bewachung der hartnäckigen
Schönen zuruckzuladsen. Der alte Krieger verfiel aber nach einiger
Zeit in einen tiefen Schlaf. Da nahm die jüngste von den sieben
Schwestern, welche die klügste und muthigste von allen war, einen
grofsen Stein, der die Tbär verschlofs, mit Hülfe ihrer Schwestern und
zerschmetterte damit den Kopf des Wächters, indem sie den Stein
darauffallen liefs. Nun waren die sieben Geschwister frei wie die
Vögel, die dem Käfig entsprungen sind. Naturlich ergriffen sie sofort
die Flucht nach der Richtung hin, wohin ihr Stamm gezogen war.
Unterdessen kehrten die Bergdamra, die gute Jagd gehabt hatten, früh
zurück und merkten bald, was in ihrer Abwesenheit vorgefallen war.
Racbeschnaubend machten sie sich daher sofort hinter den Flüchtlin-
gen her, welche, wie sie meinten, noch gar nicht so weit entfernt
sein konnten. Doch das war ein Irrthum, denn die Mädchen, denen
die Angst und die Verzweiflung Flügel verliehen hatten, hatten bereits
einen weiten Vorsprung gewonnen. Durch die eilige Flucht wurden
sie aber schliefslich so erschöpft, dafs sie unterwegs ausruhen mufsten.
Als sie nun so dasafsen und mit einander beriethen, was zu thun sei,
sagte nach einiger Zeit eine von den Schwestern zu den übrigen: „Ich
kenne hier in der Nähe einen wunderbaren Felsen, wenn man vor
ihm steht und eine gewisse Zauberformel spricht, dann öffnet er sich
und man kann dann hineingehen; doch e» darf nur eine ganz reine
und fromme Jungfrau sein, welche die Formel spricht, und es darf nie-
mand ein böses Wort dabei sprechen, wenn er hineinkommen will.^
Gleich wurde beschlossen, den Versuch zu machen. Nun war aber
unter« den Sieben die Jüngste, — die Lieblingstochter des Vaters —
welche schon vorher den Rath gegeben hatte, den Wächter zu tödten,
nicht allein die klügste, sondern auch die frommste von den sieben
Geschwistern; darum sagten die anderen sogleich, sie müsse die Zau-
berformel sprechen. Und so gingen sie nun von der anderen, die den
Weg kannte, angeführt, zum Wunderfelsen hin, der schroff aus der
Erde ragte. Die Jüngste sprach die Zauberformel und mit einem ge-
waltigen Ruck that sich der Fels auf. Nachdem sich alle vom ersten
Schreck erholt hatten, ging die Jüngste zuerst hinein und die anderen
folgten nach. Beim Hineingehn aber stiefs 'die Aelteste von den
Schwestern eine unziemende Rede aus gegen die Verfolger, deren
Stimmen man schon in der Nähe hören konnte. Darauf schlofs sich
der Fels, nachdem alle drinnen waren, hinter ihnen zu.
Drinnen sah es nun wunderschön aus, und die schönen Jungfrauen
hatten ihre grofse Freude daran. Da waren herrliche grüne Wiesen
mit bunten Blumen und schöne Teiche mit krystallklarem Wasser mit
510 JosBphftt Habnt
schonen Fischen darin und marmelnde Quellen, -^ es war eine wahre
' Lust anzusehen. Auf den Wiesen weideten die schönsten Rinder- und
Schaf heerden, und liehliche Musik, welche von den Glöckchen an den
H&lsen der Thiere herrührte, tonte ihnen entgegen; dahei hüpften,
zwitscherten und sangen in den Zweigen schattiger Mimosen und
OirafiTenakazien viele hnnte Vögel um die Wette. Kurz sie waren in
ein wahres Paradies versetzt.
Unterdessen waren die Verfolger heim Felsen angekommen. Dort
hörte auf einmal jede Spur der Flüchtlinge auf, man mochte suehen,
wie man wollte. „Sollten sie durch den Fels gegangen sein?* sagt
endlich einer, verdritsfslich nher das vergebliche Suchen, und legt, ohne
zu ahnen, dafs er wohl gerathen hat, sein Ohr zum Scherz an die
Felswand und ist ganz verblufft, den lieblichen Olockenklang und das
Frohlocken der Jungfrauen zu vernehmen. Mit lautem Jabelraf theilt
er sogleich seine Entdeckung den Gefährten mit, und diese laascben
auch an der Felswand; doch können sie sich nicht darüber einigen,
was das für Laute sind, die sie zu ihrer gröfsten Verwunderung bÖren.
Einige sagen: „das ist das Zwitschern von Vögeln^ und andere sageo
wiederum: „es sind Stimmen der Jungfrauen* und andere wiedenim:
„das sind Schellen von Rinderheerden*. Obwohl alle cum Theü Recht
haben, entsteht ein Zank darüber, denn jeder will allein Recht ha-
ben, und zuletzt kommt es zur Schlfigerei, bis schliefslich alle mit blu-
tigen Köpfen die Verfolgung aufgeben müssen und heimkehren.
Die schönen Jungfrauen verleben unterdessen schöne, schöne Tage;
sie pflücken sich Blumen, winden sich Krftnze, spielen mit den kleinen
Lfimmchen u. s. w. u. s. w. Mit der Zeit aber bekommen sie Heimweh
zu ihren Eltern, die, wie sie sich recht gut denken können, in Sorgen
um ihre lieben Kinder leben. Wenn sie doch die lieben Eltern bei
sich in diesem schönen Paradiese haben könnten! Aber das geht nicht,
denn wie können sie dieselben von ihrem Aufenthalte unterrichten?
Kurz, es bleibt, da die Liebe zu den Eltern den Sieg davongetragen
hat, nichts anderes übrig, sie müssen diesen, schönen Ort verlassen
und ihre Eltern aufsuchen, damit sie sich nicht l&nger zu ftngstigen
brauchen.
Die sieben Schwestern kehren also zum Eingang des Wunderfelsens
zurück und die Jüngste spricht, wie zuvor, die betreffende Zauberfor-
mel. Der Fels öffnet sich wieder, doch diesmal nur soweit, dafs im-
mer nur eine hindurch kann und nidit zwei oder drei neben einan-
der. Da bekommt die Aelteste, diejenige, die beim Hineingehen die
unzicmende Rede gefuhrt hatte, ein böses Gewissen, nnd es wird ihr
ganz angst und bange, als es ihr trotz aller Anstrengung nicht gelin-
gen Willy sich vor den anderen hindorcfacndrängen. Sie bleibt die
Die 07aherer<$. 511
Letzte, und als die Sechste eben im Freien ist, schliefst sich der Fels
vor der Unglücklichen mit einem Donnerschlage. Da sitzt sie denn
noch bis auf den heutigen Tag und weint and weint and hat sich
schon längst die Augen aas dem Kopfe geweint.
Die sechs übrigen Schwestern aber fanden bald ihre Eltern wie-
der, die aus Freade Qber das Wiedersehen gern den Ungehorsam der
Kinder und die Angst and Sorge, die sie ihnen bereitet hatten, ver-
ziehen. Es warde auch von den Eltern ein grofses Freudenfest dem
Stamme gegeben, und alle waren lustig und guter Dinge. Die Mäd-
chen sind aber seitdem nie wieder eigensinnig und ungehorsam gegen
ihre Eltern gewesen ' ).
Solcher sinniger, anmuthiger Erzählungen haben die Herero viele.
Hier müssen wir aber bemerken, dafs an diesen, dem Kerne nach
wirklich schönen Märchen, oft viel ekelhafter heidnischer Schmutz
klebt, welcher der wirklichen Moral der Erzählungen widerspricht und
ganz gewifs erst später hinzugekommen ist.
In den Hererofabeln, deren Zahl Legion ist, und welche meist,
wenn auch nicht immer, sehr ausgedehnt werden und dadurch gewöhn-
lich ihre eigentliche Pointe verlieren, finden sich manche, oft wirkh'ch
auffallende Anklänge an unsere Thierfabeln. — Der Schakal spielt
immer die Rolle unseres Reineke- Fuchs, die Hyäne diejenige des
Wolfes, die kleine Landschildkröte vertritt die Maus, das Karakal un-
sere Katze, der afrikanische Hase den unsrigen. Natürlich fehlt der
Lowe nicht mit seinen mächtigen und listigen Vasallen, dem riesigen
Leoparden u. s. w. Der Elephant endlich vertritt den Bären in unse-
rer Thierfabel. Endlich kommen manche Thiere, wie der Straufs, das
Rhinoceros und manche Antilopenarten bei ihnen vor, die unsere Thier-
fabel nicht kennt*).
') Aufser dem, ms zu dem yorhergehenden Härchen bemerkt wurde, sind in
dieser Erzäblnng die Siebenzahl, die wir in unserem dentechen Volksmärchen wieder-
finden, sowie der Umstandf dmfs gerade die Jttngste, die Unscheinbarste, die Haupt-
rolle spielt» femer der Wunder felseni der sich auf einen gewissen Zauberspruch
hin 5ffiiet und eine besondere EigenthflmlichlLeit der orientalischen, z. B. der ara-
bisehen, Märchen zu sein scheint, und die schliefsliche Moral des Ganzen, höchst
beachtenswerthe Momente.
*) El ist nicht unwahrscheinlich, dafs viele unserer Thierfabeln durch die Mis-
lionare sich unter den Eingeborenen SUdafrika's eingebürgert haben, sei es nun,
dafs die Missionare an die Stelle der in unneren nordischen Erzählungen auftreten-
den und dem Afrikaner unbekannten Thiere solche setzten, welche derselbe aus
tiglicher Anschauung kennt, sei es, dafs die Eingeborenen selbst die Erzählungen
der Missionare nach ihren Begriffen sich zurecht legten. Red.
512
\ XX.
Beiträge zur Geographie von Hoch-Armenien ')
Von Herrn Wilh. Strecker,
Obertt in tflrk. Oieniteo.
(Hierzu eine Karte, Taf. Vin.)
3. Von Enenun aof den Bingöl-Dagh.
Auf das ßingöl- (Taasend-Seen) Gebirge verlegt die armenische
Volkssage die St&tte des Paradieses und führt dafür als Zeagnills ur-
alte Ruinen von Städten and Bargen, eine üppige Vegetation, das Vor-
kommen von wilden Weinstöcken, sowie die Existenz der vier in der
Paradiesessage erwähnten Ströme an. Um mich zu vergewissern, was
hiervon wirklich auf dem wenig bekannten Gebirge vorhanden, be-
schlois ich, mit dem englischen Konsul in Erzeram, Sir Robert
Dalyell, einen Ausflug dahin zu machen ').
Begleitet von einigen Dienern und Kawassen und mit den nöthi-
gen Lebensmitteln versehen, — da wir nicht erwarten durften, unter-
wegs etwas anderes als Milch und Eier, schlechtes Brod und Ldunm-
fleisch vorzufinden — verliefen wir Erzeram an einem schönen JuU-
morgen mit Sonnenaufgang. Wir ritten eine kleine Stunde südlich
in der sanft zum Fufse des Palandöken - Dagh ansteigenden Ebene,
dann bergan in dem engen, steilen Thale, welches diesen Berg yon
dem westlich gelegenen Ejerlü-Dagh scheidet und von einem kleinen
Zuflüsse des Euphrat bewässert wird. An einer südwestlich am FoTse
der Kuppe des ersteren Berges gelegenen Einsattelung, welche die
Wasserscheide zwischen dem Euphrat und dem Araxes bildet, dem
von hier das Näbi - tschai, weiter unten Hassankaie - Su genannt, zu-
strömt, liefsen wir unsere Karawane Halt machen, um die Kuppe
selbst zu ersteigen. Der südliche Hang derselben hat nahe an 60*
Neigung und ist einige Fufs hoch mit losem, scharfem Steingeröll be-
deckt, welches das Emporklimmen sehr erschwerte. Einzelne Qras-
büschel und selbst zarte Alpenblumen sprossen hie und da aus dem
Gestein hervor und boten uns einen, wenn auch mehr moralischeo.
^} Yergl. oben S. 145.
') Vergl. denselben Weg beschrieben von P. y. Tchihatscheff im Jahte 1868,
Zeitschr. f. allgem. Erdk., Bd. VI., S. 802—806.
Beiträge zur Geographie von Hoch- Armenien. ^13
Jinhalt für die Hände. Oben sahen wir nach Norden zvl un/saren
Füfsen in wilde zerrissene Trachjtformationen; wir befanden i^nsiub^r
einem alten nach jener Richtung hin durchbrochenen Krater. In .w-
serer Nähe and weithin waren alle gegen die Sonne und wiormiin
Winde geschützten Stellen mit Schnee bedeckt Wir hatten ei^en
weiten Ueberblick, nördlich über die Ebene von Elrzeram hinaus Auf
das pontische Eüstengebirge , westlich auf die den Euphrat begleiteju-
den und auf die nördlich der Ebene von Erzingjan sich hinziehenden
Gebirge, südlich auf das Bingölgebirge , welches jenseits niedidgerer
Berge mauerähnlich unseren Horizont begrenzte, westlich über die von
WSW. nach ONO. zu unseren Füfsen sich hinziehende Eb^ne von
Passin auf den Soghanly-Dagh. Wir nahmen vermittelst einer voraüg-
liehen Bussole die Richtungen nach allen hervorragenden Punkten, be-
sonders in der Ebene von Erzerum, auf, wodurch es uns für spätere
Zwecke ermöglicht wurde, die Lage von vielen derselben, welche wir
schon kannten und von anderen Seiten recognoscirt hatten , sahr ge-
nau zu bestimmen '). Wir fanden die Höhe der Kuppe vermittel/it des
Siedepunktes des Wassers, als Mittel von zwei jetzt gemachten und
«wei späteren Messungen, 10,485 englische Fufs über dem Meere.
In fast südlicher Richtung ritten wir nun 2^ Stunde im ganzen
bergab, auf einem hie und da Schneefelder aber auch reicheii Qras-
ond Pflanzenwuchs tragenden wellenförmigen und von mehreren Buchen
durchschnittenen Hochlande weiter, welches sich vom Fufse der west-
lichen Gebirge nach der entgegengesetzten Richtung fortzieht, wohin
wir wegen nahe vorliegender Höhen keine Aussicht hatten. D^auf
wendeten wir uns links, d. h. nahezu südöstlich und gelangten nach
eioem zuletzt ziemlich steilen Niederstiege zu dem 15 — 20 Fufs brei-
ten nach Osten zum Araxes fliefsenden Kyzyl-Getschid-Tschai (Roth-
fnrthfiufs), so genannt von dem hier seine Ufer bildenden rothßp 6e-
.«tein — wir hatten aufser vulkanischen Gebilden an diesem T^jige ß^i^h
') Gitadelle von Erzerum, N. 8® W., ungefUhr 2 Stunden.
^^dclidjik-Dagh, ein kleiner erloschener Vulkan, jenseits der Ebene von Erzeram,
N. 85 W.
Ak baba, ein zerklüfteter, gewaltiger Felsen, W. von Sertscheme-Dere, N. 50 yV.
Bjedjen- oder Choschabpungar-Dagh, hohe Pyramide, N. 60 W.
Bahteli- (Kop-) Dagh, Plateau- Berg, N. 64 W.
Ifariam-Dagh, am Südufer des Euphrat unterhalb Aschkaie, N. 79 W.
Keschisch-Dagh, nördlich der Ebene von Erzingjan, N. 87 W.
Toprakkale, Qipfel des BingSl-Dagh, S. 6 O..
Bin kolossaler Schneeberg (Subhan- oder Sipan-Dagh?), S. 50 O.
Ein nicht bis zur wolkenbedeckten Spitze sichtbares Schnee -Gebirge (Ararat?), O.
Hassankaie in der Ebene Passin, N. 68 O.
Bichtong unseres Weges von hier weiter S. 18 W.
Dia sich ostlich nach Chinis abzweigende StraTse, S. 87 O.
Sfitsehr. d. Qesellscb. f. Brdk. Bd. lY. 33
514 Wilh. Strecker:
Porphyr und Sandstein angetroffen. An ihm liegt 1| St. abwärts das
Dorf Taschkessan und weiter Katranly. Nach einer weiteren Stande
erreichten wir in einem 5stlichen Bogen das kleine, elende Eardendoif
Madrag ^) in einem sanften, stellenweise versumpften Thale. Wir
schlagen unsere Zelte fiber dem Bache auf und schliefen bald unter
den Tönen von aus dem Dorfe zu uns heruberklingenden einformigea
aber melodischen schwermüthigen Oesfingen einiger jungen Kurden ein.
Am n&chsten Tage ging es in nahezu südlicher Richtung über an-
bedeutende Höhen nach zwei Stunden zu dem Dorfe Düsjurudi (d. h.
^er ist gerade gegangen^}, am linken Ufer des 20 Fufs breiten aber
flachen gleichnamigen forellenreichen Baches, welcher 3 Stunden ab-
wfirts sich mit dem Ejzjl-Oetschid- Tschai vereinigt Zwei Stunden
weiter über plateauartige theilweise von vulkanischen Blöcken star-
rende aber auch reiche Weiden und Blumenteppiche enthaltende Höben,
zuletzt über ein sanft abfallendes, wellenförmiges Terrain gelangten
wir in das ziemlich breite und theilweise sumpfige, weiter oben and
unten aber sich z¥rischen steilen Hängen verengende Thal des Araxe8.
Derselbe fliefst hier mit vielfachen Windungen, im allgemeinen von
SW. nach NO. und ist an der Fürth ungefähr 20 Fufs breit und
2| Fufs tief, an andern Stellen tiefer. Auf einer niedrigen Terrasse
oberhalb derselben lagerten wir an einem Mühlbach, in einer Entfe^
nung von ca. 1-^ St von dem aufwärts am linken Ufer des Flosse»
gelegenen Dorfe Altyny. Durch den Reitknecht des Herrn Dalyell,
einen Kurden, angezogen, versammelten sich bald aus der Nachbar-
schaft viele seiner Landsleute bei unserm Lager; er organisirte als
Heigenführer Nation altfinze , welche von einem feurigen rhythmischen
Gesänge begleitet, durch die Lebhaftigkeit und eine gewisse Grazie in
den Bewegungen der Tanzenden sich vortheilhaft; vor allem auszeidi-
neten, was wir in jenen Gegenden, besonders unter den schwerfSlIigen
Armeniern, bisher von der ^Poesie der Beine* zu Gesicht bekommen
hatten.
Der folgende Tagemarsch brachte uns auf das eigentliche Gebirge.
Die Richtung des Weges um Höhen herum, über kleine Plateaus und
verschiedene Bfiche und häufig sehr steil bergauf, war im ganzen sad-
lieh. Einer unserer landeskundigen Kawassen machte uns auf ein
Plateau aufmerksam, auf welchem ein weites Terrain durch eine, ans
aufeinandergelegten Steinen und Felsstücken gebildete Mauer einge-
schlossen war; er meinte, das sei eine ^Eale*, d. h. Festung. 'Sae^
einem fünfstündigen Ritte — uneingerechnet vielfachen Aufenthalt
*) Madrag soll 6 Stunden von dem Dorfe Taschaghyl, an der Eraerum-Paltier
Strarse, entfernt sein.
r-
Beiträge zur Geographie von Hoch -Armenien. 515
(behufs Befriedigung der Gelüste unserer durch die herrliche Luft
and das köstliche Wasser zu aufserordentlicher Thatigkeit angeregten
Magen) — stiegen wir steil im Zickzack zu dem Bette des von fast
senkrechten Felsen eingeschlossenen BiogÖl-Tscbai hinab. So werden
mehrere auf dem Gebirge entspringende Flüsse in ihrem oberen Laufe
genannt; derjenige an welchem wir lagerten ist dort ca. 12 FuTs
breit und fliefst mit grofser Geschwindigkeit auf schrägem h&ufig glat-
tem Felsgrunde. Er wird, weil von den Spitzen des Gebirges selbst
kommend, für die Hauptquelle des Aras — wie uns der Flufs schon
beim letzten Nachtlager genannt worden war — gehalten.
Vom Bette des Bingol-Tschai erklommen wir am nfichsten Morgen
sein westliches Ufer und hatten damit ein Plateau erreicht, welches
sich mit sanfter Steigung bis zu den eigentlichen Bergspitzen hinzieht
Die wunderbare Pracht der dasselbe bedeckenden Alpenblumen, von
deren Duft die reine Luft geschwängert war, bewog uns dasselbe zu
FoTse zu durchstreifen, um dann weiter wieder zu Pferde steil bergauf
and über Schneefelder, in welche die Thiere mit uns zu versinken
drohten, die Spitze Toprakkale (d. h. Erd-Feste) und so den aus Ueber-
resten eines einstigen mächtigen Kraters bestehenden höchsten Gipfel
des Bingöl-Dagh zu erreichen. Derselbe bildet einen fast kreisförmigen
gewaltigen Wall, mit weiter Oefifnung gegen Süden. Hörnerartig sind
ihm nach Norden zwei Spitzen, die Toprakkale und östlicher die De-
mirkale (Eisen-Feste) angesetzt. Eine dritte Erhebung, die Elarkale
(Schnee-Feste) liegt südöstlich von der ersteren auf dem Wall. Der
innerhalb des Walles nach Süden offene und sich senkende Kessel ist,
gegen rauhe Winde geschützt, mit einer reichen Vegetation bedeckt.
In ihm entspringt der Tscharbubr ein bedeutender Nebenflufs des
Mar ad (des östlichen Euphratarmes) welcher an einem zuckerhutför-
migen Berge am Südrande des Kessels westlich vorüber denselben
verläfst um bald in ein tiefes Thal einzutreten. In dem Kessel soll-
ten sich die Ruinen von uralten Wohnungen sowie Weingärten vor-
finden. Wir entdeckten nun zwar einige Mauerüberreste, die aber nur
von einem Sommeraufenthalte von Kurden herzurühren schienen, dazu,
was immer bemerkenswerth, ist wirklich einen einzigen wilden Wein-
Btock. In einer Einsenknng, die westlich über den Wall zur Toprak-
kale führt, befindet sich ein Friedhof und auf ihm unter vielen Grab-
steinen eine etwa 3 Fufs lange und 2 Fufs breite horizontal liegende
Steinplatte, mit einer langen Keilinschrift, in dichtgedrängten Zei-
len, mit kleinen Buchstaben. Wir nahmen vermittelst aufgedrückten
feuchten Papiers mehrere Gopien von demselben, die leider mifslangen,
da die Eindrücke auf dem Papier nach unserer Ankunft in Erzerum
fast vollständig verschwunden waren.
33*
1
516 Wilh. Strecker:
Die Toprakkale ist — ebenso wie die Earkale — eine naturtidie
Erhöhung, die ihre Entstehung vulkanischer Thätigkeit sn verdanken
hat and auf welcher sich keine irgendwie bemerkenswerthen Sporen
eines Werkes der Menschenhand vorfinden. Zwischen ihr und der
Demirkale abwftrts sammelt der nach Norden fliefsende Bingol-Tschai,
den wir schon als Haoptquellflufs des Araxes erw&hnten, sein Qaell-
wasser aus zahlreichen kleineren und grofseren Lachen — welche meist
nicht durch eigentliche Quellen gebildet, sondern von dem schmelzen-
den Schnee der Hohen gespeist werden, und deren unzählige Menge
dem Gebirge die Benennung „Tansend-Seen-Berg^ verschaffte.
Die Demirkale, deren Existenz für die Eingeborenen ein Haapt-
argument der Bedeutung des Gebirges in den ältesten Zeiten bildet,
besteht ans einigen Stockwerken von Mauern, welche aus langen
schmalen und nicht dicken, durch Menschenhände ziemlich regelmäfsig
aufeinandergelegten Bruchsteinen hergestellt sind. Ein starkes eiser-
nes Thor soll den Haupteingang verschlossen haben, bis es vor un-
gefähr 40 Jahren von den Einwohnern des nahen Städtchens Chinis
dorthin transportirt wurde. Ich möchte vermuthen, dafs dieser Bm
durch den grofsen Eroberer Timur, dem wahrscheinlich noch andere
derartige Deberbleibsel in der Umgegend ihren Ursprung verdanken,
aufgeführt worden sei; es ist ein historisches Factum, dafs derselbe
glänzende Hochzeitsfeierlichkeiten auf dem Gebirge veranstaltete und
während der mehrtägigen Feste von seinen Truppeu grofsartige Krie^s^
spiele, Erstürmung von Festungen u. dergl. auffuhren liefs. Zu die-
sem Zwecke hatte er gewifs, was für ihn keine Schwierigkeiten bot,
durch seine zahllos«" n Heerschaaren wichtige Punkte noch besonders
künstlich zu siebtbaren Festen umgestalten lassen, und bierza eignete
sich keiner besser als dieser Vorsprung der das ganze Gebirge krö-
nenden Erhöhung, welcher nun seitdem zur Erinnerung an den mäch-
tigen Eroberer dessen Namen (Timur, ältere Aussprache statt des hen-
tigen Demir) trägt
Nach Osten zu f&llt der Wall der Bingöl- Bergspitzen als zerris-
sene Tracb3rtwand ganz besonders steil zu einer Ebene ab, in welcher
das östlich fliefsende Ghinis- oder £[ale-Su (und mehr nordöstlich das
Pajek-Su, das sich unterhalb Ghinis mit jenem vereinigt), wie der
Bingöl-Tschai aus den Abflüssen zahlreicher kleiner Seen entsteht.
Der vierte Flufs, welcher auf dem Bingöl*Gebirge seinen Ursprung
hat, das nach Westen strömende Litschig-Su, entspringt einige Stunden
WNW. von den höchsten Spitzen.
Die Höhe der Toprakkale über dem Meere beträgt als Mittel ans
unseren Beobachtungen -^ welche viermal bei der diesmaligen Bestei-
r
Beiträge znr Geographie van Hoch-Armeiiien. 517
gang QDd zweimal bei einer früheren von Herrn Dalyell angestellt
worden waren — 10,233 englische FoTs').
Wir erblickten von den Spitzen aas im Norden als entfernteste
Gebirgskette die pontiscbe Kette nahe der Trapeznnt-Erzeramer Han-
i delsstrafse mit dem Djedjen-Dagh und vor ihr das Palandöken-Oebirge,
welches sieb sndsüdöstlicb znm Litscbig-Su hinzieht und dasselbe dann
; m seinem Laufe nach Westen begleitet. Das Gebiet zwischen dem
\ Palandoken- und dem Bingöl - Gebirge glich einer Senkung. Nörd-
lich von den Spitzen selbst fKllt das Plateau, anfangs sanft, dann
; steiler und von verschiedenen Thälern durchschnitten, zum Araxes
ab. Nach Westen zieht sich der Kamm des Gebirges mit etwas süd-
licher Abweichung hin und hat gleichfalls mehrere Standen weit gegen
Norden eine sanfte, plateauartige, doch durch Thfiler und Höhen un-
terbrochene Abdachung, welche durch die Wasserscheide zwischen dem
Utschig-Sn und dem Araxes mit der Falandöken-Kette in Verbindung
steht und von welcher sich nach Westen der das Litscbig-Su im Sfiden
begleitende Gebirgszug abzweigt In weiter Ferne erblickten wir west-
lich den Dudjik - Baba , eine der höchsten Bergspitzen der Dersim-
Gebirge. •
') Die ZuverläBsigkeit dieser nur mit einem so unvollkommenen Instrument»
wie der thermometriache Kochapparat (das sogenannte Hypsometer) ist, ausgeführten
Bestimmungen unterliegt um so stftrkeren Bedenken, da sie für die dominirende
Spitze des ganzen Gehirgsstockes geringer auaftillen als die oben angegebene Höhe
des Palandoken, welchen doch selbst obige Schilderung des Verfassers, wie nicht
veniger alle anderen Berichte nur als einen Yorberg des eigentlichen Bingol-Dagh,
der dessen Hasse von Erzerum her nur theilweise verdeckt, darstellen. Tschihat-
achefTs Barometermessong am 1. August 1868 ergab für den „Kaledagh' (Toprak-
kile), der Gipfel des Bingol, über 2000 Fufs mehr (8750 Meter s 12,800 FuTs
engl.). Diesen Bedenken gegenüber schreibt mir der Herr Verfasser nachtr&glich:
sBen therm ometrischen Kochapparat, dessen Kesul täte ja nicht ganz genau sein kdn-
Den, habe ich mit grofstmSglicher Vorsicht Nre braucht Die Höhe, welche er fUr
den Palandoken angiebt, halte ich aber für nuL^zu richtig, sie steht auch in rich-
tigem Verhältnifs zu der von mir gemessenen Hohe des Merzim- und Dumly-Dagb,
£e er überragt. Der Berg erscheint, von Erzerum gesehen, weniger hoch, weil die
Stadt unmittelbar an seinem Fui^ liegt. Wenn Herr v. Tschihatscheff den Ab-
hang dieses Berges (ohne seinen Namen zu nennen, Zeitschr. f. allgem. Erdk. 1869.
Bd. VI. S. 302} sanft will hinaafgeritten sein, so wird ihm diefs wohl niemand
nachmachen. Jedenfalls aber versperrt die Kuppe des Palandoken, auch vom BingSl
aus gesehen, jede fernere Aussicht in dieser Richtung; ob sie von letzterem wirklidi
erheblich überragt wird, wie es dem Augenmafse im allgemeinen erscheint, ist
um so schwerer zu bestimmen, da sie fast isolirt ansteigt, während sich der Bingöl-
Dagh, durch eine tiefe Einsenkung von ihr geschieden, als hoher breiter Kamm mit
relativ wenig darüber ansteigenden Kuppen hinzieht. Meine Messung auf dem Bin>
gol ergab übrigens bis auf wenige Fufs dasselbe Resultat, wie die von Herrn Da-
Ijell allein ein Jahr früher angestellte, so dafs ich sie für zuverlilssiger hielt, als
sie sich später herausstellen mag". Kiepert.
■-.T-Wl»
518 Wilh. Strecker:
Das Thal von Warto, vom Tscharbuhr darchfiossen, zieht sich in
sfidosüicher Richtang zu unseren Fuisen bis zur Ebene von Mosch hin.
Fast genau südlich mit ganz geringer westlicher Abweichung eriiebt
sich jenseits der Ebene von Mnsch ein zur H&lf'te mit Schnee bedeck-
ter, hoher Berg mit einer sattelförmigen Einsenk«ng, und dahinter^
direkt sudlich von uns, noch ein anderer (Gharzan-Dagh?).
In der Richtung nach Sudosten war der Himmel in der Feme mit
Wolken bedeckt, so dafs wir keine Aussicht auf den sonst sichtbareD
Ararat, sowie auf den Subhän- und Nimrud-Dagh hatten.
In Östlicher Richtung (bei 10^ Süd) dehnt sich, hier im Süden yon
dem Warto-Gebirge *) — einer östlichen Fortsetzung des BingÖl- Ge-
birges — begrenzt, die oben schon erwfihnte tiefe und breite, ebene
Einsenkung nach Chiois zu aus; dießelbe begleitet von hier ans im
Norden der Tschakmak - Dagh, dessen Fortsetzungen bis in die Nike
des Ararat hin die Wasserscheide zwischen dem Murad und dem
Araxes bilden, und von dem der Top- Dagh (seine Spitze N. 18* 0.
von uns) sich nach Nordwesten in die Gegend von KüUü hinzieht
Auf dem Gebirge selbst befinden sich nur wenige elende kurdische
Dörfer; doch ist es den Sommer hindurch aufserordentlich belebt Bei
Beginn desselben ziehen alle Kurden aus der Umgegend mit Weib und
Kind und zahlreichen Heerden hinauf, um da unter schwarzbraunen
2ielten — nfichst Stoffen zur Bekleidung und recht hübschen dauere
haften Teppichen, die Hauptproducte der von den Frauen betriebe-
nen Wollenindustrie — in clanweise gesonderten Liagern zu campiren.
Auch aus grofeer Feme werden zahllose Heerden alle Jahre aof seine
weithin berühmten Weiden getrieben, um dann bis nach Aleppo nnd
Damascus oder auch nach Constantinopel geführt zu werden, wo sie
in dem elendesten Zustande ankommen würden, wenn die kräftigenden
Weiden des Tausend-Seen-Bei^es nicht eine lange nachhaltige Wirkung
erzengten.
Die herrliche reine Luft, die reiche, duftende Alpenflora, die üp-
pigen Triften und die davon scharf abstechenden nackten, grofsartigen
Felsformationen, die kühlen, murmelnden Bfiche und die tausend Seen
ond Quellen lassen das Gebirge noch heute den Naturmenschen, welche
es bewohnen, als ein Eden erscheinen. Dals einer der Seen das „Was-
ser des ewigen Lebens^ enthült, ist fester Glaube der Umwohnenden,
obschon noch niemand gerade ihn hat auffinden können, oder, wie die
Sterblichkeit Aller beweist, zuföllig aus ihm getranken hat Aber we-
>) In 8. 60 O. erblickten wir auf dieaem Gebirge den Djilly-G51, einen der
Sage nach grundlosen Schilfeee.
Beiträge zur Geographie von Hoch -Armenien. 519
nigstens Gesundheit Kraft und Frische des Geistes gew&hrt der Auf-
enthalt auf dem Gebirge allen.
Es übte auch auf uns einen aufserordentlichen Reis ans, wir ver-
liefsen es nur ungern und ich habe, hier an den Ufern des Bosporus
-selbst, manch mal eine Art Heimweh nach dem armenischen Hochlande,
trota der Unannehmlichkeiten jeglicher Art, welchen ich dort während
«eines langjährigen Aufenthaltes, häufig als einziger Fremdling unter
den Eingebornen lebend, ausgesetzt war.
Auf der Ruckkehr nahm ich, um den Oberlauf des Litschik und
Tuzla-su zu erforschen, einen Umweg, der mich schliefslich bis nach
Pekkeridj im Kreise Terdjan führte, weil sich daselbst nach öfter
gehörten Erzählungen der Leute eine uralte Festung mit wunderbaren
Sehriftzeichen — nach dem Volksglauben, der auch schon manchem
türkischen Beamten der Gegend schlaflose Nächte verursacht haben
soll, unzweideutige Anzeige eines verborgenen Schatzes für den glück-
lichen Entzifferer — vorfinden sollten. Ich kam bald nach Mittag dort
An, so dafs mir an dem langen Julitage hinreichende Zeit für meine
Untersuchungen blieb.
Seine 300 Häuser Uegen eine gute Stunde vom Euphrat inmitten
fruchtbarer Ebene ringförmig um den Fulis eines isolirten Quarzkegels
von über 100 Fufs Höhe und mehreren hundert Schritt Umfang. Ich
«ih mich lange vergebens nach der gesuchten alten Feste um, bis mir
endlich der erwähnte Felskegel, ungeachtet seiner ungeeigneten Form,
ids dieselbe bezeichnet wurde. Meine schon oft gemachte Erfahrung,
dafs die Einwohner dieser Gegenden häufig Felsen, Hügel oder son-
stige ihre Umgebung dominirende Funkte, nicht nur wenn sich einige
Mauerspuren finden, sondern oft auch ohne dieselben, Kaie (Festung)
nennen, war so wieder um ein Beispiel vermehrt worden. Anstatt der
Feste, welche mir entgangen, war ich jedoch so glücklich, eine anctere
in ihrer Art vielleicht einzige Entdeckung zu machen. Moses von
Chorni (Armen. Gesch. H. 1 3) erzählt nämlich, dafs König Tigranes H.
(der bekannte Gegner des Lucullus und Pompejus) in dem Orte Ba-
garrindj eine durch König Artasches I. aus Hellas als Beute ent-
führte Statue des Gottes Hephaestos * ) errichtete. Dafs das auf diesem
') Agathangelos in Beiner Geschichte der Bekehrung Armeniens durch S. Grigor
(8. 154 der Mechitaristen- Ausgabe) schreibt den Namen Bagajarrindj und erklärt
ihn fElr parthisch, d.h. nach damaligem Sprachgebrauch persisch, — wie er
denn auch in der That keine befHedigende Erklärung ans dem Armenischen suläfst,
wogegen bekanntlich das Wort bagha (auch in anderen armenischen Ortsnamen der
Aiaakiden-Zeit, z. B. Bagavan, Bagaran) ipi altpersischen Gott bedeutet, — und
bezeichnet damit Übereinstimmend als Gegenstand des dortigen Cultus statt des grie-
chischen Gottesnamens den persischen Hihr, d. 1. Mithra, den Sonnengott Kp.
^'■l
Sfäfr Wilh. Strecker:
Pi^Mn geschah und dafis derselbe zum Tempel hergerichtet warde^
darüber blieb mir nach UatersuchuDg desselben kein Zweifel mehr.
Der Aufstieg ist, der grofsen Glätte des Gesteines wegen, an eini-
gen Stellen, wo die DorQugend Ratschbahnen angelegt hat, sehr be-
schwerlich. Ich fand nngeflbr in der halben Höhe der Sodaeite de»
Felsens den Eingang zu einem ansgehauenen gewölbten unterirdischen
Gange von ungefähr 6 Fu£b Breite und 5 Fufs Höhe, mit einer Neigung
von ca. 45*, in welchem eine Treppe, wahrscheinlich zu einem Bran-
nten, hinunterfuhrte. Noch sind 1 20 tbeiiweise verfallene Treppenstufen
vorhanden, Geröll füllt den untern Theil des Ganges aus. Aufaerhalb
geht jetzt am Fufse des Felsens in der Richtung des Ganges eine
reiche Quelle frischen Trinkwassers zu Tage. Seitwärts und etwas-
oberhalb des Einganges zu diesem Treppenbau ist in dem Felsen eine
ungefähr 3 Fufs tiefe Aushöhlung von der Form eines abgeschnittenen
Kegels, mit ca. 2 Fufs oberem und 3 Fufs Durchmesser an der BasiSr
vorhanden, die zum Aufbewahren des aus dem Brunnen gehoben
Wassers gedient haben kann. Auf der Ostseite des Felsens befinden
sich drei zimmerartige Höhlangen, deren Form und Maafse aus dem
der Karte beigefügten Grundrisse ersichtlich sind, in geringer Entfei^
nung von einander. Die Yorhöfe sind bei allen dreien oben offen und
bilden kastenartige Vertiefungen in dem Felsen. Aus ihnen fuhren
schmale Thüren in die eigentlichen, roh in das Gestein gearbeiteten
7 Fufs hohen Grotten, welche jetzt Füchsen als Asjl zu dienen schei-
nen und mit deren Unrath angefüllt sind. Die mittlere, welche noch
eine Art Alkoven enthält, hatte kürzlich einer kurdischen Familie meh-
rere Winter hindurch zum Zufluchtsort gedient.
Auf der Spitze des Felsens, die nur sehr wenig ebenen Raum
bietet, sind noch einige Spuren von Mauerwerk sichtbar, wohl die
Ueberbleibsel des Fundamentes vom eigentlichen Sanctuarium, das mit
der Statue des Gottes einst das Ganze krönen mufste.
Unterhalb der Höhlenzimmer, also wie sie gegen Sonnenaufgang '),
finden sich in dem hier gegen 45 ** abfallenden Felsen, nicht sehr hoch
über dessen Fufse, mehrere, ungefähr 1^ Fufs lange Vertiefungen von
der neben den Grundrissen verzeichneten Form und Lage zu einander;
von den Einwohnern für die uralte Inschrift ausgegeben, dienten sie
wohl als Rinnen zur Ableitung des Blutes der Opfertbiere; sie sind
ooen bei einer Breite von 3 — 4 Zoll einige Zoll tief und verflachen
sich alimählig nach unten in die natürliche schräge Felswand.
Einige Bedeutung haben diese Reste eines altarmenischen Tem-
M Diese Lage scheint die oben erwähnte Angabe des armenischen Autors Aber
die fti»ige Verehrnng des Sonnengottes zn bestätigen.
I
Beiträge zur Qeographie von Hoch -Armenien. 521
pels (wenn man überhaupt diese rohe, kunstlose Arbeit barbarischer
Hinde im kolossalen Gebilde der Natur so nennen darf) als die ver-
mathlich einsrigen im Lande erhaltenen, wofern nicht etwa an einer
bis jetzt noch nicht näher untersuchten Stelle, zu Eemach am Euphrat,
dem alten Ani, noch Spuren des dortigen Aramazd- (Zeus-) Tempels
zum Vorschein kommen sollten, während wenigstens der der Anahit
g^eiligte bei ErSz (Erzingjan) spurlos verschwunden ist. Selbst für
den Feuereifer des armenischen Apostels S. Grigor, welcher, um keine
sichtbare Erinnerung an die frühere heidnische Zeit fortbestehen zu
lassen, alle heidnischen Tempel von Grund aus zerstört und an deren
Stelle christliche Kirchen erbaut haben soll, wäre es eine zu harte Ar-
beit gewesen, jede Spur von dem ehemaligen Cultus des Hephaestos
zu vernichten. Er mu&te sich damit begnügen, die gewifs geringfügi-
gen, auf dem Felsen aufgeführten Bauwerke mit der Statue des Gottes
zu zertrümmern.
Die nach der Zerstörung des Tempels dem h. Grigor selbst von
dem durch ihn bekehrten König Terdat geweihte Kapelle soll der Sage
nach die noch heute bestehende einfache Grabkapelle auf dem Fried-
hofe neben dem Dorfe sein; dieselbe ist augenscheinlich sehr alt und
könnte wirklich aus jener entfernten Periode stammen. In ihrem In-
nern, links vom Eingange, fand ich eine alte Inschrift, deren Kopie,
wie ich voraussah, die Schriftgelehrten in Erzerum, welchen ich sie
später vorzeigte, nicht entziffern konnten; ich halte dieselben für sy-
risch. Auf dem Friedhofe befinden sich viele alte, jedoch nicht über
das 13. Jahrhundert hinausreichende Grabsteine.
Hiermit endigen leider die von unserem geehrten Correspondenten schon
▼or längerer Zeit eingesendeten Brnchstücke von Aufzeichnungen über die wäh-
rend seines fast siebenjährigen Aufenthaltes in Hoch - Armenien geraachten Beob-
achtungen; zwar besitzt er deren noch eine Fülle über die anderen Theile des
Ton ihm in weiter Ausdehnung und wiederholt theils selbst durchwanderten, theils
sorgfältig erkundeten Landes, aber diese bis jetzt ungeordnete Masse in eine für
die Veröffentlichung geeignete Form zu bringen, wie es für das vollere Ver-
ständnifs der von ihm ausgearbeiteten Karte so wünschenswerth gewesen wäre,
haben ihn (wie er uns auf unsere wiederholten desfallsigen Bitten versichert hat)
bis jetzt überhäufte Dienstgeschäfte in der osmanischen Hauptstadt und zeitweise
in der Festung Schumna, leider aber auch längere Krankheit und sogar ein ganz
ungerechtfertigtes Mifstrauen in den Werth seiner Beobachtungen verhindert.
Bei weitem das bedeutendste und den bisherigen Stand unserer geographi-
schen Kenntnis des westlichen Hoch -Armeniens am wesentlichsten fördernde
Ergebnis seiner Arbeiten bildet also die Karte selbst mit ihren überaus zahl-
reichen, theils durchaus neuen, theils gegen die früheren fragmentarischen Dar-
522 Wilh. Strecker:
etellaDgen berichtigten Daten anf dem weitem Gebiete zwischen Ttapezont, Er-
zeram nnd der Vereinigang der beiden Eaphrat-Arme. Allerdings ist nicht diesea
ganze Gebiet vom Herrn Verfasser durch eigenen Augenschein recognosdrt wor-
den, wie schon die Verfolgung seiner mit besonderer Signatar eingetragenen
Bontiers zeigt} aber auch die von demselben entfernt liegenden Partien bemhen
nicht blofs auf gewöhnlichen Erkundigungen, sondern auf der Combination dt»
mannigfachsten theilweise Torsüglichen Materials. Die gefWige Beantwortung
meiner betreffenden Anfrage darch Herrn Strecker (d. d. Pera 1. Oct 1869) sagt
darüber: .einmal Terwendete ich auf meinen vielfachen Dienstreisen, die aller-
dings hänfig auf ein nnd derselben Stralse unternommen werden moTsten, grolae
Aufmerksamkeit anf Visirung Ton sehr verschiedenen Standpunkten aus» um Lage
und Richtung von Höhenzügen, Thälern u. s. w. festzulegen; günstige Standpunkte»
von denen aus ich eine gewisse Uebersicht auf das Gebirgsland südlich nnd süd-
östlich von Erzingjan gewann, boten sich mir viele. Anfserdem hatte ich su
meiner Disposition mehrere von türkischen GeneralstabsofBcieren angefertigte
Skizzen einzelner Bouten durch jene Gegenden, sowie die Rontiers meines F^nn-
des Sir B. A. O. Dalyell von Erzingjan nm den Dn^jik-Dagh zum armeni-
schen Kloster in Dersim, sowie von Kighi nach Aganyn-Schenlik, PölmÜr, Dje-
wizlik u. s. w. Meine sonst eingezogenen Erkundigongen beschr&nkten sich niclii
anf einseitige Angaben weniger Leute, sondern begriffen bei hunderten von Biii.
wohnem der betreffenden Gegenden zu gegenseitiger ControUe Jahre hindurch
mit gröfster Gewissenhaftigkeit angestellte Nachforschungen; dabei muTste ich.
natürlich viel Zeit und Mühe aufwenden, ehe es mir znnUchst gelang, in jedem
einzelnen FaUe ein klares Bild zu bekommen, wurde aber in der Folge bei der
Verarbeitung und Zusammenstellung durch eine unerwartet gute Harmonie and
durch zahlreiche Bestätigungen bei späteren controUirenden Fragen belohnt Im-
merhin kann ich der Darstellung der Gegend zwischen Erzingjan nnd dem Mnrady
welche aber auch bisher fast eine völlige terra incognita war, nur einen relativen
Werth beilegen — zu einer wirklichen Aufnahme hätten ganz andere Mittel ge-
hört, als sie mir hier zu Gebote standen. Doch brauche ich sicher nicht die
Concurrenz des Mr. Courtois zu befürchten, der so glücklich war, jene anbe-
kannten Gegenden durchstreifen zu können, zumal ich zufällig in Erfahmng
bringen konnte, auf welche Weise er sich seine Karte hat anfertigen lassen*.
Die erst nach dem Stich unserer Karte veröffentiichte Bonte des britischen
Consuls in Diarbekir, J. G. Taylor, durch diese Landschaften, mit beigefugter
Karte (Joum, of the R. Geogr, Soc. of London, Vol. 38) bestätigt im Wesent-
lichen nur die Combinationen unseres Verfassers.
Der nördlich von der Hauptwasserscheide des Euphrat und Djomk sich er-
streckende Theil der Karte war vom Herrn Verfasser nrsprünglich als besondere,
weniger sorfältig ausgeführte Skizze in kleinem Mafsstabe entworfen and ist von
mirV um das Gresammtbild der neuen geographischen Erwerbungen nicht so
zerreifsen, in entsprechender Vergröfsemng angefügt nnd vor dem Stich vom
Herrn Verfasser selbst durchgesehen nnd stellenweise corrigirt worden. Einzelne
Beri^l^gungen wurden mir jedoch noch nachträglich mitgetheilt, welche der be-
reits vo^erückte Stand der Gravirung aufzunehmen nicht mehr erlaubte, die ich
daher zu^künftiger Berücksichtigung bei Benutzung des jetzt gebotenen Materiab
r
Beiträge zur Geographie von Hoch-Annenien. 523
hier notire: „daa untere Massat- Dere (Thal des Djoruk oberhalb Baibnrt) könnte
im ganzen etwas nördlicher verlegt werden, doch nur um ein weniges, da es
sich ziemlich nahe der eigentlichen Gebirgskette der Hanptwasserscheide entlang
zieht Der Theil des oberen Thaies des Gümischchane- Flusses zwischen We-
serni [an der grofsen Trapezunter Strafse] und Götürmez ist jedenfalls mehr
in die Länge zu dehnen, da die Entfernung zwischen beiden Dörfern in der That
3 Stunden [statt der durch die Karte reprasentirten von etwa IJ — IjSt.] be-
tragt.' Dagegen halt der Herr Verfasser fest an der Richtigkeit seiner eigenen
Beobachtungen gegenüber einer Differenz, auf die ich ihn aufmerksajn machte,
in der Distanz zwischen Stawri und Gümischchane, welche zwei Beisende, die
diesen von Herrn Strecker nicht betretenen Weg selbst zurückgelegt, W. J. Ha-
milton (1837) und C. Sax, kürzer angeben, als sie nach unserer Karte er-
scheinen würde. Die mir gütigst zugesandte Routenskizze des Herrn Sax (gegen-
wärtig K. K. Generalconsnl für Bosnien, früher am Generalconsulat zu Trapezunt
und an beiden Stellen befreundeter College unseres für orientalische Geographie
so eifrig thatigen Freundes Dr. 0. Blau, dessen freundlicher Vermittelung ich
die Anknüpfung dieser Correspondenz verdanke) habe ich, um jedem sein Recht
SU lassen und da sie m. W. sonst nicht pablicirt ist, zur Vergleichung in den
verfügbaren Raum neben den betreff^enden Theil der Strecker'schen Karte gestellt
und verweise auch auf Blau*s Skizziruog desselben Stückes, Zeitschr. f. allgem.
Erdk. N. F. Bd. X. 1861, darf aber nicht verfehlen, auch Herrn Strecker*s Ein-
wendungen dagegen hier mitzutheilen : „Absolat unrichtig ist die Einmündung
aller Bäche des Krom- Thaies in das Hauptthal weit oberhalb von Gümischchane,
während sie sicher südwestlich fliefsen, wovon ich mich durch Augenschein
auf dem diese ganze Gebirgsformation beherrschenden Standpunkte des Kolat-
Dagh überzeugen konnte; falsch ist auch die Einmündung des Matschka-Dere
bei Djewizlik von Westen her. Auch scheint mir Hamilton die Distanz Stawri-
Gümischchane etwas zu sehr verkürzt zu haben. Alle meine Gewährsmänner,
so auch mein jetziger aus Gümischchane gebürtiger Diener, welcher diesen Weg
oft zurückgelegt hat, gaben dieselbe auf 6 Stunden an.^ [Hamilton auch auf
51 St, die er aber, wohl in Berücksichtigung der Terrainschwierigkeiten, auf
seiner Karte nur durch ein Wegemafs von 2^ deutschen Meilen ausdrückt, in
Strecker^s Zeichnung beträgt sie in gerader Linie über 3 d. M.]. »Ich hatte
beabsichtigt, dieselbe um etwas zu verringern, weil ich den Vereinig^ngspunkt
der Thäler von Ejrom zu weit nördlich verzeichnet zu haben glaube und weil
das Dorf Stawri von den gleichnamigen Chans auf dem Kolatgebirge wohl um
i Stunde weiter entfernt liegt, als ich es verzeichnet habe ; auf keinen Fall aber
hegt Stawri so nahe an Gümischchane, wie es auf der Sax'schen Skizze an-
gegeben ist — Auch Freund Blau war im Irrthura, als er in seiner Skizze das
TascbkÖprü - Sn, den Quellflufs des Jamboly-Su und das Jaghmur-Dere-Sn, den
Quellflufs des Sürmene- Tschai für obere Zuflüsse des Djoruk hielt*. Ein be-
«onderes Gewicht legt übrigens Herr Sax in einer seiner Skizze beigefügten Note
Auf die Zuverlässigkeit seiner Höhenschätzungen und verwirft namentlich ab
durchaus falsch Texiers und Hamiltons Messungen ffir Karakapan (80000 und
Stawri (5000 0) während nach ihm beide Punkte in nahezu gleicher Höhe liegen.
524 Wilh. Strecker:
4. Der Eückmarich der Zehntauiend vom Euphrat bis aa das
schwarze Meer.
•
Als ich nach einem längeren Aufenthalte in Hocharmenien auf
dem Rückwege nach Trapezunt vom pontischen Gebirge ans zum er-
sten Male wieder in weiter Ferne tief unter uns ein Stuck des ewi-
gen unendlichen Meeres erblickte, welches den mannigfachen Gebirgs-
formen sich anschmiegend und mit ihnen verschwimmend bei der un-
klaren Atmosphäre einer schweren Wolke glich, dr&ngte auch mich
die Freude zu dem unwillkührlicben Ausrufe, welcher einst als Jubel*
schrei aus den Kehlen der zehntausend Griechen erschallte, da ihnen
der Anblick des die sichere Rückkehr in die Heimath verheifsenden
Elementes zu Tbeil ward. Ich befand mich damals auf dem Rittowa-
Dagh, über welchen die östliche der beiden Trapezunt mit Baibard und
Erzerum verbindenden Sommerstrafsen führt und glaubte das Meer
vielleicht von derselben Stelle aus entdeckt zu haben, auf welcher einst
sein Anblick der Griechen Herzen mit Entzücken erfüllt hatte. Nähere
Untersuchung belehrte mich zwar, dafs ich mich in dieser Beziehung
einer Täuschung hingegeben, leiteten mich bald darauf hin, denjenigen
Pafs zu bestimmen, welchen die Griechen allein zum Ueberschreiten
des pontischen Gebirges nach Trapezunt benutzt haben können, und
veranlafsten mich sodann, in weiterer Ausdehnung durch dasjenige
Gebiet, für welches mir eben vollständigere Ortskenntnils zu Gebote
stand, die von Xenopbon überlieferte Marschlinie aufzusuchen; das Re-
sultat dieser Arbeit, bei welcher ich allerdings wissenschaftliche Hulfs-
mittel nur in geringstem Maafse benutzen konnte, war eine von dem
mir bekannten letzten Erklärer, Prof. Karl Koch und den in seinem
Buche angeführten Ansichten seiner Vorgänger durchaus abweichendes^
das ich jedoch vom militärischen Gesichtspunkte hoffe rechtfertigen zu
können, gegenüber den sehr willkührlichen Abweichungen, die sich
Koch von seiner eigenen ganz richtigen Voraussetzung einer Reduction
der Distanzangaben Xenophons auf das durch Terrain und Klima be-
dingte Mafs der Marschfähigkeit öfters erlaubt hat').
Wenn man berücksichtigt dafs das Griechenheer in einer Stärke
von ca. 10,000 Mann mit Trofs und Gepäck aller Art, doch eine ge-
') Während er z. B. S. 90 ü. 98 in dem schneebedeckten Schatach und der
Gebirgsterrasse von Chinis dreitägige Märsche zusammen auf 9 und 10 Stunden be-
rechnet, findet er S. 106 keib Bedenken gegen die Annahme eines viertägigen Mar-
sche« in hohem Schnee von Ardahan bis Ardanutseh, d. i. 26 Stunden weit!
Beitriige zur Geographie von Hoch -Armenien. 525
wisse MarscbordnoDg einhalten, sowie daf» sich dasselbe bei dem
Eintreffen in Ortschaften in dieselben vertheilen mufste, weshalb es
nie gleichzeitig in der ganzen Masse einen Marsch antreten, ihn auch
nicht wie etwa ein einzelner Fafsgänger zurücklegen konnte, and ent-
fernter einquartierte Truppentheile häufig gröfsere Wegstrecken cu
machen hatten, so erscheinen unter gewöhnlichen Umständen Tages-
märsche von 5 Parasangen, d. i. von ungefähr 3 deutschen Meilen,
wie sie Xenophon am häufigsten anfuhrt, schon als ganz aufserordent-
liehe Leistungen an kurzen Wintertagen. Man wolle nur beden-
ken, dafs beim Aufbruch des Heeres die Tete auf einem gewöhnlichen
Wege, ohne sonstige Hindernisse, schon nahezu eine Stunde marschirt
sein mufste, ehe sich der Nachtrab in Bewegung setzen konnte, und
dafs das Umgekehrte bei Beendigung des Marsches stattfand. Zieht
man aber noch in Betracht, dafs die Märsche der Griechen Kriegs-
märscbe waren, d. h. dafs während derselben eine gewisse Schlagfertig-
keit bewahrt werden mufste, dafs sie in unbekannten und feindlichen
Landen, auf dem schwierigen Terrain einer Hochgebirgslandschaft mit
oft stundenlangen Engpässen, in einem ganz ungewohnt rauhen Klima
— oft auf gefrorenen oder auch durchweichten Wegen, über weichen-
den Schnee oder Glatteis, hier und da unter Schneestürmen — unter-
nommen wurden, dafo taktische Dispositionen und wirkliche Gefechte,
Sturmversuche auf Burgen oder Eroberungen solcher, auch das Plün-
dern von Dörfern, Zeitverluste verursachten, so mufs auch jedem Nicht-
militär einleuchten, dafs im Allgemeinen die Distanzangaben Xeno-
phon's auf der Rnckzugslinie und namentlich im Gebirgslande nördlich
des Euphrat durchaus nicht die vom ganzen Heere zurückgelegten
Wegstrecken bezeichnen können. Er könnte sich übrigens sehr leicht
bei solchen Zahlenangaben getäuscht haben, denn niemand wird glau-
ben, dafs ihm viel Zeit übrig blieb, um die Länge zurückgelegter
Wegestrecken bei allen den horizontalen und vertikalen Abweichungen
von der direkten Verbindungslinie auch nur annähernd genau zu be-
rechnen ^). Er hat auch sicher nicht jeden Abend, sondern wohl im-
mer nur summarisch an Ruhepunkten , wie sie sich aus seinen Auf-
zeichnungen ergeben, die Ereignisse mehrerer Tage notirt. Ich möchte
darum glauben, dafs seine Parasangen mehr für ein Zeit-, als für ein
Längenmafs zu gelten haben, d. h. dafs er diejenige Zeit, welche man
^) Dafs das ttberhanpt aeine grofsei^ Schwierigkeiten hat, werden auch alle
neueren Beiaenden bezeugen, besonders wenn sie, wie ich, Hochgebirge zu allen
Jahreszeiten und auch unter den ungünstigsten Witterungsverhältnissen bereist haben,
uid dabei oft in Verlegenheit gekommen aind, am Ende einer Tagereise die Länge
dsB znrflckgelegten Wegea nur einigenna£9en zu bestimmen.
^
526 Wilh. Strecker:
damals gewöhnlich brauchte, um eine Parasange Weges zoruckzulegen,
also etwa eine gute Stunde, zu Grunde legte ').
Jedenfalls müssen für die Verfolgung der Marschlinie die Distanz-
angaben Xenophon's im allgemeinen bedeutend redacirt werden. Die
Nichtbeachtung dieses wesentlichen Umstand es hat die meisteu Erklä-
rer des Autors verführt, die Griechen nordlich des Euphrat ganz plan-
los in der Irre herumziehen zu lassen und hie und da Xenophon mit
Unrecht den Vorwurf einer aufserordentlichen Ungenauigkeit und Dun-
kelheit in seinen Aufzeichnungen zu machen.
Der Ausgangspunkt unserer Untersuchung ist in der Ebene von
Musch der Durchgang durch den Euphrat, nSmlich den östlichen, jetzt
gewöhnlich Mnrad genannten Hauptarm des Stromes, gegen dessen
Fuhrtbarkeit in jener Gegend unbegründete Zweifel geaufeert worden
sind, denn es giebt Führten den ganzen Sommer hindurch — von zufal-
ligem Hochwasser in Folge periodischer Gewitterregen abgesehen — and
im Herbste und Spätherbst an verschiedenen Stellen noch weiter strom-
abwärts bis nach Palu. Ebensowenig begründet ist Koch's Meinung,
Xenophon könne den Flufs in der Erinnerung mit einem andern ver-
wechselt haben, da er bei der mit dem starken Schneefall verbundenen
Elfilte zugefroren gewesen sein müsse. Das Vorhandensein von viel
Schnee kann in jenen Gegenden durchaus nicht als Beweis für eine
derartige Annahme gelten. In der Ebene von Erzerum fällt hie und
da im Monat Juni mehr als fufshoher Schnee und im allgemeinen
habe ich beobachtet, dafs der erste Schnee, welcher gewöhnlich im
Monat October fällt, in den Ebenen nicht liegen bleibt, die Berge aber
bis an den Fufs mit einem leichten den Sonnenstrahlen bald weichen-
den Schleier bedeckt, worauf dann für Wochen das schönste Herbst-
wetter folgt; der später, Ende November oder Anfangs December,
fallende Schnee hüllt die Berge gewöhnlich für die ganze Dauer des
Winters ein, schmilzt aber noch in den Ebenen und erst gegen Ende
des Monat December werden auch sie mit der je nach ihrer Lage
längere oder kürzere Zeit bleibenden Winterhülle bedeckt. Es ist
darum möglich dafs der Schnee, welchen Xenophon vor und unmittel-
bar nach dem Muradubergange erwähnt, weiter nördlich in gegen Sü-
den offenen Gegenden geschmolzen war ; späterhin mufste er unbedingt
wieder solchen antreffen, aber dann war derselbe für die Griechen
keine neue Erscheinung mehr. Die Flüsse in Hocharmenien — selbst
der westliche Euphratarm, welcher die etwa 6000 Fufs über dem
^) Dasselbe bedenten aach die heut im Orient Qblichen Entfemungsangaben
nach Stunden, die fUr gleiche Entfernungen, je nach den bei der Reise verwen-
deten Transportmitteln, oder der jklarschrichtung her- oder hinwärts , oft aufser-
crdentlich verschieden lauten.
J
Beiträge zur Geographie von Hoch - Annenien. 527
Meere liegende Ebene von Erzerum durchströmt und dort wenig Ge-
fälle hat — frieren aber fast nie vor Ende December oder Anfang
Januar zo.
Auf dem rechten Ufer des Murad angekommen, marschirten die
Griechen dann in der daran entlang ziehenden Ebene weiter. Xeno-
phon sagt ganz klar dafs sie eine schneebedeckte Ebene durchzogen:
das pafst schlecht zu Ainsworth's und Koch's Annahme eines weiten
Aufstieges in das steile Thal des Tscharbuhr, aus dem sie ja um in die
Ebene zu gelangen direct hätten wieder umkehren müssen, und ebenso
wenig zu irgend einer anderen snpponirten Marsch direction nach Osten.
Eine Schwenkung nach Nordosten stromaufwärts mufste den Grie-
chen, wenn sie auch keine oder eben well sie keine Specialkenntnifs
von jenen Gegenden besafsen, unnatürlich erscheinen, da eine solche
sie immer weiter vom Vaterlande entfernt hätte; sie wäre nur durch
strategische Rücksichten, von welchen Xenophon nichts durchblicken
läfflt, zu motiviren gewesen. Schon aus diesem Grunde scheint nach
dem Uebergange über den Murad die Annahme einer westlichen
Umgehung der ihnen quer vorliegenden gewaltigen Gebirgsmasse des
Bingol-Dagh gerechtfertigt.
„Am dritten Tage aber wehte der Boreas ihnen entgegen" u. s. w.
Sie hatten an diesem Tage eine Wendung nach Nordwesten gemacht
und verfolgten nun die durch Consul Brant bekannt gewordene, in
einer nördlichen Entfernung von mehreren Stunden vom rechten Ufer
des Murad, im Süden des Bingölgebirges sich hinziehende Strafse ').
In der Nacht wurden grofse Feuer angezündet, wa^ jedoch nicht
die unmittelbare Nähe eines Waldes voraussetzt, denn das Holz scheint
nicht in Ueberflufs vorhanden gewesen zu sein, da die Späterkommen-
den das Recht, sich den schon angezündeten Feuern nähern zu düi^
fen, erkaufen mufsten. Das Gebirge enthält jetzt noch an mehreren
Orten Waldungen, welche Brant speciell bei dem Orte Pakengog erwähnt.
Am 4. Tage erreichten sie eine Ebene, in der sich mehrere Dor-
fer befanden, nämlich die fruchtbare vom Tachtaköprü-Su bewässerte
Ebene von Boghlan. Einige Griechen hatten während dieses Tage-
marches eine heifse Quelle entdeckt, uro welche sie sich lagerten und
von welcher sie nicht mehr fortgehen wollten. Diese sehr heifse Mi-
neralquelle befindet sich bei dem Dorfe Hatschigan, welches an der
Erzerum mit Diarbekir verbindenden Sommerstrafse (über Tekkedere,
Earascheich, Tschiftlik am oberen Litschik-Su, Ognut, 1 Stunde weiter
Hatschigan, Madrag am Murad) liegt.
'} Vergl. flir diesen ersten Theil der Route Kiepert's Karte von Armenien nnd
Knrdistan, Berlin 1868, oder dessen Karte des Enphrat- Tigris -Gebietes im Atlas zu
lütter's Erdkunde.
A
528 Wilh. Strecker:
Aus der Scbilderung der Ereignisse dieser vier Tage geht kUr
hervor, dafs die Griechen an ihnen nur kleine Märsche gemacht haben
können, für deren Längen Xenophon gar keine Zahlen angiebt. Die
in den folgenden sieben Ruhetagen in den armenischen Dorfern von
Xenophon bemerkte unterirdische Bauart und die vorgefundenen Le-
bensmittel entsprechen den heutigen Zuständen bis auf die Schweine,
welche jetzt in Armenien nicht mehr gezogen werden — (nicht blofs
der muhamtnedanischen Herrschaft wegen, da ihre Zucht vielfach an
anderen Orten in der Türkei betrieben wird) — und das gleichfalls
aufser Gebrauch gekommene Bier, welches aber noch hie und da in
Mesopotamien bereitet werden soll.
Mit Proviant und einem Führer versehen zogen die Griechen
doch jedenfalls in der früher eingeschlagenen Richtung drei Tage
weiter, ohne Feinde, aber auch ohne Dorfer zu Gesicht zu bekommen,
was einen heftigen Streit zwischen dem Feldherrn Gheirisophos , und
dem Führer veranlafste, der in Folge davon entfloh. Allerdings giebt
es jetzt auf dieser Strecke, wie das Routier des Consuls Brant über
Ober- und unter -Pakengog und Tschewli beweist, einige Dörfer,
die möglicherweise zu Xenophons Zeiten noch nicht existirten oder
auch vom Führer, um seine Landsleute mit der Einquartierung zn
verschonen, oder mit Rücksicht auf Richtwege, wie sie den Eingebor-
nen in den Gebirgen immer bekannt und häufig leichter als die eigent-
lichen Strafsen passirbar sind, absichtlich vermieden werden konnten.
Für diese drei Tage möchte bei den erwähnten verhältniÜBmärsig
günstigen Umständen , das Maafs von etwa 7 — 8 deutschen Meilen
nicht zu hoch erscheinen, so dafs das Hauptquartier sich bei der Flucht
des Führers etwa der Nähe des von Brant mit der kurdischen all-
gemeinen Benennung Mezre bezeichneten Ortes befinden mochte.
Für die folgenden Tagemärsche, wo man sich den Weg wieder allein
aufsuchen mufste, dürfen deshalb auch bei sonst gleichen Verhältnissen
nur kürzere Wegstrecken angenommen werden. Doch mochten die
Griechen sich während der drei Tage mit dem Führer schon so weit za
verständigen vermocht haben, um einige allgemeine Andeutungen über
die einzuschlagende Richtung zu erhalten, die sich übrigens fur's erste,
aber freilich nicht in den Details, schon ans der Gestaltung des Tei^
rains ergab. Die dortigen Ausläufer des Bingölgebirges streichen
durchschnittlich gegen WSW.; dafs die zwischen denselben strömen-
den Bäche und Flüsse dem Murad zuflössen, konnte man wissen und
durfte diesen also nicht folgen, da jener Strom ja wieder in feind-
liches Gebiet geführt haben würde. Es hatte sich überhaupt seit dem
Uebergange über dem Murad darum gehandelt, den Bingöldagh west-
lich SU umgehen und dann nordwärts zu ziehen. Hieraus folgt vor
r
Zur Erklärung des Rückzugs der Zehntausend. 529
nJLchst far die Tage nach der Flacht des Führers bis an den Flofs
Phasis eine westliche Richtung.
Die Ausleger Xenophon's haben sämmtlich diesen Phasis für den
Oberlauf des Araxes erklärt, weil sowohl die von ihnen angenom-
mene im allgemeinen nördliche Marschrichtung nur diesen einiger-
mausen den Gröfsenangaben des Autors entsprechenden Flufs berührte,
als auch der Name, unter dem er in dieser oberen Gebirgsregion seines
Laufes noch jetzt bekannt ist, Passin-su, entlehnt der von ihm durch-
flossenen Landschaft Passin, jenen antiken Namen zu bewahren
schien; der wirkliche Phasis Xenophon's ist gewifs kein anderer als
der grofste nördliche Zuflufs des Murad, jetzt P er i-Su (oder -Tschai)
genannt. — Seine Hauptlinie trug zuerst, wenn auch noch ungenau,
nach den in Erzerum eingezogenen Erkundigungen Koch unter dem
Namen Litschig-Su in seine Karte von 1850 ein, doch war sein Ober-
lauf schon im Kriege von 1828 — 29 von den Russen bis zur südlichen
Grenze ihrer Streifzüge recognoscirt, von da an aber auf ihren später
publicirten Karten (denen dann andere Kartographen folgten) irrig
dem westlichen Euphrat in der Nähe von Erzingjan zugeführt worden.
Während meines Aufenthaltes in Erzingjan konnte ich mich von der
Unrichtigkeit dieser Angabe überzeugen; und meine über den wirk-
lichen Lauf dieses Flusses schon früher mitgetheilten Angaben ') bin
ich jet2t in der Lage durch genauere Nachforschungen unter zahlreichen
Anwohnern des Flusses auf seiner ganzen Länge, sowie durch persön-
liche Untersuchungen seines oberen Gebietes wesentlich zu vervoll-
ständigen. Derselbe entspringt im nördlichen Theile des Bingölgebirges,
fliefst unter dem Namen Bingöltschai, den er mit anderen Quellflüssen
desselben Gebirges theilt, durch die schmale Kurt-Düzi (Wolfsebene)
westlich, dann an dem Dorfe Litschig vorbei — nach dem er, weil es
an einer Hauptkarawanenstrafse liegt, für eine Strecke seines Laufes
Litschig-Su genannt wird — durch die Chindris-Owa, dann im Bo-
gen um den Köschmür-Dagh herum, weiter durch den District Kighi,
hier wieder Kighi -Su genannt, — sudlich und dann als grofser, nur
in der trockenen Jahreszeit furthbarer Strom südwestlich an dem be-
deutenden Marktflecken Peri vorbei, welcher dem Unterlauf bis zur
Einmündung in den Murad, circa 6 Stunden ONO. von Charput, seinen
Namen giebt; bevor er den letzteren erreicht verbindet sich mit ihm
noch der aus Norden kommende, bedeutende Gebirgsflufs Muzur-
Tschai. — Die eingeborenen Armenier, welche ich bei meinem Aus-
flüge in sein oberes Gebiet sprach, nennen diesen Flufs Phison und
halten ihn für den gleichnamigen Flufs des Paradieses, das sie auf
1) Zeitschrift für allgemeine Erdkunde. K. F. Bd. XI (1861). S. 272.
ZelUdiT. d. GeteUsch. /. Erdk. Bd. IV. 34
530 Wüh. Strecker:
das Bingöigebirge verlegen 0. Dafs das keine willknhrliche Annahme
der Neuzeit ist, beweist die Angabe altarmenischer Schriftsteller von
einem Kastell Phison in Sophene, wohl identisch mit der zwischen
den beiden Eophratarmen gelegenen Stadt Phaosya in Ptolem&us Karte.
AuTser der Namensähnlichkeit bietet aber der Lauf des Peri-Sa auch
die Möglichkeit einer naturlicheren Erläuterang der Marschroute der
Zehntaasend, als die auf die angenommene Identität des Araxes and
Phasis begründete.
Die Griechen verfolgten nach Xenophon sieben Märsche von 5 Pa-
rasangen weit den ein Plethron (100 Fnis) breiten Flnis Phasis. iTopa
top norafAOv kann hier nicht bedeuten , dafs sie die ganzen 7 Tage
unmittelbar neben dem Flusse hingezogen seien; in Hochgebirgen
möchte sich kaum ein Flufs finden, den man auf einem Parallelwege
auf soweit nicht manchmal aus den Augen verlöre; sie werden ihn
wohl auch ein oder mehrere Male überschritten haben, wofür die An-
gabe seiner Breite spricht. Ich nehme auch an, mit Rucksicht aaf
die Oertlichkeit, dafs sie erst am zweiten dieser 7 Tage an das untere
Peri-Su gelangten und 5 Tage demselben aufwärts folgten. Paul Lucas,
welcher im Jahre 1700 im Monat September auf seiner Reise von Pala
nach Erzeruni einige Tage diesen Flufs, welchen er (und nach ihm
Karl Ritter) irrig für den Euphrat hielt, entlang ging, hat eine so
klare Beschreibung von der aufserordentlichen Schwierigkeit des Weges
hinterlassen, dafs man nicht glauben kann, die Griechen hätten dort
Ende December andere als ganz kurze Etappen zu machen vermocht —
Nachher gelangten sie in zwei Märschen zu einer Höhe, die von feind-
lichen Chalybern, Taochern und Phasianen besetzt war. Sie hatten
den Flufs verlassen und waren in das Gebirge, den Köschmur-Dagh,
*} Diese Thatsache — wenn sie nur authentisch, und die Annahme znlSssig wlic,
dafs jener Name sich aas dem Alterthnm unter dem Volk erhalten hätte, nicht aber
vielleicht seinen Ursprung erst ii^end welcher Könchsgelehrsamkeit verdankt, —
wäre immer, wenn auch nicht gerade für die vorliegende Frage, von Bedeutung-
Aber leider weifs nichts davon der gelehrteste Kenner seines Vaterlandes, der Mechi-
tarist Lucas Indjidjean, der mit gröfstem Fleifse alle Aussagen geographischen
Inhalts aus den armenischen Schriftstellern, auch den noch unedirten, gesammelt
und in seinen voluminösen Werken (Neu- Armenien 1806, Alt- Armenien 1822, Phy-
sische Geographie Armeniens im I. Bande der armenischen Alterthumsknnde 1836,
alle zu Venedig in armenischer Sprache gedruckt) verarbeitet hat; er kennt das
Litschig- oder Peri-Su nnr unter dem Namen »Flufs von Gjeghi" (Kighi) nnd
erwähnt einen Phison weder in seiner ausführlichen Beschreibung des Euphrat,
noch unter den 83 kleineren Flüssen, welche er aus alten Autoren zubammengestellt,
tlberfaaupt hat er diesen Namen auch fUr das so benannte Castell bei keinem arme-
nischen Autor geftmden, sondern kennt es gleichfalls nnr aus Prokop, dessen Locil-
angabe „in der Landschaft Sophene westlich von Martyropolis" uns aber in die
Berglandschaft im S Q d e n des Murad , keineswegs in die Landschaft zwischen den
beiden Euphratarmen (tlhrt, Kiepert.
Znr Erklärung des Rückzugs der Zehntausend. 531
eingetreten. Dafs sie bis za der Stelle, wo sie die Feinde erblickten,
in der Ebene gegangen seien, wie Koch annimmt, geht durchaas nicht
aus Xenophon's Worten hervor, die dabin verstanden werden müssen,
dalB die Höhe eine ebene Gegend auf dem Rücken des Gebirges do-
minirte; denn ans der Tiefebene am Fufse des Gebirges hätten sie
nimmer die Uebersicht über das vorliegende Terrain gewinnen können,
welche sie der Beschreibnng nach hatten.
Die Völker, welche das weitere Vordringen der Griechen verhin-
dern wollten, moTsten Grenznachbarn sein. Die Phasianen wohnten
um den Flufs selbst herum, an welchem, nach Herodot, Sesostris eine
ägyptische Colonie angesiedelt hatte. Ich habe unter den Anwohnern
des Peri-Su Individuen bemerkt, die noch eine grofse Aehnlichkeit
mit dem ägyptischen Typus bewahrt haben; wie ich überhaupt wäh-
reud meines längeren Aufenthalts im Lande nicht Eigenschaften einer
homogenen Rasse, sondern ganz verschiedene Typen unter den Bewoh-
nern Hoch -Armeniens herausfinden konnte*). Die Chalyber wohn-
ten nordöstlicher, ihr Land grenzte südlich an jenen Theil Armeniens,
in welchem die Griechen sich nach dem Uebergange über den Murad
7 Tage aufgehalten hatten, und die Taocher wahrscheinlich westlich
von ihnen in dem Gebiet der heutigen Dudjik und De rssim- Kur-
den '). Nachdem die Griechen durch einen klug combinirten Angriff
diese Feinde verdrängt hatten, stiegen sie in die Dörfer der Ebene, —
der Chindris-Owa — nieder.
Nan beginnt eine Periode, während welcher sie keine bestimmte
Marschrichtung einhielten, was aber nicht sagen soll, dafs sie planlos
in der Irre in meilenlangen Zickzacks herumgezogen. Mangel an Le-
bensmitteln hatte sich fühlbar gemacht. Sie mufsten sich dieselben
erkämpfen und sollten doch dabei vorwärts kommen. Die Völker-
schaften, deren Land sie durchzogen, die Taocher und Chalyber,
waren auf ihr Kommen vorbereitet und hatten sich mit ihren Familien
und aller beweglichen Habe in feste Plätze zurückgezogen, in welchen
sie sich aber natürlich nicht rein defensiv verhielten; Xenophon selbst
sagt gelegentlich der Chalyber, dafs sie Ausfälle aus den festen Plätzen
machten, sowie die Griechen an diesen vorbeizogen, dann sie unter
anaofhörlichen Kämpfen verfolgten, um sich nachher wieder in die
Festen zurückzuziehen.
^) Dieses Argument mSchte, bei der Unsicherheit des subjectiven Urtbeils ttber
Racentypen kaum ins Gewicht fallen, nmso weniger, da der Pbasis, an welchen He-
rodot die angebliche ägyptische Colonie verlegt, doch keinenfalls der hier in Rede
stehende, sondern, nach den deutlichen Aussagen des alten Autors, der gleichnamige
kolohische Flols iat.
*) Vergl. meine Gegenbemerkungen am Schlüsse. Kiepert.
532 Wilh. Strecker:
Die Hauptthatigkeit der Griecheu während der 5 Tage im Lande
der Taocher and 7 in dem der Chalyber — war also eineraeits darauf
gerichtet, Burgen zu erstürmen, andererseits feindliche Angriffe zurück-
zuweisen. Die Burgen lagen naturlich zerstreut im Gebirge und nicht
etwa rechts und links unmittelbar an einer gebahnten Strafse. Jeder
Sturm versuch erforderte Seitenm&rsche, jeder abgeschlagene Angiifi,
der immer mit einer Verfolgung verbunden gewesen zu sein scheint,
taktische Dispositionen und ebenso Abweichungen von einer et^ra
eingeschlagen Route — sie zogen also hier durch die Verhältnisse
gezwungen in die Kreuz und Quer herum — , dies kostete Zeit und
unter solchen Umständen darf man nicht an Wege strecken nach
einer bestimmten Richtung hin von täglich 5 — 7 Parasangen denken.
Dafs einzelne Abtheilungen, vielleicht Xenophon selbst, die von ihm
angegebene Zeit marschirt sind, ist möglich; in irgend einer belie-
bigen Richtung nach dem Meere hin können sie aber nur sehr wenig
vorwärts gekommen sein, und man darf^deshalb in diesem Sinne die
im Lande der Taocher und Chaljber zurückgelegten Entfernungen,
ohne der Wahrscheinlichkeit zu nahe zu treten, nur sehr kurz berechnen.
- Es scheint, dafs das die Wasserscheide zwischen dem Murad-
zuflusse Litschig-Su und dem westlichen Euphrat bildende Gebirge
in seinem westlichen Theile von den Taochern bewohnt war. In die-
sem Lande zogen die Griechen 5 Tage herum und nachdem sie die
Wasserscheide — vielleicht oberhalb Baschköi — überschritten hatten,
gelangten sie in das Land der Chaljber, zu dem, wie es scheint, das
Flufsgebiet des Tuzla- Tschai gehörte, dem sie von der Quelle abwärts
gefolgt sein werden, zuletzt ihn zur Seite lassend.
Den Glanzpunkt während der Ereignisse dieser 12 Tage bildete
die gelungene Erstürmung einer Burg im Lande der Taocher, wovon
Xenophon eine ausfuhrliche Beschreibung giebt. Burgartig auf den
Höhen liegen auch heute noch sehr viele von den Dörfern in dem
von mir angenommenen Lande der Taocher am Tuzia- Tschai und
wohl liefsen sich dort die der Beschreibung des alten Autors entspre-
chenden Oertlichkeiten auffinden.
„Hierauf gelangten sie an den 4 Plethren (400 Fufs) breiten Flafs
Harpasos.^ — Nachdem die Griechen einmal den Murad überschritten,
hatten sie zwischen sich und dem Meere überhaupt nur zwei erheh-
liche Ströme: den Araxes und den westlichen Euphrat Sowie man
sie nördlich vom Murad eine nordöstliche Marschrichtung einschlagen
läfst, mufsten sie auf den Araxes (Phasis) stofsen, aber dann war
mit Berücksichtigung der Aufzeichnungen Xenophon's keine Combi-
nation mehr möglieb, um sie auf den Euphrat an einer Stelle treffen
zu lassen, wo er eine Breite von 400 Fufs hat. Auch scheint keiner
Zur Erklärung des Rückzugs der Zehntausend. 533
der Aosleger an diesen Strom gedacht zu haben'); ^^ ^&g ibrer Voraus-
setzQOg einer langgedehnten östlichen Marschlinie fern ab, es wurden
deshalb dem Harpasos andere Flüsse substituirt, zu denen die Grie-
chen aber wieder nur durch coroplicirte Märsche gelangen konnten.
Ich kann dagegen den Harpasos nur für den westlichen Euphrat halten,
dessen Quellsystem den alten Schriftsteilern nie vollkommen klar ge-
worden zu sein scheint. Da Xenophon den Namen Buphrates für den
ostlichen Quellstrom kennen gelernt hatte, konnte er leicht den west-
lichen Hauptarm desselben Stromes für einen ganz anderen Flufs
halten und einen dort gehörten Localnamen dafür überliefern. Das
Bett des oberen Euphrat ist in der That an vielen Stellen an 400 Fufs
breit, ohne dafs seine Sohle ganz mit Wasser bedeckt wäre, welches
häufig in mehreren Rinnsalen fliefst; wenn sich dasselbe aber im
Winter mit gefrorenem Schnee zu einer die ganze Breite des Bettes
einnehmenden Eismasse verbindet, so kann diese leicht für die Breite
des Flusses überhaupt gehalten werden. Dafs aber der Harpasos, als
die Oriecben an ihn gelangten, gefroren war, ist zweifellos
Dieser Flufs bildete die Grenze zwischen den Gebieten der Cba-
Ijber und Skythinen; letztere wohl ein Stamm der Skythen; von
der Zeit ihrer Einfälle in Asien im 7. Jahrhundert v. Chr. her im Be-
sitz der besten Landschaft Armeniens, wie Strabo sagt, zurückgeblie-
ben*), was auf die fruchtbare Ebene von Terdjan ebensogut, wie auf
irgend einen anderen Landestheil pafst Dafs ihr Land nicht etwa
eine einzige Ebene in einer Ausdehnung bildete, wie sie nach der
Zahl der von den Griechen geroachten Tagemärsche sich nirgends in
Hoch- Armenien vorfindet, geht auch aus der späteren Angabe Xeno-
phoo's hervor, dafs sich der Grenzflufs zwischen den Skythinen und
den Makronen im Gebirge befand.
^Hierauf zogen die Griechen 4 Tagemärsche oder 20 Parasangen
durch das Land der Skythinen in der Ebene, blieben in Dörfern, wo sie
sich mit Lebensmitteln versahen, 3 Tage und kamen nach weiteren 4 Mär-
schen mit 20 Parasangen zur grofsen blühenden, volkreichen Stadt Gym-
nias*^. Sie müssen also den Euphrat (Harpasos) in der unteren Ebene
von Terdjan überschritten und sich dann bald gegen Norden gewendet
haben, um über niedrige Höhen die obere Ebene zu erreichen, von
der aas sie über den relativ niedrigen breiten Rücken des Otluk-Beli,
^) Doch; ich selbst in den Anmerkungen zu Hertlein's Ausgabe der Anabasia,
wieder aufgenommen von Herzberg in seiner populären Bearbeitung des Zuges der
Zehntausend, — eine Ansicht von der ich jedoch Iftngst wieder zurttckgekommen
bin. Kiepert.
') Strabon spricht aber nur von den Niederlassungen des skjthischen Stammes
der Saken in der armenisch -iberischen Grenzlandschaft Sakasene am Kyros,
d.i. dem Kur, also an der Nordost grenze de« Landes. Kiepert.
534 W. Strecker:
in den heatigen Kreis Baiburd gelangten. Derselbe bildet ein von
unregelm&fsigen GebirgsaoBläafen durchzogenes Hügelland, in welchem
sich, an den Quellb&chen des westlichen Tschoruk entlang, Ebenen voo
grofserer und kleinerer Ansdehnang aasbreiten. Hier mögen sie im
allgemeinen nördlich marschirt sein bis nach Gymnias,. welches ich in
der Nfihe der heatigen Dörfer Sinnar (des alten Synoria) and Öreo-
schehr suche. Das in einer kleinen Ebene über dem linken Ufer des
Euphrat, 8 Stunden westlich von Erzerum gelegene Dorf Djinnis, in
welchem Jaubert das alte Gymnias wiedergefdnden za haben glaubte,
ist viel weiter als die 5 Tagem&rsche , welche das Griechenheer ge-
brauchte, vom nächsten Punkte der Sichtbarkeit des Meeres entfernt
und wenn blofse Namensähnlichkeit zur Bestimmung der Lage voo
Gymnias genügte, dürfte man noch eher Djimmin, das gröfste Dorf
in der Ebene von Erzingjan, welches jedenfalls einst eine bedeutcDde
Stadt war, dafür halten, wenn dagegen nicht noch stärker dieselben
Grande, wie gegen Djinnis, sprächen.
Um im Winter auf dem kürzesten Wege von hier nach Trape-
znnt zu gelangen hätten die Griechen einen Tagemarsch längs des
westlichen Tschoruk -Su nach NW. zu machen und dann die grofse von
TrapezunC nach Persien führende Karawanenstrafse zu verfolgen ge-
habt. Dann hätten sie aber nicht schon am 5 Tage das Meer er-
blicken können, wie es der vom Herrscher des Skythinenlandes ihnen
mitgegebene Führer seinem Versprechen gemäfs einrichtete: er fahrt«
sie wohl den Tschoruk entlang bis in die Nähe des Dorfes Chadrak
und von hier, die oben erwähnte grofse Strafse durchschneidend, auf
dem westlichen der beiden von Trapezant nach Baiburd und Erzernm
fuhrenden Sommerwege weiter bis an den Fufs des Kolat-Dagh, d.i.
ungefähr 15 Stunden weit, was gerade für 4 Tage (den fünften nahm
die Ersteigung des heiligen Berges Theches und den Abstieg zam Nacht-
quartier ein) ausreicht, da nebenher die Plünderung von Dörforn and
das Abweisen der Verfolgung der den Skythinen feindb'chen Bewohner
Aufenthalt verursachte. Jener sicher auch damals schon wie beot
über viele Dörfer führende Sommerweg konnte bis zum Kolat-Dagb,
soweit er der wärmeren Südseite des Gebirges folgt, auch im Winter
benutzt werden; weiterhin jedoch nach Trapezunt ist er im Winter völlig
ungangbar wegen der auf dem dort breiten wellenförmigen Rocken
des Gebirges herrschenden heftigen Schneestürme, welche oft in kür-
zester Zeit ganze Thäler ausfallen und den ganzen Weg und die aof
einer Entfernung von 6 Stunden an ihm bestehenden, nur im Sommer
bewohnten Earawanserais auf Monate unter hohem Schnee begraben.
Der Weg, auf dem Koch die Griechen das pontische Gebirge
westlich vom Khatschkhar*Dagh aberschreiten läfst, jetzt als Verbin-
j
Znr Erkläning des Rückzugs der Zehntausend. 535
dang zwischen Ispir and Rize benutzt, ist gefährlicher Felspartien
wegen als der schwierigste Gebirgsübergang bekannt. Auf ihn hatte
die türkische Regierang, in der Absiebt Erzeram in kürzester Linie
mit dem schwarzen Meere verbinden und durch die grofsere Leichtig-
keit der Anlage eines Hafens bei Rize alß bei Trapezont geleitet, ihr
Augenmerk gerichtet und ihn mehrmals darch Ingenieure untersuchen
lassen. Alle Berichte derselben stellten die Unmöglichkeit eines Stra-
Isenbaues in dieser Richtung heraus, so daÜB die Regierung das Pro-
tect fallen liefs. Im Winter ist der Weg ganz ungangbar; die Ein-
wohner jener Gegenden sagten mir ^dann könne dort kein Vogel über
das Gebirge fliegen^. Selbst angenommen, dafs es den Griechen doch
möglich gewesen w£re, dort das Gebirge zu überschreiten, wie hätten
sie^dann nach Trapezunt gelangen können ohne mehrere Tage vorher
am Meere entlang zu ziehen? Denn sowie sie das Gebirge über-
schritten hatten, mufsten sie unbedingt in Flufsth&Iern hinabsteigen
and so zum Meere kommen, da mitten im Winter eine Querroute über
die von zahlreichen, meist wenig unterhalb des Gebirgskammes schon
aufoerordentlich steil und tief eingeschnittenen Th&lern durchfurchten
Nordhänge des pontischen Hochgebirges absolut unmöglich ist.
Aus demselben Grunde konnten die Griechen überhaupt von kei-
nem Funkte des pontischen Gebirges wo das Meer sichtbar ist (von
einem dabinterliegenden Gebirgszuge aus wäre das unmöglich gewesen)
den directen Weg nach Trapezunt fortsetzen, denn sie wären dann
unter Berücksichtigung der Zahl der noch folgenden Marschtage zu
früh an das Meer und nach Trapezunt selbst gekommen; sie können
also nur auf einem Umwege zu jenem Punkte gelangt sein. Dieser
Umweg erklärt sich aus der von Xenophon angedeuteten Absicht des
Fahrers, seinem Versprechen gemäfs den Wunsch der Griechen nach
dem Anblicke des Meeres auf dem kürzesten und für ihn einzig mög-
lichen Wege zu befriedigen und dabei gleichzeitig den Feinden seines
Herrn eine Züchtigung angedeihen zu lassen. Ich lasse sie also nicht
blos um ihre Marschlinie zu verlängern die Richtung zum Eolat-Dagh
einschlagen, von dessen Spitze, einer der höchsten des ganzen Ge-
birges, sie zweifelsohne das Meer erblicken konnten. Das Dorf, zu
welchem sie auf den Rath des Führers zum Uebemachten hinabstiegen,
kann nur südwärts vom Berge, im oberen Lerri-Thale gelegen haben.
Dafs der reichlich beschenkte Führer, bevor er in der Nacht, um sich
auf einem kürzeren Wege dorch das feindliche Gebiet hindurchzu-
schleichen, Abschied nahm, noch den Griechen den Weg in das Land
der Makronen anzeigte, spricht ebenfalls für meine Ansicht, dafs vom
hoben Aussichtspunkte der Weg nicht direct auf dem jenseitigen Ge-
birgahange fortgesetzt werden konnte.
■ r'^t*-
^
536 W. Strecker:
,)Die Griechen machten darauf drei Märsche von zusammeD 10 Pa-
rasangen durch das Land der Makronen. Am ersten Tage kamen sie
zu dem Flusse, welcher dieses vom Skjthinen lande trennt. Zur rechten
hatten sie ein sehr schwieriges Terrain (^taglov yi^aXmmjarov) und
zur linken einen anderen Fiufs, in welchen sich der Grenzflufs ergiefat
und welchen sie überschreiten mufsten ; das Thal war hier mit dichtem
Baumwuchs erfüllt.^ Vom Nachtquartier gingen sie also auf dem
linken Hange des tiefen und sehr steil abfallenden Lerri^Thales entlang
und gelangten an das Wesserni-8u, welches bei dem gleichnamigen Dorfe,
an dem sie zwei Tage vorher vorübergegangen waren, seine Quell-
b&che vereinigt und der Hauptquellflufs des GBmuscbchane- Tschai ist
Gefroren oder nicht bietet dieser Flufs, wie auch jeder andere im pon-
tischen Meere in seiner Quellrogion, bei geringer Tiefe in jener Jahres-
zeit kein derartiges Hindernifs, dafs ihn die Griechen, welche den
Muradttbergang in der Ebene von Musch bewerkstelligt hatten, nid»
hätten durchschreiten können. Wenn sie darum etwa' die an seinen
Ufer. befindlichen Bäume — kleinere Waldungen von schlanken, hoben
Bäumen bemerkte ich in jener Gegend mehrfach und einzelne BSame
an den Ufern des Flusses selbst -^ in der Absicht niederschlugen,
um ihn zu überbrücken, so geschah das nur, weil sein bie und da
steiles Ufer und das sein Bett ausfüllende Gestein der Passage des
Trains hinderlich werden konnte. Der von Xenophon angegebene
Grenzflnfs mufs der aus Osten von Wawer- Dagh kommende andere
Quellflnfs des Gümuschchane- Tschai sein; von hier folgten sie zwei
Tage weit im Lande der Makronen der grofsen Erzerum -Trapezunter
Strafse. Das Gebiet der Makronen scheint sich also ostlich bis an
den Eolat-Dagh, ungefähr zwischen dem Krom-Thal und dem Tbale
des Gümüschchane- Tschai hin, erstreckt zu haben, während es sid]
nach Koch's Annahme unnaturlich im Bogen um die Kolchier heran
bis auf den Nordhang des pontischen Gebirges hingezogen hätte. Am
dritten Tage gelangte man ins Land der Kolchier, die auf einem
hohen, doch nicht unzugänglichen Berge {oQog niya ngocßatov 9f)
schlachtbereit aufgestellt waren.
Die jetzige Strafse verläfst das Thal des Gumuschehane- Tscbai
unterhalb Ardasa und geht mit einem Nebenthaie desselben ungefShr
nordöstlich aufwärts bis zum Zigane-Dagh, wie gewöhnlich die ganze
plateaaartige Passage hier über das Gebirge benannt wird. Wie beute
führte wohl schon seit den ältesten Zeiten die Verbind ungsstrafse zwi-
schen Trapezunt und dem Innern über diesen Punkt, da auf den Thal-
wegen an den beiden Hängen des Gebirges die Communication das
ganze Jahr hindurch offen ist, während die ßergwege ober dessen
Bücken nur im Sommer benutzt werden können. Dafs die Griechen
Zur Erklärung des Rückzugs der Zehntausend. 537
nicht weiter östlich das Gebirge ilberscbritten haben konnten, glaube
ich oben hinlänglich nachgewiesen zd haben. Ebensowenig kann man
annehmen, dafs sie etwa noch weiter westlich gekommen seien, da
sie dann auf Flufsthfiler und Strafsen gestofsen wären, die sie nicht
nach Trapezunt, sondern zu westlicheren, also ihrer Heimath näheren
Uafenplätzen geführt hätten. Sie mufsten also über den Zigane^Dagh
gehen; denn auch dem Laufe des Gumuscbchane- Tschai konnten sie
nicht weiter abwärts bis an das Meer folgen, welches er durch völlig
unwegsame ßngscbluchtcn erreicht; darüber konnten sie durch die Ma-
kronen, die ihnen ja selbst die Strafse nach Trapezunt zeigten und
sie auf ihr bis in das Land der Kolchicr geleiteten, hinreichend unter-
richtet sein.
Nachdem die Kolchier durch die auf Xenophon's Ratb angeord-
neten, trefflieben Angriffsdispositionen, welche ganz dem dortigen Ter-
rain entsprechen, vom Berge vortrieben worden waren, stiegen die
Griecben in die jenseitigen Dörfer hinab. Hier mufsten sie 3 Tage
verbleiben, weil alle diejenigen, welche von dort vorgefundenem Toll-
Honig genossen hatten, krank geworden waren.
Kocb irrt in seiner Behauptung, dafs es keinen derartigen Honig
gebe und dafs der von den Griechen genossene die betäubenden Eigen-
schaften erst durch schlechte Aufbewahrung erhalten haben müsse.
Das maenomenon mef des Plinius gehört durchaus nicht in das
Reich der Fabel. Es wird solcher Honig von wässeriger Beschaffen-
heit dunkler Farbe und eigenthümlich bitterlichem Geschmack noch
heute in den Hafenstädten des schwarzen Meeres zwischen Ordu und'
Batum auf den Märkten verkauft. Roh genossen erzeugt er dieselben
Krankheitssjmptome , welche Xenophon erwähnt. Doch wird er des
billigen Preises wegen hauptsächlich von der ärmeren Klasse der Be-
völkerung benutzt, aber ausgekocht und mit anderen zuckerhaltigen
Stoffen vermischt und auch das nur noch in geringem Grade, seit der
Zucker in Folge der aufserord entlich vermehrten Einfuhr sehr niedrig
im Preise steht. Ich konnte nicht erfahren, aus welchen Blumen die
Bienen den Stoff saugen, der dem Honig jene Eigenschaften mittheilt.
Verwundert, auf den Nordhängen des pontischen Gebirges ganze Fel-
der von Azaleen eingefriedigt zu sehen, fragte ich nach der Ursache
dieser Umzäunug der schönen, aber wildwachsenden und keinen Nutzen
bringenden Blumen und erhielt zur Antwort, dafs die Schaafe, welche
davon genössen, krank wurden, weshalb man sie — hauptsächlich der
fremden, durchziehenden Heerden wegen, da die einheimischen Thiere
sie fast nie berührten — absperre. Der Theatinermönch Lambert
könnte also doch Recht haben, wenn er in seiner y^Rclation (fun voyage
538 H. Kiepert:
4ans le Leeant^ erzählt, dafs die Bienen den Oiftstoff aas einer gelben
Oleanderart, wofür er wohl die Azaleen hielt, sangten >).
Aas den Dörfern gelangten die Griechen in zwei Tagemärscheo
mit 7 Parasangen nach Trapezant. Die zarückzalegende Strecke be-
trag meiner Rechnung nach in der That etwas mehr; doch ist an-
zunehmen, dafs das Heer, oder doch ein Theil desselben, dnrch die
Nähe des Meeres zu verdoppeltem Eifer angetrieben, sie in kürzere
Zeit zurücklegte.
Gegenbemerkungen
von H. Kiepert
Dem Leser, welcher die älteren geographischen Erklämngen der Anabasit,
wenn auch nur im allgemeinen aus den ihnen beigefügten Uebersichukarten kenn^
wird nicht entgangen sein, dafs die Polemik des Herrn Strecker sich ganz be-
rechtigter Weise zunächst gegen die abenteuerliche Interpretation des letzten
Abschnittes, zumal der 20 Tagemärsche in den Landschaften der Taochen, Chs-
Ijben, Skythinen auf langgedehnten, weit über die Grenzen Nordarmeniens soH-
Östlich auslaufenden Zickzacklinien richtet, wie sie nach dem Vorgange der älteren
Erklärer, eines Delisle, d'Anville, Forster, Rennell noch neuerdings in ezcessir-
ster Weise Ainsworth*), in sehr viel bescheidenerem Mafse Koch verüieidigt
haben. Diese und ähnliche Extravaganzen geographischer Phantasie habe idi
selbst in verschiedenen Publicationen schon seit Decennien zurückgewiesen ')>
mich dagegen in dem ersten Abschnitt der hier in Frage kommenden Discussioa,
den Zug vom Ost-Euphrat über den Phasis bis ins Taocher Land betreffend, det
älteren Ansicht einer östlichen Umgehung des Bingöl - Gebirges im wesent-
lichen angeschlossen und mufs auch jetzt noch an derselben festhalten, da mich
die in der vorstehenden Auseinandersetzung des Herrn Strecker angeführten Gründe
für die Annahme einer westlichen Umgehung nicht zu überzeugen vermögen.
Nur scheinbar wird durch diese Annahme eine im allgemeinen und mit vieles
localen Ausnahmen directere Marschrichtung vom Euphrat nach Trapezunt ge-
wonnen, wie sie in so bestimmter Richtung auf das Endziel wohl uns im Besitze
zuverlässiger Karten natürlicher erscheint, den unvollkommenen Orientimngsmitteh
der damaligen Griechen aber völlig fern liegen mufstes die dadurch bedingte west-
1) Yergl. darüber auch Blau, Zeitachr. fUr allg. Erdk. 1862. XIL S. 298.
') TVaveU in the track of the Ten TTtousand. London 1844.
') Allerdings mehr angedeutet als ausführlich begründet in Karten und Text
des kleinen weimarischen Atlas der alten Welt seit 1848 in mehrfach berichtigten
Ausgaben; den Karten der alten Welt, Berliner Ausgabe seit 1855, und dem obea,
l^ote zu S. 588 angeführten.
r
Zur Erklärung des Rückzugs der Zehntausend. 539
liehe Verschiebung der Wohnsitze der Phasianen und Taocher aber steht sogar
in directem Widerspruch zu den wenigen positiven Lichtpunkten, die uns ans
anderen Quellen für die allgemeine Orientirnng der griechischen Rückzugslinle
bleiben. Diese möge mir gestattet sein hier in der Kürze und ohne Anspruch
auf erschöpfende Behandlung darzulegen, damit auch den gegen die neue Hy-
pothese sprechenden Gründen ihr Recht werde.
Der der Richtung des Zuges und der ihm folgenden obigen Erläuterung entgegen-
gesetete Weg von N. nach 8. scheint hierzu für den Beginn der erspriefslichere:
eine bestimmte Entscheidung für die Marschrichtung wird sich am ehesten für das
letzte Stuck — die 5 Tagemärsche von Gymnias ins Gebirge hinauf und 5 hinab
zum Meere — finden lassen, wiewohl auch fiir dieses Stück durchaus keine Ueber-
einstimmnng unter den Erklärem herrscht, vielmehr die von ihnen angenommenen
infsersten Uebergangspunkte über die durchschnittlich nicht über 6 d. Meilen
von der Küste entfernte hohe Kette: der westlichste, nach Grote und Strecker,
und der östlichste, nach Blau und Koch, volle 15 Meilen von einander entfernt
liegen. Leider ist dieser ganze Zwischenraum eine von der Wissenschaft bisher
gänzlich unerforschte Region und es steht dahin, ob darin nicht bei näherer
Untersuchung noch ein oder der andere praktikable Pafsübergang zu finden wäre,
wie es aus den von Koch (Reise in den Orient. Th. I. S. 450) nach den Be-
richten Einheimischer gemachten Angaben scheinen könnte, dafs aus den öst-
lichen ParaUelthälem des Flüfschens von Trapezunt dem Kowata- und Sür-
mene-Thale, weniger hohe und steile Wege, als selbst die jetzige Trapezunter
Hauptsirafse über noch ganz innerhalb der Waldregion liegende Pafshöhen in
das obere Tschoruk-Thal, die Ebene von Baiburt hinüberführen: so dafs der
Benutzung dieser Thäler zu einer Verbindungsstrafse von der Küste ins innere
Armenien vielleicht mehr nur die Beschaffenheit der unteren Thalstrecken hinder-
lich wäre. Es scheint mir alles dafür zu sprechen, dafs die Griechen eines dieser
Thäler zu ihrem Marsche an die See benutzt haben — auch Herr Strecker selbst,
in einem in Folge meiner Einwendungen an mich gerichteten Briefe, indem er
nur die Möglichkeit einer Verfolgung der directen Sommerstrafse vom Kolat-Dagh
(Berg Theches nach ihm) nach Trapezunt während des Winters bestreitet, giebt
zu, dafs eher noch eines der östlichen Thäler (er meint, die in das Deirmen-
Derer das Thal des Trapezunter Flusses von O. her einmündenden) einen prak-
tikabeln Weg bieten möge und kommt damit dem naheliegenden Einwurf gegen
die von ihm im obigen angenommene und auf der Karte angedeutete Marschlinie
über Gümischchane 4lor, dafs dieselbe viel länger ausfalle, als nach den Distanz-
Angaben Xenophon's zulässig sei, die wir allerdings mit Rücksicht auf das Ter-
rain stark zu reducieren nicht aber zu verlängern das Recht haben. In der That
ist es schwer seine Marschlinie glaublich zu finden, nicht nur wegen der Aus-
dehnung der 5 kurzen, vom griechischen Autor selbst nur zu 17 Parasangen
(11 deutsche Meilen) veranschlagten Stationen auf volle 17 deutsche Meilen (ohne
die localen Umwege zu rechnen), sondern auch wegen ihrer ganz widersinnig
vom Kolat-Dagh mit einer scharfen Wendung nach Süden beginnenden Spiral-
richtung. Wie sollten die Griechen zu bewegen gewesen sein, die Höhe, von
der sie zuerst im Norden das Meer erblickten, nun mit einem Male in süd-
540
H. Kiepert:
lieber Richtang auf 3— 4 Meilen zn verlassen? mafsten sie nicht gefürchtet
haben, sich wiederum in den schwer durchkämpften Hochgebirgsregionen des
Innern zn verlieren und würden sie nicht, selbst gegen besseren Rath, jeden,
auch den schwierigsten direct zum schon mit Angen gesehenen Ziele führenden
Pfad vorgezogen haben? Den in Herrn Strecker's Marschconstruction auf der
Karte so seltsam in die Angen fallenden Umweg mit scharfer nördlicher 8pitie
am Kolat-Dagh (von Balachor geradlinig 4 deutsche Meilen NNW. und 3 wieder
S. bis Kjzkale statt der 3 Meilen O. — W. des geraden Weges) sollen wir dv
als eine Excursion nach dem Aussichtspunkte zur Orientimng gelten lassen; aber
wäre es in diesem Sinne nicht für den Zweck der Truppenbewegung völlig au-
reichend gewesen, wenn eine kleine Zahl der Officiere, ein mäfsiger detacbirter
Trupp, sich von der Nähe und Richtung der Meeresküste überzeugt hatte? Der!
Wortlaut der xenophontischen Erzählung (IV, 7, 21), wonach das ganze Heer'
mit allem Trofs, Pferden und Gepäck den Aussichtspunkt unvorbereitet, so dafi
die volle Ueberraschnug wirkt, erreicht, läfst sich doch nur von einem in der
fortlaufenden Marschdirection liegenden Höhenpnnkte verstehen. Damit aber
wäre der von Strecker mit dem Theches identificirte Kolat-Dagh, von dessen wInte^
liehen Schneofeldem ein direct nördlicher Abstieg unausführbar sein soll, eben-J
sowohl ausgeschlossen als jeder Höhenpunkt weiter westlich in der Nähe der
grofsen Heerstrafse, auf welcher auch der englische Historiker Orote die Gri^
eben ziehen läfst, nur dafs er den Berg Theches erst weit nordwestlich von Gi-
mischchane '), also etwa am Passe von Zigane sucht, wo sich nach allen bis-
herigen Nachrichten kaum so hohe Punkte finden, die eine Aussicht bis zum
Meere möglich erscheinen liefsen. Gegen beide Annahmen trifft überdiefs der
von Blau (ZeiUchr. für aligem. Erdk. 1862. Bd. XII. S. 296) geltend gemachte
Einwand zn, dafs auf die Meeresaussicht bei den im Winter herrschenden Nebeln
hier im hohen Gebirge gar nicht so sicher zn rechnen war, wie es der einhei-
mische Führer doch Tage lang voraus that, indem er seinen Kopf zum Pfsnde
setzte; auch Koch (Wander. Bd. II, S. 33) sagt von dem viel weiter östlich gele-
genen Bochpafs des Khatschkhar, dafs von hier das Meer der Nebel wegen narj
an wenigen Tagen des Jahres sichtbar sei, was er freilich vergessen zn haben
scheint, als er ihn später in seiner Erläuterung der Anabasis mit dem Theches
identificirte. So scheint mir denn Blau's Annahme völlig begründet, dafs dieser
Aussichtberg gar nicht in der hohen Wasserscheidekette (welche die Griechea
vielmehr auf einer Pafssenkung überstiegen haben müssen), sondern weit vor
derselben und mehr in der Nähe der Küste zu suchen sei.wlur furchte ich, daCr
er zu weit östlich geht und der Küste allzu nahe bleibt, wenn er ihn im Kaloo-
oros bei Riza zu finden glaubt*); eine so lange ostwestliche Marscfalinie ia
') Indem er dasselbe, durch einen zufälligen Anklang des Namens (der in sei'
nem ersten Theile, gümisch sx Silber, rein ttlrkisch, im zweiten ehantf Haair
persisch ist) getäuscht, und ohne Berücksichtigung der Distanz, die für .10 Tsge-
märscbe bis Trapezunt mit 11 — 12 deutschen Meilen doch zu kurz ausfUlt, für dss
alte Gymnias erklärt {hiatory of Greece^ IX, 161).
') Seine Bemerkung, dala dieser Berg auf meiner Karte von Armenien (von
1858) der Küste zu nahe stehe, gründet sich nur auf Augenschein vom vortber-
fahrenden Schiffe aus; ebenso allerdings, aber mit Mefsinstrumenten, also doch etwu
Zur Erklärung des Hückzngs der Zehntausend. 541
der die Käste überragenden Berglandschaft quer durch vier gröfsere und fast
ein Dntiend kleinere Thäler, welche namentlich in der Osthälfte des fraglichen
Küstenstriches, in der Landschaft Of ziemlich abschüssig zwischen hohen Thal-
randern znm Meere abfallen, dürfte mit Recht der von Strecker oben (S. 535)
erhobene Einwand der Unausführbarkeit treffen. Nicht in gleicher Weise an-
wendbar ist derselbe dagegen anf die Westhälfte, die Gegend von Kowata, Jam-
bolj, Sürmene, wo nach der Autopsie Koch's (Wander. I, 443) eine wellige
Strandebene von fast halbstündiger Breite sich dem Nordfufs der Berge vorlagert
ond die Aussicht auf das Meer durch einen Gürtel dicht verwachsenen Gebüsches
tosgeschlossen ist. So wäre wenigstens für die beiden letzten Marsche im Ge-
biete der Kolcher (7 Parasangen =s 5 d. Meilen , Xen. 8, 22) eine der Küste
nahe und parallele Richtung möglich und wir mögen zuversichtlich mit Blau den
die Ostgrenze des kolchischen Gebietes gegen das der Makronen bezeichnenden
hohen Berg (p^s fuya^ 8,9), den die Griechen erst erstürmen mufsten, um den
Durchgang nach Trapezunt zu erzwingen, in der von der Stadt geradlinig 4 Meilen
entfernten Höhe von Sürmene finden. Für diese Lage des Makronen - Gebietes
hat Blau auch schon mit Recht den noch existirenden Namen des Makur-Dagh
(dessen genauere Ortsbestimmung nur noch zu wünschen bleibt) geltend gemacht,
nicht aber das noch gewichtigere Zeugnifs aus dem späteren Alterthnme, in dem
dem Arrian zugeschriebenen» der Zeit des Kaisers Trajan angehöripen Periplus
des Pontus, wonach die Macheionen östlich von den unmittelbar oberhalb
der Stadt Trapezunt laufenden Sannen (wie der damalige Name der xenophon-
tischen Kolcher lautete) bis zur Küste herab wohnten ^). Völlig unvereinbar
mit dieser Angabe ist Herrn Strecker's Anordnung, wodurch die Makronen anf
das Binnenland im Westen des Kolat-Dagh beschränkt und in ein Gebiet gerückt
werden, welches nach anderweitigen Zeugnissen der Alten über den Betrieb der
Silbergruben des heutigen Gümischchane, vielmehr den Chalyben angehörte.
Da nach den alten Periplen östlich an das Macheionen - Gebiet schon bei Ophiüs
(Of) und Rhizüs (Rize) die Cantons anderer Bergvölker, der Ekechirier, Bechiren
Q. s. w. grenzten, so beschränkte sich ihr Gebiet wahrscheiolich anf die zum Makur-
Dagh hinaufreichende Thallandschaft von Sürmene und zwar nur auf ihre untere
Hälfte, indem der obere Theil zunächst der W^asscrscbeide» ja noch ein Stückchen
sicherer, ist die Position in der Quelle, der ich sie entnommen habe, der Küsten*
aafhahme des rassischen Capitäns Hanganari, flxirt. Möglich ist es immerhin,
mOfste aber durch genauere Beobachtung auf dem Lande constatirt werden, dafs
derselbe Name noch höhere, weiter landein sich erstreckende Höhen, als die in jener
Kflstenkarte verzeichneten, umfafst, — fUr die vorliegende Untersuchung bleibt diefs
gleichgültig. — Was soll man aber zu einer Confusion, wie bei Äinsworth sa^en,
der alles Ernstes (p. 187) den Theches südlich vom Tschoruk-Thale Über 12 d.
Meilen von der Küste ansetzt und die Griechen über die zwischenliegende 7 — 8000
Fefs hohe Hauptkette hinweg das Meer erblicken l&fst?
^) Daher sind auch die Makronen (welches doch nur eine dialektische, des
Anklsngs an ein griechisches Wort wegen von den Griechen bevorzugte Nebenform
von Machelones sein kann) den pontischen Periegeten ApoUooios und Dionysios be-
kannt und dieselbe Stelle, westlich bis Trapezus reichend, nehmen in dem älteren
Periplos des Skylax die Max^axa^ttiot ein, wie sie mit einer anderen grftcisirenden
Umdentung genannt werden.
542 H. Kiepert:
nordwärts ▼om Aassichtberge Theches nach X's Zengnifs noch zvm Skythinea-
Lftnde gehörte ; die ganze Länge desselben von S. nach N., in welcher ffichtong,
dem Laufe der Gewässer abwärts folgend, die Griechen es durchzogen haben
müssen (nicht von 0. nach W. wie Blau will) bis zn dem die kolchische Grense
bezeichnenden Berg^asse giebt der Autor auf weniger als 10 Parasangen oder
etwa 24 Tagemarsch (6 — 7 d. Meilen) an. EUernach mufs es möglich sein, wti
nur bis jetzt kein Europäer versucht zu haben scheint (denn auch in Hemt
Strecker's Karte beruhen die Ortsangaben im Sflrmene-Thale nur auf Erkun-
digungen) an Ort und Stelle sowohl den Grenzflufs des Makronen- und Skj-
thinen - Landes, als den Aussichtberg Theches wiederzufinden.
Die Richtung nach Süden fuhrt rückwärts auf die fruchtbare und dörferreicfac
Hochebene des oberen Tschoruk -Thaies, deren Hauptstadt Baiburt auch hentigts
Tages der ansehnlichste Ort zwischen Erzerum und Trapezunt ist Nur in dieser
Ebene, der einzigen von solcher Ausdehnung in diesem Theile des pontisckea
Alpenlandes, als natürlicher Grundlage einer dichteren Bevölkerung, daif dit
»grofse, wohlhabende, volkreiche Stadt Gynmias" {ytoXtQ fuj^dltj evScUftwr oUu^-
fAtvri^ IV, 7, 19) gesucht werden, nicht mit Grote im Engthale des Chandnl,
oder gar auf alpiner Hochterrasse sogar im Norden der Hauptkette, su Djimfl *),
wie Blaa wohl nur dem scheinbaren Anklang zn Liebe will, ungestört durch die
halshrechende Beschaffenheit des ans dem Tschoruk - Thale über die hohen Jöcher
nach Djimil führenden Passes, für die er doch selbst europäische Zeugen (osck
Koch, Wander, II, S.20 der dasselbe aussagt) anfahrt In der Ansetzung von Ojn-
nias in jener Hochebene freue ich mich mit Herrn Strecker übereinstimmen n
können, und wenn sich auch die specielle Stadtlage nach den gegebenen Notzies
des Autors anf keine Weise genauer feststellen läfst, so scheint es mir doch,
dafs er auch darin Recht hat, sie nicht an .der Stelle des heutigen HaI^»toftel
Baiburt, sondern am westlichen Bande der Ebene (in der Gegend von Sonvar,
nahezu da, wo später die aus den römischen Itinerarien bekannte römische Greoi-
festung Domana') sich erhob) zu suchen. Denn wenn anders Xen. bei der
Kürze seines Berichtes genau verfährt, so müssen die Griechen von der Sisdt
aus sofort das feindliche Territorium, welches sie im Auftrage des Hanptliiigi
von Gymnias durch Plünderung abstraften, d. h. in diesem Zusammenhange dock
das Gebirgsland , betreten haben. Ihre 4t Tagemärsche in diesem Gebirge bis
zum Theches scheinen alsdann etwas kurz mit kaum mehr als 6 d. Meilen is
gerader Richtung auszufallen, die aber in diesem Terrain und durch das feind-
liche Hin- und Hersiehen von Dorf zn Dorf sich leicht auf 9 — 10 verlangen
konnten.
') (?imU nach Blan's Transscription (^' sb firanzös. dj, deutsch (focA), wel-
ches a. a. O. S. 297 in Gfniil verdruckt ist
*) Mit etwas Kühnheit kSnnte man sogar zwischen diesem Namen und desi
offenbar etwas gräcisirten Gymnias einige Analogie finden, doch ist es nicht rathsaa
auf solche scheinbare Anklänge Gewicht zu legen, da uns ja unter den gewifs sock
im Alterthnm in grofser Zahl vorhandenen Ortschaften der Ebene in den spiilickflB
Quellen nur ein paar xuflUig genannt werden und in den 4 — 6 Jahrhunderten di«
zwischen Xtnophon und den römischen Angaben sammi PtelendUis liegen, leicht
eine andere Ortschaft den Rang als Hauptort der Ebene eingenommen haben könnt«.
Zar Erklärung des Rückzugs der Zehntausend. 543
Gymnias war Hauptstadt des Landes der Sk jthinen, mit dessen Erstreckung
in der Durchzugslinie — nach Strecker gegen Süden, nach den meisten anderen,
denen ich mich anschliefse, gegen Osten von der Baiburt- Ebene aus — die EUtupt-
Schwierigkeiten beginnen. Ueberblicken wir die ganze Rntwickelung des Marsches
vom Enphrat-Uebergang an bis hierher nach ihren Hauptabschnitten, so ergeben
sich 7 Tage bis zum Phasis,
7 - längs desselben,
7 - durch das Qebiet der Phasianen und Taochen,
7 - - • - - Chalyben zum Harpasos,
8 - - - - - Skythinen bis Gymnias.
Summe 36 Tage für einen geradlinigen Abstand von 26 — 27 Meilen.
Herrn Strecker's Construction verlängert diesen Abstand auf etwa das dop-
pelte, oder mit Einrechnung localer Umwege bei Gebirgsübergängen auf einige
60 bis höchstens 70 d. Meilen, so dafs ein Durchschnittsmafs von IJ — 2 Meilen
für den Tag herauskömmt, was offenbar angemessener ist, als die imaginären
3f M. (5 Parasangcn) des alten Autors, — allein er erreicht auch diefs nur durch
dasselbe Verfahren, welches er bei den früheren Erklärem als einen Mifsbrauch
tadelt: durch Annahme wUlkührlicher , wenigstens durch die Terrainverhältnisse
nicht entfernt in dieser Weise gerechtfertigter Umwege und Zickzackwindungen, —
man vergleiche z. B. in der Karte die Marschlinie im südlichsten Theile, zwischen
Temran und Pakengog, und ein wenig nördlicher in der Chindris-Owa; —
streicht man solche unberechtigte Abweichungen, so würde sich unter Beibehal-
tung der Hauptdirection im Westen des Bingöl-Dagh die kürzeste mögliche
Marschlinie auf höchstens 35 — 36 Meilen, d. b. durchschnittlich eine Meile auf
den Tag stellen, was doch offenbar allzu wenig ist. Aber nicht diese Erwägung
allein bewegt mich, an der früheren Annahme, der Verfolgung des längeren aber
grofsentheils leichteren Weges im Osten des Bingöl-Dagh festzuhalten: vorzugs-
weise entscheiden für die Ostseite die beiden einzigen sicheren und nicht weg-
zubringenden Anhaltspunkte in dem nur allzu dürftigen alten Marschbericht: die
Namen der Phasianen und Taocher und ihre Erhaltung im Nordosten des
bezeichneten Gebirges bis auf diesen Tag. In diesem Lande, dessen Bevölkerung
selbst durch die gewaltigste im Mittelalter darüber hin sich wälzende Volkswan-
derung der türkischen Stämme nur stellenweise modiücirt worden ist, und in
welchem auch heutiges Tages die Halbnomaden kurdischen Stammes (die auch ihre
Wohnsitze von Sonmier zu Winter nur auf wenige Stunden Entfernung zu wech-
seln pflegen) nur einen kleinen Bruchtheil der Einwohnerschaft bilden, findet
man dem vorherrschenden Hochgehirgscharakter entsprechend, seit ältester Zeit
öberall sefshafte Bevölkerung, die auch in ihren einzelnen besonders benannten
Abtheilungen innig mit dem Lande verwachsen ist, sei es dafs schon bei der
ersten Einwanderung mitgebrachte Stammnamen auf die besetzten Landschaften
übergingen, sei es dafs ans den ursprünglich geographischen Benennungen solcher
natürlich abgegrenzter Gauen die Namen der sie bewohnenden Volkstheile ge-
bildet wurden: von beiden Formen finden wir durch ganz Armenien zahlreiche
Beispiele in den einheimischen aus dem Alterthura überlieferten Benennungen,
während natürlich bei den griechischen Autoren älterer Zeit (Herodot, Xenophon,
theüweise noch Strabon) vorherrschend die ethnischen (Plural -) , bei den späteren
544 ^' Kiepert:
(Strabon, Ptoleniäos, Byzantiner) die landschaftlichen Formen in Gebnoch sind.
Gegenüber der in der griechischen und römischen Literatur erhaltenen Zahl tod
wenig über 30 solcher Namen haben die armenischen Autoren fast zwei-
handert aufbewahrt, namentlich das dem Moses von Chorrni zugeschriebene
geographische Compendium aus dem 5. — 6. Jahrh. n. Chr. und die zahlreicheot
von dem fleifsigen Indjidjean in seiner Beschreibung des alten Armeniens
gesammelten und erläuterten Erwähnungen der Geschichtschrciber, aus denen
meist die nähere Ortsbestimmung hervorgeht. Wenn nun darunter Basean (nadi
jetziger Aussprache Pasian) entsprechend dem 0aatat^ der Byzantiner als alter
Name der oberen Thalebene des Araxes erscheint, die noch jetzt den Namen
Pas in fuhrt, und Taikh (armenische Plnralform von Taj, georgisch Tao) a}&
Name des nördlich daran grenzenden, vom östlichen Hauptarm des Tschornk durch-
strömten Gebirgslandes, mit überwiegend georgisch redender Bevölkerung, die
wenigstens für einen einzelnen bis jetzt noch unerforscht gebliebenen aber seiner
allgemeinen Lage nach wohlbekannten Gau dieses Landes in ihrer Sprache noch
den Namen Taoskari (Thor von Tao) bewahrt, wie will man diese Namen in
ihrer entsprechenden geographischen Stellung von den 4»aGiavoi nnd Tdoxoi ^)
Xenophon's trennen? wie wäre es zu erklären, dafs sich in dem Gebiete im
Westen des Bingöl, wohin Herr Strecker diese Völkerschaften versetzt, keine
Spur ihrer Namen auch nur bis auf Moses Chor, wo doch noch die alten Ver.
hältnisse bestanden, erhalten hat, sondern dafür die (zum Theil noch bis best
erhaltenen) Gaunamen Karin, Derdjan, Mananaghi, M^ndznr, Chordsean, Haseh-
tean genannt werden? Die beiden nördlichsten derselben kennt unter den gri^
cisirten Formen Karenitis und Derxene auch Strabon und bezeichnet sie als Er-
oberungen des armenischen Königs Artaxias vom Gebiete der Chaldaeer,
bekanntlich später gewöhnliche Form desselben Volksnamens, den Xen. durch
XaXvßes ausdrückt. Wie gut stimmt nun hierzu Xenophon's Angabe (IV, 5, 34)
in dem Quartier 4 Tage nördlich vom Euphrat-Uebergange, der armenische Dorf-
vorsteher habe „das benachbarte Land das der Chalybcr genannt und die lUch-
tung des Weges bezeichnet*', zwei Satze die gewifs in Verbindung mit einander
zu nehmen sind : der nächste Weg zum Meere, eben der im Westen des BingÖl-
Dagh, den Herr Strecker hernach die Griechen ziehen läfst, führte ja direct
durch jenes Volk und gab allein die Veranlassung es hier zu nennen; die Pha-
sianen nnd Taocher dagegen, durch deren Länder man hernach wirklich kam,
werden hier gar nicht erwähnt, was doch hätte geschehen müssen, hätten ihre
Gebiete wirklich so, wie Herr Strecker sie placirt, auf dem graden Wege zwischen
dem damaligen Quartier und den Chalybem gelegen.
Alles weist also dahin, dafs wir eine vom Euphrat- Uebergange ans west-
liche Wendung abweisen und auf die östliche Strafse zurückkehren müssen.
Dafs diese gangbarer ist, beweist schon der Umstand, dafs sie, wiewohl etwas
länger, fär die Verbindung der heutigen Hauptstadt Erzemm mit den südlich
^) Das X in der griechischen Form scheint eben so wie in Ka^Bov^^oi aus dem
armenischen Pluralzeichen hh entstanden zu sein, daher sich bei Diodor aus an>
derer Quelle als Xenophon die einfachere Form Taoi findet.
Zar Erklärang des Rfickzagfl der Zehntausend. 545
gelegenen Landschaften vonugsweise benutat wird. Dafs aber auch ihre Ein-
Mhlagnng nicht für die Griechen (wie Herr Strecker meint, oben S. 527) wider-
•innig war, hat schon Benneil (S. 194, 241) sehr richtig motiTirt mit der ans
fierodot bekannten und noch viel später herrschenden übertriebenen Yonteünng
der Griechen von der gewaltigen Längenausdehnung des PontuB Euxinus nach
Osten hin, so dafs gerade die Richtung nach Nordosten hin ihnen zunächst
in den griechischen Küsten Städten führend erscheinen muTste; fügen wir hinzu,
dafs sie durch den Verkehr jener Kustenorte wohl Kunde haben konnten von
•der Lage der Euphratquellen (d. i. des westlichen Annes) im Rücken des pon-
4i8chen Gebirges südlich von Trapezunt, wodurch sie nothwendig darauf geleitet
wurden, den Flufs der ihnen als Euphrat bezeichnet worden war (dafs es in der
Hiat ein gleichnamiger östlicher Stromarm war, konnten sie nicht ahnen), im
ganzen parallel nach seinen Quellen aufwärts, also gegen NO. zu verfolgen; in der
von Herrn Strecker angenommenen westlichen Richtung stromabwärts hätten sie
ja fürchten müssen in das feindliche südliche Euphratgebiet zurückzugerathen.
Auch sollte man sich doch nicht in Betreff der Wegrichtung, wie sowohl Koch
als Strecker thun, auf den entgegen wehenden Boreas als angeblichen Nordwest-
wind berufen, denn gerade für diesen Windstrich, den die Griechen mit ver-
«chiedenen localen Namen, Skiron, Kauros, Argestes bezeichneten, kommt der
Name Boreas nirgend vor, sondern bekanntlich entweder, namentlich bei den
späteren Autoren, für den sonst auch Kaekias benannten Nordost, oder aber
för den directen Nordwind (so in ältester Zeit, wo nur vier Winde unterschieden
werden, und später unter den acht Windstrichen bei Aristoteles und am sogen.
Thurm der Winde zu Athen), und in dieser allgemeineren Bedeutung wird ihn
wohl auch hier Xenophon, dem der Compafs fehlte und der Schneehimmel die
genaue Orientirung erschwerte, gebraucht haben. Ebensowenig Anhalt gewährt
die in dieser Ausdehnung sicher unrichtige Angabe des Autors von einem drei-
tägigen Marsch in der Ebene nach dem Euphrat -Uebefgange, da selbst in
der von Strecker angenommenen westlichen Richtung das Ende der Ebene schon
am ersten Tage erreicht werden mufste, — auch nicht die am vierten Tage
zufällig gefundene warme Quelle, die Koch in der gerade unter dem Südfufse
des Bingol-Dagh sprudelnden, also aufserhalb jeder denkbaren Marschrichtung
Hegenden Quelle von Baskan um so sicherer wiedergefunden zu haben glaubte,
als man ihm sagte, dafs sie die einzige dieser Art in der Gegend sei '), wäh-
rend jetzt durch die Erkundigungen Streckei's schon eine zweite, allerdings noch
weiter westlich, also auch aufser unserer Linie liegende, bekannt ist': wonach sich
aber voraussetzen läfst, dafs in der Umgebung eines so eminent vulkanischen
Gebirges noch andere vorhanden sein und bei näherer Untersuchung werden auf-
gefunden werden. Dem Zusammenhange nach müfste man sie am ostlichen
Fuiiie des Gebirges bei Chnns vermuthen, wo sich die einzige Thalebene von
solcher Gröfse ausbreitet, dafs sie die nur eine Stunde (20 Stadien) von jener
<)n^e entfernte Dörfergruppe, in der die Zehntausend reichliche Vorräthe für
') Wanderungen im Orient, Th. II, S. 880, Zug der Zehntausend S. 90. 98.
Aber um soviel die Entfernung von Baskan zum Murad fUr 4 Tagemftrsche zu klein
ist, ist die zum Pasin -su (Phasis) für 8 Tage zu grofs.
Zt{t8«hr. d. G«geUaoh. f. Brdk. Bd. IV. ^^
ji46 H. Kiepert:
«ine Woche der Erfaoimig faoden, und die grofse königlicbe Stiiterei eotkaÜMi
konnte: dafs gemde die Pferdesacht Ton Chnae noch heutiges Teges in hohen
Bnfe steht, was neuere Reisende an Ort und Stelle heohachtet haben, wnfste
schon Renneil ans dem türiuschen Geographen Hadji-Chalifa nnd scfalors danstt
troti der ünvoUkommenheit der ihm sn Gebote stehenden topographischen Hälii^
mittel ganz richtig anf die Congraens mit der ron Xen. beschriebenen I«oca]itit
Noch der folgende dreitilgige Abschnitt bis som Flusse Phasis stimmt mit
neueren Beobachtungen sowohl was die Entfernung als die Breite des Pasin-
Su betrifft, (wie bekanntlich der Arazee gewöhnlich in seinem oberen Laofe im
Gebirge und durch die Hochebene Pasin genannt wird, daher schon bei DclisU
diese richtige Identification), die Brent beim Dorfe Kully sn 50—00 Schritt, wenig
mehr als das Plethron (100 Fufs) der Alten schätzt» wfthrend sie schon 6 d. Maiiea
weiter abwirts in der Ebene, an der 7(X) Fufs langen Brücke Tschobaa-KöprOr
selbst im trockenen Herbst fiber 300 Fufs beträgt. Von nun an aber hanfea
sich die Schwierigkeiten der Interpretation : mehr doch durch die Schuld des altea
Autors, wovon ihn auch eine noch weit vollständigere Kenntnils dieser Region^
als die schon recht beiriedigende der Gegenwart nicht wird freisprechen können; mcht
nur geht er fiber geogri^phische Thatsachen, die uns im höchsten Grade interB»>
siren wOrden, in äufserster Kfirze weg, so dafs ganze Wochen -A^irsehe in wenige
Zeilen zusammengedrängt werden, sondern er scheint auch entweder in Locel»
angaben oder in Zahlen einzelne, fibrigens unter jenen Verhältnissen leicht eiw
kläriiche Fehler gemacht zu haben. In den ganzen noch zu besprechenden
29 Tagemärschen, meist durch hohes Gebirgsland, wird nur einmal (9 Tage von
der ersten Erreichung des Phasis, 20 von Gymnias) eine Bergpassage erwihat,
und wohl diese auch nur, weil ihre Besetzung durch Feinde zu einem glfieklidisn
Handstreich Veranlassung gab ; ebenso ist nur zweimal (cp. 6, 6, gleich nach jenen
Bergpafs und dann 4 Tage vor Gymnias) von Ebenen die Rede, wohl eben weil
diese in dem sonst beständigen Berglande die Ausnahme bildeten. Aber daoi
sollte man vor allen Dingen eine Erwähnung der 8 d. Meilen langen Ebene voe
Basean (Pasin) erwarten, welche die Griechen, indem sie dem Flusse abwärts
folgten, wenigstens vom dritten Tage an und bis zum fünften oder sechsten, ohne
ein Hindemifs gegen die gerade Richtung su treffen, durchziehen muTsten. Statt
dessen spricht Xen. einfach von 7 Marschtagen längs des Flusses, erwähnt keine
Dörfer, deren es hier im fruchtbaren Ackerlande von jeher zahlreiche geben
mufste, nicht einmal den Namen der Bewohner, der Phasianer, die erst zwei
Tage nach dem Verlassen des Flusses, zusammen mit ihren Nachbaren, den Twa-
chem und Chalybem als feindliche Besatzung eines zu oinerEbene führenden
Bergpasses, vorkommen. Soll man annehmen, dafs die Bewohner die gegen elh
so zahlreiches kriegsgeübtes Heer kaum zu vertheidigende Ebene ganz aufgegebe»
nnd sich auf das nördliche Gebirge, wo sie an Chaljber und Taocher grenzten,
zurückgezogen hatten? oder dafs Xen. die phasianische Ebene gemeint und ihre
Stellung in der Erinnerung verwechselt oder irrige Zahlen nodrt habe? Mit 6$^
9 Tagen bis zum Bergpasse ist anf jede Weise schlecht aaszukommen; bis zur
Wasserscheide sowohl in N. gegen das Quellgebiet des östlichen Tschornk-Arms
(Grenze der Taocher) als in W. gegen das des Euphrat (Grenze der Chalybw)
ist die wirkliche Distanz viel geringer, dort etwa 11 — 12, hier kaum über 9 d.
Zar ErMämng de« Rücksags der Zehntensend. 547
MeileD. In letetOTer Richtuiig liegt hinter dem relativ wenig fiber 800 Fafs hohen
Pute die aneehnliche Hochebene von Erzenmiy dem alten Karin der Armenier,
aber die karenltische Landschaft gehörte nach Strabon den Chalybem, nicht den
Taoefaem, in deren Gebiet die Griechen Ton den Fhasianen aas znnächet ge-
lingten; selbst wenn man die etwas unbestimmte Brwfihnnng sis Jhtoxovg, cp. 7, 1
erst nach den Dörfern der Ebene jenseit des Passes (6, 27} so verstehen wollte,
(lafii die Grenze ihres Landes erst weiterhin, nach einem Umwege durch chalj-
bisches Gebiet in der Ebene von Erzerum erreicht worden sei, so bliebe doch
des Verlassen der einmal eingeschlagenen westlichen Richtung gegen eine nener-
dings nordöstliche ebenso auffallend, wie das absolute Stillschweigen über den
gmisen Schilfwald der Ebene mit den EnphratqueUen, an welchen sie dann dicht wot-
bägekouaien seiamftfiitMB.
So scheiüt es mir denn, dafs Koch hier recht hat, wenn er die Griechen
von der Stelle, wo sie den Arazes-Phasis TerUefsen ^) nicht sowohl nördlich,
wo sie sogleich in schwer passirbare Engschluchten gerathen wären, als nord-
westlich über den den westlichen Pafs nur etwa um 300 Fu£s an Höhe über-
treffsnden Kiretschlti-Dagh in das obere Thal des Olti-su, des östlichen Tschoruk-
Aimes, hinübersteigen läfst, dessen ebene Weitung zwischen Narriman und Id ')
dem nediov Xenophon's entspreehen würde. Dafs man sich hier im alten Tao-
ehien CTaikh) und heutigen Taos nicht mehr auf den banmarmen centralen Hoch-
plateaus, sondern bereits in den engen wasserreichen Waldth&lem des nördlichen
Abfalls zum Pontus befand, läfst auch in ihrer Kürze die Schildernng der dor-
tigen Kämpfe bei Xenophon erkennen. Ist freilich die Bestimmung der Marsch-
lime Ar die folgenden 12 Tage im Taocher- und Chaljber- Lande beim Mange|
jedes näheren Anhaltspunktes nnthunlich, so scheint doch die Annahme natur-
gonäfs, dafs man die hier zwischen den tiefen Thälem viel schwierigere üeber-
stdgung neuer Bergpässe, von denen auch bis zur Küstenkette nirgend mehr die
Rede ist, möglichst vermieden haben und den Elufsthälern als einziger Strafse in
diesem unwegsamen Berglande gefolgt sein werde. Diese kennen wir bis jetzt nörd-
lich von Olti nur erst in den allgemeinsten Zügen ^), nur eben so weit, um auch
unser Bedenken gegen einen Thalweg von vielleicht 18, höchstens 20 d. Meilen
der jene 12 Tage ausgefüllt haben müfste, nicht zu verschweigen. Gleichwohl
bleibt diese Annahme, da auch unter den Chalybem die Kämpfe fortgedauert und
viel Zeit weggenommen zu haben scheinen, indem ihre Wohnart in Bergfesten gans
der der Taocher gleichgestellt wird, natürlicher als die einer neuen südlichen
') Aach bei diesem Phasis kann in der geographischen Vorstellnng und dem
d&ranf allein in Ermangelung von Führern gegründeten Plane der griechischen Heer-
führer, wie beim Euphrat der Käme mitgewirkt haben : hielt man ihn irrig für den
bekannten kolchigchen Phasis, so glaubte man durch Verfolgung desselben an
den Pontns zu gelangen, bis man endlich durch die bestimmt sich kundgebende
Wendung nach Osten« in die Engschlnchten des die Ebenen von Basean und Ararat
scheidenden Gebirges hinein, eines anderen belehrt wurde.
') Hamilton, Researchet in Asia Minor, Yol. I. p. 202.
'*) Die russische Becognoscimng im letzten orientalischen Kriege, in ihren De-
tails bis jetzt noch nicht veröffentlicht, scheint gerade in dieser Gegend den von
Koch 1843 gesammelten Kotizen kaum etwas erhebliches hinzugefügt zu haben;
anch neuere Privatberichte sind meines Wissens nicht erschienen.
35 •
n
54g H. Kiepert:
Antbiegnng in das uns historisch bekannte Chaljber-Qebiet, d. h. surfick anf das
eben Terlassene 6000 FuTs hohe Plateanland. Wir dürfen also annehmen, dais
Chalybien weni^tens tu jener Zeit noch nicht anf jenes Hochland besehrinkt
war, sondern mit seinem nördlichsten Theile weit in das tiefere Tschomk-Qebiet
hinabreichte. Namen bieten hier allerdings keine Anknüpfong, wenn anch ihie
Wiederanffindnng in einem noch so wenig durchforschten Gebiet keineswegi
undenkbar ist; nicht unbedenklich erscheint mir die Henumehung des Namcoi
Ochal, in Moses Geographie ein Gau der Taikh, den der armenische Historiker
Lazar von Pharb (p. 253, 54 der Mecbitaristen-Ausgabe) etwas unbestimmt is
der Nähe yon Basean erwähnt.
Gesicherter wird nun die Beantwortung der einzigen noch offenen geogia-
phischen Frage : der zwischen den Chaljbem und Skythinen angegebene Flnls Har-
pasos kann, wie auch Koch und Blau gesehen haben, kein anderer als der
Tschoruk sein, den wenigstens Plinius unter dem wenig abweichenden Namen
Apsaros kennt; nur die Angabe der Breite Ton rollen 4 Plethren (400 Fuls) ist
nach der Meinung Koch's, der ihn abwärts bis Pertakrek verfolgte, auch dort
noch viel zu grofs — genaue Messungen giebt leider weder er noch Hamilton,
der den Strom nur weiter oberhalb, bei Ispir, berührte ')• In dem befreundetes
und wärmeren Skythinen- Lande vom ELarpasos an und, was der Autor aHerdingi
nicht sagt, was aber für jeden der die Natur des Landes beachtet selbstver-
ständlich ist, in dessen Thale fort, darf ein etwas beschleunigter Marsch, etwa ra
2} d. M. auf den Tag angenommen werden, so dafs die 8 Tagemarsche di«
Distanz von 18 — 20 d. M. zwischen der Einmündung des Olti-Su in den Tseho-
ruk und der Baiburt- Ebene (Gymnias) gerade ausHiUen. Auch die dorfreiiie
Ebene, welche in der Mitte, 4 Tage von jedem Endpunkte, als Buheplatz dei
Heeres erwähnt wird, findet sich an der bezeichneten Stelle, als einzige den
Namen einer Ebene verdienende Erweiterung des Tschoruk -Thaies zwischen der
Baiburter und der Küsteuebene '), rings um den, der ganzen mittleren Thalland-
schaft gleichnamigen Ortibpir. Dieser Name selbst aber, uralt wie die meisten
Gaunamen dieses Berglandes, als königliche persische durch ihre Groldbergwerke
werthvolle Domäne unter den Namen Syspiritis und Hyspiratis schon dem
Greographen Strabon» in der verkürzten Form Sper den armenischen Autoreo
bekannt, liefert eine auffallende Bestätigung der von uns ganz unabhängig davon
ermittelten Marschlinie. Denn zwar nicht in der zenophontischen Erzählung selbst»
sondern in dem aus anderer, doch nicht weniger glaubwürdiger Quelle (wahrschein-
lich der Anabasis des Mitstrategen Sophaenetos) hinzugefügten Epilog, im summa-
rischen Verzeichnifse der durchzogenen Länder und Völker erscheinen neben
den Phasianen auch dieHesperiten, wogegen die Skythinon fehlen. Es liegt
daher nahe, den Namen Hesperitae (welche frühere Erklärer mit sprach-
widriger Ableitung vom griechischen Hesperos für Bewohner West-Armenieni
haben ausgeben wollen) entweder für eine Nebenbenennnng oder für eine spe-
cielle Abtheilong der Sky thinen zu erklären ; jedenfalls geht allein schon aus ihrer
') Oder sollte X. beim Niederschreiben die Breitenmafse des Phasis und Hsr-
pasoa verwechselt haben?
*) So nach Koch 's mündlicher Mittheilung, denn weder er noch Hamilton
sprechen sich in ihren Reiseberichten über die dortige Thalbildung genauer aus.
Zur Erklärung des Rückzugs der Zehntausend. 549
Kenniuig, for die sonst gar keine Veranlassung vorlag, das herror, dafs die Ghrie-
chen das Land durchzogen haben müssen, welches noch jetst ihren Namen be-
wahrt Sie näher an die Phasianen zu rucken» weil sie unter demselben Satrapen
standen und die zwischenwohnenden Taocher und Chalyber als frei von persischer
Herrschaft bezeichnet werden, ist gar nicht nöthig: nichts ist auch in heutigen
orientalischen Reichen häufiger, als aufständische oder wenigstens keine Steuer
zahlende Bergdistricte inmitten der Grenzen eines Paschalyks. Ja es wäre leicht
möglich, dafs jene Skythinen nichts waren als eine dem grofsen, in Tielen
Stämmen als Soldtruppen im Perserreiche dienenden Skythen volke angehorige,
Yon den Königen zum Schutze des erwähnten Bergwerkdistricts hier an<^esiedelte
Colonie und dafs daraus das spätere Verschwinden ihres Volksthums und selbst
ihres Namens sich erklärt, während der uralte Name Sper, Ispir sich behauptete.
So lebhaft ich auch von der Berechtigung dieser meiner ganzen Ansicht
überzeugt bin, so würde ich es doch für unbescheiden gehalten haben, sie an
dieser Stelle gewissermaüsen als Widerlegung der fast durchaus entgegengesetzten
meines geehrten Correspondenten geltend zu machen, hätte nicht derselbe die
directe Aufforderung dazu, ja die ausdrückliche Erlaubnifs, seinen Aufsatz dem
Interesse der Zeitschrift entsprechend zu modificiren und selbst zu kürzen, brieflich
Aasgesprochen, welches ich hier zur Rechtfertigung meines Verfahrens auszu-
sprechen nicht für überflüssig halte.
Wir lassen noch eine letzte Mittheilnng unseres geehrten Correspondenten
folgen, die er selbst nur als Hypothese gelten lassen will ; sie betrifft ein benach-
bartes Feld, auf das sich seine persönlichen Wahrnehmungen nicht erstreckten,
während er doch öfters Gelegenheit hatte, von erfahrenen Bewohnern desselben
Nachrichten einzuziehen. ')
V
Ueber die wahrscheinliche ältere Form des Wan-Sees.
Ganz entschieden ist das Wasser des Wan-See^s seit Jahrhunder-
ten in fortw£hrendem Steigen begriffen, dem nur selten durch meh-
rere aufeinanderfolgende trockene Jahre Einhalt gethan wird, wo es
dann sogar manchmal, am meisten an den sehr flachen nordwestlichen
Ufern sichtbar, zurücktrat. HierfSr zeugt, dass im See selbst in alten
Zeiten mehr Insebi vorhanden waren alsjetz^; so wie dafs die heutige
Insel Aghtamar, von welcher erst neuerdings wieder eine frühere Land-
zunge durch das steigende Wasser abgetrennt wurde, von alten armeni-
schen Schriftstellern als Halbinsel erwähnt wird, was auch die jetzige
Insel Gdnts noch vor 50 Jahren war. Das allm&hlige Steigen läfst
sieh zusehends an dem flachen Nordostufer wahrnehmen; Greise aus
*) Noch möge bei dieser Geleganheit ein im zweiten Artikel, Ende der S. 161
stehen gebliebener Druckfehler berichtigt werden: statt 10 soll es 20* R. heifsen.
550 Wilh. Streck«r:
Wan yersicherten mir, dafs dort die StraÜBe om den See, so Iftoge mt
sieh erinDem können, immer mehr landeinwärts veriegt werden mnfete
ottd dasselbe hatten jfingere Leute seit 20 — BO Jahren sa beobachten
Gelegenheit'). Consnl Brant scheint seine Reise am den See 1838
grade nach einer Reihe anfeinanderfolgender trockener Jahre anter-
nommen zu haben and best&tigt vielleicht auch indirekt meine An-
gabe darch die Aussage, dals ihm damalige Anwohner des Sees,
welche das dem momentane Fallen vorhergehende Steigen nicht geimg
beachtet haben mochten, mittheilten, dafs der Seespiegel abwechselnd
steige and falle. Seitdem hat das Wasser die unterbrochene Arbeit
energisch wieder aufgenommen; der alte Ort Arcyisch ist fast gans
unter Wasser gesetzt; ein ifanliches Schicksal steht Adeldjiwas be-
vor, dessen Mauern schon halb unter Wasser stehen, und es ist
wohl möglich, dafs sich einst in der Nfihe dieses Ortes, wie awaniig
Jahr früher dem Consul Ri ch iu Mosul erzählt wurde, die Ruinen
einer grofsen Stadt vorfanden, welche nun unter den Fluthen des
Sees begraben sind. — Die Anwohner behaupten und arabische Schrift-
steller (?) scheinen zu bestätigen, dafs einst die in den nordlichen See-
winkel mundenden Flüsse Ardjisch und Bendi-Mahi, eine ausgedehntere
Ebene durchströmten, die jetzt von den Wassern des Sees bedeckt
ist Ebenso nähert sich auch der See seit langen Zeiten immer mehr
der Stadt Wan selbst; das sie umgebende flache Terrun ist fast ganx
versumpft, Fischer binden ihre Nachen an aus dem Seespiegel hervor-
ragende Baumstämme, die Brunnen geben kein* trinkbares Wasser
mehr und Grandbauten sind mit grofsen Schwierigkeiten verbunden*)
So konnte, selbst ohne die Mitwirkung der in diesen Regionen
so häufigen Erdbeben, allein durch die langsame aber beständige Ver-
mehrung des Wasserzuflusses ohne entsprechende Abnahme durch Ab-
flufs und Verdunstung, (welche in der kühlen Temperatur einer Höhe
von 5000 Fufs trotz der Grölse des Seespiegels nicht bedeutend ist),
eine früher bestandene Festlandverbindung ^ zwischen den vom Nord-
und Ostufer vertretenden Landspitzen endlich überstiegen und die jetit
bestehende Wasserverbindung zwischen der nordöstlichen Bucht von
Ardjisch und dem gröfseren Seebecken, an welchem Wan liegt, her-
*) Alle diese Thatsacben best&tigt — stiin Tb eil vörtlicb, als wiren sie der-
selben Quelle entnommen — der einzige gebildete Reisende der in neuerer Zeit den
See selbst besucbt und seine Umgegend nftber erforscht bat, der gelehrte Mechitarist
Nerses Sarkisean in seiner armenisch geschriebenen und 1864 in Venedig ge-
druckten Beschreibung seiner Reise von 1848, S. 274. Vergl. auch Herrn Strecker'«
Bericht in Petermann's Hitth. 1863. S. 269. Kiepert.
*) Die heutige Stadt Wan scheint erst nach der ZerstSrnng der älttfen durch
iUe Pener im Jahre 1425 Tielleicht auf einer anderen Stelle angelegt sa sein.
üeber die ältere Fotm dies Wan-Sees. 551
feslellt worden sein. Tiefenmessangen könnten die Zal&Bsigkeit dieser
Hypothese erentaell bestätigen, würden ihr aber auch wegen der Mög-
lichkeit der Mitwirkung von Erdbeben nicht unbedingt widersprechen,
wenn sie eine gröbere Tiefe herausstellten. Jedenfalls aber ergäbe
sich damit eine einfache Erklärung fSr die Aussage der Alten von den
xwei durch einen Bergrucken getrennten, durch unterirdische Spalten
aber wieder mit einander communicirenden Seen des armenischen Hoch-
landes, dem entfernteren Arsissa (See von Ardjisch) und dem grös-
seren Thospitis (See von Wan oder Tosp der Armenier), welche
aan als Qnellseen des angeblich daraus wieder durch unterirdische
Ganale unterhalb des Taurus hervorbrechenden Tigris ansah').
Von diesem unterirdischen Abflufse erz&hlt eine heute unter den
Anwohnern viel verbreitete Sage, dafs das Wasser des Sees einst durch
ein sichtbares Loch in die Berge im Süden abflofs; Hirten von den
Nomadenstfimmen hätten dasselbe, neugierig zu erfahren, was denn
saehher geschehen wurde, verstopft und nach mehreren Tagen an den-
') So einUdend dieser immerhin scharftimiige Erklftnmgsversucb klingt, so halte
ich ihn doch nicht fUr unbedingt nothwendig — wenigstens einer sehr scharfen Con-
dolle an Ort nnd Stelle bedOrftig — , um die Bedingungen der Möglichkeit jener
Annahmen festzustellen. Die Alten machten es sich bekanntlich , wie die meisten
Naturvölker noch jetzt, sehr leicht mit diesen beständig sich wiederholenden Erz&h-
tangen von unterirdischem Zusammenhange der Gewisser, wozu freilich die Ghriechen
durch das häufige Vorkommen solcher Natnrformen in den Kalkgebirgen ihres Vater^
landes die natürliche Anregung erhalten hatten. Anderseits sind sie über die topo-
graphischen Verhältnisse dieses schwerzugänglichen armenischen Binnenlandes, selbst
ftt der ersten Kaiserzeit, wo es schon mehrmals von römischen Heeren war durch-
zogen worden, sehr unvollkommen unterrichtet, wie namentlich ein Blick auf die ptole-
mäiache Karte (um 1 20 n. Chr.) zeigt, in welcher die beiden in derThat zusammenhängen--
den Seen Arsissa« und Thospitis (beide Kamen in dieser richtigen, der armenischen ent-
^rechenden Form nur in diesem Autor) um volle 4 Längengrade von einander ab-
stehen! und wieder, wie ich an dieser Stelle nur erwähnen will, aber nicht weiter
ausfuhren kann, an den Ufern beider Seen vertheilt eine Reihe von Ortsnamen,
welche in der Tbat nach einer von Indjidjean angeführten Heiligenlegende ganz nahe
zusammen an das südliche und östliche Ufer des grofsen Wan -Sees gehören und
dort, wie Nerses Sarkisean's Reise erwiesen hat, zum Theil noch jetzt bestehen: ein
klarer Beweis, dafs die Trennung beider Seen unter verschiedenen Namen, wie
sie Ptolemäus vielleicht schon in den von ihm benutzten Quellen vorfand, auf einem
Mifsverständnisse des combinirenden Kartographen beruht. Die Seenamen bei Stra-
bon und Plinius (Thopitis nnd Thespitis, Arsene und Aretissa) sind conrumpirt, aber
nicht genug, um nicht die Identität mit den oben genannten erkennen zu lassen :
trotzdem wäre es möglich, dafs dem letzteren noch eine Verwechselung mit dem,
im Alterthume vielleicht ähnlich benannten See von Artschag östlich von Wan
zu Grunde läge; wenigstens würden auf ihn, der hoch über dem Wan- Spiegel und
in der That durch eine Bergkette davon getrennt liegt (Blau in Petermann's Mit-
theilungen 1863, S. 209) alle jene Angaben besser passen und selbst von dem nach
Blan's Beschreibung ihn umgebenden von zahllosen Vogelschwärmen bewohnten Röh-
richt scheint sich eine Spur in dem Namen des Ortes erhalten zu haben, den Plinius
•n die oberste Tigrisquelle setzt: Elegosine, was nichts anders sein kann als das
armenische Wort elegcuchSn d. i. von Rohr gebaut. Kiepert.
n
552 Wilh. Strecker: Ueber die altere Form des Wan-Sees.
selben Platz zarackgekehrt , selbst das Loch nicht wieder anffinden
können, weil es schon anter Wasser gesetzt gewesen, das nun seit^
dem immer steige. Andererseits weifs man, dafs an den Südh&ngen
der den Wan-See südlich begrenzenden Gebirge einige starke Qaell-
bfiche des Tigris, sofort mit grofser Wassermasse ans dem Gestein
hervorbrechen und fSr Abfiusse des Sees gehalten werden.
Das Wasser des Sees ist laugen artig und scheint hauptsfichlich
kohlensaures Natron zu enthalten; die Anwohner benutzen es zum
Reinigen der Wäsche, denn es nimmt den Schmutz sehr schnell fort,
färbt aber die Wäsche, die desshalb zur Vollendung des Reinigungs»
Prozesses noch einmal fluchtig eingeseift und dann ausgespült wird.
Das in flachen Gräben — nach Art der Seesalzgewinnung — durch
Verdunstung gewonnene Residuum bildete einen Handelsartikel und wird
auch in Wan selbst in einer von einem Arzte neuerdings angel^^n
Seifenfabrik benutzt.
Wenn nach Plinius der Tigris in alten Zeiten die Seen durch*
flofs ohne sein Wasser mit dem ihrigen zu vermischen, so mufs das
letztere einst viel mineralhaltiger gewesen sein als jetzt, wo eine be-
deutende Verdünnung in Folge der starken Vermehrung seines Volu*
mens statthaben mufs. — Erwähnenswerth ist, dafs einige zwischen
der Insel Aghtamar und dem Orte Tadwan im See befindliche, hochauf-
spritzende Strudel trinkbares und sehr kaltes Wasser enthalten, welches-
von den Fischern häufig benutzt wird.
Es fällt mir nicht ein, durch obige Begründung meiner Hypothese
den wirklichen Beweis für die Richtigkeit der bisher in das Reich der
Fabel verwiesenen Angaben der Alten liefern zu wollen, doch hielt
ich es der Mühe werth, was ich erfahren in obiger Form mitzutheüen.
Einen gewissen Werth hat ja ohnedem Alles, was über so abgele-
gene Gegenden bekannt wird.
Gonstantinopel, August 1867. W. Strecker.
Ö53
Miscellen.
Die Great Southern Railway der Oolonie New South
Wales in Australien.
Am 27. Mai d. J. wurde, unter aufBerordeDtlichen Feierlichkeiten, die £isen>
bahnstrecke Ton Marulan nach Gonlbonm, in der Länge von 15 Miles, eröffnet*
Damit ist die letzte Strecke der grofsen Südbahn, so weit diese bis jetzt vom
Parlamente bewilligt, vollendet und erreicht, Ton Sydney auslaufend und in Goul-
bam endend, die Länge Ton ISO Miles, welche in 6 Stunden zurückgelegt wer-
den. Es dürfte von Interesse sein, wenn ich einige officielle Notizen über diese
höchst wichtige und zugleich längste Bahn der Colonie Neu-Süd-Wales, hinzufüge.
Es sind nun 23 Jahre her, als sich eine Gesellschaft, an deren Spitze der spä-
tere Premierminister und Honorable Mr. Charles Cowper stand, bildete, welche
den Bau einer ersten Eisenbahn (nicht blos in dieser Colonie, sondern überhaupt
in Australien) von Sydney nach Goulboum projectirte. Die Vermessung wurde in
Jahre 1848 vollendet. Die Compagnie constituirte sich mit einem Capital voo
anfänglich nur £ 100,000, wobei die Colon iai- Regierung auf die ersten 10 Jahre
die Verpflichtung einer Zinsgarantie von 5 pCt. für je £ 6000 pro Mile übernahm.
Am 3. Juli 1850 wurde der ersten Spatenstich gethan. Als aber im Jahre 18dl
die Bathurst Goldfelder entdeckt wurden, lief alles davon, und der Bau mufste
bis auf Weiteres sistirt werden. Die Regierung beschloIJB, fünfhundert Eisenbahn-
arbdter aus England kommen zu lassen, die denn auch im Jahre 18o3 wirklich
eintrafen. Im Jahre 1855 ging die Bahn durch Kauf in den Besitz der Colonial-
Begierung über, indem das bisher verwendete Capital mit einem Bonus von 7 pCt.
zurückgezahlt ward. Die Gesammtkosten der Südbahn, incl. Betnebs-Ihventarium
beUufen sich auf £ 2,141,750 (14,563,900 Thlr.) oder £ 16,475 (13,180 Thhr.
pro Mile. Am 31. December 1868 hatte die Colonie Neu-Süd-Wales überhaupt
für Eisenbahnbauten die Summe ven £ 5,222,248 (34,622,217 Thlr.) verausgabt.
Auf dem Mittagong Range läuft die Südbahn durch einen Tunnel in der Länge
von 539 Yards, nachdem sie kurz zuvor einen Durchstich passirt, dessen aus-
gezackte Felswände die Höhe von 70 bis 80 Fufs erreichen. Bei Vine Lodge ist
mit 2240 Fufs der höchste Punkt erreicht. Bevor man Marulan (115 Miles von
Sydney) erreicht, führt ein schöner, aus Stein aufgebauter Viaduct über Barber s
Creek, und wenige Minuten vor Goulboum ein zweiter über den Mulwarree
Sumpf.
Es mag am Platze sein, hier einige Bemerkungen über Goulboum und Um-
gegend beizufügen. Man nennt in Nen-Süd- Wales Goulboum die Metropolis of
ihe South, wie Bathurst jenseit der Blue Mountains die Metropolis of the West.
Obgleich es gegenwärtig erst 4000 Einwohner zählt (nach dem letzten Census
3241), so steht ihm doch, .als Centralpunkt des Südens, in Folge dieser Eisen-
bahnverbindung, eine grofse Zukunft bevor. Die Stadt ist der Sitz eines Bischofs,
hat einen Civil-Gerichtshof und ein Polizei-Gericht, mehrere Banken, zwei Zei-
toDgen, verschiedene Dampfmühlen, Gerbereien und zahlreiche Hotels jeden Ran-
1
554 MtfceUen :
ges. Die in nnmittelbarer Nälie bei Lockyeraleigh befindlichen KnpfeilBger kön-
nen jetst bergmännisch bearbeitet werden, und aaf Gold wird bekanntlich an meh-
reren Orten dieses Districtes mit gotem Erfolge gegraben. Die nnter dem Namen
Sonthem Diggings bestehenden Groldfelder lieferten in den letzten drei Jahren
einen Gtesammtertrag — so weit dieser sich durch die Escorte feststeHen BUst —
Ton resp. 88,810, 68,941 und 83,518 Unsen Qold. In Sntton Forest, südlich
Tom Mittagong-Gebirge, ist an der Bahn in neuester Zeit ein Kohlenlager aofge-
fnnden worden, das jetzt ebenfalls grofse Bedeutung erlangt
Das Land zwischen Ooolboum und Yass (südwestlich am Murrumbidgee R.),
dessen Boden sich für Agrieulturzwecke aufserordentlich eignet, wird nunmehr
mit gutem Nutzen von den Farmern ausgebeutet werden und die südlich gelegenen
reichen Ackerdistricte von Braidwood und Queanbeyan können ihren Ertrag nunmehr
nach Goulboum auf die Eisenbahn schaffen. Die überflüfsigen Farm- nnd Garten-
producte des reichen Sfidens, welche bisher, der grofsen Transportkosten wegen,
so gut wie werthlos waren, werden in Sydney guten Absatz finden, und es dfirits
nicht lange w&hren, bis die Colonie Sud-Aostralien und America mit ihrem
Weizen und Mehl und Tasmanien mit seinen Frachten und Yams vom Sydnej-
Markte völlig rerdrüngt werden. Der Hauptrerkehr der Bahn wird zunächt in Vieh,
Wolle, Waizen und anderen Fannproducten bestehen.
Die Verlängerung der Sfidbahn bis Albury am Murray R., ungefähr 200 M.
Entfernung, ist nur noch eine Frage der nächsten Zeit, und unterliegt es wohl
keinem Zweifel, dafs schon das nächste Parlament, dessen Neuwahlen Ende dieses
Jahres stattfinden, die Mittel für den Weiterbau, wenn auch nur streckenweise,
bewilligen werde. Dann ist Sydney mit Melbourne, von ^o jetzt eine Bahn nsch
Belvoir am Murray River, Albury gegenüber, gebaut wird '), durch Eisenbahn ver-
bunden. Bevor ich diesen Bericht schliefse, möge noch erwähnt werden, dafa
wenige Tage vor Eröfinnng{der Goulboum Bahnstrecke auch die Nord-Eisenbahn,
welche von Newcastle ausläuft, um die Strecke von Singleton nach Musclebrook
verlängert wurde. — ff —
Poweirs Erforschung des Green River.
Wir entnehmen amerikanischen Zeitungen (der New Yorker illnstrirten von
F. Leslie und der New Orieanser wöchentlichen deatschen Zeitung) Folgendes
über hydrographische Forschungen im Westen der Vereinigten Staaten.
Der Rio Colorado, welcher in den califomischen Meerbusen mündet und auf
einer weiten Strecke die Grenze zwischen Arizona und Catifomien bildet, ist in
seinem unteren Laufe von Dampfern befahren worden und zwar bis Colville, welches
circa 300 englische Meilen von der Mündung entfernt an der Stelle liegt, wo
der Flnfs nach grofsen Biegungen gegen Südost und Nordwest plötzlich eine snd-
afidöstliche Richtung annimmt. Er wird ans zwei Armen gebildet, dem Grand
>) Tergl. d. Zeitschrift Bd. IV. p. 281.
Powell*8 Erfonehmig des Green Biver. 555
Eifer (Rio Grande), der tefne Quellen in Colorado an dem Westabhan^ der
Sierra Mojada hat, und dem betrachtlicheren Green River, spanisch Rio Verde oder
K. Colorado genannt, der in Idaho südlich Tom Fremonts Pik im 'Windriver-
gebirge entspringt.
Beide sind nur erst theilweise n&her bekannt; die Erforschung des Green '
River hat im vergangenen Sommer Col. W. H. Powell mit circa 20 Begleitern
nnternommen, dessen erster Bericht aus dem Lagerplätze am Red Caüon des
Green River, 3. Juli 1869 datirt war.
Powell schaffte einige, fBr die äufserst gefahrvolle Expedition besonders ein-
gerichtete Boote nach Green River City, einem armseligen Orte in Öder Gegend
an der Union Pacific -Bahn und begann von dort am 24. Mai seine Fahrt.
Am 27. Mai kam er an der Mündung des Henry's Fork vorüber, der von
Westen einfliefst, und bekam dann die steilen Mauern der «flammenden Schlucht*
in Sicht; sie bildet den Eingang zum oberen Cafion *) des Green River, der aus
rothem Sandstein besteht und 1200 Fufs Höhe hat. Der Flufs strömt durch
diese enge Schlucht auf einer Strecke von etwa 50 englischen Meilen und be-
sitzt vielfach gar kein Ufer, auf das man auch nur einen Fufs setzen könnte.
Dann und wann trifft man jedoch auf sandige Uferstreifen, wo dann Pappeln,
Erlen und wilde Reben wachsen. Wo das Wasser ruhige Stellen hat, sind wilde
Gänse häufig* Vom Eingänge her fliefst das Wasser eine Strecke weit ganz
langsam, wird aber nach und nach rascher und bald nachher reifsend wie ein
Bergstrom; dann tritt eine Reihenfolge von Stromschnellen und Katarakten auf,
und im Flufsbette ragen viele Felsen über den Wasserspiegel empor.
Am 30. Mai war Powell an einer Biegung angelangt, welche er Beehive
Point (Bienenkorbspitze) benannte, weil die oben gewölbt vorspringende Felswand
eine Menge höblenartiger Löcher zeigte. Dort hatten unzählige Schwalben ihre
Schlammnester angeklebt; sie selbst nahmen sich von unten gesehen wie
ein Bienenschwarm ans. Diesem Felsen gegenüber erheben sich mehrere
Terrassen übereinander bis zu etwa 1500 Fufs, aus rothem Sandstein bestehend,
deren Flachen und nicht steile Abhänge mit Fichten bewachsen sind. Einen an-
matbigen Anblick gewährte eine Heerde von wilden Bergschaafen, die auf einer
Terrasse von etwa 300 Fufs Höhe über dem Flusse wie in Reihe und Glied stand.
Alle Thiere hielten sich ruhig; plötzlich aber machten sie Kehrt, wie eine gut
gedrillte Compagnie Soldaten. Sie sind gröfser als unser Hausschaaf; ihr Fleisch
ist vortrefflich; aber sie sind schwer zu schiefsen.
Am 31. Mai wurde die Fahrt immer schwieriger, denn der mit Felsen gleich-
sam besäete Strom machte viel Wirbel und die Stromschnellen wurden immer
rtiftender. Ueber manche derselben mufsten die Boote vermittelst starker Taue
kiaabgelassen werden.
*) Mit diesem spanischen Worte Ar „Röhre" werden in den westliehen Staaten
dis «Bgeheuer tiefen und engen Schluchten bezeichnet, welche die FIttsse durch-
strömen, und deren steile Abhänge oft die Höhe von 2000 Fufs und mehr erreichen.
[
5^ MiBcelleii:
Am 1. Jani war Powell vor dem ersten wirklichen 14 Fafs hohen Kntankie;
auch hier muTsken die Boote an Tauen herabgeUasen werden.
Inzwischen ist die Nachricht eiogetroffen, dafs Powell am 20. September in
Chicago angelangt ist, nachdem er die Cauon's bis zu den Ebenen Arizona'a
an 300 Wasserfalle von 6—20 Fafs Höhe passirend glücklich durchfahren hat.
Oefters wurden dabei die Boote umgeworfen, so dafs schliefslich alle Instra-
mente zerbrachen und ein grofser Tbeil der Papiere verloren ging. An
einzelnen Stellen» wo der Flnfs starke Biegangen macht, fanden die Beisenden
tief ausgetretene Pfade an den Felswänden, welche vom Flusse nach der Höhe
ftthrten zu Ruinen, die, nach den Dimensionen derselben und noch Torhandenen
Geräthschaften zu schliefsen, einst von einer zwergähnlichen Menschenrasse be>
wohnt gewesen sein müssen. Das Land ist pittoresk, aber von geringem Nutzen.
Vorherrschend waren eisenhaltige und Sandsteinformationen. Granit wurde nur
dreimal in geringer Ausdehnung gesehen. Auch von Gold oder Silber wurden
keine Spuren entdeckt. R. K.
Die Insel Juan Fernandez.
Die Insel Juan Fernandez, bekannt durch Alezander Selkirk's (des söge*
nannten Robinson Crusoe) langjährigen Aufenthalt daselbst, hat kürzlich ein
neues Interesse gewonnen, indem sie im December 1868 in den Besitz einer
Gesellschaft von Deutschen unter der Leitung des Ingenieurs Robert Wehrhin
aus Sachsen übergegangen ist Wehrhan verliefs Deutschland vor elf Jahren,
lebte darauf mehrere Jahre in England, worauf er nach Amerika ging und
daselbst den Krieg gegen die Secessionisten als Migor mitmachte, nach dessen
Beendigung er als Ingenieur in die Dienste der Cerro de Pasco-EisenbahngeseO-
schaft in Südamerika trat. Er hat nun mit seiner aus 60 bis 70 Köpfen bestehen'
den Gesellschaft Besitz von der Insel Juan Fernandez genommen, die als im höch-
sten Grade frachtbar und lieblich geschildert wird. Bei ihrer Ankunft fanden die
neuen Ansiedler auf derselben unzählbare Ziegenheerden, etwa 30 halbverwilderte
Pferde und 60 Esel, welche letztere ungemein schlau waren. — Die Gesellschaft
hat Kühe und anderes Rindvieh, Schweine und zahlreiches Federvieh, sowie alle
nur möglichen Arten von Ackergeräth, auch Boote und alle zum Fischfang erfor-
derlichen Werkzeuge mit sich genommen, nm für die verschiedenen den dortigen
Zwecken entsprechenden Beschäftigungen vorbereitet zu sein. Die Grotte, die
durch Selkirk's Aufenthalt zu einer Berühmtheit geworden, und welche in
einem geräumigen Thale liegt, das mit verwilderten Rüben (ein vortreBTliches
Futter für die Schweine) ganz überwachsen ist, hat man dem Chilenen
zur Wohnung fibergeben, der von der Gesellschaft mit der Aufsicht des Viehes
betraut ist, und befindet sich derselbe daselbst sammt seinen Schützlingen sehr
wohL Juan Fernandez ist eine von den Stationen^ auf denen sich Walfiachfänger
mit frischem Wasser und Holz versehen. K— au*
Erdbeben in Chodjend nnd Ta«chkend. 557
«
Erdbeben in Cbodjend und Tascbkend.
.Obwohl ich', sagt der öfter in dieser Zeitschrift erwähnte mssische Reisende
Mwertof, ,bei allen meinen geologischen Untersuchungen im Thian- Schau nir-
gends ?om Ostende des Issyk-Kul bis Taschkend auf rulkanische Forma-
tionen gestofsen bin, und ebensowenig Herr Ssemenof in der jetzigen 8semi-
retichinsker Pronnz, so sind Erdbeben in jenen Gegenden doch keine Seltenheit**
Man ma£i sogar sagen, dafs sie, wenigstens in den loteten zwei Jahren und ih
-dar Gegend von Cho^Jend, sehr häufig auftraten, am h&ufigsten aber in dem durch
Erdbeben überhaupt so ausgezeichneten Jahre 1868, und dabei das eine nicht nur
ÜMt gleichzeitig mit den furchtbaren August-Ereignissen in Südamerika, sondern
•aoch in einer Weise, die mit neueren Theorien über die Entstehung der Erd~
beben gut zusammenstinmien würde. Es wurden in der Zeit vom August 1866
bis December 1868 in Chodjend und Umgegend überhaupt 9 Erderschüttemngen
wahrgenommen, von denen 7 allein in das Jahr 1868, und 5 nur in die Monate
Juli bis November desselben (allen. Berichte über diese Naturerscheinungen in
Innerasien verdanken wir dem russischen Commandanten von Chodjend, dem
Obersten Fawitaki, der sie so kurzge&fst, wie wir sie im folgenden wiedergeben
werden, an die K. B. Gkogr. Gesellschaft zu St. Petersburg einschickte'). Das
erste Erdbeben, das der Berichterstatter in der neuen Garnison erlebte, ereignete
sich in der letzten Woche des August 1866 etwa 4 Uhr Nachmittags, des Datums
kann sich der Oberst nicht mehr erinnern, wie er auch, in der Citadelle besch&f-
ügt, Erde feststampfen zu lassen, die Erscheinung selbst gar nicht wahrgenom-
men hat, ein Beweis, daft dieselbe nur schwach war. Nicht stärker war das
i;weite Erdbeben, welches etwa um 1 Uhr in der Nacht vom 11. zum 12. No-
vember 1867 (neuen Stils, wie bei aDen hier «rorkommenden Zeitangaben) in einer
Dauer von 3—5 Seeunden stattfand nnd auch in Ura-Tübbe (60 Werst »8^ 111.
von Chodjend) bemerkt wurde. Nun die Erdbeben des Jahres 1868. Das erste
"derselben fiel in der Nacht vom 21. zum 22. Februar etwa 12} Uhr vor, begann
oit einem leichten Schlage nnd hielt 3 — 5 Seeunden an, indem die Erde in der
Richtung von Nord nach Süd schwankte (eine Angabe, die hier und im folgen-
4en wohl nur als summarische gelten kann). Es wurde ebenfalls in Ura-Tübbe
beobachtet. Die folgende, sehr heftige, anhaltende und zerstörende Erderschfitte-
rung ereignete sich am 4. April 2 U. 10 Min. Morgens. Sie begann mit einem
leichten Schwanken von Nord nach Süd, welches 5 — 7 Seeunden anhielt, dann
folgte plötzlich eine ftirchtbare, aber vollständig ebenmäfsige Erschütterung in einer
Dauer von 5—7 Seeunden und darauf ein ähnliches Schwanken wie am Anfange
^er Erscheinung, welches bei einer Dauer von 10 — 12 Seeunden allmählich schwä-
cher wurde. Donnerschläge waren nicht hörbar. Menschen und Thiere wurden
aus dem Schlaf aufgeschreckt Häuser bekamen Risse oder stürzten ein. In den
Bächen trat das Wasser über die Ufer. Auf dem Tische des Berichterstatters
fiofs aus einem Glase Wasser etwa ein Drittel des Inhalts über. Ebenso stark,
1) Abgedruckt in den Iswestija der K. R. Geogr. Ges. Bd. IT., 2, S. 291 u.
S. 401.
5^ MMMttea:
wie hier, war diefles Erdbeben in Ura-Tfibbe und namentUchy woYon wir nnlen
sprechen werden, in Tudikend. In Chodjend ereignete sich das dritte Erdbebes»
des Jahres 1868 am 15. Juli 8} Uhr Moigens. Es begaan mit etnem etwa 5 Se-
cnnden langen unterirdischen Getöse nnd endigte mit einem nemlich Ahlbare»
8tofse, Ton dem die Balken in der Zimmerdecke erkrachten. Das ncrta trat aoa
17. Aagnst früh 8 U. 25 M. ein nnd währte nngefiUir 5 Secnnden, das Schwan-
ken der Erde war ein gleichmäßiges nnd ging in der Biehtang von Sfid nach
Nord, ohne von besondem Erscheinungen begleitet sn sdn. Die beiden letat-
erwähnten Erdbeben worden gleichzeitig auch in Ura-Többe verspürt. In der
Nacht Tom 11. «nm 12. November am 12} Uhr erlebte der Beriehtentatier ma
3—4 Seconden w&hrendes Erdbeben an dem 50 W. sfidKdi twi Ghodjond bsb
entdeckten Steinkohlenlager Kokine-Ssai. Die gleichmäfsigen and ziemlich merk-
baten Schwankongen des Bodens gingen in der Richtnng von Nord nach 8fM
nnd wurden gleichzeitig auch in Cho^jend nnd Ura-Tfibbe wahrgenommen. An
demselben Orte Kokine-Ssai erschreckte die Bewohner am 8. December frib
3 Uhr ein unterirdischer Schlag mit starkem, etwa 5 Secanden anhaltenden G^
tose, eine Erscheinung, die zur selben Zeit auch in Chodjend bemerkt wurde»
Am bedeutendsten war das Erdbeben, welches eine Woehe später, am 10. Dec
frfih 1 Uhr die Bewohner ron Chodjend ans dem Schlaf störte. Dasaelbe hielt
15 — 20 Secunden an und war von zwei unterirdischen Stössen in der Riehton^
Fon Nord nach Süd begleitet. Thfiren und Deckenbalken knarrten, in manche»
Häusern entstanden Sprfinge in Wänden nnd Oefen.
An diese Mittheilnngen schliefsen wir den Bericht eines oompetenteren Beob-
achters, des Mag. Ssäwerzow, der das Erdbeben vom 4; April 1868 in Tasehkend
erlebte. Die Erscheinung begann in der Ntcht um 2 U. 15 M. mit einem verti-
kalen Schwanken des Bodens. Der Reisende safs noch auf und las, unter ihm
zitterte der Sessel, der Tisch bebte, und darauf stehende Flaschen fingen
an zu wackeln, dabei war ein Geräusch hörbar, ähnlich dem Rollen eines ent-
fernten Gewitters. Diese vertikale Bewegung dauerte nur ganz kurze Zeit, 2 bis
3 Secunden. Nun aber folgten horizontale Schwankungen, welche reichlich 50
Secunden anhielten und sehr heftig waren. Zwei im Zimmer hängende Baro>
meter schaukelten wie Pendel, während umgekehrt der Pendel einer Wanduhr
(in der Wohnung des Astronomen Struve) still stand. Die Schwankungen nah-
men ebenso allmählich wieder ab, wie sie allmählich bis zur Erreichung ihres
Maximums zugenommen hatten. Die Flaschen auf dem Tische fielen jetzt sämmt-
lieh in der Richtnng nach Südwest um. Als der Reisende von draafsen das
Krachen einstärzender Mauern vernahm and mit einem Licht hinaustrat, sah er
vor allem das im Vorhause frei von der Decke herabhängende Thermometer heftig
hin und her schwingen. Die Länge dieses improvisirten Pendels betrug mit
Einschlufs der Schnur, an welcher es hing, 33 Zoll, die Breite seiner Schwingungen
etwa 18 Zoll die Richtung der letzte en ging von NO. nach SW. Dafs dies die
Jtichtnng der Erschütterung war, bewiesen auch die eingestürzten Wände der
Lehmhütten. Zusammengebrochen waren Mauern, deren Längsrichtung mit den
horizontalen Bodenschwankungen einen rechten oder beinahe einen rechten Winkel
bildete, wogegen Mauern, deren Richtung mit der der Schwankungen zusanmen*
Sitzangsbericht der Berliser geographiBchen Gesellschaft. 559
fiel, entweder mit unbedeaten les Rissen oder gant unbescliadigt daTon gekomman
wiren. Die Richtung der Schwankungen stimmte fibrigens mit der Richtung der
TMchkend snnächst liegenden Gebirgssäge. li.
Sttdamerikanische GrenzbeBtimmangen«
Die letzten Nachrichten ans Bolivien (in einer in der Stadt La Paz erscheinendeii
Zeitung) erw&hnen der definitiven Zosammensetznng einer gemischten Commissioo
ton Fachleuten sowohl Brasiliens als auch Boliviens* um sofort zur endgfiltigeii
Bestimmung und Feststellung der Grenzen Boliviens mit Brasilien zu schreiten»
Em vor Kurzem abgeschlossener Vertrag der brasilianischen Regierung mit dem
bolivischen Prisidenten Melgarijo macht beiden Theilen zur Pflicht, so schnell
wie möglich eine Angelegenheit zu beenden, die seit der Eroberung durch Spanier
vnd Portugiesen ohne Abschlnfs geblieben, und hat nun auch die peruanische Begi*»
mng sich bereit erklärt, eine Kommission zur Vertretung ihrer Ansprfiehe an den
(gemeinschaftlichen Arbeiten Theil nehmen lassen zu wollen. Die bolivianische
Regierung hat als Basis hierzu in Vorschlag gebracht, von dem Zusammenflufs
der Flflsse Marmor^ und Beni, den QneUflüssen des Madera» die Grenze bis zum
Flusse Tavar^ zu ziehen, was allseitig angenommen ist v. C.
Sitzung der geographischen Gresellschaft zu Berlin
yom 6. November 1869.
Vor Uebergabe der eingelaufenen Geschenke legt der Vorsitzende, Herr
Bastian, einen vom hohen Bundeskanzler- Amt eingesandten Bericht nebst Karte
über eine zur Auffindung der Spuren Leichhardt's unternommene Expedition von
Die letztere Expedition, der schon zwei andere vorhergegangen waren, wurde von
Ferih in West-Australien ans unternommen und von Herrn Forest geführt Man
durchreiste ein Gebiet, dessen Areal dem des Königreichs Bajem gleichkommt,
doch war die Expedition erfolglos. Der bezügliche Bericht wurde von Herrn Koner
▼orgelesen. Ein zweiter gedruckter Bericht, vom Vorsitzenden vorgelegt, bezog
sich auf eine in Aussicht stehende Reise zur Aufsuchung schiffbrüchiger Euro-
paer unter den Somauli. Ein Comit^, das sich soeben gebildet hat, ist bemüht»
die zu dem fraglichen Zweck erforderlichen Geldmittel herbeizuschaffen. — Es
folgt hierauf die Uebergabe der übrigen Geschenke, deren Inhalt der Vorsitzende
sodentet
Herr Vogel sprach über die amerikanische Sonnenfinstemifs vom 7. Augnst
d. J. Zur BeobachtoDg und photographischen Fixirung der« Erscheinung waren
die grofsartigsten Vorbereitungen getroffen worden ; man hatte über 30 Beobach-
560 Sitzungsbericht der Berliner geographischen Gesellschatt.
tnngsstationen ansgew'ählt nnd mehr als 150 Photographen in Thätigkeit gesetzt;
'dabei wurde das Unternehmen anf der ganzen Linie vom schönsten Wetter be-
günstigt. Der Vortragende legte anfser mehreren sehr gelungenen Aafnahmen A&
Phänomens auch eine Karte Ton der Linie der Ver6nsterung vor, wonach die
letztere ihren Anfang in Nertschinsk nahm» alsdann die Behringsstrafse nnd die
Vereinigten Staaten Nord- Amerikas durchlief und sich zuletzt nordlich von den
Bermudas-Inseln im Atlantischen Ocean verlor. In Alaska dauerte die Totalität
-der Erscheinung 8 Min. 17 See.; sonst waren Iowa und Illinois die am meisten
begünstigten Staaten und deshalb auch dorthin die meisten Expeditionen gerichtet
Die Beobachtung eines von Leverrier zwischen Merkur und Sonne vermutheteo
Planeten blieb erfolglos; dagegen wurden Protuberanzen und Corona glänzend
beobachtet und von der letzteren, welche die verfinsterte Sonne und die Protn-
beranzen, einem Heiligenschein vergleichbar, umgiebt und nach der Ansicht des
Vortragenden eine elektrische Entladung und kein reflektirtes Sonnenlicht ist, ein
schönes Bild vorgelegt.
Herr Kiepert übergab und besprach nachstehende von ihm entworfene Kar-
ten: 1) Karte der Flufsgebiete der Drin und des Wardar, Nord- Albanien nnd West-
Macedonieut vorzüglich nach den von J. 6. v. Hahn gemachten Beobachtungen.
M. 1 : 500,000. 2) Carte des voyagea de St Paul d'aprks les donnfes foumia
par M. E, Renan, 3) und 4) Zwei zum 2. Bande des Corpus Inscriptionum la-
tinarum gehörige Blätter: Hispania M. 1:3,000,000, Baetica M. 1:5,000,000,
enthaltend die Fundorte antiker Inschriften (soweit sie nicbt bei dem mangd-
haften Standpunkt der modernen Kartenaufnahme, besonders in ^Portugal, för
jetzt noch unbestimmbar bleiben) und die sich daraus ergebenden Resultate för
Feststellung der antiken Topographie der Halbinsel.
Herr A. Kunth sprach über die der Gesellschaft von der K. Schwedischen
Regierung zum Geschenk gemachten geologischen Karten von Schweden. Die
Arbeiten der geologischen Landesuntersnchung begannen im Jahre 1858 unter
der Leitung von Axel Erdmann. Die Grundlage bilden topographische Karten
im Mafsstabe 1 : 50,000. Ungefähr von der Breite Gefle-Fahlnn nach Süden ist
das Land in 368 Sectionen eingetheilt, von denen im Laufe der ersten 10 Jahre
88 fertig wurden. Zu jeder Section wird ein Heft Text ausgegeben, welches
eine geognostische Beschreibung des Terrains enthält. Der grofste Theil des
untersuchten Gebietes liegt in der Umgegend von Stockholm. Aufser den Sectionen
wurde noch eine Uebersichtskarte pnblicirt, welche die Verbreitung der diluvialen
Thone darstellt, und im vorigen Jahre wurden die bisher gewonnenen Resultate
in einem mit 14 Uebersichtskarten ausgestatteten Werke herausgegeben. Anf
den Sectionen sind sowohl die anstehenden Gebirgsarten, als auch die losen Be-
deckungen durch zahlreiche Farben unterschieden, und aufser diesen rein geolo-
gischen Untersuchungen werden noch eine Reihe anderer Beobachtungen auf den
Karten verzeichnet, so besonders alle Denkmäler vorhistorischer Zeit. Der Vor-
tragende ging sodann auf die gegen die Annahme einer stetig fortgehenden
Hebung beigebrachten Daten ein. Manche Erscheinungen, wie Zuwachs des
Landes, Bildung von Untiefen u. s. w. erklären sich besser durch Anschwemmung
als durch Hebung. Hieran anschliefsend wurde erwähnt, dafs der norwegische
Geolog Kjernlf an den Reliefformen der ThalausfüUungen im südlichen und west-
r
Sitniiiiffbericht der berliner gfeographischen Öesellschafi 561
liehen Norwegen nachgewiesen hat, dafs allerdings seit der Eiszeit eine Hebung
um 600 FoTs stattgefunden hat, dafs dieselbe aber ruckweise und nicht stetig vor
sich ging, nnd dafs damit der Zeitberechnung . welche Lyell an diese Hebung ge-
knöpft hat, die wesentlichsten Stützen entzogen sind.
Herr Barchwitz sprach nach eigener Anschauung über die gegenwärtigen
Verhältnisse des Jahrmarktes von Nishnij-Nowgorod. Der im Jahre 1817 hierher
Teriegte Markt war ursprünglich auf die Tage vom 15. bis 25. August angesetzt;
jetzt läfst sich aber der Kaufmann durch den Telegraphen rufen, sobald die Zeit
des Geschäfts für ihn gekommen ist. Der diesjährige (1869) Umsatz betrug
75 MilL Rubel. Die erste Rolle spielt der Eisenhandel, dessen Umsatz sich in
diesem Jahre auf 7 Mill. Rubel belief. Den zweiten Rang nimmt der Thee ein,
der aof dem Wege über Canton, Triest und London bezogen wird; der Thee-
handel über Ejächta ist nnbedeutender. Die Mannfacturwaaren , welche hier in
den Handel kommen, sind theils BanmwoUenwaaren nnd Tuche, theils Farbestoffe
(Indigo, Cochenille und Krapp), theils Seife und Papier, von welchem letzteren
aUein der Umsatz in diesem Jahre 2 Mill. Rubel betrug. Der Absatz der Ma-
nnfacturwaaren findet gegen Osten statt, da Rufsland wegen der hohen Löhne
mit dem westlichen Europa nicht concurriren kann.
Herr Ascherson theilte eine kurze Nachricht über den Reisenden Dr.
Schweinfarth mit, die sich daranf beschränkte, dafs der Reisende in der Barke
eines koptischen Kaufmanns in Khartum nach Meschera el Req am Bahr el 6ha-
z&l abgegangen sei. Inzwischen meldet Herr v. Düesberg, norddeutscher Konsul
in Khartüm, dafs die erwähnte Barke zwar noch nicht zurückgekehrt sei, jedoch
indirekte Nachrichten über des Reisenden Wohlbefinden eingelaufen seien.
An Geschenken gingen ein:
I) Kiepert, Ueber älteste Landes- und Volksgeschichte von Armenien.
(Monataber. d. K. Akad. d. Wiss. zu Berlin 1869.) — 2) Dümichen, Resultate
der auf Befehl Sr. Maj. des Königs Wilhelm L von Preufsen im Sommer 1868
nach Aegypten entsendeten archäologisch - photographischen Expedition. Tbl. I.
Berlin 1869. — 3) Vidal Gormaz, Continuacion de los trahajos de esploracion
du rio VakHvia i su8 aßuentes. Santiago de Chile 1869. — 4) Schtschurow-
Bki, Geschichte der Geologie des Moskauer Bassins. T. I. 1. 2. Moskau 1866/67
(mssisch). — 5) Waitz, Anthropologie der Urvölker, übers, von Fedschenko.
T. I. Moskau 1867 (russisch). — 6) Bogdanof, Materialien für die Anthro-
pologie der Knrganen-Periode im Moskauer Gouvernement Moskau 1867 (rus-
sisch). — 7) Gesammtrussische ethnographische AussteUung 1867. Moskau 1867.
— 8) Atmales d'observatoire pkystque central de Russie puhl, par H. Wild. Ann^e
1865. St. P^tersbourg 1869. — 9) Pröhle, Der Harz. 10. Aufl. Berlin 1869.
— 10) StoHstica del regno d'Italia, Movimento dello stato civiU nelV armo 1867.
Firenze 1869. — 11) Dasselbe. Movimento della navigazione italiana all* estero
1867. Firenze 1869. — 12) Dasselbe. Äcque mineraU 1868. Firenze 1869. —
18) Dasselbe. Casse dt risparmo, 1866. Firenze 1869. — Dasselbe. Le opere
pie nel 1861. 1. Compartimento delV EmiUa, 2. Compartimento della Sardegna,
Firenze 1869. — 15) Dasselbe. Morti vioUnie, 1867. Firenze 1869. — 16) Das-
selbe. Trattera della Beta, 1867. Firenze 1869. 17) Relazioni dei gturati ita-
Uani tuüa eiposizione %tiniver8ale dal 1867. Vol. L — III. Firenze 1869. — 18)
Stüsehr. d. GestlUeh. L Brdk. Bd. TV. 36
Maes^;*!, Le pubblfcqz}oni delU^ dir^one /jU Stßüsticß, Fireiusa 1869. -r-t 19) Evk-
rovean Captives amon^ the Somali Tribea of JSqstem Africa, ^ndon 1869. —
20) Boudewijnse, Catalogus der bibliotkeelp van het Indisch Gmootsekap U
*8 Gravenhage. 's Gravenhage }869. — 21) Petermann'Q Mittheilimgen 1869. Hft.
VIII. IX. Gotha. — 22) Prpceedings of the Rgy. Geograph, Sodtt^. Vol. XUL
No. III. IV. London 1869. — 23) Bulletin de la SocUU de g^ographifi. 5* S^r.
1869. AoÜLt, Septembre. Pi^ris. - 24) Le Qlobe, 1868. Novembre, P^c^mbr«.
1869. Janvier — Avril. Genbve. — 25) TronßQCfions fff tke J^tmbajf Geographr'
cal Societjf. Vol. XVIII. Bopib^y 1868. — 26) BoUettinp deüa Soeietä geo-
grqfica italiana. Fase. 1. 2. Firenze 1868^—69. — 27) Atmales hydf^graphiquet.
1869. l** et 2* trimeatre. PariS: — 28) Gaea. 1869. »ft. 7. Kölo. — 29)
Bijdragen to^ de Uml^land-^n volkenkunde vqt^ NedfrUmdech IndU, 3 fL IV. 1.
's Gravenhage 1869. — 30) Beiträge zur S^(ist}l^ Mecldenbnrgs. Bd. VI. 1.
Schwerin ].S69. — 31) Bulletin de la Soci€t€ Jii\p^ale des Naturßlistes de Mosam
1868. No. 4. ^oscou 1869. — 32) Preafsisches Handelsarchiy. 1869, No. 38--40.
Berlin. — 33) K i e p e r t , Uispania, M. 1 : 3,000000, i^nd 34} 3aetica, M, 1 : 5,000000.
Beide zum Corpus Inscr. Lat. Vol. II gehörig. — 35) Kiepert, Carte du w-
yages de St. Paul daprke les donn^es foumies par M. E% Renan, FAria. — 36}
Kiepert, Kafte der Fli^fsg^biete der Drin and des Wardar, Nord- Albanien und
West-Macedonien, Torzüglich n^ch den vpn f. G. v. Hahn gemf^^o Beobaoh-
tongf I). 1^. 1 : 500,00Q. Wien.
SitzuHg der geogFaphischen Gesellschaft zu Berlin
vom 4. December 1869.
Der Vorsitzende, ßep* Ba8^i%^, tjheilte zonach^t de^ Inha^^ eines Tom Dr.
Nachtigal ans Marsuk vom 22. October J18^9 ein^e^anf^nea ^^i^Cea mu(, welch«
die wenig tröstliehe Nacl^ricl^t enthält» d^fs der Reisende aufi^^r Qtiin^Q ^f^9 ^^^
ihm gegebenen Auftrae, <^e Geschenk^ d^s Kö^^igs xon Prenfsen an ^^ Sultan
von Bornn zu übert>ringe% zif erfUUen. Dr. Na$htigi^I liefs 4l^^r di^ Gescbenli;»
in Mursuk zurück ijn^ untepiahm ei|[^e Reise i^^ch dem bis jetzt nocfi Qnbekanntea
Tibesti im Lande der Tibbn,. von wo er indessen nicht ohne Lebensgefahr und
mit Verlust seiner Habseligkeiten die Rückreise nach Blursuk bewerks^Uig^« — Ei^
anderer Brief von Herrn Leopold v. Erug,^ norddeutschem Co^sul i^ Puertorico,
macht die Mitth^upg, da/js ein dort wohnhafte^ Heuer Spinoj^a, der sein Leben
der Erforschung Puertqricos gewidmet hs^t^ die Resultate seiner Forschungen zur
Verfügung stellt. — Ein^ aus dep Procee^i^igs de^ Lond^oner geographi((ejben, Geaeli-
schaft entlehnte Nachricht be^^t^tigl; die Erhaltun£| {iivingstone's; seine an Dr«
Kirk gerichteten Briefe sind i^u^ der Haij^tstadt des Reiches ^i^mbe ge-
schrieben. Endlich bringt Herr Bastian noch zur Ai^zeige, d^ Herr Dr. Kec-
sten, der ehemalige Begleijt^ des Herrn v. d. Decken, t^absid^tigt, eine neue
Expedition n.ach Afrika zu uDternehmei\> uip daselbst ei^e Niederlassung; zu grün-
den und sich von Ackerbau, Jag(^ und Handel, zu ernähreiii.
Herr Hartmann hielte einen Voi;trag üb[^f eii^m Besuch de^ Pf^^ai^ten voq
RpbenhauseiK in der Schweiz, die sich iiv ^^^ Torfmoor am. ^ff^f^J^qn-^^ biOr
finden. Herr Messikomer aus Zürich , der ansehnliche Sammlungen dorther ent-
SitaiiBgib«rioht der BerÜner geographischen G^eUachtäft. 563
lehater G^tgeüstftBde hesitct, hat das Torfmoor, welches c. 60,000 OFnfs gröifs ist,
bis aaf 12Fnr8, d. h. bis aaf den weifsen Seeboden, atistiefen lassen und anf
diese Weise drei übor teinand6r stehende Pfahlbauten entdeckt, welche eine feste
Unterlage rott PftUen and Balkan haben, nnd deren Untersachnng die tnannig^
faltigsten Gegenstände au Tige gefördert hat. Es fanden sich daselbst Knochen-
und Steinwerkteuge^ namentlich Steinixte und Steinsägen, Reibsteine und Eno-
chenidkley aber anch faölzeme Keulen, Lederstücke, Netzfragmente, Gewebe und
Bestandtheile von Webestühlen ; an Natuiproducten : Weizen, Gerste, Hirse, desgl.
Weisen-, €knten- und Hirsebrot, Flachs (roh und bearbeitet), Aepfel und Birnen,
ferner Reste Tom B&ren, Wolf, Wildschwein, Torfschwein und Torfkuh, Wild-
katze, Wisent, Ur^ Clen und Biber, desgi. von Rind, Schaf und Ziege, selten
vom Pferde. Als Veranlassang der Pfahlbauten sieht der Vortragende den Wunsch
ihrer ebeaudigen Bewohnery sich vor feindli<^en AnfUlen zu sichern.
Herr K «Wer au hielt hilerauf einen Vortrag über Sitten und Gebräuche dta
Eingeborenen der Colonie Victoria in Australien. Von den dort lebenden Chi-
nesen wurde bemerkt« dafs sie sich von allen anderen Bewohnern der Colonie
fem mnd abgeschlossen halten. Was die eingeborenen Schwarzen betrifft, to
sind manehe Stämme derselben schon jetzt gänslich ausgestorben. Die auffal-
lende Häfslichkeit derselben, welche besonders bei den Weibern hervortritt, wird
bestätigt. Im Gebrauch der Waffen, namentlich des Spiefses und der Wurf-
waffen, insbesondere des Bnroarang, beweisen sie grofse Geschicklichkeit. Br-
hiitung des Wassers ist ihre vorzüglichste Sorge; dennoch verweilen sie selten
länger als 10 — 14 Tagie an einem nnd demselben Orte. Hinsichtlich der Fami-
lieaverhältniase wurde hervorgehoben, dafs die Nachkommenschaft der Zahl nach
im Ganzen gering ist, und dafs selten mehr als drei oder vier Kinder in einer
Familie gefunden werden. Sie unterwerfen sich keinem Häuptling und etkennen
überhaupt keine Autorität im Stamme an. Dagegen wird die Jugend dem Alter
nach itt drcd Grade eingedieilt; beim Uebergange ans dem ersten in den zweiten
Grad findet die Besefaneidung stau, und mit dem 18. oder 20. Jahre erfolgt dfer
Eintritt in den dritten Grad. Sie glauben an die Unsterblichkeit der Seele und
nehmen an, dafs dieselbe nach dem Tode auf eiüe unbekannte Insel versetzt
werde. In neuerer Zeit hat auch die Vorstellung von einer Seelenwanderung
bei ihnen Platz gegriffen» und namentlich der Glaube Wurzel gefafst, dafs der
Sehwarze sich bei seinem Tode in einen Etitopäer verwandele. Qts&ng und Tanz
sind ihre Hauptvergnügungen, dabei sind Kriege nicht selten, und im Innern findet
auch noch KaanibSlismus statt Die Bestattung der Todten ist verschieden.
Manche werden in ein Fell gehüllt und dann erst mit £rde überschüttet; andere
werden vor dem Begräbnifs erst geräuchert. Ihre Häuser erbauen sie sich selbst.
Man bemerkt nur eine geringe Verschiedenheit der Stämme, aber alle sterben
trotz der zu ihrem Schutz und ihrer Erhaltung eingesetzten Commissionen schnell
dahin, wozu die unter ihnen herrschende Trunksucht natürlich beiträgt Bei der
letzten Zählung waren nur noch 1834 Eingeborene in der Colonie vorhanden
and unter diesen wenige Bekehrte. Im AUgemeinen rühmt der Vortragende die
Müde ihres Charakters.
Herr Dove legt unter anderen neuen j^chriften vor: Erster Bericht der
•tädtischen Commission für die Adria. Wien 1869.
86 •
1
!
564 Sitzangsbericht der Berliner geogitephiscken Oetellsebaft.
Zorn Schlafs übergiebt Herr Bastian die eingegangenen Geschenke.
An Geschenken gingen ein:
l).Wallace, Der Malayische Archipel. Die Heimath des Orang-Utan md
des Paradiesvogels. Deutsche Ausgabe von A. B. Mejer. 2 Bde. Brannechweig
1869. — 2) Notice sur les travaux scientifigueg de M. DelesMe. Paris 1869. —
3) Jahrbuch des österreichischen Alpen -Vereines. Bd. V. Wien 1869. — 4) Die
Prenfsische Expedition nach Ost -Asien. Ansichten ans Japan, China und Siam.
Heft VI. Berlin 1869. — 5) Lüders, Das Gesetz der Wechsel wirknng im
Weltall. Hamburg und New York 1870. — 6) Scarpeliini, / coenio omn dd
nataie di Alessandro HumholdL (BulUt. noMiico e ffeoprqfieo di Jtoma, Vol. 5.)
— 7) Schneider, Neue Beitr&ge tnr alten Geschichte nnd Geographie der Ehein-
lande. 2. Folge. Düsseldorf 1868. — 8) Zeitschrift der Gesellschaft fBr Eid-
kunde zu Berlin. Bd. IV. Heft 5. Berlin 1869. — 9) Procudm^s of tke lU^fol
Geographical Society. Vol. VIII. No. V. London 1869. — 10} Revue maritime
et cohniale, 1869. Octobre. Paris. — 11) Archives des Misnons »eie$U\fique» et
littiraires. 2* S^r. T. V. 3"* Uvr. Paris 1869. — 12) Archwee de la eammieäün
scientifique du Mexique. T. III. 2* livr. Paris 1869. — 13} Gaea. 1869- Heft 8.
Köln. — 14) Jahrbuch der K. K. geologischen Reichsanstalt. Jahrg. XIX. No. 3.
15) Verhandlungen des botanischen Vereins für die Provinz Brandenburg. Jahrg. X.
Berlin 1868. — 16} Bulletin de la Soci^t€ impiriale des NaturaUstes de Mosoem,
1869. No. 3. — 17) Nachrichten der Kais. Russ. geographischen Gesellschaft. 1868.
IV. St. Petersburg 1869. — 18) Sapiski der Kais. Rnss. geographischen Gesell-
schaft IL mathem. pbysical. Abtheil. St. Petersburg 1869. — 19) Preafa. Han-
delsarchiv. 1869. No. 42— 45. Berlin. — 20} Jahresbericht am 5. Jnni 1869
dem Comit^ der Nicolaistern warte abgestattet vom Director der Sternwarte. St
Petersburg 18G9. — 21) Map de Ghiatemala la Nueva levantado por Herrn. Au.
1868. Winteithur. — 22) Carte du canton de Gtnkoe, reduction de eelle du 04-
n&al Du f OUT mise a jour et publice par Briquet et fils ä Genküe 1868. Wlnter-
thur. M. 1 : 50,000. — 23) Karte des Kantons Glams. M. 1 : 50,000. 2 BU.
Winterthur. — 24} Plan der Stadt und Umgegend von Jerusalem nach den eng-
lischen Aufnahmen in den J. 1864 und 65 durch Capt. Ch. W. Wilson unter
der Direction von Colonel Sir H. James reduc. von 1 : 10,000 anf 1 : 20,000
herausg. von Wurster, Randegger & Co. Winterthur 1869. — 25) Derselbe,
leio€ giologique par 0. Fraas. ib. — 26) Tenerife nach vorhandenen Materialien
und eigenen Beobachtungen entworfen von G. Härtung, K. v. Fritsch und
W. Reifs, gezeichnet von J. Randegger. M. 1 : 200,000. Winterthur.
Verbesserungen zu Bd. IV.
S. 343 Z. 16 V. u. lies Cryptostegia grandißora R. Br. statt Asclq)iadea sp.
8. 844 Z. 4 V. o. und S. 345 Z. 17 v. 6. lies Eckinodorus pusillus Buchenaa
statt Mismaeea.
8. 416 Z. 7 v. n. lies Coccoloba ttvifera statt Coooololia tmifera.
S. 417 Z. 10 y. u. lies Pitheeolobium statt Tithecollobium,
S. 417 Z. 6 V. u. lies propinqua statt propingua»
Uebersicht der vom December 1868 bis Ende November
1869 auf dem Gebiete der Geographie erschienenen
Werke, Aufsätze, Karten und Pläne.
Von W. Kon er.
Geschichte der Geographie. Geographische Wörterbücher.
Encyclopfidien.
St Martin (Vivien), L'ann^e g^ograpbiqne. VII* ann^e. Paris (Hachette & Co.)
1869. 8. (28 Sgr.)
▼. Hoehstetter (F.), Jahresbericht. — Mittheil. d. K» K, geograph, Ges. in Wiem,
1869. p. 1.
Mnrehlson (R. J.)» Address of the Anniversary Meeting of the Roy. Geographica
Society. 24th May, 1869. — Procwd, of the Roy. Geogr. Soc. XIII. 1869
p. 868.
Maunoir (Ch.), Rapport snr les travanx de la Soci^t^ de g^ographie et snr les
progr^s des sciences g^ographiqnes pendant Tanntfe 1868. — Bull, de la 8oe.
de giogr, V* S^r. XVII. 1869. p. 198.
Pflege der Erdkunde in lUUen. — Autland, 1869. N. 14.
Neubauer (A.), La g^ographie du Talmud. Memoire cooronn^ par rAcad^mie des
mscriptions et belies -lettres. Paris (Mich. L^vy fi^res) 1868. XL, 468 S. 8.
Mahn (F.), Ueber den Ursprung und die Bedeutung der Namen der europftischen
Flüsse. — Hermes, Stoa. L 1868. p. 19.
Van Raemdonck (J.), G^rard Mercator, sa vie et ses oeuvres. St. Nicolas (Oal-
chaert-Praet) 1869. XXXXII, 875 S. Roy.-8.
Breusing, Gerhard Kremer gen. Mercator, der deutsche Geograph. Vortrag. Duis-
burg (Nieten, in Comm.) 1869. gr. 8. Vergl. Ausland, 1869. No. 85.
Steinhauser (A.), Mercator und seine Werke. — Aus allen Welttheilen. 1869.
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Doye (H. W.), GedKchtnifsrede auf Alex. v. Humboldt. Berlin (DUmmler) 1869.
gr. 8. (1 Thlr.)
~ La vie d'Alexandre de Humboldt. — Reuue d, cours litter. 1870. N. 1.
Bastian (A.), Alexander v. Humboldt. Festrede. Berlin (Wiegandt & Hempel)
1869. gr. 8. (i Thlr.)
Searpellini (C), I cento anni del natale di Alessandro Humboldt. — Bullett.
nautico geogr afico tU Borna, V. 1869. No. 4.
y. De eben (H.), Rede zur Erinnerung an das lOOjfthrige Geburtsfost A. v. Hum-
boldt's, gehalten am 11. October 1869. Bonn (Henry) 1869. gr. 8. (| Thhr.)
Bernstein (A.), A. v. Humboldt und der Geist zweier Jahrhunderte. Berlin (Cha-
risius; Samml. gemeinverstllndl. Vortr. Heft 89). 8. (j- Thlr.)
566 W. Koner:
Elze (K.)) Festrede an Humboldts 100 jährigem Geburtstage im Gewerbcrerein n
Dessau gehalten. Dessau (Aue) 1869. gr. 8. (2} Sgr.)
Meibauer (R. 0.), Alexander y. Humboldt. 1. u. 2. Aufl. Berlin (Gerstmann)
1869. gr. 8. (|Thlr.)
Schieiden (M. J.), Zur Erinnerung an Alex. ▼. Humboldt. — Unsere ZeiL 1869.
19. Heft.
Ule (0.), Alexander v. Humboldt. Biographie fUr alle Völker der Erde. Berim
(Lesser) 1869. 8. (^ Thlr.) — Dasselbe 2. 8. u. 4. Aufl. Ebda.
Klencke (H.)» Alexander v. Humboldt. Leben, Reisen und Wissen. 6. Aufl.
Leipzig (Spamer) 1869. gr. 8. (1} Thlr.) >- Dasselbe. 2. Abdr. 1870.
Schmidt (F.), Alexander v. Humboldt. Ein Lebensbild. I. — 4. Aufl. Berlin (Käst-
ner) l^<?9. gr. ^6. H Thk.)
Alexander von Humboldt Zum 14. Sfipt^ 1^6.9 1 49f^ciVS ^Q^Jl^f^ Gabf^alage.
1. — 4. Afl. Leipzig (Hartmann, in Comm.) 1869. gr. 8. (2J Sgr.)
Lettres d' Alexandra 4e, I^u,ifilbo]]dt) ^ Auguste. Fiiotot (17d5 — lSf24) pubL par A.
RHU et. — Le Globe. Memoires. 1868. p. 127.
Uebersichtskarte von Alexander v. Qumlloldfs Beisen 1798 — 1829. — PeUrmanm*t
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Nicholl« (J. J.), The Remarkable Life, Adventures, and Discoveries of Sebastian
Cabot of Bristol, the founder of Great Britain*8 Maritime Power, Discover of
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Comm.) 1869. gr. 3* (o^ ThJr.>
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Q^offwann (W.), Encyklopädie der fird-, y51ker- und Staatenkunde. Lief. 72. 1%.
Leipzig (Arnold) 1868. hoch-4. (k 4 Sgr.) — 2. Abdr. Lief* 24. Ib. SeiilufB.
(k 12 SgrO
Geographische Hand- and Lehrbacher.
Andre e (R.), Geographie des Welthandels. Bd. II. Abthl. 2. Stuttgart (Haierj
18.69. gr. 8. (27 Sgr.)
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graphie. 10. Aufl. Regensburg (Manz) 1869. 8. (18 Sgr.)
Backhaus (J. C. N.), Geographie ftir die Oberklassen der Borger- uqd Volks-
schulen. Harburg (Elkan) 1869. 8. (4 Sgr.)
Bellinger (J.), Leitfaden fUr den ersten Unterricht in der Geographie in 8 Kursen.
7. Aufl. Wien (Gerold's Sohn) 1869. 8. (6 Sgr.)
Bl^ai^c's Handbuch des Wissenswürdigst^n. anp der Katur und Ge0ch|<?hte d{^, Erde
und il\r€r ^e\ifohner, 8. Aufl. von H. Lange. 11. — 15. I«ief. Brapn^h^eig
(Schwetschke u. S!) 1869. gr^r. Sl (Jv. | Tl^lr.)
Neu erschienene geographisclMr Werle, Anfsatse, Karten nnd Pläne. 56?
GftBDabich'8 Lehrbneh der Ckogtrapbfe. IS. itii4'. Nen befind, v.^ F. i[. Öert'el
Bd. I. Lief. 6—8. Weimar. (Voigt), gt. 9. ()L } Thlh)
Daniel (H. A.), Handbuch der Geographie. 8. Aufl. Lief. 1 — 6. Leipzig (Faes)
1870". gr. 6.
Egli*8 (J. J.) kleine Erdkunde. 4. Anfl. St. fallen (Huber & Co.) 1869. gr. 8.
(9 Sgr.)
Gegen b aar (J.), Leitfaden ftlr den geographischen Unterricht auf Gymnasien etc.
2^. Aufl. Foldir (HfUii^r) 1869. 8'. (17 Sgr.)
GercTter (J. S.), Die Geographie der Gegenwart vom Standpunkt der WissenBchaft,
der Schule und des Lebens. Bern (Dalp) 1869. gr. 4. (24 Sgr.)
Hopf (G. W.)} Grundlinien der Handelsgeographie. 5. Aufl. Nürnberg (Schmid)
1869. gr. 8. (1 Thlr.)
Kaiser (H.), Lehrbuch der Erdbeechreibung. Ein Leitfaden fUr Lehrer. 4. Aufl.
neu bearb. von W. Ulrich. Langensalza (Verl.-Compt.) 1869. 8. (12 Sgr.)
Kienemnnd (H. A.), Erdbeschreibung fUr die oberen Klassen Und Abtheilungen
der Volksschulen. 7. Aufl. Heiligenstadt (Dankelberg) 1869. 8. (2 Sgr.)
V. K15den (G. A.), Handbuch der Erdkunde. 8. Bd. 2. Aufl. Berlin (Weid-
mann), gr. 8. (4fThh-.)
Kinn (V. F.), Leitfaden fUr den geographischen Unterricht ftlr Unter -Gymnasien.
8. Aufl. Wien (Gerold's Sohn) 1869. gr. 8. (27 Sgr.)
Kozenn (B.), Erdbeschreibung fttr Volksachulen. Ohnftts (Hdlzel) 1860. gr. 8.
(| Thlr.)
KtttziUg (F. T.), Die Elemente der Geographie als Lehr- und Lesebuch etc. 5. Aufl.
Langensalza (Beltz) 1869. gr. 8. (12 Sgr.)
Knttner (A.), Leitfaden der Geographie mit Notizen aus der Waarenkunde etc.
Pest (Lampel) 1869« gr. 8i (f Tblr.)'
Knznik (Th.), Kleine Erdbeschreibung. Ftlr ElementafrsclHller. 4. Aufl. Breslau
(MariMchke & Berendt) 1869. 8. (2^ Sgiv)
Labrssen (H.), Leitfaden bei dem Unterrichte in der Geographie ftir gehobene
Volksschulen. 2. Aufl. Oldenb^urg' (Schtüidi) 18^9: 8. (} Thlr.)
L e i b i n g (F.), Geographisches Elementarbnch nach dtr zelchnetfden Ketfabde.' 1. Stufe.
Berlin (Mittlelr'& S.) 1869. gr. 8. (j Tfalh)
Leibing (W.), Geographische Wlederholungs- Tabellen. Fttr mittlere Klassez^ von
Gymnasien etc. Berlih (Mittler & S.) 1869. gr. S. Ü thlr.)
Lfiben (A.), Leitfaden zu einem methodischen Unterricht in der Geographie. 14. Aufl.
Leipzig (Flelseher) 1869. 8. (| Thlr.)
Meurer (H;), Leitfaden beim Unterricht In der^ Geographie für dymnasien etc.
8. Aufl. Münster (Theising) 1869. gr. 8. (} Thlr.)
Kö's'selt's (F.) kleine Geographie etc. 9. AutfJ von F. G. L'. Walter. Berlin
(Bomtrkger) 1870. gr. 8. (18 Sgr.)
Oberländer (E. H.), Der geographische Unterricht nach den Grundsätzen der Rit-
ter'schen Schule. Grimma (Hensel) 1869. gr. 8. (| Thlr.)
Peter (H.), Leitfaden füf den geographischen Unterricht an gehobenen Volks- und
Bürgerschulen etc. 2. Aufl. HUdburghansen (Gadow & S.). 1869. 8. (4 Sgr.)
Potz (W.)| Leitfaden bei dem Unterrichte in der vergleiehenden - Erdbeschreibung
für die unteren und mittleren Klassen. 11. Aufl. Freibarg i. Br. (Herder)
1869. gr. 8. (|Thlr.)
Sandmann (E.), Elementar- Geographie. 8. Cursus. Grossen (Appon) 1869. 8.
(2 Sgr.)
Scherer (P. A.), Fafelicher Unterridit in der Geographie fttr Schulen und zur Selbst-
belehrung. 12. Aufl. Innsbruck (Pfaundler) 1869. 8. (j Thlr.)
Sohneid er (K. F. R.), Handbuch der Erdbeschreibung und Staatenkunde. 2. Aufl.
Lief. 2. 8. Glogau (Flemkung) 1868i gr. 8. (k j thlr.)'
568 W. Kon er:
Stein (C. 6. D.), Leerboek der algvmeene amrärükskiiiide, nitgeg. door O. Dtlitsch.
Yrij bewerkt naar het Hoogd. door A. vtn Olterloo. Vill, 414 bl. Amstar-
dam (Gebr. Kraaj) 1868. gr. 8. (f. 2,76.)
Tille (A.), Lehrbuch der Geographie fbr die 1. Klasse der Mittelaebuleii. Prag
(Kober) 1869. 186 S. 8. (böhmisch.)
Tritscheler (E. E.), Geographie fttr Schulen. 4 Hefte. 3. Anfl. Carlamhe (Creas^
baaer) 1869. gr. 8. (k 2 Sgr.)
üngewitte[r*s (F. H.) neueste Erdbeschreibung und Staatenkaads odar g^ogia^
phisch • statistisch - historisches Handbuch. 5. Aufl. Bearb. von G. W. Hopf.
Lief. 24—28. Dresden (Dietze) 1869. Lex.-8. (k 6 Sgr.)
V olger (W. F.), Leitfaden beim Unterricht in der Länder- und Völkerkunde ftr
Gymnasien etc. 18. Aufl. Hannover (Hahn) 1869. gr. 8. (6 Sgr.)
Wörle (J. G. C), Knrzgefafste Geographie etc. 14. Aufl. Stuttgart (Wittwer)
1869. 8. (3\ Sgr.)
Zachariae (A.), Lehrbuch der Erdbeschreibung in natttrlicher Verbindong mit Walt-
geschichte, Naturgeschichte und Technologie. 1. Thl. 8. Aufl. Leipsig (Flei-
scher) 1868. gr. 8. (27 Sgr.)
Leitfkden der Geographie Ittr Hindels-, Gewerb- und Realschulen. 2. AbtU. Leit-
faden der physikalischen und politischen Geographie. 2. Aufl. Nfimbeig
(Schmid) 1869. gr. 8. (12 Sgr.)
Allgemeine Geographie sum Gebrauche fllr Privat- und öffentliche Lehranstalten.
2 Thle. Lemberg (Wildt) 1869. 8. (polnisch.)
Httlftbuch für den geographischen Unterricht. Breslau (Aderholz) 1869. 8. (^Thlr.)
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1869. 4 en 482 bl. gr. 8. (f. 8,75.)
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tijd der Fransche revolutie. Leiden (van Doesborgh) 1869. 8 en 186 bl. 8.
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Vos (G. J.), Inleiding tot de aardrijkskunde. Amsterdam (Scbalekamp, van de
Grampel en Bakker) 1868. 8. 2 en 48 bl. (f. 0,17.)
Nev anchienene geogri^hiBche Werke, Aufs&Ue, Karten und Pläne. 569
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Leesboek voor de boogste Masse der lagere school. Groningen (Wolters) 1868.
8 en 144 bl. 8. (f. 0,80.)
Cortambert (E.), Deseription de l'Asie, de TAfrique, de TAm^rique et de l'Oo^anie,
r^dig^e conform^ment anx demiers programmes ofBciels poor la clasae seconde.
KoQT. ^dit. Paris (Hachette & Co.) 1869. 815 S. 12. (2 fr.)
G^grapbie aniverselle de Crozat. Onirrage enti^rement refondn etc. Limoges
1869. 274 S. 12.
Lebrnn et Le B^alle, Geographie A^mentaire des Colleges et des penSions ete.
18* Urage. Paris (Delalain & Als) 1869. 4. (6 fr.)
Pnel (C), Petite g^ograpbie. 8* ^dit. Albi 1869. 76 S. 13.
Raffy (C), Conrs de g^ographie physique et historiqne. 4* 4dtt, Tonlonse 1869.
XJI, 290 S. 12. (8 fr.)
— , Pr^cis de gtfographie. Ebds. 124 S. 12. (1 f. 26 c.)
Seine nve (J. F.), Coars de topographie et de gtfod^sie. 4* ^it modifi^e par A.
Salnenve. Paris (Dumaine) 1869. 662 8. 8. (10 fr.)
Petite g^ographie, on extrait de la g^ographie physique, politiqne etc. Tours 1869.
76 S. 18.
Mannet de gfograpbie k Tasage des tfcoles primaires de la Socitft^ de Marie. 4* ^dit.
Lons-le-Sanlnier 1869. 207 S. 18.
Bini, Elenenti di geografla compilati secondo i programmi govemativi del 10 otto-
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Paccini(S.)y La geografia per i fancialli delle scnole elementari. 2* ediz. Firenze
1869. 96 S. 16. {l. 0,60.)
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1869. 8. (J Thlr.)
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Die Tropfsteio^Hoble, Dechen- Höhle genannt, zwischen Lethmate und Iserlohn. -^
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Knapp. 2. n. 3. Heft. Leipzigs Bevölkerung. Leipzig (Duncker & Humblot)
1868;69. gr. 4. (k 12 Sgr.)
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Schmidt (F. Ä.), Practischer Wegweiser flir die Umgebung von Bad ElaiCer nät
einer Specialkarte vom Voigtlande. Leipzig (Priber) 1869. gr. 16. (j- Thlr.>
Audi n g u. Bade feld, Thüringen. 4. Aufl. Hildbnrghausen (Meyer) 1869. gr. 16.
« Thlr.)
Eberhard (E.), Heimathskunde des Herzogth. Meiningen. Schleswig (Scfanlbuclih.)
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gr.8. (liSgr.)
Pickel (J. A.), Heimathskunde das GhroAherzogth. Sachsen-Weimar-Eisenach. BbaB-
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r
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586 W. Koner:
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Otmlldfl van Frag und duaan Dm^ebangca. 9. Aufl.
J. E. FBdUeh. Prag [Beicban<cker) 1S6B. gr. »
D«lha«( (G.), D«T Badeort Tepiru - Schflnan In Behm«i. 3. Anfl. BoUb (Gri^
ban'i Baiatblbl. Nu. 44) 1SS9. S. (^ Thlr.}
Kopp (J0> D«' CoTort Johanniabad vom phjrricaliiidi - cbamia«h«a nod balnealDgi-
acban Standpiukt« dargeatdlt. Bnalan (AdarhoU) 1869. gr. 8. (12 8gr.)
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dtltarch. ISeS. So. 26 ff.
Jahrbncb dei Oestarreichisclien Alpenvereina. Bd. T. Wien (Qerold'a Sohn] 18S9.
8. Dieeer Band enthtlt folgende Arbeiten: A. *. Ruthner, Der UnanU an
Acbenaae. p. I. — Waohtar, Toar im Adamallo-Brenta-Gebirga. p. 14. _
J. Trinker, Ein AniSng auf den Honte maggiore im KUIenlanda. p. tS. —
J. Tacbandara, Beataigung des Grofaglocknera von Kaie aoB mit Eianiitsuig
der Denen Hutta auf der Tanilseharte (StadlbUIta) am 9. u. 10. Augnst 1868.
p. 49. — F. Fraucliei, Dia SUogalpe and der Königulahl in KlLnit«n. p. «8.
— Tb. Trautirein, Kleine Anregangen anr weitaren topographiachen Erfor-
Bcbnng einzelner Theils der deatschan Alpen, p. 84. — J. StDdl, Erateignng
der Weifalingel. p. 104. — H. v. Wittak, Zor iathetiechen Würdigung der
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ner, Die MUdelergabel in den Alglner Alpen, p. 160. — B. JDlg, Dia
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Alpen von Bercbtesgaden. p. 188. — A. Schadenberg, Eine Toor dorrh
KKmUD nndTyrol. p. 201. — A. Pokorny, Ueber den Uiapmng der A
pflanxen. p. 2SB. -^ F. v. Hellwald, Die Elementar-Ereignisse In den i
im HarbBl 1868. p. 2&0. — A. v. Rothnar, Dia Alpenrainn Sr. ka
Hoheit dea Erz harz ogi Kainer im J. 1868. p. 271. — H. Wallmano, l
die Wandelbarkeit der Landschaflii-AoBcbaaang. p. 27b. — Tb. Barppre
r
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iggio nilla idralogia dal NUo ■ d
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EeiM in du Gebiet des wairMO
. 186i— 64. Leipzig (Wintn) 1
tettr* d. d. Gondokoro, SS nun
r. ISeU. p. l&B.
k), Tnv«l> in CeniTÜ-AMo, ind
S Tola. LoadoD (Tioalev) 1869.
I Baker*« Plan lor Erobenuf dei
kaDiecheo Seen. — Globut. XV.
k.), 8. W. Baker'a Bericht Über
yania. — MittU. d. Wien, gmgt
i Nyama. _ ColbournM Nbw li<mh
rdrand Afrika'a. Nord-C«ii
K>iDin«Tcc e^täiaar det ätats Baibareaqaea «n 1S66 et ISt'.
«■« alir. 1869. aofit.
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rer^. PeMnuMN'a UitM. 1BS9. p. 318.
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■es; parH. «. Cosaon etDorien de UaiaoaneUFe. Li
■ari« 1869. 4. (k 16 fr.) (Der boUniseho Theil det Werf
,en mit 90 Taf. 800 fr.)
iDg tba Aiabs: a Narratise of Adventnrea in Algeria. Pbi
tt k Co.) 1868. (I D.T6e.)
deuz moia de coloone dans le SafaRra alg^rien et en Kabjl
Raines romainea de l'AlgäHe (snbdiTigioa de B6ne). Pi
. gr. 8. avec 10 pl. (6 tr.)
u Djurdjura). Paris (Challaniel) 1869. 8. avec 7 pl. [Üi
l'&ge dea giaeinenta da aal gemme (Djebel-HUah), snr l'oiig
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Globus. XYL 1869. p. 108. Aus allen Welttheilen. 1869. No. 7.
Binige nähere Notizen über die Ermordung des Fräulein Tinne. — Z. d. Berliner
Ges. f. Erk. 1869. p. 459.
ScnsgillJlDdtr. Da« irealliche iqnktorl
AanMira dB Un^gal «t Upcnducsi p«lit l'unja IflU
18«3. le? 8. 18. (S tt. £0.)
Uiga (£.}. Vojft dmu la Sondan oceidantal 18IS — 66.
lea dauiua da Tantear de 81 grvnm am boU pi
(Bacbatta k Co.) 1869. X, 6») S. p. t. (10 ü.)
Hag«'* Baiia vom Senegal bii an dm ofaani Niger. — Gl
88. SS.
Haga'a Anraotlult in Stga am Niger. — ib. ZIT. IS«
Haarlgot (S.), Oninia mob eo StefgauUe. — Jnmal. i
da Schauen borg, Note aar la S^n^mbie. Btraabarg (
6 S. 8.
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J
W^"
v/^
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Neu erschienene ^ographische Werke, Aufsätze, Karten und Pläne. 637
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qu.-fol. (I Thlr.)
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lin (D. Reimer) 1868/69. qu..gr.-Fol. (1| Tblr.j
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ten. Stahlst, u. ooL Berlin (D. Reimer) 1868. gr. fol. (2| Tblr., in Mappe
8 Thlr.)
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1869. fol. (1| Thlr.; einzelne Karten 6 Sgr.)
Grofser Handatlas der Erde und des Himmels. 72 BIL in Kpfrst. nu Farbendr. u*
Golorit bearb. von H. Kiepert, C. F. Weiland, C. Graef etc. 48. Aufl.
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Ansg. in 18 Karten 16 Sgr.)
— f Dasselbe in polnischer Sprache. 12 Karten. 2. Aufl. qii.-^.-4. (lif- Sgr.;
Ansg. in 18 Karten | Thlr.)
— , Dasselbe in csechischer oder in ungarischer Sprache, 12 Karten, qn. •gr.-4..
1870. (144 SS''* ^^S- in 1^ Karten | Thlr.)
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Chromolith. Glogaa (Flemming) 1869. gr. Fol. (In Carton j Thlr. ; auf Lein-
wand und in engl. Cartou 1 Thlr.)
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München (Mej & Widmayer) 1869. qn.-gr.-Fol. (1 Thlr. 26 Sgr.)
Grftf (A.)| Dentachlands Eisenbahnen und Strafsen-Neta mit seinen Anacbl^sen ui
Ausland. Kpftvt. u. col. Weimar (Geogr. Inst.) 1869. gr. Fol. (12 Sgr.)
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N. Anag. Gbromolith. Stuttgart (Geogr .-artist Inst.) 1869. (1| Thlr.)
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den Niederlanden u. Belgien. Neu revid. Ausg. Chromolith. GlogBU (Hepu
ming) 18.69. gr. Fol. (auf Leinw. und in engl. Cartou 2 Thlr.; auf Lnnsraad
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1869. Imp.-Fol. (18 Sgr.)
— , — — Neue Bearb. Ebds. Imp.-Fol. (24 Sgr.; auf Leinwand n. in Cirtea
14 Thlr.)
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Ebds. 1869. Imp.-Fol. (j^ Thlr.)
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Lith. u. col. Frankfurt a. M. (JUgel) 1869. Jmp.-Fol. (8 Thlr.)
— , Neueste Eisenbahn - Karte von Central-Europa. N. Ausg. etc. Lith. u. color.
Ebds. Imp.-FoL (1 Thlr.; auf Leinw. n. in Garton l\ Thlr.)
HabschmaioLn (G.), Wandkarte von Mittel -Europa. 3. Aufl. 12 BIL Lith. und
coL Annaberg (Rudolph & Dieterici) 1869. gr. Fol. (1} Thlr.)
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und Comtoir- Gebrauch. 3. Aufl. 9 Bll. Lith. u. col. Berlin (D. Iteimer)
1869. gr. Fol. (8J Thlr.; auf Leinw. 6 Thlr.; afif Leini^Fand u. m. Stftbea
6fThlr.) ^ '
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Neu rev. Ausg. Lith. Neu-Ruppin (Oehmigke) 1§69. FoL (f Thlr.)
— , Geschllfts- und Reise-Karte von Deutschland und den angrenzenden Llodenu
Chromolith. Berlin (Berger) 1869. gr. FoL (^ Thlr.)
— , Geschäfts- und Reise - Karte von Europa mit Angabe aller Eisenbahnen etc.
10. Aufl. 4 Bll. Lithogr. u. color. Berlin (Mitscher & Rostell) 1869. Fol
(I7 Thlr., nuf Leinw. und mit Stäben 2} Thlr.)
Kraatz (L.), Neue Karte von Deutschland. 5. Aufl. Chromolith. Berlin (Gold-
schmidt) 1869. FoL (J Thlr.)
Kunsch (H.), Post-, Reise- und Eisenbahn-Karte von Deutschlaiul, der Schwais,
den Niederlanden und Belgien. Neue Ausg. Lith. u. col. Glogau (Flemming},:
1869. gr. Fol. (|Thlr.; auf Leinw. und in engL Carton 1 Thlr.)
Leeder (E.), Wandkarte von Deutschland nach seiner Ijleugestaltung fbir den Schnl> <
gebrauch. 2. Aufl. 9 Bll. Lith. u. color. Essen (Bädeker) 1869. gr. FoL
(l| Thlr.)
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Michaelis (J.), Eisenbahnkarte von Central-Europa. Lith. Dresden (Burdadi}
1869. Imp.-Fol. (j Thlr.; auf Leinw. 1 Thlr.)
Maller (Ü.), Karte der Eisenbahnen Mittel-Europa^s mit Angabe s&mmtlicher Bahn-
stationen. Neu rev. Ausg. Lith. Glogau (Flemming) 1869. gr. FoL (18 Sjgr.;
auf Leinw. Ij Thlr.)
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H. MUUer. 4 Bll. ChromoUth. Glogau (Flemming) 1869. gr. Fol. (1 Tbk
12 Sgr.; auf Leinw. 2 Thlr. 12 Sgr.; Ausg. m. polit. Grenzen 1 Thlr. 18 Sgr.;
auf Leinw. 2 Thlr. 18 Sgr.)
i
Nea erschieneDe geographische Werke, Aufsätze, Karten und Pläne. 64 f
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pard's kartogr. Inst.) 1869. Imp.-Fol. (Ij Thlr.)
— , Kieine Karte ron Deutschland mit allen Bisenhahnen. Lith. n. coL Ebds.
gr. 4. (l Sgr.)
Wals eck (0.), Neueste Eisenbahn-Karte von Deutschland und den angrenzenden
Lindem. Lith. Perlin (Abelsdorff) 1869. Imp.-Fol. (1 Thlr.)
Weiland (C. F.), Karte von Deutschland. Kpfrst. u. col. Weimar (Geogr. Inst.)
1869. Imp.-Fol. (12 Sgr.)
Wenn g'e neueste Eisenhahnkarten von Deutschland in Visitenkarten-Format. lY.
Ober.Khein-Gegenden. V. Die Schweiz. VI. Tirol mit Ober-Italien. Mün-
chen (Firsterlin, in Comm.). 16. (h 2 Sgr.)
Win^ckelroann (E.), Wandkarte von Deutschland, dem preufsischen und Ssteirei*
chischen Staate, Polen, der Schweii, den Niederlanden und Belgien. 9 BU.
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Poet- und Eisenbahn - Karte von Deutsehland, den Niederlanden, Belgien und der
Schwele. Bearb. nach L. Friedrich's Post- und Eisenbahn- Karte von Mittel-
europa. Gotha (Perthes) 1869. gr. Fol. (^ Thlr.)
Pvftmienkarte von Deutschland und einem Theile der angrenzenden Linder mit An-
gabe sftmmtlicher Eisenbahnen. Düsseldorf (Gestewitz) 1869. gr. Fol. (^ Thlr.)
Hydrographische haarten van Europa. Ten gebruike bij het onderwijs in de geo-
graphie etc. 4 gelith. kaarten. Leiden (Hooiberg & zoon) 1868. roy.-S.
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Ifene tisenbahn-Keisekarte von Deutschland und den angrenzenden Lindem. Chromo-
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Ifeue Keisekarte von Deutschland und einem Theile angrenzender LHnder. Chromo-
üth. Dresden (Tittel) 1869. gr. Fol. ({ Thlr.)
Bchulwandkarte von Europa. BerichL Ausg. von 1869. 4 BU. Kpftst. u. coU
Zürich (Keller) 1869. gr. Fol. (1 Thlr. 6 Sgr.)
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(D. Beiroer) 1969. gr. Fol. (4 Thlr.; auf Leinw. u. in Mappe 6} Thlr.; auf
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Topographische Karte vom preufsischen Staate. Aufgenommen vom K. preufsischen
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isflleib (W.), Special Atlas des preufsischen Staates für Schule und Haus. 16 Kar-
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Oräf (A.), Karte der preufsischen Provinzen Preufsen und Posen und des KSnig-
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Karte der Umgegend von Memel. Kpfrst. BerUn (Schropp) 1869. gr. Fol. (f Thlr.)
Kiepert (H.), Karte der preufsischen Provinz Pommern. Kpfrst. u. col. Weimar
(Geogr. Inst.) 1869. gr. FoL (12 Sgr.)
Karte der Oder und des Hafft von Stettin bis zu den Mündungen der Peene, Swina
und Dievenow. Lith. Stettin (v. d. Nahmer) 1869. Imp.-Fol. (2| Thlr.)
ZsiUohr. d. Gesslltoh. f. Brdk. Bd.IY. 41
642 ^' Koner:
PftQtz (Tb.) n. Schulz (C), Plan von Stettin. GhromoBth. Stettin (t. d.'Kali-
mer) 1869. fol. {^ Thlr.)
V. Hagenow (F.)» Karte Ton Neu-yorpommeni and der Insel Rflgen. CfaromoKO.
GreifBwald (Scfaarff) 1869. Imp.-Fol. (1| Thlr.)
Orlf (G.)« Karte dee Grorsberaogtl). Meeldenbarg-Scliwerin nnd, MecUenbvig^Sl^
Uta. Kpfrtt n. c*l. Weimar (Geogr. Intt.) 1869. Imp.-Fol. (12 Sgr.)
Grapow, üeberrichtslEarta der Scbletwig-Holsteinischen Weatlcttste. Nördliebes «.
sOdlicbes Bl. Lith. n. ool. Berlin (D. Reimer) 1869. Imp.-Fol. (b 1^ Tbk.)
Grif (A.), Karte der preaftiscben Provinaen Schleswig, Holstein und Lanenbüg
mit den freien and Hansestädten eto. Kpfrst. n. col. Weimar (Geogr. Imt)
1869. gr. Fol. (12 Sgr.)
Karte Ar die Einsegelnng in die Elbe. Heransg. im Aaftrage des Senats. Lift.
a. ool. Hambnrg (Friederichs & Co., in Comm.) 1868. Imp.-Fol. (Ij Thlr.)
Die Unterelbe. Heiaasg. im Auftrage des Senats. Revid. im Aogust 1868. Ü. 1. S.
Lith. n. coL Ebds. (1{ Thlr.)
karte der Togtei-Elbinsefai. Abthl. II. Bl. L Steinw«rder, Grevenhof, ElleAck
and Ross. Lith. Hamburg (GrOnlng, in Comm.) 1869. Imp.-FoL () Thlr.)
Karte der Vogtei Hamm. Lith. Ebds. Imp.-Fol. (} Thlr.)
Karte der Vogtei Hom. BL U. Lith. Ebds. Imp..Fol. (} Thlr.)
Plan und Wegweiser von Hambnrg, Altona und Umgebungen. Berlin (Goldachmidt)
1869. 16. (J-Thlr.)
Heuer (W«), Plan von Hamburg and Altona. Neue revid. Ausg. Lith. Hambnig
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(Geogr. Inst.) 1869. qu.-Fol. (12 Sgr.)
K5nig (Th.), Neuester Plan von Beiiin. Lith. Berlin (Berger) 1869. gr. FoL
(H Sgr.)
Kraatz (L.), Neuester ülustrirter Plan von Berlin mit 100 dngedr. bUdliohen Dai^
Stellungen in Tondr. Lith. Berlin (Nenmann) 1869. Imp.-Fol. ({ Thlr.)
Nenester Sitnations-Plan von Berlin, mit nächster Uragebang and Angabe der Weich-
bilds« und Polizeibesiriisgrensen. 4 Bll. Lith. Betlin (Schropp) 1869. qn.-
foL (f Thlr.)
MttUer (A.), Neuester Plan von FrankAirt a. O. Chromolitbogr. FrankAirt a. 0.
(Hamecker & Co.) 1869. gr. fol. (j Thlr.J
Grftf (A.), Karte der preofsischen Provinz Schlesien. Kpfrst. u. eolor. Weimer
(Geogr. Inst.) 1869. gr. FoL (12 Sgr.)
Schneider (F. J.), Special-Karte von Schlesien und der Grafschaft Glatz. Nene
Ausg. von Sadebeck. 4 Bll. Lith. a. col. Breslau (Korn) 1 869. gr. Fol.
(2J Thlr.; auf Leinw. 8J Thlr.)
T. Rappard (F.), Karte der Kreise Brenlau, Brieg, Namslau, Nimptseh, Strefalea
und Ohlau. Berlin (v. Rappard's kartogr. Tust.) 1869. qu. gr. Fol. (J Thlr.;
coL I Thlr.)
Nea erschienene geographische Werke, Aufsätze, Karten und Pläne. 648
Handtke (F.), Oeneral-Karte der Provinz Seoheen, des Heno^h, Anhalt, der her-
zogl. sächsischen Länder Weimar, Altenborg, Gotha and der Fttrstenth. Schwarz-
borg nnd Beufs. Lith. u. ool. Glogau (Flemroing) 1869. gr.'FoL (j Thlf.)
Grftf (A.), Karte der prenfsischen Provins Sachsen. Kpftst. n. coL Weimar
<6eogr. Inst.) 18G9. gr. Fol. (12 Sgr.)
Lange (H.), Magdeborg. Plan der Stadt nebst einem Ffihrer- für Fremde. 4. Anfl.
Leipzig (Brockhaus' Reise-Atlas No. 28) 1869. 8. (| Thlr.)
V. Rappard (F.), Karte des Kreises Wittenberg. Lith. Berlin (t. Bappard's
kartogr. Inst) 1869. gr. Fol. (| Thlr.; eol. 17^ Sgr.)
Karte vom Kreise Wittenberg im Reg. -Bez. Merseborg. Lith. u. eol. Eisleben
(Reichaidt) 1869. gr. FoL (j Thlr.)
Karte vom Kreis Bitterfeld im Reg.-Bez. Mersebnrg. Lith. n. eol. Eisleben (Rei-
chardt) 1868. gr. Fol. (] Thlr.)
Karte vom Kreis Naumbnrg im Reg.^Bez. Mersebnig. Lith. n. eoL Eisleben (Bel-
chardt) 1869. gr. Fol.* (| Thlr.)
Grftf (C), Karte der preufs. Provinz Westfalen, Rhe!nprovinc> Hessen -Nassao.
Kpfivt n. eol. Weimar (Geogr. Inst.) 1869. Imp.-FoL (18 Sgr.)
Sievers (J.), Uebersichtskarte der Berg- und Hüttenwerke im Ober-Bergamts-Be-
zirk Dortmund. Lith. Iserlohn (Bädeker) 1869. gr. Fol. (Ij^ Thlr.)
LIebenow (W.), Topographische Karte vom Kreise Bochnm. Lith. Berlin (Sehropp)
1869. gr. Fol. (f Thlr.)
Oh mann (C. F. u. C. L.), Wandkarte der K. prenlkischen BheinproTinz in 9 BU.
2. Anfl. Kpfrst. n. eol. Berlin (Wrack) 1868. gr. Fol. (1^ Thhr.; anf Lein^.
3 Thlr.)
Plan von Göln nebst einem Führer für Fkremde. 2. Anfl. Chromollth. Leipzig
(Brockhaus) 1869. qu. 4. (jl Thlr.)
Karte der Umgegend von Bonn. Lith. Bonn (Henry) 1869. qn. 4. (8 Sgr.)
Karte des Ahr- und Brohlthalea Lith. Bbds. qu. 4. (2^ Sgr.)
Topographische Karte vom Königreich Sachsen, bearb. vom topograph. Bureau des
K. Sachs. GeneraUtabes. 6. Lief. Sect 8. Borna () Thlr.); Sect. 10. Dresdep
(I Thlr.); Sect. 14. Langenbemsdorf (^Thlr.); Sect 19. ZitUu (^ Thlr.). Kpfrst.
Leipzig (Hinricbs, in Comm.). fol.
Ortakarte vom Königreich Sachsen, bearb. vom topograph. Bnrean des K. sächs.
GeneralsUbes. 6. Lief. Sect 14. Langenbenisdorf (8 Sgr.); Sect 21. Elster-
^^S (t Thlr.); Sect 22. Zwickau (| Thlr.); Sect 25. Oelsnitz und Sch5nberg
(j Thlr.); Sect 26. Johanngeorgenstadt (7 Sgr.). Kpfrst. Ebds.
Hfibschmann (G.), Karte vom Königreich Sachsen nebst kurzer Beschreibung dea-
selben. 16. Aufl. Annaberg (Rudolph u. Dieterici) 1869. qu. 4. (I Sgr.)
Graf (C), Karte des Königreichs Sachsen. Kpf^t u. eol Weimar (Geogr. Inst)
1869. Imp.-Fol. (12 Sgr.)
V. Sttfsmi Ich -Hornig (M.), Landwehr-Karte vom Königreich Sachsen. AnfGrvnd
der neuesten Materialien nachgetragen unter Mitwirkung von L. v. Gntbier.
4 Bll. Chromolith. Dresden (Burdach) 1869. Fol. (IJ Thlr.)
Andres (0.), Special -Karte der sächsisch -böhmischen Schweiz, eines Theiles des
Erzgebirges und Mittelgebirges. Nen rev. Ausg. Lith. u. eol. Dresden (Djetze)
1869. Fol. (I Thlr.)
Yolbeding's (H.) Uebersichtkarte der weiteren Umgegend Leipzigs. GhromoÜth.
Leipzig (Priberi 1869. Fol. (| Thlr.)
Graf (C), Karte der grofsherz. sächsischen Länder nebst der FOrstenth. Schwan-
burg und Beufs. Kpflrst. u. color. Weimar (Geogr. Inst) 1869. Imp.-Fol.
(J Thlr.)
Fils (A. W.), Höhenschichtenkarte vom ThUringerwalde und Umgebung, nördlicher
Theil. Chromolith. Gotha (Perthes) 1869. qn. Fol. (16 Sgr.)
41 •
644 W. Koner:
Lieben« w (W.), Karte des FUrstcnthums Birkenfeld. Litb. n. ool. Berlin (Scfaiopp)
186». Imp.-FoL (4 Thlr.)
Haber (J.}i NenesU Schul- und Reiee-Karte vom sUdweetlichen DaatsehUmd. Nene
▲nag. Kpfrst n. eol. Nttmberg (Be/erlein) 1869. Imp.-FoL (\ Thlr.)
Winckelmann (E.)f Wandkarte von Württemberg, Baden nnd Hohenaollen. Bevid.
Aneg. von 1868. Lilh. n. eol. 4 EIL Efilingen (Weyohardt) 1869. gr. Fol
(2 Thlr. 4 8gr.)
-^, Württemberg, Baden und HohcnzoUern. Litb. n. coL Ebda. gr. 4. (% Bgr.)
Karte von Württemberg, Baden und HohensoUem mit atmmtlichen Eisenbahneib
4. Aufl.* Lith. n. eol. Stattgart (Belaer) 1869. Imp.-Fol. (9 8gr.)
Karte von dem Grofsherzogtbum Baden, bearb. von der topographiechen Abtheilong
dea grofahenogl. Gkneralstabea. Kit Terrainaeichnnng. Lith. CarUrahe (Brann)
1868. Imp.-Fol. (1^ Thlr.)
Baiir (C* F.), Württemberg wie es war. Hiatoriach-geographiache Karte von Wtit-
temberg, vollendet von L. Rachel. 4 Bl. LitE. n. eol. Stattgart (Belaer)
186». gr. Fol. (1 Tbhr. 6 Sgr.) '
Bach (H.), Karte von Württemberg, Baden and HohencoUem nebat den angren-
leiiden Lüodertheilen. Nene revid. Aoag. Kpfrst. a. eol. Stattgart (Bfetiier)
1869. gr. FoL (1 Thlr. 4 Sgr.)
Beichard (C. G.), Königreich Württemberg, Grofah. Baden and die preofa. Für-
atenth. HohenioUem. Rev. von D. YSlter. Kpfirat. n. eol. Nürnberg (Beyer
lein) 1869. Imp.-Fol. (24 Sgr.)
Kiepert (H.), Daa Königreich WOrtemberg und das Grofaherzogth. Baden. KpfrsL
n. eol. Weimar (Geogr. Inat.) 1869. Imp.-Fol. (12 Sgr.)
Weiland (C. F.), Karte dea Königr. Bayern. Kpfrat. n. eol. Weimar (Geogr. Inat)
1869. Imp.-Fol. (12 Sgr.)
Heyberger'a (J.) Üeberaichtakarte der Eiaenbahnen and Eiaenbahnprojekte dei
KSnigreicha Bayern. Chromolith. München (May n. Widmayer) 1869. gr. Fol
(14 Sgr.)
^fe^Hejr (J. B.), Specialkarte von dem Königreich Bayern 'dieneita des Rheine
In 62 lith. n. eol. Bl. 5.-7. Lief. Nürnberg (Korn), qa. FoL (k 26 Sgr.)
Lang (H.)t Bayern mit den angrenzenden Lindem. Nene Aoag. Kpfrat. a. coL
Nürnberg (Beyerlein) 1869. Imp.-FoL (24 Sgr.)
Garnisons-Karte der K. bayerischen Armee mit den Kreta-, Bezirksamts-, Brigade-
commando- und Landwehrbezirks -Grenzen. Lith. Speyer (Kleeberger) 1869.
gr. Fol. (4 Thlr.)
Glas (G.)i Gebirgs-, Post- und Eisenbahn-Karte vom Fichtelgebirge and der frln-
kiaohen Schweiz. Kpfirat. u. eol München (Finsterlin) 1869. gr. 4. (^ Thlr.)
Rooat (J. B.), Reise-Karte von Süd-Bayern und Nord-TyroL Kpfrst. n. coL Nürn-
berg (Serz & Co.) 1869. Imp.-Fol. (1 Thlr.)
Pfeiffer (J. B.), Neuester Plan von München. Chromolith. München (Neuburgir
& Kolb) 1869. gr. Fol. (6 Sgr.)
Positionskarte der Umgegend von München im M. 1 : 26,000. 6 Bll. Lith. Man-
chen (Mey & Widmayer) 1868. (1 Tbk. 8 Sgr.)
Kiepert (H.), Völker- und Sprachen-Karte von Oesterreich und den Unter-Donaa-
Lftndem. Chromolith. 2. Aufl. Berlin (D. Reimer) 1869. gr. Fol. (12 Sgr.)
Karte der österreichisch -angarischen Monarchie. Kpfrat. u. eol. Weimar (Geogr.
Inst.) 1869. Imp.-Fol. (12 Sgr.)
Neueste Eisenbahn -Karte der österreichisch -ungarischen Monarchie. Lith. u. coL
Wien (Lehmann u. Wentzel) 1869. Imp.-Fol. (j Thlr.; in 28 Farben coL
i Thlr.)
Post-, Eisenbahn,, Telegraphen- und Dampfschifffahrtakarte von Oeaterreich-Üngan.
8. Aufl. Ch'romolidi. Teachen (Prochaaka) 1869. gr. FoL (1)^ TUr.)
Neu erschienene geographische Werke, Aufsätze, Karten and Plane. 645
Hickmann (A. L.), Das Königreich Böhmen in plastischer Darstellung entworfen
nnd ausgeführt. 2. Aufl. Reiofaenberg (Schöpfer) 1868. Imp.-Fol. (2 Thlr.
6 Sgr.)
6 ruf (C), Karte des Königreichs Böhmen. Kpfrst. u. coL Weimar (Geogr. Inst)
1869. Imp.-Fol. (12 Sgr.)
Karte vom Königreich Böhmen nach der' neuesten Eintheilung nnd Bezeichnung der
89 Beairke. Lith. u. col. Prag (Silber Sc Schenk) 1869. gr. Fol. (12 Sgr.)
Special -Karten der Kreisbezirke Böhmens nach der neuesten politischen, gericht-
lichen und Bemrks-Vertretnngs- Eintheilung. 18 BU. Lith. Prag (Silber &
Schenk, in Comm.) 1869. (k 6 Sgr.; col. k 8 Sgr.)
Generalstabs-Äbtheilung des K. K. General- Commando in Prag: Karte der Ümge*
bung von Königgrtttz. 9 BU. Lith. (1 }■ Thlr.) — Karte der Umgebung ron'
Prag. 20 Bll. Lith. (8 Thlr. 2 Sgr.) — Karte der näheren Umgebung von
Prag. 10 Bll. Lith. (1 Thlr. 16 Sgr.) ^ Karte der Umgebung von There-
siensUdt. 6 BIL Lith. (1| Thlr.) Prag (Ehrlich) 1869.
Grllf (A.), Karte der Markgrafiichaft Mähren und der Herzogth. Ober- und Nieder-
Schlesien. Kpfrst. n. col. Weimar (Geogr. Inst.) 1869. gr. Fol. (12 Sgr.)
L*nge (H.), Die Donau von Passau bis Linz und Wien. 4. Aufl* Leipzig (Brock-
haus) 1869. gr. 8. (^ Thlr.)
6 ruf (C), Karte von Nieder- und Ober-Oesterreich. Kpfrst. u. col. Weimar (Geogr.
Inst.) 1869. Imp.-Fol. (12 Sgr.)
Wien's iJtester Stadtplan ans den J. 1488—1465. Auf Stein gez. von A. Came-
sina. Text von C. Weifs. Wien (Gerold*s Sohn) 1869. gr. 4. (8 Thlr.)
Grttf (C), Karte der geforsteten Grafschaft Tirol mit Vorarlberg und dem Fttraten-
thum Liechtenstein. Kpfirst. u. col. Weimar (Geogr. Inst) 1869. Imp.-Fol.
(12 Sgr.)
Plan von Salzburg und seiner nächsten Umgebung. Lith. Salzburg (Dieter & Co.)
1869. Fol. (6 Sgr.)
Umgebungen von Innsbruck. 24 BL Wien (Militär-Geogr. -Institut) 1868. (90 kr.)
Szalay (L.), Post-, Eisenbahn-, Telegraphen- und Dampfschiflffahrtskarte von Un-
garn. 4 Bll. Pest (Grill) 1869. (4 Thlr.) (ungarisch.)
Graf (C), Karte der Herzogth. Steiermark, Kämthen, Krain etc. Kpfi^t n. coL
Weimar (Geogr. Inst) 1869. Imp.-Fol. (12 Sgr.)
Graf (C), Karte des Königr. Ungarn mit seinen Nebenländem und Galizien. Kpfirst.
n. col. Weimar (Geogr. Inst.) 1869. Imp.-Fol. (12 Sgr.)
Karten der übrigen Staaten Europa's.
«
Helvetia. Die Schweizer Alpen aus der Vogelschau mit Orientirungskarte. Chro-
molith. Weimar (Geogr. Inst) 1868. FoL (l-J Thlr.)
Leuzinger (R.), Geschäftskarte der Schweiz. Ohromolith. Bern (Dalp) 1869.
Fol. (J Thlr.)
— , Karte der Schweiz fllr Schulen. Kpfirst. u. col. EbdS. qu. Fol. (6 Sgr.)
Touristen - Karte der ost-rhätischen Kurorte, insbesondere der Bäder von Bormio.
Kpfrst. u. col. Ebds. 1869. FoL (1| Thlr.)
Kell er 's zweite Reise -Karte der Schweiz. Neue revidirte Ausg. Kpfrst u. col.
Zürich (Keller) 1869. gr. FoL (1 Thlr. 26 Sgr.)
Graf (C), Karte der Schweiz. Kpfrst u. col. Weimar (Geogr. Inst) 1869. Imp.-
FoL (12 Sgr.)
L enthold 's (H.) neueste Reisekarte ttber die Schweiz, Tyrol und Ober-Italien.
Kpfirst u. col. Zürich (Leuthold) 1869. gr. FoL (Auf Leinw. u. in Carton
1 Thlr. 18 Sgr.)
Leuthold's (H.) Post-, Eisenbahn- und DampfschifTkarte der Schweiz und der
Kachbarstaaten bis London. Kpfirst u. col. Zttrich (Leuthold) 1869. gr. Fol.
(Auf Leinw. u. in Carton 2| Thlr.)
646 W. Koner:.
Lenthold's neaeite Reisekarte der Sohweis ond der Nachbareüuiteii. Aug. 186d.
Kpfrst. a. col. Zürich (Leatbold). qa. gr. Fol. (Auf Leinw. 2 Thlr. 8 Sgr.)
Leuzinger (R.), Karte des Kantons Aargan. Cbromolith. Aaran (SauerUnder)
1869. Fol. (18 Sgr.)
Kutter (W. R.), Karte des Bemer Oberlandes nach den eidgeuossisehen AuflialiineB
beaih. u. herausg. Kpfrst. n. col. Bern (Dalp) 1869. gr. Fol. (Ij^Thlr.)
Tdgeli (A.), Plan der Stadt Zürich und ihrer Umgebungen. Kpfrst. Zürich (Leut
hold) 1869. gr. Fol. (\ Thlr.)
Leuzinger (R.), Karte des Kantons Bern zum Gebrauch Hir Schulen. CfaromoUtk.
Bern (Dalp) 1869. gr. 4. (| Thlr.)
Halder (A.), Interlaken und seine Umgebung. KpA^t. Bern (Dalp) 1869. (16 Sgr.)
Oarte de France au 1:80,000. 81* livr. No. 160: Vallercine (Haute -Savoie);
169: Tignes (Saroie); 190: Aignilles (Hautes- Alpes); 201: L'Arehe (Basses-
Alpes); 246: La Gouronne (Bonches-dn-Rhdnes) k 2 Ar. — No. 208: S^^e
(Aveyron); 210: Orange (Vanelusa); 281: Castres (Tarn); 284: Arles (Bon-
ehes-dn-Rhdne) k 4 A-. Paris, D^pdt de la Ouerre (Dumaine) 1868.
Dufour (A. H:), Atlas d^partementsl de la France. D^p. de la Loire. — D^p.
de la Haute-Qaronne. -— D<$p. de Lot-et-6aronne. — D^p. de la Lo2^r8. —
D^p. de la Somme. — D^p. de Tam-et-Garonne. — D^p. du Puy-de-Dome.
Paris (impr. Bonasse-Lebel) 1868.
Hammer (A. M.), Post- und Eisenbahn-Reise-Karte von Frankreich. Stahlst, n.
col. Nürnberg (Serz & Co.) 1869. Imp.-Fol. (18 Sgr.)
Oartes de la France et des ^tats limitrophes 1815 — 1830 — 1868. 1 BL Paria
(Dnmaine) 1868. (2^ fr.)
Carte des ^tapes de France, revue et corrig<^e, nouveau tirage. H. 1 : 1,200,000.
Paris, D^pdt de la Guerre (Dumaine) 1868. (4 fr.)
Atlas g^ographique , statistique et historique des d^partements de la France, con-
tenant 90 cartes avec 200 vignettes etc. Abbeville 1869. 8.
Delesse, Carte lithologique des mers de France. No. 1. Cbromolith. Paris (La-
croix) 1869.
Plan des passes et rades de Lorient et de Port-Louis. Paris (D^pdt de la Marine)
1869. No. 2697.
Carte hydro-topographique des atterragee des cotes de France entre Tile d'Oueasant
et nie d'Yeu, et File d*Ouessant et la pointe de Penmarch. Ebds. No. 2717.
Carte hydro-topographique des abords du goulet de Brest. Ebds. No. 2718.
La Seine anx äges hdrolques. 4 pl. Cbromolith. Paris (impr. Jansen) 1869.
Estignard (X.), Plan de remboochure de la Seine. Paris (Lemercier) 1869.
Carte pratique et ofificielle des excursions de Normandie et des bains de mer. Pa-
ris (impr. Janson) 1868.
Ynillemin (A.), Departement de la Marne. Paris (impr. Migeon) 1869.
Blenassier (C), Plan rontler du d^partement de la Cote-d'Or, dress^ d^aprea les
plans des ing^nieurs des diffdrentes administrations. Dijon (impr. Rabut6t) 1868.
Carte du d^part. de la Gironde, indiquant ses divisions administratives, les rilles,
communes etc. Bordeaux (Fillastre) 1869.
Carte vinicole du d^partement de la Gironde. Paris (impr. Janson) 1868.
Carte du pays et oomt^ de Clermont. Paris (impr. Monrocq) 1869.
Ragot: Carte topograpbique du d^partement du Rhdne. Paris (impr. Lemercier)
1868.
Carte du de'part. d*Eure-et-Loir. Extrait de la carte topogr. de la France. Chro-
molith. Paris (impr. Lemercier) 1869.
Guillemot (G.), Carte routi^re du dtfparteraent du Puy-de-D6me, r^ig^ d'apr^
la carte d'ensemble de M. Guillaume. Clermond-Ferrand (Ducros) 1868.
Carte physique du d^part. de la Savoie an 1 : 160,000, avec des cotes d*altitade
et rindication des gisements min^ralogiques d* Albertville , de Chamb^ry, de
Moutiers et de Saint-Jean-de-Maurienne. Chamb^ry (impr. Perrin) 1869.
Neu erschienene geographische Werket Aufsätze, - Karten und Pläne. £47
Sigaad (J.)* Atlas historiqae de la ville de Paris et de ses environs, Texte par
y. Yattier. 1*' arrondissement mimicipal, Paris 1869. gr. Fol.
Plan de la ville de Bourgea. Lith. Paris (impr. Jansen) 1869.
<4«rte de Troaville et des enrirons. Paris (Dnpont) 1868.
l^annink (A. A. et A. C), Carte des Pays-Bas, de la Belgiqne, du Lnzemboarg,
de U France septentrionale et de TAlleoiagne occidentale. 6 BU. Broxelles
(Mnqnardt) 1869. gr. Fol. (4 Thlr.)
Nvnnink (A. A. u. A. C), Karte der Niederlande, Belgien -Lnxembnrg, Nord-
Frankreich and West- Deutschland. 6 BU. Chromolith. Berlin (Schropp, in
Comm.) 1869. gr. Fol. (4 Thlr.)
Hmberts (W. J. A.), Wandkaart ten gebmike bij het onderwijs in den geschiedenis
der Nederlansche gewesten. 9 bll. gellth en geklenrd. Z wolle (Tjeenk Wil-
link) 1869. (f. 8,50; opgepl. met rollen f. 15.)
Kli7per (J.), Atlas van Nederland en de Overzeesche bezittingen. 8* drnk. 16 kaar-
ten gelith. u. gekl. Leeuwarden (Suringar) 1868. (f. 16,75; in linnen f. 18,80.)
K.nyper (J.), Atlas van Nederland en de overzeeschen bezittingen. 1* afl. Leen-
warden (Suringar) 1869. fol. (f. 2.)
9ragsma (F. C), Nederland en zijne overzeesche bezittingen, voor school en hnis
in 14 kaarten. 6* drnk. Groningen (Wolters) 1869. gr. 8. (f. 1.)
Zeegers (W.), Atlas van het koningr\jk der NederUmden en zijne overzeesche be-
zittingen voor schoolgebmik. Groningen (Casparie) 1868. 4. 17 bl. tekst
en 12 gelith. gekl. kaarten. (f. 1,25.)
Yolks-Atlas van Nederland en zijne overzeesche bezittingen, voor school en hnis.
18 gelith. kaarten. Amhem (Yoltelen) 1869. kl. 4. (f. 0,50.)
Atlas ten gebmike bij het onderwijs in de geographie van Nederland en Oost-Indie
van hoogere bnrgerscholen. 2* drnk. Leiden (Hooiberg en zoon) 1869. 4.
(f. 0,50.)
Nlenwe zeer nitvoerige kaart der Nederlanden, ten gebmike van den handel en op
scholen. Amsterdam (Funke) 1868. 1 bl. gelith. en gekl. (f. 0,80.)
Waterstaatskaart van Nederland, op de schaal 1 : 500,000. Vervaardigd op last
van Z. Exe. den minister van binnenlandsche zaken Thorbecke. Onder toezigt
van den inspecteur van den waterstaat in algemeene dienst F. W. Conrad
en den luit. kolon. van den generalen staf J. A. Besier. Alkmaar. No. 1. 2.
's Gravenhage (M. Nijhoflf) 1869. 2 bl. lith. fol. (h f. 1,50.)
^ Utreght. No. 1—4. Ebds. 4 bl. lith. fol. (k f. 1,60.)
Kaart van de provincie Gelderland verdeeld in arrondissementen en regterlijke kan-
tons. Zutphen (Thieme k Co.) 1868. (f. 1,25; geklenrd f. 1,50.)
Kaart van de provincie Zuid-Holland. Opgemaakt op last van de Provinciale sta-
ten. M. 1 : 50,000. 9 bl. 's Gravenhage (Smulders & Co.) 1867. gr. fol.
(f. 6.)
Nienwe provinciale kaart van Zuid-Holland. 9 bl. 's Gravenhage (Smulders & Co.)
1868. (f. 6; gekl. f. 8; opgeplakt met rollen en veroist f. 15.)
Kuyper (J.), Kaart van Overijssel. 2* druk. Leeuwarden (Suringar) 1868. gr. fol.
(f. 1,26.)
Kuyper (J.), Kaart van Friesland. 2* drak. Leeuwarden (Suringar) 1868. gr. fol^
(f. 1,25.)
Plattegrond der stad Arohem. 1 bl. lith. gekl. met 20 gezigten op de stad en in
de omstreken. Arnhem (Nijhoff en Zoon) 1868. (f. 1.)
Wegwijzer in den omstreken der stad Arohem. Yolgens de topographische en mili-
taire kaart bijgewerkt. 1 Bl. lith. Arahem (Nijhoff en Zoon) 1868. (f. 1.)
Plattegrond van Rotterdam. 1 bL gelith. Rotterdam (Bazendijk) 1867. (f. 0,75.)
Klorth Sea, Belgium, North Coast, approaches from Dunkerque to Scheide River,
Lieut. Stessel 1866. London, Hydrograph. Office, 1869. (1 s. 6 d.) (No. 1872.
646 W. Koner:
Carte phyaiqne, hydrographiqae, agrioole, min^ologiqae de Belgiqne, k Tosage d»
reDseignement, adopt^ par la commission centrale de rinstmctioii primaire
par A. H. G. 9 Bll. Li^ge (Dessaln) 1868.
Scheeperi (A.), Plan de la ville d'Anvers et des commaoe« limitrophea. Litb»
a. eol. Brazelles (Muqnardt) 1868. Inip.-Fol. (4} Thir.)
Bolen (H. J.)» Plan de la ville de Kamor et de ses environa. M. 1:2500.
Bmxellec (Van der Maelen) 1868.
Eraamy, Plan de la vUle et forterease de Lnxemboarg. 9 Bll. Lith. Luxem*
booi^ 1869.
— , Plan der Stadt und Featong Luxemburg. M. 1 : 6,000. Lith. Ebda. 1869.
Plan d'agrandissement de Luxembonrg. Lith. Lnxembonig (Brück) 1868. gr. foL
(6 Sgr.)
Ordnance Snrvey of England. Parish Maps, 1 : 2,500 (Backingham) Datchet 6 Bl.^
Horton 5 BL, Stoke Poges 2 Bl., Wyrardisbnry 5 Bl. _ (DevOn) Ex. Par.
places in and about Plymouth 8 Bl. — (Hampshire) Bishop's Waltham 15 BL,
BiehopBtoke 7 BL, Brockenhunt 14 BL, Farlington 8 Bl., Great SalUns 2 BL,.
Hambledon 16 BL, Hordle 8 BL, Lyinington 6 BL, Meon Stoke 6 BL, North
Stoneham 10 BL, Nuraling 5 BL, Porcheater 6 BL, Rowner 5 BL, SobertOB.
12 BL, üpham 7 BL, Widley 6 BL, WTmering 11 BL — (Kent) Boughton
Malherbe 7 BL, .Boughton Monchelsea 7 BL, Capel 6 BL, Chart Sutton 6 BL,
East Peckham 10 BL, East Sutton 5 BL, Egerton 6 BL, Eyneford 8 BL, Frit-
tenden 7 BL , Kemsing aad Westfield 6 Bl. , Ringsdown 7 BL , Loose 8 BL,
LuUingstone and Lullingstaine 4 BL, Marden 15 BL, Nettlested 6 BL, North
Cray 4 BL, Orpington 8 BL, Otford 7 BL, Pembury 10 BL, St. Paol^i Gray
5 BL, Shipbome 6 BL, Shoreham 11 BL, SUplehurst 12 BL, Sutton Valence
5 BL, Tudely 6 BL, Ulcombe 10 BL, Wrotham 18 BL, Talding 11 BL —
(Sturrey) Bamer 8 BL, Croydon 8 BL, Farley 8 BL, Headly 5 BL, Kew 8 BL,
Mortlake 5 BL, Petersham 2 BL, Richmond 8 BL, Walton on the Hill 8 BL,
Walton upon Thames 18 BL, Warlingham 5 BL, West Molealey 2 BL, Wey-
bridge 5 BL — (Isle of Man) Santon 8 BL, k 2| s. — One-inch-map
(1:68,860): BL 101 NW., SE. with hüls, 106 NW., 107 NE. with hiUs,
k 1 8. — Six-inch-map (1 : 10,560): Middlesex BL 6, 7, 10, 15, 19, k 2{ a.,
BL 1, 2, 8, 4, 5, 8, 9, 14, 24, k 2 s. — County-index-map (1: 190,080):
Northumberland, 2^8. — Town-mapa (1 : 500): Aberdare 19 BL, 82|-a.; Ly>
mington 8 BL, 25} a. — Town-maps (1:1056): Kingston -on-Thames 18 BL,
48 8.; London BL 265, 266, 292, 298, 294, 820, 861, 874, 889, 511, 512,
k 2 8. London (Longmana) 1869.
Ordnance Survey Mapa, coloured geologioally. England (1 : 68,360) BL 1 NE.,
SW., SE. (South Essex and part of Middlesex) k 8 a., BL 2 (Sheemes«*) 4 a.,.
BL 8 (Dover, Canterbuiy, Bamsgate) 8)8., Bl. 89 NE. (Blackbum, Accring-
ton) 8 8., Bl. 105 SE. (Sunderland, South Shields, Jarrow) Sa. — Durham
(1:10,560) BL4 (South Shielda) 4 a., BL 7 (Washington, Boldon) 6 a. —
Lancashire (1 : 10,560) BL 62 (Blackbum) 6 s., BL 78 (Balmont) 6 6.— Yer-
tical sectiona No. 29, 80 k 8^ a. London (Longmana) 1869.
England, South Coaat-Spithead , and its approachea from the Eaatward, various.
1869. London, Hydrograph. OflSce, 1869. (2 8. 6 4.) (No. 2050.)
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Paris (D^pöt de la Marine) 1869. No. 2692.
— . De Whitby k Longstone. Ebds. No. 2704.
— . De la rivikre Hnmber k Whitby. Ebds. No. S706.
Ordnance Survey of Scotland. Parish Maps, 1:2500: (Aberdeen) Crathie and
Braemar 6 BL, Genmuick, TuUich and Glengaim 4 BL, Kennethmont 15 BL,
Logie Coldstone 25 BL, Strathdon 8 BL, Tarland and Migvie 25 BL, Tarvea
27 BL, Towie 24 BL — (Argyll) Saddell and Skipnesa 29 Bl. — (Elgin) Aber-
nethly and Kincardine 17 BL, Cromdale, Inverallen and Advie 8 BL, Dvthil
Nea erschienene geographische Werke, Aufsätze, Karten und Pläne. 649^
and RolhieiDiirefain 15 Bl. k 2{ s. — One<inch-map (1 : 68,860): BL 67, 1 1.
9 d. — Siz-inch-map (1 : 10,660): Argyll 6 Bl., 10 s.; Kincardineshire 27 Bl.,
61b. — Coontj-index-map (1 : 68,860): ForfarsMra (t\ s.) London (Long-
mana) 1869«
Sootland, West-Goast» Firth of Clyde, Loch F^ne etc. Gapt. Robison. Addition»
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Rahenj 4 Bl., St George 4 Bl. (k 2j s.) — One-inch-map 1 : 68,860. Bl. 22
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RIkets ekonomiska Karteverk. 7. Hft. 2 Bll. af Lindes och Ramsberg samt Nora
och Hjolsjo häiader i örebro län. Mit 82 S. Text 4. ^tockliolm (Bonnier)
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76 öre; auf Leiow. 2 rd. 76 öre.)
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(Ird. 26 öre.)
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— De Leköe k Donnaesöe. Ebds. No. 2708.
— . De Donnaesöe k Fleina et Sandhomet Ebds. No. 2709.
— . De Fleina k Ost-Vaagö, comprenant les lies Lofoten. Ebds. No. 2710.
— . Des fies Lofoten k Andö. Ebds. No. 2711.
— . D'Andö k Kralö. Ebds. No. 2712.
-*. De Kxalö k SorO. No. 2718.
SSS W. Koner:
CdtB d» NoTT^« De Soro an csp Nord, compreaant HämoMriMi. Fans (Mpdt
de U Marine) 18419. No. 2714.
-^. Du c»p Nord k Tana«Fiord. Ebds. No. 2716.
— . De Tana-Fiord an cap Nametzki, comprenant Yangn-Fiord. Ebds. No. 2716.
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Mar Adriatique (cdtes dltalie). Brindisi. } de feuille. Paris (D^p8t de la Marine)
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Um M^diterran^e. Ile de Corfon. Port de Corfon. Ebds. No. 2764.
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Mer Noire. Danube. Bonches de la brauche Kilia et brauche Sulina. ^ feuille.
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— . Plan du mouillage de Kustenjeh. \ de feuille. Ebds. No. 2762.
~. Baie d'Odessa. | de fsuille. Ebds. No. 2768.
Karten von Asien.
Karte des Kaukasus im M. 1 : 1,680,000. Herausg. von der Kaukasischen Sektion
der Kais. Rubb. Geogr. Gesellschaft 1868, geseichnet und litbopaphirt in dar
Neu erscbioDene geographische Werke, Aufsätze, Karten und Pl&oe. Q{^ \
kriegatopograpbischen Abtheilong des Kankasischen Generalstabes. Chromolith*
Tiflis 1868. (russisch.)
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Ciontoiired model- of Jerusalem from the Ordnance Sunrey. M. 1 : 2600. (6 £. 6 s.);
1:10,000 (1 £. ll^s., coloured geolog. 1 £. 18 j s.). London (Longmans)
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Mer des Indes. — Cdte Orientale d'Arabie, partie comprise entre Maskat et Ras-
Merbat. Paris (D^pdt de la Marine) 1869. No. 2647.
— . Carte de l'entr^e du golfe d'Aden, comprenant la cdte Sud d'Arabie entre
Ras-Merbat et Ras-al-Kelb; cote N. £. dAbyssine entre Ras-Hadadeh et Bae-
Haflm; les tles de Socotra et Abd-al-Kuri. £bds. No. 2648.
Indian Ocean, with Magnetic curves, and Western part of the Pacific Ocean, va-
rious. 1869. London. Hydrograph. Office, 1869. (8 s.) (No. 2488.)
Mer de Chine. Partie Nord de l'üe de Lu9on, entr^e occidentale du d^troit de
San Bernardlno. Paris (D^pdt de la Marine) 1869. No. 2645.
Cdte Orientale de la Chine. Ri\ri^re de Wousung, entre le Yang-tz^-kiang et Shang-
hai. Ebds. No. 2646.
Oolft du Pet-cheli. Baie Talien-whan. j feuille. Ebds. No. 2777.
Cöte Est de Tartarie. Baie Saint Vladimir. Ebds. No. 2776.
Cl^te occidentale de Corde. Plan croquls de la rivi^re de Hang-Kang ou de S^ul,
depuis son embuchure jusquli S^ou\ Paris (D^pdt de la Marine) 1869. No. 2745.
— . Mouillage de Tile Boisde et bassin de Si^rou. Ebds. No. 2747.
— . Carte des atterages S. 0. de la rivi^re de Sdoul. Ebds. No. 2750.
— . Tsau-liang-hai (Havre Chosan de Bronghton) et cdte adjacente de Tchaosian.
Ebda. No. 2782.
Various Java Sea Harbours and anchorages between Baly and Timor. Dutch Snr-
vey, 1867. London, Hydrograph. Office, 1869. (1 s. 6 d.) (No. 985.)
Stanford's PorUble Map of India. London (SUnford) 1869. (8 s.)
Singaporc Streit, 1867. London, Hydrograph. Office, 1869. (8 s. 6 d.) (No. 2408.)
Topographische kaart der residentie Bagelen opgenomen te gevolge gouvernementa
besluit dd. Mei 1857 n** 4, onder de leiding van den kolonel directeur der
genie W. C. von Scbierbrand, door den kapitein R. F. de Seyff en 1* teeke-
naar der genie K. Wilsen etc. M. 1 : 100,000. 4 bl. chromolith. Rotterdam
(Petri) 1868. (f. 8,50.)
Topographische kaart der residentie Kadoe opgenomen ten gevolge gouveivements
besluit van 1 Jan. 1860 n** 24, onder de leiding van den kolonel directeur
der genie W. C. von Schierbrand etc. M. 1 : 100,000. 2 bl. chromolith. Ebds.
(f. 2,50.)
Topographische kaart de residentien Banjoemaas opgenomen en zamengesteld gedu-
rende 1857, 58, 59 en 60, ten gevolge gouvemements besluit dd. 21 Febr.
1857 n* 28, onder leiding van . . . von Schierbrand, door den kapitein W.
Beijerinck etc. M. 1 : 100,000. 8 bl. chromolith. Ebds. (f. 5.)
Cdte N. 0. de Bom^o, partie comprise entre la pointe Sampanmang et la baie d'Ani-
bong. } feuille. Paris (Ddpdt de la Marine) 1869. No. 2650.
652 W. Koncr:
Cdte N. 0. de Born^o, partie comprUe entre la baie d*Ambong et la pointe NoMsg.
i feaille. Paris (D^pöt de la Marine) 1869, No. 2651.
— , partie coniprise entre la pointe Nosong et la rivi^re Amapa. Ile et mooiUage
de Laboaan. { feuille. Ebds. No. 2652.
— , Plan de l'entr^e de la rivi^re Brani. | feuille. Ebda. No. 2770.
— , Plan de la rivifere Bmni. j feuille. Ebde. No. 2771.
— , Carte d«8 entr^s de la rivi^re Sarawak. ^ feuille. Ebds. No. 2788.
Celebes anchoragee, Lobo, Kalie sutu or Dwaal bajs, Gorontalo river, and Tello
Moton harbour; Tarious. 1868. London, Hydrograph. Offlee, 1868. (Ib.)
(No. 811.)
Moluccas Ancboniges, Limbe Strait, Sannana, Wabaay, Haliling Bays, Temate Road;
Dutseh Survey 1847. London, Hydrograph. OfSce, 1869. (1 s. 6 d.) (No. 980.)
Pbilippines. Plan du d^troit de Ilo entre l'Üe de Panay et Tile Mactan. Ile de
GnimaraB, port Buluanag ou Santa Anna. ^ feuille. Pafis (D^pöt de la
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veduta nel 1866, riprodotta per ordine del Commend. L. Torelli etc. nel 1866,
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Kuyper (J.), Kaart van Nederlands West-IndiS, bestaande uit Nederl. Guyana, de
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Leeowarden (Suringar) 1868. gr. fol. (f. 1,26.)
Carte des c6tes de la Guyane, depuis Cayenne jusquli rembouehnre de TAmazone.
Paris (D^pdt de la Marine) 1869. No. 2729.
Carte particuli^re de la cdte du Brasil, partie comprise entre Picimquaba et Ta-
mandua (province de San-Paolo). Paris (D^pdt de la Marine) 1869. No. 2788.
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No. 2766.
Brazil. San Marcos or Maranham Bay, Capt. Mouchez, 1867. London, Hydro-
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South America, East Coast, Rio de la Plata, with four Plans, various authorities
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■i C-'- >y
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SEP 2 - 1938