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Full text of "Zeitschrift der Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin"

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ZEITSCHRIFT 



DER 



GESELLSCHAFT FÜR ERDKUNDE 



ZU 

BERLIN. 



HERAUSGEGEBEN IM AUFTRAG DES VORSTANDES 

VON 

DEM GENERALSEKRETÄR DER GESELLSCHAFT 

GEORG KOLLM, 

HAUPTMANN A. D. 



BAND XXXII. — Jahrgang 1897. 



Mit iz Tafeln und drei Abbildungen im Text. 



BERLIN, W. 8. 

W. H. KÜHL. 

1897. 



G 



Inhalt des zweiunddreifsigten Bandes. 



Aufsätze. 

(Für den Inhalt ihrer Aufsätze sind die Verfasser allein verantwortlich.) 

Seile 
Die Steinbrüche an Mons Claudianus in der östlichen Wüste Ägyptens. 

Von G. Schweinfurth. (Hierzu Tafel i und 2.) i 

Die chilenisch-argentinische Grenzfrage mit besonderer Berücksichtigung Pata- 

goniens. Von Dr. Hans Steffen in Santiago de Chile. (Hierzu Tafel 3.) 23 
Die Katalanische Weltkarte der Biblioteca Estense zu Modena. Von Dr. 

Konrad Kretschmer. (Hierzu Tafel 4.) 65 

Die Anfange der magnetischen Beobachtungen. Von G. Hellmann .... 112 
Die ersten Kriegszüge der Spanier im nördlichen Mittel-Amerika. Von Dr. 

Carl Sapper in Coban. (Hierzu Tafel 5.) 137 

Geomorphologische Probleme aus Nordwest - Schottland. Von Albrecht 

Penck in Wien. (Hierzu Tafel 6.) 146 

Die Katalanische Weltkarte der Biblioteca Estense zu Modena. Von Dr. 

Konrad Kretschmer. (Schlufs.) 191 

Morphometrie des Genfer Sees. Von Dr. Wilhelm Halbfafs. (Hierzu 

Tafel 7.) 219 

Reisen und Forschungen in Nord-Griechenland. Von Dr. Alfred Philippson. 

(Schlufs) 244 

Die Hydrographie des oberen Nil-Beckens. Von E. deMartonne. (Hierzu 

Tafel 8—10) 303 

Dr. A. Philippson 's barometrische Höhenmessungen auf den griechischen Inseln 

der Ägäischen Meeres. Berechnet von Dr. A. Galle 343 

Begleitworte zur Karte des östlichen Teils der Insel Neu-Pommern. Von Frhr. 

von Schleinitz. (Hierzu Tafel 11.) 349 

Reise im Gebiet des oberen Amazonas. Von Dr. A. Rimbach. (Hierzu 

Tafel 12.) 360 

Bemerkungen 409 



Karten. 
Tafel 1 und 2. Die römischen Granit - Steinbrüche (Mons Claudianus) am Gebel 
Fatireh. Entworfen von G. Schweinfurth. 19. — 22. Januar 1885. 
Mafsstab 1 : 20 000. 
„ 3. Übersichtskarte des chilenisch - argentinischen Grenzgebiets zwischen 

40° 30' und 44 s. Br. Mafsstab 1 : 1 500 000. 
» 4. Katalanische Weltkarte des 15. Jahrhunderts im Besitz der Biblioteca 
Estense zu Modena. Gezeichnet von K. Kretschmer. (In V3 der 
Originalgröfse.) 



Tafel 5. Politische Karte des nördlichen Mittel- Amerika zum Beginn des 16. Jahr- 
hunderts. Entworfen von Dr. Carl Sapper. Mafsstab 1:1500000. 
„ 6. Profile zur Abhandlung von Albrecht Penck. 
Abbild. 1. Stldufer von Loch Assynt. 
„ 2. Ansicht des Slioch von Osten. 
„ 3. Überschiebung am Quinag und Glas Bheinn. 
„ 4. Ansicht des Südufers vom Loch Broom. 
„ 5. Profil am linken Ufer des Loch Maree nach B. N. Peach. 
„ 6. Profil am rechten Ufer des Loch Maree nach B. N. Peach. 
„ 7. Verkehrte Schichtlagerung in Nordwest-Schottland. 
„ g. Faltung ohne Kompression. 
„ 7. Kurven zur Morphometrie des Genfer Sees. Von Dr. W. Halbfafs. 
Abbild. 1. Hypsographische Kurve des Genfer Sees. 
„ 2. Hypsokiinographische Kurve des Genfer Sees. 
„ 3. Chorigraphische Kurve des Genfer Sees. 
n 4. Volumenkurve des Genfer Sees. 
„ g. Oro-hydrographische Karte der oberen Nil-Gebiete mit Benutzung aller 
bis zum Juli 1897 vorhandenen Quellen. Entworfen von E. de Mar* 
tonne. Mafsstab 1 ; 6 000 000. 
„ 9. Profile zur vorstehenden Tafel und Karte der jahreszeitlichen Regen- 
verteilung. 

Abbild. 1. Profil von S. nach N. entlang dem Meridian von Magungo. 
„ 2. Profil entlang dem Äquator. 
„ 3. Jahreszeitliche Regenverteilung. 

„ 4. Profil des Laufes des oberen Nil von den Quellen bis nach 
Fashoda. 
„ 10. Regenkarte der oberen Nil-Gebiete. Entworfen von E. deMartonne. 

Mafsstab 1 : ia 000 000. 
„ 11. östlicher Teil von Neu -Pommern. Aufgenommen von Frhr. von 

Schleinitz. September und Oktober 1887. Mafsstab 1:500000. 
„ 12. Skizze der Flufs-Systeme des Santiago, Morona, Pastaza, Chambira und 
Tigre auf Grund eigener Beobachtungen sowie zuverlässiger Nachrichten, 
mit teilweiser Benutzung der Carta Geogräfica dei Ecuador von Dr. 
T. Wolf, ig9a, entworfen von Dr. A. Rimbach, 1^96. Mafsstab 
1 : 3 000 000. 



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ZEITSCHRIFT 



ia.au 



DER 



GESELLSCHAFT FÜR ERDKUNDE 



ZU BERLIN. 



Band XXXII — 1897 — No. 3. 



Herausgegeben im Auftrag des Vorstandes 
von dem Generalsekretär der Gesellschaft 



Georg Kollm, 

Hauptmann a. D. 



Inhalt. s^ 

Die ersten Kriegszüge der Spanier im nördlichen Mittel-Amerika. Von 
Dr. Carl Sapper in Coban. (Hierzu Tafel £'.) 137 

Geomorphologische Probleme aus Nordwest-Schottland. Von Alb recht 
Penck in Wien. (Hierzu Tafel b.) 146 

Die Katalanische Weltkarte der Biblioteca Estense zu Modena. Von Dr. 
Konrad Kretschmer. (Schlufs.) 191 

Tafel 5. Politische Karte des nördlichen Mittel -Amerika zum Beginn des 16. Jahrhunderts. 

Entworfen von Dr. Carl Sapper. Mafsstab 1:2500000. 
Tafel 6. Profile zur Abhandlung von Albrecht Penck. 



LONDON E. C. 

SAMPSON LOW & Co. 

Fleet-Street. 



BERLIN, w.8. 

W. H. KÜHL. 

1897. 



PARIS. 

H. LE SOUDIER. 

174 & 176. Boul. St. Germain. 



Beilage: Prospekt von Velhagen & Klasing in Bielefeld und Leipzig. 



Veröffentlichungen der Gesellschaft im Jahr 1897. 

Zeitschrift der Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin, Jahr- 
gang 1897 - Band XXXII (6 Hefte), 

Verhandlungen der Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin, 
Jahrgang 1897 — Band XXIV (xo Hefte). 

Preis im Buchhandel für beide: 15 M., Zeitschrift allein: 12 M., Ver- 
handlungen allein: 6 M. 



Beiträge zur Zeitschrift der Gesellschaft für Erdkunde werden mit 
50 2v|f:k für den Druckbogen bezahlt, Original-Karten gleich einem Druckbogen 
berechnet 

Die Gesellschaft liefert keine Sonderabzüge; es steht jedoch den Verfassern 
frei, solche nach Übereinkunft mit der Redaktion auf eigene Kosten anfertigen 
zu lassen. 

Alle für die Gesellschaft und die Redaktion der Zeitschrift und 
Verhandlungen bestimmten Sendungen — ausgenommen Geldsendungen 
— sind unter Weglassu ng jeglicher persönlich en Adresse an die: 

„Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin SW. 12, Zimmerstr. 90", 

Geldsendungen an den Schatzmeister der Gesellschaft, Herrn 
Geh. Rechnungsrat Bütow, Berlin SW. Zimmerstr. 90, zu richten. 

Die Geschäftsräume der Gesellschaft — Zimmerstrafse 90. II — sind, 
mit Ausnahme der Sonn- und Feiertage, täglich von 9 — ia Uhr Vorm. und von 
4 — g Uhr Nachm. geöffnet. 



Verlag von W. H. Kühl, Jägerstrasse 73, Berlin W. 



Bibliotheca Geographica 

Herausgegehen von der 

Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin. 

Bearbeitet von 

Otto Baschin. 

Band I. Jahrgang 1891 u. 189a. XVI, 506 S. 8°. Preis M. 10.—. 
Band II. Jahrgang 1893. XVI, 383 S. 8°. Preis M. 8.—. 



Karte von Südost-Thessalien M. 1.50. 

Karte von Eplrns nnd West-Thessalien M. 3.—. 

Geologische Karte von Sfldost-Thessallen . . . . M. 2.50. 
Geologische Karte vonEpirns nnd West-Thessalien M. 4.50. 

Nach den vorhandenen Quellen und eigenen Aufnahmen von 

Dr. Alfred Fhilippson. 

Herausgegeben von der 

Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin. 

Maafestab i : 300 000. 



Die ersten Kriegszüge der Spanier im nördlichen Mittel- 
Amerika. 

Von Dr. Carl Sapper in Coban. 
(Hierzu Tafel 5.) 

Wenn es auch zweifellos von höherem Interesse ist, selbst auf 
neuen Pfaden durch fremde Länder zu streifen, so ist es doch auch 
anziehend, die Reisen der ersten Pioniere und Eroberer in unbekannten 
Ländern zu verfolgen und den Ursachen ihrer Erfolge oder Mifserfolge 
nachzuspüren, insofern diese durch die politischen Verhältnisse der 
Zeit und Gegend oder durch die örtliche Beschaffenheit des Landes 
bedingt waren. So leicht dies auch bei modernen Forschungsreisen 
und Feldzügen ist, wo die Beteiligten meist bemüht sind, nachher alle 
diese Fragen in erschöpfender Darstellung klarzulegen und durch Karten 
und wissenschaftliche Betrachtungen zu erläutern, so schwierig ist es 
oft bei früheren Entdeckungsreisen und Kriegszügen. Als ich mir 
die Aufgabe stellte, an der Hand der mir zugänglichen Geschichts- 
werke 1 ) die politischen Verhältnisse des nördlichen Mittel-Amerika und 
den Verlauf der ersten Kriegszüge der Spanier in jenen Gegenden 
kartographisch festzulegen, da wurde es mir bald klar, dafs eine in 
Einzelheiten eingehende Darstellung nicht möglich ist und dafs man 
über manche Fragen wohl niemals eine sichere Auskunft erhalten wird, 
weil die Aussagen der spanischen und einheimischen Schriftsteller oft 
sehr unklar sind oder sich in wesentlichen Punkten widersprechen. 
Zudem sind zahlreiche einheimische Dokumente durch den Fanatismus 



! ) Benutzte Literatur: Diego de Landa, Relacion de las cosas de Yucatan, 
herausgegeben von Brasseur de Bourbourg, Paris 1864. Cartas y relaciones de 
Ilcrnan Cortes, Coleccion Gayangos, Paris 1866. Bernal Diaz del Castillo, 
Historia verdadera de la conquista de la Nueva Espana, Paris 1837, 4 ^de. Isagoge 
historico apologetico general de todas las Indias y especial de la Provincia 
de S. Vicente Ferrer de Chiapa y Goathemala, Madrid 1892. Jose" Milla, Historia 
de la Am6rica Central, Guatemala 1879, 2, Rde. Domingo Juarros, Compendio 
de la historia de la Cindad de Guatemala, Guatemala 1857. 

Zeitschr. d. Ges. f. Erdk. Bd. XXXII. 1897. 10 



I 



138 



Carl Sapper: 



der spanischen Priester geraubt worden, und die Darstellung der ge- 
retteten indianischen Geschichtsquellen ist oft schwer verständlich; 
manche Schriftsteller, welche noch aus — nunmehr verlorenen — 
indianischen Manuskripten schöpfen konnten, zeichnen sich leider nicht 
durch grofse Genauigkeit aus und sind deshalb nicht durchaus glaub- 
würdig. Dazu kommt die für Festlegung der Reiserouten so verhängnis- 
volle Häufigkeit von Schreibfehlern gerade in Ortsbezeichnungen und 
der eigentümliche Gebrauch der von Mexico her kommenden Ex- 
peditionen, sich die einheimischen Ortsnamen in das Azteki sehe übersetzen 
zu lassen und sie dann in aztekischer Übersetzung mitzuteilen. Bei 
den Zügen von Alvarado undMarins stört dies nicht, da in den betreifenden 
Gebieten diese aztekischen Ortsnamen beibehalten wurden; Cortes' Zug 
aber, der zudem durch noch immer wenig bekannte Gebiete führte, 
jäfst sich wegen dieser störenden Übersetzungen — neben welchen 
allerdings im Bericht des Cortes auch einheimische Ortsnamen auf- 
treten — nur schwer festlegen, und in manchen Fällen würde vielleicht 
mir eine Rückübersetzung in die Sprache des Gebiets eine Identi- 
fizierung ermöglichen. 

Unter solchen Umständen kann daher meine hier mitgeteilte 
„Politische Karte des nördlichen Mittel-Amerika zu Beginn des 16. Jahr- 
hunderts" nur als ein bescheidener, der Nachsicht bedürftiger Versuch 
betrachtet werden, und in Anbetracht der allgemeinen, durch den Stand 
der historischen und archäologischen Forschung bedingten topographi- 
schen Unsicherheit mag auch die namentlich auf Paschke's Karte der 
Republik Guatemala (1889) und der „Carta administrativa-itineraria de 
la Republica Mexicana" (1878) fufsende topographische Grundlage ge- 
nügend sein. 

Zur allgemeinen Kennzeichnung der politischen Lage des nörd- 
lichen Mittel-Amerika während des Entdeckungs-Zeitalters und zur Er- 
klärung der aufserordentlichen Erfolge der Spanier bemerke ich zu- 
nächst, dafs allenthalben eine Zersplitterung in eine Menge von kleinen 
und kleinsten Staaten herrschte, die sich meist in erbitterter Feind- 
schaft gegenüber standen oder wenigstens kühl und fremd neben ein- 
ander bestanden. Der Grund für diese aufserordentliche Zersplitterung 
ist neben dem Unabhängigkeitssinn des Indianers im allgemeinen ins- 
besondere in zwei Ursachen zu suchen. Einmal stellte die in diesem 
Gebiet ungewöhnlich weit gehende Sprachzersplitterung der Ent- 
stehung grofser, stramm organisierter Staatswesen bedeutende Schwierig- 
keiten in den Weg, und wenn sich trotzdem einige gröfsere Reiche 
bildeten, so trug der Nationalitätenhader der einzelnen Bestandteile 
den Keim eines baldigen Zerfalls in den Staatsorganismus. Die zweite 
Ursache der Staatenzerstückelung ist in den örtlichen Verhältnissen 



>, 



V 



Die ersten Kriegszüge der Spanier im nördlichen Mittel-Amerika. 139 

des Landes zu suchen: in dem äufserst gebrochenen Gelände des 
Kettengebirges von Mittel-Guatemala trugen die mühsamen Pafsüber- 
gänge und andere Verkehrshemmnisse, in der pacifischen Küstenebene 
die während der Regenzeit zuweilen fast unpassierbaren, reifsenden 
Querflüsse, in den von jeher sehr dünn bevölkerten Urwaldgebieten 
der atlantischen Gebirgsabdachung, des Petens, des südlichen Yucatan 
und Tabasco neben vielfachen Verkehrserschwerungen die Zerstreut- 
heit, Spärlichkeit und geringe Ständigkeit der Siedelungen ihr gut Teil 
zur Entstehung zahlreicher, kleiner, ganz oder teilweise unabhängiger 
politischer Einheiten bei. In der That sehen wir, dafs nur in jenen 
Gegenden sich mächtige Staatswesen gebildet haben, wo die genannten 
Hindernisse nicht oder nur wenig hervortraten, namentlich in dem 
flachen, offenen nördlichen Yucatan und in dem orographisch ziemlich 
einheitlichen, übersichtlichen Massengebirge von Guatemala; es waren 
dies die Königreiche Mayapan und Quiche. 

Zum Glück für die Spanier waren aber diese beiden indianischen 
Grofsmächte im Entdeckungs-Zeitalter schon zerfallen. Innere Unruhen, 
hervorgerufen durch die Unzufriedenheit des niederen Volkes hatten in 
beiden das Ansehen des Staatsoberhauptes untergraben und so den 
Abfall einzelner Vasallenstaaten ermöglicht, die dann ihrem alten Hafs 
so weit nachgaben, dafs sie später sogar den europäischen Eindring- 
lingen Hilfe gegen ihre einstigen Herren gewährten: so die Cheles und 
Tutuxiu gegen die Cocomes in Yucatan, die Cakchiqueles gegen die 
Quichds in Guatemala. Aber auch noch andere Ursachen allgemeiner 
Natur trugen zu den Erfolgen der Spanier bei. Das in einiger Hinsicht 
an das mittelalterliche Feudalsystem erinnernde Vasallensystem der 
Indianerreiche hatte auch innerhalb eines Staatskörpers mannigfache 
Sonderinteressen erzeugt, die das Nationalitätsgefühl sogar der sprachlich 
gleichartigen Staatsglieder untergruben und zu immer weiter gehender 
Decentralisation der Macht führten. Dazu kam, dafs gerade die mächtigen 
Indianerfürsten zu stolz waren, um die Gunst des Geländes taktisch 
voll und ganz auszunützen, sondern dafs sie gewöhnlich in offener 
Schlacht auf ebenem Gelände die fremden Eindringlinge zu besiegen 
trachteten und denselben damit die beste Gelegenheit zur völligen Aus- 
nützung der Vorteile boten, welche die weit überlegenen Waffen und die 
Schrecken verbreitenden Pferde ihnen sicherten. So erklärt es sich, 
dafs die kleinen Staatswesen von Tezulutan (Verapaz) und des Peten 
sich mit Erfolg lange gegen die kriegerischen Einfälle der Spanier zu 
erwehren vermochten, da sie die natürlichen Vorteile des Geländes 
ausnützten und die Entscheidung nicht durch Annahme einer offenen 
Feldschlacht auf eine Karte setzten. Diese Urwald- und Gebirgs- 
gegenden sind das ureigene Land der Guerilla-Kriege, und ein Auf- 

10* 



! 



•J40 Carl Sapper: 

stand der Pokonchi-Indianer um die Mitte des 19. Jahrhunderts, welcher 
als „Guerra de la montana" in der Überlieferung älterer Verapaz-Be- 
wohner bekannt ist, zeigt, dafs auch in der neuesten Zeit noch sicli 
schlecht bewaffnete Indianerscharen in entlegenen, schwer zugänglichen 
Gebirgsländern jahrelang gegen reguläre Truppen zu halten vermögen. 
Eine bedeutsame Hilfe für die Spanier war aufserdem der Verrat, 
welcher manchmal gerade im entscheidenden Augenblick die schlau 
ersonnenen Kriegslisten der Indianer zu Schanden machte. Der Grund 
für die Häufigkeit des Verrats unter den Indianern, die man doch 
sonst für zuverlässig und treu ansehen darf, ist wahrscheinlich in der 
alle Rücksicht vergessenden persönlichen Rachsucht zu suchen, welche 
über das mangelhafte Nationalgefühl des einzelnen überwog. In meinem 
Umgang mit den Indianern der Alta Verapaz habe ich oft bemerkt, 
dafs nur einzelne Indianer Vergehen anderer mitteilten, gewöhnlich 
nicht aus Rücksicht auf mich oder meinen Vorteil, sondern aus persön- 
licher Feindschaft, da sie auf diese Weise ihrem Gegner etwas am 
Zeug flicken wollten. Die psychologischen Regungen des Indianer- 
herzens sind übrigens manchmal so verschieden von unserer Denk- 
und Ftihlweise, dafs es schwer fällt, dieselben richtig zu verstehen und 
zu beurteilen. 

Nach diesen allgemeinen Bemerkungen will ich noch einige An- 
gaben über die Einzelgebiete hinzufügen; ich hebe aber vorher hervor, 
dafs die politischen Grenzen der Karte natürlich nur ganz roh den ver- 
mutlichen Verlauf derselben andeuten können, und dafs ich für die- 
jenigen Gebiete, für welche keine geschichtlich beglaubigten Berichte 
vorliegen, auf die ethnographischen Verhältnisse als Hilfsmittel zurück- 
gegriffen habe, da aus der Geschichte der bekannten Landesteile hervor- 
geht, dafs in der That die politischen Grenzen eines Staates des nörd- 
lichen Mittel -Amerika selten Gebiete verschiedener Sprachen ein- 
schlössen. Wo dies dennoch der Fall war, da war denselben doch das 
einheimische Fürstenhaus und die eigene Verwaltung und Gesetz- 
gebung geblieben: sie waren trotz des Abhängigkeitsverhältnisses be- 
sondere politische Einheiten. Die Zahlenerklärung giebt die politische 
Einteilung des nördlichen Mittel-Amerika an, wie sie zu Beginn des 
16. Jahrhunderts vermutlich statthatte. Orts- und Provinznamen, die 
nicht sicher identifiziert werden konnten, sind mit einem Fragezeichen 
versehen; in manchen Fällen sind übrigens von den Spaniern ganze 
Ortschaften versetzt worden (wie Mixco, Tujal u. a.). Obgleich ich auf 
der Karte nur die wichtigsten Züge der Spanier in dem Zeitraum von 
15 17 bis 1527 eingezeichnet habe, so habe ich doch auch die Ge- 
schichte der nächstfolgenden Jahre noch mit berücksichtigt, soweit mir 
dies möglich war, und bei den betreffenden Ortsnamen die Zeit ihrer 



Die ersten Kriegszüge der Spanier im nördlichen Mittel- Amerika. 14 [ 

Einnahme und Gründung beigesetzt. — Zur Orthographie bemerke 
ich, dafs ich die Schreibweise der älteren Schriftsteller genau bei- 
behielt; x ist wie „seh", h wie schwach aspiriertes „ch", c wie „s", 
z wie im Deutschen auszusprechen. — 

In Yucatan waren nach der Zerstörung von Mayapan (1446 n. Chr.) 
neben kleineren unabhängigen Fürstentümern, wie Campeche und 
Champoton, drei gröfsere Königreiche entstanden: 1) Ahkinchel, das 
Reich der Cheles, gegründet vom Schwiegersohn eines der Hauptpriester 
von Mayapan, 2) Zu t Uta, gegründet von dem einzig überlebenden 
Spröfsling der Cocomes, der Königin von Mayapan, und 3) das Reich 
der Tutuxiu, eines vor Jahrhunderten von Süden her (aus Chiapas?) 
eingewanderten Volkes, welches nach Landa's Erkundigungen sich im 
Süden von Mayapan friedlich niedergelassen und den Gesetzen des 
Landes unterworfen hatte, während aus einem (im gleichen Buch von 
Brasseur de Bourbourg anhangsweise mitgeteilten und übersetzten 
Maya-Manuskript „Lelo lai u tzolan katunil ti Mayab" hervorgehen würde, 
dafs die Tutuxiu um das Ende des 5. Jahrhunderts n. Chr. Chacnouitan 
(d. h. Yucatan) erreichten und die Provinz Ziyan-Caan (d. i. Bakhalal) 
eroberten, um die Mitte des 8. Jahrhunderts Chichenitzä einnahmen 
(das sie im 12. Jahrhundert wieder verloren) und an der Neige des 
9. Jahrhunderts Champutun eroberten, dessen Bewohner (Itzaes) aus- 
wanderten und neue Wohnsitze (im Peten) suchten. 

Die Spanier beschränkten sich bei ihren ersten Expeditionen nach 
Yucatan unter Hernandez, Grijalva und Cortes auf Umsegelung der 
Küsten und gelegentliche Landungen, von welchen die bei Champoton 
durch blutige Kämpfe mit den Eingeborenen (Covohes) ausgezeichnet 
waren. 

Erst der Adelantado Francisco de Montejo machte .einen ernst- 
haften Versuch zur Eroberung des Landes; er schifite sich 1526 mit 
Ermächtigung der Hofes in Spanien mit 500 Mann auf 3 Schiffen ein, 
landete auf der Insel Cuzmil (Cozumel) und nahm sie für den König von 
Castilien in Besitz. Später landete er in Conil und zog unbehelligt nach 
Tecoch, der Hauptstadt von Ahkinchel, dessen Herrscher den Spaniern 
Chichenitzä als Wohnsitz anwiesen. Von dort aus begann Montejo die 
Eroberung des Landes, zunächst ohne grofsen Widerstand zu rinden; als 
aber die Mayas sich gegen ihn erhoben und täglich neue Verstärkungen 
erhielten, sah er sich gezwungen, die Stadt zu verlassen und sich nach 
Tzilan zurückzuziehen, wo er im Schutz der Cheles einige Monate ver- 
blieb, um sich dann im sicheren Geleit der Herren von Tzilan und 
Yobain zu Land nach Campeche zu begeben und mit seinen Leuten 
das Land zu verlassen. Seinem Sohn Francisco de Montejo gelang es 



142 Carl Sap per: 

später mit Hilfe der Indianer von Champoton und Campeche, festen 
Fufs zu fassen, in Tiho die nachmalige Hauptstadt Merida zu gründen 
und von hier aus die Eroberung der Halbinsel zu vollenden. 

Fast alle von Diego de Landa erwähnten Ortsnamen lassen sich 
noch leicht identifizieren; seine Entfernungsangaben betreffs der Haupt- 
stadt Tecoch stimmen allerdings nicht recht mit dem heutigen Ticoch 
überein. Ebenso ist die Lage von Tixchel unklar, da Landa diese 
Stadt auf einer Insel der Laguna de Terminos liegen läfst, während 
das heutige Tichel auf dem Festlande liegt. 

Auf dem Isthmus von Tehuantepec hatten die Spanier (erst 
nach der Eroberung der Stadt Mexico) ohne Blutvergiefsen die einst 
zum Reiche Montezuma's gehörige Provinz Coatzocoalco unter Gonzalo 
de Sandoval in Besitz genommen 1 ). Die Zapoteken von Tehuantepec, 
welche früher den aztekischen Heeren mutvollen Widerstand geleistet 
hatten, unterwarfen sich Cortes freiwillig 2 ); nur die kriegerischen Mije?* 
(Minxes) blieben vorläufig unabhängig. 

Im Gebiet des jetzigen Staats Tabasco, wo Cortes in der Nähe 
des heutigen Frontera Kämpfe gegen die dortigen Indianerstämme zu 
bestehen hatte, scheinen zur Zeit der Conquista keine gröfseren, selbst- 
ständigen Staatenbildungen bestanden zu haben; ein Teil dieses Gebiets 
gehörte zum Azteken-Reich, das übrige nahmen kleine Fürstentümer der 
Mayas, Chontales und Zoques ein, welche ohne grofse Schwierigkeit 
zu unterwerfen waren. 

Im heutigen Chiapas bestanden neben kleinen Staatswesen de: 
Zoques (und Choles) die ansehnlichen Reiche der kriegerischen Chia- 
paneken, der Quelenes (Tzotziles) und Tzentales, welche durch ein von 
Luis Marin angeführtes spanisches Heer unterworfen wurden. Bernx 
Diaz nahm an dem Feldzug teil und beschreibt ihn. In seiner schlichten 
Weise bemerkt er aber, dafs er sich der Jahreszahl nicht mehr genau 
erinnere. Da aber die Villa del Espiritu Santo (Coatzocoalco) 152: 
gegründet worden ist und Bernal Diaz, sowie Luis Marin 1524 an Cortes 
Zug nach Honduras teilnahmen, so darf man mit grofser Wahrscheinlich- 
keit das Jahr 1523 für diese Expedition annehmen. Die meisten von 
Bernal Diaz erwähnten Ortsnamen lassen sich mit ziemlicher Sicherheit 
identifizieren. Estapa ist nicht mit dem heutigen Iztapa zu verwechseln, 
(welches von Bernal Diaz als „Salinas" gleichfalls erwähnt ist), sondern 
lag unfern dem linken Chiapas-Flufsufer, während die Ruinen der Stad: 
Chiapa auf dem rechten Ufer liegen, wie ich selbst gesehen habe. Silo. 
Suchiapa (IV, S. 35) ist offenbar Schreibfehler für Solosuchiapa. Die 

M Bernal Diaz, III, S. 347—363. 
2 ) Bernal Diaz, III, S. 405. 



Die ersten Kriegszüge der Spanier im nördlichen Mittel- Amerika. 143 

Klage über die schwierigen Pässe und rauhen Gebirge auf dem Weg 
vom mittleren Chiapas nach Tapilula ist noch heute am Platz, wie ich 
aus Erfahrung weifs. 

Soconusco hat vor Ankunft der Spanier zum Reich der Azteken 
gehört und scheint sich den Spaniern freiwillig unterworfen zu haben, 
weshalb die Einwohner wohl von den Quiche*s angefeindet wurden 1 ). 
Quichds stellten sich auch den Spaniern an der Westgrenze von Soco- 
nusco entgegen, wurden aber von Pedro de Alvarado bei Tonalä im 
Jahr 1524 geschlagen. 

In Guatemala war zur Zeit der Conquista das wichtigste Reich 
dasjenige der Quiche's, zu welchem die Fürstentümer von Rabinal und 
Uspantlan als Vasallenstaaten gehörten; aufserdem scheint auch das 
Mame-Reich, zu dem dieCuchumatanes-Stämme als Tributärstaaten gehört 
zu haben scheinen, zur Zeit Alvarado's noch in einem gewissen Ab- 
hängigkeitsverhältnis zum Quichd-Reich gestanden zu haben. Dagegen 
hatten sich die Reiche derCakchiqueles und Tzutuhiles schon vorder Con- 
quista vom Quichd-Reich losgerissen. Die Cakchiqueles tibertrafen sogar 
bald an Macht ihre Rivalen und einstigen Herren, die Quiche's, und 
dehnten ihre Herrschaft über die Gebiete der Akahales (Pocomames) aus. 
Revolutionen und innere Zwietracht brachen aber bald ihre Macht, und 
etwas mehr als zwei Jahrzehnte vor Ankunft der Spanier trennte sich ein 
Teil der Cakchiqueles vom Gesamtvolk los und bildete das unabhängige 
Königreich Yampuk (Sacatepequez). Aufser diesen Reichen bestanden 
noch: im Osten von Guatemala die Chortf-Reiche von Esquipulas und 
Copan, im Norden die Herrschaften der Verapaz, der Choles und Lacan- 
dares und das ansehnliche Reich der Itzaes (Taiga oder Ahizä). Im Süden 
von Guatemala und in San Salvador sind als gröfsere Staatswesen 
die Pipil-Reiche Panatacatl und Cuzcatlan zu nennen, zwischen denen 
sich kleinere Pipil- und Xinco-Fürstentümer befanden. 

Die meisten von Pedro de Alvarado und den übrigen Conqui- 
stadgren in diesen Gebieten berührten Ortschaften sind leicht zu 
identifizieren; nur die Lage der Inselfestung von Atitlan ist nicht mit 
Sicherheit festgestellt, da eine ganze Anzahl von Inselchen am Südufer 
des Sees beobachtet wird. Die Reiseroute, welche Cortes auf seinem 
berühmten Zug nach Honduras verfolgte, ist dagegen nicht mit Sicher- 
heit in ihrem ganzen Verlaufe festzulegen, obgleich wir zwei in mancher 
Hinsicht sich trefflich ergänzende Berichte von Augenzeugen besitzen, 
nämlich den officiellen Bericht des Cortes an Kaiser Karl V. und die 
Beschreibung des Bernal Diaz, welcher als Soldat den Zug mitgemacht 
hat. Bernal Diaz, der 1522 bis 1524 in Coatzocoalco gewohnt und 



J ) Colecrion Gayangos, S. 290. 



144 Carl Sapper: 

die Umgebungen auf seinen Zügen genau kennen gelernt hatte, be- 
schreibt den Zug durch Tabasco recht eingehend. Jenseits des Rio 
Grijalva aber werden seine Schilderungen, die er erst viele Jahre später 
aus dem Gedächtnis niedergeschrieben hat, verschwommen und ungenau, 
weshalb ich von da ab für den weiteren Verlauf der Reise mich an 
den Bericht des Cortes gehalten habe, welcher mit grofser Wahrheit 
die Terrainschwierigkeiten, den eigenartigen Charakter mancher Gebirge, 
die Savannen und das mühselige Wandern in den dichten Urwäldern 
mit ihren Strömen, Sümpfen und periodischen Seenbildungen beschreibt 
oder wenigstens andeutet. Wo Bemal Diaz und Cortes von einander 
abweichen, sind es meist Dinge von untergeordneter Bedeutung: Bemal 
Diaz läfst den Cortes z. B. von Ciguatepecad aus zwei Spanier nach 
Xicalango entsenden, während der spanische Feldherr berichtet, von 
Izancanac aus einen Boten dorthin geschickt zu haben (der dann auf 
dem Rio S. Pedro oder auf einem mit diesem Flufs in Verbindung 
stehenden Überschwemmungssee abgesegelt sein müfste). 

Von Coatzocoalco bis Tepetitan läfst sich der Zug von Cortes auf 
der Karte ziemlich genau verfolgen; dagegen ist die Lage von Iztapan und 
Tatahuitalpan recht unsicher, während Qagoatespan wegen der Nachbar- 
schaft des noch heute bestehenden Osumacintlan etwas genauer be- 
stimmbar ist. Dann aber wird die Festlegung der Reiseroute schwierig, 
da keine von den zunächst erwähnten Ortsnamen mehr bestehen und 
erst die Insel Flores im Peten - See aus der Ortsbeschreibung mit 
Sicherheit erkennbar ist. Für die dazwischen liegenden Orte sind die 
Beschreibungen zu ungenau, zugleich aber ist unsere topographische 
und vollends unsere archäologische Kenntnis dieser Gegenden zu gering, 
um sie heute wieder zu erkennen und auf der Karte eintragen zu 
können. Zudem wechselt ja das Bild jener Gegenden ungemein stark 
mit der Jahreszeit: wo der Wanderer in der Trockenzeit, namentlich 
von März bis Mai, heftige Durstqualen zu gewärtigen hat, weil viele 
Bäche und Wassertümpel gänzlich austrocknen, da findet er währenp^ der 
Regenzeit oft grofse Überschwemmungsflächen, Sümpfe und stark an- 
geschwollene Bäche, die ernstliche Verkehrshindernisse bilden können. 
So viel steht übrigens fest, dafs Cortes auf dem Wege vom Osumacintlan 
zum Peten-See den Rio S. Pedro nicht überschritten hat, also südlich 
von demselben geblieben ist. Auf dieser Reise, in Acala, geschah das 
Unerhörte, dafs Cortes den gefangenen Kaiser von Mexico, Guateumucin, 
auf den Verdacht einer Verschwörung hin, zusammen mit dem Fürsten 
von Tacuba, an einer Ceiba aufknüpfen liefs. 

Nachdem Cortes die Inselstadt Tayasal verlassen hatte, beschreibt 
er seinen Eintritt in die Savannen des Peten; jedoch läfst sich Checan, 
sein erstes Nachtquartier, nicht identifizieren, da aus jener Gegend kein 






Die ersten Kriegszüge der Spanier im nördlichen Mittel- Amerika. 145 

See bekannt ist. Ebensowenig läfst sich der Endpunkt des zweiten 
und dritten Tagesmarsches bestimmen; denn obgleich die Ortsbeschreibung 
des letzteren Punktes (Savannen mit etlichen Kiefernwäldern) recht gut 
auf Machaquilä passen würde, so mufs doch die Identität beider Orte 
bestritten werden, da die Entfernungen nicht stimmen. Es scheint, als 
ob Cortes westlich vom heutigen S. Luis-Wege marschiert wäre, wie 
er auch das wasserarme, wildzerrissene, aber niedrige Felsengebirge 
von Pecbar, nördlich vom Cancuen, an einer breiteren, also ungünstigeren 
Stelle überschritten zu haben scheint, als man es heutzutage auf dem 
S. Luis-Wege thut. Er überschritt nun, wie es scheint, den stark an- 
geschwollenen uud daher sehr schwer zu passierenden Cancuen (Rio 
S. Ysabel), später den Yaxhä und den Sarstoon 1 ), um sich dann ost. 
wärts nach Nito zu wenden. Die Hungersnot, die in jener spanischen 
Ansiedelung herrschte, nötigte Cortes zu einer Expedition in das Innere 
des Landes, von wo er reiche Vorräte an Lebensmitteln mitbrachte. 
Da ich mich über diese Expedition schon früher 2 ) eingehend verbreitet 
habe, brauche ich hier nicht darauf zurückzukommen. Dafs Cortes 
wirklich südlich vom Polochic in das Innere des Landes eingedrungen ist, 
wie ich damals wahrscheinlich zu machen suchte, kann ich nun mit 
Bestimmtheit versichern, da ich seitdem auch die Gegend nördlich vom 
Polochic aus eigener Anschauung kennen gelernt habe: die Ortsbe- 
schreibung des Cortes, namentlich der Hinweis auf das Vorkommen 
unglaublich vieler Bäche, pafst vortrefflich auf die Südseite des Polo- 
chic-Thals, aber gar nicht auf die Nordseite. 

Nach Nito heimgekehrt, schiffte sich Cortes, welcher den gröfsten Teil 
seines Heeres nach Naco geschickt hatte, nach der Bahia des S. Andres 
ein, gründete daselbst die Villa de la Natividad de Nuestra Sefiora 
und setzte seine Reise nach Trujillo fort. Damit endete der berühmte 
Zug nach Higueras (Honduras), ein Zug, welcher die Energie und Aus- 
dauer der Spanier im Ertragen von Hunger und Strapazen, ihre 
Ingenieurkunst und Findigkeit in das hellste Licht setzt. Derselbe Zug 
wirft aber auch ein helles Streiflicht auf die unwirtliche Beschaffenheit 
und die dünne Bevölkerung der durchzogenen Gebiete, und die Spär- 
lichkeit der Ansiedelungen trug auch hauptsächlich die Schuld daran, 
dafs diese unter unsäglichen Mühen und Entbehrungen durchgeführte 
Expedition ganz ohne bleibenden Erfolg geblieben ist, wie schon der 
unbekannte Verfasser der „Isagoge" mit scharfem Blick erkannt und 
hervorgehoben hat. Ich schliefse die Skizze mit den Worten, mit denen 
derselbe (S. 408) die beiden gleichzeitigen Züge des Cortes und seines 
Waffengefahrten Alvarado vergleicht: „Mit einem Häuflein, das noch 

») Globus, Bd. LXI Nr. 14, S. 211. 

2 J Petermanns Mitteilungen, 38. Bd., 189a, X, S. 243. 






14(> 



A. Penck: 



nicht iooo Mann zählte, Spanier und Mexikaner zusammengenommen, 
ging Don Pedro de Alvarado siegreich aus unzähligen Schlachten her- 
vor, schlug gewaltige Heere, unterwarf Dörfer, Provinzen, Königreiche 

und mächtige Könige . Und jetzt sehen wir, dafs der berühmte 

Don Fernando Cortes mit einem starken Heer von mehr als 4000 Mann 
weder Königreiche unterwarf, noch Provinzen, noch Dörfer, noch auch 
Schlachten schlug, abgesehen von jenem kleinen Scharmützel mit den 
armseligen Choles 1 ), und dafs sein ganzer Zug voll war von Mühsal, 
Unglück, Elend, Hungersnot, Krankheit und Tod. Die natürliche und 
offenkundige Ursache davon ist, dafs Don Pedro de Alvarado auf der 
Südsee-Seite Dörfer, Städte, Provinzen und sehr volkreiche Königreiche 
fand, welche er mit Gottes Hilfe besiegen und unterwerfen konnte. 
Aber Don Fernando Cortes traf bei den Nordküsten keine solche 
Dörfer, Städte, Provinzen oder Königreiche an, sondern verlassene 
Gegenden, in denen er kaum ein paar armselige Hütten fand und 
einige Führer, die ihn von einem Ort zum andern führen konnten." 



Geomorphologische Probleme aus Nordwest-Schottland. 

Von Albrecht Penck in Wien. 
(Hierzu Tafel 6.) 

Die unter der Leitung von Sir Archibald Geikie stehende 
geologische Landesdurchforschung Grofsbritanniens hat im Laufe des 
letzten Jahrzehnts bei Aufnahme des nordwestlichen Schottlands eine 
Reihe hochwichtiger Ergebnisse gezeitigt, welche in den zunächst be- 
teiligten Fachkreisen gröfste Aufmerksamkeit hervorgerufen haben, und 
welche voraussichtlich noch auf längere Zeit den Gegenstand ernster 
Diskussionen auch in weiteren Kreisen bilden werden. Es war daher 
ein überaus glücklicher Gedanke, dafs das Organisations-Komitee des 
VI. Internationalen Geographen-Kongresses in London 1895 eine Ex- 
kursion in die nordwestlichen Hochlande in das Ausflug-Programm auf- 
genommen und in einem von deren Erforschern, Herrn John Hörne, 
einen ausgezeichneten Leiter gewonnen hatte. 

Ich hatte das grofse Glück, mich dieser Exkursion anschliefsen zu 
können. Der Umstand, dafs sich kein zweiter Teilnehmer eingestellt 
hatte, ermöglichte dem trefflichen Exkursionsleiter, das Programm der 
Reise ganz meinen speziellen Wünschen und meiner physischen 
Leistungsfähigkeit anzupassen. Ich danke daher in erster Linie Herrn 
Hörne, dafs ich in einer gegebenen Zeit möglichst viel zu sehen 
bekommen habe, und darunter auch namentlich die Dinge, auf die ich 

l ) Auf dem Polochic. 



Geomorphologische Probleme aus Nordwest-Schottland. 14 7 

persönlich Gewicht legte. Dazu kommt, dafs die in Nord-Schottland 
im allgemeinen wenig günstige Witterung während der Exkursion einige 
sehr schöne und nur zwei regnerische Tage brachte. Ich war dadurch 
in die Lage versetzt, nach dem Studium der Einzelprofile gröfsere 
Strecken von geeigneten Standpunkten aus zu überblicken und ver- 
möge der aufserordentlichen Nacktheit des Landes deren geologischen 
Aufbau in grofsen Zügen kennen zu lernen. 

Wennn es mich drängt, über die Ergebnisse der Exkursion zu 
berichten, so kann dies selbstverständlich nicht in der Absicht ge- 
schehen, neue Beobachtungen über ein Gebiet mitzuteilen, das durch 
mehr als ein Jahrzehnt der Schauplatz mühevoller Untersuchungen einer 
Schar auserwählter Geologen gewesen ist. Ich mufs mich beschränken, 
die Eindrücke wiederzugeben, die das Gesehene auf mich gemacht 
und bleibend hinterlassen hat. Diese Eindrücke sind zweierlei Art. 
Die einen beziehen sich auf die Auffassung der geologischen Lage- 
rungsverhältnisse, und da kann ich nur die absolute Zuverlässigkeit 
der schottischen Aufnahmen rühmen. Die anderen beziehen sich auf 
die Deutung der geologischen Lagerungsverhältnisse und ihre Wichtig- 
keit für geomorphologische Probleme. Von ihnen soll im folgenden 
vornehmlich die Rede sein. Über den Verlauf der Exkursion be- 
schränke ich mich, folgendes zu berichten. 

Am 13. August 1895 brachen wir, Herr Hörne und ich, mit dem 
Stellwagen von Lairg, der Station der Hochlandbahn für Sutherland, 
nach dem nahe an der Westküste gelegenen Assynt auf. Abends be- 
sichtigten wir die dort befindliche normale Schichtfolge. Am 14. August 
besuchten wir bei herrlichstem Wetter die Profile längs des Loch 
Glencoul, einer Fjordverzweigung der Westküste nördlich von Assynt, 
wohin wir abends zurückkehrten. Am 15. August fuhren wir am West- 
rande des Caledonischen Gebirges nach Ullapool, am Loch Broom, 
einem Fjord der Westküste, gelegen. Unterwegs hatten wir Gelegen- 
heit, das berühmte Knockan-Profil kennen zu lernen; abends besich- 
tigten wir die Profile von Ullapool. Heftiger Regen, welcher die zu 
durchwatenden Bäche hoch zum Schwellen brachte, hinderte am 16., 
die Wanderung am Westrande des Caledonischen Gebirges fortzusetzen 
und zu Fufs nach Kinlochewe am Loch Maree zu gehen. Wir mufsten 
uns entschliefsen , mit Wagen und Bahn dahin zu kommen ; dabei 
waren wir genötigt, bis zur Station Garve ostwärts zurückzugehen, also 
das Caledonische Gebirge zweimal nahezu in seiner gesamten Breite zu 
queren. Die nächsten Tage waren Ausflügen von Kinlochewe gewidmet. 
Herrliches Wetter begünstigte am 17. August den Besuch der Profile 
am Slioch und Beinn a Mhuinidh, und am 18. — soweit mit der Sonn- 
tagsruhe vereinbar — der bekannten des Logan-Thals. Der 19. August 



148 A. Penck: 

war den Aufschlüssen am Loch Torridon, der 20. jenen am Westende 
des Loch Maree und von Gairloch gewidmet. Abends fuhren wir noch 
nach Strathcarron , dem Standquartier der Herren Peach und Hörne. 
Es war mir sehr wertvoll, nach der offiziellen Exkursion des Kongresses 
beide Geologen noch am 21. und 22. August gelegentlich ihrer Auf- 
nahmetouren begleiten zu können. 

1. Die beiden Diskordanzen. 
Nord-Schottland zerfallt morphologisch in drei Stücke 1 ). Die 
Ostküste wird auf grofsen Strecken von einem Flachlande gebildet, 
das sich an flach gelagerte Schichten des alten roten Sandsteins (Old 
Red) knüpft. Die Mitte ist ein Bergland, zusammengesetzt aus stark 
gefalteten Schichten von gneifsähnlichen Gesteinen, von Glimmer und 
Quarzitschiefern, die hier und da von mächtigen Granitstöcken unter- 
brochen werden. Das ist das Caledonische Gebirge. Seine Schicht- 
gesteine, an welche sich die gröfsten Moorvorkommnisse Schottlands 
knüpfen, werden nach deren gälischer Bezeichnung von den schot- 
4} tischen Geologen Moine-Schichten genannt. Sie streichen nordöstlich. 

Die Oberflächengliederung ist davon gänzlich unbeeinflufst. Die Berg- 
rücken verlaufen meist von Nordwesten nach Südosten und sind 
durch Querthalzüge von einander getrennt. Diese Anordnung mahnt 
an eine fied erförmige, deren Hauptkamm zerstört und deren Quer- 
kämme allein erhalten sind. Westlich vom Caledonischen Gebirge er- 
streckt sich im Norden, in der Nachbarschaft von Kap Wrath eine 
Platte mit einem ähnlichen Reichtum an Seen, wie ihn Schweden und 

J Finnland aufweisen. Hier herrscht ein gebänderter Granit, welcher von 

zahlreichen südwestlich streichenden Gängen dioritischer Gesteine 
durchsetzt wird. Unweit des Loch Maree gesellen sich auch Glimmer- 
und Quarzitschiefer hinzu, welche den Moine-Schichten ähneln, aber 
tf nicht wie diese nordöstlich, sondern in einem rechten Winkel dazu 

) streichen. Alle diese Gesteine bilden einen einheitlichen Komplex, 

1 welchen die schottischen Geologen kurzhin als den des „alten Gneifses" 

J bezeichnen. So soll er auch hier benannt werden. Im Verein mit 

* den ihm aufsitzenden Sandsteinbergen spielt er gegenüber dem Cale- 

donischen Gebirge die Rolle einer tektonischen Einheit, die wir als 
hebridisches Gebiet bezeichnen wollen. Die Sandsteinberge be- 
gleiten die Westküste von Loch Cairnbawn mit wenigen Unterbrechungen 

l ) Vergl. hierzu A. Geikie's ausgezeichnete geologische Übersichtskarte von 

Schottland inBartholomew, The Royal Geographical Society's Atlas of Scotland. 

j 1895. pl. VI. Für die topographischen Einzelheiten kann auf die Blätter XXXIX, 

j XLIV, XLV, XLVIII und XLIV des genannten vorzüglichen Atlas verwiesen 

! werden. 



?i 



Geomorpbologiscbe Probleme aus Nordwest-Schottland. 149 

bis zur Insel Skye; wegen der Steilheit ihrer Formen und ihrer roten 
bis braunen Färbung bilden sie unstreitig die landschaftlich schönsten 
Teile der schottischen Westküste. Ihre Höhe übertrifft mehrmals 
die des benachbarten Caledonischen Gebirges. Quinag (809 m), Canisp 
(847 m) und der scharfgratige Suilven (731 m) sind die nördlichsten 
Sandsteinberge der Gegend von Assynt. Weiter südlich bilden sie die 
malerischen Erhebungen am Loch Maree und Loch Torridon. Nach 
letzterem heifst ihr Material Torridon-Sandstein. Sie selbst können dar- 
nach als torridonisches Bergland bezeichnet werden. 

In seiner Beschaffenheit erinnert der Torridon-Sandstein den Alpen- 
forscher an den Grödener Sandstein der Bozener Gegend und den 
süddeutschen Geologen an den Buntsandstein, wie er im Schwarzwald 
sich dem welligen Gneifs aufsetzt; der Schotte meint zunächst den 
Old Red zu erkennen. Aber es liegt hier weder permischer noch 
triasischer, noch devonischer Sandstein vor, sondern ein solcher viel 
höheren Alters. B. N. Peach und John Hörne konnten durch 
Fossilfunde unzweifelhaft machen, clafs die Gesteine, welche den Tor- 
ridon-Sandstein diskordant überlagern, den ältesten fossilführenden 
Schichten Grofsbritanniens angehören, und dafs der Sandstein schon 
in die Basis der normalen Sedimentärformationen gehört. (Quart. 
Journ. Geolog. Soc. London XL VIII, 1892, S.227.) Ist in stratigraphischer 
Hinsicht die Feststellung der Thatsache sehr wichtig, dafs unter den 
ältesten kambrischen Schichten noch Gesteine vorkommen, die sich 
petrographisch in nichts von den roten Sandsteinen jüngerer Formationen 
unterscheiden, weil dadurch die Wahrscheinlichkeit Raum gewinnt, 
noch ältere Formen als die kambrische aufzudecken, so knüpft sich 
das geomorphologische Interesse vornehmlich an die Grenze des Gneifses 
und des Torridon-Sandsteins. 

Verfolgt man die Gneifsberge, so sieht man sie unter die Sand- 
steinberge förmlich untertauchen. Diese sitzen ihnen auf und verhüllen 
sie samt den trennenden Vertiefungen. Deutlich sieht man dies auf 
der Nord- und Südseite des Quinag, sowie auch am Südufer des Loch 
Assynt, wo unter dem Beinn Gharbh (539 m) ein Gneifshügel heraus- 
tritt, der sich 30 m über die benachbarte Grenze zwischen Torridon- 
Sandstein und Gneifs erhebt (vergl. Abbild. 1.). In ganz besonderer 
Klarheit zeigte mir Hörne diese Verhältnisse am Loch Maree unweit 
Kinlochewe, bei Gairloch und Loch Torridon. Der beherrschende 
Gipfel am Nordufer des Loch Maree, der 980 m hohe Slioch (Ab- 
bild. 2), besteht aus flach lagerndem Torridon-Sandstein, welcher unweit 
der Mündung des Fhasaig-Baches sich bis zum Spiegel des nur 10 m 
hoch gelegenen Sees herabsenkt, also eine Mächtigkeit von mehr als 
970 m besitzt. Nordwestlich von jener Mündung aber erhebt sich der 



150 A - Penck: 

Gneifs bis etwa 381 m und tritt als Gehängekuppe des Meall Riabhach 
aus dem Abfall des Slioch hervor. Nördlich von der Fhasaig-Mündung 
ferner strebt ein in die Gruppe der Gneifsgesteine gehöriger Horn- 
blendeschiefer bis 932 m an und bildet den Nebengipfel des Slioch, den 
Sgurr an Tuill Bhain. Unter der Decke des Torridon-Sandsteins hat 
man also zwei isolierte Kuppen des Grundgebirges, von einander ge- 
trennt durch einen thalähnlichen Einschnitt, welcher erfüllt ist mit 
Torridon-Sandstein. Dieser aber erscheint nicht durchaus in seiner ge- 
wöhnlichen Ausbildung. Zwischen die roten Sandsteinbänke schalten 
sich Breccienlagen ein, welche aus eckigen Fragmenten des Horn- 
blendeschiefers vom Sgurr an Tuill Bhain bestehen und nach diesem 
hin an Mächtigkeit rasch zunehmen. Sie mahnen an das Material al- 
piner Schutthalden und besitzen auch eine entsprechende Lage; sie 
knüpfen sich an die Nachbarschaft des Hornblendeschiefers und 
drängen sich von diesem aus nur 50 - 60 m weit in den roten Sand- 
stein. Man kann sie daher wirklich als verfestigtes Material alter 
Schutthalden bezeichnen und die vom Torridon-Sandstein ausgefüllte 
Lücke zwischen Meall Riabhach und Sgurr an Tuill Bhain mit einem 
verschütteten Thal vergleichen, dessen Wandungen unter 40 aufsteigen 
würden. Der Ben Shieldaig am Upper Loch Torridon ist gleich dem 
_J Slioch ein Berg von flach gelagertem Torridon-Sandstein, welcher auf 

! einer Gneifsaufragung aufsitzt. Letztere tritt aus der halben Höhe 

seines Abfalles als ein rückenförmiger Vorsprung hervor, der sich bis 
in den Loch Torridon hinein erstreckt. Ein zweiter Vorsprung von 
Gneifs bildet die Halbinsel von Shieldaig zwischen dem oberen Loch 

I Torridon und dem Loch Shieldaig. Zwischen beiden Gneifsrücken 

reicht in dem Winkel „Ob Mheallaich" des oberen Loch Torridon der 
Torridon-Sandstein bis zum Meer herab, sichtlich wieder die Ausfüllung 

i einer thalähnlichen Vertiefung zwischen zwei alten Gneifsbergen bildend. 

; (Vergl. die von SirArchibaldGeikie gegebene Abbildung. The Nature 

XXII, 1880, S. 402.). Auch die kleine Halbinsel zwischen den Winkeln 
Ob Gorm Mor und Ob Gorm Beag ist ein kleiner Gneifsberg, welcher in 
den umliegenden Torridon-Sandstein aufragt. Letzterer lehnt sich auf 
der Westseite in seiner gewöhnlichen Ausbildung auf den Gneifs, im 
Osten erscheint an seiner Basis eine grobe Breccie von durchweg 
eckigen Fragmenten, worunter einige bis 2,1 m Durchmesser haben. 

IIhr Material stimmt mit dem des benachbarten Grundgebirges überein. 
Eine ganz ähnliche grobe Breccie findet sich am Südwestufer des Loch 
Maree, westlich vom Loch Maree-Hotel. Auf eine Strecke von 50 — 60 m 
wird das hier anstehende Gneifsgrundgebirge von einer Riesenbreccie 
unterbrochen, welche in einer Mächtigkeit von 12 m eine thalförmige 
1 Vertiefung ausfüllt. Fragmente von 1,2 bis 1,5 m Durchmesser sind hier 



Geomorphologische Probleme aus Nordwest-Schottland. 151 

nicht selten; ein grofser eckiger Block mafs 4 m :$ m: 1 m, also etwa 
12 cbm. paneben finden sich hier aber selten gut gerundete Gerolle. 
Sehr deutlich sind endlich die Aufschlüsse unmittelbar am Gairloch- 
Hotel. Längs des Strandes findet sich hier Torridon-Sandstein. Land- 
einwärts hebt sich das Grundgebirge hervor und bildet den über 
200 m hohen Hügel hinter dem Hotel. Sein Abfall ist bis 60 m 
über dem Meer mit einer groben Breccie überdeckt, welche aus zum 
Teil riesigen, mehrere Fufs langen, eckigen Fragmenten der Gneifsserie 
besteht. Dartiber folgt der gewöhnliche Torridon-Sandstein, welcher 
viel sanfter (15 ) nach Westen fallt als das Gehänge (20 ), und dieses 
senkt sich sanfter als die Gneifsoberfläche (30 ). Er bildet daher den 
Fufs des Hügels, das Kliff unter dem Hotel und den Vorsprung bei 
der Freechurch. Hier heben sich unter ihm noch kleine Gneifsbuckel 
hervor, bedeckt von einer mittelkörnigen Breccie, die auch gerundetes 
Material enthält. Der 200 m hohe Hügel hinter dem Gairloch-Hotel ist 
sohin durch Abtragung des ihn bedeckenden Torridon - Sandsteins 
wieder zum Vorschein gekommen. Es liegt nahe, die gleiche Annahme 
für die übrigen Gneifsberge zu machen und die Unebenheiten der 
Gneifsplatte als vortorridonische aufzufassen. Aber es darf nicht ver- 
gessen werden, dafs nach Ablagerung des Torridon-Sandsteins sehr 
bedeutende Störungen des Schichtenbaues stattgefunden haben, welche 
das ursprüngliche Bergland stark verändert haben, weswegen jene Ver- 
mutung nicht auf jeden einzelnen Fall anwendbar ist, und dafs auch die 
Unebenheit der Gneifsoberfläche kein allgemeines Mafs für die Erhebungs- 
verhältnisse des vortorridonischen Gebirges gewährt. Ein solches kann 
nur dort gewonnen werden, wo die nachträglichen Lagerungsstörungen 
fehlen. Das ist am Slioch der Fall, und hier erhellt unzweifelhaft, 
dafs Höhenunterschiede des Grundgebirges mindestens im gleichen 
Ausmafs vorhanden sind, wie gegenwärtig im Lande. Es findet sich 
also im Nordwesten Schottlands ein uraltes, teilweise noch 
vergrabenes, teilweise wieder durch Abtragung seinerHülle 
an das Tageslicht gebrachtes Bergland vor, das stellenweise 
in Bezug auf das Ausmafs seiner Unebenheiten den uneben- 
sten Teilen Grofsbritanniens nicht nachsteht, und dessen 
Böschungen, wie z. B. am Slioch, die Steilheit von Hochgebirgs formen 
zeigen. Ob die zwischen den einzelnen Bergen gelegenen Vertiefungen 
des Grundgebirges einem Thalsystem angehören, oder ob sie Wannen 
darstellen, läfst sich aus Mangel an Aufschlüssen nicht durch Beob- 
achtungen entscheiden. Unverkennbar tragen sie aber in Querschnitten, 
wie z. B. am Slioch, thalähnlichen Charakter, und wenn man in der 
Gegenwart nach Seitenstücken der Oberfläche des Grundgebirges unter 
dem Torridon-Sandstein sucht, so wird man diese nur in thaldurch- 



f 152 A. Pcnck: 

furchten, also reich benetzten Bergländern finden können; 
denn nirgends sonst trifft man so hohe und schlanke Berg^feiler, wie 
sie das Grundgebirge z. B. unter dem Slioch zeigt. Weiter nördlich 
allerdings ist die Unebenheit des Grundgebirges geringer; man begegnet 
in der Gegend von Assynt vortorridonischen Höhenunterschieden von 
nur 300 bis 500 m. Zugleich sind die Formen weniger steil und mehr 
gerundet (vergl. Abbild. 1 und 3.). In der Nähe von. Kap Wrath endlich 
ist nach den Untersuchungen der Survey die Oberfläche des Gneifses 
ziemlich eben. Man kann demnach im äufsersten Norden Flachland, 
in der Breite von Skye ein Bergland unter dem Torridon-Sandstein 
unterscheiden. In welcher Beziehung beide mit einander stehen, ob das 
Flachland an den Fufs des Berglandes gehört, oder dieses den Rand 
eines hochgelegenen Flachlandes bildet, ist nicht mit Sicherheit zu er- 
schliefsen. Der Umstand, dafs die tiefsten Partien des Torridon-Sand- 
steins im Süden vorkommen, macht wahrscheinlich, dafs in dieser 
Richtung das Tiefland lag; hiernach hätte man in dem vortorridonischen 
Berglande lediglich einen zerfransten Hochlandabfall zu erkennen. 

Bei Untersuchung der Ursachen, durch welche das alte vortorn- 
donische Bergland Schottlands eingeebnet wurde, ist man lediglich 
auf die petrographische Zusammensetzung des Torridon-Sandsteins an- 
gewiesen, da derselbe bisher keinerlei Fossilien geliefert hat. Sein 
petrographischer Habitus erinnert, wie schon erwähnt, an den ver- 
schiedener roter Sandstein-Formationen Europas, die in verschiedenen 
geologischen Systemen auftreten. Die englischen einschlägigen Ab- 
lagerungen sind von A. C. Ramsay (Quart. Journ. Geolog. Soc. XXVII, 
1871, S. 189 u. 241) als lakustre Gebilde gedeutet worden, und es stehen 
die schottischen Feldgeologen augenscheinlich auf dem Boden von 
Ramsay's Anschauungen, wenn sie den Torridon-Sandstein als lakustre 
Formation ansehen (Quart. Journ. Geolog. Soc. XLIV, 1888, S. 402). 

Nun sind in der That die vergleichsweise erwähnten roten 
Sandsteine ihrer Hauptmasse nach nicht marine Ablagerungen. Sie 
enthalten gewöhnlich garkeine marine Versteinerungen , und wo 
solche gefunden werden, beschränken sie sich auf ganz bestimmte 
Schichten. Dagegen zeichnen sie sich durchweg durch das Auftreten 
von Pflanzenresten aus, der alte rote Sandstein Grofsbritanniens zudem 
durch zahlreiche Abdrücke von Süfswasserfischen, die jüngeren durch 
die Fährten von landbewohnenden Wirbeltieren. Aus alledem möchte 
ich aber noch nicht schliefsen, dafs jene Sandsteine lakustren Ursprungs 
seien. Am Boden grofser Binnengewässer kommen heute allenthalben 
sehr feinkörnige Sedimente, namentlich Schlamm und Thon, zur Ab- 
lagerung. Der Sand beschränkt sich auf die Uferzone. Wir haben 
in der Gegenwart kein Analogon zu einer einigermafsen ausgedehnten 



Geomorphologische Probleme aus Nordwest-Schottland. 153 

lakustren Sandstein-Formation. Dazu kommt, dafs die Schichtflächen 
fast aller roten Sandstein-Formationen Trockenleisten besitzen, welche 
als Ausfüllung von Sonnenrissen {suncracks) zu deuten sind. Dies 
läfst erkennen, dafs die Schichtfläche zur Zeit ihrer Entstehung an der 
Landoberfläche lag. In gleicher Richtung deuten die zahlreichen Tier- 
fährten auf permischen und triasischen Sandsteinen, ferner die in ihnen 
enthaltenen Reste zahlreicher landbe wohnender Amphibien und Rep- 
tilien. 

In der That ist denn auch von Blanford und Medlicott für 
die vorderindische rote Sandstein-Formation der Nachweis geführt 
worden, dafs sie fluviatilen Ursprungs ist (A Manual of the Geology 
of India, I. S. 98), und Bonney hat Gleiches für den englischen jün- 
geren roten Sandstein ausgesprochen (Rep. Brit. Assoc. Birmingham 1886, 
S. 601). Dieselbe Anschauung habe ich für andere Sandstein-Forma- 
tionen vertreten (Verh. d. IX. Deutsch. Geographentages, 1891, S. 36; 
Morphologie der Erdoberfläche 1894, S. 36) und habe sie insgesamt 
als Kontinental- Formationen bezeichnet. Denn in ihrer Entstehung 
auf dem Festlande liegt das wesentliche Moment. Erscheinen sie zwar 
der Hauptsache nach als Flufsanschwemmungen, so beteiligen sich 
doch an ihrer Zusammensetzung vielfach auch lakustre Ablagerungen 
sowie allerhand äolische Gebilde, sodafs für sie insgesamt die Benen- 
nung fluviatil nicht recht am Platz ist. 

Die Ablagerungen in den grofsen Stromebenen der Erde sind 
recente Seitenstücke zu den alten Kontinental-Formationen; daher ist 
begreiflich, dafs ihre Bildungsweise zuerst in Indien richtig aufgefafst 
wurde, wo die Indus-Ganges-Ebene einen der grofsartigsten Beispiele 
kontinentaler Ablagerungen liefert. R. D. Oldham hat denselben in 
der von ihm bearbeiteten neuen Auflage von Blanford und Medli- 
cott „Manual of the Geology of India" eine lichtvolle Darstellung ge- 
widmet, aus welcher hier die wesentlichsten Punkte herausgegriffen 
werden. Mehrere Bohrlöcher haben die Zusammensetzung der Ganges- 
Ebene bis in namhafte Tiefen aufgeschlossen. Sie besteht aus Sand- 
nnd Lehmmassen mit Kalkkonkretionen (Kankar), die selbst in un- 
mittelbarer Nähe des Meeres bei Kalkutta rein kontinental sind und 
eine sehr beträchtliche, mehrere hundert Fufs betragende Mächtigkeit 
besitzen. Im Indus-Gebiet tritt oberflächlich der Sand mehr hervor, er 
ist in der Nachbarschaft der Flüsse häufig zu Dünen zusammengeweht 
und bildet hier das Bhür-Land; östlich der Ebene liegen die grofsen 
Flugsandgefilde der Wüste Thar, deren Material dem Indus-Sande ähn- 
lich ist. Aller Wahrscheinlichkeit nach wird man auch in der Tiefe 
vornehmlich Sand antreffen, nach der Mächtigkeit des Ganges-Alluviums 
zu urteilen, also eine ausgedehnte, mächtige moderne Sandstein- Forma- 

Zeitschr. d. Ges. f. Erd. Bd. XXXII. 1897. ] 1 



154 A. Penck: 

i tion. Der Hauptsache nach ist sie vom Flufs angeschwemmt; aber 

die zahlreichen Flugsandbildungen der Oberfläche mahnen daran, den 
Anteil äolischer Gebilde an ihrer Zusammensetzung nicht zu unter- 
schätzen. Machen sie doch im Bohrloch von Agra fast ein Drittel (150') 
des gesamten dort gänzlich durchbohrten Ganges-Alluviums aus. Da- 
neben trifft man in der Indus-Ebene Sumpfbildungen zwischen Jacoba- 

.1 bad bis zum Manchhar-See, im letzteren lakustre Ablagerungen aus 

süfsem Wasser, sowie in den Salzseen zwischen den Dünen von Umarkot 
solche aus salzigem. Alle diese fluviatilen, äolischen und lakustre n 
Ablagerungen bilden insgesamt einen einzigen geologischen Komplex, 
die Kontinental-Formation der Indus-Ebene. 

Die Indus-Ganges-Ebene ist das Beispiel einer mächtigen Konti- 
nental-Formation auf der ozeanischen Abdachung des Landes. Weit 
zahlreichere finden sich in den Binnengebieten. Die Hochflächen Süd- 
Afrikas sind in dieser Hinsicht sehr beachtenswert. Im Ngami-Becken 
lagern die periodischen, von Westen kommenden Flüsse ihre Sand- und 
Schlammmassen ab, die in der trockenen Jahreszeit ein Spiel der 
Winde werden. Zugleich trocknen dann salzhaltige Tümpel aus; es 
entstehen fern vom Meer Steinsalzlager, die man nicht im entferntesten 
mit irgend einem ausgetrockneten Meeresarm in Verbindung bringen 

~ kann, und welche überzeugend darthun, dafs auch Steinsalzlager Glieder 

echter Kontinental-Formationen sein können. Der Ngami-See schwillt 
bei Hochwasser beträchtlich an, in der Trockenzeit geht er auf enge 
Grenzen zurück. Dr. Holub hat mir anschaulich geschildert, wie dann 
über den trocken gelegten roten Schlamm und Sand Herden von 
Tieren hinwegziehen, tiefe Eindrücke als Fufsspuren hinterlassend, 
welche während der ganzen Trockenzeit unverletzt bleiben; zugleich 
reifst der Erdboden in zahlreichen Sprüngen auf. Beim nächsten Hoch- 
stand des Sees gerät diese mittlerweile fest gewordene Bodenflächc 
wieder unter Wasser, und über sie breiten sich neue Sedimente, welche 
ihre Unterlage mit allen ihren Tierfahrten und Trockenleisten getreu- 
lich abgiefsen. So entstehen noch gegenwärtig nicht am Ufer des 
Meeres, wo die Brandung die Spuren leicht verwäscht, sondern im 
Binnenland Schichten mit Tierfährten und Sonnenrissen, wie solche 
aus den meisten Kontinental-Formationen bekannt sind. 

(Ich führe alle diese Einzelheiten von den recenten Kontinental- 
Formationen an, um die Mannigfaltigkeit der Vorgänge zu erläutern, 
welche bei ihrer Entstehung mafsgebend sind, ferner um zu zeigen, 
dafs die Entstehungsbedingungen aller Eigentümlichkeiten der roten 
Sandstein-Formationen Europas, der permischen Sandsteine Süd-Tirols, 
der salzreichen triasischen Süd-Deutschlands und Englands und des 
alten roten Sandsteins Schottlands gegenwärtig auf dem festen Lande 



Geomorphologische Probleme aus Nordwest-Schottland. 155 

gegeben sind. Mit jenen typischen Sandstein-Formationen stimmt derTor- 
ridon-Sandstein im äufseren Aussehen und in Bezug auf seine stattliche 
Mächtigkeit überein. Aber die entscheidenden paläontologischen Merk- 
male, der Mangel mariner Versteinerungen, das Auftreten terrestrer oder 
fluviatiler Formen, sowie von Resten von Landpflanzen und die Fährten 
von gröfseren Landbewohnern fehlen. Der Sandstein erwies sich bisher 
mit Ausnahme unbestimmbarer Reste als ganz fossilleer. Von vielen 
seiner petrographischen Züge läfst sich auch nur sagen , dafs sie 
sowohl in marinen wie auch in kontinentalen Formationen vorkommen. 
Seine ziemlich massigen Bänke zeigen häufig falsche Schichtung — 
solche zeichnet sowohl marine, wie fluviatile, lakustre und» äolische 
Bildungen aus — , auf den Schichtflächen sieht man nicht selten Ripple- 
Marks, welche keineswegs blofs eine Eigentümlichkeit mariner Ab- 
lagerungen sind und auch in Flufsbetten, seichten Seen und nament- 
lich auf Dünen entstehen, aber kein Argument in der einen oder 
anderen Richtung liefern. Unter solchen Umständen könnte man wohl 
über die Bildungsweise des Torridon-Sandsteins im Unklaren bleiben, 
wenn nicht die Art seiner Begrenzung gegen den Gneifs mit einer 
marinen Entstehung unvereinbar wäre. 

Die untere Grenze des Torridon-Sandsteins ist eine Landoberfläche. 
Dies haben die Erforscher von Nordwest-Schottland mit voller Klarheit 
ausgesprochen (Quart. Journ. Geolog. Soc. XLIV, 1888, S. 400). Ist 
nun der Torridon-Sandstein marin, so mufste das alte Land vor seiner 
Ablagerung unter das Meer tauchen, und es mufste die Wirkung der 
Brandung über seine Oberfläche hinweggehen. Davon bemerkt man 
keine Spuren. Die Riesenbreccie ist kein Strandkonglomerat; denn 
ihre grofsen Fragmente sind durchweg eckig, während die des Bran- 
dungsgürtels selbst bei stattlicher Gröfse mehr oder weniger gerundet 
sind. Ferner mufsten sich beim Untertauchen die Thäler des sinken- 
den Landes in Buchten verwandeln, in denen die Flüsse Deltas auf- 
schütteten, so wie man solche am oberen Ende jedes Fjordes findet. 
Aber auch sie fehlen; damit fällt aber nicht blofs die letzte Möglich- 
keit, den Torridon-Sandstein als marine Bildung zu deuten, sondern 
auch ihn als lakustre aufzufassen; denn beim Untertauchen unter einen 
Binnensee mufsten sich auf der alten Landoberfläche Deltas mit charak- 
teristischer schräger Schichtung entwickeln, wie sie die Ufer aller 
Binnenseen begleiten und ermöglichen, die früheren Uferlinien haar- 
scharf festzustellen. 

Die Riesenbreccie an der Basis des Torridon-Sandsteins ist jeden- 
falls die Ablagerung, deren befriedigende Deutung Licht auf die Ent- 
stehung der gesamten Formation wirft. Wer sie mit ihren riesigen 
Blöcken gesehen hat, denkt unwillkürlich zunächst an die jüngeren 

11* 



156 A - Penck: 

Blockbildungen Schottlands, nämlich an die eiszeitlichen Moränen, zumal 
wenn man beachtet, dafs an manchen Stellen, z. B. am Loch Torridon 
und am Gairloch-Hotel, der Gneifs in rundlichen Kuppen in sie aufragt, 
die an Rundbuckel mahnen. Der Schlufs, dafs die Riesenbreccie eine 
uralte Moräne sei, liegt unter solchen Verhältnissen sehr nahe. Fast un- 
willkürlich folgt der Glacialist dem Beispiel von SirArchibald Geikie 
und sucht in der Breccie nach gekritzten Geschieben (vgl. The Nature 
XXII, 1880, S. 403). Ich that dies an allen von mir besuchten Vor- 
kommnissen der Riesenbreccie, an der Südseite des Loch Torridon, 
am Loch Maree und am Gairloch-Hotel ; aber nirgends gelang es mir, 
ein Fragment zu entdecken, das auch nur leise Spuren von Eiswirkungen 
gezeigt hätte, obwohl hier auch rundliche Geschiebe vorkommen. Auch 
vermochte ich nirgends auf der Oberfläche des Gneifses irgend welche 
Schrammung oder nur Glättung wahrzunehmen, vielmehr fand ich sie 
bei Gairloch ebenso rauh wie an den Wandungen des verschütteten 
Thals am Slioch, wo die Oberfläche des dortigen Hornblendeschiefers 
mehrfach in eckigen Absätzen in den Torridon-Sandstein hineinspringt. 
Für Annahme einer glacialen Entstehung der Riesenbreccie liegt kein 
zwingender Anlafs vor; Sir Archibald Geikie hat sie auch nicht 
mehr vertreten. 

Der Charakter der Torridon-Breccie mahnt an den eckigen Gebirgs- 
schutt, der sich am Fufs steiler Gehänge bildet. Damit steht vor allem 
die Thatsache im Einklang, dafs die grofsen Fragmente aus der 
unmittelbaren Nachbarschaft herrühren. Am Abfall des Slioch ist zu- 
dem die Anordnung der Breccien genau die von Gehängeschutt-Ein- 
lagerungen. Aus dem häufigen Vorkommen der Riesenbreccie an der 
Basis des Sandsteins mufs man daher schliefsen, dafs das vortorrido- 
nische Bergland vor Ablagerung des Torridon - Sandsteins sich unter 
seine eigenen Trümmer zu begraben begann. Ein solcher Vorgang 
läfst sich in der Gegenwart nicht selten beobachten. Namentlich sind 
es die Gebirge der trockenen Centralregionen der Festländer, welche 
unter ihrem eigenen Schutt förmlich ersticken. Gleiches geschieht in 
den peripherischen Gebirgen nicht; entsteht auch hier zwar am Fufs 
jeder steilen Felswand eine mehr oder weniger ausgedehnte Schutt- 
halde, so fällt diese doch über kurz oder lang der Erosion durch das 
fliefsende Gewässer anheim, welches die einzelnen Thäler gleichsam 
ausspült. Von einer solchen Thätigkeit finden sich an der Basis des 
Torridon - Sandsteins keine Anzeichen, und sie sollte man doch er- 
warten, wenn man den ganzen Vorgang der Einebnung des alten 
Gebirges sich vorstellt. Wenn zwischen den einzelnen Bergen Sand- 
massen angehäuft werden, welche, wie einzeln eingestreute Fragmente 
von rotem Quarz sowie auch von Porphyren beweisen, aus einem 



Geomorphologische Probleme aus Nordwest-Schottland. 157 

unbekannten Gebiet, jedenfalls aus einiger Entfernung stammen, so 
mufste durch ihre Ablagerung das untere Denudationsniveau der Gegend 
erhöht werden; die Bäche mufsten also ihre Betten erhöhen und mit 
ihrem Gerolle zuschütten, so wie dies in manchen Alpen-Thälern 
während der Eiszeit geschehen ist. Dies ist nicht eingetreten. Man 
findet zwischen den einzelnen vortorridonischen Bergen der Loch 
Maree - Gegend keine mächtigen Gerölllager, sondern eben nur die 
Breccien, in denen das gerollte Material entweder ganz fehlt oder nur 
sehr spärlich vorhanden ist. Das läfst sich nur unter der Annahme er- 
klären, dafs zur Zeit der Ablagerung des Torridon-Sandsteins das vortorri- 
donische Bergland nicht reichlich genug benetzt war, um einer kräftigen 
Abspülung unterworfen zu sein und um lebhafte Gebirgsflüsse zu speisen. 
Wir gelangen zu der Folgerung, dafs die Einebnung des vortorridonischen 
Berglandes bei einem relativ trockenen Klima von statten ging. 

Wie die Verschüttung eines Gebirges bei trockenem Klima ge- 
schieht, ist den anschaulichen Schilderungen von J. Walt her über die 
Sinai-Halbinsel zu entnehmen. (Die Denudation in der Wüste, Leip- 
zig, 1891.) Er weist zunächst darauf hin, dafs sich die Granitgebirge 
steil und ohne Übergang ans den Ebenen erheben (S. 44), ohne Schutt- 
halden. In den Wadis zwischen ihnen trifft man „bunt durcheinander 
gewürfelt faustgrofse und metergrofse Blöcke in einem feinsandigen 
Cement, bald abgerollt und vollkommen gerundet, bald mit schärferen 
Kanten versehen. Kein Wunder, wenn manche dieser Schottergebilde 
als Moränen betrachtet und beschrieben worden sind." Sie sind über- 
aus sonderbar verteilt. Im einen Wadi fehlen sie ganz, im andern 
sind sie grofsartig entwickelt. Sie erscheinen dementsprechend nicht 
als eine gleichzeitige Wirkung einer allgemein verbreiteten Ursache, 
sondern als eine örtliche Wirkung örtlicher Kräfte. Als solche werden 
die Regengüsse hingestellt, welche selten und mit örtlicher Beschränkung 
eintreten, dann aber binnen kurzer Zeit beträchtliche Wassermassen 
liefern, die den ganzen Gebirgsschutt eine Strecke weit in Bewegung 
setzen. In dem langgedehnten Wadi Hascheb fand Walther einen 
lockeren Sandstein, den er für äolischen Ursprungs hält Er über- 
lagert grobes Wadigerölle. „Die darüber folgenden Sandsteinschichten 
bestehen aus einzelnen bis i£ m dicken Bänken, zwischen denen dünne 
Lagen von Wadischotter mehrfach bemerkbar sind, ein Zeichen dafür, 
dafs die Sandablagerung im Wadi Hascheb gelegentlich durch einen 
Gewittergufs unterbrochen wurde, welcher auf dem Sand eine Schicht 
von Gerollen ausbreitete" 1 ). 

J ) Photographien von der Sinai-Halbinsel, welche Dr. Natterer, der Chemiker 
der Pola-Expedition dem Geologischen Institut der Wiener Universität schenkte, 
lassen diese Verhältnisse klar erkennen. 



158 A. Penck: 

Man hat also hier in einem Wüstengebirge der Erde genau das- 
selbe Profil wie zwischen den alten vortorridonischen Bergen. Unten 
grobes Material, das von Walther bald als Gerolle, bald als Schotter- 
gebilde bezeichnet wird, und das durch seine groben eckigen Blöcke 
an Moränen erinnert hat, ein schlagendes Seitenstück zur torridonischen 
Riesenbreccie, darüber einen grobbankigen Sandstein, durch Schutt- 
lagen getrennt, so wie wir es am Abfall des Slioch sahen. Aller- 
dings sind die Sande der Sinai-Halbinsel weifs und würden einen 
lichten Sandstein liefern. Aber die des Nefüd sind rötlich, und ihre 
Körner sind, ähnlich wie die mancher roter Sandsteine, mit einem 
Häutchen von Eisenoxyd überzogen. (Quart. Journ. Geolog. Soc. XXXVIII, 
1882, S. 110.) Sind die Analogien zwischen den beiden entlegenen 
Schichtfolgen hiernach bereits sehr grofs, so erscheinen sie vollständig, 
wenn man die von Walther mitgeteilte Ansicht des Wadi Hascheb 
(S. 176) betrachtet; als ich unter Horne's lehrreicher Führung die Ge- 
biete des Loch Maree und Loch Torridon durchwanderte, fühlte ich 
mich immer aufs neue wieder an sie und die übrigen von Walther 
mit Wort und Bild geschilderten Scenerien der Sinai -Halbinsel er- 
innert, und es drängte sich mir der hier entwickelte Gedanke auf, dafs 
die Entstehungsbedingungen des Torridon-Sandsteins gegenwärtig in 
den trockenen Klimaten zu suchen seien. Dafs jener Sandstein des- 
wegen in seiner ganzen Mächtigkeit als äolisches Gebilde aufzu- 
fassen sei, so wie der Wüstensandstein nach J. Walther, möchte ich 
damit noch nicht aussprechen. Der weithin verfolgbare Parallelismus 
seiner Schichtbänke scheint mir damit nicht in Einklang zu stehen. 
Andererseits ist es aber auch schwer verständlich, wie eine im Loch 
Broom-Gebiet bis 2500 m mächtige Sandsteinformation von Flüssen 
angeschwemmt werden konnte, ohne dafs häufige Wechsellagerungen 
von Sanden und Thonen entstanden. Beachtenswert ist es jedenfalls, 
dafs nach Bonney der Sandstein wohlgerundete Quarzkörner enthält 
(Quart. Journ. Geolog. Soc. XXXVI, 1880, S. 98), denn solche sind 
nach Arthur Philipps speziell Dünensanden eigentümlich (Ebenda. 
XXXVII, 188 1, S. 27.) und finden sich nach ihm auch in den Wüsten- 
sanden des Nefüd. Ferner ist auffällig, wie scharf sich der Torridon- 
Sandstein vom hangenden kambrischen Quarzit unterscheidet. Er 
sieht viel jünger aus, was wohl auf eine weit lockere Lagerung seiner 
einzelnen Körner zurückzuführen ist, die man sich durch lockere 
äolische Schüttung im Gegensatz zur festeren Pressung innerhalb der 
Brandlingszone erklären könnte. Wie dem auch sei, vom Standpunkt 
der allgemeinen Erdkunde ist es wichtig, dafs der Torridon-Sandstein im 
vortorridonischen Gebirge Schottlands bei einem trockenen Klima zur 
Ablagerung gekommen zu sein scheint. Ein derartiges Klima wird 



Geomorphologische Probleme aus Nordwest-Schottland. 159 

gegenwärtig aber nur auf gröfseren zusammenhängenden Landflächen, 
jedoch nirgends in der geographischen Breite Schottlands angetroffen. 
Wir haben also für die vorkambrische Zeit Andeutungen eines kon- 
tinentalen Klimas niederer Breiten für unser Gebiet. Die gilt aber 
nur für die Dauer der Ablagerung des Torridon-Sandsteins. Die reich- 
liche Höhengliederung seines Grundgebirges, welche an die von Thal- 
landschaften erinnert, setzt kräftig wirkende Bergwasser voraus, also 
eine reichliche Benetzung. Hiernach hätte sich bereits in vorkam- 
brischen Zeiten in Schottland eine ähnliche klimatische Veränderung 
vollzogen, wie wir sie für zahlreiche Wüstengebiete der Erde anzu- 
nehmen haben, deren vom Wasser eingerissene Thäler gegenwärtig 
von Flugsand eingeebnet werden. Nun finden wir im Dalaquarzit 
Schwedens ein Gestein wieder, das dem Torridon-Sandstein Schottland 
in Bezug auf Alter, petrographische Ausbildung und Lagerungsver- 
hältnisse völlig gleicht, also genau dieselbe Kontinental-Formation auf 
der Skandinavischen Halbinsel wie in Schottland 1 ) Dies befestigt die 
Vorstellung, dafs bereits in vorkambrischen Zeiten grofse Festland 
flächen in Nord-Europa vorhanden waren, die erst in der kambrischen 
Periode untertauchten. Dies ist die erste nachweisbare Meeres-Trans- 
gression für unseren Kontinent. Die Thatsache, dafs die untersten 
kambrischen Schichten bereits eine ziemlich hoch entwickelte Fauna 
bergen, wird hiernach leicht erklärlich: Sie ist ebenso eine einge- 
wanderte wie später die liasische; will man die Spuren der ältesten 
Meeresbewohner der Erde finden, mufs man sie aufserhalb Nord-Europas 
suchen. 

Die Vorstellung von kontinentalen Zuständen in Europa mit ent- 
sprechendem Klima vor Beginn der kambrischen Periode läuft der 
weit verbreiteten Annahme entgegen, dafs die Meeresbedeckung der 
Erde einst ganz zusammenhängend gewesen sei, und dafs die Landflächen 
durch allmählichen Zusammenschlufs kleiner, im Laufe der geologischen 
Perioden aufgetauchter Inseln entstanden seien. Es wird daher in 
Anbetracht der grofsen Tragweite unserer Schlufsfolgerungen für die 
gesamte Geophysik nützlich sein, uns zu vergegenwärtigen, wie. wir zu 
ihnen gelangten. Wir gingen aus von den Grundsätzen von Hutton 
und Playfair, nach welchen zur Erklärung der Ablagerungen frühere 
Perioden herbeizuziehen sind, betraten also denselben Weg, der 
Lyell zur Aufdeckung so zahlreicher wichtiger Thatsachen führte. 
Die seither vollzogene grofse Erweiterung unserer Kenntnisse von 
den auf den verschiedenen Teilen der Erdoberfläche wirkenden Vor- 



l ) Ähnlich ist auch das Algonkian am Grand Canon. Vgl. Fritz Frech, 
Das Profil des grofsen Colorado-Canon. Neues Jahrb. f. Min. u. Geol. 1895, IL 
S. 153. 



]ßO A. Penck: 

gangen ermöglichte uns, aus dem engen Rahmen der Vergleichsobjekte 
herauszutreten, welcher durch den früheren Stand der Forschung gezogen 
war, und gestattete uns, die auf weit entlegenen Gebieten gemachten 
Beobachtungen zur Erklärung von Erscheinungen in Nord-Europa zu 
verwerten. Durch diese vergleichend-geographische Betrachtungsweise 
gelangten wir, ebenso wie bei unsern Studien über das Klima Spaniens 
während der jüngeren Tertiärperiode und der Diluvialperiode (Zeitschr. 
d. Gesellsch. f. Erdk. XXIX, 1894, S. 109), zu bestimmten Schlufs- 
folgerungen auf die geographischen Zustände früherer geologischer 
Zeiten. Das dies geschehen konnte, ist nicht die Folge irgend einer 
besonderen Kühnheit der Schlufsfolgerungen, sondern beruht lediglich 
auf der sich täglich mehr und mehr erweiternden Kenntnis der Erde. 

Das Problem der Entstehung des Torridon-Sandsteins ist nur eines 
der zahlreichen, welche der geologische Bau Nordwest-Schottlands 
darbietet. Seine Lösung ist hier durch Erörterung der Erscheinungen 
versucht worden, welche sich an seine untere Grenze knüpfen. Ein 
neues Problem knüpft sich an seine obere Grenze, durch welche er 
haarscharf und zwar diskordant vom Basisquarzite des Kambriums ab- 
geschnitten wird. Während sich die untere Diskordanz in einer stark 
welligen Grenzfläche ausspricht, ist die obere mit einer nahezu ebenen 
verbunden. Sie schneidet die dicken Bänke des Torridon-Sandsteins 
schräg durch, ohne dafs auch nur eine in den Quarzit hineinragte, am 
Südufer des Loch Assynt, am Beinn Gharb (Abbild. 1) und am Nordabfall 
des Quinag; am Loch Glencoul (Abbild. 3) zieht sie sich sogar bis an 
die Basis des Torridon-Sandsteins hinab, und nun grenzt der kam- 
brische Quarzit unmittelbar an den Gneifs, von dem er 3 km weiter 
westwärts durch eine 500 m mächtige Gesteinssäule getrennt war. Er 
schneidet ihn ebenso oberflächlich ab, wie zuvor den Torridon-Sand- 
stein; der Gesteinswechsel unter dem Quarzit ist von keinerlei Ein- 
flufs auf den Verlauf seiner Sohle. Dabei enthält er an letzterer keine 
Fragmente seines Liegenden: nirgends fand ich Gerolle von Gneifs oder 
Torridon-Sandstein an; lediglich solche von Quarz und Feldspat in 
Erbsen.- bis Nufsgröfse bilden hier das sogenannte Pebble bed. So ist es 
in Assynt, wo ich am Loch Assynt und am Loch Glencoul die Basis 
des kambrischen Quarzits sah, genau ebenso wieder am Loch Maree, 
wo ich am Abfall des Beinn a Mhuinnidh und Craig Roy (vgl. Abbild. 5) 
mehrfach die Hand auf die Grenze der beiden Sandsteinbildungen 
legen konnte. 

Der Quarzit (q 1 und q 2 der Profile) hebt sich orographisch über- 
all deutlich hervor; er bildet eine Steilwand über dem Torridon-Sand- 
stein (t) bzw. Gneifs (Gn), die durch ihre helle Färbung weithin sicht- 
bar ist. Dies ermöglichte, die geradlinige, den Torridon-Sandstein schräg 



Georaorphologische Probleme aus Nordwest-Schottland. \ß\ 

abschneidende Sohle des kambrischen Quarzit am Abfall des Canisp 
und Suilven von der Strafse zwischen Assynt und Ullapool aus am 
linken Ufer des Loch Broom (Abbild. 4) vom rechten aus, endlich, am 
Gehänge des Muallach Coire Mhic Fhearchair (991 m) von den Bergen 
bei Kinlochewe deutlich zu erkennen. Westlich von der mauerartig 
sich erhebenden Quarzitstufe sieht man, als Zeugen dafür, dafs sich 
letztere einst weiter westwärts erstreckte, nicht selten noch einzelne 
Quarzitvorkommnisse. Ein solches krönt den Hauptgipfel des Quinag 
(Abbild. 3). Englische Geologen nennen derartige Vorkommnisse Aus- 
lieger (Outlier). Dieser glückliche Ausdruck ist bezeichnender als die 
dem Französischen entnommene Benennung „Zeuge", welche dann und 
wann in der deutschen Literatur für Erhebungen, die durch Erosion 
von der Hauptmasse ihres Materials losgetrennt sind, gebraucht 
worden ist. 

Es mufs vor Ablagerung des kambrischen Quarzits eine voll- 
ständige Einebnung des alten torridonischen Landes stattgefunden 
haben, bei welcher seine Gesteine vollkommen zerrieben wurden. Ein 
derartiger Vorgang kann durch lang anhaltende Wirkungen der Bran- 
dung erklärt werden, und solche anzunehmen liegt kein Bedenken vor. 
Der Quarzit ist das unterste Glied einer marinen Formation. Sonach 
hätten wir in der zweiten wichtigen Gesteinsgrenze Nordwest-Schott- 
lands eine echte „piain of marine erosion" nach A. C. Ramsay, eine 
Abrasionsfläche im Sinne von Ferdinand Freiherrn v. Richthofen 
vor uns. Beide Autoren haben die Möglichkeit der völligen Einebnung 
ganzer Länder durch die Brandung tiberzeugend dargelegt; aber kaum 
wieder in Europa tritt diese marine Denudationsfläche mit solcher 
Schärfe und Deutlichkeit entgegen, wie in Nordwest-Schottland; nirgends 
kann man sich auf beschränktem Raum so deutlich den so lange ver- 
kannten Gegensatz zwischen terrestrer und mariner Erosion schlagen- 
der vor Augen führen, als durch den Verlauf der Sohlen des Torridon- 
Sandsteins und des kambrischen Quarzits. 

2. Die Schubflächen. 
Das Kambrium Nordwest-Schottlands bildet eine ziemlich einheit- 
liche Formation. Über dem allenthalben mauerartig aufragenden 
Quarzit folgen Schiefer mit Fukoidenresten (f der Profile) in geringer 
Mächtigkeit, gekrönt von einer sehr auffälligen Sandsteinbank, dem 
Saltarellaquarzit (s). Darauf stellen sich Kalksteine (K) ein, deren 
obere feste Partien eine ähnliche Stufe (escarpmenf) bilden, wie die 
Quarzite, weswegen das Kambrium bei flacher oder wenig geneigter 
Lagerung orographisch durch zwei Landstufen ausgezeichnet ist. Man 
sieht beide recht deutlich nebeneinander in Assynt. Die Landschaft 



162 A. Penck: 

am Nordufer des dortigen Loch erhält durch sie eine strenge oro- 
graphische Gliederung. Auch weiter südlich, in der Gegend des Cam 
Loch und Loch Urigill, sondern sich beide kambrische Landstufen 
recht scharf. Vom Ostabhang des Cül Mör zieht sich die Quarzit- 
stufe herab; zwei Auslieger von ihr bilden die beiden Gipfel des Berges, 
den die Bevölkerung deswegen mit einer liegenden Jungfrau vergleicht, 
die Gipfel selbst Kioch (Brüste) nennend. Weiter unten folgt die 
Kalkstufe, an deren Fufs sich die Strafse von Assynt nach Ullapool 
entlang zieht. Dies macht wiederum den Eindruck ganz normaler 
Lagerungsverhältnisse, und man erwartet nun über der kambrischen 
Kalksteinstufe jüngere Bildungen anzutreffen. Steigt man aber bei 
Knockan auf die Höhe jener Stufe, so trifft man auf Gesteine, welche 
wieder den Habitus älterer tragen, nämlich plattigen und mergligen 
Gneifs und Glimmerschiefer; diese Gesteine herrschen von hier an bis 
an die Ostküste. Sie bilden die grofse Masse des Caledonischen Ge- 
birges. Es sind Moine oder Eastern Schists. 

Wer das Profil bei Knockan von den kambrischen Quarziten bis 
hinauf zu diesen Eastern oder Moine Schists durchsteigt, wird be- 
greifen, dafs Sir Roderick Murchison die letzteren für jünger als 
die kambrischen Schichten von Sutherland erachtete und deswegen 
von einer Umwandlung in jüngeren Gneifs, von einer grofsen regio- 
nalen Metamorphose silurischer Schichten sprach. (Quart. Journal. 
Geolog. Soc. XV, 1859, S. 353; XVII, 1861, S. 171.) Diese Meinung ist, 
gestützt durch die Autorität des grofsen Geologen, lange Zeit die 
herrschende gewesen, obwohl bereits Professor Nicol, Murchison's 
Reisegenosse, zur Ansicht neigte, dafs der jüngere Gneifs auf die jetzt 
als kambrisch erkannten Sedimente hinauf geschoben sei (Quart. Journ. 
Geolog. Soc. XVII, 1861, S. 85). Nach mannigfachen Diskussionen 
vollzog sich später rasch ein Umschwung der Auffassungen. Prof. Lap- 
worth zeigte in einem Artikel, dem er den Titel: The Secret of the 
Highlands gab (Geolog. Mag. (2). X, 1883, S. 120, 193 u. 337), dafs der 
sogenannte jüngere Gneifs über die kambrischen Schichten geschoben 
sei, ähnlich wie in der Schweiz ältere permische Schichten über das 
Eocän geraten sind. Bald darauf erschien ein Bericht der geologischen 
Aufnahme, in welchem zum ersten Mal ein klares Bild von dem geo- 
logischen Aufbau Nordwest -Schottlands gegeben wurde (The Nature, 
13. Nov. 1884, XXXI, S. 29). Diesem folgten ein weiterer auf der Ver- 
sammlung der British Association zu Aberdeen 1885, dem Lapworth 
beipflichtete (The Nature XXXII, 1885, S. 558), und eine ausführlichere 
Darstellung unter dem Titel: Recent Work of the Geological Survey 
in the North -West Highlands of Scotland, based on the Field Notes 
and Maps of Messrs. B. N. Peach, J. Hörne, W. Gunn, C. T. Clough, 



Geomorphologische Probleme aus Nordwest-Schottland. X63 

L. Hinxman and H. M. Cadeil, communicated by A. Geikie (Quart. 
Journ. Geolog. Soc. XLIV, 1888, S. 378). Darauf erschienen die Blätter 
Cape Wrath und Tongue (1889); Ullapool und Lochinver (1892), endlich 
Gairloch (1893) der schottischen One Inch Map mit den geologischen 
Eintragungen der Survey. Dank dieser Arbeiten mufs heute das grofse 
Geheimnis der Hochlande als gelöst gelten 1 ). Überzeugend ist dargelegt 
worden, dafs neben den normalen Überlagerungen der Schichten auf 
Ablagerungsflächen im Nordwesten Schottlands auch solche längs flach- 
lagernder Verwerfungen vorkommen, durch welche infolge einer statt- 
gehabten Zusammenpressung ältere Schichten auf jüngere aufgeschoben 
sind. Solche Verwerfungen müssen streng von jenen gesondert werden, 
auf welchen ein blofses Absinken der Schichten erfolgt ist, was auf 
stattgehabte Zerrungen weist. Es ist nötig, diesen Gegensatz auch 
durch die Benennung hervorzuheben. Wir wollen jene Verwerfungen, 
die mit Verschiebungen verbunden sind, dem Beispiel der Schotten 
folgend, Schubflächen (Thrust planes) oder kurz Schübe nennen; 
für die anderen sogenannten normalen Verwerfungen werden wir aus- 
schliefslich das Wort Bruch verwenden. Die Schubflächen sind neben 
den auffälligen Grenzen an den Sohlen des Torridon-Sandsteins und 
des kambrischen Quarzits der dritte Typus merkwürdiger Gesteins- 
grenzen in Nordwest-Schottland; sie stehen auf das innigste mit dem 
gröfsten der dortigen Probleme, nämlich dem Aufbau des Landes, in 
Verbindung. 

Die Grenze zwischen dem kambrischen Kalkstein und den Moine- 
Schichten (M) im Knockan-Profil ist eine Schubfläche. Eine genaue 
Untersuchung des Profils macht dies zweifellos. Die Moine-Schichten 
schneiden haarscharf den kambrischen Kalk ab und ragen am Gehänge 
stellenweise über denselben hinaus, ihre unterste Partie zeigt eine eigen- 
tümliche Veränderung, als ob sie gemahlen und wieder verbacken 
worden wären. Diese Veränderungen finden sich regelmäfsig über 
den Schubflächen; Lapworth bezeichnete die also beschaffenen Ge- 
steine als Mylonite (von pvlaiv die Mühle, The Nature, XXXII, 1885, 
S. 558). Geht man von diesem für die Geschichte der Hochlandsgeologie 
so wichtigen Profil nordostwärts, so sieht man bald, wie sich die ein- 
heitlich scheinende Landstufe in zwei auflöst. Die untere, aus Kalk 
gebildete, zieht sich weiter nordostwärts, die obere hingegen biegt 
erst nach Osten, dann nach Südosten um, den Fufs der Cromalty- 
Hügel bildend. Sie besteht ausschliefslich aus dem oberen Gneifs 
oder den Moine-Schichten des Caledonischen Gebirges. An ihrem 



') Eine populäre Darstellung gab Henry C ad eil in: Geology and Scenery of 
Sutherland. Edinburgh. 2. Aufl. 1896. 



Iß4 A. Penck: 

Fufs kommen zunächst die kambrischen Kalke zum Vorschein; sie sind 
gestreckt worden und durchsetzt von zahlreichen Zerrungsverwerfungen. 
Ihr Streichen ist rein nordsüdlich, also rechtwinklig zu ihrer Grenze 
gegen die hangenden Moine- Schichten. Letztere sind eigentümlich 
gewunden und geknetet. Sie fallen südwärts, streichen demnach 
rechtwinklig zu den liegenden Kalken. Es kann daher unmöglich von 
einer normalen Überlagerung die Rede sein. Verfolgt man die Stufe 
weiter ostwärts, so kommen nach und nach die verschiedensten Glieder 
des Kambrium bis auf den Quarzit herab, ferner der Torridon-Sandstein 
und selbst der alte Gneifs unter den Eastern Schists hervor, welche 
sich sohin über die mannigfaltigsten Gesteine hinweg erstrecken. Dies 
ist nur mit der Vorstellung vereinbarlich, dafs sie über letztere hin- 
weggeschoben sind. 

Ich konnte das Profil nicht so weit verfolgen. Die genaue Unter- 
suchung der Schubfläche an der Grenze von Kalk und den Moine 
Schichten, die sich in der Oberfläche des Kalkes noch eine Strecke 
weit fortsetzt, und über welcher die Moine-Schichten eine etwa 3 m 
hohe Stufe bilden, nahm mich zu lange in Anspruch. Dabei hatte ich, 
sobald ich den Blick vom Boden erhob, die nordwärts gelegenen Berge 
von Assynt vor Augen, die sich um den Ben More (997 m) gruppieren« 
Ihre mannigfaltigen Farben und Formen verraten einen äufserst ver- 
wickelten Aufbau. Sie überragen die schön geformten Berge des 
Torridon-Sandsteins im Westen, den Quinag, Canisp und Suilven nicht 
unbeträchtlich und lassen die Höhen des Ostens weit hinter sich. 
Sie bilden zwischen beiden, die im Knockan-Profil dicht an einander 
getreten sind, ein fremdes Zwischenglied, welches auch weiter im Norden 
fehlt, wo zwischen Loch More und Loch Eriboll die Eastern Schists 
dicht an den dort von seiner torridonischen Decke gröfstenteils be- 
freiten alten Gneifs herantreten. Diese Berge bestehen aus Schichten, 
welche östlich des Knockanprofils unter den Eastern Schists hervor- 
treten und stellen lediglich eine Anschwellung von deren Liegendem dar. 
Im Gebirge östlich von Assynt ist die Decke von Eastern 
Schists, welche sich sonst allenthalben bis zur Linie Loch 
Eriboll — Loch Carron erstreckt, zerrissen, und die Funda- 
mente des Caledonischen Gebirges treten zu Tage. 

Die Geologen der Surv.ey haben den Aufbau dieses Fundaments 
klar gelegt und dabei nachgewiesen, dafs er einen bislang nicht ge- 
kannten Typus der Gebirgsstruktur besitzt, welche Cadeil (Trans. R. Soc. 
Edinburgh, XXXV, 1. S. 342) Keilstruktur genannt hat. Es handelt 
sich um eine grofsartige Schichtstauung. Die gesamte Folge von 
Gneifs, Torridonian und Kambrium ist dermafsen längs zwei gröfseren 
Schubflächen zusammengeschoben, dafs sie sich dreimal über einander 



Geomorphologische Probleme aus Nordwest-Schottland. ] (35 

wiederholt. Die also übereinander geratenen Schollen sind zugleich in 
sich zusammengestaut, indem sich längs steiler stehenden Schubflächen 
eine Wiederholung ihrer Schichten einstellt. In jedem dieser Packete 
von einzelnen Schollen kehrt endlich zum dritten Mal eine Stauung 
wieder, durch welche ein und dieselbe Schicht zusammengekeilt ist 
und mehrfach, längs steil stehender Schubflächen sich wiederholt. 
Man kann sich den aufsergewöhnlichen Gebirgsbau dieser Gegend 
wie folgt veranschaulichen: die ursprüngliche Ablagerung stelle ein 
Schieferdach dar. Dasselbe wird von oben nach unten abgedeckt, 
die oberste Schieferplatte wird erst weggenommen und an eine Mauer 
gelehnt, dann die zweite, sie wird an die erste gelehnt, u. s. w. Nach- 
dem das Dach zum dritten Teil abgedeckt worden war, begann man 
die Schieferplatten als eine zweite Reihe über den bereits abgedeckten 
aufzustellen, und eine dritte legte man mit dem letzten Drittel der 
Schieferplatten darüber. Einem derartigen Vorrat von Schiefertafeln 
gleicht ungefähr das Gebirge um den Ben More von Assynt, und wie 
man mit einem ähnlich aufgebauten Schieferplattenvorrat ein ganzes 
Dach decken kann, so könnte man die in der Gruppe des Ben 
More zusammengestauten Gesteinskörpern über einen grofsen Teil von 
Nord - Schottland ausbreiten. Natürlich besitzt der Gebirgsbau im 
einzelnen nicht die Regelmäfsigkeit eines solchen Vorrats von Schiefer- 
tafeln. Die drei Typen von Schubflächen: maximale, gröfsere und 
kleinere, sind durch mannigfache Übergänge mit einander verbunden; 
sie sind Typen aus einer grofsen Zahl von Erscheinungen, keine Arten 
von solchen. 

Die Gegend zwischen dem Loch Assynt und dem nordwärts ge- 
legenen Glencoul giebt einen vorzüglichen Einblick in die geschilderte 
Struktur. Am Nordufer des Loch Assynt sieht man zunächst, wie der 
kambrische Kalkstein zusammengestaut ist und aus einzelnen auf ein- 
ander getriebenen Packeten besteht. Noch deutlicher zeigt sich diese 
Struktur in der mittleren Partie des Kambrium, welches aus den 
Olenellus-Schiefern und dem Salterella-Quarzit besteht. Mehr als zehn 
Mal bemerkt man diese beiden Schichtglieder übereinander, wenn man 
den Weg nach Kylesku zurücklegt. Man ist hier in der untersten der 
drei übereinandergeschobenen Schollen, die weiter westwärts ungestört 
ist. Westlich vom Wege steigt das Kambrium diskordant Über dem 
Torridon-Sandstein hinauf zum Quinag (Abbild. 3). Der Loch Glencoul 
erstreckt sich bereits in diesen Bereich der ersten Aufschiebung. Zunächst 
hat man, von Kylesku kommend, an beiden Ufern noch den Gneifs 
der ungestörten Zone, hier von zahlreichen ausbröckelnden Diabas- 
gängen durchsetzt. Darüber folgt unmittelbar der kambrische Quarzit, 
welcher hier den Torridon-Sandstein in seiner ganzen Mächtigkeit ab- 



16(3 A. Penck; 

schneidet. Auf ihm lagern zusammengestellte Packete von Olenellus- 
Schiefern und Salterella-Quarzit, deren Schubflächen sich nicht in die Tiefe 
fortsetzen. Das Ganze wird oben von einer mächtigen Gneifsscholle dis- 
kordant abgeschnitten, welche hier längs einer maximalen Schubfläche 
der Glencoul-Thrustplane über das Kambrium hinaufgeschoben ist. 
Der Gneifs weicht petrographisch nicht von dem unter dem Kambrium 
lagernden ab, aber er unterscheidet sich von ihm durch den Mangel 
an Diabasgängen. Solche sind im ungestörten Gneifs bis Loch Laxford 
sehr häufig; weiter nordwärts hören sie auf. Die Grenze zwischen dem 
durchschwärmten und dem gangfreien Gneifs taucht unweit Ben Arkle 
unter die Moine-Schichten unter und würde unter letzteren genau 
östlich von Glencoul in einer Entfernung von 20 km zu mutmafsen 
sein. In dieser Entfernung also hätte man gangfreien Gneifs zu suchen ; 
dies ist ein Anhalt für die Herkunft des aufgeschobenen Gneifses von 
Glencoul. 

Über dem aufgeschobenen Gneifs des Loch Glencoul folgen aber- 
mals unmittelbar kambrische Quarzite, welche ihn gegen Loch Assynt 
hin wie ein Vorhang bedecken, sodafs, von hier aus gesehen, das auf- 
geschobene Gebirge nur aus unterem Kambrium zu bestehen scheint. 
Die schottischen Geologen haben gezeigt, dafs dies die Folge zahl- 
reicher kleinerer Aufschiebungen ist. Am Gipfel des Coinne-Mheall 
schiebt sich ferner, wie ihre Untersuchungen aufhellten, auf diese 
kambrischen Quarzite längs einer maximalen Schubfläche, der Ben- 
More-Thrustplane, abermals Gneifs, bedeckt von Torridon-Sandstein, 
den der kambrische Quarzit wie gewöhnlich schräg abschneidet. 
Man würde also, von Glencoul den Ben More Assynt besteigend, 
zweimal auf aufgeschobenen Gneifs kommen mit einer Bedeckung von 
entweder blofs kambrischen Schichten, wie sie am Glencoul entwickelt 
ist, oder von torridonischen und kambrischen Straten, wie beiderseits 
des Loch Assynt. Daneben aber würde man noch zahlreiche andere 
Aufschiebungen passieren, welche durchweg östlich fallen. Die grofse 
also bewirkte Zusammenstauung von Gneifs, Torridonian und Kam- 
brium ist am Knockan-Profil durch die Eastern Schists verhüllt; letztere 
sind auf der dritten maximalen Schubfläche herangeschoben, welche 
über die beiden übrigen hier hinübergreift und Moine- Thrustplane 
genannt wurde. 

Die Moine-Thrustplane ist gewifs die bedeutendste Schottlands. 
Wo auch auf der über 160 km messenden Strecke zwischen Loch 
Eriboll und Loch Carron die Westgrenze der Moine-Schists erreicht 
wird, da sind sie auf die westwärts befindlichen Schichten aufge- 
schoben. Zugleich sind auch auf der ganzen Strecke unter der Moine- 
Schubfläche noch andere vorhanden, die lediglich am Knockan-Profil 



Geomorphologische Probleme aus Nordwest-Schottland. J(j7 

nicht sichtbar werden, und welche sonst in der Regel den alten Gneifs 
auf kambrische Schichten hinaufbringen, auch dort, wo er in der Nähe 
sonst nicht zu Tage tritt. So z. B. am Loch Broom bei Ullapool. 
Westlich von den Eastern Schists findet sich hier nur Torridon-Sandstein, 
welcher nahe den Moine-Schists unter kambrische Quarzite untertaucht, 
darüber kommen die mittelkambrischen Schiefer und die oberkambri- 
schen Kalke. Dann wiederholt sich, auf einer Schubfläche herauf- 
geschoben, die ganze Folge vom Torridon-Sandstein bis zu den Kalken 
noch einmal; nun kommt eine mächtige Gneifsscholle, welche quer 
über den Loch streicht und ihn als widerstandsfähige Schicht einengt. 
Auf sie sind die Moine-Schists hinaufgeschoben. Die ii Mile, zwischen 
dem Hotel Royal von Ullapool und dem Winkel östlich von Corry 
Point, zeigt das ganze komplizierte Profil, das sich am Südufer des 
Loch Broom in etwas vereinfachter Form wiederholt, so wie es in 
Abbild. 4 dargestellt ist. 

Die Beschreibung, welche 1888 die schottischen Geologen von 
den Phänomenen der nordwestlichen Hochlande gegeben haben, um- 
fafst das Gebiet zwischen Loch Eriboll und Loch Broom. Seither ist 
die Untersuchung südwärts vorgeschritten und hat das Gebiet des 
Loch Maree kartiert, welches, wie bereits 1861 Murchison und 
A. Geikie hervorhoben, Profile von unzweifelhafter Deutlichkeit ent- 
hält. „Mit Kinlochewe als Hauptquartier hat der Geologe ein weites 
Bereich interessanten Landes um sich herum, und wir kennen keine 
Örtlichkeit, wo er sich besser über die Lagerungs folge der alten 
krystallinen Gesteine der Hochlande oder mit den Dislokationen und 
dem Metamorphismus, den sie erlitten haben, bekannt machen kann. 
Trotzdem und trotz mannigfacher Spezialuntersuchungen durch Ni col, die 
beiden eben genannten Autoren, von Hicks und Bonney (Quart. Journ. 
Geolog. Soc. XVII, 1861, S. 85, S. 171; XXXIV, 1878, S. 811; XXXVI, 
1880, S. 93) ist die endgültige Lösung der Hochlandsprobleme auch 
hier der Survey zu danken. Ohne dem zu erwartenden ausführlichen 
Bericht vorgreifen zu wollen, sei mir gestattet, in groben Umrissen 
mitzuteilen, was ich unter der Führung von Herrn Home gesehen 
habe, indem ich zugleich auf die beiden nach Skizzen von Herrn 
Peach gezeichneten Profile (Abbild. 5 und 6) verweise. 

Die Lagerungsverhältnisse am Loch Maree sind ganz ähnliche wie 
in Ullapool. Am Slioch ist, wie bereits beschrieben, der Torridon- 
Sandstein diskordant auf das Grundgebirge gelagert, am Craig Roy 
wird er, wie gleichfalls schon erwähnt, von den kambrischen Quarziten 
schräg abgeschnitten. Auf diese folgen in normaler Weise Fukoiden- 
Schiefer, Salterella-Quarzit und Kalk. Darüber nun ist, den Gipfel des 
Beinn a Mhuinidh bildend, der alte Gneifs längs der Ben More Thrust- 



168 A. Penck: 

plane aufgeschoben worden. Er erstreckt sich nordwärts fast ununter- 
brochen bis zu den Moine-Schists bei Gleann Tanagaidh, südostwärt? 
hingegen erscheint beiderseits des Knochenbaches (Allt a Chnai miliar, 
statt seiner ein Komplex von Gneifs, Torridon-Sandstein und Quarzit- 
Man kann hier die abenteuerlichsten Ineinanderpressungen dieser drei 
Gesteine wahrnehmen. Der Quarzit ist stellenweise in den Gneifs ein- 
getrieben, letzterer überlagert Torridon-Sandstein u. s. w. Im allge- 
meinen aber vermag man nordwärts überhängende Falten zu erkennen. 
Dieser eigentümliche Komplex lagert in einer muldenförmigen Ein- 
biegung der Ben More Thrustplane. Ostwärts beschreibt sie einen 
Sattel, und es heben sich nunmehr die liegenden Schichten des Kam- 
brium am Westgehänge des Glean Logan hervor. Auf ihnen si tzt 
wieder eine Gneifsscholle auf, der viel umstrittene Loganstein, be- 
deckt von Torridon-Sandstein und Quarzit. Darüber folgen am Ost- 
gehänge des genannten Thals die Moine-Schists. Der Bach des 
Logan-Thals, der Abhuin Bruachaig, legt die Aufschiebung des Gneifses 
auf den dortigen Kalk vorzüglich blofs. Er wird durch den Gneifs ein- 
geengt und hat im Kalk einen breiten Kessel ausgestrudelt, an dessen 
Wandungen man den Kalk unter tiberhängende Gneifspartieen ver- 
folgen kann. Wie bereits Bonney erwähnt, kann man keine Kontakt- 
stücke erlangen; eine Fuge trennt stets Gneifs und Kalk, welcher letztere 
nicht, wie an der Grenze von Eruptivgesteinen, metamorphosiert ist. 
Die mittelkambrischen Schichten zeigen weiter westwärts sehr charakte- 
ristisch die packetweisen Verschiebungen. Im ganzen mifst die auf- 
geschlossene Aufschiebung an der Nordseite des Loch Maree 5 km. 

Die Überschiebungen an der Südseite des Sees überblickte ich 
von den Gehängen des Slioch. Der Gipfel des Meall a Ghuibhais 
(878 m) besteht aus Torridon-Sandstein mit einem Kern von altem 
Gneifs. 'Er sitzt in 300 m Höhe auf einer Platte des Kambriums auf. 
Deutlich konnte man Bank für Bank diese Unterlage erkennen; oben 
das grüne Band der Schiefer mit dem Salterella-Quarzit, darunter die 
steile Wand des massigen Quarzits, der den Torridon-Sandstein in 
bekannter Regel schräg abschneidet. Alle diese Schichtglieder bilden 
eine flache Mulde; weiter ostwärts wölben sie sich bis 500 m zu einem 
Sattel auf, zugleich sind sie gefaltet find zusammengestaut. Unfern 
Kinlochewe tauchen sie abermals unter stark gezerrten Torridon-Sand- 
stein unter der einen westwärts überhängenden Sattel bildet und einen 
Gneifskern birgt. Ihm sind die Moine-Schichten aufgeschoben. Man 
hat im Meall a Ghuibhais also einen Block von Torridon-Sandstein, 
welcher 6 km weit über das Kambrium hinweggeschoben worden ist. 
Dabei zeigt die Schubfläche ebenso wie am Nordufer des Sees Bie- 
gungen; unter der mächtigen Masse des Meall a Ghuibhais ist sie ein- 



Geomorphologische Probleme aus Nordwest- Schottland. 169 

gesunken, weiter östlich wölbt sie sich empor und ist, sichtlich durch 
Denudation, von den aufgeschobenen Massen befreit. Trotz alledem 
entsprechen die beiden Ufer des Sees einander nicht. Am Stidufer 
sind alle Schichtglieder 3 — 4 km weiter westwärts gerückt als am 
Nordufer; die Berge, die einander gegenüberstehen, wie z. B, Slioch 
und Meall a Ghuibhais, entsprechen einander nicht. Der See erstreckt 
sieh über eine gewaltige Querverwerfung, welche jünger ist als die 
Aufschiebungen. Sie ist nordwestwärts (vergl. A. Geikie's geologische 
"Übersichtskarte) bis zum Meer verfolgt, sie bringt hier Gneifs und 
Torridon-Sandstein dermafsen zusammen, dafs ihr Nordflügel als relativ 
gesenkt angesehen werden mufs. Südöstlich konnte sie eine Strecke 
weit noch im Bereich der Eastern Schists nachgewiesen werden, wo- 
nach sich ihre Gesamtlänge zu mehr als 40 km ergiebt. Die Flucht 
des steilwandigen Glen Docharzie, von Loch Maree, das Südwestufer 
von Loch Ewe und der Abfall der westwärts gelegenen Höhen folgen 
dieser grofsen Verwerfung. Sie sind aber nicht unmittelbar durch die- 
selbe entstanden, sichtlich sind sie samt und sonders Erosionswerke, 
die sich lediglich an eine tektonische Linie als einer solchen geringen 
Widerstandes anknüpfen. Neben dieser Verwerfung, von der unbe- 
kannt ist, ob sie einen Bruch oder einen Schub darstellt, wird der 
Loch Maree auch von einem echten Bruch gekreuzt, dem die Thäler 
der Bäche von Fhasaigh und Gruididh folgen. 

Im Gebiet südlich von Loch Maree bis gegen Loch Torridon hin 
trifft man eine Strecke weit keine aufgeschobenen Massen mehr. Es 
entwickelt sich im Bereich der sonst übergeschobenen Unterlage eine 
deutliche Faltung. Der weifse Quarzit ist in langen nordsüdlich 
streichenden Mulden zwischen Torridon-Sandstein eingeklemmt. Zwei 
solcher neben einander befindlicher Mulden verleihen dem Sgurr Dubh 
seine auffällige Kontur. Erst östlich der von ungestörtem Torridon- 
Sandstein aufgebauten Applecross-Berge, zwischen Loch Kishorn und 
Loch Carron, ist wieder eine breite Gneifsscholle auf kambrische Kalke 
aufgeschoben, die am Loch Carron unter die Moine-Schists untersinkt 
Unter dieser Gneifsscholle liegt stark metamorphosierter Torridon- 
Sandstein in umgekehrter Stellung. Gelegentlich einer Exkursion, auf 
welcher ich die Herren Peach und Hörne nach Beendigung der Kon- 
grefs-Exkursion nach Stromeferry begleitete, hatte ich Gelegenheit, mich 
an beiden Seiten des Loch Carron hiervon zu überzeugen. Es ist 
namentlich der Hügel von Craig, welcher in dieser Hinsicht einen 
guten Aufschlufs bietet. Man sieht unten am Strande einen grauen 
Schiefer, welcher als untere Abteilung des Torridonian gedeutet wird- 
nach obenhin geht er in ein ausgewalztes Konglomerat über, auf 
welches stark mylonisierter Gneifs folgt. Diesem sind weitere Gneifs- 

Zeitschr. d. Ges. f. Erdk. Bd. XXXII. 1897. 12 



170 A. Penck: 

partien aufgeschoben, unter welchen jeweils ein kleiner Fetzen von 
umgekehrtem Torridonian liegt. Weiterhin folgen die Moine-Schichten; 
die Grenze gegen dieselben zu ziehen, war gerade die Aufgabe der 
beiden Geologen, und dies war hier schwieriger als sonst. 

Auf den von mir bereisten no Kilometern zwischen Loch Glencoul 
und Loch Carron herrschen also durchweg grofsartige Überschiebungen, 
welche sich stets an die Westgrenze der Moine-Schichten knüpfen. Sie 
zeigen im grofsen und ganzen denselben Typus, wie die Aufschiebungen 
in der Gegend von Loch Eriboll, welche durch die Survey zuerst (1884) 
kennen gelernt wurden. Es sind einzelne Schollen unter Beibehaltung 
ihrer normalen Schichtstellung tibereinandergeschoben. Umkehrungen 
der letzteren kommen nur selten vor, aber sie fehlen keineswegs, wie 
Rot hp letz angiebt. (Geotektonische Probleme S. 97.) Sie sind aus 
der Gegend von Assynt unter dem Gneifs der Ben More Thrust 
Plane (vergl. Recent Work. Quart. Journ. Geolog. Soc. XLIV. Abbild. 
16, 17, 18) bereits 1888 von den schottischen Geologen beschrieben; 
ähnlich, aber weit ausgedehnter, sind die von Loch Carron. Diese 
Umkehrungen entwickeln sich aus der normalen Stellung, wie folgt 
(vergl. Abbild. 7): Ein Vorhang von jüngeren Schichten hängt über die 
Stirn des aufgeschobenen Gneifses herab und ist unten eingeknickt, 
wie am Coinne-mheall in Assynt (Recent Work, Abbild. 16); der Gneifs 
drängt sich mitten durch den Vorhang und tiberschiebt den unteren 
umgekehrt lagernden Teil, wie am Glas Bheinn und auf der Südseite 
des Ben More (Recent Work, Abbild. 13 und 17). Dieser Vorgang ist 
wesentlich anders als der der gewöhnlichen Überfaltung; es entstehen 
keine Gewölbe, sondern es schiebt sich die Masse längs zahlreicher 
kleiner Schubflächen über ihren Fufs. Das ist überhaupt das auf- 
fälligste in der ganzen Aufschiebungsregion, dafs die Faltung der 
Schichten so selten auftritt. Sie fehlt allerdings nicht ganz. Bereits in 
den Profilen der schottischen Geologen (Recent Work, Abbild. 11) sieht 
man gelegentlich eine Reihe überschobener Falten 1 ). Recht deutlich 
■ sah ich sie in den auf der Ben More Thrust Plane aufgeschobenen 

i Massen nördlich, sowie in den überschobenen südlich Kinlochewe. 

j . Aber diese Faltung ist nur eine oberflächliche, was man deutlich dort 

sehen kann, wo die gefalteten Partien, wie z. B. nördlich Kinlochewe, 
auf einer ungefalteten Schubfläche aufsitzen. Sie erscheint hier ledig- 
lich als eine örtliche Modifikation der sonst herrschenden packetweisen 
Verschiebung einzelner Formationsglieder nebeneinander, welche auch 

l ) Wahrscheinlich bezieht sich die allgemeine Angabe von Rothpletz, dafs die 
einzelnen Wiederholungen der Schichtglieder zwischen den Schubflächen einen 
deutlichen Falten- und Sattelbau erkennen lassen, auf diese immerhin nicht gerade 
häufigen Vorkommnisse. 



Geomorphologische Probleme aus Nordwest-Schottland. 171 

zwischen zwei gröfseren Schubflächen erfolgt 1 ). Anders scheint es sich 
allerdings mit der Faltung des sonst tiberschobenen Gebirges zwischen 
Kinlochewe und Loch Torridon zu verhalten. Hier erstrecken sich 
die steil geneigten Schichten tief herab; hier auch begegnet man, so 
südlich von Kinlochewe, so ferner am Ausgange vom Loch Carron, recht 
beträchtlichen Umkehrungen der Schichtfolge. So vollzieht sich denn 
südlich vom Loch Maree ein Übergang zwischen der Keilstruktur und 
Faltenstruktur, woraus zu entnehmen ist, dafs sie nur örtliche Folgen 
ein und desselben Vorganges, nämlich der Zusammenpressung von 
Schichten, sind. Nun ist die Keilstruktur Schottlands nur eine Form 
der Schollenstruktur; man ersieht hieraus, dafs der Gegensatz von 
Faltungs- und Schollenland keineswegs so scharf ist, als er vielfach 
formuliert worden ist. Der eigentliche Gegensatz liegt zwischen dem 
Schub- und Bruchschollenland; ersteres deutet gleich dem Faltungs- 
land eine Zusammendrückung, letzteres eine Zerrung der Erdkruste an. 
Ordnen sich in der Gegend nördlich vom Loch Maree die 
kleinen unbedeutenden Faltungen sichtlich den Überschiebungen 
unter 2 ), so ist hier ganz so wie am ebengenannten See die Biegung 
der Schubflächen in sanft gewölbte Falten, in flache Syn- und Anti- 
klinalen sehr bemerkenswert. Sie tritt in der Gegend von Assynt 
deutlich hervor (so z. B. in Abbild, n, 12 und 18 der Profile in: the 
Recent Work); ferner in den hier berichteten Lagerungsverhältnissen 
beiderseits des Loch Maree (vergl. Abbild. 5 und 6). Dabei zeigt 
sich ganz regelmäfsig, dafs der am meisten westwärts gelegene Teil 
der Schubfläche — es ist immer die Ben More Thrust Plane — eine 
flache Mulde bildet, auf welcher mehrmals mächtige aufgeschobene 
Massen als Überschiebungs-Auslieger aufsitzen, während auf dem ost- 



') Rothpletz (Geotektonische Probleme S. 100) konnte hierüber nicht ins 
Klare kommen und vermochte nicht festzustellen, ob die minor thrustplanes von den 
liegenden maior thrusts abgeschnitten werden, während die schottischen Geologen 
(Recent Work S. 412) ausdrücklich hervorheben, dafs sie durch zahlreiche Profile 
erhärtet wird. Ich konnte mich an beiden Ufern von Loch Glencoul davon über- 
zeugen. Die Hochlandsgeologen waren über die Sache anfänglich anderer Meinung 
(vergl. Profil von 1884) und sind erst im Verlaufe ihrer Aufnahmen zu ihrer jetzigen 
Erkenntnis gekommen. Sie haben ihre ursprüngliche Ansicht gewifs nicht ohne sehr 
zwingende Gründe aufgegeben. 

2 ) Hiernach kann der Äufserung von Rothpletz, dafs in allen von ihm be- 
schriebenen Überschiebungsgebieten, unter denen sich auch das schottische befindet, 
die Falten früher entstanden als die Überschiebungen (Geotektonische Probleme, 
S. 154), nicht beigepflichtet werden. In seiner Beschreibung der schottischen Über- 
schiebungen (ebenda S. 85 — 100) führt Rothpletz kein auf seine allgemeine Schlufs- 
folgerung bezügliches Argument an. 

12* 



172 A. Penck: 

wärts gelegenen Sattel aufgeschobenes Gebirge fehlt. Am Ort dieses 
Sattels bildet das tiberschobene Gebirge einen Schichtsattel, dessen 
Bau allerdings häufig durch Stauungen kompliziert worden ist. Die 
auffälligste Aufwölbung dieser Art ist der 814 m hohe Breabag unfern 
Assynt; er bildet ein riesiges Quarzitgewölbe , welches die aufge- 
schobenen Massen der Nachbarschaft bei weitem überragt. Minder 
imposant, aber immerhin noch bedeutend genug, sind die entsprechen- 
den Aufwölbungen des Quarzits bei Kinlochewe (Abbild. 5). Es ist in 
hohem Mafs beachtenswert, dafs sich an zwei 56 km von einander 
gelegenen Stellen, derselbe Typus der Lagerungsverhältnisse wiederholt. 
Der wichtigste Zug in der Tektonik Nordwest-Schottlands ist gewifs 
der Gegensatz zwischen den im allgemeinen flach gelagerten und seit 
vorpaläozoischen Zeiten wenig gestörten Schichten der Westküste und 
dem Caledonischen Gebirge. Der innere Bau der letzteren ist aller- 
dings gegenwärtig noch kaum bekannt. Seine einförmige Zusammen- 
setzung aus den Moine-Schists hinderte bisher seine Aufhellung; aber 
darin stimmen alle Autoren, die sich mit ihnen beschäftigt haben, 
überein, dafs sie einen Teil eines vordevonischen Faltungsgebirges 
bilden, dessen einzelne Überreste in den Bergländern des nördlichen 
Grofsbritannien auftreten, und dessen Spuren auch in den deutschen 
Mittelgebirgen kenntlich sind. Man hat sohin in Schottland auf der 
einen Seite eine starre Scholle, auf der andern ein Faltungsgebirge, 
die, wie ich anderwärts zeigte (Morphologie II, S. 373), immer vergesell- 
schaftet sind. Zwischen beide schaltet sich eine Zone ein, in welcher 
die Schichfolge des ungestörten Gebirges mehrfach über sich zu- 
sammengestaut und schliefslich von den Massen des ostwärts gelegenen 
Faltungsgebirges überschoben ist. Wie weit diese Überschiebung reicht, 
zeigt sich in der östlichen Fortsetzung des Knockanpronls, wo die 
Moine-Schichten 8 km weit über das Kambrium hinweggeschoben sind ; 
wie weit sie einst gereicht hat, läfst sich aus einem Vorkommen von 
Moine-Schists auf der Halbinsel Fair Aird unfern Durness entnehmen, 
wo sie 13 km weiter westlich als der Rand der Überschiebung gelegen 
sind. Mindestens um diesen Betrag also sind sie über die westlich 
gelegenen Gebiete hinausgeschoben. Wo dies erfolgte, ist die ruhige 
Lagerung desselben gestört, sind seine Schichtglieder übereinander 
geschoben, in Aufschlüssen 5—6 km weit auf der Ben More Thrust- 
plane, und wenn die Beschaffenheit des aufgeschobenen Gneifsblockes 
in Glencoul einen Schlufs auf seine Herkunft zuläfst, 20 km auf der 
Glencoul Thrustplane. Die Aufschiebungen sind also an die Sohle 
eines Faltengebirges geknüpft. Das dürfte, wie sich zeigen wird, das 
Wesen der Sache sein. 



Geomorphologische Probleme aus Nordwest-Schottland. 173 

3) Die Glarner Schubflächen. 

Die grofsen schottischen Überschiebungen sind ein Glied in der 
Reihe von Überschiebungen, welche den europäischen Boden in drei 
einzelnen Zonen durchsetzten, und auf deren gegenseitige Beziehungen 
nahezu gleichzeitig Ed. Suefs (Schriften d. Ver. zur Verbr. naturw. 
Kenntn. Wien XXX, 1889/90, S. 1) und Marcel Bertrand (Comptes 
Rendus de l'Acadämie des Sciences CXI, 1890, S. 1049) aufmerksam 
machten, nämlich die Zonen der vordevonischen caledonischen, der 
karbonischen hercynischen und der tertiären alpinen. Von den 
letzteren sind jene der Glarner Alpen durch Heim' s Arbeiten (Unter- 
suchungen über den Mechanismus der Gebirgsbildung 1878; Geologie 
der Hochalpen zwischen Reufs und Rhein, Beiträge zur geologischen 
Karte der Schweiz. XXV. Lieferung 1891) dank Heim's genetischen 
Erklärungen von gröfstem Einflufs auf die Entwickelung der ganzen 
Frage gewesen. Heim's Ansichten haben auch die neueren Unter- 
suchungen im Nordwesten Schottlands mächtig gefördert. Lapworth 
steht bei Behandlung des Hochlandgeheimnisses wesentlich auf ihrem 
Boden, und sie leuchten auch durch die erste Darstellung der Über- 
schiebungen durch die Survey (1884) hindurch. Ein Vergleich zwischen 
beiden Gebieten drängt sich daher naturgemäfs auf und kann zur 
Klärung mancher Fragen beitragen. 

Ich habe die Glarner Alpen zuerst 1891 unter Heim's Führung 
kennen gelernt; er führte damals eine gröfsere Zahl von Mitgliedern 
der Deutschen Geologischen Gesellschaft in die Mitte des Gebiets, 
von Schwanden über Elm nach Linththal. 1893 kehrte ich in Be- 
gleitung von Ed. Brückner dahin zurück, überschritt den Segnes- 
Pafs und verweilte mehrere Tage im Bereich des grofsen Bergsturzes 
von Flims. 1894 folgte ich abermals Heim gelegentlich der von ihm ge- 
leiteten Exkursion des Internationalen Geologen-Kongresses in den nörd- 
lichen Teil der Überschiebung, nämlich die Umgebung des Mürtschen- 
Stockes, ging dann aber allein durch das Tamina-Thal nach Reichenau, 
um die Ostseite des Gebiets kennen zu lernen. Bei diesen mehr- 
fachen Besuchen des klassisch gewordenen Gebiets konnte ich mich 
an den Hauptstellen von der Richtigkeit von Heim's Beobachtungen 
überzeugen, und wenn ich im folgenden auf einige Verschiedenheiten 
in Bezug auf die Erscheinungsweise der schottischen und Glarner 
Überschiebungen hinweise, so kann ich vonvornherein sagen, dafs 
es sich nicht etwa um blofse Verschiedenheiten in der Auffassung und 
Beobachtung, sondern um solche thatsächlicher Natur handelt, wie 
auch bereits von Marcel Bertrand hervorgehoben ist (Revue ge'ne'- 
rale des Sciences pures et appliquöes. 15. de'c. 1892). 



174 A * Penck: 

Der auffälligste Gegensatz zwischen dem Gesamtkomplex der 
schottischen und den Glarner Überschiebungen liegt jedenfalls darin, 
dafs in Schottland die höchsten aufgeschobenen Massen, nämlich die 
Moine Schists, allem Anschein nach stark gefaltet sind, während in 
den Glarner Alpen die aufgeschobenen Verrucanomassen es nicht sind- 
Sie krönen in beinahe schwebender Lagerung die gefalteten Schiefer 
des Eocän, während man unter den Moine Schists im wesentlichen nur 
gestauten, höchstens untergeordnet gefalteten Schichten begegnet. Hier 
wie da trifft man auf grofsartige mechanische Wirkungen der Auf- 
schiebungen; längs der Aufschiebungsflächen sind die Gesteine ge- 
dehnt und gestreckt, ausgewalzt wie es Heim nennt, gemahlen nach 
der Bezeichnung von Lapworth. Mylonite finden sich in beiden Ge- 
bieten; während aber in Schottland die Mylonite lediglich Kontakt- 
Erscheinungen in zwei gegeneinander verschobenen Gesteinen sind, 
findet sich an der Grenze zwischen dem aufgeschobenen Verrucano 
und dem überschobenen Eocän ein Mylonit, welcher nicht aus beiden 
oder dem einen von beiden hervorgegangen ist. Das ist der Loch- 
seitenkalk. Meilenweit sieht man ihn als weifses Band zwischen den 
prallen, roten oder grünen Wänden des Verrucano und den schwarzen 
Eocänschiefern. Im südlichen Überschiebungsgebiet trifft man statt 
seiner Malmkalke, welche südwärts rasch an Mächtigkeit zunehmen 
und sich hier mit Dogger vergesellschaften, der über ihnen auftritt. 
Sie lagern also verkehrt. Auch im nördlichen Überschiebungsgebiet 
vergesellschaftet sich am Bützistöckli mit dem Lochseitenkalk eine 
verkehrte Folge von Trias bis Malm. Wer die entsprechenden Profile 
im Segnes-Thal und am Bützistöckli unbefangen verfolgt, mufs Heim bei- 
pflichten, wenn er den Lochseitenkalk als Äquivalent des verkehrt 
lagernden Jura-Komplexes im südlichen Faltengebiet ansieht, denn beide 
knüpfen sich an die Überschiebungsgrenze zwischen Verrucano und 
Eocän. Sobald man aber diese unabweisbare Äquivalenz eingesehen 
hat, wird man auch den Lochseitenkalk als Mylonit einer verkehrten 
Jurafolge betrachten müssen, so wie es Heim thut, wenn er ihn als 
„ausgewalzten" Mittelschenkel einer bzw. zweier Falten erklärt. Einen 
solchen aber giebt es in Schottland nicht: im gröfseren Teil des Über- 
schiebungsgebiets fehlen überhaupt bedeutende Falten, und verkehrte 
Schichtlagerung kommt nur selten vor. Es sind sohin die Vorbe- 
dingungen für die Auswalzung verkehrter Schichtglieder nur aus- 
nahmsweise gegeben; kein Wunder, wenn kein Äquivalent des Loch- 
seitenkalkes vorhanden ist. Unverkennbar sind die grofsen Glarner 
Überschiebungen durch gesteigerte Faltung hervorgegangen, während 
in den überschobenen Packeten unter den Moine-Schichten in Schott- 
land die Faltung lediglich eine unbedeutende Begleiterscheinung der 
grofsen Überschiebungen ist. 



Geomorphologische Probleme aus Nordwest-Schottland. 175 

Inwieweit das Vorhandensein zweier von einander abfallender 
"Überschiebungen, wie sie Heim für die Glarner Alpen annimmt, und 
das Auftreten ausschliefslich gleichsinniger Überschiebungen, wie sie 
in Schottland vorhanden sind, wirkliche Verschiedenheiten zwischen 
beiden Gebieten bedeutet, ist zum Teil gegenwärtig noch eine Frage 
der Auslegung des Thatbestandes. Marcel Bertrand hat den Ver- 
such unternommen, die Gesamtheit der Phänomene in den Glarner 
Alpen durch Annahme einer einzigen grofsen Falten Verwerfung zu er- 
klären, welche von Süden her den Verrucano auf das Eocän schob. 
(Bull. Soc. geologique (3) XII, 1883.84, S. 318.) Er ging dabei aus 
von Ähnlichkeiten in der Struktur der nördlichen Schweizer Alpen mit 
dem frankobelgischen Kohlenbecken. Auch hier wird von Süden her 
älteres Gebirge auf jüngeres aufgeschoben. Dieses ist an den Grenzen 
der Überschiebung von einem Bruch durchsetzt, dessen Nordflügel 
gehoben ist. Einen solchen Bruch (Cran de retour) mutmafst Bertrand 
nördlich der Glarner Alpen: er soll die Unterlage des überschobenen 
Eocän, also Kreide zum Vorschein bringen, und in der That treten 
nördlich des Glarner Überschiebungsgebiets am Walen-See Kreide- 
ketten auf. 

Bertrand's Kombination hat in vielen Konsequenzen eine Be- 
stätigung erfahren. Die von ihm verlangte Verknüpfung der Schichten 
des Glärnisch zu nordwärts überschobenen Falten ist, entgegen dem von 
Baltzer gemachten ursprünglichen Versuche, durch Beobachtungen 
an der Silbern erwiesen (Heim, Untersuchungen. S. 55). Die grofsen 
Überschiebungen der Präalpen-Ketten, welche er mutmafste, sind von 
H. Schar dt (Origine des Präalpes romandes. Eclogae geologicae Hei- 
vetiae IV, 1893, S. 122) und Lugeon (La region de la breche du Chablais. 
Bull, du Service de la carte geologique Nr. 49. VII. S. 337) bestätigt 
worden. Der nahe liegende Einwand gegen seine Auffassung, dafs 
man in den Glarner Alpen thatsächlich zwei von einander abfallende 
Überschiebungsflächen sieht, verliert an Kraft, sobald man die ver- 
bogenen Verschiebungsflächen Schottlands bemerkt, welche Sättel und 
Mulden beschreiben. Könnten nicht die beiden Heim'schen Über- 
" Schiebungen vielleicht eine einzige sattelförmig aufgewölbte Schubfläche 
darstellen? Zu Gunsten von Bertrand spricht, dafs der verkehrte 
Mittelschenkel nur im südlichen Überschiebungsgebiet vorhanden ist, 
während im nördlichen mit alleiniger Ausnahme des Btitzistöckli nur 
Lochseitenkalk vorkommt. Das würde bestens mit der Annahme nur 
einer einzigen von Süden gekommenen Überschiebung stimmen; man 
hätte dann, da das Bützistöckli dem südlichen Überschiebungsgebiet 
nahe gelegen ist, eine konstante Abnahme des Mittelschenkels, so wie 
es die Theorie der Überschiebung mit Auswalzung verlangt. Endlich 



176 A - Pcnck: 

fehlt in den Glarner Alpen die Stirn der beiden von Heim ange- 
nommenen Falten. 

Ich habe die Tage, welche Heim's Exkursion im Herbst 1891 durch 
ungünstiges Wetter am Eindringen in das Hochgebirge gehindert war, 
an den Ufern des Walen-Sees benutzt, um nach dem von M. Bertrand 
gemutmafsten Bruch, einem alpinen Cran de Retour, Umschau zu 
halten. Ich mufs bekennen, dafs ich keine Stelle gefunden habe, wo 
er zum Vorschein kommen sollte, denn die ganze Schichtfolge an 
beiden Ufern des Sees gehört sichtlich in das Hangende der nördlichen 
Aufschiebung. Die Analogie mit dem frankobelgischen Kohlenbecken 
tritt aber auch hervor, ohne einen Cran de Retour annehmen zu 
müssen. Im Becken von Lüttich und Bergen (Mons) hat man neben 
den grofsen Überschiebungen von Süden her auch eine solche von 
Norden aus. Diese geschehen längs der Schubflächen von St. Gilles, 
beziehentlich von Hornu. Wäre es nicht angemessener, die nördliche 
Glarner Schubfläche mit diesen letzterwähnten des frankobelgischen 
Kohlenbeckens zu vergleichen, anstatt einen hypothetischen Cran de 
Retour anzunehmen? Hierüber können nur Beobachtungen an den 
Glarner Schubflächen selbst Klarheit bringen. Wie man auf Gletscher- 
schliffen Stofs- und Leeseite unterscheidet, so kann man auch, wie ich in 
Schottland lernte, auf grofsen Überschiebungsflächen die Richtung der 
Bewegung feststellen. Leider hat sich mir seither keine Gelegenheit 
geboten, die gewonnenen Erfahrungen in den Glarner Alpen zu ver- 
werten. Eine Höhenschichtenkarte der beiden dortigen Schubflächen, 
welche einer meiner Schüler, stud. phil. Machacek, nach dem geologisch 
kolorierten Blatt XIV der Dufour-Karte anfertigte , brachte kein Argu- 
ment zu Gunsten der Bertrand'schen Hypothese. Sie zeigt die nörd- 
liche Überschiebung allenthalben durch einen 2 bis 3 km breiten Zwischen- 
raum von der südlichen getrennt, sodafs über die Zugehörigkeit ein- 
zelner Vorkommnisse zur einen oder anderen kein Zweifel herrschen 
kann. Stets liegen die zugekehrten Ränder beider in verschiedener 
Höhe. Allerdings hält sich keine Seite konstant über der anderen; 
bald ist der Rand der südlichen Überschiebung höher, bald jener der 
nördlichen, und ihre Höhenunterschiede sind nicht beträchtlicher, als 
auf gleichen Entfernungen innerhalb der Überschiebungen angetroffen 
werden. Aber das Streichen beider Schubflächen ist in der Osthälfte 
des Gebiets verschieden. Während sie in der Westhälfte des Gebiets 
annähernd übereinstimmend nordöstlich verlaufen, streicht die nörd- 
liche Aufschiebung nordöstlich über das Weifstannen-Thal, während die 
südliche zwischen Saurenstock und Ringelspitz südöstlich, also nahezu im 
rechten Winkel zur nördlichen streicht. Das geht sowohl aus Heim's Karte, 
wie auch aus der Felszeichnung des Siegfried-Atlas hervor. Hiernach 



Geomorphologische Probleme aus Nordwest-Schottland. J77 

sind beide Aufschiebungen nicht Ebenen, sondern verschieden konkave 
Flächen, welche einander beiderseits des Elm-Thals sehr nahe kommen, 
weiter östlich sich aber von einander entfernen. Vom Verlaufe der Thäler 
werden sie in keiner Weise beeinflufst. Namentlich behält die nörd- 
liche ihr Streichen im Linth-Thal bei, das sie schräg übersetzt; für die 
Annahme einer Grabenversenkung liegt hier nicht die mindeste Veran- 
lassung vor. 

Heim's Profile (Gebirgsbau, Tafel I. 2 — 7) lassen erkennen, dafs 
beide Überschiebungen auch im Westen sich von einander entfernen. 
Beide verlaufen hier je in eine Falte. Hier auch ist in der Windgälle 
die Stirn der Faltenumbiegung vorhanden, die im Bereich der Doppel- 
falte fehlt, was angesichts der Phänomene an der Stirn der aufge- 
schobenen Massen in Schottland nicht Wunder nehmen kann. So 
stehen denn Bertrand's Auffassung, derzufolge eine bemerkenswerte 
Verschiedenheit zwischen den Glarner und den schottischen Über- 
schiebungen entfallen würde, manche Schwierigkeiten entgegen. Fest 
steht aber, dafs das Glarner Überschiebungsgebiet, möge es nun 
ein oder zwei Überschiebungen aufweisen, inmitten eines Faltungs- 
gebirges vorkommt, während die schottischen in die Basis eines 
solchen gehören. Die überschobenen und aufgeschobenen Massen 
besitzen dabei in den Glarner Alpen gröfstenteils die für Faltungs- 
gebirge charakteristische Faciesverschiedenheit von den aufserhalb 
des Gebirges auftretenden gleichalterigen Gebilden; die unter der 
Moine - Schubfläche zusammengestauten Massen haben dagegen die 
Schichtentwickelung des benachbarten ungestörten Gebiets. So lange 
freilich eine Gliederung der Moine-Schichten nicht durchgeführt ist, 
darf man dieser Differenz kein grofses Gewicht beilegen. Sie würde 
zu Recht bestehen, wenn sich die Moine-Schichten, wenigstens ihrer 
Hauptmasse nach, als ein ursprünglich zusammengehöriger Komplex, 
vielleicht als eine obere Abteilung des Archaischen herausstellen 
sollten ; sie würde hingegen fallen, wenn sie sich als ein Produkt inniger 
Zermahlung verschiedener Gesteine, so z. B. vom Grundgebirgsgneifs 
und von Torridonschichten erweisen sollten. Die Schwierigkeiten, auf 
welche die Abtrennung eingeklemmter torridonischer Schichten von 
den Moine Schists hier und da, z. B. in der Gegend von Loch Carron, 
stöfst, sind in letzterer Hinsicht recht beachtenswert. Andererseits 
läfst sich nicht verkennen, dafs die grofse Masse der Moine-Schichten 
doch einen recht einheitlichen Eindruck macht, so wie etwa die des 
Flysches. Wie letzterer auf die alpinen Faltungszonen beschränkt ist, 
treten die Moine-Schichten nicht aus dem alten Caledonischen Gebirge 
heraus. Das spricht zu Gunsten der Annahme, dafs sie zur Gruppe 
jener Gesteine gehören, die am Ort eines späteren Faltungsgebirges 



178 A. Penck: 

vonvornherein in einer eigentümlichen Ausbildungsweise zur Ab- 
lagerung kamen. 

Empfiehlt es sich auch einige Differenzpunkte zwischen den Glarner 
und schottischen Überschiebungen, nämlich die Verschiedenheit ihres 
Materials und der Lage der Schubfläche, nicht so in den Vordergrund 
zu stellen, wie es nach dem gegenwärtigen Stande unserer Kenntnisse 
zu geschehen hätte, so bleiben doch Verschiedenheiten genug zwischen 
beiden Gebieten, die als durchaus gesicherte gelten können. In den 
Glarner Alpen erscheinen die Überschiebungen als Folge einer über- 
mäfsigen Faltung innerhalb einer Faltungszone, in, Schottland finden 
sie sich an der Grenze einer solchen; die hier zwischen ihnen auf- 
tretenden Andeutungen einer Faltung ordnen sich ihnen unter, gleichsam 
als ob hier und da die aufgeschobenen Massen während ihrer Zusam- 
menstauung rudimentär gefaltet worden wären. Beide Fälle dürfen 
nicht verallgemeinert werden. Lag es auch nahe, unter dem Einflufs 
von Heim's tiberzeugenden Darlegungen im Anschlufs an die Glarner 
Doppelfalte jede Überschiebung zunächst für eine zerrissene Falte zu 
deuten, so darf doch nunmehr weder ohne weiteres angenommen 
werden, dafs schottische Strukturen allgemein verbreitet seien, wie 
Cadeil 1 ) annimmt, noch darf die Redaktion so weit gehen, dafs alle 
Überschiebungen von den Falten losgelöst und allgemein als ein jüngeres 
Phänomen hingestellt werden, sowie es Rothpletz in seinen geotek- 
tonischen Problemen thut (S. 154). Es heifst vielmehr, jede Überschiebung 
ohne Voreingenommenheit prüfen, da ihr Verhältnis zu den Falten ein 
recht verschiedenes sein kann. Dies erhellt nicht nur aus dem Befunde 
der beiden verglichenen Überschiebungsgebiete, sondern namentlich 
auch aus den Experimenten über Schichtfaltung, welche in neuerer Zeit 
vorgenommen worden sind. 

4. Experimentelle Ergebnisse über die Schubflächen in 
Faltungszonen. 

Ca de 11 konnte den Typus der schottischen Überschiebungen 
künstlich nachahmen, indem er horizontale Lagen von Sand, Formlehm 
und Gyps horizontal zusammenprefste. Ebenso hatte bei seinen schönen 
Untersuchungen über Seitendruck Ph. Forchheimer durch Zusammen- 
pressen von Sand Überschiebungen vom Typus der schottischen er- 

l ) Experimental Researches in Mountain Building. Trans. R. Soc. of Edinb. 
XXXV. pt. 1. 1887 S. 58 (1889) S. 337 (348). Marcel Bertrand, (Les Mon- 
tagnes de PEcosse. Revue generale des Sciences pures et appliquees No. 23. 15. Dec. 
1894) hat hiergegen bereits den Unterschied alpiner und schottischer Überschiebungen 
l n der oben entwickelten Weise präzisiert. „ Ce ne sont pas les observateurs qu'il 
faut accuser, ce sont les montagnes qui ne sont pas les memes" 



Geom Orphol ogische Probleme aus Nordwest- Schottland. 179 

halten (Zeitschr. d. österr. Ingenieur- u. Architektenvereins Wien, XXXIV, 
1882, S.m; XXXV, 1883, S. 103. Neues Jahrbuch für Mineralogie 1893, 
I> S. 137). Beide Autoren zeigten, dafs die in den zusammengeprefsten 
Massen entstandenen Schubflächen sich nach der Richtung, aus welcher 
der Druck kommt, also rückwärts senken, und dafs auf ihnen Massen 
über unbewegte hinweggeschoben wurden. Da beide mit Sand expe- 
rimentierten, könnte es erscheinen, als ob die hergestellten Schubflächen 
in ihrer Entstehung an unbiegsames Material geknüpft seien. Es ist 
daher sehr wichtig, dafs Bailey Willis bei seinen ausgedehnten Ex- 
perimenten über Schichtfaltung (XIII th Ann. Rep. U. S. Geolog. Survey, 
1891/92, Washington 1893, S. 211) Schubflächen auch in weichem und 
plastischem Material erhielt, wenn dieses unter genügender Belastung 
mit Schrot seitlich zusammengeprefst wurde. Von seinen Versuchen ist 
in dieser Beziehung der Jj genannte besonders lehrreich, und die auf 
Tafel 95 u. 96 dargestellten einzelnen Stadien der Zusammendrückung 
einer homogenen, weichen Schichtfolge gewähren einen vorzüglichen 
Einblick in den Mechanismus der Zusammenpressung weicher Schichten, 
unter welchen keine den Druck besonders fortleitet und schon eine 
besondere „Kompetenz" für die Faltung besitzt. Zuerst entwickelte 
sich ganz wie bei den Versuchen von Cadeil und den sehr elegant 
ausgeführten von Forch heimer im Innern der zusammengeprefsten 
Masse eine Schubfläche, welche rückwärts unter einem Winkel von durch- 
schnittlich 40—50° einfiel und auf welcher die geschobenen Massen auf 
die ruhenden aufgeschoben wurden, also eine echte Überschubfläche. 
Bei fortgesetzter Kompression stellten sich neben dieser in gröfserer 
Entfernung von dem Herde des Druckes weitere parallele Überschub- 
flächen ein. Zugleich entwickelten sich steilere Flächen mit entgegen- 
gesetzter Neigung (50 — 6o°), auf welchen die bewegten Massen unter 
die ruhenden geschoben wurden. Sie seien daher Unterschub flächen 
genannt. Die rückwärtsgeneigten Überschub- und die vorwärtsgerichteten 
Unterschubflächen zerlegten die komprimierte Masse in eine Anzahl 
von parallelepipedischen und keilförmigen Stücken, von welchen die 
letzteren ihre Spitzen abwechselnd nach oben und unten richteten. 
Diese Parallelepipeda und Keile falteten sich bei fortgesetztem Zusammen- 
schube oder schoben sich dermafsen ineinander, dafs die Überschub- 
flächen verschwanden und die Unterschubflächen in steigender Ent- 
wickelung bestehen blieben. In ein und derselben komprimierten Masse 
entwickelte sich auf der einen Seite Faltung, während auf der andern 
eine Folge unterschobener Packete entstand. Unterschiebung und Faltung 
erscheinen also auch im Experimente als verschiedene Äufserungen ein 
und desselben Vorganges, was nach der Art ihres Zusammenvorkommens 
in der Natur bereits geschlossen werden mufste. 



180 A. Penck: 

Die mit sehr verschiedenem Material angestellten Versuche von 
Cadell und Forchheimer einer- und Willis andererseits liefern 
übereinstimmend das Ergebnis, dafs sich innerhalb einer seitlich zu- 
sammengeprefsten Schichtfolge Schubflächen entwickeln, gleichviel ob 
das Material unbiegsam oder biegsam ist. Nur darin giebt sich ein 
Einflufs der Beschaffenheit der Schichten zu erkennen, dafs alle Ver- 
suche mit unbiegsamem Material Überschubflächen, die mit biegsamem 
auch Unterschubflächen lieferten. Die Entwickelung der lederen ist 
insofern wichtig, als sie lehren, dafs die bei Seitendruck entstehenden 
Schubflächen nicht immer gleichsinnig geneigt zu sein brauchen, sondern 
auch in entgegengesetzter Richtung fallen können, so wie man dies 
auch in zahlreichen genauer untersuchten Profilen in Faltungsgebirgen, 
z. B. in den von Heim veröffentlichten, wahrnehmen kann. So wichtig 
nun aber auch diese Schlufsfolgerungen sind, so darf nicht aufser acht 
gelassen werden, dafs die zum Experimentieren verwendeten Materialien 
denen der Erdkruste nicht entsprechen. Letztere besteht weder aus 
beweglichen Körnern, wie Sand, noch ist sie butterweich. Ihre oberen, 
der Beobachtung zugänglichen Schichten sind starr, dafs aber in der 
Tiefe bis zu einem gewissen Grade „weiche", also biegsame Materialien 
lagern, ist infolge des in der Tiefe herrschenden hohen Druckes wahr- 
scheinlich. Es können daher nur Experimente, welche mit heterogenem, 
oben starr und unten biegsamen Material ausgeführt werden, einen 
Einblick in die wirklichen Faltungsvorgänge gewähren. 

Einschlägige Versuche sind von Cadell vorgenommen. Eine ganze 
Serie seiner Experimente ist derart ausgeführt worden, dafs er Sand-, 
Lehm- und Gipsschichten über Wachstuch breitete, das mit ihnen zu- 
sammengeprefst wurde. Dabei warf es sich in steile Falten, während 
die hangenden Sand-, Lehm- und Gypsschichten gegeneinander auf 
Schubflächen bewegt wurden, die als Fortsetzung der darunter be- 
findlichen Wachstuchsattel erschienen. Man hätte also in den 
oberen Krustenteilen Überschiebungen, in den tieferen Faltung. Das 
entspricht der allgemeinen Annahme und den bezüglichen Auseinander- 
setzungen Heim's. Für die Erklärung der grofsen schottischen Über- 
schiebung ist aber nicht der Gewinn gegeben, den Cadell von dem 
Experiment erwartet. Sie zeigen lediglich Überschiebungen über 
Faltung, aber sie lassen nicht erkennen, was unter der Faltung geschieht. 
Hier entstanden im Experiment Hohlräume, also Erscheinungen, die 
innerhalb einer latent plastischen Erdkruste undenkbar sind. Das als 
biegsame Schicht verwendete Wachstuch liefs eben keine Verschiebung 
seiner einzelnen Teile neben einander zu, wie sie die tiefgelegenen 
Teile der Erdkruste theoretisch erleiden können. 

Über das Verhalten dieser tieferen Erdkruste giebt das Experiment J t 



Geomorphologische Probleme aus Nordwest-Schottland. 181 

von Willis Auskunft. Er hatte in demselben über ganz weiche Schichten 
minder weiche, aber noch biegsame Schichten gebreitet, also eine 
Anordnung getroffen, wie sie der theoretisch gemutmafsten der tieferen 
Krustenteile entspricht. Indem er nun diese Schichten znsammenpresste, 
entstanden (Taf. 93 und 94) wiederum zuerst Schubflächen und zwar 
in den tiefsten, weichsten Schichten, zunächst blofs mit Überschüben, 
dann auch mit Unterschüben. Längs dieser Schubflächen staute sich 
das Material zusammen. Die hangenden, weniger weichen, aber doch 
noch gut biegsamen Schichten wölbten sich zu einem Sattel auf, welcher 
sich rückwärts, also der Druckrichtung entgegen, umlegte. Dabei ver- 
dickte sich der hangende Flügel, während sich der liegende auszog 
und schliefslich zerrifs. Nunmehr glitt der Hangendflügel des umge- 
fallenen Gewölbes über den Liegendflügel hinweg, der unter ihn ein- 
geschoben wurde. Es bildete sich eine grofse Unterschiebung, welche 
also durch Auswalzung eines Sattelflügels — der, falls eine Mulde da- 
neben entstanden wäre, die Lage des Mittelschenkels einer Falte gehabt 
haben würde — hervorgegangen ist. Sie entspricht also ganz dem Typus 
der Glarner Schubflächen mit ausgewalztem Mittelschenkel. Das unterste 
Material nahm an dieser Sattelbildung nicht teil. Trotz seiner Weich- 
heit quoll es nicht, wie man es von einer plastischen Masse erwarten 
sollte, in das entstehende Gewölbe, sondern schob sich in dasselbe in 
Gestalt einzelner, scharf begrenzter Keile hinein, die sich anfanglich 
vornehmlich auf Überschubflächen , später aber, als der Sattel unter- 
schoben wurde, auf Unterschubflächen bewegten. 

Die Wichtigkeit dieses Experiments ist nicht hoch genug zu 
schätzen. Es lehrt, dafs bei Kompression eines mit der Tiefe an 
Weichheit zunehmenden Schichtkomplexes in den untersten, weichsten 
Materialien, die bei wenig mehr als Zimmerwärme, nämlich -f- 21 ° C., 
weich wie Butter waren, sich Schubflächen entwickeln konnten, während 
sich die hangenden, minder weichen Materialien falteten. Schubflächen 
sind sohin keineswegs an das Hangende von Falten geknüpft, sondern 
können auch in deren Liegendem entstehen, und zwar in Materialien, 
deren Beschaffenheit der von latent plastischen Krustenteile entspricht. 
Dies war nach unsern bisherigen Anschauungen nicht zu erwarten. Nach 
Heim's diesbezüglichen Auseinandersetzungen formen sich die latent 
plastischen Massen der Tiefe unter Druck bruchlos um (Mechanismus 
Bd. II) und werden nicht von Verwerfungen betroffen. Nach den 
Untersuchungen von Willis ist diese Theorie nicht mehr haltbar, 
wir müssen für latent plastische Massen der Tiefe die Möglichkeit der 
Entstehung von echten Schubflächen in das Auge fassen, welche nicht 
mit der Auswalzung von Schichtgliedern verbunden sind, sondern zu 
einer ähnlichen Aufstauung von einzelnen Schollen führen, wie sie in 



182 A. Penck: 

ziisammengeprefstem Sand und in Nordwest-Schottland entgegentritt. 
Diese Schubflächen sind ganz anderer Art als jene, welche sich durch 
Aliszerrung von einzelnen Sattelstücken entwickeln, und welche mit 
Umkehrungen der normalen Schichtfolge verknüpft sind. Das Experi- 
ment von Willis zeigt letzteren Typus der Aufschiebungen in höherem 
Niveau als die einfachen Schollenaufschiebungen. Die zweite Serie 
von Cadell's Experimenten endlich zeigt über diesem Niveau der Falten 
noch ein zweites Niveau der Schollenverschiebungen. Man erhält 
sohin durch Kombinierung der Ergebnisse beider Forscher folgende 
Anordnung der Druckwirkungen in einer seitlich zusammengeprefsten 
Schichtfolge, welche von oben nach unten eine ähnliche Zunahme der 
Plastizität aufweist, wie sie der Theorie nach die Erdkruste haben 
soll: i. zuoberst ein Niveau von Überschiebungen ohne Auswalzungen, 
welche sich an die Fortsetzung der tiefer liegenden Falten knüpfen, 
die Firstschübe; 2. darunter ein Niveau der Faltung mit Faltenver- 
werfungen, kenntlich durch Auswalzungen und Umkehrungen der Schicht- 
folge, die Faltenschübe; 3. zuunterst in vollkommen plastischem Mate- 
rial ein Niveau mit primären Überschiebungen ohne Auswalzungen und 
Schichtumkehrungen , die nach oben mit Falten in Verbindung treten, 
die Sohlenschübe. 

Wir erkennen sohin in einem Vertikalschnitt einer Faltungszone 
drei verschiedene Stockwerke, deren Entwickelung bedingt ist durch die 
Stärke der Kompression und die Faltbarkeit des Materials. Sie dürften 
daher nicht überall vorhanden sein. Die Firstschübe werden dort 
fehlen, wo sehr flache Falten vorhanden sind ; das Faltungsniveau kann 
entfallen, wenn sehr feste Gesteine in ihm auftreten. Bei geringer Kom- 
pression dürften auch die Faltenschübe aussetzen, namentlich wenn 
eine höhere leicht faltbare Schicht vorhanden ist, welche auch die 
von Willis festgestellten örtlichen Vorbedingungen für die Entstehung 
von Falten enthält. Nur in stark zusammengeprefsten Zonen dürfen 
wir die drei Stockwerke verschiedener Schubflächen übereinander er- 
warten, von denen die unteren und oberen Ähnlichkeit besitzen. Es 
mufs sich nun fragen, ob die drei Niveaus auch in zusammengeprefsten 
Teilen der Erdkruste vorhanden sind. 

Der First einer Faltungszone kann nur dort erwartet werden, wo 
die Erosion nicht wirksam werden konnte, die ihrerseits die Falten 
erst zum Vorschein bringt, kurz an Stellen, wo die Faltungszone sozu- 
sagen nur zu erraten ist. Man mufs sich daher zunächst darüber ins 
Reine kommen, wie die Oberfläche einer solchen intakten Faltungszone 
aussehen dürfte. Hierüber können nur Experimente Aufschlufs geben, 
und zwar solche mit bröckligem Material, da die Materialien der Erd- 
kruste erfahrungsgemäfs nicht Festigkeit genug besitzen, um Bögen von 



Geomorphologische Probleme aus Nordwest-Schottland. ]#3 

gröfserer Spannweite oder Vorsprünge von gröfserem Umfang zu bilden. 
Sobald die Spannweite gröfser als das Mindestmafs wird, treten Zu- 
sammenbrüche auf. Die obersten Krustenschichten verhalten sich daher 
ähnlich wie trockener Sand, der auch nur Hohlräume von bestimmten 
Grenzen bilden kann; die Zusammenpressung von Sandschichten liefert 
daher eine Vorstellung von den Oberflächenformen des Firstes eines 
intakten Faltengebirges. Hier sind Forchheimer's Experimente zu Rate 
zu ziehen. Seine Angaben über die Oberflächenformen des zusammen- 
geprefsten Sandes beschränken sich auf die Bemerkung, dafs sich in 
trockenem Sand die Oberfläche nur wellt, während in seinem Innern 
die schon erwähnten Gleitflächen entstehen. Seine Zeichnungen zeigen 
denn auch ganz allgemein flachwellige Oberflächen des komprimierten 
Sandes bei starken Knickungen in seinem Innern. (Zeitschr. des österr. 
Ingenieur- und Arch. -Vereins, 1882, Taf. XXXIV, Abbild. 29— 31 ; 
1883, Taf. XXII, Abbild. 15— 17.) Aber auch die Experimente von 
Willis, die mit plastischem Material unter Druck von Schrot an- 
gestellt wurden, lassen auf das deutlichste erkennen, dafs die Ober- 
fläche der zusammengeprefsten Schichten nicht im mindesten die 
Stauungen ihres Innern spiegelt. Es kann in dieser Hinsicht auf nahe- 
zu alle Abbildungen späterer Kompressionsstadien verwiesen werden, 
insbesondere seien Tafeln 90 e — k, 91 h — i, 92 1, 93 g— k (= 94 a— c), 
95 d— h genannt. Wie dürftig nun auch dieses Vergleichsmaterial 
ist, so läfst sich doch bereits erkennen, dafs die intakte Oberfläche 
einer Faltungszone die Kompliziertheit von deren Bau nicht spiegelt, 
ja es mufs sogar als wahrscheinlich gelten, dafs sie nur sanft gewölbte 
Schwellen und Senken zeigt, während das Innere die mannigfaltigsten 
Stauchungen aufweist, mit anderen Worten, dafs sie nicht als Faltungs- 
gebirge erscheint. Eine Wiederaufnahme der Forchheimer'schen Expe- 
rimente verspricht in dieser Hinsicht eine wichtige Bereicherung unserer 
geomorphologischen Ansichten. Jedenfalls ist aber dringend geboten, 
streng zwischen dem morphologischen Begriff des Faltungsgebirges und 
dem tektonischen der Faltungszone zu scheiden. 

Wo nun finden sich Verhältnisse, die auf eine in der Tiefe ver- 
steckte Faltungszone schließen lassen könnten? Mir scheint im nord- 
deutschen Flachland. Man begegnet hier dem Wechsel von Schwellen 
und Senken, der erwartet werden mufs, man trifft in geringer Tiefe 
auf einen aufserordentlich verwickelten Schichtbau, der in seinen Einzel- 
heiten schwer zu entziffern ist, sodafs man ihn vielfach als Schubwir- 
kung der grofsen eiszeitlichen Vergletscherung hingestellt hat. Aber 
vergebens sucht man in den Alpen, die doch gleichfalls unter tiefer 
Eisdecke begraben gewesen- sind und in ihren Thälern mindestens 
ebenso mächtige Gletscher geborgen haben, nach ähnlichen Werken 



184 A. Penck: 

des Gletscherschubes; man kennt sie auch nicht aus Skandinavien dem 
Centrum der nordischen Vereisung. Es liegt daher nahe, mit v. Koenen 
nach einem tektonischen Ursprung dieser Störungen zu suchen, die 
vielfach den Charakter von Überschiebungen tragen, und sie insgesamt 
als Firstschube einer in der Tiefe lagernden Faltenzone anzusehen. 

Das zweite Tiefenniveau der zusammengeprefsten, erdkrustenähnlich 
biegsamen Schicht, das der Faltung, liegt in den meisten grofsen Fal- 
tungsgebirgen zu Tage, nicht ursprünglich, sondern infolge der Denu- 
dation, welche das Ganze erfahren hat. Hier trifft man stehende und 
liegende Falten, aus beiden entwickeln sich Schubflächen, aus den 
ersteren durch Zerreifsung der Sättel, wie in den Appalachien, aus den 
letzteren durch Auswalzung der Mijtelschenkel, wie in den Alpen. Die 
grofse Glarner Doppelfalte gehört in dieses Niveau der Faltenschübe. 

Das dritte Tiefenniveau der zusammengeprefsten Masse erscheint 
uns durch die schottischen Überschiebungen repräsentiert. Wir ver- 
mögen Cadell nicht beizupflichten, wenn er sie in das Hangende von 
tiefliegenden Falten verweist. Diese Anschauung war so lange vollbe- 
rechtigt, als man eine bruchlose Umformung tiefgelegener Massen an- 
nahm. Nachdem aber die Experimente von Willis gelehrt haben, 
dafs auch in plastischen, selbst weichen Massen Schübe auftreten 
können, mufs es sich auch fragen, ob wir es nicht mit Schubflächen 
aus- der Sohle der Faltung zu thun haben, und diese Frage beantwortet 
sich sofort: Es gehören thatsächlich die schottischen Schubflächen in 
das Liegende des Caledonischen Faltungsgebirges, denn sie werden von 
letzterem bedeckt. Sie sind nicht die Firstschübe eines solchen, wie 
wahrscheinlich die zahlreichen Überschiebungen älterer Gesteine auf 
das Diluvium Nord-Deutschlands, — dagegen spricht schon der Umstand, 
dafs sie fast durch die ganze paläozoische, mesozoische und känozoi- 
sche Ära als Glied des nordischen Landes der Abtragung unterworfen 
waren, — sondern sie sind Sohlenschübe. 

Wir vermögen sohin Repräsentanten der drei verschiedenen Schub- 
stockwerke im Vertikalschnitt einer künstlich gefalteten Masse von 
krustenähnlicher Biegsamkeit auf der Erdoberfläche wiederzuerkennen. 
Es könnte dies ein Spiel des Zufalls sein, die Analogien könnten 
oberflächliche sein. Wir müssen daher untersuchen, ob ihnen nicht 
wesentliche Differenzpunkte gegenüberstehen. Ein solcher fällt sofort 
auf. Die Schubflächen der Basis des Modells J von Willis, das 
uns bei unserer Betrachtung leitete, tragen schliefslich gröfstenteils den 
Typus von Unterschüben; in Schottland herrschen Überschübe. Dem- 
gegenüber ist nicht aufser acht zu lassen, dafs Überschübe und Unter- 
schübe, so verschiedener Entstehung sie auch sind, in ihrer Erscheinung 
übereinstimmen. Ob eine Schicht über die andere oder diese unter 



Geomorphologische Probleme aus Nordwest-Schottland. 185 

sie geschoben ist, äufsert sich nicht in Lagerungsverhältnissen beider. 
Man könnte ebensowohl die schottischen Schubflächen darauf zurück- 
führen, dafs das hebridische Gebiet unter das Caledonische Gebirge 
geschoben wäre, wie darauf, dafs letzteres auf sie hinaufgeprefst ist. 
Das ist eine Sache der Erklärung, keine solche der Lagerungsverhält- 
nisse. Solange nicht bestimmte Beweise dafür vorgebracht werden, 
dafs in Schottland Überschiebungen vorliegen, ist der erwähnte Unter- 
schied mehr eine Folge des gewählten Ausdrucks als ein solcher that- 
sächlicher Natur. Aber auch dann, wenn sich in Schottland wirklich 
echte Überschiebungen herausstellen sollten, wäre dem Unterschied 
keine grofse Bedeutung zuzulegen. Verfolgt man nämlich die Ent- 
wicklung des Modells J in allen seinen einzelnen Stadien, so sieht man 
so lange nur Überschubflächen, als der aufgewölbte Sattel symmetrisch 
ist; sobald er beginnt, sich auf seiner Rückseite zu schwächen 
(Stadium f), entwickelt sich die erste Unterschubfläche, und je mehr 
er sich rückwärts umbiegt, desto mehr Unterschübe entstehen. Die 
Entwickelung der Unterschübe steht zur Richtung des Umfallens vom 
Sattel in sichtlicher Beziehung. Diese Umfallrichtung aber erklärt sich, 
wie folgt: Die Zusammenpressung wurde unter starker Belastung mit 
Schrotkörnern vorgenommen. In diese drängte sich der entstehende 
Sattel hinein. Zugleich wurde er in ihr bei fortschreitender Zu- 
sammenpressung der Schichten vorwärts geschoben: Dabei mufste er 
durch den Seitendruck des Schrotes, den er zu überwinden hatte, 
notwendigerweise nach rückwärts umgeworfen werden. Bei der Faltung 
der Erdkruste haben die sich entwickelnden Sättel keinen solchen 
Seitendruck zu überwinden; es besteht für sie nicht die Nötigung, 
rückwärts umzufallen, und damit dürfte auch nach der beobachteten 
Abhängigkeit der Unterschubflächen von der Richtung des Umfallens 
des Sattels die Notwendigkeit der Entwickelung von Unterschub- 
flächen in tieferen Krustenteilen entfallen. Es besteht sohin keine 
Veranlassung, in dem Vorhandensein von Unterschüben im Modell J 
von Willis Bedenken gegen die Anwendung dieses Versuchs auf die 
Erklärung der schottischen Überschiebungen zu finden. 

Gröfsere Bedenken könnten aus der Art des Experiments erwachsen. 
Es wird eine Schichtfoige über einer starren Sohle zusammengeschoben. 
Das sind andere Vorbedingungen, als man sie in der Erdkruste er- 
warten möchte, die dem sich zusammenziehenden Kerne folgen soll. 
Ihre Bewegungen sind vergleichbar mit der einer Schicht, welche über 
eine sich kontrahierende Unterlage gebreitet ist. Einschlägige Ver- 
suche stellten Alphonse Favre (Archives des Sciences phys. et nat. 
Geneve, 1878, No. 246), Hans Schar dt (Bull. Soc. Vaud. Scienc. Nat. 
XX, 1884, S. 143) und Cadell in der dritten Folge seiner Experimente 

Zeitschr. d. Ges. f. Erdk. Bd. XXXII. 1897. 13 



186 A - Penck: 

an. Sie legten Lehm- bzw. Sandschichten über eine ausgedehnte 
Kautschukunterlage, die sich allmählich zusammenzog. Die Ergebnisse 
aller dieser Experimente können aber zur Entscheidung der Frage 
nach der Kompression der Erdkruste nichts beitragen, da sie eine 
Aufblätterung der zusammengeprefsten Schichten zuliefsen, die unter 
dem Zuge der Schwere bei den Festigkeitsverhältnissen der Erdkruste 
in dieser nicht möglich ist. 

Aber hiervon abgesehen, mufs es sich auch sonst fragen, ob die 
zuletzt angeführten Experimente wirklich den natürlichen Verhältnissen 
entsprechen. Sie nehmen zur Voraussetzung, dafs die Krustenfaltung 
eine direkte Folge der Kontraktion des Erdinnern sei. Sie stehen auf 
dem Boden einer bestimmten Hypothese. Aber gerade ihre nächst- 
liegende Konsequenz, welche die Experimente zur Voraussetzung 
nehmen, fehlt in der Natur. Die Erdkruste faltet sich nicht allent- 
halben, wie über einem schwindenden Kerne zu erwarten, sondern 
thut es nur in gewissen Zonen, welche durch weite faltungslose Ge- 
biete von einander getrennt werden. Wir sehen starre Teile der Erd- 
kruste, zwischen welchen sich Kompressionszonen einschalten, ganz 
ebenso wie bei jenen Experimenten, welche die Schichtfaltung durch 
Zusammenpressen von Lagen verschiedener Materialien zwischen festen 
Backen nachahmt. Die Experimente von Willis beruhen daher gleich 
den alten von Sir James Hall betreffs der Seitenwände, welche die 
Kompression bewirken, durchaus auf natürlichen Voraussetzungen. Es 
fragt sich nur, wie es sich mit der festen Sohle verhält, auf welcher 
die Zusammenpressung vorgenommen wird. 

Die Erörterung dieser Frage kann nur durch eine Untersuchung 
der Tiefe der Faltungsvorgänge gefördert werden. Ist es die ganze, 
über dem schwindenden Kerne befindliche Kruste, die sich faltet, oder 
beschränkt sich die Faltung auf gewisse oberflächliche Partien? So- 
bald letzteres augenommen werden mufs, müssen unter den sich falten- 
den Schichten stabile angenommen werden, welche gleichsam die feste 
Sohle für die Faltung bilden, genau so wie bei den Experimenten von 
Willis, sowie denen von Sir James Hall, Pfaff und anderen. 

Es dürften sich zur Zeit kaum einschlägige Beobachtungen aus 
der Struktur der Erdkruste ins Feld führen lassen, und damit ist der 
Spekulation ein weites Feld eröffnet. Deswegen braucht sie aber 
nicht den gesicherten Boden zu verlassen. In der That bietet sich 
ein Weg, durch Diskussionen beobachteter Thatsachen der Frage näher 
zu treten. Sie liegen in den Kompressions-Erscheinungen der Kruste. 
Zwar deutet nicht jede Faltenstruktur unbedingt auf Raumminderung 
— in Abbildung 8 sind z. B. Falten dargestellt, welche bei gleicher 
in der Horizontalen gemessenen Länge und Breite das gleiche 



Geomorphologische Probleme aus Nordwest-Schottland. 187 

Volumen enthalten wie die darunter befindlichen horizontalen Schichten 
— , so weist doch jede mit Schubflächen verknüpfte Faltung auf 
eine seitliche Zusammendrückung. Nun weicht das spezifische Ge- 
wicht der Gesteine in den zusammengeprefsten Zonen nicht beträcht- 
lich von dem derselben Gesteine in den stabilen Gebieten ab, sie 
sind also nicht merklich verdichtet worden, d. h. sie haben keine 
Volumsminderung erfahren. Daher müssen die seitlich zusammen- 
geprefsten Krusten teile das an Dicke gewonnen, was sie an horizon- 
taler Ausdehnung verloren haben. Sie müssen sich, wie man es in den 
Faltengebirgen thatsächlich sieht, über ihre Umgebung erhoben haben. 
Das Mafs ihrer Erhebung ist proportional der Mächtigkeit der Schicht, 
in welcher die Faltung stattfand, und deren Intensität. Dies erhellt 
aus folgendem: 

Sei A das Areal einer Schicht vor, A jenes nach der Faltung, 
sei ferner Ä die Mächtigkeit des gefalteten Komplexes vor, H % die 
nach der Faltung, so ist 

A Ä 

A Ä ' . 

Die Mächtigkeitszunahme des Komplexes Ä — H T ergiebt sich aus der 

Proportion 

iK — H x = A 1 — A* 

Ä A 

Sie kann nach oben und unten hin erfolgen. Geschieht sie gleich- 

mäfsig nach beiden Richtungen, so ist die mittlere Erhebung des 

Komplexes über seine Umgebung 

_ Ä-Ä A-A Ä , „ 2 D.Ar 
D-- — lln d /■£ = _ 

2 A 2 A — A 

Von den Gliedern der letzten Gleichung können die rechtsseitigen durch 
Beobachtungen bestimmt werden. Es kann Ä, die Tiefe, bis zu welcher 
die Faltung unter die mittlere Höhe der nichtdenudierten Faltungszone 
herabreicht, berechnet werden. Allerdings stöfst die Ermittelung des 
Areals (A), welches die Schichten vor der Faltung einnahmen, auf 
nicht geringe Schwierigkeiten. Es mufs die gefaltete Schicht ausge- 
plättet werden, wobei nicht blofs die Zerrung und Stauung, die sie in 
den einzelnen Falten erlitt, eliminiert werden müssen, sondern auch 
Stücke, die der Erosion anheimgefallen sind, wieder zu ergänzen sind. 
Das Endergebnis ist daher stets in ziemlich weiten Grenzen unsicher. 
Nicht minder schwierig ist die Ermittlung der Höhe, um welche die 
gefaltete Masse ihre Umgebung überragt, weil dabei die denudierten, 
also fehlenden Massen in Berücksichtigung gezogen werden müssen. 
Thatsächlich wissen wir denn auch nur sehr wenig von den Kom- 
pressionsbeträgen der Faltungsgebirge und fast noch weniger von ihrer 

13* 



188 A - Penck: 

ursprünglichen Höhe. Für die Glarner Alpen im Reufs - Thal hat 
Heim eine Verengerung von 78.2 auf 45 km nachzuweisen gesucht, 
während Rothpletz für die nördlichen Kalkalpen eine solche von 
74,5 auf 52 km berechnete 1 ). Die mittlere Höhe der restaurierter. 
Alpenfalten über ihre Umgebung dürfte im ersteren Falle zu 3, im 
letzteren zu 2 km zu veranschlagen sein. Darnach ergäbe sich eine 
Dicke der zusammengestauten Schicht von 14 bzw. 9 km. Der Schweizer 
Jura ist, gleichfalls nach Heim, im Profil von Genf von 22 auf 17 km, 
in jenem von Biel von 29 auf 24 km verengt worden. Seine restau- 
rierte mittlere Höhe über seiner Umgebung beträgt weniger als 1 km 
Darnach würden die zusammengestauten Massen höchstens 9-12 km 
Dicke haben. Da nun keineswegs wahrscheinlich ist, dafs die Ver- 
dickung, so wie wir annahmen, gleichmäfsig nach oben und unten hin 
erfolgte, sondern in die Luft hinein gewifs leichter erfolgen konnte, 
als nach dem Erdinnern hin, wo Massen zu verdrängen sind, so sind 
die von uns berechneten Werte über die Dicke der zusammengestauten 
Massen durchweg maximale, und wir erkennen, dafs eine so heftige 
Faltung, wie die am nördlichen Alpenrand, auf die obersten Krusten- 
schichten beschränkt ist. Ihre Tiefe ist eine Gröfse ähnlicher Ordnung 
wie die Höhe des höchsten Berges oder der gröfsten Meerestiefe; sie 
macht nur einige Tausendstel des Erdradius aus. Wir müssen also 
Pfaff beipflichten, wenn er nach einer ähnlichen Argumentation (Der 
Mechanismus der Gebirgsbildung. 1880, S. 86) die Faltung als ein 
oberflächliches Phänomen bezeichnet. 

Wie man sich nun auch die unter den Alpen falten liegenden 
Massen denken mag, eines ist klar, dafs sie nicht mehr von der alpinen 
Faltung ergriffen sein können, weil sie sonst verdickt worden wären 
und das Gebirge weit höher wäre. Sie spielen daher die Rolle einer 
Faltungssohle, ähnlich der bei den Experimenten von Willis, und 
das vom letzteren gewählte Verhältnis der Breite und Dicke der zu 
faltenden Schichten (100 : 8) entspricht ungefähr alpinen Verhältnissen. 
Seine Versuche sind daher auch nach dieser Richtung hin unter Um- 
ständen ausgeführt, welche den wirklichen entsprechen; seine Ergebnisse 
dürfen daher nach den verschiedensten Seiten zur Deutung natürlicher 
Verhältnisse herangezogen werden, so z. B. auch zur Erklärung von 
Einzelheiten im horizontalen Verlaufe der Faltungszonen. 



l ) Ein geologischer Querschnitt durch die Ost- Alpen. 1894. S. 201. Hier wird 
die Verengerung der Ost-Alpen zu 49,5 km, nämlich von 271,5 km auf 222 km an- 
gegeben. Dieser Betrag ist beträchtlich zu klein, da das Profil von Rothpletz neben 
den centralalpincn Überschiebungen der Brenner-Gegend vorbeiführt, welche einen 
sehr stattlichen Zusammenschub verraten, zu dessen Ausscheidung als präalpin keine 
zwingende Veranlassung vorliegt. 



Geomorphologische Probleme aus Nordwest-Schottland. }89 

Die Analogie zwischen künstlich, über einer festen Sohle gefalteten 
Schichten mit den Faltungszonen der Erdkruste ist in dieser Hinsicht 
sehr auffallig. In der Natur sind als Glieder einer Faltungszone zu 
unterscheiden: eine starre Scholle, eine Hauptfaltungszone und eine 
Austönungszone. Im Experiment hat man den starren Stempel, un- 
mittelbar vor ihm wölbt sich das zusammengeprefste Material auf, in 
einiger Entfernung tönt sich die Faltung aus. Der Umstand, dafs in 
den Hauptfaltungszonen die Falten bald nach der starren Scholle hin, 
bald von dieser weggeneigt sind (Morphologie II, S. 373), findet bei 
den Experimenten sein Seitenstück in den vorwärts und rückwärts ge- 
neigten Schubflächen, sowie in vorwärts und rückwärts umgelegten, 
also überschobenen und unterschobenen Falten. Nach den vorliegenden 
Versuchen zu urteilen, scheint die Beschaffenheit des zusammen- 
geprefsten Materials in dieser Hinsicht eine gewisse Rolle zu spielen; 
mit Sand experimentierend, erhielt Forchheimer Überschübe, Willis 
erhielt mit weichen Massen vornehmlich Unterschübe. Weiter dürfte 
das Höhenverhältnis zwischen dem Stempel und dem aufgeprefsten 
Material eine wichtige Rolle spielen, sobald letztes über jenen hinaus 
wächst, fällt es regelmäfsig rückwärts über. Auch die Neigung der 
Druckfläche zur Druckrichtung scheint nicht belanglos zu sein. Bei 
einem Versuch Forchheimer's, bei welchem die Druckfläche unter den 
zu komprimierenden Sand einfiel, entwickelten sich Anzeichen einer 
Unterschiebung (a. a. O. 1883, Abbild. 18). Hier bietet sich noch ein 
weites Feld für Experimente, durch welche auch der Einflufs festzu- 
stellen bleibt, den eine schräg zur Druckrichtung streichende Druck- 
fläche auf die Kompression ausübt. 

Nach einer Richtung aber bleibt ein grofser Unterschied zwischen 
den Experimenten und der Natur. Bei den künstlichen Versuchen 
befindet man sich auf einer Horizontalebene; meist wird die Ober- 
fläche der zu faltenden Schichten horizontal angenommen, und in der 
Horizontalen wirkt der Zusammenschub. In Wirklichkeit spielen sich 
die Faltungsvorgänge in einer Kugelschale ab, und das mufs zu be- 
stimmten Abweichungen von den Experimenten führen. Eine Eigentüm- 
lichkeit der Faltung der Erdkruste hängt sichtlich mit der Kugelgestalt 
der Erdoberfläche zusammen, nämlich der bogenförmige Verlauf ihrer 
Zonen. Ich habe in einer Tabelle (Morphologie II, S. 405) einschlägige 
Daten zusammengestellt, aus denen ersichtlich wird, dafs zahlreiche 
grofse Faltungsgebirge ziemlich genau Kreisbögen beschreiben; dies 
würde auf ebene Druckflächen weisen, welche zur Erdoberfläche geneigt 
sind, letztere also in Kreisen schneiden und Kalotten der Kugel be- 
grenzen. Die Entstehung solcher Druckflächen könne man sich nach 
den Experimenten von Willis als Folgen von Druck in der Schale 



190 A. Penck: Geomorphologische Probleme aus Nordwest- Schottland. 

vorstellen; sie wären zu vergleichen mit den ersten Schubflächen in 
zusammengeprefsten Materialien. 

Wir wurden zur vorstehenden Untersuchung über die Anwendbarkeit 
von Experimenten zur Erklärung von Faltungsvorgängen durch die 
grofsen schottischen Überschiebungen geführt, welche, wie wir erkannten, 
von den alpinen gänzlich abweichen. Eine vergleichend geographische 
Betrachtungsweise trägt zur Aufhellung des Problems nicht viel bei, 
da nur wenige Stellen der Erdoberfläche so genau bekannt sind, um 
zum Vergleich herangezogen werden zu können. Wir mufsten daher 
die Ergebnisse experimenteller Forschung zu Rate ziehen. Wir er- 
kannten die Möglichkeit, sie zu verwerten, und verglichen nunmehr 
die Umstände, unter welchen die Versuche angestellt wurden mit der. 
natürlichen Verhältnissen. Das Ergebnis berechtigt uns, den schottischen 
Überschiebungen einen bestimmten Platz im Gebäude eines Faltungs- 
gebirges anzuweisen. Wir können sie als Sohlenschübe eines Gebirges 
deuten; die Falten sind bis auf einen dünnen Schleier abgetragen, in 
dessen Lücken man auf die Sohle herabsieht. Die Verschiedenheit 
im Aufbau von Nord-Schottland und den Alpen führt sich hiernach 
darauf zurück, dafs wir zwei verschiedene Glieder der Denudationsreihe 
von Faltungsgebirgen vor uns haben. Das ältere Gebirge, das schon vor 
der Devonperiode gefaltet war, ist tiefer abgetragen, als das jüngere, erst 
nach der Miocänepoche vollendete. Nur in diesem Sinn vermögen 
wir Marcel Bertrand beizupflichten, wenn er in seinem Bericht über 
die schottischen Gebirge (Revue gdnelrale des Sciences pures et ap- 
plique'es. Nr. 23, 15 ddc. 1892) den Gegensatz zwischen beiden Ge- 
birgen auf die Verschiedenheiten ihres Alters zurückführt. 

Die Würdigung der Einzelheiten und grofsen Züge im Aufbau 
Nord-Schottlands führte uns zur Erörterung zweier geomorphologischer 
Probleme, nämlich der Verschüttung, und des ungleich wichtigeren, 
der Struktur von Gebirgen. Das Alter der einschlägigen Phänomene 
verlieh der Betrachtung besonderen Reiz, wir lernten ein vorpaläo- 
zoisches Land und ein uraltes Faltengebirge kennen, das bis auf seine 
Sohle hinab entblöfst ist. Beides geschah an der Hand der Ent- 
deckungen der schottischen Geologen, denen vorbehalten war, das 
grofse Geheimnis der Hochlande zu lösen. Dies verdient besondere 
Hervorhebung; denn wenn auch der vom Atlantik bespülte äufserste 
Norden Grofsbritanniens gröfsere Aufschlüsse über die Struktur der 
Erdkunde darbietet, als sonst, wenn namentlich die Natur diese Auf- 
schlüsse nicht wie so häufig unter einem freundlichen Pflanzenkleid oder 
massenhaften Gebirgsschutt verhüllte, so bedurfte es doch anhaltender 
Arbeit, um diese Aufschlüsse erkennen zu lernen. So grofsartig das 



K. Kretschmer: Die Katalanische Weltkarte der Bibl. Estense zu Modena. 29] 

ist, was die Natur Nordwest-Schottlands offenbart, so grofsartig auch 
das, was hier geleistet wurde,' um sie zu verstehen. Jedes Flecklein 
Erde ist einzeln abgegangen, bis in die kleinsten Einzelheiten sind 
die Lagerungsverhältnisse festgestellt, sodafs sich deren Deutung auf 
einen wirklich erschöpfenden Beobachtungsschatz stützt. Die Auf- 
nahmen der Hochlands-Geologen sind ein unverwelkliches Ruhmes- 
blatt in der Geschichte der Geologie jenes Landes, das einen Hutton 
und einen Pflayfair, einen Lyell und einen Murchison der Erdkunde 
gegeben. Möchte diese grofse schöne Leistung recht bald gekrönt 
erscheinen durch eine eingehende Beschreibung und die Drucklegung 
der bisher nur in Handkolorit herausgegebenen geologischen Karten 
des Gebiets! 



Die Katalanische Weltkarte der Biblioteca Estense 
zu Modena 1 ). 

Von Dr. Konrad Kretschmer. 
(Schluß.) 

Die südöstliche Ecke des asiatischen Kontinents, dem wir uns 
nunmehr zuwenden wollen, bildet das Reich Catay 8 ). Abgesehen von 
der Küstenlinie stimmt unsere Karte mit der Pariser hinsichtlich des 
Plufssystems und der namhaft gemachten Ortschaften meist überein, 
wie ein Blick auf beide Karten lehrt. Von der nördlichen Gebirgs- 
umwallung geht ein Strom aus, der sich mehrfach teilt und mit sechs 
Mündungen in das Meer geht. 

Die durch Stadtvignetten bezeichneten Ortschaften sind: 

Cincalam. Auf der Par. K.: Cincalan. Lelewel (Portulan general 
S. 26) giebt keine brauchbare Erklärung des Namens. H. Yule (Marco 
Polo II, 220) identifiziert es mit Kanton. Es ist das Censcalan des 
Odorico da Pordenone, das Cynkalan des Marignolli und Sinkalan des 
Ibn Batutah (Yule, Cathay I, 105). 

Fogo. Vgl. weiter unten Fugia. 

Zaytom. P.K.: Zayton. Der von Odorico (c. 30) und Marco Polo 
ausführlich beschriebene (II, c. 82) Hafen von Manzi, dessen Lage 
freilich strittig ist. Buchon und Tastu setzen es mit Canton gleich; 
Douglas mit Tschang-Tschou; H. Yule (Polo II, 219fr.) mit Tschüan- 
Tschou (Tswan-Chau). 

Aociam (auch (P.K.) = Vochan, die Hauptstadt der Provinz Zar- 

1 ) Den Anfang der Abhandlung s. S. 65. 

2 ) Das Land Cathay der Pariser Karte behandelte H. Cordier, L'Extreme 
Orient dans 1' Atlas Catalan de Charles V., im Bulletin de Geogr. Historique et 

Descript. 1895, S. 19 — 63. 



192 



K. Kretschmer: 



dandan, nach Yule (Polo II, 73) jetzt Yung-chang-fu. — Calaja (P.K. 
Calajan), bei Marco Polo (II, 48) Caräjan, nach Yule (II, 53) Yunnan 
mit der Hauptstadt Yachi. — Vngi, vielleicht indentisch mit dem 
Cingui der Pariser Karte, dem Cuju Marco Polo's (II, c. 79), nach 
Pauthier und Cordier = Tschu-tschou-fu. — Soarsian (P.K.: Siarsiau); 
ob hier Polo's Chanshan (bei Pauthier Ciancian) (II, c. 79) zu verstehen 
ist, wie Cordier S. 43 annimmt, ist sehr fraglich 1 — Vellifi (P.K.: Ven- 
lifu), vielleicht = Kelinfu Polo's (II, c. 80), nach Yule (II, 209) = 
Kienning-fu. — Caxum; vgl. Cordier S. 36. 

Fugia (P.K.: Fugio; Fra Mauro: Fogin und Fugui) = Fu-tschou. 
Sehr wahrscheinlich, wie auch schon H. Yule annahm, identisch mit 
dem oben genannten Fogo. Fra Mauro sagt von ihr: sta nobel citade 
Fuzui volta mia 60. ne la quäl son circa 6000 ponti e solo de chadauno 
poria passar una over do Gallie. Vgl. ferner den Bericht M. Polo's 
(II, 81) und die Noten von Yule (II, 2 14 f.), sowie den Bericht Odo- 
rico's c. 31 (Yule, Cathay I, 109). 

Canxu, der Lage nach die ciuta de cingu der P.K. = Lin- 
Tsingtschou (Cordier S. 53). 

Weiter landeinwärts liegen P e rb a 1 o c h (P. K. : Perbalech). C ay am f u 
(P.K.: Chachanfu). Bei Fra Mauro: Chacianfu. 

Ciuitas Cambalech, die Hauptstadt von Cathay (Peking), ist 
durch eine längere Legende ausgezeichnet, die im wesentlichen mit 
jener der Pariser Karte übereinstimmt: 

27. Sapian que costa la ciutat Wisset, dafs neben der Stadt Cam- 

de cambalec auia vna ciutat \ anti- balech sich in alter Zeit eine Stadt 

befand, welche den Namen garibalu 
hatte, und der Grofschan ermittelte 
aus der Astrologie, dafs diese Stadt 
sich gegen ihn empören würde; und 
er liefs sie zerstören und liefs er- 
richten diese Stadt Cambalech. Es 
ist dort ein Flufs, der mitten hindurch- 
fliefst; es hat die Stadt einen Umfang 
von 24 Leguas ; sie ist mit sehr starken 
Mauern umgeben und wie ein Quadrat 
(gestaltet). Jede Viereckseite hat sechs 
Leguas Ausdehnung, und die Mauer 
hat an Höhe 20 Fufs und an Dicke 
10 Fufs, und es sind 12 Thore im 
mittleren Teil. Diese Stadt hat einen 
grofsen Palast mit einem Turm und 
einer Glocke, welche sind 



gament que auia nom garibalu e 
lo gran cha troba per astrologia \ 
que aquesta ciutat se deuia rabel- 
lar contra eil axi que | feu la 
dezebitar e feu fer aquesta ciutat 
de cam\balech e ay vn flum qui 
passa per lo mige uogi la ciutat 
XXI1II leguas \ e molt ben mu- 
rada e as cayra \ a castun cayra 
uogi VI leguas e dalt lo mur \ vint 
pases e X de gros e a XII portes 
in lo mig loch \ aquesta ciutat a 
vn gran palau ab vna \ tora ab 
vn seny qui son al pniso (?) | con 
asonat nogosa nangun ana per la 
uilla an castuna porta \ guardan 
M homens per honor. 



Die Katalanische Weltkarte der Biblioteca Estense zu Modena. 193 

Wenn sie ertönt, wagt niemand mehr 
durch die Stadt zu gehen. An jedem 
Thor ist eine Ehrenwache von iooo 
Mann. 
Die Quelle für diese Beschreibung bildet selbstverständlich Marco 
Polo; sie giebt im allgemeinen den Inhalt des n. Kapitels des IL Buches 
wieder, welches fast wörtlich excerpiert ist. Die Parallelstellen, die in 
der obigen Legende wiederkehren, lauten bei Polo: „An dieser Stelle 
existierte in alten Zeiten eine grofse und ansehnliche Stadt Cambaluc, 
was in unserer Sprache Stadt des Chan bedeutet. Aber der Grofs- 
chan war durch Astrologen unterrichtet worden, dafs diese Stadt zu 
rebellieren versuchen würde und gegen seine kaiserliche Autorität Un- 
ruhen hervorrufen wollte. Er liefs deshalb dicht neben der alten Stadt 
die gegenwärtige Stadt bauen, durch nur einen Flufs von jener ge- 
trennt. Und er veranlasste das Volk der Altstadt, nach der Neustadt, 
die er gegründet, überzusiedeln; und diese wird Taidu genannt". 
„Was die Gröfse dieser Stadt anbetrifft, so müfst ihr wissen, dafs sie 
einen Umfang von 24 Meilen hat, jede Seite hat sechs Meilen Länge, 
denn sie bildet ein Viereck. Sie ist ringsherum von Erdwällen um- 
geben, welche eine Stärke von vollen 10 Schritt am Boden haben und 
eine Höhe von mehr als 10 Schritt". „Es sind 12 Thore darin". „In 
der Mitte der Stadt ist eine grofse Glocke, welche abends geläutet 
wird. Und wenn sie dreimal geläutet, darf niemand mehr aus der 
Stadt gehen". „Die Wache, welche an jedem Thor der Stadt aufge- 
stellt ist, ist 1000 Mann stark". 

Die ältere Stadt mit dem Namen Yenking war nach Yule ein 
vielgenannter Platz in den Kriegen mit Dschingischan. Im Jahr 1264 
ersah es Kublaikan als seine Residenz und gründete die neue Stadt 
Tatu, von den Mongolen genannt Taidu, ein Stück nordöstlich von 
Alt- Yenking. Der Flufs zwischen Alt- und Neustadt mufs der Yu ge- 
wesen sein, der noch heute durch die moderne Tatarenstadt von 
Peking fliefst (Yule I, S. 363). In unserer Legende wird die ältere Stadt 
Garibalu genannt (P.K.: Guaribalu). Es ist Garibalu augenscheinlich 
nur eine verderbte Form für Cambalech oder, wie Marco Polo und 
andere meist schreiben, Cambaluc, und wesentlich auf eine falsche 
Lesung einer handschriftlichen Quelle zurückzuführen. 

In südwestlicher Richtung von Cambalech liegt Canyociuitass(I) 
= (Kanchau). Auf der Pariser Karte Chancio. Vermutlich das Cam- 
pichu Polo's (Yule I, 222); der Stadt ist ebenfalls eine längere Legende 
beigefügt : 

28. Canyo. asi nexen gens forts Canyo. Hier werden sehr kleine 

patits que noan mes \ de sinch Menschen geboren, welche nur ftlnf 



]<J4 K. Kretschmer; 

palms dalt jaisia que eis sien pa- Palmen hoch sind. Wenn sie auch 
tits e flacs | per afer coses forts klein und schwächlich sind, um grofse 
mes son forts ataxir draps \ dor Dinge auszuführen, so sind sie doch 
e fer coses de fembres per algunes tüchtig, um Gold-Stoffe zu weben und 
rasiiasionsQ) \ aquests son apellats Frauenarbeiten zu verrichten für man- 
pignei qut's conbaten \ ab /es gruas cherlei Zwecke. Diese werden Pyg- 
en pero diuse que aqucsts tals \ en- mäen genannt; sie kämpfen gegen 
gendren el quart an bona pro- Kraniche. Aber man sagt, dafs diese 
sperüat \ e viven de les grues e im vierten Jahr altern in grofser 
son sola \ la senyoria del gran ca Glückseligkeit. Sie leben von Kra- 
del catay. nichen und stehen unter der Herr- 

schaft des Grofschans von Catay. 
Inhaltlich übereinstimmend findet sich dieselbe Legende noch auf 
der Pariser Karte, wo die Pygmäen auch figürlich dargestellt sind, wie 
sie sich gegen herabstofsende Kraniche verteidigen. Auch die Genue- 
sische Weltkarte zeigt dasselbe Bild der Pygmäen, die hier mit dem 
Volk Gog gleichgestellt werden: Isti sunt ex Gog generatione qui cubitus 
altitudinem non excedunt, anni aetatis nonum non attingunt et continue a 
gruibus infesiantur. Wichtig ist ferner, dafs die von Th. Fischer citierte 
Kosmographie auch hier wieder auffallende Übereinstimmung mit unserer 
Karte zeigt, die auf gemeinsame Quellen hinweist: In partibus istis 
finit terra de Calaio, in qua oriuntur homines altitudinis quinque palmarum 
et quamvis sint parvi et non apti ad faciendum res graves, tarnen sunt valde 
apti ad texendum pannos septe . ... et in aliquibus istoriis vocantur pigmei. 
aliqui dicunt quod sunt homines qui iam quarto anno senescunt, sed non sie 
est immo in quarto deeimo geminant usque ad quadraginta annos vivunt ei 
bellantur cum gruis valentissimis et a quibus se deßendunt(\) et capientes ipsos 
comedunt. Kleine Differenzen hinsichtlich der Gröfse und des Alters 
der Pygmäen finden sich meistens, wo auf den Karten dieses Fabel- 
volkes gedacht wird, ebenso wie auch ihr Wohnort an verschiedenen 
Stellen der Erde gesucht wird. Die Ebstorfer Weltkarte versetzt sie 
auf zwei Inseln im nördlichen Ocean, Viarcis und Bridinno. In quibus 
insulis sunt homines tarn pusilli slatura, ut ad maiorem cubitum vix per- 
veniant .... Hislriones t plumarii fabrique ac aurifices ex his plurimi fiunt. 
Hos vulgus phanos vocant .... Avium ibi immensa copia .... Cum gruibus 
proelia committunt et victores non essent, nisi cum sagitlis pugnassent. Diese 
Notiz der Karte geht auf die Kosmographie des Aethicus zurück, wo 
sie fast wörtlich sich schon findet 1 ). Auch die Karte Walsperger's ver- 
setzt die Pygmäen in den Norden, in die Nähe der Rhipäen: pigmei 
pugnanles cum gruibus. 



*) Aethicus ed. H. Wuttke 1853. cap. 34 und S. XLIII. 



Die Katalanische Weltkarte der Biblioteca Estense zu Modena. 195 

Andere suchten sie nach dem Vorgang von Plinius (VI, 70) und 
Isidor (II, 3, 26) in Indien. Hier finden wir sie auf der Karte Lamberts 
und Ranulfs und der Hereford-Karte. Selbst auf der Balkan-Halbinsel 
wurden sie vermutet, wie die Hieronymus-Karte zeigt: Pigmei cum 
gruibus pugnant. Ihre Kämpfe mit Kranichen sind für sie typisch ge- 
worden, und diese Sage reicht bis in das graueste Altertum zurück; denn 
bereits Homer thut ihrer Erwähnung (11. III, 5), der ihren Wohnort an 
den südlichen Ocean verlegt. — 

Dicht neben Canyo ist Caracora (Karakorum) verzeichnet, die 
durch Piano Carpini, Rubruquis und Marco Polo (I, 46) dem Abend- 
land bekannter gewordene Uiguren-Stadt, die im 8. Jahrhundert von 
Bukukan am Oberlaufe des Orkhon begründet wurde. 

Unmittelbar darüber ist neben einem thronenden Mongolen-Chan 
die Legende gesetzt: 

29. Aquest princeps es maior Dieser Fürst ist Herr der Tataren, 

dels tartres \ a nom olubein que er heifst Olubein, was Grofschan be- 
uol dir gran cha \ e a que st en- deutet, und dieser Kaiser ist gröfser 
perador e molt pus rieh \ de tots als alle anderen Kaiser der ganzen 
los altres enperados de tot lo Welt. Diesen Kaiser bewachen 1000 
mon | aquest enperador' guardan Reiter, und vier Hauptleute befinden 
M c aualer s \ e a quatra capitans sich an seinem Hof, je drei Monate 
stan an sa cort \ per tres mesos lang mit ihrem ganzen Volksstamm, 
ab toia lur gent e eastuns dels und so jeder von den anderen der 
altres per orde Reihe nach. 

Auch diese Legende hat mit geringen Abweichungen schon die 
Pariser Karte. Sie schildert die Macht des Mongolen-Kaisers, dessen 
Herrschergewalt vom Ostrande der alten Welt bis an die Donau 
reichte, obgleich Caracorum nach der Schilderung Rubruk's nur ein 
ärmlicher Ort war, selbst geringer als das damalige St. Denis. — 

Die geographische Situation im Westen von Cathay ist auf unserer 
Karte sehr verworren dargestellt; viele Züge hat sie mit der Pariser 
gemeinsam. Problematisch ist der von Norden nach Süden fast gerad- 
linig laufende Flufs, der westlich von Caracorum einem Berglande ent- 
quillt. Auf der Pariser Karte wird er alsßnis Indiae bezeichnet; Lelewel 
vermutet in ihm den Mekong (!), der hier völlig ausgeschlossen ist. Da 
der verzeichnete Flufs auf der Pariser Karte in der Gegend mündet, 
wo der Name Bengala steht, so kann nur der Ganges gemeint sein. 

Die westlich von ihm verzeichneten Ortschaften sind wirr durch- 
einander geworfen. Marco Polo bildete auch hier die einzige Quelle 
für die Kartenzeichner. Die durch ihn erst bekannt gewordenen topo- 
graphischen Verhältnisse von Persien und einigen Landschaften des 
inneren Hoch-Asiens sind auf den katalanischen Karten wiedergegeben, 



196 K. Kretschmer: 

wo sich gerade Raum fand; und die von Marco Polo auf einem anderen 
Wege erreichten Landschaften des südwestlichsten China sind mit den 
vorhergenannten Ländern falsch kombiniert worden. Die Gegend um 
den Ganges ist deshalb die fragwürdigste Stelle in der ganzen Topo- 
graphie Asiens, wie sie die beiden katalanischen Karten, die Pariser 
und Modeneser bieten. Caracorum ist in die nächste Nähe des Ganges- 
Ursprunges verlegt, eine Stadt, die in der Wüste Gobi liegt; und die 
ciutat de Baldassia (Par. K.) oder Baldaia (Mod. K.), ein Ort des 
oberen Oxus-Gebiets, liegt auf der anderen Seite des Flusses, nicht 
allzu weit von Caracorum entfernt. Auf der Pariser Karte wird das 
Quellgebirge des Ganges sogar als monts de Baldasia bezeichnet. 

Der Ort Baldaia oder Baldacia auf unserer Karte ist identisch 
mit dem von Marco Polo (I, 29) genannten muhammedanischen Reich, 
welches in den Polo-Handschriften in verschiedener Namenform ge- 
geben ist als Badascian (Yule: Badashan), Balacian und Balakhshan. 
Hayton von Armenien nennt es Balaxcen, die Pariser Karte Baldassia 
und Baldasia. Der Name ist auf den im Mittelalter hochgeschätzten 
Edelstein, den Rubin, übertragen worden. Schon Ibn Batutah sagt: 
„Die Berge von Badakhshan haben ihren Namen dem Badakhshi-Rubin 
gegeben, welcher gewöhnlich Äl-Balaksh genannt wird" 1 ). Hierauf 
nimmt auch die zugehörige Legende unserer Karte Bezug: 

30. La ciutat de baldacia la Die Stadt Baldacia, welche be- 

qual es \ pus nobla en mercaderia deutender ist im Handelsverkehr als 
que | ciutat del mon de la quäl irgend eine Stadt der Welt. Von ihr 
venan gran multitut de pedres kommen grofse Mengen von Edel- 
fines | e daltres \ nobles \ coses. steinen und anderen wertvollen 

Dingen. 

Badakhshan war das wichtigste Produktionsland des Lasursteines 
(lapis lazuli), aus dem früher allein das echte Ultramarin erzeugt werden 
konnte, und des Rubinen, der im Abendlande deshalb auch vielfach 
als rubis balais, italienisch balascio, lateinisch balassius bezeichnet worden 
ist. Auf einer Karte des 16. Jahrhunderts im Museo Civio in Venedig 
heifst es von jenem Lande: Qui si tronano li veri balasi. Der Balascio 
war eine Art Spinell von rosenroter Farbe, der in Härte und Glanz 
unter dem eigentlichen Rubin stand. 

Weiter südlich liegt Caracoam, auf der Pariser Karte Carachoiant. 
Buchon und Tastu stellten es mit Caracorum gleich, was wohl irrig 
ist, da letzteres an anderer Stelle schon verzeichnet ist. 

Auch Ballazia, auf der Pariser Karte Baicia genannt (nicht Bassia), 



l ) Yule, Polo I, 169. Ausführlicheres über die Edelsteine jenes Landes bei 
W. Heyd, Gesch. des Levante-Handels 1879, I » 58* ff. 



Die Katalanische Weltkarte der Biblioteca Estense zu Modena. 



197 



ist ohne jede Kenntnis der topographischen Situation wiedergegeben, 
da augenscheinlich Balkh gemeint ist, dessen Namen den Karten- 
zeichnern wohl nur aus Marco Polo (I, c. 27) bekannt geworden ist. 
Zwei kürzere Legenden vom König Chabech von Medien und 
König Steve (Stephan) der Pariser Karte fehlen auf der unsrigen. Da- 
gegen findet sich auf dieser eine andere Legende, vom König von 
Delli, welche auf der Pariser Karte nur stark abgekürzt gegeben ist. 
31. Aquest prouincia Senyora- Diese Provinz regiert der König 

iana lo rey dari \ Senyor de Iota von Deli, Herrscher im ganzen 

Lande. Dieser ist ein sehr grofser 
und mächtiger Sultan und besitzt 
1700 Elephanten und so viel Diener- 
schaft hunderttausend Mann 

zu Pferde und Fufsvolk ohne Zahl. 
Aus diesen Gebieten kommen viele 
Edelsteine und andere wertvolle 
Dinge. Die Männer und Frauen . . . 



Wisset, dafs ihr Geld von Papier ist. 
In dieser Weise sammelt der Herr- 
scher den Tribut (Schatz) ein. 



prouincia aquest es molt gran \ e 
poderos solda e senyo mia DCC 
orifanys j tois domestichs que 
quant ba ha ost(\ ?) contra los ara- 
michs e sent millia homens a cauall 
e pahons sens nombre de aquestes 
partides venan molies pedres fines 
e altres nobles cosses los homens e 
les dones .... os cur an de lurs 
homaments dor fino de aquestas \ 
portolanes (I?) blanques e pater 
noster de coral \ sapian que lur 
moneda e de pap per aquella via 
lo senyor racul lo tsor 

Die Legende ist nicht in allen Teilen mehr lesbar, sodafs ich 
eine vollständige Übersetzung nicht zu geben wage. Sie ist uns leider 
auch anderswo nicht belegt, mit Ausnahme der Pariser Karte, welche 
den Anfang und die Notiz von den Edelsteinen giebt. Auch in der 
Reiseliteratur habe ich eine entsprechende Mitteilung von den Amu- 
letten, die Männer und Frauen tragen, nicht gefunden; selbst der 
Genuesische Kodex bringt darüber nichts. Nur die Verwendung von 
Papiergeld wird von Nicolo Conti in seiner Beschreibung Indiens 

erwähnt : Quaedam regiones monetam non hdbent Alibi cartae 

nomine regis inscriptae expenduntur. 

Über der Kartusche mit dem Namen „Assia" lesen wir: 
32. Aquesta regio dorient es Diese Gegend des Ostens wird 

apellada \ tarsia del la quäl is- Tarsia genannt. Von dort zogen die 

drei Könige des Morgenlandes aus, 
um Jesum Christum anzubeten zu 
Bethlehem im jüdischen Lande, 
erweiterter Fassung findet sich diese 
Legende auf der Pariser Karte, während die Florentiner sich enger an 
unseren Text anschliefst. Das Land Tarsia, welches weiter westlich noch 



queran los tres \ reys dorient per 
anar adorar Iesum christum an 
betlem terra juda 

In etwas veränderter und 



198 K - Kretschmer: 

einmal verzeichnet ist, ist Öst-Turkestan. Der drei Weisen aus dem 
Morgenlande wird auf Karten und in Reiseberichten mehrfach gedacht, 
wenn auch ihre Königreiche an sehr verschiedenen Orten der Erde ge- 
sucht wurden. Marco Polo (I, c. 13. 14) berichtet sehr ausführlich über 
sie und sucht ihre Residenzstädte im westlichen Persien, in Saba, Ava 
und dem Schlofs der Feueranbeter. Odorico von Pordenone nennt die 
Stadt Cassan, im mittleren Persien gelegen. Marignolli läfst sie weit 
aus dem Osten, aus dem Malayischen Archipel, kommen, und auch die 
Walsperger- Karte verzeichnet einen der Könige am östlichen Rande der 
Erdinsel. Hayton von Armenien glaubte ihren ehemaligen Sitz in Tarsis 
gefunden zu haben, und wie die katalanischen Karten, so versetzt auch 
Fra Mauro sie dorthin: Regno Tharse del quäl vene hi Magt 1 ). 

Neben dem Herrscher von Delli thront der König von Tauris 
(Rey Tauris). Tabris oder, wie nach Abulfeda gesprochen wurde, 
Tauris war die Hauptstadt von Aderbeidschan , welche auch Marco 
Polo berührt und ausführlich beschrieben (I, c. n) hat. Es war schon 
zu seiner Zeit ein wichtiger Handelsort; seine Bedeutung stieg aber, 
als der Mongolen-Chan Hulagu dem Chalifat Bagdad eine Ende gemacht 
hatte. Tauris überflügelte bald das weit bedeutendere Bagdad, umso- 
mehr, als es von den Mongolen zur Metropole des Westreichs erhoben 
war 2 ). 

Etwas verworren ist die Hydrographie der Mesopotamischen Land- 
schaft. Hier ist zunächst ein aus zwei Seen hervorgehender Flufs ver- 
zeichnet, der in den Persischen Golf mündet. Weiter westlich sind 
parallel laufend der Euphrat und Tigris zu finden, die im Norden dem 
Armenischen Bergland (Erminia maior) entquellen. Die Zeichnung 
stimmt mit jener der Pariser Karte vollkommen überein, auf welcher 
die beiden Seen als Mar d'Argis (See von Van) und Mar de Marga 
(Urumia-See) bezeichnet werden. Yule vermutet, dafs hier nur eine irr- 
tümliche Kombination der beiden Zabs und anderer Rinnsale östlich 
vom Tigris vorliege. 

Am Tigris ist das in Trümmern liegende Ninive verzeichnet mit 
der Notiz: 

33. Aquest du tat es apella\ Diese Stadt heifst Ninive, welche 

da niniue lo \ quäl es destroide zerstört und entvölkert worden ist 
e desebitade per lo \ seu peccal. wegen ihrer Sünden. 

Weiter unterhalb wird ciuitas Baldach genannt, doch so ge- 



l ) Über die drei Magier und deren legendarische Namen: Caspar, Melchior 
und Balthasar vgl. meine Arbeit über die Walsperger-Karte in: Zeitschr. Ges. Erdk. 
Berlin, XXVI, 1891, S. 25 f. Ferner Yule, Cathay I, 51 und Polo I, 8^. 

2 ) Ausführlicheres bei Heyd, Gesch. des Levantehandels II, 82 ff., 108 ff. 



Die Katalanische Weltkarte der Biblioteca Estense zu Modena. 199 

schrieben, dafs man den Namen auf eine am Euphrat liegende Stadt 
beziehen könnte. 

34. Asi fo babi\lonia la gran | Hier war Babilon, das Grofse, wo 

hon staua nabuga\denasor la Nebukadnezar residierte, und welches 

quäl es apellada \ ciuitat de dal- (jetzt) Baldac genannt wird. Wifset, 

dac sapian que | en sta ciuitat se dafs man nach dieser Stadt viele gute 

aporta molta \ bona spesiaria e Spezereien und viele andere Wohlge- 

moltris altris \ odors les quals rüche bringt, welche von Indien kom- 

venan de les \ indies e pujs ses men und dann über Land geführt 

campen \ en la suria terra juda. werden nach Syrien in das jüdische 

Gebiet. 

Auf der Pariser Karte lautet die Legende ähnlich, nur dafs dort 
als Endpunkt die Stadt Damaskus bezeichnet wird. Die Stadt Baldach 
oder Bagdad, welche Marco Polo auch Baudas nennt, war noch zu 
seiner Zeit ein grofser Handelsmittelpunkt, wenn sie auch von anderen 
Orten schon überflügelt war. Er hebt besonders die Verbindung mit 
Indien hervor. „Ein sehr grofser Flufs fliefst durch die Stadt, und auf 
diesem kann man nach dem Indischen Meer gelangen. Auf diesem 
Wege herrscht ein lebhafter Verkehr seitens der Kaufleute mit ihren 
Waren. Sie fahren einige 18 Tage von Baudas stromabwärts und 
erreichen das Indische Meer bei der Stadt Kisi" (I, c. 6). — 

An der Küste des Meeres liegt die Stadt Cesi, was ohne Zweifel 
identisch ist mit jenem Polo'schen Kisi. Über die irrige Angabe der 
Lage dieser Stadt durch Polo sind die Ausführungen Yule's heranzu- 
ziehen (Polo I, 66). Kisi ist die Stadt und Insel an der südpersischen 
Küste, 200 Seemeilen westlich der Strafse von Ormus, und lange Zeit 
ein wichtiger Verkehrsplatz nach Indien hin gewesen. 

In der Gegend Armeniens ist der Mons hararat (Ararat) verzeichnet 
und auf seinem Gipfel die Arche Noae (larca de noej. Dieselbe ist 
auf den Karten mehrfach zu finden, weil man glaubte, dafs sie noch 
auf dem Berge existierte. So berichtete schon Marco Polo (I, c. 3). 
Dieser Glauben konnte sich so lange erhalten, weil der Berg für uner- 
steigbar galt. Der Reisende Rubruk (XIII Jahrh.) wufste zu berichten, 
dafs die Mönche in dem nahen Kloster des Ararat ein Stück Holz von 
der Arche als Reliquie bewahrten, welches ihnen durch einen Engel 
tiberbracht sei, da kein profaner Mensch den Ort betreten dürfe. Auch 
Odorico von Pordenone hatte den Berg aufgesucht. „Ich hätte ihn 
gern bestiegen, wenn meine Reisegesellschaft mich darin unterstützt 
hätte. Die Leute sagten zwar, dafs, wenn ich es auch wollte, ich den 
Gipfel doch nicht erreichen würde, da es nicht nach dem Ratschlufs 
Gottes sei". — 



200 K. Kretschmer: 

Im Persischen Meerbusen lesen wir: 

35. Denan t la boqua del flum Vor der Mündung des Flusses von 
de baldac \ mar de les indies e de Baldach, im Meer von Indien und 
persia en sta mar \ son pesqua- Persien, fischt man Perlen, welche 
des per/es les quals se apportan nach der Stadt Baldach gebracht 
en la ciutat de baidach e puys se werden, und dann werden sie über 
acampam (!) an la terra de suria. Land nach dem Syrischen Gebiet ge- 
führt. 

In abgekürzter Form berichtet dasselbe die Pariser Karte, doch 
enthält diese, wie die Florentiner Karte, an anderer Stelle weitere 
Bemerkungen über die Art der Perlenfischerei und die Vorsichtsmafs- 
regeln des Fischers 1 ). — 

In Syrien und Palästina ist der Jordan mit den Quellflüssen ver- 
zeichnet, von denen nach mittelalterlicher Annahme (Isidor) der eine 
Jor, der andere Dan hiefse. Auch die beiden Seen, Merom und Tibe- 
rias, sind gegeben und das Mtindungsbecken, das Tote Meer, dort mar 
gomora genannt. Weiter westlich ist Jerusalem als sanf sepulcra (das 
heilige Grab) verzeichnet, und im Norden (auf dem Libanon liegend (!) 
ähnlich wie auf der Pariser Karte: Damas (Damaskus). Das östliche 
Jordan-Land ist durch einen meridionalen Gebirgsrücken charakterisiert, 
dem einige der Bibel entlehnte Namen beigefügt sind. 

Mons hermon. 

Zanir, auf der Pariser Sanir, auf der Neapler Karte canir (!). 
Der Name Zanir, Sanir ist identisch mit dem 5. Mos. 3, 9 genannten 
Semir und Sirion und dem ebenda 4, 48 genannten Sion. Darnach 
sind Hermon und Senir gleichbedeutend: „bis an den Berg Hermon, 
welchen die Sidonier Sirion heifsen, aber die Amoriter heifsen ihn 
Senir". 

Gilat, Pariser Karte: Gilad, Neapler Karte: gilhat. 

Tabor. 

Nebo, eine Spitze des Pisga-Gebirges im Ost- Jordan-Lande (Deut. 

32, 49; 34, 1). 

Rubeo, der südliche Teil des Ost- Jordan-Landes war nach Josua 
dem Stamme Rüben zuerkannt. 

Im Süden des Toten Meeres ist der Sinai mit dem Katharinen- 
Kloster dargestellt, ähnlich wie auf der Pariser Karte, — und der nörd- 
lichste Zipfel des Roten Meeres ist wie auf allen Karten des Mittel- 
alters durch einen Strafsenzug ausgezeichnet, welchen die Juden bei 
ihrem Auszuge aus Ägypten passierten: 

36. Per aquest pas \ pasaian Auf dieser Strafse gingen die 

l ) Über die Perlenfischerei im Persischen Golf vgl. He yd a. a. O. S. 630 f. 



Die Katalanische Weltkarte der Biblioteca Esten se zu Modena. 201 

los fils | de iracil com \ isqueran Kinder Israel , als sie aus Ägypten 

degipta entwichen, (durch das Rote Meer). 
Vom Namen des Roten Meeres heifst es: 

37. Aquesta mar es \ apellada Dieses Meer wird das Rote Meer 
la mar \ roga sapian \ que la mar genannt. Wifset, dafs das Meer nicht 
no | hes roga \ mas lo fons \ es rot ist, sondern der Boden ist von 
aquella \ color. dieser Farbe. 

Diese Deutung des Namens geht auf antike Interpreten zurück 
und wurde durch Isidor (Etym. XIII, 17, 2) auch in die christliche Kos- 
mographie eingeführt. Wörtlich nach diesem giebt sie die Ebstorfer 
Weltkarte und viele andere. 

In Arabien {Provincia Arabid) sind mehrere Städtevignetten ge- 
geben, unter denen die ciuitas Meca besonders ausgezeichnet ist; die 
zugehörige Legende der Pariser Karte fehlt hier. 

Dagegen heifst es von Aden: 

38. En la antrada dela mar Am Eingang des Roten Meeres 
roga a vn castel \ lo quäl se apel- liegt ein Kastei, welches Adem heifst; 
la adem aqui prenan \ la desena hier nimmt man den Zehnten für die 
pari de les species les quals venan Waren, welche auf Schiffen von Indien 
| de les indies ab naus e puys kommen und dann von hier zur 
de aqui van an la ciuitat de cos. Stadt Cos gehen. 

In etwas veränderter Form hat auch die Florentiner Karte diese 
Legende, und in lateinischer Fassung bringt sie die Karte der Piziganis: 
Naves mercantibus Indie que descendunt in Addern dimillunt ibi decimam par- 
tem specierum pro pasagio poslea intrant in mare rubrum et descendunt in 
civitatem Chosseir et ibi exhonerant deinde deferunt species in Alexandriam. 
Auf der Pariser Karte findet sich nur der Schlufssatz der Notiz von 
Chos (Stadt am westlichen Ufer des Roten Meeres). 

In der Mitte der arabischen Halbinsel thront die Königin von 
Saba (reyna sabba). 

39. \ Provincia la quall \ tania Provinz, welche beherrscht die 
la reyna sabia \ ara es de sarains Königin von Saba. Jetzt gehört sie 
alarps t \ aquesta es la reyna qui Sarazenen und Arabern. Dies ist die 
vench a veura lo rey sa\lamo la Königin, welche zu sehen kam den 
quall li adire \ de grans dons König Salomo. Sie suchte ihn auf 
aquest fo\nch "Ja p . . . . la quäl mit grofsen Geschenken. Dieser 
se | volch lansar al riu a passar machte .... Jene wollte sich in den 
ere . . salamo dient \ que no hera Flufs stürzen, um zum König Salomo 
digna de pa'sar per la pont hinüberzuschwimmen. Man sagt, dafs 
per tanto com \ (lotanidort oram- sie sich nicht für würdig hielt, die 
bador ?) del pont aquell deuia ser- Brücke zu passieren, deshalb weil 
uir per lonore (?) de \ iesu christ jener Brücke 

Zeitschr. d. Ges. f. Erdk. Bd. XXXII. 1897. 14 



202 K. Kretschmer: 

aques ta \ terra es abundada \ de sollte dienen zur Ehre Jesu Christi. 

tots bens del mon in \ esta terra Dieses Land ist reich an allen Gütern 

se | fa un aucell gut sapella | der Welt. In diesem Lande findet 

finix sich ein Vogel, der Phönix heifst. 

Der Inhalt der fragmentarisch erhaltenen Legende ist uns in der 
christlichen und arabischen Legendenliteratur des Mittelalters nirgends 
belegt. Die vielfachen, fast wörtlichen Übereinstimmungen aber, die 
unsere Karte mit dem öfter genannten Codex der Universitätsbibliothek 
zu Genua zeigt, veranlafsten mich, diesen daraufhin prüfen zu lassen. 
Herr Ober-Bibliothekar Pagliacci hat in zuvorkommender Weise 
meinem Wunsch entsprochen, wofür ich ihm an dieser Stelle meinen 
verbindlichsten Dank abzustatten mir erlaube. — Die fragliche Stelle 
des Codex f. 4a lautet: Ab istis partibus venu regina Austri id est Sabba 
in Yerusalem , ut audiret sapientiam Sa/omonis, et veniendo reperuit (\)ßumen 
unum, super quo erat quoddam lignum loco pontis. Ipsa quod recognovit 
per spiritum sanctum prout super ipso ligno crucifigi debebat verus mesia, 
et tunc ipsum adoravit et uoluit super ipso transire in reverentia dicti mesie, 
ob quo posuit clamidem suam super aquam et super ea transivit dictum 
flumen. (Aus diesen Gebieten kam die Königin des Südens, d. i. von 
Saba, um die Weisheit Salomo's zu hören ; und auf ihrem Wege dort- 
hin fand sie einen Flufs, über welchen als Brücke ein Balken gelegt 
war. Weil sie selbst durch den heiligen Geist erkannte, dafs an diesem 
Holze der wahre Messias dereinst gekreuzigt werden sollte, betete 
sie es an und wollte aus Ehrfurcht vor dem genannten Messias es 
nicht überschreiten. Deshalb breitete sie ihren Mantel auf dem Wasser 
aus, und auf diesem überschritt sie besagten Flufs.). 

Nach Kenntnis des Inhalts der Legende wird es jetzt möglich sein, 
den katalanischen Text an der Hand der Originalkarte seinem Wort- 
laut nach besser zu ergänzen, als es mir seiner Zeit möglich war. 

Die Sage vom Vogel Phönix habe ich an anderer Stelle (Z. d. G. 
f. E. 1891, 387) schon ausführlich behandelt. 

Die nordöstliche Ecke Asiens wird nach der Küste, wie nach dem 
Inneren des Landes durch ein grofses Waldgebirge abgeschlossen. 
Von dem so abgegrenzten Lande und den Bergen heifst es: 

40. Montayes de caspis dins Die K aspischen Berge, in denen 

/es guals alaxandre viu \ arbres Alexander der Grofse Bäume sah, 

que /es saines tochaüe fins a/ce// dessen Wipfel bis zum Himmel reich- 

e aquicuida morir sino que sata- ten, und hier mufste er sterben, wenn 

nas /ogita . asi \ es goch e magoch nicht Satan (sein Leben) verlängerte. 

e ay diuerscs gener acions \ aue Hier wohnt Gog und Magog und 

non duptan de manjar tota carn verschiedene Völker, welche kein 



Die Katalanische Weltkarte der Biblioteca Estense zu Modena. 203 

crua | aquesta gencracio que vin- Bedenken tragen, rohes Fleisch zu 
dra antixsf e la lur fi sera fock. essen. Dieses Volk wird kommen 

mit dem Antichrist, 'und es wird 
schliefslich durch Feuer vernichtet 
werden. 

Hierzu gehört die Figur, die aufserhalb des Bergwalles angebracht 
ist, mit einer Doppelflöte im Munde und der Legende: 

41. Aquestas figures feu ala- Diese Figuren errichtete Alexander 

xandre \ de matal com vench an von Metall, als er in die kaspischen 

/es montays \ de caspis e feu arti- Berge kam, und er führte sie so 

fiosement qui sonaüe a tots dents kunstvoll aus, dafs sie mit allen 

en aquesta manera \ ancloch /es Zähnen knirschten. So schlofs er die 

/es genaractons gog e magog. Völker Gog und Magog ein. 

Die Prophezeiungen Hesekiel's und der Apokalypse vom Antichrist 
und den Völkern Gog und Magog hielten im Mittelalter die gläubigen 
Gemüter in Angst und Schrecken. Darnach (Apok. 20, 8) sollte „wenn 
tausend Jahre vollendet sind, der Satanas los werden aus seinem Ge- 
fängnis. Und wird ausgehen, zu verführen die Heiden in den vier 
Örtern der Erde, den Gog und Magog, sie zu versammeln in einen 
Streit". — (Hesekiel 38, 15) „Du wirst kommen aus deinem Ort, näm- 
lich von den Enden gegen Mitternacht; du und ein grofs Volk mit dir, 
alle zu Rofs, ein grofser Haufe und ein mächtiges Heer". Aber nach- 
dem das Strafgericht vollendet, wird Gott jene Völker mit Feuer ver- 
nichten. — Gog und Magog wurden ein ständiges Attribut der Karten, 
wenn auch die Lokalisierung eine unbestimmte war. Die Bibel giebt 
über ihr Land wenig Aufschlufs; man suchte es meist im Norden Asiens. 
— Mit diesen Völkern wurde im Mittelalter nun auch die Person 
Alexander des Grofs en in Zusammenhang gebracht. Der kühne 
Eroberungszug des grofsen Macedoniers in das Innere Asiens fand 
späterhin eine legendarische Ausgestaltung. Die Heldengestalt Alexan- 
ders lebte in der Erinnerung der Morgen- und Abendländer fort, sie 
wurde vom Netz der Sage umsponnen, und poetische Darstellungen 
schmückten seine Thaten und Verdienste phantastisch aus. Den Aus- 
gangspunkt der mittelalterlichen Alexander-Sage bildete die fälschlich 
unter dem Namen des Kallisthenes laufende Biographie, deren Kern 
sehr wahrscheinlich der Ptolemäer-Zeit entstammt. Die späteren Jahr- 
hunderte aber brachten Zusätze und Erweiterungen, und fast alle Na- 
tionen griffen den Gegenstand auf, um ihn in Prosa und Dichtung zu 
verarbeiten. Nicht nur die Dichter germanischer und romanischer 
Zunge sind hier zu nennen, wir hören ebenso von armenischen, alt- 
serbischen, altböhmischen, bulgarisch-slovenischen , rumänischen und 

H* 



204 K. Kretschmer: 

russischen Bearbeitungen des Alexander-Romans *), und selbst von den 
Arabern wurde der Macedonier (unter dem Namen Dsulkarnain) hoch 
gefeiert. Die Schicksale des himmelstürmenden Titanen, seine helden- 
haften Kämpfe mit rohen und wilden Völkern, seine Fahrt zum Paradies, 
seine Berichte von den Naturwundern, die er geschaut, werden uns in 
umständlicher Weise geschildert. 

Das grofse Verdienst, welches sich Alexander um die christliche 
und muhammedaniche Welt erworben, bestand darin, dafs er gegen Gog 
und Magog einen hohen Wall aufgeführt und so ein zu frühzeitiges 
Hervorbrechen derselben verhindert habe. Erst am Ende der Tage 
wird es dem Antichrist gelingen, eine Lücke in den Wall zu schlagen 
und auszubrechen. Gog und Magog und die übrigen 15 Völkerschaften 
werden schon bei Kallisthenes (III, 26) aufgezählt; sie erscheinen in 
allerdings sehr veränderter Form beim Interpolator C des Presbyter- 
briefes nach der Ausgabe von Zarncke wieder. Nomina quarum sunt 
haec: Gog et Magog, Amic, Agic, Arenar, Defar, Fontineperi Conti, Saman- 
tae> Agrimandi, Salterei, Armei, Anofragei Annicefelei, Tasbei, Alanei. In 
ihrer Lebensweise werden sie als ungesittete, verrohte Völker be- 
schrieben, die rohes Fleisch essen und nach dem Presbyterbrief auch 
vor Kannibalismus nicht zurücksehen en. Habemus alias gentes, quae so- 
lum modo veseuntur carnibus tarn hominum quam brutorum animalium et 
abortivorum , qua nunquam timent mori. Et cum ex his aliquis moritur r 
tarn parentes eius quam extranei avidissime comedunt eum dicentes: sacra- 
tissimam est humanam carnem manducare*). Fast alle Karten thun ihrer 
Erwähnung 3 ). 



1 ) Vgl. J. Zacher, Pseudokallisthenes 1867. Reichhaltige Literatur- Angabe 
bei Krumbacher, Byzantinische Literaturgeschichte 1891 S. 433, ferner F. Vogt 
jn Paul's Grundrifs der german. Philologie II, 255. 

2 ) Zarncke, Der Priester Johannes, 1879, Abhandl. phil.-hist. Kl. d. Sachs. Ak. 
d. Wiss. VII. Bd. S. 893. 

3 ) Auf der Hieronymus-Karte: Gog gentes. Auf der Cottoniana: Gog 
et Magog, Auf der Karte Hein rieh's von Mainz: Gog et Magog gens immun da. 
Bei Ranulf: Bactria. In istis montibus sunt montes Caspee, includentes Gog et 
Magog) qui in fine mundi exibunt cum Antichristo ad destruendum mundum. Hos 
includit Alexander preeibus suis non viribus, (Hierzu vgl. Miller, Mappae Mundi 
III, 101). Auch auf der Weltkarte Pietro Visconti 's wird das Castrum Gog 
et Magog verzeichnet. Auf der Ebstorfer Karte: Hie inclusit Alexander duas 
gentes immundas Gog et Magog quos comites habebit Antichrütus. Hi human is 
carnibus veseuntur et sanguinem bibunt. Auf der Hereford-Karte: Hie sunt 
nomine truculenti nimis humanis carnibus vescentes cruorem potantes, Filii Caini 
maledicti. Die Genuesische Weltkarte identifiziert sie mit den Pygmäen : Isti sunt 
ex Gog generatione t qui cubitus altitudinem non excedunt. Vielfach werden sie mit 
den zehn verlorenen Stämmen der Juden gleichgestellt, die ebenso durch Berg- 



Die Katalanische Weltkarte der Biblioteca Estense zu Modena. 205 

Es heifst allgemein, dafs Alexander diese Völker hinter einem 
Gebirgswall eingeschlossen und die einzige vorhandene Passage durch 
diesen verbarrikardiert habe. Die dem problematischen Aethicus 
Ister zugeschriebene Kosmographie beschreibt uns umständlich das 
Thor, welches Alexander in die Berglücke eingesetzt, mit dem riesen- 
grofsen Schlofs, und die Art, wie die Thürspalten verpicht waren. — 
Die Hereford-Karte giebt uns eine andere Version wieder, nach 
welcher während Alexanders Aufenthalt in jener Gegend vor seinen 
Augen ein grofses Erdbeben die Bergmassen durcheinandergeworfen 
und diese ringförmig um das Land von Gog und Magog aufgehäuft 
habe. Wo die Berge noch eine Lücke zeigten, hätte er sie durch eine 
feste Mauer vervollständigt. Da jener Gebirgswall montes Caspii viel- 
fach genannt wird, so hat man hierunter den Kaukasus zu verstehen, 
welcher Name freilich auch auf die ganze, bis an den Ostrand Asiens 
streichende Gebirgszone übertragen wurde. Es war naheliegend, im 
Anschlufs an die Darstellung des Plinius (IV, 12), der die Caucasiae 
portae, die irrtümlich auch Caspiae portae genannt wurden, ausführlich 
beschreibt, mit dem eigentlichen Kaukasus-Gebirge zwischen dem Kas- 
pischen und dem Schwarzen Meer zu identifizieren, um so mehr, als auch 
Plinius weiter von der Schliefsung der Strafse durch Thor und Kastei 
ad arcendas gentes innumeras spricht. Da aber jede geographische Sage 
bei Erweiterung des Horizonts entsprechend weiter hinausrticken 
mufste und im Laufe der Zeit sich auch inhaltlich weiter entwickelte, 
so kann es nicht auffallen, dafs die Alexanderpforten späterhin im 
äufsersten Osten gesucht wurden, und dafs man im altbeliebten Schlen- 
drian die Bergwälle immer noch als Kaspische Berge bezeichnete, 
wie auf unserer Karte. — Beachtung verdient die Darstellung des ab- 
schliefsenden Walles auf der Genuesischen Weltkarte in Florenz, wo 
das Gebirge noch durch Türme flankiert ist. Th. Fischer vermutet 
hierin die erste Darstellung der chinesischen Mauer, welche bekannt 
lieh von Marco Polo nicht erwähnt wird 1 ), und es ist begreiflich, dafs 
Spätere, wie jener Genuesische Kartograph und die Araber Abulfeda 
und Raschiduddin die Mauer als den Wall gegen Gog und Magog an- 
sehen konnten. 



wälle eingemauert sein sollten. So auf der Wal sp erger Karte und derBorgia- 
Karte: Provincia Gog, in qua fuerunt Judei inclusi tempore Artaxerxis regis Per- 
sarum. — Magog in istis duabus sunt gentes magni ut gigantes pleni omnium 
malorum morum. Quos Judeos Artaxes rex collexit de omnibus partibus Per- 
sarum. 

*) Th. Fischer, Sammlung S. 195 f. — Zu Marco Polo (I, 59), der die Völker 
Gog und Magog in der Landschaft Tenduc erwähnt, (am Hoangho) vgl. Yule I 
S. 183. 



206 K « Krctschmer: 

Um den Durchbruch von Gog und Magog zu verhindern, er- i 
richtete Alexander, wie die Legende unserer Karte besagt, Figuren vor. 
Metall. Eine solche ist mit zwei Trompeten auch dargestellt. Die 
Pariser Karte giebt sie ebenso (mit Legende), bespricht aber nicht den 
Zweck derselben. Aus unserer Karte erhellt, dafs jene Metallfiguren | 
automatisch mit den Zähnen klappten und durch ihren monströsen An- 
blick die Völker zurückschrecken sollten. „So schlofs er Gog und 
Magog ein". 

Das Verdienst, die Völker in die Berge eingeschlossen zu haben, 
wird allgemein Alexander dem Grofsen zuerkannt; doch werden bei 
der späteren Entwickelung der Sage noch andere Namen genannt. 
So heifst es auf der Genuesischen Weltkarte : Hos turres construxit pres- 
byter Johannes rex, ne inclusis hominibus ad eum pateai accessus. Nach 
Albertus Magnus (comp, theol. ver. VII, 10) hält vielmehr die Ama- 
zonenkönigin sie zurück: Gog et Magog % decem tribus ultra montes Cas- 
pios clausa*, tarnen ita quod bene possent exire si permilferetur, sed non 
permittuntur a regina Amazonum. 

Beachtenswert ist die Bemerkung in unserer oben citierten Legende, 
dafs Alexander in den Kaspischen Bergen Bäume gesehen, die mit 
ihrem Wipfel bis in den Himmel reichten. Es sind hier die beiden 
Orakelbäume der Sonne und des Mondes gemeint, die Alexander, an 
den Grenzen Indiens angelangt, um sein weiteres Schicksal in Asien 
befragt hätte. Die arbor solts und arbor lunae sind ebenso zahlreich 
auf den Karten vertreten, oder jener Legende wird wenigstens gedacht, 
wie schon die Peutinger'sche Karte eine Andeutung enthält: Hie Alexan- 
der responsum aeeepit. Bildlich dargestellt sind die Bäume auf der 
Hieron ymus-Karte als Oraculum solis et lune; — auf der Karte Lam- 
bert's: India ultima. Hü arbor es solis et lune; ebenso auf der Psalter- 
Karte und der Ebstorfer Weltkarte: Oraculum solis et lunae. Bei 
Ranulf: Hie Alexander petebat responsum ab arbor ibus, und auf der 
Walsperger Karte werden Bäume gleichfalls verzeichnet zusammen 
mit dem Namen Alexander. — Die Antwort, welche ihm die Bäume 
gegeben, wird uns von Julius Valerius mitgeteilt in den Gesta 
Alexandri (III, 38). Einer der apokryphen Briefe Alexander's bespricht 
auch das äufsere Aussehen dieser Cypressen ähnlichen Orakelbäume 
und ihre stattliche Höhe : In media autem luci sacratae arbores simillimat 
cupressis frondium genere pedum altae centenorum erat quas Betrionas Indi 
appellant. — 

Unmittelbar nördlich von den Bergen von Baldaia ist ein Haus, 
ein Kloster verzeichnet mit der Bemerkung: 

42. aquest monestis es defra j Dieses Kloster gehört Mönchen, 

res los quals tenan an \ guardia welche das Gebein des heiligen Mat- 



Die Katalanische Weltkarte der Biblioteca Estense zu Modena. 207 

los de sent matia \ e son ermnis. thaeus bewahren, und sie sind Ar- 
menier. 

Die Pariser Karte giebt dieselbe Legende in anderer Fassung. 
Dort liegt das Kloster im See Yssikol. Auch auf unserer Karte scheint 
der See durch das Oval, in welchem das Haus steht, angedeutet zu 
sein. Die Borgia -Weltkarte nennt auch den See mit den Reliquien: 
Isicol lacus super quem corpus b. Matthei queritur. 

Unweit Caranam ist die Stadt Lop verzeichnet. 
43. Aquesta ctutat es apellada Diese Stadt heifst Lop, nach welcher 

lop | en la quall venam alguns einige Kaufleute von Tana kommen 
mercades \ de la tana ab lurs mer- mit ihren Waren und . . . ., welche 
caderies e v . . . . | que portan ab sie auf ihren Fuhrwerken sechs Monate 
eis fornits per VI meses \ fins a lang mitführen bis zu genannter Stadt, 
la dita ctutat e puys se partexen und dann reisen sie bis auf weitere 
de qui | per altres VI meses fins sechs Monate nach Catay. 
al catay 

Dieselbe Legende in anderer Fassung bietet die Pariser Karte. 
Die Quelle für beide ist Marco Polo (I, cap. 39): „Lop ist eine grofse 
Stadt am Rande der Wüste, welche nach ihr Wüste von Lop genannt 
wird *). Sie gehört dem Grofs-Chan, und das Volk verehrt Mohammed". 
Lop wird als ein Hauptstationspunkt für die Karawanen bezeichnet, 
wo diese eine Woche Rast machen, um sich für die Weiterreise zu 
erfrischen und zu verproviantieren. „Die Länge der Wüste ist so grofs, 
dafs man ein Jahr und mehr reiten mufs von einem Ende zum anderen". 
Hierauf bezieht sich unsere Legende, welche die zwölf Monate auf die 
Strecken von Tana bis Lop und von Lop bis Catay auf je sechs Monate 
verteilt. — Die Pariser Karte bringt im engsten Anschlufs an Marco 
Polo noch weitere Einzelheiten, u. a. die Sage von den Stimmen der 
Geister in der Wüste, die den Reisenden irreführen und ihn in der 
Einöde zu Grunde gehen lassen. — Zu obiger Legende gehört auch 
wohl die Miniaturzeichnung von zwei Reitern zu Pferde auf einer berg- 
artigen Erhöhung, die als Mont per corey(l?) bezeichnet ist. Die 
Pariser Karte bringt eine vollständig ausgerüstete Karawane mit 
Kamelen und Reitern an dieser Stelle. — 

Der nördliche Rand der Erdinsel wird, wie schon bemerkt, durch 
zwei stumpf einspringende Meerbusen unterbrochen, von denen der 
nördlichere zwei Inseln: Solinos und Naron zeigt. 

In dem östlichen Meerbusen sind drei Inseln verzeichnet mit der 
Legende : 



*) Die Wüste ist das Tarym-Becken mit dem gleichnamigen Flufs und dem 
Lop-nor. Über die örtlichkeit vgl. Yule, Polo I, 104. 



208 K - Kretschmer: 

44. En aquestas illes \ nexen Auf diesen Inseln giebt es viele 
moli bons grifans et faucons e schöne Greife und Falken, und die 
los abitadors de illes \ non gosan Bewohner der Inseln wagen sie nicht 
pendr a sens licencia \ del gran zu fangen ohne Erlaubnis des Grofs- 
cha Senyors del tartres, Chans, des Beherrschers der Tataren. 

Marco Polo (I, cap. 56) berichtet zuerst von diesen Inseln, die im 
Ocean liegen, im hohen Norden. Auf den Bergen dort haben die 
Wanderfalken ihre Nester, und es ist so kalt, dafs man weder Männer 
noch Frauen dort findet, weder Vieh noch Vogel, mit Ausnahme einer 
Gattung, genannt Barguerlac, von denen sich die Falken nähren. „Und 
wenn der Grofs-Chan Falken aus jenen Nestern nötig hat, so sendet er 
hierhin, um sie sich zu verschaffen". — 

Gegenüber an der Festlandsktiste liegt Albania, ein Land, welches 
mitsamt den Kaspischen Bergen bis in den Nordosten Asiens gerückt 
ist und somit in keinerlei Beziehung mit dem Kaspischen Meer mehr 
steht, an dessen Westseite (Daghestan) es nach Angabe der Alten zu 
suchen ist. 

45. Aquesta prouincia es apel- Diese Provinz wird Albania genannt, 
lada albania que uoldir \ blanque d. h. die Weifse, deshalb, weil die 
e azo pertant com los homens hi son Menschen hier weifs sind und weifs 
blanchs | e nexen blanchs es molt geboren werden; es herrscht strenge 
freda en asguart de aquestas altres Kälte in einem Teil der übrigen 
que son assi en sta prouincia a (Länder), welche dort sind. In diesem 
molles penyes altes que son aq an Lande giebt es viele hohe Felsen, die 
les quals a . . ren moltes belues sich dort finden, in welchen viele 
fferas e grans lops serps tngi's(\) wilde Tiere hausen, grofse Wölfe, 
lopardos laons e baboins tots los Schlangen, Tiger, Leoparden, Löwen 
desert naxen plens. und Babuine (Paviane). Alle Wüsten 

sind voll davon. 

Die Etymologie des Namens der Albaner von albus = weifs ent- 
behrt jeder historischen Begründung. Bei Solin heifst es, dafs ihr 
Auge eine blaugrüne Pupille hätte (XV, 5), und dafs sie nur bei Nacht 
sehen könnten. Ranulf und die Hereford-Karte bringen Legenden 
dieses Inhalts : Albani pupilla glaucum habent et plus nocte vident* Ihr 
Land wird als eine unwirtliche Steinwüste geschildert, in denen wilde 
Tiere hausen. Besonders wird immer der Löwen gedacht, die mit 
wilden Hunden gehetzt werden: Huius terre canes leones occidunt. Unsere 
Legende giebt hier eine ganze Liste von wilden Tieren. 

Weiter westlich ist eine Krone verzeichnet mit der Bemerkung: 

46. Mille centum octuagitam | 1187 wurde hier der erste König 
Septem hicfuit coronatum (I) | pri- der Tataren gekrönt .... 

mus rex tartarorum I vid . . . sin. 



Die Katalanische Weltkarte der Biblioteca Estense zu Modena. 209 

Mit jenem Tatarenfürsten kann nur Dschingis-Chan gemeint sein. 
Nachdem Temudschin die nomadischen Nationen tatarischer Rasse 
unterjocht hatte, legte er sich als oberster Machthaber einen neuen Titel 
bei. Er berief im Frühling 1206 nahe der Quelle des Onan eine Ver- 
sammlung aus den Häuptlingen aller Stämme, wo ein Wahrsager namens 
Gökdschu erklärte, dafs er seiner ausgedehnten Macht entsprechend 
den Namen Dschingis-Chan (Chan aller Chane) annehmen solle. 
(d'Ohssou, Hist. des Mongols 1834. 1,98). Das in der Legende an- 
gegebene Datum 1187 * st unrichtig. 

Am nördlichsten Rande der Erdinsel ist ein grofses kastellartiges 
Grabmal, auf einem Berge liegend, dargestellt. 

47. Sapiats que antigament era Wisset, dafs dies früher das Grab- 

aquest sepulcra \ del gran ca sin mal des Grofs-Chans war. Wenn aber 
quis es devench se . . . . al gran einer den (anderen) gestorbenen 
ca morts \ C miles luny de aquest Chanen im Tode gefolgt war, 100 
castell portauen len honradament \ Meilen von diesem Kastell entfernt, 
mentre lay por tauen asotarar los so trug man ihn feierlich dorthin; 
homens maiauan j tots quals natro- und während man ihn dorthin zur 
vauen dient aniQ) . . . seruir Gran Beerdigung schaffte , metzelte man 
senyor an laltre tnon. alle jene Menschen nieder, die man 

(auf der Strafse) traf; man sagt, dafs 
ihre Seelen dem grofsen Herrscher 
in der anderen Welt Dienste leisten. 

Diese Bestattungsweise der Tataren-Chane findet sich, soweit ich 
sehen kann, zuerst bei Marco Polo (I, c. 51), durch dessen Bericht sie 
auch in die Karten der späteren Zeit kam. „Wisset auch, dafs 
alle Grofs-Chane und alle Abkömmlinge von Dschingis, ihrem Ahn- 
herrn, nach einem Berg mit Namen Altay zur Beerdigung überführt 
werden. Wo auch der Herrscher sterben mag, er wird zu seinen Vor- 
gängern nach jenem Berge gebracht, und wenn auch der Platz, wo er 
starb, 100 Tagereisen entfernt ist, man trägt ihn dort nach jener Toten- 
gruft hin. Noch einen seltsamen Brauch will ich erzählen. Wenn die 
Leiche eines Kaisers dort den anderen beigesetzt wird, so tötet man 
alle jene, welchen man auf der Strafse zufällig begegnet, indem man 
sagt: Geh' und diene unserem Herrn in der anderen Welt .... Das- 
selbe geschieht auch mit den Pferden. Denn wenn der Kaiser stirbt, 
so töten sie alle seine besten Pferde, damit er sie in der anderen 
Welt gebrauchen kann, wie sie glauben. Ich kann auch versichern, 
dafs, als Mongu-Chan starb, mehr als 20000 Menschen, welche dem 
Leichenkondukt auf dem Wege begegneten, auf diese Weise um das 
Leben kamen". Unter dem Altai ist hier, wie Yule ausführt, nicht 
das Gebirge zu verstehen, welches heute diesen Namen trägt, sondern 



210 K. Kretschmer: 

der von Pallas genannte Khanoolla in der Nähe von Urga, welcher 
noch jetzt von den Mongolen für heilig gehalten wird 1 ). — Auch auf 
anderen Karten wird desselben Brauches gedacht. So auf der Karte 
des Leardo von 1452: Questo l il sepulcro del gran Can et fano questo: 
che quando el ven portato a sepelir el ven accompagnado da molti homcni 
armadi i quali ozidono quell che si trovano su la strada et dicono che 
Vamine dt coloro sono benedecte y perche V accompagnano Vanima del gran 
Can a un altra vita 2 ). Bei Fra Mauro ist gleichfalls das Grabmal ver- 
zeichnet, und der Berg wird ebenso Althay genannt: questa prettosa e 
mirabile sepultura che e posta sul nobel monte dito Althay e deputada solo 
a hi Imperadori del Chatajo e al alta sua generation. 

Über der Kartusche mit dem Namen „Europa" ist eine mehr- 
zellige Legende angebracht: 

48. Ciuitat de casirema en sta Stadt Castrema. In diesem Lande 

prouincia a gens \ idolatrechs los ist ein Volk von Götzen anbetern, 
quals adoran una idolla da malall welche ein Idol von Metall verehren 
ab no . . caps e non mans e /an ohne Kopf und Hände, und sie machen 
na lur dens e ay daltre \ partfor- .... Anderswo giebt es Galgen ; und 
ques e homens sant a manera der- Heilige nach Art von Eremiten lassen 
mitans I com son uels/an sa pan- sich, wenn sie alt sind, an den Haaren 
jar a la forca per los cabels e de und an der Gurgel am Galgen auf- 
golan los totem tenan los per sants hängen. Alle halten sie für heilig, 
mentre los cabels se tenan a la solange die Haare noch am Galgen 
forca, haften. 

Zu dieser Legende gehört die in der Nähe der Küste dargestellte 
Gruppe, wo zwei Personen vor einem Götzenbild in knieender Stellung 
liegen. Ferner gehört hierzu der Galgen mit dem an den Haaren 
aufgehängten Menschenkopf. — Soweit ich ermitteln konnte, bringt 
nur noch die Borgia -Weltkarte eine ähnliche Legende mitsamt dem 
Galgen: Isla gens se dicit esse sancta 3 ) et faciunt de se sacrificium ponendo 
caput proprium sub quodam palo per crines et tunc genubus adorant, donec 
cadat. — Fraglich bleibt nur der Name der Stadt Castrema an der 
Wolga, die auf der Borgia-Karte und der Pariser Katalanischen Karte 
wiederkehrt, von dem aber weder Heeren und Santarem, noch H. Yule 
(Cathay I, CCXXVIII) eine Erklärung geben konnten. Kiepert zerlegt 
den Namen in Cast. Rama (= Castra R.), doch wird in unserer Legende 
von einer Ciulat de castrema gesprochen. Die Stadtvignette ist am Zu- 



1 ) Yule, Polo I, »43- 

2 ) II planisfero di G. Leardo del anno 1452 da G. Berchet, Venezia iggo. 

3 ) Über die fragliche Lesart dieser Stelle vgl. Santarem, Essai III, 265 und 
Lelewel, Geogr. I, 101. 



Die Katalanische Weltkarte der Biblioteca Estense zu Modena. 211 

sammenflufs von zwei Oberläufen der Wolga gesetzt. Der Hauptarm 
kommt von Westen aus einem See (vgl. hierzu weiter unten Legende 
Nr. 52). 

Am östlichen Oberlaufe sind auf unserer Karte nur zwei Ortschaften 
verzeichnet: Facociti(l), auf der Pariser Karte: Fachatim genannt, 
welches Yule mit Wiatka gleichstellen will. Ferner Bor(!), wohl nur 
unvollständig wiedergegeben für Borgar der Pariser Karte, bei Ibn 
Batutah Bolgar genannt. Es lag an der Wolga oberhalb Simbirsk und 
war zeitweilig die Residenz der Chane von Kiptschak. Ruinen haben 
sich bis heute erhalten. 

Östlich von der unteren Wolga thront der Chan von Sarai. 
49. En aquest imperi sta /an- In diesem Reich herrscht der Kaiser 

perador de salai lo quall \ inper von Sarai, dessen Herrschaft im Ge- 
finix en /es parts de burgarta biet von Burgaria endigt und in der 
e an \ la ciutat de orgenci uert Stadt Urgendsch gegen Osten hin. 
lauant aquest \ enperador es senyor Dieser Kaiser ist Herr von 100 000 Mann 
de C milia homens \ a caualL zu Pferde. 

Diese Legende findet sich inhaltlich auf der Pariser und Floren- 
tiner Karte, jener Pizigani's, und auch der von Th. Fischer genannte 
Codex bietet sie. Auf der Pariser Karte wird auch der Name des 
Herrschers genannt: Iambeck, senyor de/ Sarra] im Codex: imperator 
Usbeck. Auch auf der Borgia-Karte wird der imperator Iambec genannt. 
Sarai ist die von Batuchan erbaute Hauptstadt des Kiptschak am linken 
Arm der Achtuba (Yule, Cathay I, 231); Urgendsch (Orgenci), die 
Hauptstadt von Chavarezm, dem heutigen Chiwa am Oxus. 

In das Kaspische Meer mündet von Osten her kommend ein Flufs, 
der seine Quelle im mons de amo//, finis persia hat. Auf der Pariser 
Karte, wo die Situation dieselbe ist, wird dieser Flufs Flum d } Organa 
genannt, an dessen Ufer die gleichnamige Stadt liegt. Es kann dar- 
nach nur der Oxus oder Amu gemeint sein, und mit dem mons de 
amo// das Bergland des Amu. Da der Aral-See noch nicht verzeichnet 
ist, so ist die Konfusion in der Hydrographie dieser Gegend leicht 
begreiflich. Die Pariser Karte setzt die Mündung des Flusses (Jlum 
Arno) am Rande des Kaspischen Meeres noch einmal etwas südlicher an. 
Innerhalb des grofsen Flufsbogens hat die Pariser Karte mehrere 
Städte verzeichnet, auf unserer Karte finden sich nur drei: Arosea, 
Calay Castro und Cate (Pariser K.: Cara). 

Das Kaspische Meer, mar de Sa/a (d. h. Sarai) e de bacu, ist noch 
in der älteren Form gezeichnet, wie es die Pariser Karte schon hat, 
d. h. in der geographischen Länge ausgedehnter als in der Breite. 
Die Florentiner Karte zeigt es dagegen in weit richtigeren Verhältnissen 
als ein von Norden nach Süden gestrecktes Becken. 



212 K - Kretschmer: 

Europa. 

Während die Küstenlinien Asiens und Afrikas zum gröfsten Teil 
noch hypothetisch dargestellt sind, entsprechen jene Europas schon 
mehr den wahren Verhältnissen. Freilich gilt dies auch nur von den 
Mittelmeer- und Atlantischen Küsten dieses Erdteils, soweit diese von 
den seefahrenden Völkern Süd-Europas in exakter Weise aufgenommen 
waren. Der ganze Norden und noch mehr das Innere des Festlandes 
geben auch nur ein sehr unvollkommenes Bild wieder. Im allgemeinen 
weicht die Darstellung Europas auf unserer Karte von derjenigen der 
anderen katalanischen und teilweise auch italienischen Karten nicht 
ab; es gilt dies nicht nur vom Mittelmeer-Becken, sondern auch von 
den übrigen Teilen. Da alle anderen erhalten gebliebenen katala- 
nischen Karten mit Ausnahme der Pariser im wesentlichen nur Europa 
enthalten, welches immer in derselben Weise und mit derselben No- 
menklatur wiedergegeben ist, so wird unsere Karte dem Kenner zu- 
nächst nichts Neues bieten. Aus diesem Grunde sind die zahlreichen, 
dicht gedrängt stehenden Namen der einzelnen Küstenpunkte am 
Mittelmeer auf unserer Kopie nur mit Auswahl verzeichnet worden. 
Interessant ist aber unsere Karte insofern, als sie auch noch den 
hohen Norden von Europa darstellt, der auf den anderen Karten aus 
begreiflichen Gründen stets fehlen mufste. 

Die geographische Begrenzung Europas und seine Lage wird wie 
bei den anderen Erdteilen in kurzen Worten charakterisiert. 

50. Europa comensa al flum de Europa beginnt beim Tana-Flufs im 
la tana \ vert lauant e finex an Osten und endigt in Galicia im 
galicia uert \ ponent e compren Westen und umfafst das Küstengebiet 
toia la maritima \ de los crestians der Christen und begreift das ganze 
circuint tota la pari \ de tramun- Land im Norden. 

tana. 

Nord-Europa zeigt abgeschlossene kompakte Formen; die Skandi- 
navische Halbinsel tritt als ein noch recht hypothetisch gezeichnetes 
Ländergebilde hervor, wie es fast alle katalanischen und italienischen 
Karten zeigen. Von der Ostsee ist der meridional gerichtete Bos- 
nische Meerbusen noch nicht verzeichnet, daher hat die ganze Situa- 
tion ein fremdartiges Aussehen. 

Von der Ostsee heifst es: 

51. Aquesta mar es apellada Dieses Meer wird genannt Meer 
mar \ de lamanya de suesia de von Deutschland, Schweden und Got- 
gotilandia \ aquesta mar sta con- land. Dieses Meer ist sechs Monate 
gelada VI meses de lany soes mi- im Jahre gefroren, nämlich bis Mitte 
gant maris \ e migant octubre e März und von Mitte Oktober an 



Die Katalanische Weltkarte der Biblioteca Estense zu Modena. 213 

azo per la gran \ frador de la und zwar wegen der grofsen Kälte 
tramuntana. des Nordens. 

Die Pariser und Florentiner Karte und jene des Pareto u. a. m # 
haben dieselbe Legende mit der weiteren Bemerkung, dafs die Eis- 
decke so stark sei, dafs die Küstenbewohner mit ihren Ochsenkarren 
hinüberfahren können. Im südlichen Teil der Ostsee dürfte eine der- 
artige Vereisung wohl nur höchst selten eintreten. Dagegen soll das 
Meer zwischen den Alands-Inseln und der schwedischen Küste schon 
mehrfach zugefroren sein. Im Jahre 1809 setzte eine Kosakenhorde 
im Galopp über die Eisfläche und erschien an der schwedischen Küste 
zum nicht geringen Schrecken der Bewohner von Grisselhamn. 

Von den Ostsee-Inseln sindOxilia (Ösel) verzeichnet, ferner eine 
gröfsere Insel, die auf der Pariser Karte Visby genannt ist, also Got- 
land darstellt, während auf unserer Karte noch zwei kleinere Inseln 
Colat (Oeland)? und Li st er angegeben sind. 

Weiter westlich folgen Falsa (Falster), Langlat (Laaland), Finon- 
ja (Fünen), Sil an da (Seeland). 

In den östlichen Teil der Ostsee mündet ein Flufs, der einem 
See entquillt, demselben See, aus welchem, wie oben schon bemerkt, die 
Wolga und der Tanais ihren Ursprung nehmen. Da Nogorodo 
(Nowgorod, die alte Hauptstadt des Reiches) am westlichen Abflufs 
verzeichnet ist, so könnte der letztgenannte der Wolchow und jenes 
Wasserbecken der Ilmen-See sein. Der Umstand, dafs das hydrographi- 
sche System der Ostsee mit demjenigen des Schwarzen Meeres und 
des Kaspischen Meeres in Verbindung gebracht ist, scheint anzudeuten, 
dafs man von dem weitverzweigten und in den Oberläufen leicht 
zu verbindenden Flufsnetz des inneren Rufsland schon unterrichtet 
war. Adam von Bremen (XI. Jahrh.) bemerkt (IV, 1) bereits, dafs Schiffe 
von Schleswig nach Griechenland (1) fuhren. — Von dem genannten 
See heifst es: 

52. Aquest stany es appellat Dieser Sumpfsee wird genannt Edill, 

edill | an lo quäl se nodrexen los in welchem sehr grofse, verschieden- 

astarions \ molt grans diuersos e artige und schuppenreiche Störe sich 

palosos (sie). finden. 

Das letztere Wort palosos ist offenbar gleichbedeutend mit pilosos, 
wenn nicht palosos nur ein Schreibfehler ist. „Fünf Längsreihen von 
Knochenschildern (nicht eigentlichen Schuppen) bekleiden den Leib 
des Störes. Die Haut zwischen den Schilderreihen ist teilweise nackt 
und glatt, teilweise mit kleineren Schildchen oder Knochenkörnern be- 
deckt, ebenso das Schwanzende mit dicht anschlief senden kleinen 
Knochenschuppen bekleidet; zwei grofse Schilder panzern die Gegend 



214 K. Kretschmer: 

der Schlüsselbeine" (Brehm). Auf die feste Verpanzerung dieses Fisches 
scheint das Wort palosos hinzuweisen. 

Der Nordrand der Ostsee (Skandinavien) ist mit 15 Namen von 
Städten und Flüssen versehen, deren Lesung nach dem Original nicht 
ganz sicher ist; einige von diesen kehren auf anderen Karten wieder. 
Stocoll (Stockholm) ist zweimal genannt. Sudechpinis lautet auf 
auf der Karte Dulceti's: Suderpiegeh. Der Name Rodrim kehrt auf 
fast allen katalanischen Karten wieder. 

Der nördliche Teil Europas, die oben schon angedeutete kom- 
pakte Halbinsel, wird am nördlichen Rand durch die allgemeine Run- 
dung der Erdinsel bestimmt. Erfüllt ist sie von hypothetischen Ge- 
birgszügen, die das Land in oblonge Felder zerlegen. Von einem 
dieser gebirgsumrahmten Länder heifst es: 

53. Estlandit e isla regio a Estlandit heifst diese Gegend mit 

molts agrestres montanys \ e es vielen wilden Bergen; es ist sehr 
molt freda les gens qui asi'abitan kalt (dort). Die Leute, welche da- 
sapellen mellsirich \ veuen de casar selbst wohnen, nennen sich mellsirich, 
e de pescar e casen ab grifans e sie leben von Jagd und Fischerei, 
caualcon ab serös (= servos). jagen mit Greifen und reiten auf 

Hirschen (Rentieren). 

Ein anderes trägt folgende Legende: 
04. Aquesta regio de norvega Diese Gegend von Norwegen ist 

es molt | aspra e molt monlay- sehr rauh und bergig. Die Menschen, 
ossa los homens \ qui asi sott viuen welche sich dort befinden, leben von 
de casar e de pescar \ asis fo lo Jagd und Fischerei. Hier war der 
crestall Kristal. 

Die erstgenannte Notiz bietet in dieser Fassung nur unsere Karte; 
die zweite Hälfte derselben findet sich noch auf der Florentiner. Die 
andere Legende (No. 54) haben die meisten katalanischen und italieni- 
schen Karten; die Schlufsbemerkung von dem Kristal nur noch die 
Florentiner. 

Der genannte Kristal scheint mit dem in abendländischen und orien- 
talischen Märchen mehrfach auftretenden Magnetfelsen identisch zu 
sein, der auch in der Herzog Ernst-Sage eine grofse Rolle spielt. Der 
von den Schiffern geftirchtete Felsen, der alle mit Eisen beschlagenen 
Schiffe an sich zieht, befand sich im sogenannten Lebermeer, wo das 
Wasser eine zähflüssige, von Eisschollen erfüllte Materie bildet, welches 
als Mare putritum auch auf unserer Karte verzeichnet ist 1 ). Auch auf 



l ) Ausführliche Quellennachweise habe ich in „Entd. Amer." gegeben, S. 34 
über die Meerlunge des Pytheas von Massilia, S. 84 über das Lebermeer der 
deutschen Sage. 



Die Katalanische Weltkarte der Biblioteca Estense zu Modena. 215 

der Karte Walsperger's heifst es an dieser Stelle: In hoc mari magno 
non est nauigatio propter magnetes 1 ). 

Der Nordwestecke Europas ist eine reiche Inselflur vorgelagert. 
Bemerkenswert sind unter diesen die 

55. Insula de archana en la Insel Archana, auf welcher sechs 
quall fa | sis menses de nit e sis Monate hinter einander Nacht und 
de dia ala continua. sechs Monate Tag sind. 

Es sind dies die Orkney-Inseln (Orkaden), die hier wie auch auf 
anderen Karten zu einer einzigen zusammengeschweifst sind. Vgl. 
hierzu die Pariser Karte und die Pareto-Karte (Entd. Amer. Atlas 
Taf. V.). Südlich von dieser liegt eine gröfsere ovale Insel: 

56. Inssula destillant la quäl Insel Esthland, wo die norwegische 
an la langa \ de noroega e son Sprache herrscht; es sind Christen 
crestians. dort. 

In dieser falschen geographischen Lage zu den Orkney-Inseln 
finden wir sie auf vielen Karten jener Zeit. Wie diese, so sind auch die 
Shetland-Inseln als eine einzelne grofse Insel dargestellt und selbst 
noch auf Karten des 16. Jahrhunderts. So auf der Karte des Jaume 
Olives von Mallorka von 1514 2 ). 

Im äufsersten Nordwesten findet sich ein Archipel von acht Inseln. 
Questas illes son appellades islandes. Jede trägt noch einen besonderen 
Namen; die südöstlichste heifst selbst islanda. Auch auf der Floren- 
tiner Karte ist Island in eine Reihe von Inseln aufgelöst. 

Auch die der Insel Irland beigefügte Legende ist uns, inhaltlich 
wenigstens, durch andere Karten noch belegt. 

57. En ibernia a moltes illes Bei Ibernia sind viele Inseln; unter 
entre les quals uia una \ que los diesen giebt es eine, wo die Menschen 
homens nul temps noy poden morin niemals sterben können ; aber wenn 
mes com \ son vels que uolen mo- sie so alt sind, dafs sie sterben 
rir son aportats fora la illa | wollen, werden sie von der Insel «fort- 
en cara uia vna altra que les geschafft. Gegenüber liegt eine andere 
fembres noy poden infaniar \ mes Insel, wo die Frauen nicht gebären 
com son determanadas de infantar können, aber wenn die Entbindung 
sont aportades fora \ la illa seguns zu erwarten steht, bringt man sie der 
costuma en esta illa noya nan- Sitte gemäfs von der Insel fort. Auf 
guna serpent \ ne bestia verinosa eben jener (Insel) giebt es keine 

Schlange und kein giftiges Tier. 



*) Aufser K. Bartsch, Herzog Ernst, S. CXLVIIIff. vgl. über den Magnet- 
felsen (adamas, agisUin): Zeitschr. der Gese lisch, f. Erdkunde zu Berlin, XXVI, 1891. 
») Atlas Taf. IV, 3. Vgl. noch Fischer, Sammlung S. 46. 



216 K - Kretschmer: 

Wir haben im ersten Teil der Legende nur einen Nachklang der 
Hyperboräer-Sage des Altertums zu erkennen, die auf vielen anderen 
Karten des Mittelalters noch zu finden ist. Das fabelhafte Volk der 
Hyperboräer wurde im hohen Norden wohnend gedacht, jenseits der 
Rhipäischen Berge am Ocean. Sie waren das priesterliche Volk Apollo's, 
der alljährlich bei ihnen Einkehr hielt. Durch das Gelübde der ewigen 
Unschuld gebunden, kennen sie weder Krieg noch Streit, weder 
Alter noch Krankheit 1 ). Noch Roger Bacon berichtet in diesem 
Sinne von ihnen (opus maius S. 227): Et haec gens propier aeris salu- 
britatem vivit in silvis, gens longaeva, usquequo fastidiant mortem, optima- 
rum consueiudinum gens quieta ei pacifica nullt nocens nee ab alia genie 
molestatur. Auf unserer Karte ist ihr Wohnsitz auf die Inseln bei Ir- 
land verlegt. Zur Wiederaufnahme und Verlegung dieser Sage gerade 
dorthin mögen die Nachrichten über die sogenannte Schotten- 
mönche mit beigetragen haben. Diese durch Gelehrsamkeit aus- 
gezeichneten Mönche unternahmen weite Pilgerfahrten, um in der 
Fremde und in der Zurückgezogenheit als Einsiedler zu leben 8 ). Auch 
seewärts führten sie ihre Fahrten aus. Von Dicuil (8. Jahrh.) er- 
fahren wir, dafs fromme Anachoreten die Faröer und Island aufge- 
sucht hätten. Auch die Brandans-Legende berichtet von solchen (se- 
nex nimia senectute confectus*). 

An der Westküste Irlands findet sich ein Golf mit kleineren Inseln 
erfüllt, aufweiche obige Legende Bezug nimmt (moltesüles). Dieser Golf, 
der Lacus fortunalus, mit seinen 367 Inseln findet sich auf den meisten 
Karten bis in das 17. Jahrhundert hinein vor. Die Inseln wurden 
für heilig gehalten 4 ), und deshalb wurden Frauen, worauf der zweite 
Teil unserer Legende Bezug nimmt, zur Zeit ihrer Niederkunft von der 
Insel entfernt, ein Brauch, der auch im griechischen Kultus ein Gegen- 
stück findet. 

Die Darstellung der übrigen Inseln im Westen Europas ist die 
sonst übliche. Auch zwei jener hypothetischen Inseln des Mittelalters 
sind noch vertreten. Unmittelbar westlich von Irland die lila de brezill 
in kreisrunder Gestalt, die auf der Pariser Karte als Brandans-Insel 
bezeichnet sein soll. Weiter südlich liegt die halbmondförmige Uta de 
mam. Über diese habe ich ausführlich berichtet in der Columbus-Fest- 

*) Vgl. meine phys. Erdkde. i. Mitt. S. 132. Preller- Robert, Griech. 
Mythol. I, 24a ff. 

2 ) Über die meist aus Irland (!) stammenden Schottenmönche vgl. Watten- 
bach, Deutsch. Geschichtsquellen 5 I, 109. 144. 

3 ) Entd. Amer. S. 189 mit Belegstellen. 

*) Auf Benincasa-Karten (15. Jahrh.): Lacus fortunatus tibi sunt insule que 
dieuntur sanete beate CCCLXVII. Im übrigen vgl. Ent. Am. 190. 



Die Katalanische Weltkarte der Biblioteca Estense zu Modena. 



217 



schrift S. 2 14 ff, ebenso über die Azoren (ebenda S. 179) und die 
Madeira-Gruppe. 

Eine umfangreichere Notiz ist noch den Canarischen Inseln bei- 
gefügt, die hier mit ihren italienischen Namen verzeichnet sind. Es 
ist eine von den wenigen Legenden unserer Karte, die in (allerdings 
sehr korrumpierter) lateinischer Sprache gegeben sind. 



Inseln der Seligen, für welche viele 
Namen sich finden, wie Isidorus 
sagt im 15. Buch Kapitel . .; vom 
seligen Brandan sind sie glückselige 
Inseln benannt worden wegen des 
Reichtums an jeglichem Gute und der 
alles Mafs übersteigenden Fülle von 
Früchten. Diese haben die irrige 
Volksauffassung und die Lieder der 
Dichter wegen der Fruchtbarkeit des 
Bodens für das Paradies gehalten. 
Denn auf diesen ist eine Masse von 
Früchten zu finden, eine Fülle von 
Vögeln, von Honig und Milch, eine 
sehr grofse Menge von Böcken und 
Ziegen, besonders auf der Insel Capra- 
ria. Ferner sind dort Hunde von 
wunderbarer Gröfse, besonders auf 
der Insel Canaria, welche wegen 
der Menge dieser mit furchtbarer 
Kraft ausgestatteten Tiere so genannt 
ist, — und noch viele andere Dinge, 
die hier nicht aufgezählt werden. 

Die Sage von den Inseln der Seligen geht bis in das graueste 
Altertum zurück; die weitere Entwickelung dieser geographischen Le- 
gende bis in das Mittelalter habe ich a. a. O. ausführlich genug be- 
handelt. — 

Die topographische Situation im Innern Europas stimmt mit der aller 
übrigen katalanischen und zum Teil auch der italienischen Karten über- 
ein. So die Elbe, die aus dem gebirgsumwallten Böhmen (mit Praga) 
herausfliefst; der Rhein, der, in seiner Lauflänge stark verkürzt, an 
Constantia (Constanz) vortiberfliefst ; die Donau, mit Ratisbona 
\ Regensburg), Viena (Wien), Molen o (?) Jaurim (nach Lelewel = Java- 
rin, Raab), Insula Sirmia. Die übrigen Namen des inneren Europas 

Zeitschr. d. Ges. f. Krdk. Bd. XXXH. 1897. 15 



58. Fortunarum insule quarum 
multa nomina \ reperiuntur ut di- 
ät ysidole (1) L XV capitols \ et 
a beato brandano insule fortunate 
t/uare \ ab omni bono praeeipite 
mensuram fruetuum feeunditate \ 
eciam insule sunt vocatae qttas 
gentilium error \ et carmina poe- 
tarum propter solii fteunditatem 
paradisum \ esse putaverunt nam 
in eis copiam est pomorum et aui- 
um multituto mell lac masimam 
copiam arietum \ craparum multi- 
ludinem specialiter in craparia! ( 
insula ubi canes mirabile fortitu- 
dine et specialiter \ in carnaria 
insula quae est muliitudine ignen- 
tis! \ fortitudinis sie vocata et 
ctiam multa alia que modo non 
describuntur. 



218 K-* Kretschmer: Die Katalanische Weltkarte der Bibl. Estense zu Modena. 

finden sich auch auf den anderen katalanischen Karten und sind von 
Buchon, Tastu und Lelewel schon behandelt worden. 



NB. Im Juni-Heft der Revista Geogr. Italiana 1897, 282fr. hat A. Magnaghi 
den Nachweis zu führen gesucht, dafs der auf S. 66 genannte katalanische Karto- 
graph Angelino Dulceti auf Grund des Exemplars in der Corsiniana vielmehr 
Angellinus de Dalorco heifsen mtlfste und, wie der Titel seiner Abhandlung 
zeigt, ein italienischer Kartenzeichner wäre. Da die Arbeit noch nicht vollständig 
erschienen ist, so bleibt abzuwarten, wie der Verfasser sich zu den Ausführungen 
Duro's stellen wird. 



tf' 






Tafel 6. 



Zeil 



O £7Srrt 






Q il v n a, g 

SkdGbarth 

909m 

9t - ' " 



w 



SaüGhorm, 




I 



Abbildung 3. 

em Sail Gharb und Sail Ghorm diskordant den alten Gneiss (Qn). Beide werden 

^Juarzite überlagert. Ueber diesem sind Fucoidenschiefer (/*), Salterellaquarzit (*) 

,^pen, so wie es im Vordergrunde unter dem Cnoc na Creige getreu nach der 



s< 



lt ist Darüber ist im Cnoc na Creige und am Glas Bheinn der alte Gneiss 
las Bheinn wird seine Stirn von einem Vorhange kambriseher Schichten bedeckt 



aigRoy 



IhuiHULs 



JUJt Qunmkean 




w 



ung 5. 

och Maree nach B. N. Peaeh. 

m Gneiss und wird am Craig Roy diskordant vom kambrischen 
e gefaltete Masse von Gneiss, Torridonsandstein und Quarzit der 
Diesem sind die Moineschichten auf der Moine-Thrustplane (J,) 





bbildung 7. 

htlagerung in Nordwest- 
hottland. 

S.W. Seite des Coinne — mheall. 
16.) B Überschiebungen über 
ntern Teil des Vorhanges am 
Work. Fig. 13) und O auf der 
re. (Recent Wort Fig. 17.) 



tiW3Kalk 



I Moint-Schi&tau 



Abbüdung 8. 

Faltung ohne Kompression. 

Die oben befindlichen Falten sind aus 
der unten dargestellten Schichtfolge 
hervorgegangen, nicht indem sie seit- 
lich zusammengepresst, sondern in der 
senkrechten nach oben Nind unten aus- 
geweitet wurden. 



Geogr.-lith.AnBtu.Steindr v.CL toller. BeiinS 



Im Verlag von W. H. Kühl, Berlin W. 8, Jägerstr. 73, erschien: 

Die Entdeckung Amerika's 

in ihrer Bedeutung 

für die Geschichte des Weltbildes 

von 

Konrad Kretschmer. 



Festsehrift 

der Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin 

ZVLT 

vierhundertjährigen Feier der Entdeckung Amerika's. 



Seine Majestät der Kaiser und König haben die Zueignung der Fest- 
schrift seitens der Gesellschaft Allergnädigst zu genehmigen geruht. 



Text in Kleinfolio mit 47 1 -f- XXIII Seiten. 

Atlas in Grossfolio mit 40 Tafeln in Farbendruck. 

Preis beider Bände in Prachtband M. 75. 

^= Vorzugspreis für die Mitglieder der Gesellschaft fOr Erdkunde zu Berlin ZZ= 
bei Bestellung an den Generalsekretär. 

In demselben Verlag erschien ferner: 

DREI KARTEN 

VON 

GERHARD JVIERCATOR 

EUROPA - BRITISCHE INSELN - WELTKARTE 



Facsimile-Lichtdruck 
nach den Originalen der Stadtbibliothek zu Breslau. 

Herausgegeben 
von der 

Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin. 



41 Tafeln 68:47 cm in eleganter Mappe. 

Preis 60 Mark. 

Vorzugspreis für die Mitglieder der Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin 
bei Bestellung an den Generalsekretär. 



Soeben erschien bei W. H. Ktihl, Berlin W, Jägerstr. 73. 

Thessalien und Epirus. 

Reisen und Forschungen im nördlichen 
Griechenland 



Dr. Alfred Philippson, 

Privatdocent der Geographie an der Universität Bonn. 

Herausgegeben 
von der 

Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin. 

(Sonderabdruck aus der „Zeitschrift der Gesellschaft für Erdkunde zu 
Berlin", Band XXX-XXXII, 1895- 1897.) 

Preis 12 Mark. 

XI u. 422 Seiten 8° und Tafeln (Karten und Profile). 



Von nachstehendem wichtigen Werke kann ich einige Exemplare 
zu bedeutend ermäfsigtem Preise liefern: 

The Discovery of Australia. 

A critical, documentary and historic investigation concerning the 

priority of discovery in Australasia by Europeans before the arrival 

of Lieut. James Cook, in the „Endeavour", in the year 1770. 

By 

George Oollingridge. 

Sidney 1895. 376 S. 4 mit zahlreichen Karten u. Abbildungen in Callico gebd. 
(Statt M. 25—) M. 12,50. 

W. H. Kühl, Antiquariat, Berlin W, 73 Jägerstr. 

Für die Redaktion verantwortlich: Hauptmann a. D. Kollm in Charlottenburg. 



Selbstverlag der Gesellschaft für Erdkunde. Druck von W, Pormetter in Berlin. 



AUG 2 3 1929 



■■-q. 



ZEITSCHRIFT 



l£,£\\ 



DER 



GESELLSCHAFT FÜR ERDKUNDE 



ZU BERLIN. 



Band XXXII - 1897 - No. 4. 



Herausgegeben im Auftrag des Vorstandes 
von dem Generalsekretär der Gesellschaft 



Georg Kollm, 

Hauptmann a. D. 



Inhalt. 

Morphome-trie des Genfer Sees. Von Dr. Wilhelm Halbfafs. (Hierzu 
Tafel)) 



Seite 



219 



I Reisen und Forschungen in Nord - Griechenland. Von Dr. Alfred 

1 Philippson. Schlufs .244 



Hierzu Tafel 7: Kurven zur Morphometrie des Genfer Sees. Von Dr. W. Halbfafs. 



LONDON E. C. 

SAMPSON LOW & Co. 

Fleet-Street. 



BERLIN, w.8. 

W. H. KÜHL. 

1897. 



PARIS. 

H. LE SOUDIER. 

174 & 176. Boul. St. Germain. 



Veröffentlichungen der Gesellschaft im Jahr 1897. 

Zeitschrift der Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin, Jahr- 
gang 1897 — Band XXXII (6 Hefte), 

Verhandlungen der Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin, 
Jahrgang 1897 — Band XXIV (10 Hefte). 

Preis im Buchhandel für beide: 15 M., Zeitschrift allein: 12 M., Ver- 
handlungen allein: 6 M. 



Beiträge zar Zeitschrift der Gesellschaft für Erdkunde werden mit 
50 Mark für den Druckbogen bezahlt, Original-Karten gleich einem Druckbogen 
berechnet. 

Die Gesellschaft liefert keine Sonderabzüge; es steht jedoch den Verfassern 
frei, solche nach Übereinkunft mit der Redaktion auf eigene Kosten anfertigen 
zu lassen. 

Alle für die Gesellschaft und die Redaktion der Zeitschrift und 
Verhandlungen bestimmten Sendungen — ausgenommen Geldsendungen 
— sind unter Weglassungjeglicher persönlichen Adresse an die: 

„Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin SW. 12, Zimmerstr. 90", 

Geldsendungen an den Schatzmeister der Gesellschaft, Herrn 
Geh. Rechnungsrat Bütow, Berlin SW. Zimmerstr. 90, zu richten. 

Die Geschäftsräume der Gesellschaft — Zimmerstrafee 90. II — sind, 
mit Ausnahme der Sonn- und Feiertage, täglich von 9 — 12 Uhr Vorm. und von 
4 — g Uhr Nachm. geöffnet. 



Verlag von W. H. Kohl, Jägerstrasse 73, Berlin W. 



Bibliotheca Geographica 

Herausgegeben von der 

Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin 

Bearbeitet von 

Otto Baschin. 

Band I. Jahrgang 1891 u. 189a. XVI, 506 S. 8°- Preis M. 10.—. 
Band II. Jahrgang 1893. XVI, 383 S. 8°. Preis M. 8-—. 



Karte von Südost-Thessalien M. 1.50. 

Karte von Eplros und West-Thessalien M. 3. — . 

Geologische Karte von Sfldost-Thessallen . . . . M. 2.50. 
Geologische Karte von Epirus and West-Thessalien M. 4.50. 

Nach den vorhandenen Quellen und eigenen Aufnahmen von 

Dr. Alfred Fhilippson, 

Herausgegeben von der 
Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin. 

Maafsstab i : 300 000. 



Morphometrie des Genfer Sees. 

Von Dr. Wilhelm Halbfafs. 
(Hierzu Tafel 7.) 
I. Einleitung. 
Orometrien, d. h. morphometrische Untersuchungen über Gebirge 
und Gebirgszüge besitzen wir eine ganze Reihe *), auch die Literatur, 
über volumetrische Berechnungen gröfserer Landmassen, Erdteile und 
Oceane ist nicht unerheblich gewachsen 2 ), dagegen liegt die Morpho- 
metrie der Seen noch sehr im Argen. Sieht man von morphometri- 
schen Bearbeitungen kleinerer und mittelgrofser Seen, wie sie z. B. 
O. Marinelli 8 ) für eine Reihe von Seen der italienischen Alpen, 
Peucker 4 ) für die Koppenteiche im Riesengebirge, Müllner 5 ) für die 
Seen des Salzkammgutes, ich selbst für den Arend-See iu der Alt- 
mark 6 ) unternommen haben, ab, so besitzen wir nur von einem einzigen 
gröfseren mitteleuropäischen See eine monographische Bearbeitung 
nach dieser Richtung, es ist die „Morphometrie des Bodensees" 
von A. Penck, abgedruckt im Jahresbericht der Geographischen Ge- 
sellschaft in München 1894. Ein Aufsatz von Etienne Ritter „Morpho- 

1 ) In Peucker's Beiträgen zur orometrischen Methodenlehre, Breslau 1890, 
S. VI ff. findet man die Literatur bis 1890 verzeichnet; seitdem sind noch eine 
Reihe monographischer Bearbeitungen über die Gestaltungsverhältnisse von Ge- 
birgen erschienen. 

2 ) Aus der neuesten Literatur vergl. Penck, Morphologie I, 33 fF; Karstens, 
eine neue Berechnung der mittleren Tiefen der Oceane, Kiel 1894, und H. Wagner, 
Areal und mittlere Erhebung der Landflächen in: Gerland's Beiträgen zur Geo- 
physik II, 167 ff. Stuttgart 1895. 

8 ) Eine vollständige Übersicht seiner Arbeiten in „Area, profonditä ed altri 
elementi dei principali laghi italiani" in: Riv. Geogr. Ital. Vol. I, fasc. 9 und 10, 
II, fasc. 1 und a 

4 ) Morphometrie der Koppenteiche, Separatabdruck aus dem „Wanderer im 
Riesengebirge*', Hirschberg 1896. 

b ) Die Seen des Salzkammer gutes in: Penck's Geogr. Abhandlungen VI, 1 
Wien 1896. 

6 ) Siehe Mitt. d. Ver. f. Erdk. zu Halle 1896, S. iff. und Peterm. Mitteil- 
1896, Heft 8; vgl. auch über die Eifelmaare, ebenda 1897» Heft 7. 
Zeitschr. d. Ges. f. Erdk. Bd. XXXII. 1897. 16 



220 w - Halbfafs: 

mdtrie du Lac Majeur im Globe, Journal gdographique de la Socitfte 
de Geogr. de Geneve, tome 35, 5 me se>., ist keine Morphometrie des 
Langensees im Sinne Penck's, da er nur kurze Angaben über Areale, 
Volumen und mittlere Böschungswinkel von Tiefenstufen im Abstände 
von je 50 m enthält und daher durchaus keine erschöpfende arith- 
metische Darstellung von diesem Becken liefert. 

Der Mangel an zahlenmäfsig durchgeführten Einzeluntersuchungen 
von Seen gegenüber zahlreichen oceanometrischen Arbeiten kann nicht 
überraschen, wenn man Zweck und Ziel beider Untersuchungen ins 
Auge fafst. Bei letzterer kommt es angesichts der kolossalen Aus- 
dehnung des Objekts lediglich auf Mittelwerte an; dazu genügen 
eine sehr mäfsige Anzahl geloteter Punkte und Tiefenkarten, an deren 
Exaktheit man keinen allzustrengen Mafsstab anlegen darf. Dahin- 
gegen erheischen die morphometrischen Verhältnisse kleinerer fest 
abgeschlossener Becken die Beantwortung von Problemen, die bei der 
Untersuchung von Oceanen und Erdteilen gänzlich unbeantwortet 
bleiben müssen, weil es vor der Hand wenigstens an dem nötigen 
Beobachtungsmaterial fehlt. Die Limnologie beschäftigt sich, wie sich 
Forel auf dem Londoner Internationalen Geographen-Kongrefs so treffend 
ausdrückte, mit einem in sich geschlossenen Organismus, dessen Zu- 
Standsänderungen und Erscheinungen sie verfolgt und, wo es angeht, 
zahlenmäfsig darstellt. Ich möchte die Beschäftigung mit diesem Zweige 
der geographischen Wissenschaft mit sozialstatistischen Untersuchungen 
über die wirtschaftliche Lage eines eng begrenzten Gemeinwesens 
oder einer Korporation vergleichen, während die Massenbeobachtung 
der Volks- und Gewerbezählungen in einem ganzen Lande mit oceano- 
graphischen Arbeiten Ähnlichkeiten besitzt. Wie die genaue Durch- 
forschung eng umgrenzter Objekt in manchen Fällen die Wirksamkeit 
sozialer Faktoren mindestens ebenso sicher wie die Massenbeobachtung 
erkennen läfst, so ist der Limnologe oft in der Lage, an seinem viel 
kleineren Objekt sozusagen experimentieren und das Verhältnis von 
Ursache und Wirkung ergründen zu können, wo der Oceanograph bei 

{» dem unverhältnismäfsig gröfseren Objekt seiner Forschungen vorläufig 

noch nicht über Einzelbeobachtungen hinausgehen kann. 

Diese Vorzüge eignen besonders dem messenden Teile der Lim- 
nologie, den man Limnometrie zu nennen leicht in die Versuchung 
kommt, obwohl dieser Name fast gleichlautend mi: dem Worte 

*' Limnimetrie ist, worunter man nach Forel's Vorgang die Messung 

der Höhe des Seespiegels, also nur einen ganz speziellen Teil der 
messenden Seenkunde, versteht. Damit aber die Folgerungen, die man 
aus den Messungen zieht, Anspruch auf Exaktheit erheben können, 
ist es natürlich erforderlich, dafs diese selbst in ausreichendem Mafs 



i 



V 

l 



Morphometrie des Genfer Sees. 221 

und vollkommen zuverlässig vorgenommen sind, und an diesem Punkt 
scheitern in den meisten Fällen die limnometrischen Untersuchungen. 
Denn unmöglich kann man Tiefenkarten von Seen mäfsiger Gröfse, 
in denen die Isobathenkurven im Abstand von je 50 m eingezeichnet 
sind, wie z. B. die Karten der grofsen oberitalienischen Alpenseen, in 
dem Mafs exakt nennen, dafs sie als endgiltiges Material für morpho- 
metrische Folgerungen dienen dürfen 1 ). 

Die beiden bestbekannten und am meisten durchforschten 
gröfseren Seen Europas sind ohne Zweifel der Boden see und der 
Genfer See. Die neueren Untersuchungen über den Bodensee sind 
zumeist in den „Schriften des Vereins für Geschichte des Bodensees 
und seiner Umgebung", Heft 22 ff., diejenigen über den Genfer See 
in F. A. Forel's klassischem Buch „Le Le*man, Monographie limnolo- 
gique", von dem der erste Band, in Lausanne 1892 erschienen, den 
geographischen, hydrogeographischen, geologischen, klimatologischen 
und hydrologischen Teil behandelt, der zweite Band, Lausanne 1895, 
die hydraulischen, thermischen, optischen, akustischen und chemischen 
Erscheinungen bespricht, während der dritte noch nicht erschienene 
Band sich mit den biologischen, historischen und anthropogeographi- 
schen Teilen beschäftigen wird. Es ist ein Standard work" für die 
Limnologie im höchsten Sinne des Wortes, wie es nicht leicht in 
anderen geographischen Disciplinen existiert, hervorgegangen aus viel- 
jähriger, umfassendster und intensivster Beschäftigung mit dem See 
und seinen Gestaden. Einen bescheidenen Beitrag zur morpho- 
metrischen Kenntnis des Genfer Sees zu liefern, ist meine Absicht, 
indem ich mich dabei meist an das klassische Beispiel, das Penck 
durch seine Morphometrie des Boden-Sees gegeben hat, anlehne; es 
wird sich dabei Gelegenheit bieten, auf allgemeinere arithmetische 
Darstellungen geographischer Verhältnisse einzugehen und einige Ab- 
weichungen von Penck's Auseinandersetzungen über Morphographie 
und Morphometrie in seiner Morphologie (I, S. 33—95) etwas näher 
zu begründen. 

IL Ermittelung der Grundwerte. 
Als Grundlage diente mir neben Forers Werk die Tiefenkarte 
des Genfer Sees, die A. Delebecque in seinem „Atlas des Lacs Fransais", 
I. Lieferung, Paris 1892, im Mafsstab 1 : 50000 erscheinen liefs. Sie 

l ) Die Werte, welche Peucker in seiner überaus dankenswerten Übersicht 
über die europäischen Seen nach Meereshöhe, Gröfse, Tiefe, Volumen, Böschungs- 
winkel u. s. w. anfuhrt (Geographische Zeitschrift II, 11), beruhen zum Teil auf solchen 
ungenauen Karten und sind daher mit einiger Vorsicht zu gebrauchen. Vgl. meinen 
Aufsatz im „Globus" Band LXXI Nr. a u. 6. 

IG* 



222 w Halbfafs: 

ist eine Isobathenkarte, d. h. die Niveaulinien, die sich meist in verti- 
kalem Abstand von je 10 m, zum Teil 5 m einander folgen, beziehen sich 
auf das mittlere Niveau des Genfer Sees bei Mittelwasser, dieses 
1.772 m oberhalb der Höhenmarke am Felsen von Niton bei Genf 
(RPN) gedacht. Die Höhe von RPN wird bei Delebecque zu 
372.28 m über dem Mittelmeer angenommen. Von dieser Karte weicht 
die vom Eidgenössischen Topographischen Bureau unter dem Titel 
„Carte des sondages du Lac Le'man" in demselben Mafsstab heraus- 
gegebene Karte, aufweiche sich Forel (1, 38, 152) bezieht, in zwei Punkten 
ab. Zunächst ist sie keine Isobathen-, sondern eine Isohypsen- 
Karte, in der die Niveaulinien im Abstand von je 10 m vom Meeres - 
niveau an gezeichnet sind, d. h. sie entsprechen den Meereshöhen 
370 m, 360 m, 350 m . . ., also den Tiefen 5.3, 15.3 u. s. w. So wertvoll 
diese Anordnung für geographische und geologische Fragen ist, weil 
sie allein die Bodengestaltung der Seewanne in Bezug auf ihre Um- 
gebung richtig hervortreten läfst 1 ), so ist doch zweifellos für rein 
morphometrische Zwecke eine Isobathenkarte, bezogen auf das 
Seeniveau, viel bequemer und handlicher, dafs dadurch wohl der 
Mangel ausgeglichen wird, dafs Delebecque's Karte keine Original- 
karte ist. Übrigens ist ja auch jene schweizerische Karte nur eine 
photolithographische Reduktion der eigentlichen Originaklarte im 
Mafsstab von 1 : 25000, und man darf unbedenklich Delebecque's 
Karte dasselbe Vertrauen schenken, zumal wenn man bedenkt, dafs von 
der Gesamtzahl von 11 955 Lotungen 4338 auf Delebecque und seine 
Gehilfen kommen. Die zweite Abweichung der von mir als Grundlage 
benutzten Karte von der „Carte des Sondages du Lac Le'man" beruht in 
einem anderen Nivellement des Punktes RPN. Während die 
Schweizer Topographen diesen Punkt zu 376.86 m annehmen, stützt 
sich die französische Aufnahme auf das Nivellement 375.054 m. 
Forel (I, 21) hat gezeigt, dafs die zuerst genannte Zahl um 3.4 m 
erniedrigt werden mufs, um den Anschlufs an das preufsische und 
französische Nivellement möglichst zu erreichen, sodafs er als absolute 
Höhe des Genfer Sees 373.5— 1.6 = 371.9 oder rund 372 m festsetzt 2 ). 
Delebecque nimmt dagegen eine Höhe von 372.28 m, d. h. eine rund 
um 30 cm höhere Zahl an und kommt dadurch naturgemäfs zu einer 
30 cm geringeren Maximaltiefe als die Schweizer, nämlich zu 309.4 m. 



1 ) Diese Methode findet z. B. Anwendung in dem von Penck und Richter 
herausgegebenen Atlas der österreichischen Alpenseen, auf allen Karten des Sieg- 
fried-Atlas der Schweiz, der Carta Idrografica del Verbano u. s. w. 

2 ) Da die schweizerische Karte eine Isohypsenkarte ist, so ist die absolute 
Höhe des Sees auf die Niveaulinien im See ohne Einflufo. 



Morphometrie des Genfer Sees. 223 

Man sieht, der Unterschied ist schliefslich unbedeutend und drückt 
jedenfalls die Brauchbarkeit der Delebecque'schen Karte in keiner 
Weise herab. 

Die Lotungen selbst sind mit den besten Insrumenten und mit 
der gröfsten Sorgfalt ermittelt (vgl. die Darstellung bei Forel I, 33ff.) 
und stehen an Genauigkeit sicherlich hinter keiner limnologischen 
Aufnahme zurück; sie sind sämtlich in der Delebecque'schen Karte 
durch Punkte kotiert, ihre Anzahl — etwa 20 auf 1 qkm — bürgt für 
die relativ vollständig ausreichende Kenntnis des Seebodens, sodafs nach 
dieser Richtung hin Bedenken gegen eine morphometrische Aus- 
beutung nicht wohl erhoben werden können. Im Bodensee — 11147 
Lotungen — sind von der schweizerischen Abteilung auf 1 qkm 20.7 
Punkte, von der badischen Abteilung 29.3 Punkte gelotet worden, 
letztere meist nur im Überlinger See. • 

III. Das Areal. 

Nach der Delebecque'schen Karte habe ich durch wiederholte 
Messungen mit einem Amsler'schen Polarplan imeter, dessen ich mich 
auch bei der Ausmessung der Isobathen karte bediente, das Areal des 
Genfer Sees zu 582.46 qkm gefunden. Dieses Resultat weicht von der 
Delebecque'schen Zahl (582.36), die Forel (I, 26) adoptiert hat, nur um 
0,1 km, also um eine relativ verschwindend kleine Gröfse ab. Von dem 
Gesamtareal treffen nach meiner Messung auf den sog. Grand Lac 
(s. u.) 500.66 qkm, auf den Petit Lac 81.80 qkm, während die Forel'- 
schen Zahlen 503.5 bzw. 78.8 qkm sind. Ich kann mir diese Ab- 
weichung nicht erklären, denn ich habe genau nach Forel's Definition 
(I, 25) beide Teile des Sees für sich ausgemessen. Forel giebt näm- 
lich als Grenze beider Teile die nur 3.4 km breite Stelle des Sees 
zwischen dem Vorsprung von Promenthoux an der schweizerischen 
Nordküste und dem von Nernier an der savoyardischen Südküste an, 
zwei Punkte, die auf der Seekarte scharf und unzweifelhaft hervor- 
treten. Über die morphometrischen Unterschiede beider Seeteile s. S. 229. 
Dem Mittelwasser-Areal stehen gegenüber die Areale bei Hoch- 
und bei Niederwasser. Nach Forel, der in dem Abschnitt „Limni- 
mdtrie" (Le Ldman I, 451fr.) sich sehr ausführlich über die periodischen 
und aperiodischen Schwankungen des Niveaus verbreitet, war der 
höchste Wasserstand (am 16. Juli 181 7) 1.486 m über dem Mittel- 
wasser, dieses zu RPN — 1,6 m angenommen, der niedrigste (am 
18. Februar 1830) 1.176 m unter demselben, woraus eine Maximal- 
schwankung von 2.662 m folgt. Die jährliche Abweichung vom 
Mittel betrug durchschnittlich nach oben 0.884 m, nach unten 0.658 m. 
Nimmt man nun willkürlich an, dafs innerhalb dieser Zone das Ufer 



224 w - Halbfafc: 

durchweg dieselbe Böschung besitzt wie der Seeboden durchschnitt- 
lich (etwa. 3 ), so bedeckt der Genfer See in seinem höchsten Wasser- 
stande 590.65 qkm (-f- 8.19 qkm), in seinem tiefsten Stande 576.05 
qkm (-6.40 qkm). Die gesamte Amplitude beträgt demnach v.i 
den höchsten und niedrigsten Wasserstand, der bis jetzt beobachtet 
und gemessen wurde, 14.59 qkm = 25°/ 00 des mittleren Areals, davon 
treffen i6°/ 00 auf die Vermehrung, 9°/ 00 auf die Verkleinerung. Beim 
Bodensee (Penck, 134) beträgt das strittige Areal relativ und absolut be- 
deutend mehr, nämlich 64.80 qkm (46,15 qkm treffen den Obersee, 
18.65 qk m den Untersee), d. h. '/» oder i25°/ 00 des Mittel-Areals. Die 
jährlichen Schwankungen betragen durchschnittlich 7.12 qkm (h-4-66, 
— 3.46) = i4°/ 00 der mittleren Fläche 1 ). Die Gründe, warum der 
Genfer See und der Bodensee nach dieser Richtung hin eine so be- 
deutende Abweichung aufweisen, beruhen teils auf den stärkeren 
Schwankungen des Seeniveaus in vertikaler Richtung, die beim Bodensee 
nahezu 4 l / 2 m betragen, teils auf dem Umstände, dafs namentlich der 
Obersee auf relativ flacherem Ufer tibertritt, als der Genfer See, nur zum 
kleinen Teile trägt die geringere halbe mittlere Breite des Bodensees 
(4.6 km gegen 4 km des Genfer Sees) zu dem verschiedenen Verhalten 
beider Gewässer bei. Vergleicht man übrigens die mittleren jähr- 
lichen Schwankungen beider Seen mit einander (Genfer See 1.542 m f 
Bodensee 2.12 m*), so ergiebt sich eine bedeutend gröfsere Über- 
einstimmung. Ueber die Volumen-Änderungen in Folge der Niveau- 
Schwankungen s. S. 228. Das oben mitgeteilte Areal des Sees bezieht 
sich streng genommen nur auf seine Projektion auf das Meeresniveau; 
die der Erdkrtimung entsprechende wahre Fläche ist etwas gröfser, sie 
läfst sich nach Penck, Morphologie I, 52 nach der Formel x = G 

2H 
(H ) berechnen, wo (x die wahre Fläche, G ihre Projektion. H 

ihre mittlere Meereshöhe, r der Radius der Erdkugel bedeutet. Der 
Zuwachs beträgt aber nur 0.0685 qkm, em e Gröfse, welche völlig in 
den Grenzen der Fehlermöglichkeiten fallt, da die Hundertel der qkm 
nicht mehr verbürgt werden können. Für die übrigen Isobathenflächen 
ist der Zuwachs natürlich noch weit geringer; ich habe es daher unter- 
lassen, sie in der betreffenden Tabelle besonders aufzuführen. 



1 ) Ungefähr läfst sich dies Areal des Sees in Millionen qra beim Steigen oder 
Fallen um h m nach der Formel: 582.46 (1 db 0.0095 h) berechnen, sofern es sich 
um geringe Schwankungen handelt. 

2 ) Schriften des Bodensee- Vereins, Heft 22, S. 14. 



Morphometrie des Genfei Sees. 225 



IV. Länge und Breite. 

Der direkte Abstand der beiden von einander entferntesten Ufer- 
punkte Genf und Chillon beträgt nach Forel (1,25) 63.4 km. Nach 
der „Table des Distances kSlome*triques d'un point ä un autre du Lac 
de Gdneve" (G£neve 1893) beträgt die Entfernung zwischen den Dampfer- 
Anlandeplätzen in Genf und Villeneuve 69.7 km. Beide Linien, die 
zu einem grofsen Teil nicht den See, sondern das anliegende Land 
treffen, kommen für die wahre Länge des Sees, worunter man nur die 
durch den See hindurchgehende Mittellinie verstehen darf, nicht in 
Betracht; letztere beträgt nach Forel 72.3 km. Ein- und Ausmündung 
der Rhone sind 58 km von einander entfernt. 

Die gröfste Breite zwischen dem Golf von Morges und dem von 
Amphion beträgt 13.8 km; dividiert man das Areal durch seine gröfste 
Länge, so erhält man für die mittlere Breite des Sees 8.1 km. Ver- 
gleichen wir Bodensee und Genfer See mit einander, so erhalten wir 
folgende kleine Tabelle. 



Größte 


Gröfete Entf. z wisch. Ein- u. 


Gröfete Mittlere 


Luftlinie. 


wahre Länge. Ausmünd. d. Zuflusses. 


Breite. Breite. 


Genfer See 63.4 


72.3 S8.0 


13.8 8.1 


Bodensee 69.0 


7S.O 62.0 
V. Volumen. 


I3.° 7.i8 



Das Volumen des Genfer Sees habe ich nach fünf verschiedenen 

Methoden berechnet. Zunächst wurde der durch die im Abstand von je 

10 m (bzw.. 5 m) gelegten Isobathenflächen das gesamte Volumen 

in Tiefenschichten zerlegt und jede einzeln berechnet, und zwar erstens 

1 «- ^ ~,. (r 2 -ho 2 -\-ro)aA ,. _ „ , 

als Kegelstumpf angesehen (V = - — — , die Resultate finden 

sich Tabelle I Spalte 13, sodann nach einer von Penck (I, 79) entwickel- 
ten Formel V = s 2 h -h (s x — s. 2 ) -~ — TT 2 — ; hierin bedeuten s l 

u i + U 2 3 

und s a die Grenz-Isobathenflächen, h ihr vertikaler Abstand von ein- 
ander, V l und U 3 die Grenz-Isobathen. Die Resultate dieser Be- 
rechnung, die natürlich nur dann möglich ist, wenn man die Länge 

üi -h 2 U 2 
der Isobathen kennt, finden sich Spalte 14; die Ausdrücke für — 1 T rT 

Uj -t- u 2 

— , die Penck die mittleren Höhen der betreffenden Tiefenstufen 
3 
nennt, für sich ausgerechnet Spalte 9. Drittens wurde die Simpson'sche 



226 w - Halbfafe: 

Kubierungsformel V = — (s, + 4S0 + s ;) ) angewandt und in Spalte 15 

ö 

mitgeteilt; diese Formel, die im allgemeinen mit Recht als die beste 
und sicherste gilt, leidet bekanntlich unter dem Nachteil, dafs man mit 
ihr nur das Volumen je zweier aufeinander folgender gleich hoher 
Schichten zusammen berechnen kann; im vorliegenden Falle aber 
konnte dieser Nachteil dadurch leicht ausgeglichen werden, dafs zuerst 
die Tiefenstufen o — 20, 20 — 40 u. s. w., dann 10 — 30, 30 — 50 u. s. w. be- 
rechnet wurden. Da nun aber auch die Stufe o— 10 berechnet werden 
konnte, weil die Isobathenfläche von 5 m bekannt war, so liefs sich 
dadurch mit leichter Mühe das Volumen jeder Tiefenschicht mittelst der 
Simpson'schen Formel ausmitteln, natürlich mit Ausnahme der aller- 
untersten Schicht, wo ich für die Maximaltiefe 309.7 m die Tiefe von 
310 m substituierte, selbstverständlich auf Kosten der Genauigkeit. 
Weiter ermittelte ich die Volumina jeder Tiefenstufe nach der oft 

angewandten Methode der Mittelbildung v= -- — - ' (Spalte 16) 

und schliefslich wandte ich die graphische Methode an, indem ich 
die hypsographische Kurve konstruierte (Tafel 7, Abbild. 1), deren 
Abscissen bekanntlich die einzelnen Isobathenflächen und deren Or- 
dinaten die zugehörigen Grenzhöhen sind (Penck I, 43), und die 
Fläche zwischen der Kurve und den äufsersten Koordinaten plani- 
metnsch ausmafs. 

Die Resultate, die ich gefunden habe: 89.59 cbkm, 89.54 cbkm, 
89.896 cbkm, 89.922 cbkm und 90.56 cbkm, sind zwar von völliger 
Übereinstimmung weit entfernt, weichen aber, wenn man von der 
graphischen Kubierung absieht, die naturgemäfs ungenau ausfallen 
mufste, weil in der Zeichnung die Flächeneinheit der Kurvenfläche ein 
zu grofses Volumen darstellt - - 1 qcm = 0.4 cbkm — , unter einander 
nicht allzusehr ab, nämlich nicht mehr als höchstens 0.4% vom kleinsten 
Volumen; eine noch viel gröfsere Übereinstimmung erhält man, wenn 
man das unter 300 m gelegene Volumen — etwa 4 cbkm — aufser Be- 
tracht läfst, und nur die Volumina der zwischen o und 300 m ge 
legenen Tiefenstufen mit einander vergleicht. Sieht man sich die 
durch die verschiedenen Methoden gefundenen Werte für jede einzelne 
Tiefenstufe genauer an, so ergiebt sich zunächst eine sehr grofse Über- 
einstimmung der Werte in Spalte 13 und 14, fast durchweg betragen die 
Abweichungen nur Bruchteile von Millionen Kubikmeter oder von 
Tausendsteln von Kubikkilometern; manchmal stimmen sie sogar ganz 
genau mit einander überein. Gröfsere Abweichungen finden sich nur 
in den Stufen 60 — 70 m (0.004 cbkm), 270 — 280 m (0,003 cbkm) und 
fi 290—300 (0.002 cbkm), durchweg zu Gunsten der reinen Kegelstumpf- 

i 



Morphometrie des Genfer Sees. 227 

Methode. Der Unterschied im Gesamtergebnis beträgt nur 0.05 cbkm, 
also immerhin innerhalb der natürlichen Fehlergrenzen, sodafs sich die 
Anwendung beider Methoden wohl empfiehlt. Auf der anderen Seite 
zeigen die Resultate in Spalte 15 und 16 nur die unbedeutende Ab- 
weichung von 0.028 cbkm. Durchweg sind die Posten etwas gröfser 
als in Spalte 13 und 14, am gröfsten in den Stufen von 270 m abwärts; 
jedoch weisen eine Reihe von Stufen so gut wie gar keine Unterschiede 
auf. Indem ich mich wie Penck bei der analogen Kubierung des Boden- 
sees durchweg auf die Resultate der Berechnung nach der Simpson'- 
schen Formel stützte, die tiefsten Stufen nach der Mittelbildung fest- 
setzte und dort, wo sich erheblichere Differenzen mit den auf andere 
Weisen gefundenen Werten ergab, diese gegenseitig aufteilte, berechnete 
ich Spalte 14 für das Volumen jeder Tiefenstufe einen wahrscheinlichen 
Wert in Millionen cbm, deren Einer indefs nicht völlig verbürgt 
werden können. Als Resultat stellt sich als wahrscheinliches Volumen 
89.9 cbkm heraus, etwa 0.3 cbkm mehr als das nach der Kegelstumpf- 
Methode berechnete, dagegen 0.98 cbkm mehr als das von Forel 
(I, 27) adoptierte, von Delebecque berechnete Volumen von 88920664.000 
cbm. Forel selbst hatte auf Grund der Karte in 1 : 100000 im „Atlas 
Dufour" 89.7 cbkm berechnet, wovon meine Berechnung nur um 0.2 cbkm 
abweicht. Woher die immerhin beträchtliche Differenz von nahezu 
1 cbkm gegenüber der Delebecque'schen Berechnung rührt, weifs ich 
nicht; einen Rechenfehler meinerseits'glaube ich ausschliefsen zu müssen l ). 
In Spalte 18 habe ich die °/ 00 berechnet, die vom Gesamtvolumen auf 
jede Tiefenstufe fallen und in Spalte 20 und 21 die Zahlen, welche das 
Gesamtvolumen der unter einer bestimmten Stufe liegenden Wasser- 
masse angeben. Auf Grund derselben habe ich (Abb. 4) eine Kurve 
konstruiert, die ich kurz die Volumenkurve nenne. Die Tiefen 
geben die Abscissen, die bezüglichen Volumina die Ordinaten; man 
erkennt aus ihrem Verlauf deutlich, dafs die Abnahme des Volumens 
mit der zunehmenden Tiefe durchaus keine ganz regelmäfsige ist. 

Für die Stufen von 50 zu 50 m ergiebt die Summation der wahr- 
scheinlichsten Werte folgende Volumina in Millionen Kubikmetern: 

m — 50 50—100 100—150 150 — 200 200 — 250 250 — 300 300 — 309 
25 950 20 094 15 835 12 574 9 141 5 848 408. 

Weil die Isobathenflächen, die zur Berechnung der Volumina die- 
nen, nur die Projektionen der wahren Flächen auf das Meeresniveau 



!) Die Differenz liegt nicht etwa daran, dafs das schweizerische Nivellement 
von dem französischen abweicht oder dafe Delebecque von einer geringeren Maximal- 
tiefe ausgeht; denn in beiden Fällen würde die Differenz noch weit unter 100 
Millionen cbm bleiben. 



228 w - Halbfafs: 

sind, nicht diese selbst, so bedürfen die mitgeteilten Zahlen theoretisch 
sämtlich noch einer Korrektur, welche aber, weil innerhalb der metho- 
dischen Fehlermöglichkeiten fallend, vernachlässigt werden darf und 
daher unberücksichtigt blieb. 

Die Zunahme an Volumen bei höchstem Wasserstand gegenüber 
demjenigen bei Mittelwasser beträgt 870 Millionen cbm = io /w, die 
Verminderung, dem tiefsten Stand entsprechend, 681 Millionen cbm = 7 %., 
die gesamte Amplitude demnach 1551 Millionen cbm = 17 °/oo oder V» 
(beim Bodensee »/a 7 ). Das mittlere Maximum (s. S. 223) ergiebt ein Plus 
von 517 Mill. cbm = 6 7ooi das mittlere Minimum ein Minus von 382 
Millionen cbm = 4%o> mithin die Amplitude der jährlichen Schwan- 
kungen 899 Mill. cbm = io7oo = V100 des Mittel-Volumens 1 ). Die mitt- 
lere Tiefe des Genfer Sees ergiebt sich aus dem Quotienten - ; 

Areal 

bei Mittelwasser zu 154.4 m, bei Hochwasser 153.7 m, Tiefwasser 154.9, 
bei mittl. Max. 154.0, bei mittlerem Minimum 154.6, wächst also mit 
Sinken des Wasserspiegels. Dieselbe Thatsache fand Penck am Ober- 
see, während der Untersee sich grade umgekehrt verhält. 

Das Verhältnis der mittleren Tiefe zur Maximaltiefe, 
meiner Ansicht nach das wichtigste limno metrische Zahlenverhältnis über- 
haupt, ergiebt sich beim Genfersee aus folgender Zusammenstellung, 
die auch die Zahlen des Bodensees mit umfafst: 



Mittelwasser Hochwasser Niederwasser 



Mittleres Mittleres 
Maximum Minimum 



Genfer See 0.498 0.494 0.502 0.497 0.501 

Bodensee 0.357 0.339 °-373 

Obersee 0.397 0.380 0.41 1 

Der Bodensee liefert also erheblich kleinere Zahlen als der Genfer 
See, und dieses Verhältnis ändert sich nur wenig zu Gunsten des 
Bodensees, wenn wir für ihn das abgeschlossene Becken des Ober- 
sees setzen. Weitere Beweise dafür, dafs der Genfer See nicht nur 
absolut, sondern auch relativ viel wasserreicher als der Bodensee, 
lernen wir im nächsten Abschnitt kennen. 

Tabelle II und III geben die nach denselben Methoden ermittel- 
ten Volumina der beiden Teile des Sees wieder, und zwar die des Petit 
Lac auchnoch innerhalb derStufen'50— 55 m, 55— 60 m, 60 — 65m, 65 — 70m, 
70—75 m. Die Methode mittelst der Isobathen fiel natürlich fort. Für 



l ) Bleibt die Zu- und Abnahme des Wasserspiegels in mäfsigen Grenzen, so 
kann man die Volumen-Änderung in Mill. cbm nach der Formel 582 46 (h ^ 0.0095 h*) 
berechnen, wo h die Zu- oder Abnahme in m bezeichnet. 



Morphoraetrie des Genfer Sees. 229 

ien Petit Lac weichen die gefundenen Werte nur in den Schichten 
So — 65 m, 65 — 70 m, 70 — 75 m erheblich von einander ab, die gröfste 
Differenz für eine 10 m Stufe beträgt 4 Mill. cbm, immerhin nahezu 4% 
des betr. Volumens. Das Gesamtresultat ergiebt die Werte 3.0703, 
3.0768 und 3.0756 cbkm, als wahrscheinlichsten 3.076 cbkm, worauf 
eine mittlere Tiefe von 37.6 m = 49.4$ der Maximaltiefe folgt. Noch 
gröfsere Übereinstimmung im einzelnen weist die Volumenreihe der 
Tiefenstufen bei dem Grand Lac auf, die einzigen gröfseren Ab- 
weichungen finden sich in den Stufen o — 5 m (Differenz 4 °/„ ), 290 bis 
300 m (Differenz 9%o) und 300 — 305 m (Differenz 4$). Die Resultate 
86.821 cbkm, 86.832 cbkm und 86.831 cbkm reichen nicht 1 %o von einander 
ab. Der wahrscheinlichste Wert ist 86.832 cbkm, mithin eignet dem 
Grand Lac eine mittlere Tiefe von 173 7 m, d. h. 56 % der Maximaltiefe. 
Die für den Petit Lac und den Grand Lac ermittelten Zahlen weichen 
von den Angaben Forel's (I, 28) nicht unbedeutend ab. Forel nimmt 
nämlich für den Petit Lac eine mittlere Tiefe von 41 m, für den Grand Lac 
eine solche von 172 m an. Legt man die in Forers Werk mitgeteilten 
Werte für Areal und Volumen zu Grunde, so erhält man auch etwas 
andere Werte, nämlich 





Areal 


Volumen 


Mittlere Tiefe 




qkm 


cbkm 


m 


Petit Lac 


503.5 


86.8 


40.6 


Grand Lac 


78.8 


3-2 


172.4 



Folgende kleine Tabelle veranschaulicht den Anteil, den beide 
Seeteile an Areal und Volumen vom Genfer See in denjenigen Tiefen- 
stufen besitzen, die in beiden vorkommen. 





Areal 




V 


olumen 








Tiefenstufe 


Grand Lac 




Petit Lac 


Grand Lac 




Petit Lac 






qkm 


% 


qm 


* * 


Mill. cbm 


* 


in Mill. cbm % 


0—15 m 


17.02 


59-7 


H.50 


40.3 


2460 


85 


37» 


15 


5— IO n 


6.20 


50.0 


6.20 


50.0 


2400 


88 


335 


12 


10—20 „ 


6.74 


54.2 


5-70 


45-8 


4742 


88 


610 


12 


20-30 „ 


9.26 


60.7 


6.00 


393 


4662 


89 


557 


11 


30-40 ,, 


I3'6o 


59-7 


9.20 


40.3 


4547 


90 


479 


10 


40—50 » 


14.20 


54.o 


I2.IO 


46.0 


4406 


92 


375 


8 


5°-6o „ 


14.70 


53.i 


13-00 


46.9 


4262 


64 


249 


6 


60-70 „ 


17-49 


51.3 


16.41 


48.7 


4100 


98 


88 


2 


70-80 „ 


14.91 


89.3 


I.79 


10.7 


3939 


100 


5 






Der beinahe sechs mal kleinere Petit Lac besitzt also in den Tiefen- 
stufen 5—10 m das gleiche Areal wie der Grand Lac, in den Tiefen- 



230 w - Halbfafe: 

stufen 10— 20 m, 40—50111, 50—60111, 60-70111 nahezu das gleiche. 
An dem Volumen des Genfer Sees beteiligt sich der Petit Lac nur in 
den Tiefenstufen bis 40 m mit einem Betrage bis zu 10 %, während von 
dem Gesamt-Volumen des Sees 96.6 % auf den Grand Lac und 3.4 % 
auf den Petit Lac entfallen. 

VI. Die Böschung. 

In der Morphometrie eines Sees ist das Kapitel von der Böschung 
das schwierigste, aber auch das interessanteste, weil der Methoden und 
Möglichkeiten die Böschungsverhältnisse von Seen arithmetisch fest- 
zustellen und miteinander zu vergleichen, sehr viele sind, ohne doch, 
wie es mir scheint, das ganze Gebiet völlig auszuschöpfen. Tabelle I 
enthält das vollständige Zahlenmaterial; die hypsographische Kurve (Areal- 
Kurve), die hypsoklinographische und die von mir konstruierte Volumen- 
Kurve dienen zu ihrer Veranschaulichung (Tafel 7). 

Zunächst enthält Spalte 7 die Areale der einzelnen Tiefenstufen von 
10 zu 10 m, aufserdem noch für die Stufen o — 5 m, 5 — 10 m, 300 — 305 m, 
305— 308 m, 308— 309 m und unter 309 m; Spalte 8 giebt an, wieviel 
pro Mille vom Gesamt-Areal auf jede Tiefenstufe entfällt. Man erkennt 
bald, dafs die Tiefenstufen durchaus nicht von oben nach unten zu 
abnehmen, wie es z. B. bei dem Bodensee mehr oder minder der 
Fall ist, sondern dafs gröfsere und kleinere Areale beständig mit ein- 
ander abwechseln und nicht selten die tiefer gelegene Stufe beträchtlich 
gröfser ist als die benachbarte höhere Stufe. Nach dieser Hinsicht 
vergl. man z. B. die Stufen 20 — 30 m mit 30 — 40 m, 90 — 100 m mit 
100 -110 m, 190 — 200 m mit 200 — 210 m, 250 — 260 m mit 260 — 270 m, 
280 — 290 m, mit 290— 300 m. Daraus folgt unmittelbar, dafs der See- 
boden nicht gleichmäfsig geböscht ist. Dieselbe Thatsache springt bei 
einem Blick auf die hypsographische oder Arealkurve ohne weiteres 
in die Augen; diese kehrt nämlich der Abscissen-Achse bald die konvexe, 
bald die konkave Wölbung zu. Auch Spalte n und 12, welche für 
jede Tiefenstufe die Böschungswinkel, sowohl pro Mille, wie nach 
Grad und Minuten enthalten, bestätigen mit dem steten Wechsel ihrer 
Zahlen oben gemachte Wahrnehmung. Werfen wir nun einen Blick 
auf die entsprechende Zahlentabelle beim Bodensee, so weist diese 
durchschnittlich viel kleinere Zahlen als jene auf; die durchschnittlich 
steilste Böschung besitzt beim Genfer See die Stufe 10- 20 m, nämlich 
7 46' = 136 %o> die kleinsten die tiefsten Stufen 290 — 300 m, mit 
o°37' und 300—305 m mit o° 38'. Beim Bodensee beträgt das Maxi- 
mum der Böschung 77.39 °/oo (Stufe 80 -90 m), dem die Werte 74.5 °/,.o 
(10— 20 m) und 76.4°/oo (30 -40 m) nahekommen. Die Böschungen 
innerhalb der 10 m-Stufen überschreiten beim Genfer See diesen Maxi- 



Morphometrie des Genfer Sees. 231 

malwert 5 mal, während sie ihm 3 mal nahe kommen. Man sollte dar- 
nach erwarten, dafs auch die mittlere Böschung, nach der Finster- 

walder-Peucker'schen Formel ty a = — —^-berechnet, wo h die Tiefen- 

A 

stufe, L die Länge alier Isohypsen, vermindert um den halben Wert 
der höchstgelegenen, A das Areal bedeutet, bei dem Genfer See einen 
höheren Betrag erreicht, als beim Bodensee. Das ist aber nicht der 
Fall, denn beide Seen besitzen denselben mittleren Böschungswinkel 
von 3 (Bodensee 52.23°/ 00 , Genfer See 52.3o°/oo). Fast das gleiche 
Resultat erhält man, wenn man die nach Penck (I, 56) berechnete wahre 
Bodenfläche mit seiner Spiegelfläche vergleicht. In Spalte 10 befindet sich 
für jede Tiefenstufe angegeben, um wieviel erstere gröfser als letztere 
ist, es ergiebt sich im ganzen eine Differenz zu Gunsten der wahren 
Bodenfläche im Betrage von 99 ha (Bodensee 82 ha). Daraus findet 
man das Verhältnis beider Flächen, die Bodenflächen-Entwickelung 
zu 1.0017, während der mittleren Böschung die Zahl 1.00136 eig- 
net, also etwas kleiner ist, weil diese nämlich der trigonometrischen 
Tangente des Neigungswinkels, jene der trigonometrischen Sek ante des 
Winkels entspricht. Die Sekante eines Winkels ist eben stets etwas 
gröfser als seine Tangente. 

Die Ursache, dafs der mittlere Böschungswinkel beider Seen 
völlig tibereinstimmt, trotz vielfacher höherer Einzelwerte beim Genfer 
See, liegt in zwei Thatsachen. Erstlich sind die Rampen der eigent- 
lichen Sohle {plafond bei Forel) beim Genfer See durchschnittlich weit 
flacher geneigt als beim Bodensee, und dann sind die Areale der 
Sohlen bei beiden Seen absolut wie relativ sehr verschieden an Gröfse. 
Im Bodensee umfafst die 22 m über der Maximal tiefe liegende Isobathe 
230 m: 25.51 qkm = 4k % des Gesamt- Areals, dagegen im Genfer See 
die nur 19.8 m über der tiefsten Stelle verlaufende Isobathe 290 m: 97.40 
qkm, d. h. 17$ des Areals, eine relativ wie absolut 4 mal gröfsere Fläche. 
Die Neigungsverhältnisse der Stufen 220 -230 m, 230— 240 m, 240 bis 
250 m betragen beim Bodensee 48.3°/oo, 35-8°/oo> i2.4°/ 00 , diejenigen 
der Stufen 270— 280 m, 280 — 290 m, 290— 300 m, 300 — 305 m beim 
Genfer See nur 40.5 °/oo, 29.8 °/ 00 , 10.6 °/ 00 , n.i ^ 1 ). 

Die Steilheit der Ufer in der Region der Abschaar (frz. talus) 
überragt übrigens an manchen Stellen noch weit die oben angeführte 
Maximal-Böschung von 130.3 °/ooi wie folgende kleine Tabelle nachweist, 
die ich mit etwas veränderter Bezeichnung dem Werke von Forel 
(I> 45 f-) entnehme. 



') Die Zahlen für die Isobathenflächen für 305, 308 and 309 stammen von 
Forel (I, 50). 



232 


W. H 


albfafs: 






Uferstelle bei: 


Breite d. Abschaar 
in m 


Mächtigkeit 


Mittlere 
Neigung 

% 


Maximai- 
Neigung 


Chillon 


75 


80 


94 


137 


Territet 


375 


I05 


28 


37 


Vernec 


55o 


"5 


23 


53 


Bassets 


95o 


145 


15 


40 


Pointe de Teilz 


1025 


175 


17 


83 


Corsier 


775 


220 


28 


So 


Rivaz 


875 


255 


29 


5i 


Treytorrents 


1650 * 


270 


17 


40 


Bouveret 


250 


I05 


42 


Si 


Fenalet 


200 


165 


82 


116 


St. Gingolph 


700 


205 


29 




Locon 


45° 


225 


5o 




Meillerie 


55o 


270 


49 




Tour ronde 


1400 


300 


21 




Chäteau de Blonay 


2200 


3<>5 


15 





Indessen kommen auch im Bodensee recht steile Böschungen vor t 
z. B. an der Halde vor der Bregenzer Clus (26.6 °/ ), vor dem Argen- 
Delta (39 7o), auf der Nordseite des Profils Meersburg-Bottighofen(i 00 7 ), 
endlich beim sogenannten Teufelstisch zwischen Wollhausen und Burg- 
hof im Überlinger See sogar 156%! Vereinzelte Fälle können eben 
nicht ohne weiteres verallgemeinert werden, und wir müssen uns nach 
besseren Beweisen für die Behauptung umsehen, dafs trotz gleichem 
mittleren Böschungsmittel der Genfer See nicht nur absolut, sondern 
auch relativ wasserreicher als der Bodensee ist. 

Ein solcher liegt zunächst in den Zahlen der Spalte 19 vor; dieselben 
geben nämlich an, wieviel °/o das Volumen jeder Tiefenstufe von dem- 
jenigen Volumen bildet, welches man erhält, wenn man die obere Iso- 
bathe mit der betreffenden Höhenstufe multipliziert, also die Verhältnis- 
zahlen des wahren Volumens zu demjenigen, welches entstehen würde, 
wenn der Böschungswinkel der Stufe 90 betrüge. Berechnet man 
die betreffenden Zahlen für den Bodensee, so ergeben sich dort bei 
fast allen Stufen viel kleinere Werte als beim Genfer See, wie folgende 
kleine Tabelle zeigt: 

Tiefenstufe o — 10 m 10-iom 10 — 30 m 90 — 100 m 130 — 140 m 190 — 200 m 
Genfer See 96.0% 98.9% 98.6% 98.1 °/o 98.0% 97-°7o 
Bodensee 87.0% 9Ö-7°/o 97-°7o 96.0% 94-6% 92-7% 

Zu dem gleichen Resultat gelangt man, wenn man das Verhältnis 
der See-Volumina mit dem Volumen desjenigen Kegels vergleicht, die 



Morphometrie des Genfer Sees. 233 

das betreffende See-Areal zur Grundfläche, die Maximaltiefe als Höhe 
besitzen. 

Das Volumen eines solchen Kegels beträgt beim Genfer See 
60.129 cbkm 1 ), d. i. 66.9% des wahren Volumens, beim Bodensee 
45.235 cbkm = 93.4% des wahren Volumens. Letzterer nähert sich 
also viel mehr der Kegelgestalt als ersterer, d. h. seine Böschung ist 
weniger steil. Sieht man Untersee und Obersee als getrennte Becken 
an, so wird für diesen das Verhältnis günstiger, für jenen ungünstiger. 
Denn das Kegelvolumen beim Obersee beträgt 39.942 cbkm (84%), 
beim Untersee 0.975 cbkm (n 7%), d. h. die durchschnittliche Böschung 
des Untersees ist noch geringer als die eines hineingestellten umge- 
kehrten Kegels. Peucker (Beiträge zur orom. Methodenlehre S. 31 ff. 
und Morphometrie der Koppenteiche S. 12 f.) nennt die Wölbung der 
Böschung eine konvexe, wenn das See-Volumen kleiner ist als ein 
Kegel von gleicher Grundfläche und Höhe, eine konkave, wenn das 
umgekehrte der Fall ist, und bezeichnet unter mittlerer Wölbung das 
Zahlenverhältnis zwischen dem Kegel gleicher Grundfläche und Höhe 
zum wahren Volumen. Bei konkaver Wölbung ist die Zahl positiv, 
weil der Kegel das Minimum bildet, bei konvexer Wölbung negativ, 
weil der Kegel dann das Maximum ist. Man erhält die Zahl nach der 

Formel -^ — 5- , wo T m die mittlere, T die Maximaltiefe bedeutet. 

Der Zahlen wert beträgt nun für den Genfer See + 0.496, für den 
Bodensee nur -h 0.19, und zwar für den Obersee allein H- 0.39, für 
den Untersee dagegen — 0.17 1 ). 

Es giebt aber noch ein anschaulicheres Mittel die gröfsere Steil- 
heit der Böschungen des Genfer Sees gegenüber denjenigen des Boden- 
sees deutlich zu machen, wenn man mit einander vergleicht 1) die- 
jenigen Tiefen, in der eine Ebene parallel dem See-Niveau gelegt 
werden mufs, um das See- Volumen zu halbieren und ihr Verhältnis 
zur Maximal- und mittleren Tiefe; 2) die Isobathenflläche der ent- 
sprechenden Tiefe; 3) diejenigen Tiefen, deren Isobathenflächen gleich 
der Hälfte des See-Areals ist und ihr Verhältnis zur Maximal- und 
zur mittleren Tiefe, und 4) die Volumina, welche die Seen bis zu 
dieser Tiefe besitzen. In folgender Tabelle sind die betreffenden Werte 
für den Genfer See, den Grand Lac und den Petit Lac einerseits, den 
Bodensee, den Obersee und den Untersee übersichtlich zusammen- 
gestellt, sie reden für den, der sie zu lesen versteht, eine beredte 
Sprache und sind wohl geeignet, unsere Behauptung end giltig zu 
beweisen. 



*) Nach Forcl (I, 07): 60.099 cbkm. 



234 


W. 


Halbfafe: 












Genfer 


Grand 


Petit 


Boden- 


Ober- 


Unter- 




See 


Lac 


Lac 


see 


see 


see 


Volumen halbierende Tiefe m 


87 


101.4 


23.8 


63.5 


65.1 


10.0 


Verhältnis zur Max.-Tiefe % 


28.1 


3*.8 


31.3 


25.2 


25.8 


2Z.6 


„ „ mittl. „ °/ 


56.4 


76.0 


93.0 


70.5 


65.1 


75.2 


Areal d. betr. Isobathenfl. qkm 


385^7 


353.03 


56.12 


299.0 


295.6 


34.94 


Verhältnis zum See- Areal °/ 


66.0 


70.0 


68.8 


55.5 


62.2 


53-8 


Tiefe der Isobathenfl., die = 














dem halben Areal ist m 


143 


172 


42 


78 


97 


18 


Verhältnis zur Max.-Tiefe °/o 


46.3 


557 


553 


30.9 


38-5 


38.8 


„ mittl. „ % 


93 


99 


112 


86.6 


97 


135-9 


Volum, bis z. dies. Tiefe cbkm 


59-8 1 


64.67 


2.434 


28.364 


32.308 


0.628 


Verhältnis z. See- Volumen °/ 


66.5 


74.5 


79.1 


58-5 


68.0 


75-5 



Wir müssen also daran festhalten, dafs der mittlere Böschungs- 
winkel, dessen Berechnung ja theoretisch unanfechtbar ist, mit der 
relativen Tiefe, d. h. der gröfseren oder geringeren Seichtheit eines 
Gewässers, durchaus nicht im notwendigen Zusammenhang steht. Davon 
überzeugt man sich auch, wenn man z. B. in der Peucker'schen Über- 
sicht der Europäischen Seen das Verhältnis der mittleren Tiefe zur 
gröfsten Tiefe mit dem Böschungswinkel vergleicht. 

Verh. der mittl. Tiefe Böschungswinkel 

zur gröfsten Tiefe 

Arend-See 59.1 

Atter-See 49 

Brienzer See 67 

Garda-See 40 

Königs-See 50 

Weifsensee in Kärnten 34 

Windermeere (England) 35 
Die auffallende Inkonsequenz, die sich zwischen beiden morpho- 
metrischen Gröfsen oft bemerkbar macht, rührt ohne Zweifel von der 
Um fangsent Wickelung der Isohypsen her, die ja bei der Berech- 
nung des mittleren Böschungswinkels eine hervorragende Rolle spielen. 

VII. Die Gliederung. 
Von den morphometrischen Werten, welche die Gliederung eines 
Sees, d. h. das Verhältnis seines Umfangs zum Flächeninhalt zur An- 
schauung bringen, ist wohl die wichtigste die Entwickelung des 
Umfangs U, d. h. diejenige Zahl, welche angiebt, um wieviel mal der 
Umfang eines Sees faktisch gröfser ist, als er im Minimum sein könnte, 



% 


6° 50' 


0. 

»'0 


6° 30' 


/o 


12° 


/o 


5° 35' 


°/ 
/o 


20° 30' 


/o 


9° 30' 


/o 


ö° 12' 



') Dabei ist für den Bodensee zu beachten, dafs er kein einheitliches, sondern 
ein zusammengesetztes Becken bildet; s. Peucker, Morph, der Koppenteiche, 
S. 13 Anm. 



Morphometrie des Genfer Sees. 235 

d. h. wenn er die Gestalt eines Kreises besäfse. Genau genommen 
dürfte der Umfang eines Sees nur verglichen werden mit dem Umfang 
einer Kalotte der Erdkugel; doch liegt, wie wir bereits S. 224 sahen, 
der dadurch entstandene Fehler völlig innerhalb der natürlichen Fehler- 
grenzen, kann also mit Fug und Recht vernachlässigt werden. Die 
Werte für die Länge der Isobathen in den einzelnen Tiefenstufen 
finden sich auf Tabelle I, Spalte 4 1 ). Mit einer Ausnahme (20,10m) nehmen 
sie zwar mit der Tiefe ab, doch nicht immer im Verhältnis zur Iso- 
b athenfläche; daher kommt es, dafs die Zahlen für die Umfangs- 
entwickelung (Spalte 5) mehrfach zu- und abnehmen, gerade wie beim 
Bodensee. Das Maximum erreichen die Zahlen für die Isobathen 30 
und 40 m (2.094), sie übertreffen hier die Umfangsentwickelung des 
See-Ufers nicht unbeträchtlich. Von 60 auf 70 m sinkt die Zahl plötz- 
lich um beinahe 2o°/o> um dann langsam bis zum Minimum 1.203 zu 
fallen, welches aber nicht etwa der tiefstgelegenen Isobathenfläche 
eignet, sondern derjenigen von 290 m; von 290 auf 300 m steigt sie 
sogar nicht unbedeutend. Verglichen mit dem Bodensee findet man 
dort in allen Tiefenstufen gröfsere Werte. Für die Oberfläche ist die 
Zahl dort 3.46, beim Genfer See nur 2.050; indefs rührt die auffallend 
hohe Zahl bei dem Bodensee, wie Penck richtig hervorhebt, daher, dafs 
der Untersee fast gänzlich vom Obersee abgetrennt ist ; würde man die 
Umfangsentwickelung für beide Teile gesondert berechnen, so würde 
man nur den bedeutend kleineren Wert 2.53 erhalten. Die Umfangs- 
entwickelung der Isobathen des Genfer Sees unterscheiden sich von 
denen des Bodensees noch dadurch, dafs der Unterschied von zwei 
benachbarten Stufen durchschnittlich geringer als dort ist. Damit hängt 
unmittelbar zusammen, dafs die Tiefenstufen des Genfer Sees fast 
durchweg eine gröfsere mittlere Tiefe besitzen als die des Boden- 
sees (Spalte 8); denn aus der Formel h m = ^ Sl ~*~ **\ (Penck 1, 40), wo 

2 (Sj -+- s 2 ) 

h die Stufenhöhe, s 2 die obere, s 2 die untere Grenz-Isobathe bezeichnen, 
fliefst, dafs die mittlere Höhe einer Stufe um so gröfser ist, d. h. um so 
weniger hinter der halben Stufenhöhe zurückbleibt, je mehr sich die 
beiden Grenz-Isobathen an Länge einander nähern. 

Der Grenzentwickelung einer Fläche entspricht nach Penck 
(1,67) ein bestimmter Zackenwinkel; es ist nämlich der Sinus des 
halben Zackenwinkels gleich dem reciproken Wert der Grenzentwicke- 
lung. Der Zacken winkel des Genfer Sees ist 58 ° 24' (der des Boden- 
sees nur 33 36*), d. h. wenn man den Umfang des Genfer Sees in 



1 ) Forel (I, a6) giebt den Umfang zu 167 km an, während ich als wahrschein- 
lichstes Resultat mehrerer Messungen 175.4 gefunden habe. 

Zeitschr. d. Ges. f. Erdk. Bd. XXXII. 1897. 17 



236 W. Halbfafc: 

die Peripherie eines flächen gleichen Kreises umbiegen wollte, so mtifste 
man in den Umfang des Kreises unendlich viele Zacken mit dem* 
Winkel von 58 24' einschalten, damit er den wahren- Umfang des Sees 
erreicht. Mit dem Verhältnis zwischen Inhalt und Umfang hängen noch 
einige andere Gröfsen zusammen, die Fenck für den Bodensee be- 
rechnet hat und die wir daher auch für den Genfer See ermittelt 
haben, um sie mit einander vergleichen zu können. Da ist zuerst die 
Tiefe der See fläche, worunter Penck die Höhe eines Dreiecks ver- 
steht, das mit dem See gleiche Grundfläche hat und dessen Basis 
gleich dem Umfang des Sees ist. Diese Zahl ist beim Genfer See 
6.642 km (Bodensee 5.135 km); ihr halber Wert oder die Breite eines 
Rechtecks, dessen Länge den Umfang, dessen Fläche das Areal des 
Sees darstellt, giebt an, wieviel qkm Seefläche auf 1 km Uferlänge 
kommen. Der mittlere Radius des dem Genfer See flächengleichen 
Kreises beträgt 13.615 km (beim Bodensee 12.303 km.) — Ich habe 
ferner diejenigen Linien konstruiert, welche vom Ufer den gleichen 
Abstand von je 1 — 6 km besitzen und dadurch gefunden, dafs die 
uferfernsten Punkte des Sees an zwei benachbarten, aber getrennten 
Gegenden des Sees liegen, einmal zwischen St. Sulpice (N) und Am- 
phion (S) und dann zwischen Evian und der Bucht zwischen St. Sulpice 
und Ouchy. Die Entfernung beträgt 6.2 km (Bodensee 6.025) und ist 
natürlich kleiner als die halbe gröfste Breite des Sees (6.9 km). Die 
Ausmessung der von den Linien gleichen Uferabstandes umschlossenen 
Areals ergab folgendes Resultat: 



Entfernung vom 


Ufer 


qkm 


°/ vom ganzen 


Areal 


(Bodensee) 


— 1 km 




172.00 


30 




42 


1—2 „ 




I39-30 


22 




21 


2-3 » 




I07.90 


18 




16 


3-4 „ 




73-45 


13 




II 


4-5 11 




67.50 


12 




7 


5—6 „ 




22.05 


4 




3 


6—6.2 „ 




0.30 











582.50 IOO 100 . 

Hieraus ergiebt sich eine mittlere Uferferne von 2.14 km (Boden- 
see 1.74 km), indem man die einzelnen Areale mit der halben Summe 
ihrer Entfernungen vom Ufer multipliziert und das Resultat durch das 
Gesamt-Areal dividiert. Zu dem gleichen Resultat gelangt man auch 
durch Integration der chorigraphischen Kurve (Abbild. 3), (s. Penck 
I, 70,) die man erhält, wenn man die Flächenräume als Abscissen, die 
zugehörigen Ufer-Entfernungen als Ordinaten aufträgt, und darauf 
folgende Division durch die Basis. 



Morphometrie des Genfer Sees. 23? 

Das Verhältnis des mittleren Radius, der See als Kreisfläche ge- 
dacht, zur wirklich gröfsten Uferferne, welches Penck die gröfste 
Zugänglichkeit des Sees nennt, ist 2.20 (Bodensee 2.17); das Ver- 
hältnis der mittleren Uferferne bei kreisförmiger Gestalt, die man gleich 
dem dritten Teil des mittleren Radius setzen kann 1 ) (I, 69), zur wirk- 
lichen mittleren Uferferne, kurz die „mittlere Zugänglichkeit" ist 2.12 
(Bodensee 2.62). Der. mittlere Radius, eine Beziehungsfunktion 
zwischen Areal und Umfang, steht auch mit der Böschung des Sees 
in einem gewissen Zusammenhang; denn der Quotient Seetiefe dividiert 
durch den mittleren Radius ist offenbar die trigonometrische Tangente 
des Neigungswinkels desjenigen Kegels, der mit dem See gleiches Areal 
und gleiche Tiefe besitzt. Dieser Böschungswinkel beträgt für den 
Genfer See i° 18' = 22.7 °/ 00 , d. h. 2.21 mal kleiner als die wirkliche 
mittlere Böschung. Beim Bodensee ist der Winkel i° 10 r = 19.25 °/ 00 
oder 2.7 mal kleiner als der wahre mittlere Böschungswinkel. Der 

Seetiefe 
Quotient ___ — _ — ist unter den gröfseren Seen der Alpen beim 
^ Mittl. Radius 6 r 

Bodensee beinahe am kleinsten, nur noch der Chiem-See weist eine 
kleinere Zahl (15.7 °/ 00 ) auf, dagegen erreicht er beim Garda-See den 
Wert 31.6 %o, LagoMaggiore 45.3 °/ o, Lago di Como 60.4 °/ o, Luganer 
See 7i.8%o> Walchen-See 84.0 °/ 00 und Brienzer See 85.5 %o- 

Ich kann aber Penck durchaus nicht beistimmen, wenn er (Morphom. 
des Bodensees, S. 147) dieser Zahlengröfse einen so hervorragenden 
morphometrischen Wert beilegt, dafs er sich zu dem Satz versteigt: 
,,Was Verhäitniszahlen zwischen Tiefe, Breite und Länge besagen, das 
zeigt in übersichtlichster Weise, auf den ersten Blick das Ver- 
hältnis der Seetiefe zum Radius". Denn ein direkter Rtickschlufs von 
dieser Zahl auf die relative Tiefe eines Seebeckens verbietet sich ein- 
fach deshalb, weil jene in erster Linie von der Uferentwickelung 
abhängt, die ja mit der Tiefe eines Sees gewifs nicht im direkten Zu- 
sammenhang steht. Die Verhältniszahl wird um so kleiner, je gröfset 
die Uferentwickelung, d. h. je zerlappter der See ist; daher steht auch der 
Luganer See (U = 3.53) in der obigen Reihenfolge so hoch über dem 
Garda-See (U = 1.829). Unsere norddeutschen Seen liefern weitere 
treffende Beispiele: Der Rheinsche See in Masuren besitzt die Ver- 
hältniszahl 21.4 %oi der Schaal-See im Ratzeburgischen 26.4%o; ersterer 
ist aber relativ viel tiefer eingesenkt als letzterer, denn seine mittlere 
Tiefeistmehr als V 3 , der Maximaltiefe während die desSchaalsees nur t / 1 ist. 
Die Uferentwickelung des Rheinschen Sees ist aber auch 7.037, die des 
Schaal-Sees nur 4.962*). Da scheint mir der von Geistbeck (Die Seen der 

*) Vgl. Rohrbach, Über mittlere Grenzabstände in: Peterm. Mitt. 1890, S. 37. 
-) Siehe des Verfassers Aufsatz über den Arend-See in: Peterm. Mitt. 1986, S. 176. 

17* 



$38 W. Halbfafe: 

deutseben Alpen, Mitt. des Vereins für Erdkunde in Leipzig 1884 
S. 203) herangezogene Vergleich zwischen Areal und Tiefe, den Penck 
(II, 215) und Ule (Die Tiefen-Verhältnisse der Masurischen Seen, Berlin 
1890, S. 40) verwerfen und dafür das Verhältnis der Seite eines flächen- 
gleichen Quadrats zur Tiefe einsetzen, immer noch geeigneter zu sein, 
einen See morphometrisch zu charakterisieren, obwohl das Verhältnis 
der mittleren Tiefe zur Maximaltiefe stets die •wichtigste Zahl für ver- 
gleichende Limnometrie bleiben wird. — 

Fassen wir endlich noch die rein geographische Gliederung ins Auge, 
so mufs der Petit Lac zu den Gliedern, der Grand Lac zum Rumpf 
des Genfer Sees gerechnet werden. 

Beide stehen etwa in ähnlichen morphologischen Verhältnis zu 
einander wie Überlinger See und der Obersee; sie werden durch die 
Untiefe von Promenthoux von einander geschieden, welche sich 10 m 
über dem tiefsten Punkt des Petit Lac befindet und sich als eine rich- 
tige barre, wie sich die Franzosen ausdrücken, charakterisiert. Beide 
Teile weichen morphologisch beträchtlich von einander ab. Während 
nämlich der Grand Lac ein einheitliches Becken bildet mit einer breiten 
Sohle {plafond) in der Mitte, die nach allen Seiten hin ansteigt, ohne 
wieder zu fallen, enthält der Petit Lac mehrere grubenartige Vertiefungen 
(euvettes) und Untiefen (barres), allerdings nur von verhältnismäfsig ge- 
ringem Umfang und schwach ausgeprägt. 

Die 1.52 qkm grofse Vertiefung von Nyon liegt bis 9.9 m unter 
der Untiefe von Promontboux und ist durch die 13.3 m höher liegende 
Untiefe von Messery von der 2.82 qkm grofsen Vertiefung von 
Tougues getrennt. Westlich von dieser, von ihr durch die 6 m höher 
liegende Untiefe von Hermance geschieden, liegt die 1.88 qkm grofse 
Vertiefung von Chevran und die nur 0.15 qkm grofse Vertiefung von 
Coppet. Endlich liegt noch eine nur 0.12 qkm grofse Vertiefung 
zwischen Bellevue und Bellerive, nach Osten von den übrigen Ver- 
tiefungen durch die nur 4 m höhere Barre von Genthod gesondert. 
Da nun, wie bereits S. 229 angegeben, der Petit Lac 81.80 qkm, der 
Grand Lac 500.66 qkm grofs ist, so ergiebt sich für die Rumpfgliede- 
rung, d. h. das Verhältnis von Gliedern zu Rumpf (Penck I, 67) die 
Zahl 0.163 (Bodensee 0.233). Um die Blockgliederung des Sees, 
d. h. das Verhältnis der Halbinseln zu der um sie vermehrten Seefläche 
(Penck ebenda) zu ermitteln, mafs ich planimetrisch alle in den Genfer 
See hineinragenden Landteile, sofern ihre Grofse nicht unter einen zu 
geringen Betrag sank, und fand als Areal aller Halbinseln 135.20 qkm 
und daraus für die Blockgliederung den Wert 0.19 (Bodensee 0.238). 
Die gröfste Halbinsel ist der zwischen Genf und Condree teils zur 
Schweiz, teils zu Savoyen gehörige, in den See hineinspringende Land- 



Morphometrie des Genfer Sees. 



239 



;eil im Südwesten (84.50 qkm); die übrigen sind bedeutend kleiner an 
Fläche und liegen meist am Nordufer, die gröfste zwischen Morges 
und Rolle (18.50 qkm). 

VIII. Die Insulosität. 

Der Genfer See besitzt keine natürlichen Inseln (Forel I, 24); 
das, was man Inseln nennen könnte, sind nur künstliche Auftragungen 
auf flachem Grunde. Es sind deren vier: 1) lllot de Peutz vor Villeneuve 
77 qm, 2) la Roche aux Monettes zwischen Ciarens und der 
Tour de Peil 1600 qm, 3) l'Ile de la Harpe bei Rolle 5000 qkm und 
4) nie Verte bei Choisy 50 qkm grofs; zusammen sind diese vier künst- 
lichen Inselchen nur 6727 qkm grofs, die Insulosität des Genfer Sees, 
eigentlich = 0, beträgt dann gut gerechnet 0.000012. (Bodensee 0.00973). 

Es folgt eine übersichtliche Zusammenstellung der wichtigsten 
morphometrischen Werte für den Genfer See und den Bodensee (Tafel IV), 
wobei der Obersee aus den S. 235 angeführten Gründen noch be- 
sonders berücksichtigt wurde. Die gröfsere Meerähnlichkeit des 
Genfer Sees scheint mir daraus deutlich hervorzugehen. 









Tab 


eile 


III. 


Petit 


Lac. 


«) 






X 


a 
Areal 
qkm 


3 
°/oo 
▼om 
Areal 


4 

Tiefen- 
stufe 

m 


5 

Areal 
qkm 


6 

°/oo 

▼om 

Areal 


7 8 9 x° 
Volumen in Millionen cbkm 


ZI 

°/oo 
▼om 
Volu- 
men 


Tiefe 
m 


Kegel- 
stumpf- 
Methode 


Mittel- 
bildung 


Simp- 
son'fche 
Formel 


Wahr- 
schein- 
licher 
Wert 



5 


81.80 
7030 


IOOO 

859 


0-5 
5—IO 


II.50 
6.20 


I4O.O 
75.8 


379-9 
335-9 


380.2 
336.O 


l 712.8 


} 7 J 3 


J 231.8 


IO 


64.IO 


784 


IO— IO 


5.70 


69.7 


612.3 


612.5 


609,2 


610 


I9M 


20 


58.40 


714 


20 — 30 


6.00 


73-7 


553.7 


554.0 


557-8 


557 


181. x 


30 


51.40 


641 


30—40 


9.20 


112.5 


477.3 


478.0 


479*5 


479 


155-7 


40 


43.20 


5*8 


40—50 


I2.IO 


148.0 


370.9 


37*-5 


375-5 


375 


III. 9 


50 

55 


31.30 
15.10 


383 
307 


50—55 
55-60 


6.IO 
6.90 


74.6 
84-3 


140.7 
107.8 


141.0 
108.25 


| 148.1 


} »49 


\ 90.O 


60 
65 


I8.ZO 
7.90 


221 

96 


60 — 65 
65-70 


IO.30 
6.11 


125.3 
747 


63.5 
22.4 


65.25 
24.25 


} 86.0 


} 88 


} *8.6 


70 


I.79 


22 


70—75 


1.67 


20.4 


5.9 


4.8 


— 


5 


1.0 


75 


0.12 


1 


unter 75 


0.12 


1.4 


0.0 


— 


— 


— 


— 


— 


— 


— 


— 


Im G 


anzen 


3070.3 


3076.8 


3075.6 


3076 


— 



*) Tabelle I, II und IV s. S. 240—243. 



240 



W. Halbfafs: 



Tabelle I. 



I 




3 


3 


4 1 5 6 


7 8 | 9 1 xo 


11 


IS 


Tiefe 


Areal 
in qkm 


°/oo des 
Areals 

bei 
Mittel- 
wasser 


Länge 
der 
Iso- 
hypsen 
km 


Ufer- 
ent- 

wicke- 
lung 


Tiefen- 
stufen 

m 


Areal 
in qkm 


o/eo 
vom 
Areal 

bei 
Mittel- 
wasser 


Mittl. 
Höhe 
in m 


Boden 
fläche 
gröfser 

als 
Spiegel- 
fläche 
in qkm 


Böschungs- 
winkel 

fao/ » iB /< 

| und z 


Hochwasser 


590.65 


I0l6 


— 


— 


0-5 


28.52 


49-0 


2.49 


O.OI3 


30.3; i°44' 


Mittelwasser 
Om 


58M6 


IOOO 


175-4 


2.O50 


5—10 


12.44 


21.4 


— 


O.O3O 


68.3! 3° 55' 


Tiefwasser 


576.06 


994 


— 


— 


10—20 


12.44 


21.4 


5.02 


O.II2 


136.3 7 46' 


5m 


Tiefe 


553-94 


951.O 


169.75 


2.035 


20 — 30 


15.26 


26.2 


4.99 


O.O92 


110.8 6° ig' 


io„ 


V) 


541.50 


929.7 


169.1 


2.050 


30—40 


22.80 


39.I 


4.98 


O.O56 


7 3.0 j 4 ° 11' 


*©, 


» 


529.06 


908.3 


169.95 


2.084 


40 — 50 


26.30 


45-2 


4.96 


O.O47 


61.1, 3 30' 


30» 


» 


513-80 


882.1 


168.3 


2.094 


50 — 60 


27.70 


47.6 


4.98 


O.O42 


56.1 1 3° 3' 


40» 


» 


491.00 


843-0 


164.5 


2.094 


60 — 70 


33.90 


58.2 


4.84 


O.O27 


41.4] 2° 21 


50 n 


9 


464.70 


797-8 


157.1 


2.056 


7O—8O 


16.70 


287 


4.91 


O.O42 


7*-3 ! 4° 8' 


60 „ 


n 


437.00 


750.3 


153.5 


2.071 


8O—9O 


17.60 


30.2 


4.97 


O.032 


63.6 3°3<> 


70 n 


yt 


403.10 


692.1 


127.25 


1.788 


90 — IOO 


13.30 


22.8 


4.99 


O.O43 


81.3 4°3^ 


80 „ 


y> 


386.40 


663.4 


114.25 


I.640 


100 — HO 


17.OO 


29.2 


4.97 


O.03O 


62.7; 3 3; 


90« 


» 


368.80 


633.2 


109.7 


I.6II 


110 — I20 


15.70 


27.O 


4-97 


O.028 


65.1 1 3 C 44 


100 „ 


» 


355-50 


610.3 


108.2 


I.619 


I20 — I30 


14.40 


24.7 


4.97 


O.O34 


68.7, 3 50 


HO» 


n 


338.50 


581.1 


103.9 


1-593 


I30 — I40 


12.60 


21.6 


4-97 


O.036 


78.91 4°3* 


120 „ 


» 


32280 


554-* 


100.55 


1.656 


I40 — 150 


14.50 


24.8 


4.98 


O.029 


64. i| 3° 4c 


130« 


» 


308.40 


5*9-5 


97.25 


1.562 


I50— l6o 


10.30 


17-7 


4.97 


O.039 


87.1 4 C 59 


140» 


» 


295.80 


507.8 


93-9 


1.505 


160 — I70 


13.30 


22.8 


4.98 


O.029 


66.4! 3°48 


i5°» 


» 


281.30 


484-9 


91.8 


1.544 


I70 — 180 


12.10 


20.8 


4.98 


O.O3O 


71-9, 4^7 


160 „ 


» 


271.00 


465.3 


88.5 


1.5x7 


I80 — I90 


I3.60 


23.3 


4-97 


O.024 


6i8!3°3> 


170« 


» 


257.70 


442.4 


88.25 


1.551 


I90 — 200 


II.30 


19.4 


4.97 


0.028 


7i.6' 4 c b' 


180 „ 


» 


245.60 


421.8 


85.9 


1.546 


200 — 2TO 


I3.5O 


23.2 


4.97 


O.023 


57-9; 3 c i9 


i9°« 


i» 


232.00 


398-3 


82.4 


1.526 


2IO — 220 


14.20 


24.4 


4.96 


0.020 


52.9! 3 * 


200 n 


*» 


220.70 


378-9 


79.6 


1.5x2 


220 — 230 


I5.3O 


26.3 


4-97 


O.OI7 


47-3J 2°42 


2IO„ 


n 


207.20 


356.1 


76.9 


1.507 


23O—24O 


X7.IO 


29.3 


4.93 


O.OI4 


40.1 2 c i8 


220„ 


» 


193.00 


333-1 


73-4 


1.49 1 


24O — 250 


8.60 


147 


4-99 


O.O24 


75-9 


4°« 


*30» 


9 


177.70 


305.1 


71.4 


1.511 


250 — 260 


9.OO 


15-5 


4.90 


0.02I 


67.7 


3°53 


MOn 


n 


160.60 


*75-7 


6575 


1.464 


260 — 270 


18.20 


31.2 


4-93 


0.008 


30.3 


l°AA 


^5°n 


n 


152.00 


260.9 


64.75 


1.482 


27O — 280 


I2.4O 


21.3 


4.70 


O.OIO 


40.5 


a c i< 


260 n 


n 


143.00 


*45-5 


57-^5 


1.351 


280 — 29O 


15.00 


25.7 


4.90 


O.OO7 


29.8 


i°4. 


270,, 


w 


124.80 


214.3 


53.0 


1-338 


29O — 30O 


36.60 


62.8 


4-86 


0.002 


10.6 


o°5- 


280 „ 


» 


112.40 


192.9 


47-5 


1.278 


3OO—305 


I4.7O 


25.2 


2.42 


0.00 X 


11. 1 


o°5 


a90„ 


n 


97.40 


167.2 


42.1 


1.203 


305—308 


16.IO 


27.6 


— 


— 


— 




300« 


« 


60.80 


104.4 


35-75 


1.293 


308—309 


I7.OO 


29.2 


— 


— 


1 


305« 


>♦ 


46.10 


79- * 


29.6 


1.230 


unter 
309 m 


13.OO 


22.3 


— 


— 


— 1 - 






















Im Mitte! 


308» 


» 


30.00 


5i-5 


— 


— 


Total bei 
Mittelwasser 


582.46 


IOOO 


— 


0-99 


5*-34| - 


309« 


w 


13.00 

— 


22.1 










— 


— 




bei Ho 
b.Nied 


chwas 
erwas 



Morphometrie des Genfer Sees, 



241 



14 15 16 

Volumen in Millionen cbm 



bcrcchn. 
als 
Kegel- 
stumpfe 


dgl. mit 

Iso- 

bathen 


2840.7 


284O.7 


*738-5 


*738-5 


535*-7 


535*-8 


5214.1 


5214.1 


5023.7 


5023.5 


4778-o 


4777-4 


4507-7 


4507-9 


4199.3 


4195-1 


3947-3 


3946.0 


3775-7 


3775-4 


36*1.3 


3621.3 


34697 


3469.5 


3306.3 


3305.3 


3I55-7 


3155.6 


3020.7 


3020.6 


2885.3 


2885-* 


2761.3 


2761.2 


2643.3 


2643.2 


2516.3 


2516.3 


1388.0 


2387.6 


2263.7 


2263.2 


2140.7 


2139.1 


2000.7 


2000.4 


1853.0 


1853-0 


1690.7 


1690.3 


1562.7 


1562.9 


1473-7 


1474.1 


1338.0 


1337.7 


1185.3 


1 182.3 


1048.0 


1047.5 


783-7 


785-9 


266.3 


266.1 


113.0 


— 


20.9 


— 


3.0 


— 


89590 


89540 


— 


— 



berechnet 

nach der 

Simpson'schen 

Formel 



berechn. 
durch 
Mittel- 
bildung 



Wahr- 
schein- 
licher 
Wert 



18 


»9 


°/oo vom 
Volumen 

bei 
Mittel- 


°/o vom 
größt- 
möglich. 
Volumen 


wasser 




31-5 


97-4 


30.4 


98.7 


59-5 


98.9 


58.0 


98.6 


55-9 


97-8 


53-1 


97-8 


50.2 


97.0 


46.7 


96.0 


43.8 


97-7 


42.0 


97-7 


40.3 


98.1 


38.6 


97.6 


36.8 


97.8 


35-i 


97.6 


33.6 


98.0 


32.1 


97-5 


307 


98-3 


29.5 


975 


28.0 


97-5 


26.6 


97-1 


*5-7 


97.o 


23.8 


96.9 


22.3 


96.7 


20.6 


96.3 


18.7 


94.8 


17-3 


96.6 


16.5 


97.5 


14.9 


93-9 


13.1 


94-7 


11.7 


93.8 


8.8 


81.1 


2.9 


87.9 


i.3 


82.6 





70.0 





— 


1000 


— 


— 


— 



Volumen 
der tiefer 
gelegen. 
Tiefen- 
stufen 

Mill. cbm 



31 

°/oo vom 

Volumen 

bei 

Mittel- 



5566.2 
' IO925.I 

IO571.8 
IO250.9 
9808.3 
9*89.3 
8719.3 
8U9.3 
7725.O 

7390.5 
7097.7 

6774.3 
6460.3 
6174.O 

5097-7 
5640.0 
541O.O 
5158.O 
49*37 
4647.7 
4406.7 
4141.7 

3856.3 
3548.o 
3240.3 

3038.7 
2829.3 

2515.3 
2239.3 
1876.0 

1178.7 
408.7 



89896 



2841.0 
2737.6 

535*-8 
5214.3 

5024.0 

4778.5 
4508.5 
4200.5 

3947-5 
3776.o 
3621.5 
3470.0 

3306.5 
3156.0 
3021.0 

2885.5 
2761.5 

2643.5 
2516.5 
2388.0 
2263.5 

2138.5 
2001.0 

J853-5 

169 1.5 

1563.0 

1475.0 

1339.0 

11 86.0 

1049.0 

791.0 

277.2 

114.1 

21.5 

6.5 
89922 



*835 

»733 

5355 
5*18 
5029 
478o 
4511 

4197 
3940 

3774 
3622 

347i 
3305 
3154 
3021 

2884 
2762 
2644 
2516 
2388 
2264 
2140 
2002 

1857 
1686 
1556 
1482 
1342 

1183 
105 1 

79o 

267 

114 

21 

6 

89900 
90770 
89219 



87065 
8433* 

78977 
73759 
68730 
63950 

59439 
55242 
51302 
475*8 
43906 

40435 
37130 

33976 

30955 

28071 

25309 

22665 

20149 

17761 

15497 

13557 

"355 

9498 

7812 

6256 

4744 

343* 

2249 

1198 
408 
141 

*7 
6 



968.5 
938.1 
878.6 
820.6 

764.7 
711. 6 
661.4 
614.7 
57o.9 
5*8.9 
488.6 
450.0 
413.2 
378.1 

344.5 
312.4 

281.7 
252.2 
224.2 
197.6 
172.3 

148.5 

126.2 

105.6 

86.9 

69.6 

53-i 
38.2 
25.1 
13-4 

4.5 

1.4 

0.1 

o 



242 








w. 


Halbfafe: 










Tabelle II. Grand Lac. 


X 


a 


3 


4 


5 


6 


78 9 zo 


XX 




Areal 
in qkm 

1 


°/oo 

des 

Areals 


Tiefenstufen 
m 


Areal 
in qkm 

1 


°/oo - 
vom 
Areal 


Volumen in Millionen cbm 


°/oo 


Tiefe 
m 


Kegel- 
stumpf* 
Methode 


Mittel- 
bildung 


IWahr- 

Simpsonsche ! schein- 

Formel 1 lieber 

1 Wert 


vom 
ganten 
Volu- 
men. 


O 


500.66 


IOOO 


0—5 


17.02 


34.O 


2450.3 


2460.7 


1 


2460 


28.3 


5 


483.64 


971.7 


5—10 


6.20 


12.4 


2402.6 


2402.6 


\ 9603.1 


2403 


27.7 


IO 


477.40 


944.0 


10 — 20 


6.74 


13.4 


4740.2 


4740.3 


1 9404.6 
! 9*13-5 
> (8953.5 
1 8667.3 

| 8366.3 
1 8034.7 

} 77I9.0 
| 7390.0 

1 7096.3 
\ 6774.O 

} 6460.3 
} 6174.O 

1 5909-6 
| 5640.O 

} 54IO.O 
} 5158.0 
. \ 49*37 
) 4*47.7 

} 4406.7 
} 4I4I.7 

} 3856.3 
j 3548.0 

} 3*40.3 

} 3038.7 

| 2829.3 


474* 


54.6 


20 


470.66 


889.4 


20—30 


9.26 


18.5 


4660.2 


4660.3 


4662 


537 


30 


461.40 


835-6 


30—40 


13.60 


27.2 


4545-8 


4546.O 


4547 


52.4 


40 


447.80 


783.* 


40—50 


14.20 


28-4 


4405.8 


4406.O 


4406 


50.7 


50 


433.40 


73*-5 


50 — 60 


14.70 


29.4 


4260.8 


4261.O 


4262 


49.I 


60 


418.80 


683.4 


60 — 70 


17.49 


34.9 


4I00.2 


41OO.5 


4100 


47* 


70 
80 


401.31 
386.40 


636.2 
590.7 


70—80 
80—90 


14.91 

17.60 


29.8 
35-1 


3938.3 
3775-7 


3938.5 
3776.O 


3939 
3774 


454 
435 


90 


368.8O 


545-1 


90 — 100 


13.40 


26.8 


3621.3 


362I.O 


3622 


417 


IOO 


355.40 


505.5 


IOO — HO 


16.90 


33-8 


34697 


3469.5 


347i 


40.O 


HO 

120 


338.50 
322.80 


465.5 
4*7.3 


HO — 120 
I20 — I3O 


15.70 
14.40 


31-4 
28.8 


3306.3 
3155.7 


3306.5 
3156.O 


3305 
3154 


38.1 
36.3 


130 
140 


308.40 
295.80 


391.0 
356.2 


I30 — I40 
140 — 150 


12.10 

14.50 


24.0 
29.0 


3020.7 
1885-3 


302I.O 
2885.5 


3021 
2884 


34.8 
33.2 


150 


281.30 


322.9 


I50 — IÖO 


10.30 


20.6 


2761.3 


2761.5 


2762 


31.8 


160 
170 


27I.OO 
257.70 


291.1 
260.7 


l6o — I70 
170 — I80 


13.30 

12.10 


26.5 
24.0 


2643.3 
2516.I 


2643.5 
2516.5 


2644 
2516 


30.4 
29.0 


180 


245.60 


231.7 


180 — I9O 


I3.60 


27.2 


2388.O 


2388.O 


2388 


*7-5 


190 


232.OO 


204.1 


I90 — 200 


II.30 


22.6 


2263.7 


2263.5 


2264 


26.1 


200 


220.70 


178.0 


2O0 — 210 


I3.5O 


27.0 


214O.7 


2138.5 


2140 


24.6 


210 


207.20 


153-4 


2IO — 220 


14.20 


28.4 


2000.7 


200I.O 


2002 


23.1 


220 
230 


193.OO 
177.70 


130.3 
108.9 


220 — 230 
23O — 24O 


15.3O 
I7.IO 


35.6 
34.1 


I853.0 
1690.7 


1853.5 
1691.5 


1857 
1686 


21.4 
19.4 


240 


160.60 


89.4 


24O—250 


8.60 


17.2 


1562.7 


1563.5 


1556 


17.9 


250 


152.OO 


7i.5 


25O — 260 


9.OO 


18.0 


1473.7 


1475.0 


148* 


17.1 


260 


143.OO 


54-4 


260 — 270 


I8.20 


36.3 


1338.0 


1339.0 


1342 


15-3 


270 


124.80 


39.1 


27O — 280 


12.40 


24.8 


II85.3 


II86.O 


J*5I5.3 

J 2239.3 

\ I876.O 


1183 


13.6 


280 
290 


112.40 
97.40 


*5-5 
J 3-4 


280 — 29O 
29O — 3OO 


I5.OO 
36.60 


30.0 
73.0 


IO48.O 
783-7 


IO49.O 
791.O 


1051 
790 


12. 1 
9° 


300 


60.80 


4.3 


3OO — 305 


I4.7O 


29.4 


266.3 


277.2 


\ 


267 


3.0 


305 


46.IO 


1-3 


305—308 


16.IO 


32.2 


II3.0 


II4.I 


l"78.7 


114 


i.3 


308 


30.00 


0.0 


308—309 


I7.OO 


34.0 


2O.9 


21.5 


408.7 


2T 


0.0 


109 


13.OO 


0.0 


3O9—3O9.7 


I3.OO 


26.0 


3.0 


6.5 




6 


0.0 



Morphometrie des Genfer Sees, 
Tabelle IV. 



243 



Genfer See 



Bodensee 



Obersee 



Meereshöhe in m 

Areal „ qkm 

Amplitude des Areals bei höchstem Wasser- 
stande in qkm 

Verhältnis der Amplitude zum See-Areal . . . 

Umfang in km 

Entfernteste Uferpunkte „ „ 

Grölste Länge „ „ 

,» Breite f „ 

Mittlere Breite „ „ 

Maximaltiefe „ m 

Volumen , cbkm 

Amplitude des Volumens bei höchstem und 

niedrigstem Wasserstande .... in cbkm 

Verhältnis der Amplitude zum See- Volumen . . 

Mittlere Tiefe in m 

Verhältnis der mitleren Tiefe zur Maximaltiefe 
Verhältnis des Volumens zu einem Kegel gleicher 

Grundlinie und Höhe 

Konvexität — Konkavität — (Peucker) . . . 

Mittlerer Böschungswinkel 

Volumenhalbierende Tiefe in m 

Verhältnis zur Maximaltiefe 

Verhältnis der entspr. Isobathenfläche zum See- 
Areal 

Arealhalbierende Tiefe in m 

Verhältnis zur Maximaltiefe 

Verhältnis des Volumens bis zu dieser Tiefe zum 

See- Volumen 

Grenzentwickelung 

Zackenwinkel 

Tiefe der Seefläche in km 

Radius der „ „ „ 

Verhältnis der Maximaltiefe zum See-Radius 

Mittlere Uferferne in km 

Grölste Zugänglichkeit „ „ 

Mittlere „ . „ „ 

Uferfernster Punkt „ „ 

Rumpfgliederung 

Blockgliederung 

Insulosität 



37* 
58246 

744 
0.013 

175-4 

634 

72. 3 

138 

8.1 

309.7 

89-9°° 

1.551 
0.017 
1544 
0498 

0.669 
-f- 0.496 
3 (0051) 

87 
0.281 

0.66 

143 
0463 

0.665 
2.050 
58° 24' 
6.642 
13.615 
0.0227 
2.14 
2.20 
2.12 
6.2 
0.163 
0.19 
0.0000 12 



395 
538.5* 

64.80 
0.125 

284.5 

69.0 

75.0 

13.0 
7.18 
251.8 

4843* 

1.796 
0.036 
90.0 
0.357 

0.934 
+ 0.19 
3 (0.052) 
63.5 

0.252 

o-555 

78 

0.309 

0.585 

346 

33° 36' 

3.786 

13.093 

0.019 *5 

1.74 

2.17 

2.70 

6.025 

0.233 

0.238 

0.009 73 



395 
47549 

46.15 
0.097 
185«* 
63.5 
67.0 
13.0 
7.10 
251.8 
47.600 

1.5855 
0.034 
100.0 

0.397 

0.84 
■4-0.39 

3°3 / (o.o54) 
65.1 
0.258 

0.622 

97 

0.385 

0.68 
240 

49° H' 

5- J 35 

12.303 

0.020 48 
1.92 
2.04 
2.62 
6.025 



0.001 72 



Reisen und Forschungen in Nord -Griechenland. 

Von Dr. Alfred Philippson. 
Schlufc.i) 

VIEL. Der Ätolische Pindos. 
i. Arta— Patiöpulon (Synteknon) — Pigädia — Granftsa*). 

Nach zweitägiger Rast (15. und 16. Juni) in Arta brach ich am 
frühen Morgen des 17. Juni zu einer Durchquerung des südlichen, der 
Provinz Ätolien-Akarnanien zugehörigen Teiles des Pindos auf, welche 
durch die Landschaften Vältos und Agrapha nach Karpenfsi führen 
sollte. Obwohl schon seit dem Bestand des Königreichs Griechenland 
mit ihm vereint, stehen doch diese Landschaften auf keinem höheren 
Standpunkt der Kultur und Sicherheit, als die nördlicheren neu er- 
worbenen Teile des Pindos -Gebirges; ihre natürliche Unwegsamkeit 
ist noch gröfser, wenigstens östlich des Aspros, da, bei ziemlich 
gleicher Höhe der Kämme, hier die Erosions thäler noch tiefer einge- 
schnitten sind, als dort. Namentlich gehören die Thäler des Agra- 
phiötikos und Mdgdovas zu den wildesten und abgelegensten Land- 
schaften Griechenlands. Dagegen wird die Bereisung erleichtert durch 
das Vorhandensein einer leidlichen Karte, der „Carte de la Grece", 
die freilich gerade hier recht viele Fehler aufweist. 

Die Temperatur blieb auch jetzt noch angenehm frisch. (In Arta 
am 15. 3 Uhr nachm. -+- 25 j°, am 16. 3 Uhr nachm. 274 ; am 15. 
nachmittags Bewölkung; an der Tsumerka schien es zu regnen. Am 
17. zeigten sich nachmittags wieder Wolken, und es donnerte in Syn- 
teknon, ohne zu regnen.) 

Wir verliefsen Arta durch den nördlichen Ausgang der Stadt, 
auf der Chaussee, die nach Ätolien führt. Nach einer Viertelstunde 
kommen wir an der Stelle vorbei, wo der Weg nach dem Norden ab- 
zweigt, den wir vor einem Monat eingeschlagen hatten. Von hier 
wendet sich die Strafse nach Südost, der langen schmalen Ebene 
folgend, die, ohne von einem Flufslaufe durchzogen zu werden, die 

J ) Vgl. diese Zeitschrift XXX, 1895, S. 135—225. 417—498. XXXI, 1896, 
S. 193 -294. 385—450- 

Diese Berichte sind auch als Sonderabdruck unter dem Titel: „Thessalien und 
Epirus. Reisen und Forschungen im nördlichen Griechenland von Dr. Alfred 
Philippson" von der Gesellschaft fUr Erdkunde zu Berlin herausgegeben worden 
und durch W. H. Kühl, Berlin W. 8. zu beziehen. 

i) Vgl. diese Zeitschrift XXXI, 1896, Tafel 13, Profil No. 20. 



A. Philipp son : Reisen and Forschungen in Nord- Griechen! and. 245 

Hügelkette von Arta von dem östlicheren Hügelland vollständig ab- 
trennt. Rechts liegen die Hügel des weifsen, dichten Kalkes von 
Arta, dessen Schichten steil nach Osten einfallen, meist aber durch 
die starke Schrattenbildung, welche die Oberfläche des Kalkes bedeckt, 
unkenntlich gemacht sind. Zur Linken haben wir niedrige Sandstein- 
hügel, an deren Fufs sich Olivenhaine entlang ziehen, während Mais, 
Getreide und — eine hier zu Lande seltene Erscheinung — auch 
Haferfelder den gröfsten Teil der noch nicht einen Kilometer 
breiten Ebene einnehmen. Die Strafse zieht zuerst mitten durch die 
Ebene, berührt dann aber (55 Min. von Arta) den Ostrand. Die 
Hügel bestehen aus ONO fallendem Flyschsandstein. 20 Minuten 
weiter biegen wir nach OSO von der Strafse ab, auf das an dem 
Hügelrand gelegene grofse Dorf Kompöti zu. Die Ebene setzt sich 
hier in einer kleinen Stufe zu einem etwas niedrigeren Niveau ab. 
An der Quelle, die unterhalb Kompöti (1278 Einw.) am Rande der 
Flyschhtigel entspringt (2 St. von Arta), machten wir eine Weile Halt. 
Anmutig liegt das Dorf zwischen Ölbäumen an dem sanft ansteigenden 
Gelände. Dahinter sieht man in einiger Entfernung einen höheren 
kahlen Flyschrücken, der die ganze Umgegend beherrscht; auf ihm 
liegen mehrere zerfallene türkische Kastelle. 

Durch ein Thälchen steigen wir nach OSO an, über NO fallenden 
Flyschsandstein, und kommen dann über einen niedrigen Rücken hin- 
unter in das ziemlich breite Thal des ansehnlichen Flusses (35 Min.), 
der bei Köpraena in den Ambrakischen Golf mündet; eine Strecke 
weit folgen wir seinem linken Ufer aufwärts, an zwei starken türkischen 
Kastellen vorbei, die ziemlich neuer Entstehung zu sein scheinen. Die 
Höhen ringsumher bestehen aus Flysch. Im Süden trennen niedrige 
Hügel, auf denen wieder drei verlassene Burgen liegen, unseren Flufs 
von dem Flufssystem von Anino, das von SO aus dem Flyschgebirge 
der Eparchie Vältos herauskommt. Die Türken hatten in dieser ganzen 
Gegend ihre Grenze gegen die Ausfälle und Plünderungszüge der 
Valtiner stark befestigt. 

Bei dem zweiten Kastell am Flufs kreuzen wir diesen und steigen 
an dem jenseitigen Flyschgehänge durch üppige Maquien nach Osten 
aufwärts, an einem Hirtenlager vorbei. Wir überschreiten hier die 
ehemalige Grenze des Königreichs Griechenland und betreten den 
Boden der Provinz Ätolien-Akarnanien, und zwar der Eparchie Vältos. 
Dieser Bezirk umfafst das Land zwischen dem Golf von Ambrakia und 
dem Aspropötamos, hinab bis zum ätolischen Seenbecken. Ähnlich, 
wie die Radovfzi, besteht sein Boden mit Ausnahme des Gävrovo-Ge- 
birges aus Flysch, und auch hier wieder finden wir auf diesem Gestein 
die Bevölkerung in kleinen Weilern oder sogar in einzelnen Häusern 



246 A. Philippson: 

zerstreut, die, wie einst die Blockhäuser im amerikanischen Urwald, 
auf kleinen Lichtungen inmitten der unabsehbaren Maquien und Eichen- 
wälder liegen. Das ist der Hauptgrund des zurückgebliebenen Kultur- 
zustandes der Bevölkerung im Vältos wie in der Radovfzi. Jeder ist 
auf sich selbst angewiesen, der Gemeinsinn fehlt, und die Leute werden 
durch die Einsamkeit und Abgeschlossenheit mürrisch und finster. 
Jedes Bedürfnis, jedes Genufsmittel oder Werkzeug, das man entbehrt, 
kann nur durch weite Wege beschafft werden; man verzichtet daher 
lieber darauf und lebt in äufserster Bedürfnislosigkeit und Rohheit. 
Die Kinder in eine Schule zu schicken, ist unmöglich. Nach der 
Zählung von 1879 hat die Eparchie Vältos den verbal tnismäfsig ge- 
ringsten Schulbesuch und fast die gröfste Zahl von Analphabeten im 
Königreich. Bei der Vereinzelung der Siedelungen und der dichten 
Bewaldung des Landes, der Armut und Rohheit der Bevölkerung sind 
hier Räubereien, Mordthaten, Viehdiebstähle u. s. w. von jeher an der 
Tagesordnung gewesen. Jeder entzieht sich eben leicht der Kontrole 
der Nachbarn und noch leichter derjenigen der Behörden. 

Im einsamen Eichenwald mit dichtem Maquien-Unterholz, am Ur- 
sprung eines nach Westen gerichteten Thälchens, bei einigen augenblick- 
lich nur von grofsen Hunden bewachten Reisighütten der Nomaden, 
machten wir Mittagsrast (1 St. 10 Min. vom Flufs, 3t St. von Arta, 
460 m). Der Flyschsandstein streicht hier N45°W, fällt NO. Dann 
wenden wir uns nach Osten weiter aufwärts. In den Maquien, die 
unter den mächtigen, sommergrünen Eichen den Boden mit ihrem 
dichten Gebüsch überziehen, verschwinden mit zunehmender Meeres- 
höhe die meisten immergrünen Gewächse, und an ihre Stelle treten 
die Baum-Eriken ein, die, bis zu mehrfacher Manneshöhe aufwachsend, 
ein undurchdringliches Dickicht bilden. Nach x| Stunden kommen 
wir auf einen hohen, gleichmäfsig nach SO streichenden Sandsteinrücken, 
der die Zuflüsse des Anino-Flusses scheidet von denen des Pati6pulos 
(weiter unterhalb Tzäkos genannt), der bei sehr schmalem Zuflufsgebiet 
ein grofses Längsthal bildet, das, der Ostküste des Golfes und zugleich 
dem geologischen und orographischen Streichen des Gebirges parallel, 
die ganze Eparchie Vältos von NNW nach SSO durchzieht und schliess- 
lich bei Pavläki in den Aspros mündet. Der Sandsteinrücken, der 
mit fast gleichbleibender Höhe von 700 — 954 m ohne Unterbrechung 
oder Einkerbung dieses grofse innere Längsthal des Vältos von den 
westlicheren Thälern scheidet, hat eine Länge von etwa 40 km. Der 
dickbankige graugrüne Sandstein, der ihn bildet, besitzt ein regel- 
mässiges flaches Einfallen nach ONO , demgemäfs dacht . sich der 
Rücken nach dieser Seite allmählich ab, während die Schichtköpfe 
nach Westen in steilen Abstürzen abbrechen, die oft durch regel- 



Reisen und Forschungen in Nord-Griechenland. 247 

mäfsige Querrisse das Ansehen von künstlichem Mauerwerk annehmen. 
Die Schichtflächen sehen infolge dieser Risse oft wie eine gepflasterte 
Strafse aus. 

Bald steigen wir nach Osten in das grofse Längsthal hinab, über 
den hier N 65 ° W streichenden, Nordost fallenden Sandstein. Gegen- 
tiber erhebt sich der geschlossene düstere Kalkwall des Gävrovo- 
Gebirges, aus dem vor uns eine enge Schlucht herauskommt. Am 
Ausgang derselben sehen wir, hoch am Abhang, die wenigen Häuser 
von Patiöpulon, das Ziel der heutigen Wanderung. Weiter im Süden 
trennt ein scharfer und tiefer Einschnitt das Stidende des Kalkgebirges, 
den Berg Kanäla, von der Gävrovo-Kette ab. 

Nach einer Stunde erreichen wir den klaren Bach des Längsthaies, 
der anmutig zwischen mächtigen Platanen dahinfliefst (430 m), und 
steigen jenseits wieder hinauf, über Flyschsandstein (mit verkohlten 
Pflanzenresten) zu dem Weiler Patiöpulon, der nur aus vier oder fünf 
Häusern besteht: zunächst neben einer mächtigen Quelle ein grofses 
quadratisches Gebäude, das Haus des Bürgermeisters; dann 5 Minuten 
weiter ein elendes kleines Magasi (| St. vom Flufs, 8 St. von Arta, 
530 m) und dahinter noch einige niedrige Hütten. Ein Dorf Synte- 
knon, das nach der Volkszählung 1490 Einwohner hat, giebt es nicht; 
dieser Name bezeichnet eine Gemarkung, die sich von hier meilenweit 
flufsabwärts erstreckt und deren Bevölkerung in einzelstehenden 
Häusern oder als Hirten in Reisighütten auf den Bergen lebt. Die 
Häusergruppe Patiöpulon ist die bedeutendste dieser Gemarkung, zu- 
gleich der Sitz der Bürgermeisterei des Dimos, der aufser Synteknon 
noch acht andere ähnliche zerstreute Dorfschaften umfafst. 

Von Patiöpulon überblickt man das grofse Längsthal weit hinab. 
Die sanften Flyschhöhen mit ihrer dichten Bewaldung, aus der sich 
nur hier und da der Rauch eines Hirtenfeuers erhebt, der Flufs mit 
seinen sanften Windungen, die bald rechts, bald links ein Stückchen 
ebener Thalaue mit einigen Maisfeldern umgeben — das Ganze ist 
eine träumerisch einsame und weltabgeschlossene Landschaft. — 

Der 18. Juni war abermals nachmittags zeitweise bewölkt, die 
Temperatur im Gebirge wieder angenehm kühl. (12J Uhr in 1020 m 
Höhe 2i°.) 

Wir hatten, um zum Aspros zu gelangen, das Gävrovo-Kalkge- 
birge zu überschreiten. Zunächst geht es von Patiöpulon über nordöst- 
lich, also bergwärts einfallenden Flysch ziemlich steil nach Nordost hinauf. 
Dahinter erhebt sich als steile, weithin streichende Felsmauer der 
graue massige Kalk, von der bei Patiöpulon mündenden Schlucht quer 
durchschnitten. Auf dem Flysch liegen herabgestürzte Trümmer eines 
oolithischen Kalksteins mit Schnecken- und Muscheldurchschnitten. 



248 A. Philippson: 

Ich sah den Längsschnitt einer turmförmigen Schnecke von 8—9 cm 
Länge (Nerinee?). 

Wir kommen nun an den Fufs der fast senkrechten Kalkfelsen, 
an denen der Weg schräg hinaufgeleitet ist. Der graue Kalkstein 
schneidet hier an einer sehr steil bergwärt s (östlich) einfallenden 
Verwerfung gegen den tiefer liegenden Flysch ab, ist also ein wenig 
nach Westen über den Flysch überschoben. Die dickbankigen undeut- 
lichen Schichten des Kalkes scheinen nach Westen einzufallen. Auf 
der Südseite der Schlucht schneidet der Kalk in einer ganz saigeren 
Verwerfung gegen den Flysch ab. 

Auf der Höhe angelangt, wo sich ein weiter, herrlicher Blick über 
den Ambrakischen Golf, Akarnanien und Levkäs öffnet, sehen wir, dafs 
der Kalk hier sofort wieder nach Osten unter Flyschsandstein einfallt, 
also nur eine schmale Mauer bildet, während er südlich der Quer- 
schlucht zu einem breiten Bergrücken anschwillt. 

Wir gehen nun hoch über der Schlucht, an ihrer nördlichen Seite 
entlang, fast eben hin durch dichten Tannenwald. Der Flyschsand- 
stein enthält einzelne kleine Einlagerungen von Kalk und Kalkbreccie 
mit undeutlichen Fossilresten. An einer Quelle streicht der Sandstein 
N 16 W. Auf der anderen Thalseite setzt sich der Flysch als eine 
schmale Zone zwischen zwei langen Kalkbergen nach SSO fort. (Vgl. 
das Profil Nr. 21, Tafel 13, Zeitschrift XXXI, 1896.) 

Unser Pfad führt uns nun nach Norden in einen Thalkessel hinein, 
wo die Schlucht von Patiöpulon ihren Ursprung nimmt; ehe wir ihn 
betreten, passieren wir die Ostgrenze des Flysch gegen massigen 
grauen Kalkstein, der hier ebenfalls wieder an einer Verwerfung über 
den Flysch überschoben zu sein scheint. Das Thal hat einen breiten 
steinigen Boden, der ziemlich üppig von Kräutern bewachsen ist 
Über einen niedrigen Felsriegel kommen wir in ein östlich benach- 
bartes, ziemlich lang nach OSO gestrecktes, abflufsloses Hochthal 
hinein, dessen tiefster, im Winter von Wasser bedeckter Teil eine 
kleine Ebene von fruchtbarem Lehm bildet. Hier haben sich Sara- 
katsanaäische Nomaden, die sich im Winter in Akarnanien aufhalten, 
in zwei Gruppen von Reisighütten (Stanaes) niedergelassen. Das Thal 
und die umgebenden Berge wimmelten förmlich von Schaf- und 
Ziegenherden. 

Rings um das Thal steht nur dunkelgrauer, massiger, ziemlich fein- 
körniger Kalk an, der gerundete Bergformen bildet und an der Ober- 
fläche in grofsen, plumpen, Wollsack ähnlichen Höckern verwittert. 

Nach dreistündigem Aufenthalt marschieren wir weiter, das Thal 
aufwärts nach Süden, durch Tannenwald. Der Kalk enthält hier 
Durchschnitte von Schnecken und Muscheln. Über ein niedriges Joch 



Reisen und Forschungen in Nord-Griechenland. 249 

[20 Min. 1170 m) geht es dann wieder in eine kleine abflufslose Ebene 
hinab, deren Terrarossa-Boden mit Mais angebaut ist. An der Ost- 
seite befindet sich eine Katavöthra und unmittelbar dabei eine grofse 
Quelle. Dann geht es nach SSO wieder zu einer Pafshöhe hinauf 
( 1 St., 930 m) und jenseits zu einer dritten abflufslosen Mulde hinab 
(20 Min.). Beim Abstieg sammelte ich Rudisten im Kalkstein, nach 
Prof. Steinmann ein Rädiolües cfr. squamosa. Alle drei abflufslosen 
"Thalbecken befinden sich auf einer graden, dem Streichen des Ge- 
birges folgenden Linie und sind durch niedrige Joche mit einander 
verbunden, während zu beiden Seiten sich höhere massige Gebirgs- 
wälle hinziehen. So bilden sie zusammen eine einzige Längsfurche. 
Wie überall auf dem massigen Kalkstein sind die Wege überaus un- 
gangbar, namentlich für die Pferde, da das ziemlich harte Gestein in 
scharfen Graten und Löchern verwittert und von den Füfsen der 
Menschen und Tiere vollständig poliert wird. Obwohl also gerade in 
diesem Kalkstein die Formen der Landschaft im grofsen sehr sanfte 
zu sein pflegen, so kommt man doch auf ihm von allen Gesteins- 
arten am allerlangsamsten vorwärts. 

Über ein niedriges Joch gelangen wir in eine vierte, ganz ähnliche, 
steinige Ebene, die aber einen Abflufs nach Osten hat, der in enger, 
steiler Schlucht zu dem hier nicht mehr fernen Aspropötamos hinab- 
zieht. An dem Rande der kleinen Ebene liegt hier das Hirtendorf 
Sakaretsi. (i St., 5 St. 10 Min. von Patiöpulon, 795 Einw.; in dieser 
Zahl sind wohl viele aufserhalb des Dorfes wohnende Hirten ein- 
begriffen.) Wir lagern uns unterhalb des Dorfes bei einem kleinen 
ummauerten Teiche, der zur Viehtränke bestimmt ist. In seinem 
fauligen Wasser treiben sich alle möglichen Wassertiere umher, unter 
anderen auch eine kleine Schlange, die pfeilgeschwind durch das 
Wasser schiefst, wie ich sie auch im See von Jännina beobachtet habe. 
Bei Sakaretsi treten in dem grauen massigen Kalk wieder Rudisten auf. 
Der von hier an geradezu martervolle Pfad über den geschratteten, 
glattpolierten Kalk führte uns an der linken Seite der schnell sich 
vertiefenden Schlucht nach Osten hinan. Sakaretsi liegt viel näher am 
Aspros, als die französische Karte angiebt. Denn kaum sind wir einige 
Minuten gestiegen, so erblicken wir vor uns eine lange, nach SO ge- 
richtete Strecke dieses Flusses, bis zur Gegend von Tatarna hin. 
Noch etwas weiter hinan treten wir plötzlich an eine Bergecke und 
schauen überrascht hinunter in einen tiefen Canon, auf dessen Grund 
das hier tiefgrüne Wasser des Aspros in einem breiten, blendend 
weifsen Schuttbett fliefst. Zu beiden Seiten des hier nach Südwest 
gerichteten Flusses steht derselbe graue massige Kalk an, der rechts 
vom Flufs die Berge von Sakaretsi, links ein Kalkplateau bildet, das. 



250 A - PhiHppson: 

nur etwa 200 m über dem Flufs liegt. Letzterer stöfst weiterhin auf 
die Hauptkette des Gävrovo-Zuges und wendet sich hier plötzlich in 
einer Biegung von etwa 300 ° nach OSO, welche Richtung er bis zur 
Brücke von Tatarna einhält Hierbei tritt er bald aus dem Kalk heraus 
in eine breite flachhügelige Flyschzone, die sich nach Osten ausbreitet 
bis zu dem hohen zackigen Kamm des Phtheri, der westlichen Kette 
der sogenannten Ätolischen Kalkalpen. Der Kalk des Gavrovo fällt 
nach Osten unter diesen Flysch ein. Doch begleitet das Kalkgebirge 
auch weiter abwärts die rechte Seite des Flusses in geringem Ab- 
stand, bis dieser oberhalb Tatarna in scharfer Biegung wieder in 
den Kalk eintritt und in enger Schlucht unseren Blicken entschwindet. 

Es wurde mir erzählt, dafs der Aspros oberhalb der Tatarna- 
Schlucht im Hochsommer zuweilen eine Wegstunde weit vollkommen 
verschwindet; unterhalb dieser Strecke tritt dann das Wasser im Bett 
wieder hervor. 

Es lassen sich keine gröfseren landschaftlichen Gegensätze denken, 
als hier in diesem Bilde vereint sind: das dunkle Gävrovo-Gebirge 
aus massigem, dunkelgrauen Kalk mit breitgewölbten, schwerfälligen 
Formen, langen Rücken, ohne beherrschende Gipfel, hier und da mit 
schwärzlichen Tannenwäldern besetzt; das niedrige, unruhige von 
mäandrischen Thälchen durchzogene Flyschhügelland , lebhaft grün 
gefärbt durch seine Bewaldung mit Laubbäumen und Maquien; dann 
dahinter die jäh wie eine Mauer aufsteigende, oben wie eine Säge 
in wilden Graten und Spitzen gezackte Phtheri-Kette , deren kahle 
Wände aus plattigen Kalken und Hornsteinen in hellen, gelblichen 
und roten Farbentönen leuchten. 

Unser Pfad, dessen oben geschilderte Beschaffenheit uns nur etwa 
2 km in der Stunde zurückzulegen erlaubt, zieht nun über eine Art 
Terrassenfläche, die sich zwischen der westlichen Canon-Wand und 
dem dahinter sanft ansteigenden Gebirge erstreckt und flachhügelig und 
von Querschluchten zerissen ist. Das Gestein ist petrographisch ganz 
derselbe dunkelgraue bis schwärzliche Kalk, den wir bisher im Gävrovo- 
Gebirge getroffen ; seine Oberfläche ist ungemein zerschrattet und dazu 
von losgewitterten Steinen bedeckt. Nur aus den Spalten der Schratten- 
felder, in denen sich etwas Erde sammelt, spriefsen Kräuter und 
dürftiges Buschwerk zwischen den nackten Felshöckern. In diesem 
Kalkstein, in dem sich infolge der Schratten keine Schichtung er- 
kennen läfst, treten aber in reicher Anzahl Nummuliten auf, grofse 
und kleine, vor allem die riesigen Formen, wie sie bei Tripolitza im 
Peloponnes gefunden werden. 

Besonders bei Pigädia, das auf dieser terrassenartigen Verflachung 
liegt (2 St., aber nur etwa 4 km von Sakardtsi, 840 m ü. d. M.), wimmelt 



Reisen und Forschungen in Nord- Griechenland. 



251 



der schwärzliche Kalk von diesen grofsen Foraminiferen, die in ganz 
vorzüglicher Weise an der Oberfläche herauswittern, ohne sich doch von 
dem Gestein trennen zu lassen. Ich mafs die Länge des an der Ober- 
fläche erscheinenden Querschnittes eines grofsen Exemplars zu 66 mm 
dabei braucht aber der Schnitt nicht einmal die Mitte des linsen- 
förmigen Körpers getroffen zu haben I Bei Pigädia läfst sich eine 
dickbankige Schichtung erkennen; sie streicht Ni5°W und fällt mit 
20 ° nach Osten ein. 

So enthält auch das Kalkmassiv des Gävrovo in geringer Ent- 
fernung von einander in äufserlich ganz gleichem Kalkstein Rudisten 
und Nummuliten, ohne dafs sich dazwischen eine Gesteinsgrenze be- 
merkbar machte. Die Nummuliten treten in den oberen Schichten 
des Massivs, nahe der Grenze gegen den darüber liegenden Flysch, auf. 

Pigädia besteht aus einigen Reisighütten und nur zwei oder drei 
niedrigen Steinhäusern. Herrlich ist die Aussicht von hier, die sich nicht 
wesentlich von der oben geschilderten unterscheidet; zauberhaft war das 
Farbenspiel, das die untergehende Sonne bei überaus durchsichtiger 
Atmosphäre auf den buntfarbigen Felswänden des Phthdri hervorrief. 
Nachdem die nächtlichen Schatten herabgesunken und die Phtheri- 
Wände sich in immer fahlere und fahlere Tinten getaucht hatten, um 
schliefslich als gespenstische dunkle Masse am Horizont zu stehen, 
safsen wir noch lange an dem vor unserer Hütte entzündeten Feuer 
und blickten hinaus in die weite, im ungewissen Halbdunkel der 
mondlosen Juninacht verschwimmende Landschaft, über der die Sterne 
in wunderbarer Pracht blinkten und glitzerten. Es war ein unvergefs- 
licher Abend! 

Der folgende Tag (19.) war wieder klar und angenehm warm 
(i| Uhr 24J ). Wir verfolgen die flachhügelige Terrasse weiter nach 
Norden, an der Mündung des Baches von Granftsa vorbei- Oberhalb 
hiervon ist das Thal des Aspropötamos eine kurze Strecke weit breit 
und offen. Zwei kleine von Maisfeldern bedeckte Ebenen, durch 
niedrige Hügel von einander getrennt, liegen hier vor dem geschlossenen 
Abfall des Gävrovo-Gebirges an der rechten Seite des Flusses, der 
sie, in breitem Schuttbett verzweigt, durchströmt. Am Rande der 
oberen Ebene liegt das Dorf Vruvianä (das in der Volkszählungsliste 
fehlt). Wir berühren es nicht, sondern steigen schon vorher zu den 
Hügeln hinab, welche die beiden Ebenen trennen, und marschieren 
durch diese auf den Flufs zu. Die Hügel bestehen aus eocänem Flysch* 
Thonschiefer, unter welchen der Nummulitenkalk mit flachem, östlichem 
Einfallen hinabsinkt; beide Gesteine gehen durch einen Mergelschiefer 
in einander über. Dicht am Flufs tritt aber wieder derselbe Kalk 
unter dem Schiefer hervor und bildet auch einen schmalen Streifen am 

Zeitschr. d. Ges. f. Erdlc. Bd. XXXII. 1897. 18 



252 A - Philippson: 

jenseitigen Ufer, der sich weiter südwärts mit der Hauptkalkmasse ver- 
bindet. Der dunkle dickbankige Kalk liegt hier fast horizontal, seine 
Oberfläche nur etwa 20 m über dem Flufs. Dieser hat hier also 
zwischen den beiden Ebenen einen niedrigen, aber ziemlich breiten 
Kalkriegel zu durchbrechen, und thut dies in einem Miniaturcanon, 
der zwar nur eine sehr geringe Höhe, aber vollständig senkrechte 
Wände besitzt, die auf beiden Seiten unmittelbar vom Flufs bespült 
werden. Hier ist der Flufs so eingeengt, dafs er von einer nur 
21 Schritt (etwa 15 m) langen, modernen Holzbrücke, der Brücke von 
Vruvianä (a£ St., 290 m), überspannt wird; dafür ist er augenscheinlich 
sehr tief. 

Wir verlassen hier den Vältos und betreten wieder die Land- 
schaft Agrapha, politisch die Eparchie Evrytanfa. Von hier geht es 
nun am Gehänge steil hinauf. Dicht am Ufer wird der Kalk schon 
wieder von Flyschschiefer und -Sandstein überlagert, die flach 
nach Osten fallen und von den üppigsten Maquien in undurchdring- 
lichem Dickicht überzogen sind. Nur ein schmaler gewundener Pfad 
führt uns durch die hohen dunklen Laubwände, die von zahllosen 
bunten Blüten durchsetzt sind, hinan zu einer steileren Wand aus 
härterem Komglomerat und Sandstein, die den Abhang krönt. Von 
der Höhe (50 Min.) geht es immer durch Buschwald in ein Thälchen 
mit einigen einsamen Maisfeldern hinab, dann wieder über einen 
Rücken, stets auf Flyschschiefer mit eingelagerten Sandstein- und 
Komglomeratschichten. Dann nimmt uns ein zweites Thal auf, an 
dessen Gehängen grofse Quellen entspringen und eine üppige Vegetation 
von Feigen-, Kirsch-, Nufs- und anderen Obstbäumen ermöglichen, in 
deren Schatten auf dem terrassierten Boden Mais gesäet ist, der schon 
kräftig emporwächst. Einige jetzt verschlossene Hütten, dem Dorf 
Lepianä zugehörig, liegen an dem idyllischen Plätzchen. (1 St. 40 Min. 
von der Brücke, 650 m.) 

Infolge schlechter Führung kommen wir von hier, anstatt nach 
Graiütsa, ziemlich steil ansteigend nach dem Dorf Lepianä, das 
dicht unter dem Gipfel eines auffallenden, abgestumpften Kegel- 
berges liegt, der aus einer harten Konglomeratplatte über dem 
Schiefer besteht. Wir steigen dann den Berg wieder hinunter in öst- 
licher Richtung in ein tiefes Thal; teils über Äcker, teils durch Wald, 
wo wild wachsende Weinreben an den Bäumen emporranken. Von 
dem Thale aus (i£ St. vom Rastplatz mit dem Umweg; 510 m) ging 
es zu Seiten eines Nebenthaies nach Osten hinauf, durch Maquien, 
wechselnd mit Wald von immergrünen Eichen {Qu. Hex). Der Flysch 
fällt ziemlich flach nach Osten, doch ist er an einigen Stellen auch steiler 
aufgerichtet und gefaltet. Kurz vor dem Hügelrücken, der uns Granftsa 



Reisen und Forschungen in Nord-Griechenland. 



253 



verbarg, gingen wir wieder fehl, sodafs wir nicht nur einen Umweg 
machten, sondern dazu in eine Schlucht gerieten, aus der wir kaum 
wieder heraus kommen konnten. Endlich gelangten wir jenseits der 
Höhe zu Weizenäckern und zu einem Weg, der uns dann sehr bald 
zum Dorf führte. (2 St. vom Flufs, 7 St. von Pigädia, bei Orts- 
kenntnis höchstens $i St., 870 m.) 

Granftsa (mit 908 sämtlich sefshaften Einwohnern) liegt am West- 
abhang eines Thaies, gegenüber der in der Entfernung weniger Kilo- 
meter schroff und zerrissen zu relativen Höhen von 1300 — 1400 m 
(2132 m ü. d. M.) aufragenden Phthdri-Kette. Ein wasserreicher Bach 
sammelt hier die Abflüsse des Hochgebirges und führt sie dem Aspros 
zu. Man kann seinen ganzen Lauf durch die Flyschlandschaft mit 
den Blicken verfolgen. Bei Granftsa selbst steht Flyschsandstein an, 
auch jenseits des Baches bildet Schiefer den unteren Teil der Phthdri- 
Kette; darüber liegt ein Wechsel von Plattenkalk mit Hornstein, 
darüber mächtiger, ebenfalls dünnschichtiger Kalkstein, alles mit öst- 
ichem Einfallen. 



2. Granftsa — Monastiräki — Ägra'pha. 

Von Granftsa aus hat man die Phthöri-Kette zu überschreiten, 
um in das Thalgebiet des Agraphiötikos zu gelangen. Diese Kette, 
die bis Granftsa über 2000 m Höhe besitzt, erniedrigt sich von hier 
an südwärts beträchtlich, ohne übrigens ihre Steilheit wesentlich zu 
mildern. Der Weg von hier nach Agrapha macht daher eine kleine 
Ausbiegung nach Süden, um den Kamm an einer niedrigeren Stelle 
zu überschreiten. 

Am Nachmittag des 20. Juni trat Bewölkung und Gewitter ein, 
jedoch regnete es nur wenig. 

Nachdem wir in nordöstlicher Richtung zum Bach niedergestiegen 
waren (25 Min., 770 m) über Schiefer, der N 15° W streicht und Ost 
fällt, geht es am Abhänge der Phthäri-Kette nach Südosten allmählich 
hinauf, wobei mehrere steile, wasserreiche Schluchten zu kreuzen sind. 

Die Sandstein- und Schiefergehänge, an denen zahlreiche Wasser- 
adern befruchtend hernieder rinnen, sind mit einzelnen immergrünen 
Kenneseichen, Baum -Eriken und Wacholder bestanden, dazwischen 
breiten sich Getreidefelder aus. Höher hinauf treten üppige Wiesen 
zwischen den Feldern auf, wo Gras und Kräuter fufshoch wuchern, 
da die Einwohner von Granftsa keine Schafzucht treiben, sondern 
nur wenige Ziegenherden unterhalten, die sich bekanntlich von den 
Blättern und Trieben der Holzgewächse nähren. 

18* 



254 A PhiTippson: 

An einer Quelle machen wir Halt (i £ St. vom Flufs). Hier fallen 
die Sandstein- und Schieferschichten f ) flach nach Osten unter den Horn- 
steinkalk des Kammes ein. 

Nun geht es steiler hinauf über Plattenkalk, der mit Hornstein 
wechsellagert; darin treten Lagergänge von grauem Porphyrit 2 ) und 
von braunem Mandelstein mit erbsen- bis haselnufsgrofsen Kalkmandeln 
auf, in Gesellschaft von Roteisenstein. Auch hier also eine Über- 
schiebung der älteren Kalke nach Westen über den eocänen Flysch. 
Nördlich vom Wege, jenseits einer steilen Runse, springt die Gebirgs- 
wand etwas nach Westen vor und bietet ein klares Profil. Es folgen 
aufeinander: eocäner Flysch zu unterst; Plattenkalk mit Hornsteinlagen 
und Eruptivgesteinen, mächtiger roter Hornstein, der lebhaft in ein- 
ander gefaltet ist — darin soll, nach Aussage der Leute, Brand- 
schiefer vorkommen — und darüber wieder Plattenkalk, den Kamm 
bildend, alles nach Osten einfallend. 

' Wir kommen nun an den oberen, grauen Plattenkalk, der sich 
als steilerer Abhang erhebt, aber nicht so steil, als weiter nördlich, 
wo er meist ganz unersteiglich ist. Die Äcker hören hier auf, und 
Tannenwald umgiebt uns. Der Weg steigt in engen Windungen hin- 
auf, i Stunde von der Quelle stehen wir auf der Pafshöhe (2 St. 
40 Min. von Granftsa, 1450 m) und blicken in das tiefe Thal von 
Monastiräki, das nach Osten, sich zu einer Schlucht verengend, 
hinabzieht. 

Wir folgen dem Kamm etwas nach Süden und steigen dann über 
einen sehr steilen und einförmigen Abhang von Plattenkalk wohl 
600 m hinunter in das Thal. Der Abstieg ist sehr ermüdend, be- 
sonders für die Pferde, da kein eigentlicher Weg vorhanden und der 
ganze Abhang mit rutschenden Kalkplatten bedeckt ist. Die Schichten 



*) Ich notierte in meinem Tagebuch: „In dem Sandstein unfern der Kalk- 
grenze kleine Nummuliten". Leider habe ich durch einen Zufall keine Probe da- 
von mitgebracht; ein Beobachtungsfehler ist also nicht ganz ausgeschlossen. 

8 ) Plagioklaskrystalle in mikrokrystalliner Grundmasse, kaum irgend welche 
Andeutungen von Hornblende oder Augit. Sehr zersetzt. — Ein anderes, ebenfalls 
stark zersetztes Stück enthält gegenwärtig als primären Bestandteil nur hellgrünen 
Augit, der einige Neigung zur Skelettbildung zeigt; sonst vielleicht noch Picotit 
oder Chromit (??). Pseudomorphosen eines serpentinartigen Minerals lassen teil- 
weise die frühere Form von Olivin wiedererkennen. Von Plagioklas ist nichts 
mehr zu erkennen. Dagegen sind häufig divergierende Büschel eines breitnadel- 
formigen, stengeligen Minerals von recht schwacher Licht- und Doppelbrechung, 
vielleicht Entglasungsprodukte einer ehedem amorphen Gmndmasse. Auch Braun- 
eisen durchsetzt das Gestein allenthalben. Man könnte letzteres etwa einen sehr 
zersetzten Melaphyr heifsen. (Dr. Bergeat.) 



Reisen und Forschungen in Nord-Griechenland. 



255 



des Plattenkalkes fallen nach Osten dem Abhang parallel ein. Unten 
im Thal kommen wir wieder auf einen Hornsteinzug, unter den der 
Kalk nach Osten einfällt. Im Hornstein tritt wieder Mandelstein, auch 
Adern von Malachit auf; er entspricht jedenfalls dem Hornsteinzuge 
auf der Westseite des Gebirges. Darüber folgt wieder Plattenkalk. 
Wir haben hier also jedenfalls wieder eine mehrfache Wiederholung 
derselben Schichten übereinander bei gleichsinnigem östlichen Ein- 
fallen. 

Im Grunde des engen Thaies brütete unter den Kronen eines 
dichten Platanenwaldes, der den wasserreichen Bach begleitet, eine 
drückend schwüle Hitze, die das kommende Gewitter anzeigte. Wir 
gehen an der linken Thalseite hin, kreuzen ein enges und tiefes 
Nebenthal, in dem eine mächtige Quelle entspringt und einige Mühlen 
treibt, steigen jenseits desselben zu einer kleinen Terrassenfläche am 
Thalabhang hinauf und treffen hier auf die zwischen hohen Bäumen 
versteckten Häuser des Dörfchens Monastiräki (2 St. 10 Min. vom 
Kamm, 4 St. 50 Min. von Granftsa, 368 Einw., 760 m). 

Bei herrlichem Wetter, das den ganzen Tag ungetrübt anhielt, wan- 
derten wir am 21. Juni zunächst hoch über dem Thal von Monastiräki am 
linken Gehänge desselben nach Osten, durch einen Wald hochstämmiger 
Kermeseichen. Der Kalkstein fällt nach Osten unter steil gefalteten 
Kalkschiefer und Thonschiefer, dieser wieder unter bunte (rote, grüne, 
violette) Hornsteine, die in grofser Mächtigkeit und breiter Ausdehnung 
beide Seiten des Agraphiötikos -Thaies einnehmen. (Str. N i2°W bis 
N 16 W, steil O fallend.) Am Ausgang verengt sich das Monostiräki- 
Thal zu einer wilden unzugänglichen Schlucht. Man umgeht sie am 
höheren Abhang und steigt dann in das Thal des Agraphiötikos hin- 
unter (40 Min.). Die Sohle dieses ungemein steil und tief einge- 
schnittenen Thaies, das zwischen zwei 1800 und 2000 m hohen 
Kämmen, die nur etwa 9 km von einander entfernt sind, bis zu 400 m 
Meereshöhe hinabreicht, ist so eng, dafs sie ganz von dem jetzt nur 
etwa zur Hälfte mit Wasser gefüllten Bett des sich windenden Flusses 
eingenommen wird. Dichter Wald überzieht den unteren Teil der 
Thalwände: unten über den Flufs sich neigend, herrliche Platanen, 
höher hinauf immergrüne Eichen (Qu. Hex), dazwischen auch Linden 
und andere Laubbäume. Darüber ragen die nackten, zackigen Berg- 
kämme auf, kulissenartige Vorsprünge aussendend, die überall das 
Thal zu schliefsen scheinen. 

Nachdem wir dem rechten UfeT des Flusses 20 Min. aufwärts ge- 
folgt waren, kamen wir an die Furt, wo wir ihn durchreiten, bzw. 
durchwaten mufsten (440 m). Der Übergang war nicht ungefähr- 
lich, da zahlreiche Balken fortwährend mit grofser Geschwindigkeit 



256 A - Philippson: 

den Flufs hin abgeschwommen kamen und geschickt vermieden werden 
mufsten. Wir gewinnen nun den Saumpfad, der von Agrapha am 
linken Ufer des Flusses nach Keräsovon, Karpenfei und Ätolien 
führt. Er leitet uns an der östlichen Thalseite entlang durch 
dichten Wald, stets über bunten Hornstein. Ein Nebenbach, der 
vom Dörfchen Miry'si herunterkommt, wird auf einer alten Stein- 
brücke tiberschritten. Von einigen Maisfeldern aus beginnt der Weg 
steil an der Bergwand hinanzusteigen und dann an dieser in be- 
deutender Höhe entlangzuziehen. Hier tritt auch Sandstein im 
Hornstein eingelagert auf. Ein grofses Nebenthal kommt nun von 
Nordwest, von der Phth£ri-Kette herunter, in das wir weit hineinsehen 
können; es hat dieselben Kalk- und Hornstein-Zonen zu kreuzen wie 
das Thal von Monastiräki. Die Hornsteinzone, der bis hierher der 
Agraphiötikos gefolgt ist, zieht sich in dieses Nebenthal hinein. 

Der Agraphiötikos -Flufs kommt hier von NNO; kurz ehe er sich 
mit dem Nebenbach vereinigt, hat er eine Kalkzone zu durchqueren, 
die über dem Hornstein liegt und steil nach Osten einfällt. Sie bildet 
auf der rechten Thalseite einen hohen Bergkamm. Der Durchbruch 
erfolgt in so enger Klamm, dafs unser Weg genötigt ist, hoch hinauf 
zu steigen. Nach oberhalb fällt der Kalk wieder unter eine andere 
Hornsteinzone ein, der das Thal nun weiterhin folgt, wobei es sich 
wieder etwas erweitert. Der Weg senkt sich daher wieder zum Flufs 
hinab, durch schönen Laubwald, besonders aus Hainbuchen. 

An dem westlichen Abhang des Hauptthaies erscheint das Dörfchen 
Lignano (in der Volkszählungsliste Epinianä genannt, 326 Einw.); wir 
aber folgen dem Weg nach dem Dorf Ägrapha, der in ein von Nord- 
osten kommendes Thal einbiegt (2 £ St. von der Furt). Dieses verengt 
sich zur Schlucht, zwischen Felsen von steil gefaltetem Hornstein und 
Plattenkalk. Einige Rofskastanien wachsen hier in dem feuchten 
Schatten. Der Weg ist so schmal, dafs die Pferde ihm nicht folgen 
können, sondern in dem tobenden Bach zwischen grofsen Felsblöcken 
aufwärts waten müssen. Schliefslich hebt sich unter dem Hornstein 
ein Faltengewölbe von Sandstein und Thonschiefer hervor, in dem die 
Schlucht zur senkrechten Klamm wird, sodafs der Fufspfad im Felsen 
ausgesprengt ist. Wo man aus der Klamm heraustritt, das Thal sich 
erweitert und der Sandstein wieder unter den Hornstein hinabtaucht, 
führt eine alte Spitzbogenbrücke über den Flufs neben einer Mühle 
(1 St., 690 m). Nun geht es am nördlichen Thalgehänge hinauf zum 
Dorf Agrapha, das auf einer Terrasse 200 m über der Thalsohle liegt 
(890 m, 40 Min.; 5^ St. von Monastiräki, 474 Einw.). Die Fläche der 
Terrasse ist mit Äckern, Wiesen und Obstbäumen bedeckt; dazwischen 
liegen die grofsen stattlichen Steinhäusei des Dorfes weit zerstreut 



Reisen und Forschungen in Nord-Griechenland. 



257 



Ein Teil der Fläche ist im Rutschen begriffen und schon sind die 
alte Kirche und einige andere Gebäude zusammengestürzt Auf einem 
vorspringenden Hügel, von dem man in das Thal hinunterblickt, steht 
malerisch eine Kapelle, von prächtigen Steineichen umgeben. Eine 
grofse Kaffee-Halle befindet sich neben der neuen Kirche; der Wirt 
nahm uns in einem leeren, gut gebauten, mit Fensterscheiben und 
Kamin versehenen Gemach seines Privathauses auf. Das ganze 
Dorf macht einen ziemlich wohlhabenden Eindruck. Und doch ist 
es wohl das entlegenste und am schwersten zu erreichende Dorf 
von ganz Griechenland. 

Die ganze Gegend ist überaus wild und unwegsam; ringsum er- 
heben sich hohe Gebirge aus steil zusammengefaltetem Plattenkalk 
und Hornstein, Gesteine, deren lange Züge beständig miteinander 
wechseln. Bei einem flüchtigen Besuch ist es unmöglich, den ver- 
wickelten Faltenbau zu entwirren. Man erkennt nur so viel, dafs die- 
selben Gesteine immer wiederkehren und dafs sie immer nach Osten 
einfallen, dafs also eine ganze Anzahl von nach Westen überliegender 
Falten oder Überschiebungen das Gebirge zusammensetzen müssen. 
Darin sind tiefe, finstere Schluchten eingeschnitten, die sich in zahl- 
lose Seitenschluchten und Runsen verästeln. Sie sind es hauptsächlich, 
die das Gebirge so unwegsam machen und für den Reisenden so 
überaus zeitraubend sind. Hat man erst einmal einen wasser- 
scheidenden Kamm erreicht, so kommt man auf der Höhe leicht vor- 
wärts. Dunkle Wälder steigen aus den Schluchten empor an den steil 
geböschten Felswänden, unten aus dunkel belaubten immergrünen 
Eichen, höher hinauf aus nicht minder finsteren Tannen, die dann 
nach oben hin sich in vereinzelten Vorposten verlieren an den kahlen 
hellgelblich oder rötlich leuchtenden Felskämmen. Es ist ein Land, 
nur bewohnbar für einen rohen, wetterfesten und bedürfnislosen Hirten» 
stamm. Der anbaufähige Boden ist ungemein spärlich, der Verkehr 
nach allen Seiten* überaus schwierig, die nächsten gröfseren Kultur- 
centren, die Städte der westlichen thessalischen Ebene (Kardftsa), 
weit entfernt. Noch weiter ist es nach den Sitzen der Behörden, die 
für die Gegend zuständig sind. Zwei lange, beschwerliche Tagereisen 
sind es bis Karpenfsi, dem Hauptort der Eparchie. Nachdem seit 
einigen Jahren die Bedeutung der Eparchien fast gänzlich aufgehoben 
und die ganze Verwaltung den Nomarchien übertragen ist, hat man 
von Ägrapha bis zur nächsten massgebenden Behörde, der Nomarchie, 
und zum nächsten Gericht in Misolonghi vier Tagereisen zu machen; 
und wenn die Flüsse angeschwollen sind, kann man überhaupt nicht 
hinkommen! 



258 &-• Philippson; 

Agrapha ist der namen geben de Hauptort zunächst für die Thal- 
landschaft des Agraphiötikos-Flusses, die einen Dimos von etwa 230 qkm 
und 2335 Einw. (also 10 auf 1 qkm) bildet. Der Gau -Name Agrapha 
hat sich dann auch auf die benachbarten Gebirgskantone ausgedehnt, 
in einem Umfang, den wir schon öfters näher bezeichnet haben. 

3. Agrapha — Miry'si — Stgnoma — Karpenfsi. 

Der 22. Juni war ein trüber, unfreundlicher Regentag. In An- 
betracht der Jahreszeit hoffte ich, als es in den Morgenstunden unter 
Donner und Blitz heftig gofs, dafs es sich bald wieder aufklären würde, 
und befahl, als der Regen einen Augenblick nachliefs, den Aufbruch 
(9 Uhr), um heute noch Chry'su jenseits des östlichen Gebirgskammes 
zu erreichen. Die Wolken lagen ziemlich hoch, sodafs der Ausblick 
nicht beeinträchtigt wurde. 

Wir stiegen zum Bach hinunter (} St.) und jenseits desselben einen 
steilen Abhang hinauf durch Tannenwald. Plattenkalk und Hornstein 
bilden den unteren Teil des Abhanges; höher hinauf liegt Sandstein, 
str. N45°W. Wir kommen dann auf einen hohen Kamm, der ost- 
und westwärts gerichtete Thäler von einander scheidet. Die ersteren 
sammeln sich zu einem Bach, der im Halbkreis nach Norden herum 
und dann bei dem Dorf Agrapha vorbeifliefst Im Nordosten begrenzt 
ein langer, gleichmäfsig hoher und kahler Kamm aus Plattenkalk 
(über dem Hornstein-Plattenkalk von Agrapha liegend, mit östlichem 
Schichtfallen) die Aussicht. Es ist die „Niäla" genannte, südnördlich 
verlaufende Wasserscheide zwischen dem Agraphiötikos und dem M£g- 
dovas, etwa 1900 m hoch. Wenn kein Schnee oben liegt, soll ein sehr 
bequemer Weg auf diesem fast geradlinigen und sanft geformten 
Kamm entlang laufen, auf dem man alle die zeitraubenden und er- 
müdenden Schluchten vermeidet; er ist im Sommer besonders bei den 
Wanderhirten und den Klephten beliebt, um möglichst schnell und 
abseits von allen Dörfern aus den südlichen Gegenden, z. B. um 
Karpenisi, nach Norden zum oberen Aspropötamos, der Chässia und 
Makedonien zu ziehen. 

Es hatte während des Aufstieges sanft geregnet; jetzt brach 
ein starkes Gewitter mit Sturm und Regen los und zwang uns 
in einer auf der Höhe gelegenen Niederlassung nomadischer 
Hirten Schutz zu suchen (2 St. 25 Min., 1440 m). Im Laufe des 
Nachmittags hörte der Regen auf, aber der Himmel blieb bewölkt 
Wir gehen nach Süden auf der Höhe hin; Sandstein und Platten- 
kalk wechseln miteinander ab. Dann kommen wir an den Ursprung 
eines Thaies, das nach Süden zu dem Bach von Miry'si hinabzieht, 
der seinerseits von Osten nach Westen zum Agraphiötikos gerichtet 



Reisen und Forschungen in Nord-Griechenland. 259 

ist. An der rechten Seite dieses Thaies steht Homstein und Platten- 
kalk, an der linken Sandstein an. Unser Weg führt am linken Ge- 
hänge entlang durch dichten Wald mächtiger Tannen. Über den Weg 
gestürzte Stämme machen den Pferden manche Schwierigkeit. Ein 
Eichhörnchen, eine ziemlich seltene Erscheinung in Griechenland, wird 
aufgejagt und von den Soldaten vergebens beschossen. Über den 
Höhenrücken zur linken kommen wir nun auf das Gehänge des Haupt- 
thales von Mirysi. Ein Ziegenpfad leitet uns vom Weg ab, und wir 
müssen mit unseren Pferden eine steile Runse hinunter; hier steht 
wieder Plattenkalk an (Ost fallend); der ganze Abhang ist mit los- 
gewitterten Platten bedeckt, die bei jedem Schritt raschelnd in die 
Tiefe fahren. 

Endlich kommen wir im Thal an, das sich nach oben in zwei 
Äste gabelt; zwischen beiden liegt auf einer vorspringenden Bergnase, 
etwa ioo m über dem Thal, das Dörfchen Mirysi (244 Einw., 940 m). 
Vorn, dicht am steilen Abhang, den wir in gewundenem Pfad langsam 
ersteigen, schaut die schmucke, weifsgetünchte Kirche, von einer kleinen 
Terrasse umgeben, herab. Im Dorf steht Plattenkalk, mit Sandstein 
wechselnd, an. 

Der 23. Juni war wieder klar und warm (ijUhr in 750 m 25 °). 
Wir steigen von Mirysi nach Südost durch Tannenwald zum Kamm 
empor, der die Zuflüsse des Agraphi6tikos und des Mägdovas scheidet, 
zuerst über Sandstein, dann Homstein (str. N 14 W, f. O), darüber 
Plattenkalk, wieder Homstein, und auf deT Pafshöhe (1 St, 1340 m) 
wieder Plattenkalk. Von hier folgen wir der rechten Seite eines nach 
Osten hinabziehenden Thaies, wieder über wechselnde Züge von Platten- 
kalk und Homstein. Riesige uralte Tannen bilden hier einen dunklen 
Wald, und über den Weg gestürzte Stämme bereiten manches Hinder- 
nis. Endlich treten wir aus dem Wald hinaus am Abhang eines 
gröfseren Thaies, das, von Norden herkommend, hier eine Biegung 
nach Westen macht, um sich dann wieder nach Süden zu wenden. 
Es wird von einem Zuflufs des Mdgdovas durchströmt, der selbst 
weiter östlich jenseits eines hohen Plattenkalkrückens, Kalesäki, liegt. 
Hier, wie in dem Prosilion genannten Berg im Norden unseres Thaies, 
fallen überall die Homstein- und Kalkschichten nach Osten ein. 

Wir ziehen nun am rechten Gehänge des grofsen Thaies in be- 
deutender Höhe über der Thalsohle nach Süden. Thonschiefer und 
Homstein walten hier vor. Einzelne Tannen- und Eichenwälder 
wechseln mit Äckern. Tiefer hinabsteigend kommen wir zu Feldern 
und Weinbergen mit zerstreuten Häusern; dann geht es wieder hinauf, 
und wir biegen in ein tief eingeschnittenes Nebenthal ein, das von 
Westen, von dem 1758 m hohen Berg, von Keräsovon herabkommt. 



260 A. Philippson: 

Unser Weg bleibt hoch über der Thalsohle, führt an Plattenkalk- 
Felsen vorbei (steil Ost fallend), dann wieder auf Hornstein , und er- 
reicht das auf fruchtbarer Terrasse, hoch über dem Bach gelegene 
Dorf Chrysu (3! St. von Miry'si, 750 m, 512 Einw. Die französische 
Karte ist in dieser ganzen Gegend sehr ungenau.) Seine stattlichen 
hohen Steinhäuser machen einen wohlhabenden Eindruck. An dem 
von Platanen beschatteten Dorfplatz liegt ein grofses Magasf. 

Nachmittags steigen wir zum Bach hinab und folgen diesem abwärts 
nach Osten. Er taucht bald, bei der Durchkreuzung des zuletzt er- 
wähnten Plattenkalkzuges, in eine enge und wilde Schlucht. (Der Horn- 
steinstr. N 6° W, f. O; der Plattenkalkstr. N 20 W, f. O.) Dann kommen 
wir zu dem erwähnten gröfseren Nebenflufs des Mggdovas und folgen ihm 
nach Südosten. Wir wandern immer in dem von Platanen be- 
schatteten, von Gerollen erfüllten breiten Bachbett und durchwaten 
den Bach mehrmals; der Weg ist bei der schwülen Hitze in der be- 
engten Schlucht sehr ermüdend. Die steilen Wände des Thaies be- 
stehen aus Hornstein, dann aus Plattenkalk, dann eine weite Strecke 
wieder aus Hornstein, dann, am Ausgang, wieder aus Plattenkalk. 
(2} St. von Chrysu). Endlich erreichen wir den Flufs Mdgdovas, der 
in sehr breitem Geröllbett mit südlicher Richtung dahinfliefst. Wenn 
auch, aufser dem Bett selbst, keine eigentliche Thalsohle vorhanden 
ist, so sind doch hier die Gehänge des Flufsthales schon sanft geneigt 
und hier und da von fruchtbarer Erde bedeckt, die vereinzelt angebaut 
ist. Sonst sind die Gehänge meist von Eichenwald bestanden. Eine 
Viertelstunde ziehen wir am rechten Flufsufer abwärts, dann müssen 
wir durch eine Furt hinüber (390 m). Hier sind bulgarische Flöfser 
damit beschäftigt, die in grofser Zahl in dem hier seichten Flufs 
gestrandeten Balken wieder flott zu machen. Die Bulgaren haben 
einen Steg für Fufsgänger angelegt, über den wir hinüber balancieren, 
während die Pferde, nicht ohne Gefahr, durch die fortwährend 
herabschwimmenden Balken getroffen zu werden, den Flufs durch- 
waten. 

Von der Furt aus biegen wir sehr bald nach Osten in das 
Nebenthal von Stänoma ein. Die Berge zu beiden Seiten bestehen aus 
abwechselnden Schichtkomplexen von Sandstein, Hornstein und Platten- 
kalk, nach Osten einfallend. Gebüsche und Bäume der Kermeseiche 
tiberziehen die Gehänge, während der Thalgrund zu Seiten des schäu- 
menden Baches, von einem dichten Platanenwald bedeckt ist. Ange- 
nehm wandert es sich im Schatten der riesigen Bäume, bis wir an der 
südlichen Thalwand das Dörfchen Stdnoma zwischen Obstbäumen ver- 
steckt erblicken. Zu ihm steigen wir hinauf, um dort zu übernachten. 
(1 St. 40 Min. von der Furt, 4! St. von Chrysu, 8 St. von Mirysi, 



Reisen und Forschungen in Nord-Griechenland. 261 

245 Einw., 660 m.) Im Hintergrund des Thaies sieht man den west- 
lichen 2120 m hohen Gipfel des Velüchi und den nördlich von ihm 
abzweigenden kahlen Kalkkamm. 

Am nächsten Tage, 24. Juni, dessen Witterung wie die der vor- 
hergehenden Tage herrlich war, setzten wir den Marsch nach Kar- 
penlsi fort. Wir steigen den das Thal im Süden begrenzenden Höhen- 
rücken hinauf, erst über Plattenkalk, dann über Hornstein, und er- 
reichen oben auf der Höhe den Saumpfad, der von der Brücke von 
Vfniani heraufkommt, den Weg vom nördlichen Akarnanien und dem 
Vältos nach Karpenfsi, den ich im Jahr 1890 zurückgelegt habe. 

Der Weg steigt auf dem Bergrücken nach Osten an, über ab- 
wechselnden Plattenkalk, Hornstein und Sandstein (f. O.), und durch 
Tannenwald. Dann geht es in ein südlich benachbartes Thal hinunter 
und in diesem wieder aufwärts über steil gefalteten Kalkschiefer und 
Hornstein. Am Ursprung des Thaies bei einer kleinen Quelle in einer 
Lichtung hat sich ein Wirt in einer kleinen Holzbude niedergelassen. 
Wir rasten hier ein Weilchen und steigen dann zur Pafshöhe und 
kleinen Kapelle H. Athanäsios auf, durch Tannenwald auf Sandstein. 
(2i St. von Stdnoma, 1470 m 1 ).) Von hier geht der Weg 20 Minuten 
weit am Abhang eines nach Süden zum Flufs von Karpenfsi gerichteten 
Thaies fast eben hin. Eine herrliche Aussicht hat man von diesem 
hochgelegenen Wege nach Süden auf die zackigen Kämme der Ätoli- 
schen Kalkalpen, besonders die wilden Felsgipfel Chelidöni (1989 m) 
und Kaleaküda (2104 m), auf die tiefen labyrinthischen Thäler, die sie 
durchschneiden, auf den langgestreckten gleichmäfsigen Schieferrücken 
der Oxyä im Südosten und die hohen Wände und Gipfel der Vardüssia 
dahinter. Dann steigen wir in dem breiten Schuttbett eines fast stets 
trockenen Wildbaches hinab, der uns bis nach Karpenfsi hinunter- 
führt. Zur linken haben wir die kahlen, vollständig entwaldeten 
Abhänge des Velüchi; in einer Schlucht, die vom Hochgebirge her- 
unterkommt, sehen wir ein Faltengewölbe von Hornstein unter dem 
Plattenkalk. An das linke Ufer des Wildbaches schliefsen sich gleich 
die ersten Häuser von Karpenfsi an. Der Ort wird in der Mitte 
von einer anderen steilen Runse durchschnitten; an beiden Seiten 
derselben steigen die Häuser dicht gedrängt an den Abhängen hinauf. 
An der rechten Seite der Runse liegt die Platfa mit der Kirche und 
dem Hauptkaffeehaus, etwas darüber die Kaserne und unterhalb die 
enge, steil abfallende Bazarstrafse. Eine Brücke führt von der Platfa 
auf das linke Ufer zu einer zweiten lebhaften Hauptstrafse, die sich 
in die nach Lamfa führende Fahrstrafse fortsetzt. Hier finden wir in 



l ) 1890 habe ich dort nur 142g m gemessen. 



262 A. Philippson: 

einem kleinen Gasthaus Unterkunft. (ij St. vom Joch, 3| St. von 
Stdnoma, iooo m.) 1 ) 

Karpenfsi beherrscht ein kleines fruchtbares Thalbecken, das sich 
südlich unterhalb der Stadt ausdehnt, etwa 10 km von O nach W lang 
und i bis 2 km breit, etwa 900 m ü. M. Hier sammelt der Flufs von 
Karpenfsi seine Gewässer, um sie in gewundenem Laufe durch enge 
Schluchten zwischen hohen Gebirgen dem Aspropötamos zuzuführen. 
Im Norden der Stadt erhebt sich der hohe Bergstock des Velüchi 
(Tymphrestos, 2319 m), einer der höchsten Gipfel des Pindos-Systems, 
aus Hornstein und Plattenkalken aufgebaut Auch im Westen und 
Südwesten umgeben freilich weit niedrigere Höhen aus denselben 
Gesteinen das Thal. Aus der Thalebene selbst erhebt sich südlich 
von Karpenfsi ein kleiner isolierter Hügel aus Kalkstein. Gegenüber 
liegt auf den südlichen Höhen das Dorf Miära; hier fällt der Platten- 
kalk steil nach Osten unter den Flysch ein, der von hier an die süd- 
östliche und östliche Umrahmung des Thalbeckens bildet. Das 
Thal liegt also auf der Grenze zwischen der Hornstein - Kalk- 
zone des Pindos im Westen, der grofsen Flyschzone der östlichen 
Agrapha und des östlichen Ätolien im Osten. Nur ein relativ 
niedriger und sanfter Flyschrücken bildet im Osten des Thaies 
die Wasserscheide gegen den Spercheios. Der Zugang zu dem Thal 
von Karpenfsi ist also vom östlichen Meer aus, von Lamfa her, wenig 
behindert, und hierher weisen daher die Verkehrsbeziehungen der 
Gegend. Nach allen anderen Seiten machen weite, durchschluchtete 
Gebirge einen regeren Verkehr unmöglich. Doch wird die Linie von 
Karpenfsi auch nach Westen durch eine orographische Erniedrigung des 
Pindos-Systems bezeichnet, da sich hier die grofsen Nebenflüsse des 
Aspropötamos vereinigen und die zwischen ihnen liegenden Gebirgs- 
kämme durch die Erosion von den sich nähernden Thälern aus stärker 
abgetragen sind, als weiter nördlich in der Agrapha und weiter südlich 
in den Gebirgen der Krävari, wie die Landschaft zwischen Karpenfsi, Näv- 
paktos, Agrfnion und Lidorfki genannt wird. Es ist also keine eigentliche 
Senke oder Furche, die hier das Gebirge quer durchschneidet, sondern 
nur eine gewisse allgemeine Erniedrigung der Kammhöhen. Diese Er- 
niedrigung benutzt der immerhin recht beschwerliche Weg von der 
Spercheios-Ebene und Süd-Thessalien nach Süd-Epirus, Akarnien und 
Ätolien. 

Auf dieser Lage an der wichtigsten Querstrafse des westlichen 
Mittel-Griechenland (Lamfa — Karpenfsi — Tatarna-Brücke und Karpenfsi — 
H. Vläsis — Agrfnion) und auf dem Besitz des einzigen ebenen Thal- 

l ) ^o: 958 m. 



Reisen und Forschungen in Nord-Griechenland. 



263 



bodens, der sich in den Gebirgen rings umher in weitem Umkreise 
findet, beruht die Bedeutung von Karpenfsi. Es ist der einzige städti- 
sche Ort in dem ausgedehnten Gebirgsland des südlichen Pindos- 
Systems und für den mittleren Teil desselben, der nicht nach den 
Rand-Ebenen hin gravitiert, der natürliche Mittelpunkt. Da aber der 
ganze Bezirk wenig bevölkert und die Bevölkerung sehr bedürfnislos 
ist, so hat auch Karpenfsi nie gröfsere Blüte erlangt. Es ist stets ein 
abgelegenes, für sich lebendes Gebirgsstädtchen geblieben. Aus dem 
Altertum sind keine Reste in Karpenfsi erhalten; dagegen finden sich 
solche am westlichen Ende der Thalebene an zwei Stellen. Gewöhn- 
lich verlegt man in diese Gegend die Wohnsitze der alten Eurytanen; 
jedenfalls kann es nicht zweifelhaft sein, dafs auch im Altertum der 
gröfste Ort dieses Bezirks am Rande dieser Thalebene lag. Ebenso- 
wenig wie aus dem Altertum haben sich aus dem Mittelalter erhebliche 
Bauwerke erhalten. Im späteren Mittelalter wird aber Karpenfsi schon 
erwähnt. Unter der türkischen Herrschaft bildete es den Hauptort 
eines Kaza (Bezirk); freilich reichte die Macht der türkischen Regie- 
rung kaum über die unmittelbare Umgebung der Stadt hinaus. In 
den zahlreichen Aufständen und Guerillakriegen der Türkenzeit, sowie 
in dem griechischen Freiheitskriege bildete Karpenfsi den Gegenstand 
häufiger Kämpfe; war es doch derjenige gröfsere Ort, der den stets 
unruhigen Bergbewohnern der Agrapha am nächsten lag. Jetzt ist Kar- 
penfsi der Hauptort der Eparchie Evrytanfa und hat als solcher Post, 
Telegraph, ein Gensdarmerie- Unterkommando, Bankfiliale und Regie* 
rungskasse und als Besatzung eine Kompagnie Evzonen. 



IX. Von Karpenisi nach Vitrinitsa am Korinthischen Golf, 
i. Karpenfsi — Gardfki — Artotfna. 

Schon am frühen Morgen des nächsten Tages (25. Juni) wurde 
bei klarem, frischem Wetter von Karpenfsi die Rückreise nach dem 
Ufer des Korinthischen Golfes angetreten. 

Die Fahrstrafse nach Lamfa, der wir bis zur Wasserscheide zu 
folgen hatten, zieht von der Stadt in die Thalebene hinab, dann über 
einen riesigen Schuttkegel hin, der aus einer am höchsten Gipfel des 
Velüchi entspringenden Schlucht herausquillt. Dieser schroffe impo- 
sante Gipfel selbst, jetzt fast schneefrei, tritt uns hier vor Augen. Ein 
Zug von Hornstein und Sandstein zieht die besagte Thalschlucht auf- 
wärts; darüber liegt ein aufgesprengtes Gewölbe von Plattenkalk. Der 
östliche Flügel dieses Gewölbes bildet die höchste Spitze. 

Von dem Schuttkegel, der die ganze Breite der Thalebene sperrt, 
kommen wir in den östlichen Teil der Ebene hinab, die sehr frucht- 



264 A. Philippson: 

bar und mit Mais und Getreide gut angebaut ist. Wieder kommt 
hier ein Thal vom nördlichen Gebirge und zwar von einer Einsattelung 
desselben herab; es folgt einem breiten Komplex von Thonschiefer, 
der unter dem Kalk des Velüchi hervortaucht; im Osten liegt ihm 
derselbe Kalk mit östlichem Fallen auf — er bildet also wieder ein 
Faltengewölbe, das in der Mitte durch die Erosion zerschnitten ist. 
Der östliche Flügel bildet den Berg Mavrlllos, dessen Kalk seiner- 
seits nach Osten unter den eocänen Flysch der grofsen ostätolischen 
Flyschzone einfällt. Der Kalk des Velüchi ist also älter als 
dieser eocäne Flysch. Die Höhen südlich der Thalebene bestehen, 
schon von Miära an, wo ebenfalls der Kalkstein unter Flysch Sand- 
stein einfallt, aus diesem letzteren Gestein. 

Die Fahrstrafse setzt auf einer hölzernen Brücke über den hier 
noch ziemlich kleinen Flufs (45 Min.), kehrt aber schon nach 25 Minuten 
bei einigen Hütten, Kalyvia, mit eben solcher Brücke wieder auf das 
nördliche Ufer zurück. Nun verengt sich die Ebene zu einem schmalen 
Thal, in dem die Strafse merklich ansteigt; nach J Stunde passieren 
wir das Chani von Läspi (1020 m). Das Dorf (625 Ew.) liegt an der 
gegenüberliegenden Thalseite in einem ausgedehnten Wald von Edel- 
kastanien. Die Windungen, welche die Strafse macht, um die Pafs- 
höhe zu erreichen, kürzen wir auf einem^ Richtwege ab und stehen 
nach \ Stunde (2 St. von Karpenfsi) auf der Wasserscheide zwischen 
dem Jonischen und Ägäischen Meer, auf der tiefsten Einsattelung 
des Sandsteinrückens (1240 m) 1 ), bei einem in Ruinen zerfallenen 
Wachthaus. 

Hier verlassen wir die nach Lamfa führende Fahrstrafse und folgen 
dem wasserscheidenden Höhenrücken nach Süden. Dieser Berg- 
rücken, der nach SSO allmählich ansteigt und in der 1927 m hohen 
Oxyä gipfelt, dann sich nach OSO zur Vardüssia wendet, besteht 
aus dickbankigem , graugrünem Flyschsandstein. Seine Oberflächen- 
formen sind sanft gerundet, und der wasserscheidende Rücken selbst 
hat tiberall eine beträchtliche Breite. Die Länge dieses die Haupt- 
wasserscheide Mittel-Griechenlands tragenden Flyschrückens beträgt 
von der Lamfa-Strafse aus 30 km; er ist wegsam, sodafs ihm der 
ganzen Länge nach ein Saumpfad, eine Art Rennstieg, folgt, der 
Karpenfsi und die Ägrapha mit den Eparchien Doris und Pamassis 
verbindet. Die Wanderung auf dem aussichtsreichen, sanft an- 
steigenden Bergrücken, der nach allen Seiten die weitesten Ausblicke 
gestattet, in der herrlichen Höhenluft, auf mildem, fast steinlosem 
Boden, ist entzückend. Man fühlt sich allein mit der Natur. Kein 



1 ) 1890: 1213 m gemessen. 



Reben und Forschungen in Nord-Griechenland. 265 

Mensch und kein auffalliges Menschenwerk weit und breit. Eine 
Strecke geht es durch dichten Tannenwald, dann wieder über freie, 
von Kräutern und Blumen anmutig geschmückte Höhen. Die kühle 
Luft (12I Uhr 21 4°) läfst die fast scheitelrecht stehende Sommersonne 
nicht lästig werden; wir können uns ungestört darüber freuen, wie sie 
alles ringsum in Licht und Farben badet. 

Wir kommen an einer Stelle vorbei, die 's ta xoxxaXa („zu den 
Knochen") heifst. Man hatte mich schon in Karpenfsi auf sie auf- 
merksam gemacht, da man dort Knochen in grofsen Massen fände. 
Meine Hoffnung, vielleicht ein fossiles Knochenlager dort zu entdecken 
wurde aber getäuscht. Auf dem breiten Gebirgskamm liegen einige 
Äcker, und deren Boden, vom Pfluge aufgewühlt, ist geradezu erfüllt 
von Knochensplittern, alles mürbe, zerfallene Teilchen, die wohl nur 
von Menschenknochen und zwar von einer Begräbnisstätte einer früher 
hier gelegenen Ansiedelung herrühren können. Diese Vermutung wird 
dadurch bestätigt, dafs auch eine grofse Menge von Bruchstücken 
flacher roter Ziegel in derselben Erde herumliegen. Die Stelle liegt 
etwa 1400 m ü. d. M., also höher als jetzt irgend ein Dorf in Griechen- 
land. Mein Führer erzählte mir, dafs die Knochen von einer grofsen 
Schlacht herrührten, die einst hier geschlagen worden sei; ich glaube 
das aber nicht, da die ziemlich gleichmäfsige Verteilung der Knochen- 
splitter in der Erde auf einer ansehnlichen Fläche darauf hinweist, 
dafs sie auf dieser ganzen Fläche in der Erde begraben waren. Nach 
einer Schlacht läfst man die Leichen entweder liegen — und dann 
erhalten sie sich nicht lange — , oder man begräbt sie alle zusammen 
in einem oder in wenigen Massengräbern. 

Im Westen erscheinen inmitten des Sandsteins einige Kalkklippen. 
Unter einzelstehenden Tannen machten wir um 9! Uhr (1 St. vom 
Joch, 3 St. von Karpenfsi, 1490 m) Mittagsrast, da hier für die Pferde 
eine vorzügliche Weide war. 

Von hier steigt der kahle, sanftgewölbte Höhenrücken etwas steiler 
an. Wir folgen ihm stets in der Nähe der Kammlinie. Der Sand- 
stein streicht N 15—25° O und fallt nach Osten ein. Nach links ziehen 
sich Thäler durch bewaldetes Land zum Spercheios hinab, nach rechts 
zum Krfkelo-Flufs, der sich mit dem Karpenfsi-Flufs vereinigt (also 
dem Aspros-Gebiet zugehört). Auf der einen Seite übersieht man 
die ganze Spercheios-Ebene bis zum östlichen Othrys-Gebirge ; auch 
die hohe Kalkmasse des Katavöthra-Gebirges (Oeta) steht nicht allzu- 
fern zur linken. Auf der anderen Seite sieht man in tiefe gewundene 
Thäler hinab; jenseits derselben erheben sich die wilden Gipfel und 
Kämme der Ätolischen Kalkalpen. Nach 2 Stunden vom Rastplatz 
kommen wir auf den für heute höchsten Punkt unseres Weges (1750 m); 



266 A. Philippson: 

jenseits desselben liegt ein Joch (1680 m), wo der Weg von Krfkelo 
nach Gardfki den Kamm kreuzt. Wir folgen diesem Weg, verlassen 
also die Kammlinie und steigen nach Osten hinab. (2 St. 25 Min. 
vom Rastplatz.) Der Pfad folgt wieder einem seitlich vom Haupt- 
kamm ausstrahlenden Rücken zwischen zwei Thälern, der sich allmäh- 
lich erniedrigt; dabei stellt sich die Vardüssia in ihrer ganzen Gröfse 
unseren Blicken dar. Das Gestein ist hier vorwaltend Thonschiefer, 
obwohl Sandstein nicht fehlt. Eine Quelle entspringt am Wege. Zu. 
letzt geht es durch dichten Tannenforst, in dem auch Edelkastanien 
wachsen, steiler hinab, und plötzlich, aus dem Walde tretend, stehen 
wir an den Häusern von Gardfki, das uns bisher verborgen war. 
(i| St. vom Kamm, 7 St. von Karpenfsi.) Das grofse Dorf (1321 Ew.) 
liegt weit zerstreut an einem Flyschabhang, der sich zu einem tiefen, 
aber sanftgeböschten Thal hinabzieht. Der Forst oberhalb des Dorfes 
wird als Bannwald geschont, um das Dorf und seine Äcker vor Ver- 
muhrung zu schützen. Sonst sind die Abhänge des Thaies bis hoch 
hinauf mit Getreidefeldern bedeckt. Oberhalb des Waldes hatten die 
Heuschreckenlarven schreckliche Verwüstungen in den Feldern an- 
gerichtet; auf weiten Strecken war buchstäblich alles vollständig kahl 
gefressen. Beim Vorbeireiten brachten die Tausende von Tierchen, 
die durch den Hufschlag aufgeschreckt, sich mit ihren langen Hinter- 
beinen fufshoch in die Luft schleuderten und dann wieder nieder- 
fielen, ein lautes Rasseln hervor. 

Der Verlauf der Thäler bei Gardfki ist auf der französischen 
Karte nicht ganz richtig dargestellt. Der Bach von Gardfki bricht 
unterhalb des Dorfes nach Osten durch, um sich in den Vestritsa- 
Bach und durch diesen in den Spercheios zu ergiefsen. 

Der 26. Juni war vormittags klar, nachmittags halb-, am Abend 
ganz bewölkt. 

Wir steigen zunächst auf demselben Weg wieder hinauf, durch 
den Wald und dann durch die von den Heuschrecken abgefressenen 
Felder. Höher hinauf schwenken wir uns links um den Ursprung des 
Baches von Gardfki herum, uns immer mehr dem Kamm nähernd. Der 
Kamm besteht aus Sandstein, der mit Thonschiefer wechsellagert. 

Der Nordostabhang des Kammes wird von hier aus auf eine weite 
Strecke hin von einem grofsen, zusammenhängenden Buchenwald be- 
deckt, der iu sich der Höhenregion von 1400 — 1800 m, über den 
Tannenwäldern der tieferen Gehänge, ausdehnt. Darüber hinaus ragt 
der kahle rundliche Gipfel Oxyä (1927 m), der noch einige Schnee- 
flecken trägt. Der Buchenwald dehnte sich früher weiter nach Norden 
aus und ist dort niedergehauen worden, wie man aus den Buchen- 
Büschen erkennt, die dort aus den Wurzelstöcken der gefällten Bäume 



Reisen und Forschungen in Nord-Griechenland. 267 

hervorspriefsen. Unser Pfad erreicht die kahle Kammregion vor dem 
Beginn des Waldes und hält sich dann stets über demselben. Der 
Wald soll im Innern vollkommen undurchdringlich sein. Unter einigen 
vereinzelten grofsen Buchen an der oberen Waldgrenze machen wir 
kurze Rast (2} St., 1790 m). Hier steht Sandstein und Thonschiefer, 
steil gefaltet an, str. N 44 ° W, f. NO. 

Der Pfad läuft nun dicht unter dem höchsten Gipfel entlang 
(höchster Punkt des Weges 1900 m), stellenweise auch auf der Kamm- 
linie selbst. Dort sieht man hinunter in das tiefe Thal des Phfdaris 
und auf die Ätolischen Kalkalpen, deren Kalk nach Osten unter 
den Flysch einfällt. Hier wird auch die Westseite des Kammes von 
Buchenwald bedeckt. Diese Wälder des Oxyä - Gebirges bilden das 
südlichste Vorkommen der Buche auf der Balkan-Halbinsel. Wir ver- 
lassen dann den wasserscheidenden Kamm, wo er sich nach OSO 
wendet, und folgen in südöstlicher Richtung einem allmählich sich 
erniedrigenden Seitenrücken, der sich gegen das Thal des Phfdaris 
hinzieht. Hier treffen wir mitten im Buchenwald ein Stani oder 
Hirtenlager. (1 St 40 Min. von dem vorigen Rastplatz, 4 St. von 
Gardfki, 1650 m). 

Nachmittags marschieren wir weiter und kommen bald aus dem 
Wald heraus. Es geht nun steil zum Phfdaris -Thal hinunter, über 
Äcker, die mit Kastanien- und Eichen-Beständen durchsetzt sind. Vor 
uns steigt die Vardüssia mächtig empor. Sie besteht in ihrer Basis 
aus Schiefern und Sandsteinen, die rote Schicht-Komplexe (Hornstein?) 
einschliefsen, darüber erheben sich riesige Felswände von stark zu- 
sammengefaltetem Kalk. 

Wir passieren das am Abhang des Phfdaris-Thales liegende grofse 
Dorf Sitfsta (i£St., 1230 m, 1431 Einw.), das schon zur Landschaft 
Krävari (der Eparchie Nävpaktos) gehört, und steigen dann weiter 
über schwarzen Thonschiefer, wechselnd mit Grauwacken und Sand- 
stein, hinunter zu dem Phfdaris, der in breitem Schuttbett zwischen 
Platanen -Gebüsch dahinfliefst (i St., 900 m). Nachdem wir den Flufs 
durchwatet, geht es am jenseitigen Gehänge steil hinauf, zu Seiten 
des von Süden herabkommenden Thaies von Artotfna (Eparchie Doris). 
Durch Weinberge erreichen wir das romantische, unter Platanen neben 
einer reichlich sprudelnden Quelle gelegene kleine Kloster H. Joännis 
(25 Min.). Von hier geht es am westlichen Gehänge des Artotfna- 
Thales entlang, allmählich ansteigend nach Süden, über Schiefer. 
Nach \ Stunden vom Kloster erreichen wir das Dorf Artotfna (7 St 
5 Min. von Gardfki, Haus des Dimarchos 1200 m) 1 ). Es liegt an dem 

1 ) Die Höhenzahl 989 m, die auf der französischen Karte neben Artotfna 
steht, ist viel* zu niedrig. Sie bezieht sich vielleicht auf die Thalsohle. 
Zeitschr. d. Ges. f. Erdk. Bd. XXXII. 1897. 19 



268 A - Philippson: 

linksseitigen Gehänge des ziemlich breiten Thaies, gerade gegenüber 
der eigentlichen Vardüssia (2352 m), die sich in grofsartigen Fels- 
wänden vor uns erhebt Über der Unterlage von Schiefern und 
Sandsteinen liegt steil zusammengefalteter Kalkstein, in dem einzelne 
Partien roten Gesteins (Hornstein oder bunte Schiefer) auftreten. An 
die Vardüssia schliefst sich südwärts ein ungemein steiler Felskamm 
mit abenteuerlichen Zacken an, Alogorhächi (Pferderücken) genannt. 
(Die franz. Karte nennt ihn Strongylovuno, 2366 m, welcher Name in 
Artotfna nicht bekannt ist.) Auch er besteht aus steil aufgerichteten 
Kalkschichten über roten Schiefern. Die Alogorhächi verbindet sich 
mit einem rundlichen Kalkstock, der gegen das Thal von Artotfna vor- 
springt, die Neraida (Psili-Koryphi 2220 m der franz. Karte). Östlich 
hinter der eigentlichen Vardüssia verborgen liegt der langgestreckte 
Kalkkamm Hagios Ufas (St. filie de Vardoussia der franz. Karte), der 
2495 m erreicht und nächst der im Osten benachbarten Giöna der 
höchste Berg im Königreich Griechenland ist. 

Die Kalke der Vardüssia scheinen, soweit man von ferne urteilen 
kann, die hellen plattigen, mit Hornstein wechsellagernden Kreide- 
Eocänkalke des Pindos zu sein, nicht die grauen massigen Rudisten- 
Kalke Ost-Griechenlands. 

Es mufs einer zukünftigen genaueren Untersuchung vorbehalten 
bleiben, ob die Kalke der Vardüssia über den eocänen Flysch tiber- 
schoben sind, wie die Tsumdrka, oder ob die Schiefergesteine unter 
den Kalken der Vardüssia nicht gleich, sondern älter sind, als der 
eocäne Flysch, der die grofse ostätolische Sandstein-Schieferzone bildet. 

Der Bürgermeister von Artotfna klagte sehr über die Waldver- 
wtistung, die in den letzten Jahrzehnten in dieser Gegend Platz ge- 
griffen habe. Infolge derselben seien die Thalauen, die ehemals frucht- 
bare, reich bewässerte Äcker enthalten haben, jetzt zu einer wüsten 
Geröllfläche geworden, und auch an den Gehängen sei viel fruchtbare 
Erde fortgerissen worden. Bei Artotfna wird, trotz der hohen Lager 
ziemlich viel Weinbau getrieben. 

2. Artotfna — Lidorfki — Vitrinftsa. 

Am 27. Juni, der nur zeitweise am Nachmittag bewölkt war, wurde 
nach Lidorfki marschiert. Dieser und der folgende letzte Tag meiner 
Reise waren die wärmsten. An beiden zeigte das Thermometer um 
Mittag 28|°. 

Der Weg führt am westlichen Thalgehänge hin 1 ) auf gefalteten, 
grauwacken-ähnlichen Sandsteinen und Thonschiefern. Dann kreuzen 

l ) Die Thalläufe sind auch in dieser Gegend auf der französischen Karte 
recht ungenau. » 



Reisen und Forschungen in Nord-Griechenland. 269 

xvir den Bach und steigen am östlichen Gehänge durch Tannenwald 
liinauf. Auf der westlichen Thalseite liegt eine Kalkscholle über den 
Schiefern. Dann geht es am Fufs der Neraida hin; die hellen, bunt- 
gefärbten Plattenkalke des Berges liegen über dem Sandstein und 
Thonschiefer, die N 6° W streichen. Zahlreiche Quellen entspringen 
an der Grenze und bewässern einige Mais- und Getreidefelder, 
Jenseits derselben erreichen wir die Pafshöhe (i St. 35 Min., 
1400 m), welche die zum Phfdaris gerichteten Gewässer von dem 
Flufsgebiet des Mörnos scheidet. Das Joch selbst ist von einem 
neuen, ziemlich tiefen Graben eingekerbt, der dazu bestimmt ist, das 
Wasser der erwähnten Quellen auf die Südseite des Joches hinüber 
zu leiten. 

Unser Pfad verfolgt nun die rechte Seite des südwärts gerichteten 
Thaies. Sandstein und Konglomerat stehen hier an, N n° W streichend 
und nach West einfallend. In 50 Minuten vom Pafs erreichen wir das 
hoch am Abhang auf einer kleinen Terrasse gelegene Dorf Ano- 
Kostärtsa (600 Einw., 1150 m) und steigen dann steil hinab in das 
tiefe, ungemein enge Thal des Kökkino-Potämi, der vom H. Ufas her- 
unterkommt und, wie sein Name sagt, rotes Wasser hat, infolge der 
eisenschiüssigen roten Gesteine, die in diesen Gebirgen, wie wir von 
weitem sahen, auftreten. Zur linken des Thaies zieht eine mächtige 
und breite Kalkzone hin, auf der das Dorf Vostinftsa liegt (701 Einw.); 
sie hängt mit dem Kalk der Alogorhächi zusammen, liegt über den 
Schiefern der Westseite und fällt andrerseits nach Osten unter die 
Schieferzone ein, die sie von dem Kalk der H. Ilfas-Kette trennt. Rechts 
auf der Höhe liegt das Dorf Drestenä (183 Einw.); über ihm ragt ein 
Kalkberg auf. 

Von der Stelle an, wo wir den Kökkino Potämi erreichen (1 St., 
710 m), sind wir in dem engen Thal dieses Flusses eingeschlossen. 
Die steilen Wände aus Schiefer und Sandstein erlauben nirgends die 
schmale Thalsohle zu verlassen, die ganz von dem Geröllbett des 
Flusses eingenommen wird, der sich in steten Windungen bald an die 
rechte, bald an die linke Thalwand wirft. So müssen wir ihn unzählige 
Male durchwaten. Wie gewöhnlich ist das Geröllbett meist von Pla- 
tanen bewachsen, die zwar Schatten geben, aber jetzt, unter Mittag, 
eine desto drückendere, feuchtschwüle Hitze erhalten. 

Der überaus mühsame Marsch über das lockere, glatte Geröll wird 
durch die Hitze und den Durst fast unleidlich gemacht; denn das 
Wasser des Flusses ist nicht nur ganz lehmig, sondern auch so warm, 
dafs es ungeniefsbar ist. Mit Freuden begrüfsen wir eine mächtige 
Quelle, die aus den Uferfelsen hervorbricht; aber auch sie stellt sich 
als lauwarm heraus. 

19* 



270 A « Pbilippson: 

Nach etwa zweistündiger Wanderung in der Schlucht kommen wir 
an ein kleines Chani zu Seiten einer anderen besseren Quelle. 

Weiter abwärts öffnet sich das Thal endlich zu einer breiteren 
Thalebene, in welcher der Kökkinos sich in den Mörnos ergiefst. Zur 
linken haben wir den Kalkklippenzug von Granftsa, der mauerartig 
aus den weicheren Schiefergesteinen hervortaucht, augenscheinlich ein 
spitzes Faltengewölbe bildend, sodafs er älter ist als die umgebenden 
meist roten Schiefer. Hinter diesem Kalkzug erhebt sich die weit 
mächtigere Kalkkette des H. Ufas. Sie wird von dem wasserreichen 
Mörnos in einer kurzen Klamm durchschnitten, an deren west- 
lichem Eingang , unmittelbar am Flufs , ein Chani , sto Steno, 
liegt (4 St. 40 Min. von Kostärtsa, 410 m). Der graue dickbankige 
Kalk des Engpasses fällt nach Osten ein. Darunter steht an 
der Westseite eine Zone von rotem Kalkschiefer an, darunter Thon- 
schiefer, stark gefaltet. Etwas nördlich vom Engpafs ist der Kalk 
durch eine Einkerbung bis auf den darunter liegenden Schiefer durch- 
schnitten. Beim Chani fuhrt eine Brücke über den Flufs. 

Wir passieren dann den Engpafs und treten in das breite Längsthal 
von Lidorfki hinaus, das sich zwischen der hohen Kette des H. Ufas und 
der Giöna von N nach S erstreckt. Es hat einen ziemlich fruchtbaren Thal- 
boden, der auf beiden Seiten von Hügeln aus Schiefer eingefafst wird. 
Dahinter steigen dann die hohen Kalkgebirge auf. Der Kalk der H. Ilfas- 
Kette fällt wiederum nach Osten unter den Schiefer des Lidorfki-Thales 
ein, aber mit steiler Grenze, welche die Schichten des Kalkes schräg 
abschneidet, also mit einer Verwerfung. Der nördliche Teil des Thaies 
wird vom Mörnos durchzogen, der dann durch den Engpafs nach 
Westen durchbricht. Aus dem südlichen Teil des Thaies kommt ihm 
der Besilitsa-Bach entgegen. Wir durchqueren die Thalebene in süd- 
östlicher Richtung und steigen an dem jenseitigen Schiefergehänge hinauf 
nach Lidorfki, das etwa 100 m über der Thalsohle am Eingang 
eines von Osten herabkommenden Nebenthaies liegt. (i£ St. von Chani 
Stenö, 8 St. 20 Min. von Artotfna, 570 m.) 

Der Ort, obwohl Hauptort der Eparchie „Doris", die den mittleren 
Teil des Landes der Ozolischen Lokrer des Altertums umfafst, ist 
nichts weiter als ein ärmliches Dorf von 967 Einwohnern. Das einzig 
Städtische des Ortes, aufser Post und Telegraphie, ist das Vorhanden- 
sein eines sauberen kleinen Gasthofes. 

Am 28. Juni, einem klaren und warmen Tage, wurde nach Vitri- 
nftsa marschiert. 

Vorher ging ich aber eine halbe Stunde auf dem Weg nach Am- 
phissa aufwärts, der das bei Lidorfki mündende Seitenthal verfolgt- 
Man kommt hier aus den Schiefern und Sandsteinen des Hauptthaies 



Reisen und Forschungen in Nord-Griechenland. 271 

in den Kalk der Giöna- Kette hinein. Dieser ist dunkelgrau bis 
schwärzlich, dickbankig und zeigt Durchschnitte von Rudisten und 
grofsen Schnecken in Menge. In dem Kalk treten unregelmäfsig be- 
grenzte Partien von Schieferthon und Sandstein auf, die steil zusammen- 
gefaltet sind und sich zwischen dem Kalk sehr bald auskeilen. Es 
mufs dahingestellt bleiben, ob diese Schieferpartien ursprünglich ein- 
gelagert, oder ob sie nur eingefaltet sind. Die ganze Kalkmasse mit- 
samt ihren Schieferpartien bricht mit einer senkrechten Grenzfläche nach 
Westen gegen die Schiefer und Sandsteine des Hauptthaies ab, ebenso 
wie der Kalk der westlichen Kette, sodafs also das Thal einen 
Grabenbruch darstellt. Der Schiefer des Thaies ist demnach jünger 
als der Kreidekalk der umliegenden Gebirge. 

Nach meiner Rückkehr von diesem Abstecher brachen wir um 
&k Uhr zu unserem letzten Tagemarsche auf. Eine unvollendete 
Fahrstrafse, die für Fuhrwerke infolge mangelnder Brücken und 
fehlender Beschotterung ganz unbrauchbar ist, aber Reitern und Fufs- 
gängern die Reise sehr erleichtert, verbindet Lidorfki mit seinem 
Hafen Vitrinftsa. Es ist wieder eine nur für Wahlzwecke begonnene 
Strafse, die, selbst wenn sie vollendet wäre, bei der Ärmlichkeit des 
Hinterlandes gar keinen Zweck haben würde. Ein guter Saumpfad 
für den vierten Teil der Kosten hätte seinen Zweck besser erfüllt. 

Die Strafse führt an den Schieferhügeln entlang zur Thalsohle 
hinab, die mit Getreidefeldern bedeckt ist. Der Kalk der westlichen 
Kette fällt hier im südlichen Teil der Ebene nach Osten unter roten 
Schiefer, dieser unter gelben Mergelschiefer ein. Die Strafse hält sich 
aber in der Nähe der östlichen Kette, deren Kalk hier über den 
Schiefer des Hauptthaies zu liegen scheint. 

In dem Chani von Malandrini (2 St. von Lidorfki, 540 m) — das 
Dorf liegt links am Bergabhang — machen wir unter einem einzelnen 
Baum, dem einzigen weit und breit, Mittagsrast. Der Aufenthalt war 
keineswegs angenehm, da der Boden unter dem Baum, wie dies ge- 
wöhnlich bei einzeln stehenden Bäumen der Fall zu sein pflegt, mit 
Schafmist bedeckt war. Aufserhalb des Schattens aber flimmerte und 
gleifste alles von mittäglicher Sonnenglut. Unter Mittag trat hier ein 
Wechsel des Windes ein, der uns die Nähe des ersehnten Meeres 
verkündete. Während bis dahin der in dieser Jahreszeit im Binnen- 
lande sowohl wie auf dem offenen Meer regelmäfsig herrschende 
Nordwind geweht hatte, trat nun eine erfrischende Brise von Süden 
ein, der Seewind (Emvätis), der an klaren Sommertagen sich an allen 
Küsten dieser Breiten tagsüber zu entwickeln pflegt. Er erleichterte 
uns die Weiterreise auf dem vollkommen schattenlosen Weg bei 
2%i° C. Lufttemperatur in sehr willkommener Weise. 



272 A - Philippsoli: 

Bei dem Chani von Malandrfni verengt sich die Ebene zu 
einem schmäleren Thal, das nun stärker nach Süden ansteigt. • Die 
Kalkmassen der beiden Thalseiten nähern sich immer mehr; der 
Kalk der Giöna fällt wieder nach W steil unter die bunten Kalk- 
schiefer und Thonschiefer des Thaies ein, die sich allmählich nach 
Süden zwischen dem Kalk auskeilen. Das öde Thal führt uns zu einer 
noch öderen steinigen Hochfläche hinauf (760 m), welche die Wasser- 
scheide zwischen dem Mörnos-Gebiet und den nach Süden gerichteten 
Wasserrinnen bildet. Diese letzteren sind jetzt natürlich alle trocken. 
Die Hochfläche besteht aus massigem, geschrattetem Kalk mit Ru- 
disten. 

Die Strafse folgt der rechten Seite einer südwärts gerichteten 
Thalschlucht, die von vollständig kahlen Kalkfelsen eingefafst ist. 
Zahlreiche Höhlen und Felsnischen öffnen sich an diesen Wänden, 
wie gewöhnlich in den massigen Kreidekalken. Meist sind sie durch 
vorgelegte Reisighürden in Viehställe umgewandelt, wie die Höhle des 
Kyklopen. Jetzt, im Sommer, sind alle verlassen. Schweigend und 
nackt liegt die Felswildnis in der Sommerdürre da, die in der Regen- 
zeit von den Glöckchen der weidenden Schafe und den Schalmeien 
der Hirten wiederhallt. Wir sind hier in die echte sommerdürre 
Ktistenregion eingetreten, die vielleicht schon wochenlang keinen 
Tropfen Regen erhalten hatte, während wir in den binnenländischen 
Gebirgen, selbst in der gleichen Meereshöhe, von häufigen Regen ver- 
folgt wurden. Plötzlich, bei einer Wendung des Thaies, liegen die 
Hochgebirge des Peloponnes, der Chelmös und der Voldiäs, so nahe 
vor unseren Blicken, dafs wir fast die trennende Meeresschranke ver- 
gessen hätten. Mein treuer Angelis stöfst einen Jubelruf aus beim 
Anblick der Berge seines geliebten Heimatlandes, und ich selbst be- 
grüfse mit Freuden die mir so wohl bekannten Berggestalten. Da er- 
scheint denn auch der Küstensaum von Morea mit seinen zahllosen weifsen 
Häuschen in dem Grau der Olivenhaine, dem üppigen Grün der 
Korinthen-Pflanzungen, und der azurne Spiegel des herrlichsten aller 
Golfe des Mittelmeeres. Denn welcher andere vermöchte sich an 
Grofsartigkeit und Formenreichtum seiner Umrahmung, an echt süd- 
ländischer Farbenpracht, und vor allem an dem schönen Verhältnis 
der Breite des Wasserspiegels zu der Höhe der Gebirge mit dem 
Korinthischen Golf messen? Hier und da schwimmt ein weifses 
Segel auf der blauen Flut, und dort zieht ein Dampfer seine schwarze 
Rauchwolke hinter sich her. 

Die Strafse biegt hoch am Gehänge nach rechts aus dem Thal 
hinaus und senkt sich in Windungen, die wir auf Richtwegen abkürzen, 
in die kleine Küstenebene von Vitrinftsa hinunter, die ich schon ein- 



Reisen und Forschungen in Nord-Griechenland. • 273 

mal, im Jahr 1890, durchzogen hatte. Bunte Schiefer, Thonschiefer, Sand- 
steine treten am Rande derselben hervor, und zwar unter dem Kreide- 
kalk der umgebenden Gebirge. Die Abhänge und die Ebene selbst, 
beide fast völlig baumlos, sind mit dürren Phrygana-Sträu ehern über- 
zogen. Dazwischen ziehen sich den jetzt trockenen Runsen und Bach- 
läufen entlang Einfassungen von Oleander-Bosketts, die jetzt in dem 
herrlichsten Rosenrot ihres voll entfalteten Blütenschmuckes prangen. 
Nie entsinne ich mich, die Oleander so wundervoll blühend gesehen 
zu haben, wie in diesem Jahr hier und bei der Eisenbahnfahrt an der 
Nordküste des Peloponnes, wo die grofsen Schuttflächen der dort 
mündenden Gebirgsbäche oft von ausgedehnten Buschwäldern dieser 
herrlichen Pflanze bedeckt sind. Das Weifs des Schotters, das Dunkel- 
grün des Laubes und das feurige Rosenrot der Blüten, die dicht- 
gedrängt auf den meist halbkugelförmig gestalteten Büschen sitzen, 
geben eine unvergleichliche Farbenwirkung. 

Das eigentliche Dorf Vitrinftsa liegt am Bergabhang westlich der 
Ebene. Am Gestade der Bucht aber, die mit sanft geschwungener 
Kurve zwischen zwei vorspringenden Felskaps in die Ebene eindringt, 
liegt die Skala, d. h. der Hafenort, der aus einer Anzahl stattlicher 
Magasia und einigen anderen Häusern besteht, die von schönen Baum- 
gärten umgeben sind. (Die Volkszählung giebt nur die Einwohner- 
zahl für Dorf und Hafen zusammen: 1008.) 

Wir erreichen die Skala um $\ Uhr nachmittags. (3 St. von dem 
Chani Malandrini, 5 St. von Lidorfki.) Bald haben wir ein geeignetes 
Kaik (kleines Segelschiff) gefunden, das uns und unsere Pferde nach 
der gegenüberliegenden Küste des Peloponnes bringt. Nach Mitter- 
nacht landeten wir eine halbe Stunde östlich von der Stadt Aegion und 
zogen in die schlafende Stadt ein. Am nächsten Tage (29. Juni) 
brachte mich die Peloponnes-Eisenbahn nach Athen zurück. 



Zusammenfassendes über das Pindos-Gebirge. 

Ein mächtiges, langgestrecktes Kalkgebirge durchzieht Nord- und 
Mittel-Griechenland in annähernd meridionaler Richtung vom Zygös- 
Päfs im Norden bis zum Korinthischen Golf im Süden und trennt als 
schwer zu tiberwindende Scheidemauer die westlichen und die öst- 
lichen Landschaften so wirksam von einander, wie kein anderes Ge- 
birge in dem sonst so stark zerstückelten Griechenland zu scheiden 
vermag. Obwohl dieser Gebirgszug mit nahezu 2400 m Maximalhöhe 
zu den höchsten Griechenlands gehört, ist es doch nicht seine Gipfel- 
höhe, die ihn so unwegsam macht, sondern seine lange, ununterbrochene 



274 A. Philippson: 

Erstreckung, ohne Lücken und bequeme Pässe, ohne leicht gangbare 
Querthäler, wohingegen steilwandige und gewundene Längs- und Dia« 
gonalthäler das auch tektonisch aus einer grösseren Zahl von eng zu- 
sammengedrängten Ketten bestehende Gebirge tief zerschneiden, so- 
dafs man wiederholt bergauf, bergab steigen mufs, um das Gebirge 
zu durchkreuzen. 

Dieses grofse meridionale Kalkgebirge ist in seinem südlichen 
Teil von Neumayr treffend als „Ätolische Kalkalpen" bezeichnet 
worden, während für den nördlichen, zwischen Epirus und Thessalien 
gelegenen Teil der alte Name Pin dos auch von der neueren Geogra- 
phie beibehalten worden ist. Neumayr dehnte den Namen Ätolische 
Kalkalpen soweit nach Norden aus, als sein Forschungsgebiet reichte, 
nämlich bis zu der damaligen politischen Grenze Griechenlands (vor 
1881); diese stellt aber in keiner Weise einen natürlichen Abschnitt 
im Gebirge vor. Wenn wir den Namen Pindos nicht über den ganzen 
in sich gleichartigen Gebirgszug bis zum Korinthischen Golf ausdehnen 
wollen, was allerdings dem Gebrauch der Alten nicht entsprechen 
würde, so können wir Pindos und Ätolische Kalkalpen nur durch eine 
Querlinie scheiden, die von der Spercheios- Ebene westlich durch das 
Thalbecken von Karpenlsi, von dort über Miliä zu der westlich ge- 
richteten Strecke des unteren Megdovas und quer über den Äspros 
und das Chani Podogorä nach Karavasaräs am Golf von Arta zieht. 
Denn diese Linie ist zwar keine tektonische Grenze, aber doch eine 
bedeutende, durch die Anordnung der Erosionsthäler bedingte Ein- 
sattelung des Gebirges, das man hier überschreiten kann, ohne 
sich mehr als 1352 m über das Meer zu erheben. Annähernd folgt 
dieser Linie der freilich auch beschwerliche Weg vom Golf von Arta 
nach dem Spercheios - Gebiet (Karavasaräs — Tatärna — Karpenlsi — 
Lanria), auf dem man nicht weniger als acht Höhenrücken zu tiber- 
steigen hat. 

Während das Pindos-Kalkgebirge im Süden des Korinthischen Golfes 
seine durch Einbrüche zerstückelte Fortsetzung im westpeloponnesischen 
Gebirge (Voidiäs, Olonös u.s.w.) findet, nimmt es im Norden, etwas süd- 
lich vom Zygös-Pafs, ein plötzliches Ende. Nur die mächtigen Kalkgebirge 
von Epirus, westlich von der Hauptwasserscheide, setzen nach Albanien 
hinein fort; dagegen beginnen in der Fortsetzung des Pindos fast allein 
Serpentin und Flysch das wasserscheidende Gebirge der westlichen 
Balkan-Halbinsel zusammenzusetzen, und damit ändert sich der gesamte 
Charakter dieses Gebirges: es wird sanfter geformt, niedriger — der 
2575 m hohe Smolika erhebt sich als isolierter Bergklotz weit über 
seine Umgebung — und leichter zu überschreiten. 

Dieses sanfte Serpentin- und Flyschgebirge, das schon den Zygös 



Reisen und Forschungen in Nord-Griechenland. 275 

"bildet, setzt nach. den Forschungen Hilber's nach Nordwesten min- 
destens bis in die Nähe von Korica fort. Das Gebirge um den Zygös 
nannten die Alten „Lakmon", es zuweilen auch dem Pindos zu- 
zählend ; für die nördlicheren Teile hatten sie keinen zusammenfassen- 
den Namen, sondern nur solche für einzelne Abschnitte (Tymphe, Boion 
u.s. w.). Neuerdings hat man vielfach den Namen Pindos, entgegen 
dem Gebrauch der Alten, auch auf dieses nördlichere Wasserscheiden- 
Gebirge zwischen Makedonien und Albanien ausgedehnt (Makedoni- 
scher Pindos); diese Ausdehnung ist aber weder geschichtlich noch in 
der Natur berechtigt. Bereits südlich vom Zygös beginnt, wie gesagt, 
ein seiner Zusammensetzung nach anderes Gebirge. Da ich von ihm 
aber nur die Umgebung des Zygös kennen gelernt habe, will ich diese 
hier im Zusammenhang mit dem Pindos besprechen. 

Zu beiden Seiten des Pindos-Kalkgebirges ziehen sich Flyschzonen 
entlang, und jenseits der östlicheren derselben erhebt sich am Rand 
des Thessalischen Beckens noch einmal ein Gebirgszug aus Kalk- 
stein, Serpentin u. a. Wir rechnen diese Seitenzonen zum Pindos 
hinzu und begrenzen demnach das hier zu behandelnde Gebirge im 
Süden durch die Querlinie von Karpenisi, im Norden durch den Flufs 
von Mdtsovon und die politische Nordgrenze Griechenlands, im Osten 
durch das Oligocän der Chässia, die Ebene von Trfkkala, die West- 
grenze der Othrys, im Westen durch den Flufs und den Golf von Arta. 

i. Stratigraphie. 

Abgesehen von einigen kleinen, nicht näher untersuchten Schollen 
junger (neogener?) Ablagerungen, die westlich und südlich vom Tsu- 
merka - Gebirge flach und diskordant dem Flysch auflagern, ist die 
jüngste im Pindos verbreitete Schichtgruppe der alt tertiäre Flysch 1 ). 



') Herr Prof. Hilber, der nach mir in drei aufeinander folgenden Jahren 
Kord -Griechenland hereist hat, bestritt in seinen vorläufigen Reiseberichten zuerst 
das von mir nachgewiesene eocäne Alter des grölsten Teils des Pindos -Flysches, 
sowie eines grofeen Teils der Pindos-Kalke. Nachdem er aber die von mir ver- 
öffentlichten Nummuliten- Fundpunkte aufgesucht hat, erkannte er in seinem 
letzten vorläufigen Reisebericht (Sitzungsber. k. Akademie in Wien, math.- 
nat. Kl., CV, i., Juli 1896) das eocäne Alter des Flysches, der darunter 
liegenden Kalke des Xerovüni und Akarnaniens (= untere Kreidekalke 
Neumayr's) sowie der Pindos-Kalke an, ja zieht nun alle diese Kalke mitsamt 
den ihnen unterlagernden Hornsteinen und Schiefern, mit kleinen Ausnahmen, ganz 
zum Eocan, worin ich ihm nicht folgen kann. Durch den energischen Wider- 
spruch Hilber's, insbesondere gegen das eocäne Alter der unter den Kalken der 
Tsumlrka liegenden Schiefer, veranlafst, habe ich auf der geologischen Karte diese 
letzteren als „Schiefer und Sandsteine unsicheren Alters" mit einer besonderen 




276 A « Philippson: 

Er begleitet zunächst das Kalkgebirge des Findos im Westen 
als eine breite Zone vom Golf von Patras an nach Norden durch 
Ätolien (westätolische Sandsteinzone Neumayr's), umschliefst östlich 
vom Golf von Arta das inselförmig daraus hervorragende Kalkgebirge 
Gävrovo auf allen Seiten, verengt sich dann am oberen Arta-Flufs, 
um sich dann am Flufs von M6tsovon wieder breit über die Land- 
schaft Zagöri auszudehnen. Damit im Zusammenhang treten ausge- 
dehnte Schollen von Flysch im Zygös - Gebirge und südlich davon bis 
Kraniä auf. 

Der Flysch dieser westlichen Zone besteht zumeist aus häufig 
wechsellagernden Thonschiefern, Schieferthonen und wohlgeschichteten 
graugrünen Sandsteinen, die oft von rechtwinkelig sich durchkreuzen- 
den Rissen derartig durchsetzt sind, dafs sie täuschend wie künstliches 
Mauerwerk oder Pflasterung aussehen; verkohlte Pflanzenreste sind 
darin häufig. Ferner treten darin Konglomerate auf. Am Fufs der 
Tsumdrka und des Prosg61i - Gebirges walten schwärzliche bröckliche 
i Schieferthone vor, die hier und da diskordant von dickbankigen Sand- 

| stein- und Konglomeratschollen überlagert werden. Ähnliche dick- 

| bankige oder ganz ungeschichtete graugrüne Sandsteine bilden tiber- 

wiegend, aber nicht ausschliefslich, den Flysch am MCtsovon-Flufs, am 
Zygös und bis Kraniä, und auch, wie Hilber bereits hervorgehoben, 
die östliche Flyschzone. Diese zieht sich breit durch das öst- 
*- liehe Ätolien (ostätolische Flyschzone Neumayr's) und die östliche 

Agrapha, zieht sich dann zwischen den Pindoskalken und der östlichen 
Randkette zu einem schmalen Streifen zusammen, der am oberen 
: Peneios endet. 

t Für beide Flyschzonen ist das alttertiäre Alter (Eocän, viel- 

| leicht auch bis in das Oligocän hinauf) durch zahlreiche Funde altter- 

tiärer Foraminiferen im Flysch, besonders in einzelnen eingelagerten 
Kalklinsen, sowie in den den Flysch unterteufenden Kalken festgestellt 
Doch kann man, wie Hilber bemerkt, zwei Gruppen innerhalb 
des Flysch unterscheiden, eine mit vorherrschenden Thonschiefern 
und dünnschichtigen Sandsteinen und eine mit vorherrschenden mäch- 
tigen dickbankigen Sandsteinen, die sich bei einer speziellen Aufnahme 
wohl auch kartographisch sondern lassen. Nach den Lagerungsver- 
hältnissen am Westrand der Tsume'rka halte ich die dickbankigen 
Sandsteine für jünger als die Thonschiefer-Sandsteingruppe; beide 
sind durch eine Diskordanz von einander getrennt. Eine ganz ähn- 
l liehe Zweiteilung hat auch v. Bukowski im Flysch von Rhodos er- 



Farbe ausgeschieden. Das erscheint jetzt überflüssig, nachdem Hilber auch für 
diese Schiefer das eoeäne Alter anerkannt hat. 



Reisen und Forschungen in Nord-Griechenland. 277 

"kannt; dort ist das Alter der oberen (Sandstein-) Gruppe durch Fossi- 
lien als Oligocän bestimmt 1 ). 

Mit dieser Zweiteilung des alttertiären Flysches steht auch sein 
Verhalten zu den älteren Gesteinen in Übereinstimmung. Die Schichten 
der älteren Flyschgruppe der westlichen Flyschzone lagern sich kon- 
kordant auf die nach Osten einfallenden Nummuliten- und Orbitoiden- 
Kalke des Xerovüni, von Arta und von Akarnanien. Die jüngere 
Sandsteingruppe liegt dagegen im Zygös-Gebiet und an vielen Punkten 
der östlichen Flyschzone (wie auch Hilber bemerkt hat) diskordant 
auf den unterlagernden Kreide-Eocängesteinen. 

- Weder in der älteren noch in der jüngeren alttertiären Flysch- 
gruppe, weder in der westlichen noch in der östlichen Zone habe ich 
irgendwo ein anstehendes Eruptivgestein beobachtet In der westlichen 
Flyschzone tritt bei Brodo Steinsalz auf. 

Unter dem eocänen Flysch folgen die von Westen her unter ihn 
hinabtauchenden oberen Kalke von Epirus, die wir als Eocän 
(vielleicht einschliefslich der obersten I£reide) bestimmt haben. Ihnen 
entsprechen in jeder Beziehung die dünnplattigen, hellen, dichten oder 
brecciösen, hornsteinreichen Kalksteine, die überwiegend die mittlere 
Zone des Pindos- Gebirges zusammensetzen. Für diese Pindos-Kalke 
gilt dieselbe petro graphische Beschreibung, wie für die oberen Kalke 
von Epirus (s. Zeitschr. 1896, S. 278); wie diese führen sie an mehreren 
Stellen Orbitoi'den, die aber nur im Dünnschliff sichtbar werden; wie diese 
tauchen sie nach Osten, wenn auch zuweilen diskordant, unter den 
alttertiären Flysch der östlichen Zone hinab, im Norden unter den 
Flysch des Zygös und der Zagöri. Die Pindos-Kalke sind daher, 
wie die oberen Kalke von Epirus, eocän (vielleicht einschliefslich 
der obersten Kreide); sie finden im Süden ihre Fortsetzung in den 
Olonos-Kalken des westlichen Peloponnes. 

Die untere Begrenzung der eocänen Pindos -Kalke bildet, wie in 
Epirus, ein mächtiger Komplex von bunten, meist roten, dünnschich- 
tigen Hornsteinen. Darunter folgen in den westlichsten Pindos- 
Ketten, im Prosgöli-Gebirge, bei Kalarrhytae, in der Tsumerka, ebenso 
wie in Epirus mächtige helle, fossilleere Kalke unbestimmten meso- 
zoischen Alters, teils dickbankig, teils dünnschichtig und hornstein- 
reich und dann äufserlich von den eocänen Pindos-Kalken oft nicht zu 
unterscheiden. Ob die Kalke bei Gardfki, im Misünta- und im Phthe'ri- 
Gebirge zu diesen mesozoischen Kalken gehören, wie ich auf der 
Karte angenommen habe, oder ob sie durch Überschiebung wieder- 



1 ) Grundzüge des geolog. Baues der Insel Rhodos. Sitzungsber. K. Akademie 
Wien, math.-nat. Kl., Bd. 98, 1, 1889. 



278 A. Philippson: 

holte eocäne Kalke sind, bleibt fraglich. In diesen Kalken treten 
mehrere Hornsteinzonen mit Porphyrit, Melaphyr und zugehörigen 
Tuffen auf. 

Weiter im Innern der Pindos-Ketten erscheinen aber unter den 
Orbitoiden führenden Pin dos -Kalken und dem darunter liegenden 
Hornstein-Komplex nicht mesozoische Kalke, sondern ein mächtiges 
System von Thonschiefern, dünnschichtigen grauen Sandsteinen (oft 
grauwacken- ähnlich dicht und hart), Konglomeraten, bunten Horn- 
steinen, bunten, mehr oder weniger kalkigen Schiefern und Mergel- 
kalken, übergehend in dichte Plattenkalke, dazu verschiedene Eruptiv- 
Gesteine (Quarzporphyre, Porphyrite, Diabase) und Tuffe: das alles in 
unregelmäfsigstem Wechsel. Bald herrscht mehr das eine, bald das 
andere Gestein vor. Wo die Kalke darin vorherrschen, ist bei den 
verwickelten Lagerungsverhältnissen oft eine Unterscheidung von den 
oberen Kalken nicht möglich ; grenzen dagegen die Thonschiefer dieser 
Gruppe unmittelbar an Flysch, sei es infolge von Störungen oder von 
Diskordanz, dann ist zuweilen <Jie Abgrenzung gegen den Flysch schwer. 
Die auf meiner geologischen Karte gegebenen Grenzlinien dieser Gruppe, 
sowohl gegen den oberen Kalk, als gegen den alttertiären Flysch, 
sind daher notgedrungen an manchen Stellen schematisch. Im ganzen 
unterscheidet sich aber diese Schiefer- Hörn st ein- Gruppe durch- 
aus von dem alttertiären Flysch: i. durch ihre Lagerung unter den 
oberen Pindos-Kalken an Stellen, wo eine Überschiebung ausgeschlossen 
ist; 2. durch ihre petrographische Beschaffenheit, nämlich durch das 
häufige und mächtige Auftreten von Hornsteinen, mergeligen Kalken 
und Eruptivgesteinen, die den beiden seitlichen Flyschzonen ganz 
fehlen. Die Schichtgruppe gleicht sehr den Schiefergesteinen, die im 
östlichen Mittel-Griechenland zwischen den Kreidekalken liegen und 
ähnliche petrographische Mannigfaltigkeit zeigen, und wenn sie hier 
im Pindos, anstatt von eocän-kretazischem Orbitoidenkalk, von Rudisten- 
kalk überlagert würde, würde ich sie ohne Zaudern mit den Kreide- 
schiefern des östlichen Mittel -Griechenland identifizieren, wie dies 
Neumayr gethan hat. Jedenfalls ist sie älter als die Pindos-Kalke und 
Hornsteine, gehört also wohl der Kreideformation an. 

In den ganzen inneren Pindos-Ketten sind nur an einer Stelle 
kretazeische Fossilien gefunden worden: der Actäonellen-Kalk 
an der Koräku -Brücke, in unmittelbarem Kontakt mit den Orbi- 
toidenschichten. 

Ganz andere Gesteine, als die inneren Pindos-Ketten, zeigt aber 
das merkwürdige Gävrovo-Gebirge, das als ein mächtiger Kalkzug 
inselförmig aus der westlichen Flyschzone aufragt. Die Hauptmasse 
des Gebirges besteht aus grauem, undeutlich geschichteten Rudisten- 



Reisen und Forschungen in Nord-Griechenland. 



279 



kalk. Darauf liegt im Osten dunkelgrauer bis schwärzlicher Kalk 
mit gewundenen Riesen-Nummuliten — ich habe hier Nummuliten- 
Durchschnitte von fast 7 cm Länge gemessen — wie sie in gleichem Ge- 
stein bei Tripolitzä im Peloponnes auftreten. Das Gävrovo-Gebirge ist die 
einzige Gegend in Nord- und Mittel-Griechenland, wo ich diese Riesen- 
Nummuliten (bei Pigadia und bei Tatärna) gefunden habe. Im Gä- 
vrovo-Kalk wie im Tripolitzä- Kalk lehnen sich die Nummuliten- 
kalke ohne äufserlich erkennbare Grenze unmittelbar an mächtigen 
Rudistenkalk ah. Der Nummulitenkalk fällt hier seinerseits nach Osten 
konkordant unter den Flysch ein. — Hier fehlen also die Pindos- 
Kalke und -Hornsteine durchaus; ob ihnen der Kalk mit den grofsen 
Nummuliten zeitlich äquivalent ist, oder ob dieser eine jüngere Stufe 
des Eocän darstellt, ist noch nicht bekannt; vielleicht wird darüber 
die Untersuchung der Nummuliten Licht verbreiten. An mehreren 
Stellen, wo der Flysch unmittelbar an den Rudistenkalk grenzt, ge- 
schieht dies in diskordanter Überlagerung. So tauchen auch südlich 
vom Südende des Gävrovo-Gebirges beim Chani Pandi einige Klippen 
eines ganz ähnlichen Kalkes aus dem Flysch diskordant auf 1 ). Da 
andererseits der Kalk mit den grofsen Nummuliten konkordant unter 
den Flysch fällt, so scheint eine versteckte Diskordanz zwischen Ru- 
disten- und Nummulitenkalk hindurch zu gehen. 

Wenden wir uns nun zu der östlichen Randkette, die den 
Pindos gegen das Thessalische Becken begrenzt und wieder andere 
stratigraphische Verhältnisse aufweist. 

Wir sahen, dafs in der Othrys unter Rudistenkalken eine Ge- 
steinsgruppe liegt, die wir, nach ihrer Zusammensetzung, Serpentin- 
Hornstein-Schiefer-Formation nannten (s. Zeitschr. 1895, S. 210). 
Diese setzt von der Othrys her am Ostrand des Pindos nach Norden 
fort;die Serpentinmassen stehen auch hier in Verbindung mit Horn- 
steinen, Schiefern und mächtigen Kalken, die ich auf der Karte nur 
dort, wo ich Rudisten darin gesehen, als Rudistenkalke, sonst aber 
aus Vorsicht als mesozoische Kalke bezeichnet habe. Dieselben Ge- 
steine bilden den langen Zug des Köziakas von Phanäri bis gegenüber 
Kalabäka. Hier treten die Eruptivgesteine 2 ) in Gesellschaft von Horn- 
steinen und Thonschiefern zu unterst am Rand der thessalischen Ebene 
auf, darüber helle Kalke, darin manche oolithische Zonen, wechselnd 
mit (eingefalteten?) Hornstein-Zonen. Daran schliefsen sich im Westen 
unmittelbar Hornsteine und Pindos-Kalke mit Orbitoi'den und daran 



1 ) Philip pson, diese Zeitschrift XXV, 1890, S. 387. 

2 ) Nach Hilber Diabase zwischen Muzäki und Belelsi. Sitzungsber. K. Aka- 
demie Wien, math.-nat. Kl. 1894. S. 585. 



280 A - Philippson: 

der Flysch. Aus dem Oligocän der Chässia tritt bei Vurlochöri noch 
einmal Serpentin und Rudistenkalk hervor. Es ist kein Zweifel, dafs 
in diesem ganzen Zug die Kreidegesteine der Othrys fortsetzen, dafs 
hier die Serpentine und zugehörigen Eruptivgesteine unter Kreide- 
. kalken liegen. 

In dem Gebiet um den Zygös fehlen, wie bemerkt, die Kalke 
bis auf geringe Reste. Unter dem Nummuliten führenden Flysch er- 
scheinen unmittelbar grofse Massen von Serpentin, Gabbro, Olivindiabas, 
Hornblende-Syenit-Porphyr, Porphyriten, in enger Verbindung mit Horn- 
steinen, Sandsteinen, Thonschiefern, dieselbe Kombination, wie in der 
Othrys. Ich habe nichts anders feststellen können, als dafs der 
Serpentin zwar diesen Schiefern und Hornsteinen eingelagert ist und 
sie auch in Gängen durchbricht, aber nicht in die Nummuliten führen- 
den Sandsteine hinaufreicht; vielmehr diese greifen diskordant über 
die Serpentine und zugehörigen Schiefer hinweg. Dieses Verhalten 
steht in Übereinstimmung mit der Beobachtung, dafs Serpentine 
und andere Eruptivgesteine (Gabbros, Diabase, Porphyre u. s. w.) 
im ganzen übrigen Griechenland nur zwischen Kreidekalken (Othrys, 
östliches Mittel -Griechenland, Euböa, Argolis) und in der Schiefer- 
Hornsteingruppe unter den Pindos- und Olonos-Kalken vorkommen, 
dagegen dem alttertiären Flysch vollkommen fehlen. Ich halte 
daher die Serpentine mit ihren Begleitgesteinen am Zygös für 
identisch mit der Serpentin-Hornstein-Schiefer-Formation der Othrys 
und also für Kreide. Die ursprünglich darüber liegenden Kreide- 
kalke und Pindos-Kalke sind hier durch Erosion zerstört worden, ehe 
sich der Flysch darauf lagerte. In der That beobachtet man an ver- 
schiedenen Stellen vereinzelte kleine Schollen von Kalkstein über dem 
Serpentin, Erosionsreste der ehemaligen Kalkdecke. 

Herr Hilber ist über das Verhalten der Zygös-Serpentine zum 
Flysch und über ihr Alter zu einer anderen Anschauung gekommen. 
Er glaubt an mehreren Stellen gesehen zu haben, dafs Serpentin den 
Flysch durchsetzt, bzw. mit ihm wechsellagert, und hält daher die 
Zygös-Serpentine für eocän. Die kleinen Kalkschollen sollen von dem 
Serpentin bei der Eruption aus der Tiefe mit herausbefördert sein. 
„Während die (kretazischen) Othrys - Serpentine (Amphibolserpentine 
und Olivinserpentine) eine rötliche Landschaftsfarbe verursachen, 
herrscht in den (eocänen) Serpentinbergen des Pindos (lediglich 
Olivinserpentine) die schwarze Farbe." Das Kriterium der Landschafts- 
farbe ist jedenfalls nicht stichhaltig, da es in beiden Gebirgen sowohl 
rötlich-verwitternde wie schwarze Serpentine giebt. Im Zygös-Gebiet 
hat z. B. das Serpentingebirge Krätsovo eine auffallend rote Land- 
schaftsfarbe. Obwohl ich natürlich die Beobachtungen Hilber's nicht 



Reisen und Forschungen in Kord-Griechenland. 281 

t>e streiten kann, da ich nicht dieselben Stellen, wie er, gesehen habe — 
icrri bin ja vor Hilber gereist — , so liegt doch die Vermutung nahe, 
dafs Hilber, der ja die unter den Pindos-Kalken liegende Schiefer- 
tlornstein - Gruppe mit dem eocänen Flysch identifiziert, vielleicht 
Isxetazische Schiefer und Sandsteine, die von Serpentin durchsetzt werden, 
für eocänen Flysch gehalten hat 1 ). 

Wir sehen also, dafs die stratigraphischen Verhältnisse Nord- 



!) Es sei mir gestattet, hier auf einige die Othrys betreffende Bemerkungen 
Hilber 's in seinem letzten Reisebericht (Sitzungsber. d. Wiener Akad., math.-nat. 
Kl., 1896. S. 501 — 520) kurz einzugehen. Er sagt (S. 518): „Unter den Er- 
gebnissen der Reise möchte ich mehrere hervorheben. Erstens konnte nachgewiesen 
werden, dafs krystallinische Schiefer, welche nach den vorliegenden Untersuchungen 
in Mittel - Griechenland auf den äußersten Osten beschränkt erschienen, durch die 
ganze Othrys bis zur Breite (sül soll heißen Länge) von Varyböpi reichen, eine 
von den bisherigen Beobachtern vollkommen übersehene Erscheinung." Danach 
könnte man glauben, dais etwa ein fortlaufender Zug krystalliner Schiefer durch 
die Othrys gehe, den sowohl Neumayr wie ich übersehen haben. Das ist aber 
nach dem eigenen Reisebericht Hilber's nicht der Fall. Im äufeersten Osten der 
Othrys herrschen, wie längst bekannt, krystallinische Schiefer, und diese reichen 
nach Hilber westlich bis Gardfki-Machaläs, also etwa 3 km westlicher, als Neumayr 
annahm. In den übrigen Teilen der Othrys hat Hilber folgende Vorkommen 
krystallinischer Schiefer angegeben: 1) Eine kleine bisher nicht bekannte Gneifs- 
partie bei Archani (unweit Varyböpi): „es kann auch eine durch Eruptivmassen 
emporgerissene Scholle sein." a) Im NW von Archani kommt Amphibolaugit- 
Schiefer vor. 3) Nordöstlich von Palaeasvestis Amphibol - Serpentinschiefer und 
Serpentinschiefer. 4) Zwischen Kato- und Ano-Agöriani mächtige augitfuhrende 
Hornblendeschiefer und Serpentine. 5) Im Thal des Pentamylos Serpentin und 
Grünschiefer. 6) Auf dem Weg Lamfa - Abdorachmanaga: Grofsenteils serpen- 
tinisierte Eruptivgesteine herrschen vor, untergeordnet sind mehr oder weniger 
zersetzte krystalline Schiefer, Hornsteine, Tuffe und Kalkbänke. — Aufeer der 
kleinen Gneifescholle bei Archani handelt es sich also dem Anschein nach in der 
mittleren und westlichen Othrys nur um einzelne in Verbindung mit Serpentin, Horn- 
stein u. s. w. vorkommende Aniphibolgesteine, die dort bald massig, bald schiefrig 
ausgebildet sind und der „Serpentin-Hornstein-Schiefer-Formation" angehören. — 
Ferner sagt Hilber (S. 518): „Gleichfalls im Gegensatz zu den bisherigen Be- 
obachtern konnte ich das Vorherrschen der nördlichen Streichrichtung der Schichten 
in der südlichen und der hohen Othrys feststellen (Rechtwinkeligkeit von Schicht- 
und Kammstreichen)." Man vergleiche damit meine „Geologische Karte von Süd- 
ost-Thessalien", wo nördliche und nordwestliche Streichrichtungen nach meinen 
Messungen in größerer Zahl eingetragen sind, sowie meine Erörterung der sehr 
verwickelten Streichrichtungen, besonders des Unterschieds zwischen dem Streichen 
der Schiefer und der Kalke. (Zeitschr. 1895, S. 215 ff.) In dem von mir infolge 
der Schneebedeckung nicht besuchten höchsten Teil der Othrys ist Hilber auch 
nicht gewesen. 



282 A - Pbilippson: 

Griechenlands recht verwickelt sind. In allen Landesteilen verbreitet 
ist nur der alttertiäre Flysch, der selbst in zwei durch eine Dis- 
kordanz getrennte Gruppen zerfällt Die darunter folgenden horn- 
steinreichen hellen Plattenkalke des Eocän (auch der obersten 
Kreide?) und die darunter folgenden Hornsteine sind in Epirus und 
im Pindos verbreitet, fehlen aber im Gävrovo- Gebirge; anstatt dessen 
treten dort die dunklen Kalke mit grofsen Nummuliten (= Tripolitzä) 
unmittelbar über Rudistenkalk auf. Die eocänen Plattenkalke fehlen 
ferner am Zyg6s, hier wohl durch Erosion entfernt, und sind in 
der Othrys nur durch die wenig mächtige Orbitoiden führende Breccie 
vertreten. 

Die Rudistenkalke treten in der Othrys, der östlichen Pindos- 
Vorkette, im Zygös- Gebiet (nur in Erosionsresten), im Gävrovo auf, 
fehlen aber in Epirus und — bis auf den ihnen äquivalenten Actäonellen- 
Kalk von Koräku — in den mittleren Pindos -Ketten. In letzterem 
Gebiet erscheint statt dessen unter den Plattenkalken und Horn- 
steinen die Schiefer-Hornstein-Gruppe, die ihrerseits in Epirus 
nur an wenigen Stellen vorhanden ist. 

Unter dem Rudistenkalk der Othrys, der östlichen Pindos -Rand- 
kette, des Zygös-Gebietes folgt die Serpentin-Hornstein-Schiefer- 
Formation. In Epirus dagegen, ebenso in dem nordwestlichsten 
Teil des Pindos, liegen unter den oberen Plattenkalken und Horn- 
steinen mächtige fossilarme mesozoische Kalke, die noch nicht 
näher gegliedert sind. 

Diese ungleichmäfsige Verbreitung der einzelnen Schichtgruppen, 
die im Verein mit der Seltenheit bestimmbarer Fossilien die Gliederung 
der Sedimentgesteine in ganz Griechenland so überaus erschwert, 
dürfte im wesentlichen auf den schnellen Wechsel der Facies inner- 
halb gleichalteriger Schichten zurückzuführen sein. Besonders keilen 
sich die Rudistenkalke, als Riffkalke, bei grofser lokaler Mächtig- 
keit oft sehr bald in horizontaler Richtung aus und sind dann teils 
durch andere Kalke ersetzt, die, makroskopisch ohne Fossilien, 
sich unter dem Mikroskop zum grofsen Teil als Foramini feren- 
kalke (Globigerinenkalke) erweisen, teils aber durch kieselige Gebilde 
(Radiolarien - Hornsteine) und durch mannigfaltige klastische Gesteine, 
zu denen sich dann noch Eruptivgesteine und Tuffe gesellen. So 
wechseln auch in der Kreide des östlichen Mittel-Griechenland Rudisten- 
und For amini ferenkalke, Hornsteine und klastische Gebilde in der 
unbeständigsten Weise mit einander ab. Die Schiefer-Hornstein-Gruppe 
des Pindos, die dort auftritt, wo die Rudistenkalke fehlen, dürfte 
daher wohl am besten als gleichalterige Facies der Rudistenkalke 
aufzufassen sein; vielleicht entspricht sie den Rudistenkalken und 



Reisen und Forschungen in" Nord-Griechenland. 283 

zu. gleich der Serpentin -Hornstein -Schiefer -Formation der Othrys und 
des östlichen Mittel-Griechenland. 

Aufser dem Facieswechsel dürften aber auch Diskordanzen eine 
R^olle spielen. Aufser der Diskordanz im Flysch scheint auch ein 
diskordantes Übergreifen der eocänen Kalke über die älteren Gebilde 
wahrscheinlich. Dafür spricht auch das Vorkommen von Rudisten- 
trümmern in denselben. 

Diese Auffassung der stratigraphischen Verhältnisse Nord-Griechen- 
lands wird durch die nebenstehende Tabelle veranschaulicht. 

2. Tektonik und Urographie, 
a) Das Zygös-Gebiet. 

Das Gebiet um den Zygös ist, wie schon bemerkt, das Ende eines 
langen Serpentin- und Flyschgebirges, das zwischen Makedonien und 
Albanien von NNW nach SSO streicht. Dieselbe Streichungsrichtung 
beherrscht auch das Zygös-Gebiet. Aus den weiten, von flach lagernden 
oligocän - miocänen Schichten erfüllten Landschaften des oberen Hali- 
akmon - Beckens und der Chässia erhebt sich westlich zunächst das 
Serpentin -Hornstein -Gebirge Krätsovo, ein bis 1564 m hoher kahler 
rötlicher Rücken, der mit südöstlichem Streichen an dem Querthal des 
oberen Peneios endigt. Seine Gesteine verschwinden südlich dieses 
Flusses bei Lüzesti anscheinend unter diskordant darüber liegenden 
Pindos-Plattenkalken, etwas westlicher unter Flysch. 

Westlich von diesem Rücken folgt eine eingefaltete Flyschmulde 
(Streichen SSO), und dann die breite Serpentin-Hornstein-Schiefexzone 
des Zygös selbst, deren geschichtete Gesteine steil zusammengefaltet 
sind. (Streichen S 20 O). Der wasserscheidende Rücken des Zyg6s 
selbst ist breit und gleichmäfeig geformt, die Pafshöhe (1650 m) kaum 
eingekerbt. Beide Gebirgszüge, Krätsovo und Zygös, bilden zwei an- 
nähernd parallele Hervorragungen der Kreidegesteine, hier und da von 
kleinen Flyschpartien bedeckt. 

Westlich vom Zygös sinkt die Serpentin-Hornstein-Formation hin- 
ab unter die mehr als 20 km breite Flyschzone der Landschaft Zagöri. 
Sowohl die schiefrige, als die Sandstein- Gruppe des alttertiären Flysch 
tritt hier auf, erstere steil zusammengefaltet, letztere meistens ziemlich 
flach auflagernd, beide mit SSO-Streichen (S 15°— 30 ° O) und mit 
durchgängig ostnordöstlichem Einfallen. Der Flysch bildet in 
der Richtung des Schichtstreichens verlaufende Höhenzüge, die nach 
der Seite des Einfallens (ONO) sanft, nach der Seite der Schichtköpfe 
steiler geböscht sind. 

Die Flüsse Metsovftikos und Peneios (Salamvriäs), die vom Zygös 
entspringen, durchsetzen das Gebirge in gewundenen Thälern, ersterer 

Zeiuchr. d. Ges. f. Erdk. Bd. XXXII. 1897. 20 



284 



A. Philippson: 



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Reisen und Forschungen in Nord-Griechenland. 



285 



nach WSW, letzterer nach OSO gerichtet. Das Thal des ersteren ist 
mit Ausnahme einiger kleiner Thalweitungen eng, steil, wenig bebaut 
und bewohnt. Zum Peneios dagegen konvergieren eine ganze Anzahl 
von Thälern, die, wie das Hauptthal selbst, wenn auch keine breiten 
Thalböden, so doch vielfach sanfte und anbaufähige Gehänge be- 
sitzen. Diese beiden grofsen Flufsthäler gewähren die Möglichkeit, 
hier mit einem einzigen Anstieg das Gebirge zu überschreiten; darin 
liegt die Bedeutung des Zygös-Passes als Übergang zwischen Thessalien 
und Epirus. 

Die beiden Flüsse bezeichnen annähernd eine wichtige tektonische 
und orographische Quergrenze. Am Metsovftikos erhebt sich plötzlich 
das hohe aus Plattenkalken, Hornsteinen und Schiefern bestehende 
Gebirge des Pindos, und zwar der Peristäri-Gruppe (2295 m), das hier 
an einem grofsen, z.T. als Flexur augebildeten Querbruch nach Nor- 
den unter den Flysch hinabsinkt. Südlich vom Zygös und von dem oberen 
Peneios sinkt dagegen das Serpentin -Hornstein- Schiefergebirge nach 
Süden allmählich unter eine erst lückenhafte, dann zusammenhängende 
Decke von alttertiärem Flysch hinunter. Diese hängt über M6tsovon 
mit dem Flysch der Zagöri zusammen und erstreckt sich von Mätsovon 
und Kastaniä, sich dreieckig zuspitzend, nach Süden zwischen zwei 
auseinandertretende Äste des Pindos-Kalkgebirges. Dieses Flysch ge- 
biet vonKötori, wie wir es nennen wollen, besteht aus Sandsteinen 
der oberen Flyschgruppe, die ziemlich flach lagern, mit SSO-Streichen 
(nur am Ostrande stellenweise SW) und beständigem nordöst- 
lichem Einfallen, und die an den Rändern diskordant auf die 
Pindos-Kalke und -Schiefer tibergreifen. Der Flysch bildet auch hier, 
wie in der Zagöri, lange parallele Höhen, die nach der Seite der 
Schichtköpfe (Westen) steil, nach der andern flach abfallen, ein be- 
waldetes und wenig bewohntes Gebiet. Es erreicht in der Dokfmi 
(im Norden) 1900 m Höhe. Hier endigt auch die Wasserscheide 
zwischen Peneios und Arta-Flufs, und es schiebt sich das centrale 
Flufssystem des Pindos-Gebirges, das des Aspros ein, dem bereits fast 
das ganze Flyschgebiet von Kötori zugehört 

Der östliche Zweig des Pindos-Kalkgebirges bricht östlich von 
Vendfsta an einer Flexur nach Norden gegen Flysch ab. 



b) Der centrale Pindos-Kalkzug. 
Der vorherrschend aus eocänen Plattenkalken aufgebaute Gebirgs- 
zug des Pindos, der an den Flüssen von Mdtsovon und Kastaniä be- 
ginnt, hat auf seiner ganzen Länge bis zur Querlinie von Karpenfsi 
ziemlich gleichbleibenden tektonischen und orographischen Charakter* 
Wo immer wir ihn überschreiten, kommen wir über einen sich häufig 

20* 



286 A - PhHippson: 

wiederholenden Wechsel derselben Plattenkalke, Hornsteine und 
Schiefer, die allesamt steil aufgerichtet und gefaltet nach derselben 
Richtung, nach Osten, einfallen. Nur vereinzelt, und zwar im 
nordwestlichen Teil, beobachtet man aufrecht stehende Falten. Das 
Gebirge besteht also aus einer grofsen Zahl stark zusammengeprefster 
nach Westen tiberliegender Falten oder nach Westen überschobener 
Schuppen. Ob in den einzelnen Fällen eine Überfaltung oder eine 
Überschiebung an Bruchflächen vorliegt, läfst sich natürlich bei einer 
flüchtigen ersten Rekognoszierungs-Aufnahme nicht entscheiden — ist 
doch diese Frage sogar bei den bestuntersuchten Überschiebungen der 
Alpen noch streitig. Genug, die Schichten sind in von Osten nach 
Westen sich häufig wiederholenden Schieb tpacketen über einander 
geschoben. Diese einzelnen Schichtpacke te im Streichen zu ver- 
folgen und auseinander zu halten, also die einzelnen tektonischen 
Zonen festzustellen, wäre auch für eine Spezialaufnahme eine schwierige 
Aufgabe. Nur im nördlichsten Teil trennt das Flyschgebiet von Kötori 
das Kalkgebirge in zwei, in sich wieder aus mehreren Falten be- 
stehende Zweige; aber schon von Dragovfsti südlich verschwindet mit 
dem Ende des Eocänflysches diese Zweiteilung. 

Während die Pindos-Kalke und -Schiefer nach Osten diskordant 
unter den Flysch der östlichen Flyschzone hinabfallen, sehen wir sie 
nebst den darunter liegenden älteren Kalken unbestimmten Alters am 
Westrahde überall über den alttertiären Flysch tiberschoben, im süd- 
lichen Teil nur in geringem Mafs, also mit steil nach Osten ein- 
fallender Überschiebungsfläche, im nördlichen Teil, in dem Tsume*rka- 
und Prosgöli-Gebirge mit flacher Überschiebungsfläche bis zu 7 km 
Breite. Bemerkenswerter Weise tritt hier der westliche Gebirgsrand 
um ebenso viel gegen Westen vor im Vergleich zu der südlicheren 
Gebirgsstrecke, sodafs dadurch hier die westliche Flyschzone bedeutend 
verschmälert wird. Dieser nördliche Teil des Pindos-Kalkgebirges ist 
30—40 km breit, der mittlere und südliche nur 20—25 km. 

Die Höhenrücken und Gipfel des Gebirges sind mit wenigen Aus- 
nahmen ziemlich sanft geformt und leicht gangbar. Der dünnschichtige 
Pindos-Kalk sowohl wie die Hornsteine zerfallen an der Oberfläche in 
massenhafte Schuttbrocken, sodafs selten scharfe Spitzen und Grate, 
ebenfalls selten Karrenfelder entstehen können, welche die massigen 
Kalke so überaus beschwerlich für den Wanderer machen. Dagegen 
ist das Pindos-Kalkgebirge durch zahlreiche, sehr tiefe, steilwandige 
und gewundene Erosion sthäler zerschnitten, die fast sämtlich der 
Thalböden entbehren und von wilden wasserreichen Bergströmen 
durchbraust werden. Diese Thäler sind es, die den Verkehr, 
namentlich in der Qnerrichtung, aufserordentlich erschweren und 



Reisen und Forschungen in Nord-Griechenland. 



287 



die Hauptschuld an der Wildheit und Kulturfeindlichkeit des Pindos 
tragen. 

Man kann das Gebirge der Länge nach in drei Abschnitte 
teilen. 

i. Der nördliche Abschnitt bis zur Querlinie Vurgardli-Pörta 
ist der breiteste, ausgezeichnet durch die grofse Überschiebung des 
Westrandes über den Flysch und durch die bedeutendsten Gipfelhöhen. 
Das Streichen des westlichen Teiles ist etwa S 20 ° O. Am meisten 
nach Westen vorgeschoben ist der gewaltige, plateauartig breite Kalk- 
klotz der Tsumärka (Kataphfdi 2393 m), der nach Norden, Westen und 
Süden in grofsartigen Steilwänden zu der Flysch] andschaft abstürzt. 
Dann folgt die ebenfalls überschobene Kette des Prosgöli-Gebirges, 
• die sich, vom Kalarrhytae-Flufs durchbrochen, in der Kette des Stavrös- 
Passes fortsetzt (Kammhöhe um 2000 m.) Dann kommt nach Osten 
der breite, orographisch niedrige Aufbruch älterer Kalke bei Kalarrhytae 
und dann eine ganze Anzahl teils stehender, teils überschobener 
Falten von Pindos-Kalk, Hornstein und Schiefer, dazwischen auch ein 
Aufbruch älterer Kalke bei Gardiki. Sie setzen die langgestreckte 
Kette des Peristdri (2295 m), der Kakardftsa (2320 m) und des Avtf, 
deren Kammhöhe auf eine lange Strecke kaum unter 2000 m sinkt, 
und die östlich davon parallel verlaufenden Ketten zusammen. Die 
Ostgrenze dieser Kalkketten wird annähernd durch den Oberlauf des 
Äspros bezeichnet, der dann bei Vitsfsta mit grofser Schlinge nach 
Westen bis zur Flyschzone durchbricht, um aus dieser alsbald in das 
Kalkgebirge zurückzukehren. Aufser der Tsumdrka- und der Prosgöli- 
Stavrös-Kette finden die übrigen Ketten ihre Fortsetzung innerhalb der 
Aspros- Schlinge in dem etwa 2000 m hohen Alamänos-Gebirge. 

östlich folgt nun das Flyschgebiet von Kötori und südlich davon 
eine ebenfalls SSO streichende und östlich fallende, nach Westen über- 
schobene Zone von Kreideschiefern und Hornsteinen, die in 
verschiedener Breite und sich vielfach zerteilend bis zum Smigös-Thal 
fortsetzt. Infolge ihrer leichteren Zerstörbarkeit ist sie zu einer Längs- 
furche erodiert, der aber der Aspros nur streckenweise folgt. Östlich 
hiervon verlaufen nun eine ganze Anzahl von Kalk- und Hornstein- 
zonen, alle übereinandergeschoben, mit östlichem Einfallen. Im nörd- 
lichen Teil dieser Gebirgszone, der in der 2204 m hohen Tringfa (Bäba) 
gipfelt, herrscht südliches Streichen, im südlichen Teil, mit dem Gipfel 
Avgö (2150 m) SSO-Streichen. 

2. Der mittlere kurze Abschnitt von der Linie Vurgardli-Pörta bis 
zur Linie Koräku — Smigös-Thal — Kerasiä ist bezeichnet durch eine 
Knickung im Verlaufe des ganzen Gebirges: ein Zurücktreten des West- 
randes, ein Vortreten des Ostrandes, verbunden mit einer starken Ver- 



288 A - Philippson; 

schmälerung des Gebirges und mit einem unregelmäfsigen Schwanken 
des Schichtstreichens zwischen SO und SSW. Es ist, als ob der nörd- 
liche Abschnitt des Gebirges gegen den mittleren an einem Quer- 
bruch nach Westen verschoben sei. Dieselbe Knickung zeigt sich auch 
im Verlaufe der östlichen Randkette. Übrigens besteht der mittlere 
Teil ebenfalls aus nach Westen überschobenen abwechselnden Zügen 
von Kalk und Hornstein, die sich auch orographisch als eine Ver- 
sammlung eng gedrängter Ketten darstellen. (Karava 2124 m.) Am 
Westrand ist das Misünta - Gebirge ebenfalls über den Flysch über- 
schoben. 

Dieser mittlere Gebirgsteil ist besonders tief durchschluchtet. Da 
aber hier der Aspros in die westliche Flyschzone heraustritt und sich 
daran die Querthäler des Smigös und von Knfsovon anschliefsen, führt 
hier der verhältnismäfsig beste Übergang hinüber, der zwischen dem 
Zygös und Karpenfsi zu finden ist. 

3. Von dem wilden Querthal des Smigös an rechnen wir den 
südlichen Abschnitt des eigentlichen Pindos. Das Gebirge schlägt 
hier sowohl in seinen Grenzen wie im Schichtstreichen eine südliche 
Richtung ein, die es bis in die Nähe des Golfes von Patras beibe- 
hält. Auch hier östliches Einfallen und mäfsige Überschiebung 
am Westrand. Im allgemeinen ist die Schichtstellung hier sehr steil. 
Die Zonen von Kalk, Hornstein und Schiefer wechseln häufig mit ein- 
ander ab und verzweigen sich unregelmäfsig, doch lassen sich drei 
Hauptzonen von Schiefer und Hornstein unterscheiden: die von Mona- 
stiräki, die von Petrflu-Ägrapha und die von Stänoma. Die beiden 
Flüsse Me*gdovas und Agraphiötikos durchsetzen das Gebirge in spitzem 
Winkel zu den Gesteinszonen in der Richtung SSW, sodafs die oro- 
graphischen Ketten nicht mit den Gesteinszonen übereinstimmen. 
Während die Kämme über 2000 m hinaufreichen , sind die überaus 
wilden Thäler bis auf 300 und 200 m Meereshöhe eingeschnitten. Selbst 
die den Thälern folgenden Wege führen beständig bergauf bergab an 
den Gehängen, sodafs man im Sommer die Kammwanderung vorzieht 
Zwischen der westlichen Flyschzone und dem Agraphiötikos erhebt 
sich das wildgezackte Tzurnäta - Gebirge zu 2168 m, südlicher der 
Phthe'ri-Kamm zu 2132 m. Weiter südlich setzt die Zone der Tzurnäta 
über den Agraphiötikos hinüber und bildet zwischen ihm und dem 
Mdgdovas das 1758 m hohe Gebirge von Keräsovon. Ihm läuft ein 
anderer Kamm von 1865 m Höhe östlich parallel. Weiter oberhalb 
verläuft zwischen beiden Flüssen ein langer Kalkrücken mit einer 
Kammhöhe um 2000 m, der im Norden im Butsikäki (2154 m) gipfelt 
Östlich des Me*gdovas endlich erhebt sich der Velüchi (2315 m), die 
stolzeste Bergform des ganzen Pindos, die steil nach Süden zum Thal- 



Reisen und Forschungen in Nord-Griechenland. 



289 






becken von Karpenfsi abstürzt. Hier sind wir an der schon be- 
sprochenen Südgrenze des eigentlichen Pindos angelangt. 

c) Die westliche Flyschzone und das Gävrovo-Gebirge. 

Die westliche Flyschzone hängt im Norden schmal mit dem Flysch- 
gebiet des Zagöri zusammen. Auf ihrer ganzen Erstreckung herrscht 
in ihr SSO-Streichen, und das Einfallen ist vorwiegend ONO; doch 
kommen auch kleinere Partien aufrecht stehender Faltung vor. Auch 
hier müssen sich also dieselben Schichten vielfach wiederholen, wenn 
man die Zone von Westen nach Osten, kreuzt. 

Zunächst begleitet die Flyschzone in einer Breite von 3 bis 10 km 
den Westrand des Prosgöli- und Tsumerka- Gebirges, dann breitet sie 
sich bei Vurgardli zu der Landschaft Radovfzi aus. Beide Abschnitte 
werden der Länge nach vom Arta-Flufs in gewundenem, hier und da 
kleine fruchtbare Auen enthaltenden Thal durchzogen. Er hält sich in 
der Nähe des westlichen Kalkgebirges und tritt streckenweise in dieses 
ein. Von links strömen ihm zahlreiche Bäche in der Querrichtung 
zu, welche die Flyschlandschaft in ein unregelmäfsiges Gewirr von 
Hügeln und Thälern auflösen. 

Nun teilt das lang nach SSO gestreckte Kalkgebirge Gävrovo 
(1782 m) das Flyschgebiet eine Strecke weit in zwei Zonen. Das Kalk- 
gebirge ragt wie ein dunkelfarbiger massiger Wall aus den kleinen 
Terrainwellen des Flysch auf. Im Osten fällt sein Nummulitenkalk 
regelmäfsig unter den Flysch ein, sonst bricht der Rudistenkalk meist 
steil gegen den Flysch ab. Am Nordende und bei Synteknon ist der 
Rudistenkalk nach Westen über den Flysch überschoben. Es ist also 
kein regelmäfsiges Faltengewölbe, sondern eine riesige Kalkklippe, die 
vom Flysch umlagert und dann später nach Westen über den Flysch 
über schoben wurde. Den inneren Bau der Kalkmasse selbst kann man 
wegen der undeutlichen Schichtung nicht beurteilen ; doch zeigt die in 
ihm eingefaltete Flyschmulde bei Synteknon, dafs sie in sich auch ge- 
faltet ist. 

Der östlich vom Gävrovo gelegene Flysch ist steil gefaltet mit 
östlichem Einfallen. Er bildet ein wirres, vom Aspros und seinen Zu- 
flüssen zerschnittenes Gebirgsland, das bis 1400 m Höhe erreicht, immer 
aber eine orographische Senke zwischen den Kalkgebirgen darstellt. 
Der Aspros selbst bohrt sich in launenhaftem Laufe wiederholt in den 
Gävrovo-Kalk ein. 

Ein regelmäfsigeres Bild zeigt die Flyschzone zwischen dem Gäv- 
rovo und dem Golf von Arta, Die Schichten fallen hier ziemlich flach 
nach ONO, und mehrere Längsthäler — das bedeutendste ist das des 
Tzäkos — zerteilen die Zone in mehrere nach SSO gestreckte Rücken 



290 A. Philippson: 

(bis 954 m hoch), die flach nach Osten, steil nach Westen abfallen. Die 
westlichste dieser Flyschhöhen stürzt unmittelbar zum Golf ab. 

d) Die östliche Flyschzone und die östliche Randkette. 

Als ein schmaler Streifen von i\ bis 5 km Breite zieht sich die öst- 
liche Flyschzone vom oberen Peneios bis in die Gegend von Muzäki 
steil eingefaltet zwischen dem Pindos-Kalkgebirge im Westen und dem 
in sich mehrfach gefalteten Kalkgebirgszug des Köziakas (1901 m) im 
Osten. Hier bildet der Flyschstreifen eine Folge von Längsthälern, 
die durch Thalwasserscheiden getrennt werden. 

Die vornehmlich aus Kreidekalk und Hornstein bestehende Ge- 
birgsmauer des Köziakas streicht ebenso wie die Flyschzone südlich, 
wendet sich dann aber im Bogen nach Osten, um bei Phanäri gegen 
eine Oligocänscholle und den Rand der thessalischen Ebene abzu- 
brechen, nachdem sie von den Gewässern des Flyschlängsthals zwei- 
mal in den Engpässen von Porta und Muzäki durchbrochen worden ist. 
Wahrscheinlich stellen die Kalkhügel, die bei Mataranga aus der Ebene 
aufragen, ferner die Kalkmassen des Dogandji Dagh und Kara Dagh 
im Thessalischen Mittelgebirge die Fortsetzung des nach Osten ge- 
drehten Kreidekalkzuges des Köziakas dar. 

Nach einer geringen Lücke bei Mesenik61as beginnt sich wieder 
ein Zug von Kreidekalk, Serpentin und Schiefern am Rande der Flysch- 
zone einzustellen, der von Bläsdu und H. Geörgios nach SSO streicht, 
vielfach von Querthälern unterbrochen, sich dann in dem 984 m hohen 
Serpentingebirge Katächloron nach SO wendet zur Vereinigung mit 
der Othrys. 

So verbreitert sich von Muzäki an die östliche Flyschzone allmäh- 
lich bis zu 35 km: das Gebirge der östlichen Ägrapha. Hier 
und da tauchen aus dem Flysch noch kleinere Partien älterer Ge- 
steine (bei Kataphygi, Smökovon u. s. w.) hervor. Der Flysch ist meist 
sehr stark gefaltet, besonders die Schiefer. Im nördlichen Teil bis in 
die Gegend von Spinässa herrscht SSO-Streichen und ONO-Fallen 
vor, von da an südlich wechselt aber das Streichen und Fallen nach 
allen Richtungen. 

Die orographische Rolle der östlichen Flyschzone südlich von 
Muzäki ist eine ganz andere als die der übrigen Flyschgebiete des 
Pindos. Sie bildet nämlich keine Senke zwischen höheren Kalkgebirgen. 
Die Nevröpolis ist eine etwa 1100 — 1200 m hohe breite Stufe, in die 
ein altes Seebecken, jetzt eine fruchtbare Hochebene von 900 m Höhe, 
flach eingesenkt ist; daraus fliefst der Megdovas-Flufs nach Süden ab. 
Nach Osten fällt diese Stufe zur thessalischen Ebene ab; die Rand- 
zone von Kreidegesteinen bildet hier nur niedrige Hügel am Fufs des 



Reisen und Forschungen in Nord-Griechenland. 



291 



Flyschabfalles. Weiter südlich bildet die Flyschzone ein von zahlreichen 
unregelmäfsigen Thälern in wirrer Weise zerschnittenes Gebirgsland 
von ansehnlicher Höhe, das zwar dem Pindos - Kalkgebirge an 
Höhe nachsteht, aber doch die östliche Randkette und die west- 
liche Othrys tiberragt. Das Flyschgebirge trägt hier die Haupt- 
wasserscheide des ganzen Pindos -Gebietes: die Bäche fallen teils 
dem Megdovas zu, teils durchbrechen sie die östliche Randkette zur 
thessalischen Niederung hin. Der südlichste Teil gehört schon zum 
Flufsgebiet des Spercheios. Die Wasserscheide zwischen dem Ägäischen 
und dem Jonischen Meer zieht unregelmäfsig hin und her, durch- 
gängig über 1000 m hoch. (Itamos 1508 m, Vulgära 1660 m.) 

Überhaupt ist der Verlauf der Hauptwasserscheide im Pindos sehr 
unregelmäfsig. Sie geht vom Zygös nach Osten zur Tringfa; von hier 
auf eine kurze Strecke zum Köziakas, dann zurück auf die östliche 
Flyschzone, dann auf das Pindos -Kalkgebirge, wieder über die Thal- 
wasserscheide der Nevröpolis auf die östliche Flyschzone. — 

Es sei noch bemerkt, dafs sowohl im Gebiet des Arta -Flusses, 
wie in dem des oberen Peneios ansehnliche Schotterterrassen vor- 
kommen. 



3. Klima, Vegetation, Anbau, Bevölkerung. 

Wenn auch das Frühjahr 1893 in Griechenland ein besonders 
kühles und niederschlagsreiches war, so geht doch aus meinen Wetter- 
erfahrungen hervor, dafs das Pindos • Gebirge ein viel nordischeres 
Klima besitzt, als die Gebirge des mittleren und südlichen Griechen- 
land in entsprechenden Meereshöhen. Winter und Frühjahr sind kühl 
und schneereich, besonders auf der Ostseite des Gebirges. Starker 
Schneefall ereignete sich noch am 15. April bis zur Ebene hinab, am 
24. April in der Chässia in 1100 m Höhe. Am 30. April hatten wir 
Mühe, den metertiefen Schnee am Zyg6s zu überwinden (1400 m). 
Noch am 24. Mai fanden wir am Pafs von Knfsovon in 1400 m, am 
27. am Butsikäki in 1600 m, am 31. am Avgö bis 1600 m hinab, am 
6. Juni an der Toskia in 1800 m, am 9. am Stavrös-Pafs in 1900 m 
ausgedehnte Schneefelder, sämtlich auf Nord- und Ostseiten. Noch 
am Morgen des 8. Juni bedeckte frisch gefallener Schnee das Kakardftsa- 
Gebirge bis 1 500 m Höhe hinab. Erst von Mitte Juni ab schmolzen die 
Schneefelder auch in den höheren Lagen schnell zusammen. Bis Ende 
Juni war von einer Sommerdürre nichts zu merken: häufige Gewitter- 
regen hielten im Gebirge bis etwa 800 m hinab Temperatur und 
Vegetation frisch und füllten die Bäche mit rauschenden Wasser- 
massen. 

Das Pindos-Gebirge ist daher von Natur, soweit der Mensch nicht 



292 A. Philippson: 

zerstörend eingegriffen hat, tippiger und mannigfaltiger bewaldet, als 
die übrigen griechischen Gebirge. Freilich liegt die Baumgrenze ver- 
hältnismäfsig tief, zwischen 1800 und 1600 m. Hier trifft man zuweilen 
Wacholder-Knieholz an, was ich in den südlicheren griechischen Ge- 
birgen nicht beobachtet habe. 

Drei Baumarten reichen waldbildend bis zur Baumgrenze hinauf. 
Die Waldbuche {Fagus stlvatüa) bildet an einzelnen Stellen des Ge- 
birges reine, nur selten mit Tannen gemischte Bestände von herrlichem 
Wuchs, von der Baumgrenze bis etwa 1200 m Meereshöhe hinab, immer 
auf Silikatgesteinen, und zwar mit Vorliebe auf dem Flyschsandstein. 
Der südlichste Buchenwald auf der Balkan-Halbinsel liegt auf dem 
Oxyä-Gebirge in der ostätolischen Sandsteinzone (38 45' nördl. Breite). 
Die Schwarzkiefer (Hnus Laricio Poir. oder pindicus Form.) bildet 
ausgedehnte Wälder im Zygös-Gebiet und südlich bis in die Gegend von 
Kraniä, z.T. mit Tannen gemischt, ebenfalls meist auf Silikatgesteinen, 
namentlich Serpentin, von der Baumgrenze bis zu 900 m Meereshöhe 
hinab. Dagegen bevorzugen die unseren Edeltannen nahestehenden 
Tannen entschieden den Kalkstein. Auf diesem bilden sie die ver- 
breitetsten Wälder von der Baumgrenze bis 700 m Höhe hinab. Als 
Nebenholz treten in diesen Bergwaldungen besonders verschiedene 
Wacholderarten, als Unterholz auch Buchsbaum und Stecheiche (JUx 
aqui/oltum) auf. 

In der unteren Bergregion (unter 1200 m) sind die Hainbuchen 
sehr verbreitet, die besonders in den inneren Pindos - Thälern aus- 
gedehnte Buschwälder zusammensetzen, und aufserdem die sommer- 
grünen und immergrünen Eichen, zum Teil mit Tannen vermischt Je 
tiefer hinab, desto mehr überwiegen die Eichen, bis sie von 700 m an 
fast allein die Wälder bilden. Besonders ist das Flyschgebirge der 
östlichen Ägrapha von prächtigen Eichenwäldern bedeckt, die sich 
auch in den binnenländischen Teilen der westlichen Flyschzone finden, 
hier vielfach mit Maquien gemischt. Auch in allen anderen Teilen des 
Pindos bis zur Höhe von 1200 m kommen kleinere Bestände und Horste 
von Eichen vor. Der unteren Bergregion (etwa 600 — 1200 m) sind 
auch einige schöne Wälder von Edelkastanien eigen. Merkwürdig, 
wenn auch landschaftlich wenig hervortretend, ist in derselben Region 
das wilde Vorkommen der Rofskastanie {Aesculus Hippocastanum 
Z.) 1 ), die hier ihre Heimat hat. Die Bäche begleiten dichte Bestände 
von mächtigen Platanen und Pappeln. 

Leider wird das natürliche Waldkleid des Gebirges, namentlich 



l ) Philippson, Ober das Vorkommen der Roiskastanie und der Buche in 
Nord-Griechenland. Naturwissenschaft!. Wochenschrift, IX, Berlin 1894. S. 421 ff- 



Reisen und Forschungen in Nord- Griechenland. 293 

ier Tannenwald, in schonungsloser Weise zerstört. Im Flufsgebiet 
des Arta-Flusses sind schon vor längerer Zeit die hochstämmigen 
Wälder bis auf geringe Reste verschwunden, und im Flufsgebiet des 
fast vom Ursprung an flöfsbaren Aspros wird jetzt, seitdem keine 
politische Grenze mehr den Flufs schneidet, an der schnellen Ver- 
nichtung der Tannenwälder gearbeitet, sodafs binnen kurzem die 
ganzen höheren Teile des Gebirges nackt und kahl dastehen werden. 
Die westliche Flyschzone des Pindos bis zu der Grenze der cen- 
tralen Pindos-Kalkzone, nördlich bis in die Gegend von Schor&sana 
und bis zu einer Meereshöhe von etwa 800 m, ist das Gebiet üppiger 
immergrüner Maquien. In dem höheren Teil, etwa von 500 bis 
800 m, sind namentlich prächtige Erica-Maquien verbreitet Bis 500 m 
reicht in diesem Gebiet auch der Ölbaum. Weiter landeinwärts, in 
den inneren Pindos-Thälern und auf deT Ostseite des Gebirges, fehlen 
die meisten immergrünen Holzpflanzen, aufser den immergrünen Eichen. 
Der Anbau ist im ganzen Pindos-Gebirge verhältnismäfsig spärlich. 
Bei der Seltenheit von Ebenen und Thalauen mufs er sich mit den 
sanfteren erdreicheren Gehängen und Bergterrassen begnügen. Am 
ausgedehntesten ist er noch in der Thallandschaft des oberen Peneios 
um Malakäsi und in den nördlichen schmalen Teilen der beiden Flyscb- 
zonen. Auch das Flyschgebirge der östlichen Agrapha hat gröfsere 
angebaute Rodungen inmitten seiner Eichenwälder, während in dem 
breiten Teil der westlichen Flyschzone der Anbau sich auf zerstreute 
Flecken beschränkt. Noch geringer und beschwerlicher ist er im 
Kalkgebirge, 

Die wichtigste Frucht des Ackerbaues im Pindos ist der Mais 
der durch die zahlreichen Bäche und Quellen reich bewässert werden 
kann. Ihm gegenüber treten die übrigen Cerealien sehr zurück, ja in 
den inneren Pindos-Thälern ist er die einzige Brodfrucht. Wein wird 
fast nur in der östlichen Agrapha in einiger Menge gezogen. Sonst 
beschränkt sich der Anbau im wesentlichen auf Gemüsepflanzen und 
Obstbäume um die Dörfer herum. In der Tsumlrka und einigen 
anderen Gegenden ist die Seidenzucht nicht unbedeutend; sie liefert 
das einzige landwirtschaftliche Produkt des Pindos für den Handel. Dazu 
kommt das Holz der Wälder, das in Patras zu Markt kommt, wovon 
aber die Einwohner fast gar keinen Vorteil haben, da die Wälder 
Staatseigentum sind und von auswärtigen Unternehmern mit aus- 
ländischen (bulgarischen) Arbeitern ausgebeutet werden. 

Der bedeutendste Erwerbszweig der Pindos - Bewohner ist die 
Schaf- und Ziegenzucht, für die das niederschlagsreiche Gebirge 
gute Weiden bietet. Ein grofser Teil der Pindos-Bewohner sind daher 
Viehzüchter. Während die mittleren und höheren Lagen ausgezeichnete 



294 A. Philippson: 

Sommerweiden haben, reichen viele der tief eingeschnittenen Pindos 
Thäler in die Region der Winterweiden hinab, der auch ein grofser 
Teil der beiden Flyschzonen angehört. Freilich können bei weitem 
nicht alle Herden, die der Pindos im Sommer ernährt, auch im Pindos- 
Gebiet überwintern, viele müssen dazu die Niederungen Thessaliens, 
Ätoliens, ja Böotiens aufsuchen. Ein grofser Teil der Pindos -Vieh- 
züchter ist daher nomadisch, und bis in die Nähe Athens streifen 
im Winter agraphiotische Wanderhirten. 

Mit dieser Kleinviehzucht in Verbindung steht eine ähnliche In- 
dustrie, wie wir sie in der Othrys antrafen: die Herstellung der landes- 
üblichen, groben, filzäbnlichen Stoffe aus Wolle und Ziegenhaaren für 
Mäntel, Decken u. dergl. vermittels wassergetriebener Walkmühlen. 
Diese Industrie wird im Sommer von den Aromunen des nördlichen 
Pindos betrieben. 

Der Verkehr ist im ganzen Pindos sehr gering. Aufser den an 
den Rändern vorbei führenden Strafsen Arta-Karavasaräs-Agrinion und 
Karpenfsi-Lamfa giebt es im ganzen Gebiet keine einzige Fahrstrafse; 
keine Post- oder Telegraphenlinie durchkreuzt das Gebirge in der 
Querrichtung. Die Saumpfade sind — mit Ausnahme desjenigen von 
Arta nach Kalarrhy'tae — meist im denkbar schlechtesten Zustand. 
Moderne Brücken sind erst sehr wenige vorhanden, dagegen dienen 
noch eine ganze Anzahl alter, wahrscheinlich byzantinischer Spitzbogen- 
brücken; eine noch gröfsere Zahl liegt freilich in Ruinen. Sie be- 
zeugen, dafs einstmals ein regerer Verkehr im Gebirge bestand. Der 
einzige Weg, über den heute ein wenn auch geringer Verkehr über 
das Gebirge hinweg führt, ist der Zyg6s-Weg. Aufserdem beschränkt 
sich der Verkehr auf die Wanderzüge der Hirten und die Marktgänge 
der Gebirgsbewohner. 

Kein einziger Marktplatz von Bedeutung liegt im Innem des Ge- 
birges, sondern alle, die für den Pindos in Betracht kommen, liegen an 
seinem Rand, und jeder derselben hat sein durch die Bodengestalt 
abgegrenztes Marktgebiet im Gebirge. So gravitiert das ganze Gebiet 
des oberen Peneios, der Längsthaizug der östlichen Flyschzone, das 
Gebiet des oberen 'Aspros südlich bis zur Koräku-Brücke nach Trfkkal 
und Muzäki; das Gebiet südlich hiervon bis Rhentfna, Phurnä und 
Granftsa, westlich bis zum Aspros nach Kardftsa; das Land südlich 
der genannten Orte nach Karpen fsi und dadurch nach Lamfa; da- 
gegen das Gebiet der Tsume*rka und Radovfzi nach Arta, der Valtos 
nach Karavasaräs. Das türkische Gebiet im Nordwesten fällt Jän- 
nina zu. Mdtsovon ist nur von untergeordneter Handelsbedeutung. 

Die Bevölkerung des Pindos ist im ganzen verhältnismäfsig 
geringzählig. Man kann sie in dem ganzen wie oben (S. 275) abge- 



Reisen und Forschungen in Nord- Griechenland. 295 

grenzten Gebiet (als Westgrenze den Arta-Flufs genommen), einschliefs- 
licli der Ebene von Arta und des Thals von Mdtsovon, nach der 
griechischen Volkszählung von 1889, sowie nach ergänzenden Schätzungen, 
im Winter auf 125 000, im Sommer auf 135 000 Seelen annehmen. Das 
macht, die Fläche auf 6500 qkm geschätzt, 19 bzw. 21 Einwohner auf 
t qkm. Zieht man aber die Umgebung von Arta ab, so bleiben im 
Winter nur etwa 112000 Einwohner (17 auf 1 qkm). Die Bevölkerung 
ist übrigens sehr ungleichmäfsig verteilt, wie aus den folgenden Zahlen 
hervorgeht (Flächeninhalt nach roher Schätzung). 

, Einw. im Einw. auf 
q Winter 1 qkm 

Türkischer Teil (Thal von Mdtsovon, linke 

Seite des oberen Arta-Flusses) 320 9000 28 

Gebiet des oberen Peneios 210 6900 33 

Westseite der Tsumtfrka und Gebiet von Ka- 

larrhytae 270 8 500 31 

Südseite der Tsumdrka und Radovfzi . . . 675 11 300 16 

Vrysis (Gebiet von Arta) 100 12700 127 

Vältos 750 10 500 14 

Landschaft Aspropötamos 1 100 8400 8 

Kalkgebirge der Landschaft Ägrapha nebst 

der westlichen Flyschzone östlich des Aspros 1 675 23 900 14 

Gebirge der östlichen Agrapha 1 400 33 700 24 

6500 124900 19 

Dazu kommen im Sommer noch etwa 10 000 Wanderhirten , allein 
7500 in der Landschaft Aspropötamos, sodafs sich deren Bewohner- 
schaft dann auf 16 000 (14 auf 1 qkm) beläuft. 

Am dichtesten bevölkert sind, aufser der Umgebung von Arta, 
das Zygös-Gebiet und die Tsumdrka, dann folgt das Flyschgebirge 
der östlichen Ägrapha. Am dünnsten bevölkert sind Radovfzi, Vältos 
und das Kalkgebirge. 

In sprachlicher Hinsicht zerfallen die Pindos-Bewohner in zwei 
grofse Gruppen: die Aromunen (Kutzo-Walachen, Zinzaren) und die 
Griechen. Das aromunische Sprachgebiet zieht sich von Norden her 
in unser Pindos- Gebiet hinein und umfafst hier das Thal von Mdtsovon 
abwärts bis Tria-Chania, das Stromgebiet des oberen Peneios abwärts 
bis Mei'dan-Keräsia, einschliesslich der Thallandschaft von Klfnovos, 
ferner das Stromgebiet des Aspros südlich bis zu den Bergen Avtf, 
Drakötrypa, Avgö und Marüssa; dann auf der Westseite des Gebirges 
noch Palaeochöri, Syräku und Kalarrhytae. Diese Sprachgrenze bleibt 
etwas hinter der traditionellen Grenze der Gaue Malakäsi und Aspro- 



296 A - Philippson: 

pötamos zurück, wohl ein Anzeichen, dafs die aromunische Sprache hier 
in neuerer Zeit etwas zurückgewichen ist. 

Über die Eigentümlichkeiten der Aromunen, die zum grofsen Teil 
Wanderhirten sind und im Winter in der thessalischen Niederung um- 
herziehen, ist bereits (Zeitschr. 1896, S. 199 ff.) die Rede gewesen. Ihre 
Gesamtzahl beläuft sich im Pindos im Winter auf etwa 20000, davon 
12500 im griechischen Staatsgebiet, im Sommer auf etwa 27 500. 

Auch die Griechen des Pindos-Gebietes haben wahrscheinlich 
einen ansehnlichen Zusatz aromunischen Blutes in ihren Adern. Von 
den sefshaften Pindos-Griechen, die sich wieder nach den einzelnen 
Gauen unterscheiden, heben sich die Sarakatsanae"i, in temporären 
Reisighütten lebende Wanderhirten griechischer Zunge, als besonderer 
Stamm ab, der einer näheren wissenschaftlichen Untersuchung wohl 
wert wäre. Sie leben zerstreut in der Ägrapha und im Vältos und 
wandern von hier aus im Winter weit in Nord- und Mittel-Griechen- 
land umher. 

Wie überall in Griechenland haftet die aus dem Mittelalter über- 
kommene Gau-Einteilung, die sich meist mit der politischen nicht 
deckt, noch fest im Volk. 

Der Gau Malakäsi umfafst das Gebiet des oberen Peneios, des 
Flusses von Mdtsovon und der linken Seite des Arta-Flusses bis zum Bach 
von Kalarrhytae, einen langen schmalen Gebietsstreifen, jetzt zwischen 
Türkei und Griechenland geteilt und überwiegend von Aromunen be- 
wohnt. Er ist der am dichtesten bevölkerte Bezirk des Pindos. In dem 
zur Eparchie Kalabäka des Nomös Trfkkala gehörigen Gebiet des oberen 
Peneios, das auf sanft geformten Bergen von Serpentin, Schiefern und 
Flysch nicht unbedeutende Ackerflächen neben Kiefern-, Buchen- und 
Kastanienwäldern trägt, liegen die stattlichen, auch im Winter bewohnten 
Aromunendörfer Malakäsi und Kastaniä und viele kleinere; im tür- 
kischen Teil die Aromunen-Stadt Me*tsovon, der Knotenpunkt der Strafsen 
von Epirus nach Thessalien und Makedonien. Schon im Innern des 
Kalkgebirges, in öder, nur für Hirten brauchbarer Gegend, liegen die 
grofsen, dauernd bewohnten Aromunen -Dörfer Syräku (türkisch) und 
Kalarrhytae (griechisch) einander gegenüber, deren Bewohner teils 
Hirten, teils Kaufleute sind. 

Der Gau Asprop6tamos begreift den oberen Teil des Flufs- 
gebiets des Aspros, auf der rechten Seite abwärts bis Grevenö ein- 
schliefslich, aber ohne Theodöriana, auf der linken Seite bis zur süd- 
lichen Wasserscheide der Bäche von Kothöni und Vathyrhevma; dazu 
ferner das Gebiet des Baches von Klfnovos. Welchem Gau das Thal 
von Tyrna angehört, ist mir unbekannt geblieben. Aspropötamos besteht 
also im wesentlichen aus dem Flyschgebiet von Kötori und dem nörd- 



Reisen und Forschungen in Nord- Griechenland. 



297 



liehen Abschnitt des Kalkgebirges, in dem die Thalsohlen am 
höchsten liegen. Die Meereshöhe dea^Aspros beträgt beim Ver- 
lassen des Gaues noch zwischen 500 und 600 m. Besonders der aro- 
munische Teil des Gaues entbehrt daher der Winterweiden fast gänzlich, 
während auch der anbaufähige Boden gering und wegen der langen 
Schneebedeckung nur mit Sommerfrüchten zu bestellen ist. Dieser 
obere Teil des Aspros-Gebietes wird daher im Winter fast ganz ver- 
lassen, während im Sommer die grofsen Aromunen-Dörfer Kraniä, Dra- 
govfsti, Gardfki, Chalfki und andere von zahlreichen Wanderhirten und 
Kaufleuten bevölkert, die Berge von zahllosen Schafherden bedeckt sind. 
Das Gebiet von Klfnovos dagegen, das tiefere Thalböden besitzt, 
ist auch im Winter bewohnt. Der südliche Teil der Landschaft endlich, 
der Dimos Kothonion, hat ebenfalls etwas tiefere Thalböden und 
infolge der breiteren Entwicklung der Schiefer und Hornsteine mehr 
anbaufähigen Boden. Hier lebt daher eine sefshafte und zwar griechisch 
sprechende Bevölkerung. — Politisch ist Aspropötamos zwischen den 
Eparchien Kalabäka und Trfkkala geteilt. 

Südlich folgt auf Aspropötamos die grofse Landschaft Agrapha, 
den ganzen Rest der centralen Kalkzone, die westliche Flyschzone bis 
zum Aspros, die ganze östliche Flyschzone und die östliche Randkette 
umfassend, von Porta und Martiniskö im Norden, bis zum Spercheios, 
Karpenfsi und der Mdgdovas- Mündung im Süden, also Gebiete von 
recht verschiedener Bodenbeschaffenheit und Volksdichte. Die Land- 
schaft Agrapha ist ein historischer Begriff; es ist das Gebirgsland, das 
sich von der unmittelbaren türkischen Herrschaft und von dem Tziflik- 
Sy stem frei gehalten und daher stets ein freie Bauernbevölkerung be- 
sessen hat, das hauptsächliche Heimatland der Armatolen und Klephten, 
jetzt einer der Rekrutierungsbezirke der Evzonen-Bataillone. Noch 
mehr als die Aspropotamiten geniefsen die Agraphioten, besonders die 
Sarakatsanaeischen Wanderhirten, noch heute kriegerischen Rufes; sie 
neigen aber auch noch heute zur Bildung von Räuberbanden, wobei sie 
durch die Unzugänglichkeit ihrer Gebirge, besonders des südlichen Ab- 
schnittes der Kalkzone, wohl der ungangbarsten Landschaft ganz 
Griechenlands, unterstützt werden. 

Der kultivierteste Teil der Agrapha ist die waldreiche, aber auch 
an Ackerland nicht arme östliche Flyschzone. Hier liegen am Rand 
der thessalischen Niederung die grofsen Siedelungen Muzäki, Phanäri, 
Kanälia, Mesenikölas, im Innern die Hauptdörfer Rhentma und 
Phurnä, aufserdem eine ganze Anzahl von mehr als 500 Einwohnern. 
Die übrige Agrapha, das Kalkgebirge und der zur Agrapha gehörige 
Teil der westlichen Fyschzone, hat aufser dem am Stidrand gelegenen 
Städtchen Karpenisi keine gröfseren Orte. Den Dorfschaften des 



'298 A - PkiHppson: 

wilden Smig6s-Thales ist es eigentümlich/ dafs sie sich in zahlreiche 
kleine Weiler verteilen. • 

Die Nordgrenze Griechenlands von 1830 war mitten durch die 
Agrapha hindurchgezogen. Jetzt gehört die Landschaft teils zur 
Eparchie Kardftsa des Nomos Trfkkala, teils zur Eparchie Evrytanfa 
des Nomos Ätolien-Akarnanien. 

Weit dichter bevölkert und angebaut sind die wasserreichen 
Schiefergehänge um das Tsume'rka- Gebirge herum, die den gleich- 
namigen Gau bilden. Hier treffen wir die grofsen Dörfer Prämanta, 
Agnanta und VurgareUi. Ebenso wie die Tsumerka gehört zum Nomos 
Arta der Gau Radovfzi, eine von Eichenwäldern und Maquien dicht 
bewachsene Flyschlandschaft, in der die Bevölkerung in lauter kleine 
Weiler verteilt ist. Teils infolge der natürlichen Verhältnisse, teils 
infolge des Grofsgrundbesitzes ist diese Landschaft besonders arm und 
verkommen. Desto fruchtbarer und dichter bevölkert ist die durch 
echt mediterrane Erzeugnisse (Oliven, Südfrüchte, Wein) ausgezeichnete 
Umgebung von Arta, der Gau Vrysis, der aufser dieser Stadt die 
grofsen Dörfer Pe*ta, Kompöti und viele kleinere enthält. 

Die Fortsetzung der westlichen Flyschzone nach Süden bildet den 
Gau und die Eparchie Vältos, dem auch der gröfste Teil des Gävrovo- 
Kalkgebirges angehört. Im letzteren herrscht fast ausschliefslich die 
Kleinviehzucht, die auch im Flyschgebiet überwiegt, sowohl sefshafte 
wie nomadische. Im Flyschgebiet ist die Bevölkerung auch hier meist 
in kleine Häusergruppen verteilt. Auch die Bevölkerung von Vältos 
•ist, wie die der Radovfzi, arm, roh und zum Räuberwesen geneigt 

Im ganzen bildet das Pindos-Gebirge im Vergleich zu den frucht- 
baren Niederungen Thessaliens und selbst zu der Gebirgslandschaft 
von Epirus ein unwegsames, armes und in Altertum wie Neuzeit in 
der Kultur weit zurückstehendes Land, dessen einziges Erzeugnis von 
Bedeutung eine kräftige und kriegerische Bevölkerung war und ist. 



Nachtrag. 
Einige Gesteinsbestimmungen, die nicht mehr im Text auf- 
genommen werden konnten. 
Diallag-Olivin (=Wehrlit) von unterhalb Myli (Othrys). 
Die Grundmasse besteht aus einem filzig-faserigen Mineral von 
hoher Doppelbrechung, höchst wahrscheinlich Tremolit. Darin Diallag 
und aufserordentlich hübsche Pseudomorphosen von Serpentin nach 
Olivin, diese letzteren oft umgeben von einer Rinde eines blaugrünen 



Reisen und Forschungen in Nord-Griechenland. 



299 



Minerals, wohl Chlorit. Viele braun durchscheinende Kryställchen 
eines Spinells (Picotit oder Chromit). — 

Ein anderes Gestein von unterhalb Myli (Othrys) ist zersetzter 
Diabas (?) - Mandelstein, ein drittes Serpentin. 

Das dichte graue Eruptivgestein nördlich des Phurka-Passes 
(S. 59) ist Diabas (?). 

Gesteine von Kato-Agöriani: Diabas und Serpentin. 

Ano-Agöriani: Typischer Bastitserpentin und Gabbro. 

Gerolle im Konglomerat zwischen Kataphygi und Rüsu: 'Zer- 
setzter Gabbro und Granit. 

Zwischen Anjo - Agöriani und Dereli: Diallag - Olivin- 
Gestein (Wehrlit). 

Gestein von der Südseite des Mochluka-Passes: zersetzter 
Diorit. (Dr. Bergeat.) 



Literatur- Verzeichnis. 
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Brandis, Mittheilungen über Griechenland. I. Leipzig 1842* 
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Carte de la Grece, rtdigee et gravee au Depot de la Guerre. Paris 1852* 1 • 200000 
Zeitschr. d. Ges. f. Erdk. Bd. XXXII. 1897. 21 



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Selenitsa dans l'Albanie et de Chieri dans Tile de Zante. Bull. Soc. Geol. de 

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Heuzey, Le Mont Olympe et TAcarnanie. Paris 1860. 
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Heuzey et Daumet, Mission archeologique de Macedoine. Paris 1876. (Karten 

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Hobhouse (Lord Broughton), A journey through Albania and other provinces 

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London 1819* 
Hughes, Travels in Sicily, Greece and Albania. a vol. London 1810. 
Joanne, Collection des Guides -Joannne. Grece IL Paris 1891* (»• auch 

Isambert.) 
Jones (in Hughes, s. das.). 



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Schultze, M., Ein Ausflug nach den Ruinen Dodonas. Ausland 1858. 

v. Schweiger-Lerchen feld, Wirtschaftliches aus Epiro- Thessalien. Oesterr. 
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Der See von Jannina. „Globus" VI. 1864. 

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Spencer, Travels in European Turkey in 1850. London 1851* 

Stephani, Reise durch einige Gegenden des nördlichen Griechenland. Leipzig 

1843- 

Stuart, R. f The Vlakhs of Mount Pindus. Transactions of the Ethnological 
Society of London. VI. 1868. 

— , On the Physical Geography and natural resources of Epirus. Journal R. Geo- 
graph. Soc. London. XXXIX. 1869. 

v. Tausch, Reisebericht über Thessalien. Verhandl. d. k. k. Geolog. Reichs- 
anstalt. 1885. 

Tozer, Researches in the highlands of Turkey. 1 voll. London 1869. 

TJssing, Griechische Reisen und Studien. I. Kopenhagen 1857. 

Vaudoncourt, Memoirs on the Jonian Islands. Translated by Wal ton. London 
18x6. 

— , Schilderung des heutigen Griechenlands und seiner Einwohner. Übersetzt von 
Bergk. Leipzig 1%Z\. 

Viquesnel, Journal^ d'un voyage dans la Turquie d'Europe. M6moires de la 
Socitte Geologique de France. Paris. V. 184*. * e s6r. I. 1844* 

Vischer, Erinnerungen und Eindrücke aus Griechenland. Basel 1857- • 

de Vogue, La Thessalie. Revue des Deux Mondes. 1879. 

v. Warsberg, Eine Wallfahrt nach Dodona. Graz 1893* 

Weigand, Die Aromunen. I. Leipzig 1895* 

Wordsworth, Greece, pictorial, descriptive and historical. New edition by 
Tozer. London 1881. 

J. v. Z., Wanderungen in Epirus und Südalbanien. Westennanns Monatshefte. 1871* 

Zompolides, Das Land und die Bewohner von Epirus. „Ausland**. 1880. 



Von nachstehendem wichtigen Werke kann ich einige Exemplare 
u bedeutend ermäfsigtem Preise liefern: 

The Discovery of Australia. 

\. critical, documentary and historic investigation concerning the 

»riority of discovery in Australasia by Europeans before the arrival 

of Lieut. James Cook, in the „Endeavour", in the year 1770. 

By 

George Collingridge. 

>idney 1895. 376 S. 4 mit zahlreichen Karten u. Abbildungen in Callico gebd. 
(Statt I». 25,—) M. 12,50. 

W. H. Kühl, Antiquariat, Berlin W, 73 Jägerstr. 

Wichtig fflr Jede wissenschaftliche Bibliothek! 

In wenigen Exemplaren offerire ich das seltene Werk: 

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Funde Deutschlands. 

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herausgegeben von 

Dr. A. Voss, 

(Direktor am Kgl. Museum für Völkerkunde). 

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und Rügen. 24 u. 25 Taf. — IV. Posen, Schlesien, Brandenburg, 
Anhalt. 17 Taf. — V. Mecklenburg, Lübeck, Schleswig -Holstein, 
Hamburg, Hannover, Oldenburg, Braunschweig, Waldeck. 17 Taf. — 
VI. Provinz Sachsen, Königreich Sachsen, Schwarzburg -Rudolstadt, 
Reuss. 25 Taf. — VII. Hessen, Baden, Württemberg. 20 Taf. — 
VIII. Bayern. 18 Taf. 

W. H. Kühl, Antiq.-Buchh., 73. Jägerstr., Berlin W. 



Soeben erschien bei W. H. Ktihl, Berlin W, Jägerstr. 73. \ 

Thessalien und Epinis. \ 



Reisen und Forschungen im nördlichen [ 
Griechenland 



Dr. Alfred PMlippson, 

Privatdocent der Geographie an der Universität Bonn. 

Herausgegeben 

von der 

Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin. 

(Sonderabdruck aus der „Zeitschrift der Gesellschaft für Erdkunde zu 

Berlin 14 , Band XXX-XXXII, 1895— 1897.) 

Preis 12 Mark. 

XI u. 42a Seiten 8° und acht Tafeln (Karten und Profile). 



Soeben erschien bei W. H. Kühl, Berlin W. 8. Jägerstrasse 73. J 

BIBLIOTHECA GEOGRAPHICA 

I 

HERAUSGEGEBEN j 

t 

VON DER 

l 

GESELLSCHAFT FÜR ERDKUNDE ZU BERLIN 

BEARBEITET 

VON 

OTTO BASCHIN 

BandHI. Jahrgang 1894. XVI u. 402 S. 8°. 

= Preis 8 Mark. = 



Für die Redaktion verantwortlich: Hauptmann a. D. Kollm in Charlottenburg. 
Selbstverlag der Gesellschaft für Erdkunde. Druck von W. Pormetter in Berlin 



ftUG 2 9 1929 



ZEITSCHRIFT 



DER 



GESELLSCHAFT FÜR ERDKUNDE 



ZU BERLIN. 



Band XXXII — 1897 — No. 5. 



Herausgegeben im Auftrag des Vorstandes 
von dem Generalsekretär der Gesellschaft 

Georg Kollm, 

Hauptmann a. D. 



Inhalt. » 

Die Hydrographie des oberen Nil -Beckens. Von E. de Martonne. 

(Hierzu Tafel %-^io) .303 

Dr. A. Philippson's barometrische Höhenmessungen auf den griechischen 

Inseln der Ägäischen Meeres. Berechnet von Dr. A. Galle 343 



Tafel 8: Oro- hydrographische Karte der oberen Nil-Gebiete. Entworfen von E. de Martonne. 

Mafsstab 1 : 6 000 000. 
Tafel 9 : Profile zur vorstehenden Tafel und Karte der jahreszeitlichen Regenverteilung. 
Tafel zo: Regenkarte der oberen Nil-Gebiete. Entworfen von E. de Martonne. Mafsstab 

1 : 12 000000. 



BERLIN, w.8. 

W. H.KÜHL. 
LONDON E. C. PARIS. 

SAMPSON LOW & Co. Iö 97- H . le SOUDIER. 

Fleet-Strect. , 74 & X7 6. Boul. St. Germain. 



Veröffentlichungen der Gesellschaft im Jahr 1897. 

Zeitschrift der Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin, Jahr- 
gang 1897 — Band XXXII (6 Hefte), 

Verhandlungen der Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin, 
Jahrgang 1897 — Band XXIV (io Hefte). 

Preis im Buchhandel für beide: 15 M M Zeitschrift allein: 12 M., Ver- 
handlungren allein: 6 M. 



Beiträge zur Zeitschrift der Gesellschaft für Erdkunde werden mit 
50 Mark für den Druckbogen bezahlt, Original-Karten gleich einem Druckbogen 
berechnet. 

Die Gesellschaft liefert keine Sonderabzüge; es steht jedoch den Verfassern 
frei, solche nach Übereinkunft mit der Redaktion auf eigene Kosten anfertigen 
zu lassen. 

Alle für die Gesellschaft und die Redaktion, der Zeitschrift und 
Verhandlungen bestimmten Sendungen — ausgenommen Geldsendungen 
— sind unter Weglassung jeglicher persönlichen Adresse an die: 

„Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin SW. 12, Zimmerstr. 90", 

Geldsendungen an den Schatzmeister» der Gesellschaft, Herrn 
Geh. Rechnungsrat Bütow, Berlin SW. Zimmerstr. 90, zu richten. 



Die Geschäftsräume der Gesellschaft — Zimmerstrafse 90. II — sind, 
mit Ausnahme der Sonn- und Feiertage, täglich von 9 — ia Uhr Vorm. und von 
4 — 8 Uhr Nachm. geöffnet. 



Demnächst wird im Verlag YOfl W. H. Kühl, Berlin W. 8, erscheinen: 

Grönland - Expedition 

der 

Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin 

1891- 1893. 

Unter Leitung 

von 

Erich von Drygalski. 

Herausgegeben von der 

Gesellschaft lür Erdkunde zu Berlin. 

Zwei Bände, grofs 8°, mit 85 Abbildungen im Text, 53 Tafeln und 10 Karten. 



Die Hydrographie des oberen Nil -Beckens. 

Von E. de Martonne. 
(Hierzu Tafel 8—10.) 

Die Erforschung des oberen Nil -Beckens scheint augenblicklich 
n eine Periode des Stillstandes eingetreten zu sein. Die Zeit der 
jrofsen Entdeckungen ist vorbei. Für das untere Ober-Nil-Becken, in 
3em jetzt noch so viel unbekannt ist, hat diese Ruheperiode schon 
mit der Eroberung Chartums durch die Mahdisten begonnen und 
wird bald endigen, wenn die englische Sudan - Expedition ihr Ziel 
erreicht. 

Unter solchen Umständen wird vielleicht eine kurze Zusammen- 
fassung der bis jetzt bekannten Daten über die Hydrographie des 
oberen Nil nicht unpassend scheinen 1 ). 

I. 

Leider ist das obere Nil -Becken jetzt noch nicht so gut bekannt, 
dafs eine Arbeit über seine Hydrographie eines Vorwortes über die 
Entstehung und den heutigen Stand der Karte entbehren könnte; 
doch weil es unmöglich ist, die ganze Geschichte der Forschungen 
in den Ober-Nil-Gebieten hier zu entwickeln, wollen wir nur zwei 
Probleme, die besonders für die hydrographischen Verhältnisse mafs- 
gebend sind, in Betracht ziehen: die Frage nach den Quellen des 
Nil — und die Frage nach der Umgrenzung des oberen Nil-Beckens. 

Das uralte Problem der Nil-Quellen bis in das Altertum und 



1 ) Eine Zusammenfassung aller Forschungsergebnisse über den ganzen Nil- 
Strom haben schon früher gegeben: Lombardini, Saggio idrologico sul Nilo, 
Mailand 1864. 4 . 64 S. und Chavanne in: Afrika's Ströme und Flüsse, Wien 
- 1883. 8° (66 S. über den oberen Nil). Beide Arbeiten sind natürlich, was das 
* obere Nil-Becken anbetrifft, ganz veraltet. InChelu, Le Nil, le Soudan, TEgypte, 
Paris 1891, 4°, sind nur 25 S. dem oberen Nil gewidmet. 

Zeitschr. d. Ges. f. Erdk. Bd. XXXII. 1897. 22 



304 E - de Martonne: 

das Mittelalter zu verfolgen, können wir uns nicht erlauben 1 ). Übrigens 
ist es bemerkenswert, dafs, sobald eine wissenschaftliche Forschung 
stattzufinden begann, alle Angaben der alten Geographen als fabelhaft 
angenommen wurden 2 ). 

James Bruce, der in den Jahren 1768— 1773 den Bahr el Azrak 
und den Tana-See erkundete, hielt jenen für den Quellflufs 8 ). Der 
südliche Ursprung des Nil galt als eine Fabel, bis Caillaud mit der 
ägyptischen Expedition den Zusammenflufs des Bahr el Azrak mit 
dem Bahr el Abiad erreichte und über die gröfsere Wassermenge des 
letzteren sichere Nachrichten geben konnte 4 ). Von jetzt an strebten 
alle Forscher danach, diesen Flufs so weit wie möglich nach Süden 
hinaufzufahren. Linant de Bellefonds ging im Jahr 1827 bis I3°6' 5 ). 
Im Jahr 1835 erkannte Russegger den Sobat ). In den Jahren 1840 — 1841 



1 ) Eine gute Orientierung kann man aus einem Artikel von K. Ganzenmüller, 
'H dfcaoXixcoriQa tcSv bjuvdiv . . . Zeitschrift für wissenschaftliche Geographie 189 r, 
VIII, S. 1 — 2 3 , gewinnen. Neue Ansichten bringt Ravenstein, The Lake region 
of Central Africa, a contribution to the history of African cartography. Scottish 
Geogr. Magaz. VII, i89i,S. 299 — 310, mit Karten; vergl. Schlichter, Ptolemy's 
Topography of Eastera Equatorial Africa. Proceed. of the Roy. Geogr. Soc. XIU, 

1891 s. 513-553- 

*) Nur einige Geographen, wie d'Anville und besonders Klöden (System 
des oberen Nil nach den neuen Kenntnissen, mit Bezug auf die älteren Nach- 
richten, mit fünf Karten, Berlin 1856), blieben der schweren Aufgabe treu, die 
alten Geographen mit den neuen Reisenden auf jedem möglichen Wege in Über- 
einstimmung zu bringen. 

8 ) James Bruce, Travels to the discovery of the sources of the Nile. 
London 1790. 5 vol.; deutsch von J. J. Volkmann, Reise zur Entdeckung der 
Quellen des Nils in den Jahren 1766 — 73, fünf Bände, Leipzig 1790—91. Siehe 
besonders die „Charte zu der dreijährigen Reise der Flotte Salomons" (I. Bd.) und 
die „Charte von den Quellen des Nils und des Verfassers doppeltem Versuch, da- 
hin zu reisen" (JH. Bd. pl. 4). 

Da die ganze ältere Literatur in Berghaus: Bergketten und Flufesysteme von 
Afrika (Geogr. Jahrbuch von Berghaus 1850, II, S. 1 — 20) und in dem IL Erg.-Bd. 
der Peterm. Mitt: Inner -Afrika nach dem Stand der geographischen Kenntnis 
in den Jahren 1 861— 1863, erschöpfend zusammengebracht ist, werden wir nur die 
wichtigsten Werke und Reisen bis zu diesem Datum erwähnen. 

4 ) Caillaud: Voyages ä Meroe, au Fleuve Blanc au delä de Fazoql, dans le 
Midi du Royaume de Sennär, ä Siouah et dans les cinq autres oasis, faits dans 
les annees 1819 — 20— 21 — 22. Imprimerie Royale 1826. 

5 ) Journal of a voyage on the Bahr Abiad or White Nile with some general 
notes on that river . . . from a report adressed by M. Adolphe Linant . . . Journal 
of the Roy. Geogr. Soc. 1832, S. 171 — 190. 

6 ) Russegger, Reisen in Europa, Asien und Afrika 1835 — J 84i. Stuttgart 
1841—43, in. Bd. 



Die Hydrographie des oberen Nil-Beckens. 305 I 



gelang die Mehemet Ali-Expedition bis zum Zusammenflufs des Bahr 
el Gazal, dessen Sümpfe als der Noo-See der Araber von Werne, 
d'Arnaud und Sabatier erklärt tfurden, und verfolgte den Bahr el Djebel 
bis zu 4°42 ; hinauf 1 ). 

Umsonst aber ging man immer weiter nach Süden. Von Hamier 
erreichte 5 02 ); Miani, der bis 3 gelangte, gab keine sicheren Nach- 
richten über die Quellen des Flusses 8 ). Heuglin mit Frau Tinne ver- 
irrten sich in den Sümpfen des Kir 4 ). 

Der alte Wasserweg von Norden nach Süden galt für eine Sack- 
gasse. Man fing an, zu verstehen, dafs der Weg nach der Nil-Quelle 
ein ganz anderer, ein* Landweg sein mufste. Im Jahr 1857 landeten 
Burton und Speke in Sansibar mit der Absicht, die Quellseen des 
Ptolemäus im Innern zu suchen. Der Tanganyika wurde entdeckt, 
und von jetzt an galt er noch ziemlich lange als der Quellsee 5 ). Auf 
der Rückreise hörte aber Speke von einem nördlicheren See sprechen, 
er marschierte nach Norden und entdeckte das Becken des grofsen 
Victoria -Nyansa. Er behauptete, die Quelle entdeckt zu haben. Um 
dies besser zu beweisen, unternahm er mit Grant eine neue Expedition, 
fand den Victoria-Nyansa wieder, ging das westliche Ufer entlang und 
erkannte, dafs der See einen wichtigen Abflufs nach Norden hatte 
(1861— 1862) 6 ). Baker, indessen den alten Weg verfolgend, entdeckte 
den Albert-Nyansa und verfolgte seinen Zuflufs, den Kivira, so weit, 
dafs er ihn mit dem Abflufs des Victoria-Nyansa identifizieren konnte 7 ). 
Die beiden Seen des Ptolemäus waren wieder gefunden. 



') Werne, Expedition zur Entdeckung der Quellen des Weifeen Nils (1840 
— 1841). Berlin 1848. 

*) Wühelm v. Harnier's Reise auf dem Weüsen Nil (1860 — 61). Nach den 
{unterlassenen Tagebüchern des Reisenden. Peterm. Mitt., Ergänzungsbd. II S. 125 

—141. 

3 ) Miani, Le spedizioni alle origini del Nilo. Venezia 1865. Die phantastische 
Karte mufe als eine Kuriosität bezeichnet werden. 

*) Heuglin, Reisen in das Gebiet des Weüsen Nil und seiner westlichen 
Zuflösse, in den Jahren 1862 — 1864. Leipzig 1869. Karte 1 : xoo 000. 

6 ) Burton, The Lake Regions of Central Equatorial Africa. London 1860. 

6 ) Speke, The Upper Basin of the Nile from inspection and Information. 
Journal of the Roy. Geogr. Soc. 1863, XXXIII. Journal of the discovery of the 
source of the Nile. Edinburgh and London 1864. — J. A. Grant, A walk across 
Africa. London 1864. 

7 ) S. White Baker, Account of the discovery of the second great lake 
of the Nile Albert Nyanza. Journal of the Roy. Geogr. Soc 1866, S. 1— 18. 
Ismaüia. London 1874, deutsch von J. E. A. Martin. Der Albert Nyanza, das 
große Becken des Nil und die Erforschung der Nilquellen. 3. Aufl. Gera 1876. 

22* 



1 



306 E de Martonne: 

Doch der*Tanganyika-See blieb für Burton immer der Quellsee und 
sollte mit dem Albert-See in Verbindung stehen 1 ). Im Jahr 1876 aber 
untersuchte Gessi mit einem Dampfschiff den ganzen Albert-See und 
konnte an dem sumpfigen Südufer keinen Zuflufs bemerken 2 ). 

Stanley's erste Durchquerung (1874-— 1877) gab endlich der Burton- 
schen Theorie den Todesstofs, indem er fand, dafs der nördliche 
Tanganyika keinen Abflufs, sondern einen Zuflufs besitzt 8 ). 

Es blieb aber noch vieles unsicher. Man gab sich jetzt nicht mehr 
damit zufrieden, die Quellseen entdeckt zu haben, man wollte ihre Zu- 
flüsse kennen. Stanley hatte schon (1876) den ganzen Victoria-See uni- 
fahren und den westlichen, von Speke „Kitangule" genannten Zuflufs 
(jetzt Kagera) seiner Wassermenge wegen für den Hauptzuflufs erklärt. 
Sein Ursprung war in den Alexandra- Sümpfen zu suchen (jetzt Akenyaru). 
Durch die Emin Pascha-Expedition wurde alles, was Stanley behauptet 
hatte, bestätigt, indem, trotz der Angaben Gessi's, der Semliki als Ver- 
bindungsglied zwischen dem schon im Jahr 1875 entdeckten Albert 
Edward -Nyansa und dem Albert -Nyansa erschien und der sumpfige 
Mittellauf des Kagera verfolgt wurde 4 ). 

Aber jetzt wollte man auch die Quellen des Kagera näher kennen 
lernen. — Wir brauchen nur zu erwähnen, dafs Baumann den Kagera 
als aus zwei Flüssen entstehend erklärte, nämlich dem sumpfigen 
Akenyaru und dem Ruvuvu, deren letzterer der Hauptflufs sein sollte, 
und sich bemühte, zu beweisen, dafs er die Quelle des heiligen Nil 
entdeckt hatte 5 ). Darauf kam aber Graf von Götzen, der den von 



1 ) Vergl. Burton, On Lake Tanganyika Ptolemy's western reservoir of the 
Nile. Journal of the Roy. Geogr. Soc. 1865 XXXV S. 1— 15, und AI. G. 
Findlay, On Dr. Livingstone's last journey and the probable ultimate sources of 
the Nile, ebendort 1867, XXXVII S. 193-211, mit Karten. 

2 ) Exploration du Lac Albert Nyanza par M. Roraolo Gessi. Bulletin de 
la Soc. de Geogr. de Paris, juin 1876 (6) XI S. -632 — 43. — On the circumnavi- 
gation of the Albert Nyanza. Proceed. of the Roy. Geogr. Soc. XXI 1877 s - 5°- 
— Vergl. Sette Anne nel Sudan Egiziano. Milano 1891« 

3 ) Stanley, Through the Dark Continent. London 1878* Deutsch von Böttger, 
Durch den dunkeln Weltteil. Leipzig 1878. 2 Bde. 

4 ) Stanley, In darkest Africa or the "quest recrue and retreat of Emin. 
2 vol. London 1890. Deutsch von H. v. Wobeser, Im dunkelsten Afrika. Leipzig 
1890. 2 Bde. 

5 ) Baumann, Verhandl. der Gesellsch. für Erdk. Berlin XX, 1893, S. 277 
— 283. Durch Massailand zur Nilquelle. Berlin 1894. Karte 1:4000000. Vergl. 
Pe terra. Mitt., Erganzungsbd. 11 1, Die kartographischen Ergebnisse der Massai- 
Expedition des Deutschen Antisklaverei-Comites von O. Baumann. Karte in vier 
Bl. 1 : 600 000, von B. Hassenstein. 



I 



Die Hydrographie des oberen Nil-Beckens. 307 

Baumann kaum bemerkten Nyavarongo für den Hauptflufs erklärte, 
der vom Rand des Tanganyika-Grabens in einem grofsen Bogen nach 
Norden, dann nach Süden fliefsen sollte 1 ). 

Wie nun auch die Sache liegen mag 2 ), so viel ist wenigstens sicher, 
dafs der Kagera den Hauptzuflufs des Victoria -Ny an sa bildet und aus 
drei Quellflüssen Nyavarongo, Akenyaru und Ruvuvu entsteht. So kann 
die Frage nach der Nil-Quelle im grofsen und ganzen als erledigt be- 
trachtet werden. 

Anders ist es mit der Frage nach der Umgrenzung des Beckens. 
Am besten bekannt sind heute diese Grenzen im Süden, am schlech- 
testen im Norden; früher war es gerade umgekehrt. 

Schon in den Jahren 1793 — 1796 war Browne in Darfur gewesen 8 ). 
Vom Jahr 1824 — 1874 durchreisten Rüppel 4 ), Russegger 5 ), Lejean 6 ) und 
Nachtigal 7 ) Kordofan und Darfur. Der Oberlauf mehrerer Flüsse wurde 
durch sie bekannt; da aber die meisten derselben schon unweit der 
Quelle nur sandige trockene Flufsbetten darbieten, ist es nicht sicher, 
dafs sie den Nil -Strom einmal erreichen können. 

Die östliche Grenze scheint im Norden, wie schon die ersten Rei- 
senden erwähnt haben, mit der Grenze des Nil-Thals von Chartum hin- 
auf bis ungefähr n° identisch zu sein. Nur ein wenig nördlich von 
Fashoda mündet in den Nil der Yal, dessen Quelle aller Wahrschein- 



!) Graf von Götzen, Reise quer durch Afrika. Verb, der Ges. für Erdk. Berlin 
1895 S. 103 — 119; ferner, Durch Afrika von Ost nach West Berlin 1896. Karte 
in zwei BL 1 : 450 000. 

3) Bemerkenswert ist, da(s Scott Elliot den Ruvuvu noch für den Haupt- 
fluls halt. (A Naturalist in Mid-Africa. London 1896. S. 255.) 

s ) Browne, Travels in Africa, Egypt and Syria, 179a — 98. London 1799. 
2. ed. enlarged 1806, deutsch Leipzig 1800 und Berlin 1801. 

4 ) Rüppel, Reisen in Nubien, Kordofan und im petraischen Arabien, vorzüg- 
lich in geographischer und statistischer Hinsicht, mit 4 Karten. Frankfurt a. M. 1849* 

*) Russegger, Reisen in Europa, Asien und Afrika, von 1835—41. Stutt- 
gart, III. Bd., 1841—43- 

6 ) Lejean, Voyage aux deux Nils executä de 1858 ä 1864. Paris 1865. — 
Außerdem sind der Araber Mohammed el Tounsy (Voyage au Darfour trad 
franc. par Perron, Caire 1815), Kotschy (1840), Palme (1844)» Müller (1868) 
und besonders Marno, Reise in der egyptischen Äquatorial-Provinz und in Kor- 
dofan, in den Jahren 1874 — 76, Wien 1878, mit Karte von Kordofan 1 : 1000 000, 
und Heuglin a. a. O. zu erwähnen. 

7) Nachtigal, Peterm. Mitt. 1875, S. 281— 86, mit Originalkarte von Wadai 
und Darfur 1:4500000, und: Sahara und Sudan, IIL Bd. Die beste Karte von 
Darfur begleitet die ausgezeichnete Monographie von Mason Bey in Peterm. Mitt. 
1880, S. 377 — 381. Originalkarte von Dar-Fur, entw. von A. M. Mason-Bey, 1879. 
1 : 2 500000, Tafel 18. 



308 E - de Martonne: 

lichkeit nach in den von Schuver durchreisten Gebirgen des südlichen 
Galla-Landes (35 ° ö. L.) zu suchen sind 1 ). 

Noch unsicherer ist die Frage nach dem Ursprung des Sobat, der 
südlich von Fashoda in den Nil mündet. Werne verfolgte im Jahr 1841 
den Flufs 100 km aufwärts, Pruyssenaere im Jahr 1862 170 km 8 ). Junker 
erreichte im Jahr 1876 bei Nasser einen Punkt, wo der Sobat aus zwei 
Armen sich bildet, konnte aber nicht weiter vordringen 8 ). Der Kaufmann 
Debono, der früher ein wenig weiter gelangt war, erzählt in „Tour du 
Monde" 4 ), dafs die Trockenheit ihn verhinderte, einen hinaufgefahrenen 
südlichen Arm hinabzufahren. Nach dieser Mitteilung kann man die 
Hypothese von Baker, der einen östlich von den Latuka-Gebirgen nach 
Norden fliefsenden, von den Eingeborenen „Tschol" genannten Flufs für 
den oberen Sobat hielt, nicht leicht annehmen 5 ). Nachdem auch jüngst 6 ) 
das nördliche Ufer des Rudolf-Sees genau erforscht worden ist, bleibt 
kein Zweifel, dafs die Quellen des Sobat nicht hier zu suchen sind. 
Es ist möglich, dafs die Gebirgsflüsse, welche Cecchi als unter 8° n. Br. 
nach Westen von dem Rand des Galla- Plateaus herabfliefsend er- 
wähnt, dem Becken des Sobat angehören. 

Zwischen Dufile und Lado münden in den Nil zahlreiche Flüsse, 
deren Oberlauf durch die Forschungen Baker's (1863) und Emin Pascha's 
(1881) 7 ) bekannt geworden ist. Unter 4 n. Br. fand Baker nach Süd- 
osten fliefsende Gewässer; doch bleibt die Wasserscheide sehr unsicher. 

Südlich einer ungefähr von dem Elgon-Berg nach Hofrah en Nahas 



*) Schuver, Reisen in die Quellgebiete des Tumat, Jabus und Jal, Juni 1881 
bis März iggi. Peterm. Mitt. Ergänzungsheft 71, S. 7 — 70. Vergl. Originalkarte 
der Quellgebiete der Flüsse Tumat, Jabus und Jal. Peterm. Mitt. 1883, Tafel 4, 
1 : 500 000. 

a ) Pruyssenaere's Reisen und Forschungen im Gebiete des Weüsen und 
Blauen Nüs. Peterm. Mitt. Ergänzungshefte 50 und 51 ; siehe die Karte des "Weiisen 
Nil und des unteren Sobat, von Zöppritz 1 : a 000 000. 

3) Junker, Reisen in Afrika, I. Bd. Karte des Sobat, von der Mündung 
bis zur Station Nasser, 1 : x aoo 000, S. 269. 

4 ) Fragment d'un voyage au Saubat. Tour du Monde, 1860, II. S. 348 — 35a. 

5 ) Baker, Der Albert Nyanza, 1876, S. 143. 

6 ) Donaldson Smith's Expedition zum Rudolf- See in den Jahren 1894 — 95. 
Peterm. Mitt. 1897» S. 15, mit Karte: Das südliche Schoa und die nördlichen 
Gebiete der Galla und Somäl, 1 : 2 000 000, von B. Hassenstein. 

7 ) Schreiben von Dr. Emin Bey über seine Reise von Gondokoro nach 
Obbo. Mitt. der K. K. Geogr. Gesellschaft in Wien, 188*, S. 181 ff. — Reisen 
im Osten des Bahr el Djebel, März bis Mai 1 88r. Peterm. Mitt. x88*> S. 259— 27a, 
mit Originalkarte der neuesten Routen-Aufnahmen, von Dr. Emin-Bey und von 
F. Lupton, im Gebiete der Bari, Lattuka und Schuli, 1880 — 8x, von B. Hassenstein 
1 : 500 000. 



Die Hydrographie des oberen Nil-Beckens. 309 

gezogenen Linie finden wir Gebiete, wo die Grenzen des Nil-Beckens 
später erforscht wurden, aber jetzt viel genauerer bekannt sind. 

Sobald die ägygtische Expedition im Jahr 1841 den Reichtum der 
neuen sogenannten Äquatorial-Provinzen erkannt hatte, stürmten die 
Kaufleute in das Bahr el Gazal-Becken. Von mehreren, meistens unge- 
bildeten Leuten kamen nicht leicht verwendbare Notizen nach Europa 1 ). 
Schweinfurth (1868 — 1871) war der erste, welcher die von Piaggia und 
Antinori (1860) 8 ) und auch von Petherick 8 ) schon erkannte Wasser- 
scheide ein wenig genauer zu skizzieren 4 ) vermochte. Nachdem Emin 
Pascha 6 ), Felkin 6 ) und Junker 7 ) diese breite Bodenschwelle mehrmals 
durchquert haben, kann man sie als ziemlich gut bekannt bezeichnen. 

Die Wasserscheide verläuft im allgemeinen von Südosten nach 
Nordwesten. Der am schlechtesten bekannte Teil ist der nordwestliche. 
Zwar hat die belgische Expedition von Nilis und de la Kdthulle 8 ) die 



1 ) Die mühsame Bearbeitung dieses Materials findet man in dem II. Ergänzungs- 
Band der Peterm. Mitt. : Inner-Afrika nach dem Stande der geographischen Kenntnis 
in den Jahren 1861 bis 1863. 

a ) Das Land der Niam-niam und die Südwest -Wasserscheide des NU, nach 
den Berichten von C. Piaggia und den Brüdern Poncet, Peterm. Mitt. 1868, 
S. 41a — 426, Karte 1 : 8000000, Tafel 20. — Vergl. O. Antinori, T. Salvadori, 
Viaggio dei Signofi O. Antinori, O. Beccari ed A. Issel nel Mar Rosso, nel terri- 
torio dei Bogos e regioni circostanti durante gli anni 1870 — 71. Genova 1873* 

3 ) Petherick, Travels in Central Africa and Exploration of the Western 
Nile Tributaries, London 1869, IL vol., und Land Journey westward of the White 
Nile from Abu Kuku to Gondokoro, Journal of the Roy. Geogr. Soc. London 
1865, S. 289 ff., mit Karte: The Nile and its western affluents between the Albert 
Nyanza and the Sobat, constr. by J. Arrowsmith. 

4 ) Schweinfurth, Im Herzen von Afrika. Leipzig 1874« 

&) Emin, Reise im Westen des Bahr el Djebel, 1881. Peterm. Mitt. 1883» 
S. 415 ff., und Rundreise durch die Mudirie* Rohl, ebend. S. 260 ff, und 323 ff., mit 
den Tafeln 8 und 12: Originalkarte der Reise des Dr. Emin-Bey durch die Mudirie 
Rohl (1881) 1:1000000, und Originalkarte der Reise des Dr. Emin-Bey in die 
Mudirie von Rohl und Makraka (1882) x : 500000, von B. Hassenstein. 

6 ) Felkin, Aufzeichnungen über die Route von Lado nach Dara. Peterm. 
Mitt. 1881, S. 89—981 mit Originalkarte einer Reiseroute von Lad6 bis Dara, 
1 : 2000000, von B. Hassenstein, Tafel 4. 

7 ) Siehe besonders: Wissenschaftliche Ergebnisse von Dr. W.Junkers Reisen 
in Zentral- Afrika. Peterm. Mitt., Ergänzungsbd. 92—93, Karte in 4 Bl. 1 : 1 000000, 
von Hassenstein. 

8 ) Wauters, Exploration Nilis et dela Kethulle. Le Mouvement Geographique, 
1895, No. 24, 1896, No. 2 — 4—6. De la K6thulle, Deux ann&s de residence 
chez le Sultan Rafal. Bulletin de la Soc. Roy. Beige de Geogr. XIX, 1895, S. 397 
—4*8, 5*3—54*. 



310 E* de Martonne: 

Mbomu -Wasserscheide ein wenig genauer dargestellt, die Chari -Wasser- 
scheide bleibt jedoch hypothetisch. 

Wenden wir uns jetzt zu dem Seengebiet, so sehen wir, dafs hier 
die Umgrenzung viel schärfer ist. Sobald Gessi den Albert-See umfahren 
hatte, wurde es klar, dafs kein westlicher Zuflufs den See erreichen 
konnte. Stuhlmann hat im Jahr 1891 die Quelle des Aruwimi als dem 
See sehr nahe erkannt 1 ). Dank seiner Forschungen wurde fest- 
gestellt, dafs die beiden Albert-Seen mit dem Semliki in einem von 
hohen, steilen Wänden umgebenem Graben liegen. Da aber der Tan- 
ganyika dem Flufsgebiet des Nil nicht angehörte, so mufste die Wasser- 
scheide südlich vom Albert-Edward-See von dem westlichen Rand des- 
selben in den östlichen übergehen. Die Entdeckung des Kivu-Sees 
durch Graf von Götzen 2 ) hat dies bestätigt. Der See liegt in einer 
Bodenwelle, südlich von einem vulkanischen Gebirgszug, und steht 
mit dem Tanganyika-See durch den Rusissi in Verbindung 3 ). 

Was von den Grenzen des Nil-Beckens uns zu betrachten übrig bleibt, 
ist nichts anderes, als die Grenzen des Beckens des Victoria-Nyansa. 

Um die grofse Wassermenge des Sees zu erklären, wurden 
die ersten Reisenden dazu geführt, überall bedeutende Zuflüsse zu 
suchen. Je mehr aber die Erforschung Fortschritte machte, desto mehr 
rückte die Grenze dem See näher. Das von vielen Reisenden durch- 
querte Unyamwesi-Plateau stellt sich als eine nach TBtiden sanft ge- 
neigte Ebene dar, deren gesamte Gewässer dem Tanganyika-See von 
dem Mlagarasi, oder dem Eiasi-See von dem Sembiti zugeführt werden. 
Der Simyiu Stanley's ist von Baumann dekapitiert und dessen Oberlauf 
dem Sembiti zugerechnet worden. 

Östlich vom Victoria -See glaubte man nur eine Wasserscheide 
zwischen dem See und dem Meer ziehen zu müssen. Als aber Thom- 
son (1883) eine tiefe Depression mit Seen und Vulkanen zwischen dem 
Kenia und dem Victoria-See gefunden hatte, mufste man sich gestehen, 
dafs es viel verwickelter war, und dafs man mit abflufslosen Gebieten 
zu rechnen hatte 4 ). Thomson entdeckte auch an der Nordost-Ecke des 



1 ) Stuhlmann, Mit Emin Pascha ins Herz von Afrika. Berlin 1894. % Karten 
1 : 3 000 000. 

2 ) Briefe in: Verhandl. der Ges. für Erdk. Berlin 1894* S. 476—477 nnd 565. 

3 ) Vergl. die auf neuen Aufnahmen belgischer Offiziere beruhende Karte in 
dem „Mouvement Geographique" 1896, No. 8. 

4 ) Thomson, Through Massailand, journey of exploration among the snow- 
land, vulcanic mountains and stränge tribes of Eastern Equatorial Africa . . . London 
1885; deutsch von Fredein: Durch Massailand, Forschungsreise in Ost- Afrika .. . 
Leipzig 1885» 1 Karten. 



Die Hydrographie des oberen Nil-Beckens. 311 

Victoria-Sees einen riesigen Vulkan, den Elgon, der bis jetzt als die 
nördlichste Grenze des Victoria-Beckens gilt 1 ). Fischer folgte bald 
Thomson und fand westlich vom Kilima-Ndjaro eine gleiche Depression 
mit dem Natron-See 2 ). Endlich wurde durch Graf Teleki und v. Höhnel 
(1888) die Gesamt- Depression als eine weiter nach Norden sich fort- 
setzende Grabensenkung erklärt 8 ). Doch scheint die Wasserscheide 
nicht dicht am Rand zu stehen, sondern ein wenig westlicher. Durch 
Pringle 4 ), Fischer 8 ) und Baumann 6 ) ist sie, wenn nicht genau, doch 
ziemlich sicher als eine von Nordnordost nach Südsüdwest verlaufende 
Linie bezeichnet worden. 



Wollen wir, bevor wir weiter gehen, das so mühsam gewonnene 
Kartenbild ein wenig an und für sich betrachten, so können wir auf 
den ersten Blick sehen, dafs der Flufs von Süden nach Norden fliefst, 
und zwar so, dafs der gröfsere Teil seines Beckens nördlich vom 
Äquator, der kleinere südlich von diesem liegt. Es ist dies eine merk- 
würdige Eigenschaft des Nil-Stroms: im Gegensatz zu den Flüssen, die 
einen west-östlichen oder ost-westlichen Lauf haben, geht er durch 
sehr verschiedene klimatische Zonen, und wir müssen schon dazu bereit 
sein, in seinem Becken die verschiedensten hydrographischen Typen 
zu finden. 

Was die Länge des Hauptstroms betrifft, so können wir von der 



l ) Die neuesten Forschungen von Hobley haben dies bestätigt. Notes on a 
journey round Mount Masawa or Elgon. Geogr. Journal 1897» S. 178—185, mit 
Karte 1 : 500000. 

8) Fischer, Das Massailand (Ost-Äquatorial- Afrika). Bericht über die im 
Auftrage der Geogr. Oesellsch. in Hamburg ausgeführte Reise von Pangani bis zum 
Naiwascha-See. Hamburg 1885, mit Karten. 

*) Peterm. Mitt. 1889: Die Ostafrikanische Binnen-Seen-Kette, gez. von L. R. 
v. Höhnel, 1:4000000, Tafel 14. — Vergl. Peterm. Mitt. Ergänzungsheft 99: 
Ostäquatorial- Afrika zwischen Pangani und dem neuentdeckten Rudolf- See, mit 
Karte in a Bl. 1:750000. — Höhnel, Roswal, Toula und Suefs, Beiträge zur 
geologischen Kenntnis des östlichen Afrika. Denkschr. der Akademie der Wissensch., 
Mathem. Klasse. Wien 1891, LVm, S. 447 — 5841 besonders Suefs, S. 555 f. 

4 ) Pringle, With the Railway Survey . . . Geogr. Journal 1893, *. Bd , S. 19a f. 
mit Karte : Mombasa Victoria Lake Railway 1 : 1 000 000. 

5 ) Fischer, Am Ostufer des Victoria Nyanza. Peterm. Mitt. 18951 S. i, 4a 
und 66, mit Karte der Gebiete zwischen dem Victoria Nyanza und dem Kenia, 
von B. Hassenstein, 1 : 750000, Tafel 1. 

6 ) Peterm. Mitt Ergänzungsbd. in, Karte in 4 Bl. 1: 600000, von 
B. Hassenstein. 



312 E - de Martonne: 

Nyavarongo - Quelle bis Chartum ungefähr 3300 km 1 ) dem Flufslaufe 
entlang, 2100 km in der Luftlinie messen. Der Unterschied beträgt 
1200 km; das heifst ein Biegungs-Index von einem Drittel. Schon hierin 
finden wir einen grofsen Unterschied zwischen dem Nil und den anderen 
afrikanischen Flüssen, die grofse Biegungen machen und viel gröfsere 
Biegungs-Indices besitzen 8 ). Sein Lauf ist ziemlich gerade. 

Betrachten wir jetzt die Ausdehnung des Beckens, so sehen wir, 
dafs fast alle Zuflüsse von links kommen. Das Becken besitzt eine 
merkwürdige Form, mit zwei Erweiterungen und einer Enge in der 
Mitte, und ist durch den Hauptflufs in zwei ungleiche Teile geteilt 
Östlich vom Hauptstrom beträgt seine Oberfläche 742 000 qkm, westlich 
aber 946 000 qkm, die Gesamtoberfläche 1 688 000 qkm. Diese Eigen- 
tümlichkeit kann zwar auf tektonischen und orographischen Ursachen 
beruhen, sie kann aber auch durch klimatische Bedingungen hervorge- 
rufen werden, wenn die Trockenheit von Westen nach Osten zunimmt 

Betrachten wir die Karte noch näher, so können wir uns über- 
zeugen, dafs eine Zunahme der Trockenheit nicht nur von Westen nach 
Osten, sondern auch von Süden nach Norden wahrscheinlich ist. Auf 
allen Karten sind immer drei hydrographische Formen unterschieden: 
die Seen, die Flüsse und die Wadi. Es ist leicht zu sehen, dafs die 
Seen im Süden, die Flüsse in der Mitte und die Wadi im Norden vor- 
wiegen. 

II. 

Bevor wir das Wesen der verschiedenen Organe des oberen Nil- 
Systems näher betrachten, müssen wir eine klare Vorstellung von den 
zwei Hauptfaktoren der hydrographischen Verhältnisse, nämlich von 
dem Relief und von den Regenmengen, zu gewinnen versuchen. 

Von den eigentlichen geologischen Verhältnissen werden wir nicht 
viel sagen : erstens weil alles, was darüber vorliegt, ganz unsicher ist 3 ), 



l ) Von der Nyavarongo - Quelle bis zu der Kagera - Mündung 700 — goo km, 
von der Kagera - Mündung bis zu den Ripon- Fällen 245 km, von den Ripon- 
Fällen bis Magungo 405 km, Magungo — Lado 370 km, Lado — Sobat- Mündung 
700 km, Sobat-Chartum 840 km. 

3 ) Niger 1,2. Ziehen wir den unteren Nil in Betracht, so wird der Unterschied 
noch größer. 

3 ) Über den am besten bekannten südlicheren Teil des Seenplateaus giebt 
Stromer von Reichenbach (Die Geologie der deutschen Schutzgebiete in Afrika. 
Diss. München 1896. I. Teil Deutsch-Ost- Afrika mit einer geologischen Übersichts- 
karte von Deutsch-Ost- Afrika 1 : 4 000 000) eine gute Zusammenstellung des ganzen 
vorliegenden Materials. Scott El Hot and Gregory, On the geology of Monnt 
Ruwenzory and some adjoining regions of Equatorial Africa. Quart. Journal of 



Die Hydrographie des oberen Nil-Beckens. 313 

zweitens weil sie für die hydrographischen Verhältnisse in diesen 
Ländern von geringem Interesse sind. 

Die beiliegende oro-hydrographische Karte (Tafel 8) ist natürlich 
etwas skizzenhaft. Der nördliche Teil ist der unsicherere. Der südliche 
Teil beruht auf mehreren Höhenmessungen l ), und wenn das Ganze an 
Genauigkeit viel zu wünschen läfst, so bietet es doch (was man von einer 
solchen Karte nur verlangen kann) ein genügendes Orientierungsmittel, 
um sich die Reliefverhältnisse und deren Zusammenhang mit der 
Hydrographie klar zu machen. 

Vor allem scheint es bemerkenswert, dafs die gröfsten Höhen im 
Süden sich finden. Auf Grund unserer Karte kann man schon die 
mittlere Höhe des oberen Nil -Beckens nördlich der Enge zu 650 m, 
südlich zu 1450 m berechnen. Diese allgemeine Abdachung nach 
Norden zeigt aber noch besser ein Profil entlang dem Meridian von 
Magungo (Tafel 9, Abbild. I). 

Der ganze nördliche Teil erscheint als eine kreisförmige nach 
Norden sanft geneigte Depression. Nordwestlich steigt der Djebel 
Marrah wie eine Festung aus der Tiefebene empor. Mason Bey 2 ) 
schildert ihn als ein unregelmäfsiges Massiv, das aus mehreren vulkani- 
schen Kegeln besteht, welche auf einem Granitplateau ruhen. Die 
höchsten Gipfel erreichen nördlich 1700, südlich 2000 m. Der Plateau- 
rand dagegen ist nördlich höher (1350 m) als südlich (1200 m). Von 
diesem Rand ist der Abfall nach Südosten sehr rasch. Südlich von 
12° ist kein Gestein mehr zu finden, überall herrscht Alluvialboden. 

Das Plateau von Kordofan ist viel niedriger, nur sanfte Boden- 
wellen, welche mit Granitblöcken gekrönt sind und niemals 600 m 
überschreiten, sind zu sehen 5 ). 

Südlich davon breitet sich die ungeheure Ebene, in deren Centrum 
der Bahr el Arab, der Bahr el Gazal mit seinen unzähligen Zuflüssen, 
der Bahr el Djebel und der Sobat zusammenfliefsen. Ihre mittlere 
Höhe beträgt ungefähr 430 m. Ihre östliche Grenze bildet der west- 
lichste Rand des südabessinischen Galla- Plateaus. Die südöstliche 



Geol. 1895 S. 669 — 6go bringen über den Runsoro und viele Punkte des englischen 
Schatzgebiets viel Interessantes. Über die nördlicheren Länder fehlt eine gute Zu- 
sammenfassung leider ganz. 

1 ) Siehe den ersten Anhang über das für die oro-hydrographische Karte 
benutzte Material. 

*) Dar-For: Peterm. Mitt. 1880 S. 377. 

S) Marno, Reisen in der egyptischen Äquatorial - Provinz und in Kordofan. 
Wien 1878 S. 198 — 199« In diesem Buch sind zahlreiche sehr charakteristische 
Bergprofile von Kordofan zu finden. 



314 E - de Martonne: 

Grenze bilden die Gebirge des Latuka- und Nord-Schuli-Landes. Zahl- 
reiche von SO nach NW parallel verlaufende Thäler gliedern sie in 
mehrere Zttge, die meistens aus Granitgneifs und Quarzit bestehen 1 ). 
Die höchsten Gipfel erreichen nicht 3000 m. 

Das Latuka-Hochland setzt sich westlich vom Nil fort. Das Thal 
des Flusses von Wadelai bis fast nach Lado ist von hohen Gebirgs- 
terrassen rechts und links umrandet, und zahlreiche Stromschnellen 
zeigen, dafs der Flufs eine Bodenerhebung zu überwinden hatte*). Die 
grofse Tiefebene ist nach Süden schärfer als nach Norden umgrenzt 
Ihre südwestliche Grenze ist aber eine breite Bodenschwelle, welche 
nirgendwo Gebirgscharakter annimmt. Geht man vom Dinka-Land 
nach SW hinauf, so hat man eine Stufe zu überschreiten; dann 
findet man eine ungemein flachwellige Ebene, welche von mehreren 
Flüssen durchschnitten wird und sehr sanft nach SW steigt. Tritt 
man der Wasserscheide näher, so steigt das Land, in welches sich 
die Flüsse immer tiefer einschneiden, immer höher. Hier und da 
ragen isolierte, mit Granitblöcken gekrönte Kuppen empor: nirgend- 
wo ein eigentlicher Gebirgszug 3 ). Von beiden Seiten dringt die 
Erosion in die wellige Hochfläche immer weiter ein und bildet eine 
zickzackartige Wasserscheide , die mit der Linie der Maximalhöhe 
gar nicht zusammenfallt. Nach Süden ist die Abdachung steiler als 
nach Norden 4 ). 

Im Längsprofil zeigt diese Bodenwelle einen nicht minder 
einförmigen Charakter als im Querprofil: Höhenunterschiede von 
mehr als 50 m sind in nahe zusammenliegenden Gebieten sehr 



*) Emin Pascha in Stuhlmann, Mit Emin Pascha ins Herz von Afrika. 
Berlin 1894. S. 171 — und Mittheilungen der K. K. Geogr. Gesellsch. Wien 1892 
S. 182. 

2 ) Diese Verhältnisse haben zu einer kühnen Hypothese Gregory' s Anlaß 
gegeben (Contributions to the physical geography of the British East Africa, Geogr. 
Journal 1894 S. 512 — 514). Das Latuka-Hochland mit den Höhen westlich vom 
Nil bildete ursprunglich eine Wasserscheide zwischen Gewässern, die nach Norden 
und Süden flössen. Der obere Nil flols durch den Salisbury- und den Rudolf- 
See dem Roten Meer zu. Leider scheinen alle bis jetzt bekannten orographischen 
Verhältnisse ganz dagegen zu sprechen. 

3 ) Junker, Reisen in Afrika. IL Bd. S. 145— 148, and Wissenschaftliche Er- 
gebnisse . . . Peterm. Mitt. Ergänzungsband 92, S. 2. Zahlreiche Ansichten sehr 
charakteristischer Gipfel sind in Junker's Reisen zu sehen. Dieselben Verhältnisse 
bat de la K6t hülle im Shinko - Quellgebiet gefunden (Le Mouvement Geogra- 
phique 1896, No. 4). 

4 ) Junker, Peterm. Mitt. Ergänzungsbd. 92 S. 2—3. 



Die Hydrographie des oberen Nil-Beckens. 315 

selten 1 ). Dem Baginse erkennt Schweinfurth 2 ) eine relative Höhe von 
1300 Fufs zu. Im Quellgebiet des Uelle-Makua sind mehrere solcher 
hervorragenden Gipfel mit Namen von Reisenden belegt worden (Djebel 
Gordon, Gessi, Emin u. s. w.). Der Einförmigkeit des Reliefs verdanken 
solche isolierte Erhebungen eine grofse hydrographische Wichtigkeit. 
Sie erscheinen als Knotenpunkte mehrerer Flufsgebiete. Vom Makraka-, 
vom Baginse-, vom Kredj-Hochland fliefsen strahlenförmig fast in allen 
Richtungen Gewässer ab. 

Nur in dem südlichen Teil des oberen Nil-Beckens finden wir echte 
Gebirgsländer. Doch mufs man hier nicht grofse zusammenhängende 
Gebirgszüge suchen. Von jüngeren Faltungen findet sich nirgendwo 
eine Spur. Verwerfungen, Senkungen und vulkanische Ausbrüche sind 
die einzigen Agentien der hypsometrischen Differenzierung. Überall 
treten uralte Gesteine vor. Bemerkenswert ist nur, dafs Granit längs 
der gröfseren Achse des Victoria-Sees vorkommt, während rechts und 
links Gneifs und krystallinische Schiefer vorherrschen 5 ). 

Der erste Blick auf die hypsometrische Karte lehrt uns, dafs zwei 
meridian- verlaufende Gräben die Hauptzüge des Reliefs darstellen. In 
beiden liegt eine Reihe von Seen; beide sind durch Vulkane ge- 
kennzeichnet. Im westlichen Graben liegt der jetzt noch thätige von 
Graf von Götzen entdeckte Virunga. 

Übrigens ist der Boden jedes Grabens keine Ebene, sondern 
scheint durch Schwellen in mehrere Becken geteilt 4 ). Die Bildung 
von Seen war ein notwendiger Prozefs. 

Auffallend ist, dafs jeder Graben in der grofsen Achse einer Er- 
hebungszone liegt, während zwischen diesen beiden Wülsten eine 
centrale Senkung sich erstreckt, sodafs die Lage des Victoria-Sees als 
eine ganz bestimmte erscheint. Ein Profil entlang dem Äquator macht 
dies am besten klar (Tafel 9, Abbild. II). 



*) Die mittlere Höhe betragt wahrscheinlich zwischen Ndoruma und Uando 
700 bis goo m, von Uando am Baginse vorüber zu den Abuka und Mundu bis 
Tomaja 1000 m, von da an bis zum Quellgebiet des Uelle 1400 m (Junker , Peterm. 
Mitt Ergänzungsbd 9a, S. 3). Nach delaKethulle mufs der nordwestlichste Teil 
eine mittlere Höhe von mehr als 1000 m erreichen. Das Shinko-Quellgebiet besitzt 
eine relative Höhe von 500 bis 600 m (Mouvement Geographique 1896, No. 4). 

2 ) Schweinfurth, Im Herzen von Afrika S. 364. 

8 ) Siehe Stromer von Reichenbach, Die Geologie der deutschen Schutz- 
gebiete in Afrika, München 1896, Tafel I: Geologische Übersichtskarte von Deutsch- 
Ost- Afrika 1 : 4 000 000. 

*) Gregory hat schon darauf aufmerksam gemacht (Contributions u. s. w. 
Geogr. Journal 1894 S. 306 — 307). Auf unserer Karte treten die Verhältnisse sehr 
scharf hervor. 



316 E. de Martonne: 

Diese Wulste wirken als gewaltige Kondensatoren der Luftfc- 
keit und bilden die Quellregionen aller Flüsse, welche dem cer- . 
Becken des Victoria-Sees oder westlich dem Kongo, östlich dei . 
dischen Ocean zufliefsen. 

Die Randzone des westlichen Grabens ist fiir die Hydrogn 
unseres Gebiets besonders interessant. Baumann hat fiir s:* - 
Namen „Central -afrikanisches Schiefergebirge" vorgeschlagen 1 . . 
höchsten Punkte des östlichen Randes erreichen im Süden 30c: : 
Hier liegen die Quellen des Kagera. Im Norden dagegen hat dk - 
liehe Randzone des Grabens keine hydrographische Bedeutung. 
westliche Abfall ist am Tanganyika-See am steilsten, die östliche :- 
dachung verhältnismäfsig tiberall sanft. Da aber der Ranci im Sc: 
doppelt so hoch wie im Norden ist, erscheinen die südlicheren A 
dachungsgebiete (Uha, Urundi, Mpororo) als von tiefen Thälen? r 
gliederte Gebirgsländer, während das Unyoro - Plateau von bre:t: 
sumpfigen Thälern in ein niedriges Hügelland aufgelöst ist. 

Die ungeheuere Masse des Runsoro 2 ) ist eine merkwürdige A> 
nähme des allgemeinen Gesetzes, dafs die hervorragenden Gipfel in ^ 
ganzen Seengebiet der vulkanischen Thätigkeit zu verdanken sr 
Scott Elliot erklärt ihn für einen aus krystallinischen Schiefe/w r 
Diabasen bestehenden Horst, der zwischen den beiden Gräben rir 
Semliki-Thales und des Ruisamba-Sees stehen geblieben ist 8 ). Seine!: 
deutende relative sowie mittlere Höhe macht ihn zu einem gewaltigr 
Kondensator der Luftfeuchtigkeit 4 ). Doch giebt er keinem grofsen Frf'* 
den Ursprung, sondern sendet in allen Richtungen eine Unzahl vor 
Wildbächen dem Semliki oder dem Albert Edward-See zu. 

Die höchst interessante, von Suefs begründete Theorie der En:- 



1 ) Baumann, Durch Massailand zur Nilquelle. Berlin 1 894. S. 133 — 134 

2 ) Nachdem Stuhlmann (Mit Emin Pascha S. 497) gezeigt hat und selbr. 
Engländer (Scott Elliot, A Naturalist in Mid- Afrika) anerkannt haben, &> 
der Name Ruwenzori nur aus der Einbildungskraft Stanley's stammt, wäre es 
zu wünschen, dafs er von allen Karten und aus allen wissenschaftlichen Abhand- 
lungen verschwinde. 

3 ) Scott Elliot and Gregory, The geology of Mount Ruwenzori ari 
some adjoinings regions of Equatorial Afrika. Quart. Journal of Geology ilff 
S. 669— 680, und Scott Elliot, A naturalist in Mid-Africa, chap. X. Schot 
Stuhlmann (Mit Emin Pascha ins Herz von Africa S. 197) hatte darauf hingewiesfA 
dafs der Runsoro kein Vulkan (wie es Stanley meinte) war. Doch sind lokale 
vulkanische Ausbrüche am Fufc des Horstes von Scott Elliot erkannt geworden, j 

*) Eine vortreffliche Schilderung der täglichen Gewitter am Westabhang 
findet man bei Stanley, In darkest Africa, London 1890, II, S. 29a ff. Deutsche 
Ausgabe II, S. 300 ff. 



Die Hydrographie des oberen Nil-Beckens. 317 

stehung der grofsen Gräben 1 ) weiter zu verfolgen, wäre die Aufgabe 
einer die Reliefverhältnisse speziell behandelnden Arbeit. Hier mufs 
nur erwähnt werden, dafs Stuhlmann 2 ) auch die von Süden nach 
Norden verlaufenden in das Karagwe - Plateau tief eingeschnittenen 
Thäler, sowie das westliche Basiba-Ufer des Victoria -Sees mit der 
parallelen Inselreihe für Verwerfungsliniexi erklärt hat. 

Wollen wir das Gesamtbild des Reliefs kurz zusammenfassen, 
so müssen wir zwei oro-hydrographische Systeme unterscheiden: ein 
nördlicheres von geringen Höhen umrandetes Becken, in dem alle Ge- 
wässer nach dem sehr flachen Centrum fliefsen müssen, und ein süd- 
licheres Gebiet, in welchem gröfsere Höhen vorkommen und zahlreiche 
Senkungen zur Bildung mehrerer Seen Anlafs gegeben haben. 



Wir kommen jetzt zu der Betrachtung der Regenverhältnisse- 
Regenmessungen sind in Ländern, die nur durch Reisende bekannt 
geworden sind, ungemein selten. Einige sind in Britisch-Ost-Afrika, 
dank der Thätigkeit der British Association for the Adven- 
cement of Science gemacht worden. Die meisten Stationen aber 
liegen an der Küste, und die innern Stationen haben die schlechtesten 
Resultate gegeben 3 ). 

In Deutsch-Ost-Afrika sind seit ein paar Jahren mehrere Stationen 
im Innern eingerichtet worden 4 ). Die Beobachtungen sind aber viel 



l ) Suefs, Die Brüche des östlichen Afrika, in Beiträge zur geologischen Kenntnis 
des ostlichen Afrika. Denkschr. der Akad. der Wissensch., Mathem. Klasse, Wien 
1891, LVITJ, S. 447—584. 

*) Mit Emin Pascha ins Herz von Afrika. S. 728. 

s ) The climatological and hydrographical conditions of Tropical Africa, report 
of a commitee consisting of Mr. £. G. Ravenstein, Mr. Baldwin Latham, Mr. G. 
J. Symons and Dr. H. R. Mill. Report of the British Association for the Ad- 
▼encement of Science, 1894 S. 348— 353t 1895 S. 480—491, 1896 S. 495—502, 
giebt Nachrichten über die folgenden Stationen: Chuyu, Mombasa, Takaungn, 
Mbnngn, Malindi, Jilore, Magarini, Lamu, Shimoni, Ndii, Kibwezi, Mochi und Sa- 
gala am Kilimandjaro, Fort Smith (Kikuyu), Machako, unter denen nur die fünf 
letzten im Innern liegen. Siehe übrigens den zweiten Anhang: Verzeichnis der 
für unsere Regenkarte benutzten Stationen. 

4 ) Mitt. aus den Deutsch. Schutzgeb. 1895t S. *83 — 310: Bericht über die 
klimatischen und gesundheitlichen Verhältnisse von Moshi am Kilimandjaro, — 1896 
S. 3 — 32: Die Ergebnisse der meteorologischen Beobachtungen an der wissen- 
schaftlichen Kilimandjaro- Station Marangu — und S. 163 — 169 Regenmessungen in 
Deutsch-Ost- Afrika. Man mufs dazu die älteren Beobachtungen von Reichard in 
Kakoma (südlich von Tabora), Meteor. Zeitschr. 1887 S. 417, sowie diejenigen von 



318 E - de Martonne: 

lückenhafter als in Britisch-Ost-Afrika. Sie sind meistens von unge- 
bildeten Leuten und leider nicht immer mit der nötigen Sorgfalt ge- 
macht worden 1 ). 

Stellt man die in Rubaga (o° 20 r n. Br. 32 45' ö. L.) von Wilson, 
Felkin 2 ) und von französischen Missionaren 8 ), in Mengo (o° 20' n. Br. 
32 45' ö. L.) von Mackay 4 ) .und in Namirembo (o° i8 r n. Br. 32 34' 
ö. L.) von Scott Elliot 5 ) gemachten Regenmessungen zusammen, so 
kann man ein verhältnismäfsig gutes zehnjähriges Mittel berechnen. 

Der Thätigkeit Emin Paschas verdanken wir dreijährige Beo- 
bachtungen in Wadelai 6 ) und eine gute Jahressumme für Lado. Das 
Jahr aber (1884) war trocken 7 ). Nördlich davon haben wir nur die ganz 
unsichere Jahressumme von 3140 mm, welche von Pruyssenaere für 
das Kir-Gebiet gegeben ist 8 ). 

Fehlen uns aber genauere klimatologische Angaben, so können 
wir vielleicht aus den biologischen Verhältnissen ein wenig Licht ge- 
winnen. Die Richtung der biogeographischen Differenzierung kann die 
Richtung der klimatologischen ahnen lassen. Auffallend ist es, dafs 
die Grenzen aller für den feuchten tropischen Urwald charakteristischen 
Gattungen, die uns das vorhandene Material zu ziehen ermöglicht, 
nördlich vom Äquator einen südöstlichen Lauf, südlich einen nordöst- 



französischen Missionaren in Masanze (4 s. Br. am Tanganyika) und von englischen 
Missionaren in Kavala (5 15' s. Br. am Tanganyika) hinzufügen. (Ann. Soc. 
Meteor, de France, Mai 1883» S. 136 — 140. Journal of the Scott. Meteor. Soc. 
3 IX 1893» S. in). 

1 ) Mitt. aus den Deutschen Schutzgeb. 1896, S. 163. 

2) Peterm. Mitt 1879, s - 64—66, 1880 S. 43—45. 

3 ) Ann. Soc. Meteor, de France 1883» S. 137. 

*) In Scott Elliot, A Naturalist in Mid-Africa. London 1896 S. 47. Nach 
gütiger Mitteilung von Prof. Hann in Wien erstrecken sich diese Beobachtungen auf 
sieben und nicht auf zehn Jahre (wie Scott Elliot sagt). Sie sind noch nicht vollständig 
veröffentlicht worden. Ich benutze diese Gelegenheit, Herrn Prof. Hann meinen er- 
gebensten Dank auszusprechen für die Unterstützung, die ich bei ihm gefunden 
habe. Ich verdanke ihm, dafs ich die Beobachtungen für 1896 in mehreren eng- 
lischen Stationen, die zur Zeit der Abfassung dieser Arbeit noch nicht veröffent- 
licht waren, benutzen konnte. 

5 ) The climatological conditions of Tropical Africa. Report of the Brit. Assoc. 
for the Advanc. of Sc. 1895 S. 490. 

6 ) Meteor. Zeitschr. 1890, S. 173 — 174. 

7 ) Peterm. Mitt. 1880, S. 373 — 77. Ergänzungsh. 92, 93. S. 84« 

8 ) Peterm. Mitt. Ergänzungsh. 51, S. 17. Diese Regenmenge ist von Pruysse- 
naere selbst als eine rohe Annäherung gegeben und beruht auf keinen das ganze 
Jahren hindurch fortgesetzten Beobachtungen. 



Die Hydrographie des oberen Nil-Beckens. 319 

liehen Lauf besitzen *). Die Trockenheit mufs also vom Äquator nach 
höheren Breiten und von Westen nach Osten zunehmen. In der That 
nimmt merkwürdigerweise der xerophyle Charakter der Pflanzenforma- 
tionen nördlich vom Äquator immer nach Nordosten zu 2 ). 

Mit Rücksicht auf diese biologischen Verhältnisse haben wir ver- 
sucht, das vorhandene sehr mangelhafte meteorologische Material zur 
Anfertigung einer schematischen Regenkarte (Tafel 10) zu verwenden. 

Eine Zone mit mehr als 1500 mm Regenhöhe erstreckt sich mutmafs- 
lich über das Gebiet des Urwalds. Die Zone, wo mehr als 1000 mm und 
weniger als 1500 mm fallen, umfafst die Bodenschwelle des Niam Niam- 
und Kredj -Landes und das ganze Zwischen-See-Plateau mit Usoga und 
Kavirondo (Lado 950 mm, Rubaga Mengo 1200, Mwansa 1300). An der 
Küste von Usiba (Bukoba 2400?), am Runsoro, Virunga und in dem 
Quellgebiet des Kagera sind gröfsere Regenhöhen wahrscheinlich. 
Auf dem Unyamwesi- Plateau (Tabora 830 mm), östlich von Lado und 
über der centralen Depression des Bahr el Gazal fallen weniger als 
1000 mm, mit Ausnahme des Latuka-Hochlandes und des Sumpfgebiets 
des Kir. Aufser zwei schmalen Zonen an der Küste mit mehr als 
1000 bzw. 500 mm, der Gebirgsländer vom Kilima-Ndjaro, Kikuyu und 
Kenia im Süden und des Djebel Marrah im Norden fallen auf dem 
ganzen übrigen Steppengebiet weniger als 500 mm. 

Kommen wir zur Betrachtung der jahreszeitlichen Verteilung des 
Regens, so treten wir in ein für die hydrographischen Verhältnisse 
noch interessanteres Gebiet ein. In der nachstehenden Tabelle habe ich 
versucht, die jahreszeitliche Regenverteilung darzustellen 8 ). Auf einem 
Koordinatennetz, auf dem die Monate im Horizontal- Abstand, die Breiten- 
grade im Vertikal-Abstand mit gleichem Wert eingetragen wurden, sind 
die Regenzeiten durch Striche angedeutet. Verbindet man die Ein- 
tritts- und Endpunkte der Regenzeiten, so sondert man Trockenheits- 
und Regenzeit- Areale, deren Entwickelung in verschiedenen Breiten- 
graden sehr lehrreich ist (Tafel 9, Abbild. III). 

Um dieses Schema zu verstehen, braucht man sich nur der Theorie 
des tropischen Klimas zu erinnern. Wir können uns nicht weiter 
darüber verbreiten 4 ), wir wollen nur darauf aufmerksam machen, dafs 



') Siehe unsere in den „Annales de Geographie" 1896 veröffentlichte Carte 
des forme« de la vie vegetale et animale dans le Haut Nil. 

*) Siehe auch dieselbe Karte. 

8 ) Sie beruht teilweise auf monatlichen Regensummen und monatlichen Mitteln, 
teilweise auf Beobachtungen über die Zahl der Regentage, teilweise nur auf An- 
gaben über den Eintritt und die Dauer der Regenzeit. 

4 ) Siehe Hann, Mitt. der K. K. Geogr. Gesellsch. Wien 1875, S. 18a. Peterm. 
Mitt 1875, S. 342, 1880, S. 143 und 373. Handbuch der Klimatologie S. 273—74. 
Zdtschr. d. Ges. f. Erdk. Bd. XXXII. 1897. 23 



320 E - de Martonne: 

die Regenzeit durch die geringste Deklination der Sonne hervorgerufen 
wird. Da diese geringste Deklination zweimal im Jahr vorkommt, müssen 
überall zwei Regenzeiten eintreten. Am Äquator jedoch sind sie nicht 
scharf geschieden, weil nicht mehr als sechs Monate zwischen beiden 
Kulminationszeiten der Sonne sind (das ist das Regime von Rubaga- 
Mengo im Uganda). — Den Wendekreisen nahe verschmelzen die beiden 
Regenzeiten fast miteinander, während sich zwischen den beiden Kul- 
minationszeiten der Sonne eine grofse Trockenheits-Periode erstreckt 
(in Chartum herrscht dieses Regime am entschiedensten). — Zwischen 
den Wendekreisen, an dem Äquator kann man zwei Trockenheits- 
Perioden, eine gröfsere und eine kleinere, unterscheiden, was sich 
durch die Stellung der beiden Kulminationszeiten der Sonne leicht er- 
klären läfst. Natürlicherweise wird die kleinere Trockenheits-Periode 
nördlich vom Äquator, die gröfsere südlich von demselben sein. 

Wollen wir die Bedeutung der Regenverhältnisse für die Hydro- 
graphie kurz zusammenfassen, so müssen wir uns darauf gefafst machen, 
in dem südlichen Teil unseres Gebiets die reichste und mannigfaltigste 
Entwickelung der Hydrographie zu finden. Je mehr wir nach Norden 
kommen, desto einförmiger wird die Hydrographie und verliert ihren 
Reichtum, während die Periodicität der Flüsse um so auffälliger wird. 

HI. 

Nachdem wir die Faktoren der hydrographischen Verhältnisse 
kennen gelernt haben, können wir jetzt diese Verhältnisse zu erklären 
versuchen. 

Vor allem ist bemerkenswert, dafs das obere Nil-Becken keine Ein- 
heit besitzt. Das ist eine Eigentümlichkeit fast aller afrikanischen 
Flüsse, die auf dem Mangel an orographischer Gliederung des schwarzen 
Erdteils beruht, aber vielleicht nirgendwo so scharf hervortritt als in 
dem Nil-Becken. 

Das kann uns schon der erste Blick auf die Karte lehren. Dieser 
Reichtum an Seen bedeutet einen Mangel an kontinuierlichem Gefalle. 
Was kann der Kagera mit dem Kivira und dieser mit dem Bahr el 
Djebel gemein haben? 

Versuchen wie eine Gefällskurve des Flusses zu entwerfen, so tritt 
ungeachtet der Ungenauigkeit des Bildes diese Eigentümlichkeit noch 
viel mehr hervor. (Tafel 10, Abbild. 4.) 

Treppenförmig steigt der Flufs ab. Vielleicht könnte man besser 
sagen: wir sehen eine Folge von bald trägen, bald wilden Flüssen, 
von Seen und von Sümpfen. Das Ganze mit dem einzigen Namen 
„Nil" zu belegen, ist nur ein geographischer Gebrauch. 



Die Hydrographie des oberen Nil-Beckens. 321 

Eine Einteilung des oberen Nil-Beckens in mehrere hydrographische 
Systeme, welche ein ziemlich selbständiges Leben haben, scheint also 
notwendig. 

Selbst die Konfiguration des Beckens mit der Verengerung in der 
Mitte lehrt uns einen nördlichen und einen südlichen Teil zu unter- 
scheiden, was auch der orographische Überblick schon gezeigt hat. 

Der südliche Teil, dessen Areal 4oooooqkm beträgt, läfst sich 
leicht als aus zwei Systemen bestehend darstellen: nämlich aus dem 
Viktoria-Nyansa-System und dem System der beiden Albert- 
Seen.s Als Verbindungsglied erscheint der Kivira. 

Den Kern des ersten Systems bildet die ungeheuere Wasser- 
fläche des Viktoria-Sees 1 ), die von o° 20' n. Br. bis zu 3 s. Br. und 
von 31 ° 50' bis 34 50' ö. Länge sich erstreckt. Seine Oberfläche wird 
zu 68000 qkm berechnet (Stuhlmann), d. h. zwei Fünftel des gesamten 
Areals seines Beckens! 

Die Ursache seiner trapezoidalen Gestalt, sowie seines grofsen 
Reichtums an Inseln werden vielleicht spätere Forschungen über die 
Tiefenverhältnisse und den geologischen Bau der Umrandung an den 
Tag bringen. Man weifs noch nicht, ob im Innern Inseln vorhanden 
sind. 

Als Steilküste kann nur die westliche und zum Teil auch die nörd- 
liche bezeichnet werden 2 ). Beide werden von kleineren Inseln be- 
gleitet. Die grofse Sesse-Insel Stanley's wurde durch die Aufnahme 
von P. Brard in mehrere Inseln aufgelöst 3 ). Flachküsten bilden 
meistens die Süd- und Ostufer, welche von tiefen, im Süden fjord- 
artigen Buchten gegliedert und von gröfseren Inseln begleitet sind 4 ). 



*) Stahlmann, Mit Emin Pascha ins Herz von Afrika. Kap. XXX, S. 727. 
Dieses Kapitel bildet bis jetzt die beste Monographie des Viktoria-Sees. 

2 ) An der Usiba-Küste scheint die 5 m Isobathe nicht weiter als 100 m von 
der Küste entfernt zu sein. In einer Entfernung von 1 km findet man überall 
15 m, weiterhin 50 m (Hermann, Mitt. ans den Deutsch. Schutzgeb. 1894, S. 45). 
Zwischen Bukoba und der Insel Busira hat Stuhl mann an der Küste 5 m, etwas 
weiter 12 bis 15 m gelotet, in den kleineren Buchten 3 m. (Mit Emin Pascha ins 
Herz von Afrika S. 696.) 

3 ) Die Sesse- Inseln 1 : 300000. Peterm. Mitt. 1895 Taf. 11. Mackay hatte 
dies schon vermutet (Junker, Reisen in Afrika III S. 645). 

4 ) Doch sind hier und da gröfsere Tiefen nicht selten. In der Speke-Bucht 
findet man an felsigen Ufern 5 bis 7 m, weiterhin mehr als 10 m. (Bau mann, 
Durch Massai-Land zur Nilquelle S. 143.) In der Ugowe-Bucbt hat Pringle dicht 
an der Küste 6 Fufe Tiefe gefunden (With the Railway Survey, Geograph. Journal 
1893 H. Bd., S. 137). Südlich von Ukerewe hat man 275 Fuß, nördlich 125 Fu6 
gefunden. 

23* 



322 E * de Martonne: 

Ob die an mehreren Punkten festgestellten, in der Regenzeit be- 
sonders starken nördlichen Strömungen eine allgemeine Abdachung 
des Seebodens vermuten lassen können, bleibt unentschieden. 

Dafs der See früher eine gröfsere Ausdehnung hatte, scheint sicher 
zu sein. Das ganze Thal des Kagera bis Kitunguru besteht aus See- 
AI luvionen 1 ). Den Smith -Sund und den Emin - Golf im Süden setzen 
Alluvialebenen fort 2 ); in beiden ist die südliche Extremität flach und 
sumpfig, mit Papyrus bedeckt 3 ). Stuhlmann hat in Bukoba fünf Strand- 
linien auf den Felsen beobachtet 4 ) und im Smith -Sund Aetheria- 
Muscheln in einer Höhe von 1,50 m über dem jetzigen Wasserspiegel 
gefunden 5 ). 

Ob der See jetzt noch zurücktritt, ist nicht leicht zu sagen, denn 
jährliche und mehrjährige periodische Variationen scheinen stattzu- 
finden. Das Niveau steht im Mai am höchsten, das heifst nach den 
gröfseren Regen 6 ). Selbst tägliche Variationen sind beobachtet worden, 
welche Pringle in der Ugowe-Bay durch den Einflufs der Land- und See- 
brise erklärt 7 ), Baumann im Speke-Golf als Ebbe und Flut betrachtet 8 ). 
Es wäre sehr wünschenswert, dafs in den deutschen Stationen, die an 
der Küste liegen, Beobachtungen über den Wasserstand regelmässig 
gemacht werden. 

Die konstanten SO- Winde verursachen sehr regelmäfsige Strömungen, 
die sich an der Südküste von O. nach W., an der Westküste und Ost- 
küste von S. nach N. fortpflanzen 9 ). 

In dem Wesen dieses riesigen hydrographischen Organismus ist 
noch manches Geheimnisvolle, das den zukünftigen Forschern vieles In- 
teressante darbieten wird. Seine Nahrung bekommt er von mehreren 
Zuflüssen, die sich in drei Gruppen verteilen lassen: die westlichen, 
die südöstlichen und die nordöstlichen Zuflüsse. 



1 ) Scott El Hot, Geograph. Journal 1894, S. 349 f. A Naturalist in Mid- 
Africa, London 1896, S. 20. Stuhlmann (Mit Emin Pascha S. 220 — 22 1) erwähnt eine 
Schicht von Infusorienerde, die sich in Kitangule in einer Tiefe von 1,50 m rindet 

2 ) Werther, Zum Viktoria Nyanza, Berlin 18941 S. 127. Schynse, Mit 
Stanley und Emin durch Deutsch-Ost- Afrika, Berlin 1894, S. 10, 11 und 19. 

3 ) Schynse, Peterm. Mitt 1891 S. 219, siehe die Karte, Das Sudwestufer des 
Viktoria Nyanza 1 : 1 250 000. 

*) Stuhlmann, Mit Emin Pascha S. 696. 

5) Ebendaselbst S. 682. 

*) Baumann, Durch Massai-Land zur Nilquelle S. 143. 

7 ) With the Railway Survey. Geogr. Journal 1893 II. Bd. S. 137. 

8 ) 50 cm tiefer morgens als abends. Baumann, Durch Massai-Land S. 143. 

9 ) Stuhlmann, Mit Emin Pascha S. 729 — 731. Baumann, Durch Massai- 
Land S. 143. 



Die Hydrographie des oberen Nil-Beckens. 323 

Die westlichen Zuflüsse sind die bedeutendsten, was die Länge 
und die Wassermenge betrifft. Sie sind auch die regelmäfsigsten. In 
Uganda liegt die Wasserscheide dicht am Ufer, und alle Gewässer 
fliefsen nach Norden. Südlich vom Äquator aber ist die Abdachung 
des Zwischensee-Plateaus ausgesprochen östlich. Vom Nkole- und 
Mpororo-Hochland fliefsen dem See zwei ruhige sumpfige, von äquato- 
rialen Regen genährte Flüsse, der Katonga und der Ruisi, zu 1 ). 

Der Kagera ist der bedeutendste westliche Zuflufs. Sein Becken 
hat ein Areal von 48 600 qkm. Unweit der Mündung ist er 100 m 
breit und 10 m tief 2 ). Durch seinen gewundenen Lauf und die Un- 
regelmäfsigkeit seines Gefälles ist er als ein junger Flufs bezeichnet, 
der mühsam in einem ganz schroffen Relief sich durcharbeitet und noch 
keine Einheit sich zu schaffen vermochte 8 ). Es ist ihm nicht einmal 
gelungen, alle Gewässer des südlichen Zwischensee-Plateaus in sich zu 
sammeln und dem Viktoria -See zuzuführen. Mehrere Seen scheinen 
noch keinen Abflufs zu besitzen, wie der mit felsigen Ufern umrandete 
buchtenreiche Mohasi-See 4 ) , der Ikimba-See 6 ), der Urigi-See und der 
Luensinga 6 ). 

Der Kagera entsteht aus drei Gebirgsflüssen, Nyavarongo, Akenyaru 
und Ruvuvu. Alle sind wilde, durch starkes Gefälle 7 ), grofse Periodi- 
cität und mehrere Wasserfälle 8 ) charakterisierte Ströme, deren Zuflüsse 
keine ausgearbeiteten Thäler haben, sondern bald in sumpfigen Becken, 
bald in wilden Schluchten dahineilen. Der durch Vereinigung des 
sumpfigen Akenyaru und des auch sumpfigen Nyavarongo 9 ) entstandene 
Strom scheint bedeutender als der Ruvuvu 10 ). DiePeriodicität ist natürlich 



*) Ungefähre Lange des Katonga xgo km, des Ruisi 210 km. Früher galt 
der letztere für einen Zuflufe des Kagera. 

*) Schweinitz in: Baumann, Durch Massai-Land S. 145, 80 bis 100 m Breite, 
8 m Tiefe. — Stanley, Through the Dark Continent, London 1878» I, S. 214—215: 
im April an der Mundung 140 m, zwei Meilen oberhalb 90 m Breite. Gröfste Tiefe 
17 m. Starke Strömung. 

*) Siehe das Profil des Nil-Stroms. 

*) Götzen, Durch Afrika von Ost nach West. Berlin 1895, S. 163—64. 

5 ) Scott El Hot, A Naturalist in Mid-Africa. London 1896. 

6 ) Ebendaselbst. 

7 ) Kagera-Quelle 1770 m, Kagera zu Ruanilo 1440 m, Vertikal- Abstand 330 m, 
Horizontal- Abstand 200 km, mittleres Gefalle 1,6 m auf den Kilometer. 

8 ) Unter 2 30' fand Götzen zwei 5 m hohe Wasserfalle. (Durch Afrika 
von West nach Ost, S. 151). 

9 J Baumann, Durch Massai-Land, S. 152. 

l0 ) Unter 2 30' ist er 250 m breit, mit einem 35 m breiten papyrusfreien 
Kanal, 2. Mai 1894. (Götzen, Durch Afrika, S. 151). 



324 E - de Martonne: 

in dem südlichsten Ruvuvu am stärksten, dessen Zuflufs, der Lr 
seine Quelle unter 3 45' südlich besitzt. Bei Ruanilo fanc 
mann im September: die Breite 35 m, die Tiefe 3 na. Das F;n 
mit 3 m hohen Ufern wird in der Regenzeit ganz gefüllt 1 ). Ungct 
Schuttmassen häufen sich, sobald das Gefalle abnimmt, und gebr. ■ 
Verwilderung Anlafs 8 ). 

Der Mittellauf des Kagera ist durch ein sehr geringes Go- 
uache mit Papyrus bedeckte sumpfige Ufer und zahlreiche Netci: 
gekennzeichnet. Einige von diesen Seen treten nur während dcil 
des Hochwassers mit dem Flufs in Verbindung 8 ). Der untere Lacf/r. 
im Gegensatz dazu von Latome, und besonders von Kitangnle 1 : 
ein starkes Gefalle. Mit zahlreichen Krümmungen eilt der JM. 
dem weiten Thal, dessen Boden ganz aus Alluvium besteht, dahin. I- 
Wasserstand ist durch den Einflufs der zahlreichen Nebenseen im Jfe 
laufe beständiger geworden. Bei Kitangule ist der Flufs 60 bis &z 
breit 5 ), 10 bis 12 m tief 6 ), von einem überschwemmten, auf jeder*: 
100 m breiten Papyruswald begleitet 7 ), und fliefst in der Mitte mitecrj 
stündlichen Geschwindigkeit von 3 bis 4 km. 8 ). Die bedeutende Veigrafo 
rung der Wassermenge vom Ruanyana-See 9 ) an ist von keinem grofsenL 
flufs verursacht geworden, sondern von zahlreichen Bächen, welche c-. 
sumpfigen Thäler von Mpororo 10 ) und Karagwe 11 ) nicht ganz entwässert 
Der in einem tief eingeschnittenen Thal von Süden nach Norden ßiefsezd: 
stark periodische Kinyawassi 12 ) scheint keine grofse Wassermenge de 
Kagera zu bringen. Die braungelben Gewässer des herrlichen, untz 



*) Baumann, Durch Massai-Land, S. 145. 
*) Baumann, ebendaselbst S. 152. 

3 ) Zum Beispiel der Ruanyana-See, Stuhlmann S. 2,28. 

4 ) Stromschnellen fand Scott Elliot oberhalb Kitangule. Geogr. Journal il^ 
Okt. S. 349 ff. 

& ) Grant, A walk across Africa, London 1864 S. 194 und Speke, Jouru. 
of the discovery of the source of NU, S. 263: go Yards (Jan.). — Stuhlmaflfl 
Mit Emin, S. 220: 60 m. — Stanley, Through the Dark Continent, I S. 45 : 
100 Yards. — Scott Elliot (Geogr. Journal 1894 S. 349): 80 bis 130 Yards, 

6) Grant, 5 bis 6 Klaftern. 

7 ) Stanley, Breite des Flußbettes 350 Yards. 

8 ) Scott Elliot, 24 miles in der Stunde. 

9 ) 45 m Breite, 15 m Tiefe (März) Stanley, Through the Dark Continent, 
I, S. 461. 

10 ) Baumann, Durch Massai-Land, S. 146. Stuhlmann, Mit Emin, S. 15&. 
u ) Stuhl mann, Mit Emin, S. 222. 

13 ) Ebendaselbst. S. 218 unter dem Parallel von Bukoba war er knietief, 10— um 
breit, kann aber während des Hochwassers nicht durchwatet werden. 



Die Hydrographie des oberen Nil-Beckens. 325 

i° 5's. Br. in dem Viktoria-See mündenden Kagera-Flusses lassen sich 
in dem See ziemlich weit verfolgen 1 ). 

Die südöstlichen Zuflüsse des Viktoria-Sees sind gar nicht 
mit dem Kagera zu vergleichen. Da die Regenmenge eine viel geringere 
ist als westlich vom grofsen See, wird die schon im oberen Kagera 
hervortretende Periodicität so grofs, dafs die Flüsse während mehrerer 
Monate versiegen und nur kleine Tümpel in dem Flufsbett bleiben 2 ). 
Von dem Unyamwesi-Plateau kommen keine Gewässer; nur die west- 
lichen Ausläufer der Randzone des östlichen Grabens, welche 2000 m 
erreichen können, senden während der Regenzeit bedeutende Wasser- 
mengen dem See zu. Der Simiu, der Ruwana und der Mori sind die 
bedeutendsten dieser periodischen Flüsse 3 ). 

Die nordöstlichen Zuflüsse des Viktoria-Sees verdanken 
ihrer äquatorialen Lage und der gewaltigen Masse des Elgon eine ge- 
ringe Periodicität. Vom Elgon fliefsen der Sio und die meisten Zuflüsse 
des Nsola ab, welcher ein wenig östlicher in dem 2000 m hohen Elgeyo- 
Hochland sein Quellgebiet hat und in dem unteren sumpfigen Laufe 
55 m breit und 2 m tief, mit einer stündlichen Geschwindigkeit von 4 Meilen 
gefunden wurde 4 ). Diese Flüsse führen viel vulkanischen Schutt mit 
und bauen in dem See grofse Delta auf 5 ). 

So viel über die Zuflüsse des grofsen Sees. 

Denkt man sich, dafs er durch die Verdunstung nicht weniger als 
30 cbkm jährlich verliert und dafs die Winde fast immer von SO wehen, 
so kann man sich die grofse Feuchtigkeit des Zwischensee-Gebiets 
leicht erklären. 

Durch seinen Abflufs , den Kivira, verliert der See auch eine be- 
deutende Wassermenge, welche diejenige des Kagera um ein Drittel 
übertrifft 6 ). 

Eine ausgesprochene Individualität kann man dem Kivira nicht zu- 
erkennen. Vom Viktoria- bis zum Albert-See fällt er 510 m ab (11 90 
bis 680). Das mittlere Gefälle beträgt mehr als 1 m auf den Kilometer. 
In der That aber ist das Gefälle in verschiedenen Strecken ganz ver- 



l ) Stuhlmann S. 144. Stanley, Through the Dark Continent I, S. 215. 
Selbst P. G uill er min behauptet, dafs die Strömung bis nordlich von Sesse bemerk- 
bar ist (Revue Francaise 1894 S. 19g). 

*) Baumann, Durch Massai-Land, S. 141. — Fischer, Peterm. Mitt. 1895 S. 4. 

*) Den Ruwana fand Fischer (Peterm. Mitt. 1895 S.4) im Januar ohne fließende 
Gewisser (Bett 20 m breit, 3 bis 4 m tief). Dagegen flössen der Maroa und der 
Mori (S. 5, 6). 

*) Pringle, Geogr. Journal 1893» a. Bd. S. 136. 

ß ) Pringle, ebend. S. 139. 

*) Stanley, Through the Dark Continent, S. 214, 215. 



326 E - de Martonne: 

schieden. Zwischen den 150 m breiten, 4 m hohen Ripon-Fällen (am 
Ausgang des Sees) 1 ) und den Isamba-Schnellen 2 ) ist das Gefälle sehr stark. 
Dann folgt ein Becken, durch welches der Flufs langsam mit sumpfigen, 
seenartigen Erweiterungen hinfliefst (Gita Nzige und Kiodja). Nach- 
dem aber der Kivira sich nach Westen gewendet hat, nimmt er wieder 
einen wilden Charakter an. Von den Karuma-Schnellen 3 ) bis zu den 
wunderschönen 40 m hohen Murchison-Fällen 4 ) fallt er 400 m ab, mit 
einem mittleren Gefälle von 3 bis 4 m auf den Kilometer, dann fliefst 
er, 500 m breit, dem Albert-See ohne wahrnehmbare Stromgeschwindig- 
keit zu 5 ). 

Da der Flufs von dem Victoria-See seine Gewässer bekommt! 
mufs die Periodicität kaum bemerkbar sein. Der Kafu 6 ) bringt ihm 
links die Gewässer mehrerer sumpfigen, trägen Flüsse vom Unyoro 7 ) zu. 
Von Osten erhält er mutmafslich die Gewässer grofser Sümpfe, die 
Jackson leider nur von den Höhen des Elgon gesehen hat 8 ). 

Das System der beiden Albert-Seen, die in einen tiefen 
Graben eingesenkt sind und keinen wichtigen Zuflufs weder von dem 
östlichen noch von dem westlichen Plateau bekommen, besitzt eine scharf 
ausgeprägte Individualität. Sein Areal beträgt 115 200 qkm, wovon 
der Albert-See 4500, der Albert Edward-See 4320, also für die Seen 
8820 qkm, d. h. ein Vierzehntel des Gesamt-Areals. Der Semliki bildet 
hier das Central-Organ. Vom Albert Edward- bis zum Albert-See fallt 
er 310 m (960 — 650) auf 200 km ab und fliefst in einer weiten Alluvial- 
Ebene mit einem krümmungsreichen Laufe, die hohen steilen Ufer zer- 
fressend. Unter o° 1 ' ist er 39 m breit, 3 m tief und fliefst mit einer 
stündlichen Geschwindigkeit von 5 km 9 ). Das Gefälle ist in der Nähe 
des Albert Edward-Sees sehr stark, vermindert sich aber bald und 



*) Speke, Journal of tbe discovery of the source of the Nile, S. 466. 

2 ) Speke, a. a. O. S. 464. 

3 ) Speke, a. a. O. S. 568 — 69. Baker, Der Albert Nyanza, S. agg a. 191. 

4) Baker, a. a. O. S. 359. 

5 ) Baker, a.a.O. S. 356. — Gordon, Proceedings of the Roy. Geogr. Soc. 
XXI ig77, S. 49-50. 

6 ) Unter i° ^o , n. Br. fand ihn Junker (Reisen III, S. 595)' mehrere iooFufe 
breit und ganz voll von Papyrus mit einer sehr kleinen freien Wasserflache. 

7 ) Junker, Reisen in Afrika III, S. 604 — 606. Nach Vandeleure (Geogr. 
Journal, 1897, S. 309 ff.) scheint der Marandja bedeutender als der Kafu. 

8 ) Jackson und Gedge's Journey to Uganda via Masailand. Proceed. R. 
Geog. Soc, 189I1 S. 193 ff. Karte 1 : 1 000000. 

9 ) Stanley, In the darkest Africa, London 1890; deutsche Ausgabe II 
S. 263. 



Die Hydrographie des oberen Nil-Beckens. 327 

scheint sehr regelmäfsig zu sein 1 ). Der Abflufs ist sehr konstant. Das 
Wasser ist gelb, sehr trüb 2 ) und gewinnt in der Nähe des Runsoro 
durch die wilden Bergzuflüsse eine eisenrote Farbe 8 ). Diese Wildbäche, 
die durch tägliche Gewitterregen genährt werden, stürmen den ungeheuren 
Berg herab, grofse Schuttmassen in das Thal hinabschleppend 4 ). 

Der Albert Edward-See ist die Hauptquelle des Semliki. Seine 
Oberfläche beträgt ungefähr 4000 bis 4500 qkm (mit dem Ruisamba-See). 
Der von der vulkanischen Kette des Virunga herabfliefsende Rutshurru, 
galt für seinen wichtigsten Zuflufs, bis Scott Elliot nachgewiesen hatte, 
dafs ein in den Bergen von Mpororo unweit des Kagera sein Quell- 
gebiet besitzender Flufs, der Rufwe, den Ostrand des Grabens durch- 
bricht und in den See mündet 6 ). Die Süd- und Nordufer sind sehr 
flach, das westliche am steilsten 6 ). 

Eine merkwürdige Eigentümlichkeit des Albert Edward-Sees ist 
der bis o°25 ' nach Norden sich erstreckende Ruisamba-Golf, der nur durch 
eine enge Wasserstrafse mit dem See in Verbindung steht Alle Ge- 
wässer des östlichen Abhangs des Runsoro fliefsen diesem Neben- 
see zu. 

Der Albert-See ist durch seine viereckige Gestalt und seine ge- 
ringere Küstengliederung von dem Albert Edward-See unterschieden. 
Er ist ungefähr 200 km lang, 50 km breit. Das Südufer ist flach, das 
westliche am steilsten, das östliche meist flach und sandig, aber von 
einem steilen Plateauabfall begleitet 7 ), den mehrere kleinere von Unyoro 
kommende, träge und sumpfige Flüsse in wilden Schluchten, um den 
See zu erreichen, durchbrechen 8 ). 

Die beiden Albert-Seen zeigen deutliche Spuren einer Volumen- 
Verminderung. Seitdem Stanley den Ruisamba-See entdeckt hat, ist die 
Wasserstrafse, durch welche er mit dem Albert-See in Verbindung steht, 



*) In Avamba (o° 9' n. Br.) ist der Höhenunterschied mit dem Albert-See sehr 
klein (13 mr). Stanley, In the darkest Africa II S. 236; deutsche Ausgabe 
II S. 236—237, Breite 55 bis 90 m. 

8 ) In einem Glas Wasser kommen 5 mm zum Niederschlag (Stanley a. a. O. 
deutsche Ausgabe II S. 263). 

») Stanley a. a. O. II S. 263; deutsche Ausgabe II S. 263. 

4 ) Stanley a. a. O. II S. 294; deutsche Ausgabe II S. 291. 

6 ) Scott Elliot, Geogr. Journal, 1895, S. 315, vergl. in A Naturalist in 
Mi d- Africa S. 236 und Map of a part of East Africa 1 : 2 000 000. 

*) Stuhlmann, Mit Emin Pascha, S. 275. Nur die Schuttkegel der Wild- 
bäche bilden hier und da kleine flache Vorsprünge. 

7 ) Junker, Reisen in Afrika, III S. 579. 

8 ) Gessi, Bull, de la Soc. de Geogr. de Paris 1876. XI, S. 638—39. Junker, 

m, s. 580. 



328 E - de Martonne: 

enger geworden 1 ). Das südliche Ufer des Albert -Sees ist ungemein 
flach, sumpfig, von kleinen Inseln und Papyruswäldern begleitet 9 ) 
Am südlichen Ufer des Albert Edward-Sees scheint die Austrocknung 
am schnellsten fortzuschreiten 8 ). In der sanft nach Süden ansteigenden 
Ebene fand Stuhlmann 4 ) in einer Tiefe von i m eine 4 bis 6 m dicke, 
8 m über dem jetzigen Seespiegel liegende, mit Planorbü und ünio 
ganz gefüllte Schichten. 

Mehrjährige Oscillationen des Wasserstandes sind wie in dem 
Viktoria-See sehr wahrscheinlich. In welchem Zusammenhang sie mit 
klimatischen Veränderungen stehen, ist bis jetzt unmöglich zu er- 
klären. Durch Angaben Emin Pascha's kann man feststellen, dafs der 
Wasserstand in dem Albert-See von 1876 bis 1888 um ungefähr 3 m 
gesunken ist 5 ). Stuhlmann glaubt, dafs die Senkungs - Periode für 
den Albert-See und den Viktoria-See sich bis 1891 erstreckte 6 ). Bau- 
mann berechnet die Senkung seit 1880 zu 1 m 7 ). 

Fügt man hinzu, dafs in derselben Zeit (1876), wo der Albert-See 
sein Maximum erreichte, auch eine grofse Anschwellung des Victoria- 
Sees von Wilson festgestellt wurde (1878) 8 ), dafs gerade in diesem 
Jahr (1878) Überschwemmungen in Lado stattgefunden haben 9 ), dafs 
eineSeddperiode 10 ) imKir-Gebiet nach diesem Jahr sich entwickelt hat, 
und dafs der Tanganyika ein so hohes Niveau erreichte, dafs er einen 
Abfiufs nach Westen in den Lukuga fand 11 ), so läfst sich mit einiger Ge- 
wifsheit eine Periode von 23 bis 25 Jahren erkennen 12 ). 

I ) Vergl. die Karten von Stanley, von Luggard und von Scott Elliot 
Nach dem Bericht des Franzosen M. Versepuy steht der Ruisamba mit dem 
Albert Edward-See nur durch einen schmalen Flufs in Verbindung (Comptes 
Rendiis Soc. Geogr. Paris, 1896, S. 369—384). 

*) Stuhlmann, Mit Emin Pascha S. 583. 

*) Stuhlmann, a. a. O. S. 270. 

*) a.a.O., S.169, 170. 6 ) a.a.O., S. 58*. 6 ) a.a.O., S. 58a, 583« 

7 ) Bau mann, Durch Massai-Land zur Nilquelle S. 143. Eine genaue Messung 
▼erdanken wir Stuhlmann, der durch Triangulation festgestellt hat, dafs in Bukoba 
der See von Februar 1891 bis März 189z um 55 cm gestiegen war (Mit Emin 
Pascha S. 696). 

8) Globus XXXIV, 1878, S. 381. 

9 ) Junker II S. 76—77. Marno, Peterra. Mitt., 1881, S. 411. 

10 ) Unter dem Namen Sedd sind die Grasbarren bekannt, welche sich in dem 
unteren Lauf des Bahr el Gazal und des Bahr el Djebel periodisch bilden, beson- 
ders nach regenreichen Jahren. Darüber Näheres s. S. 33a. 

II ) Sieger, Schwankungen der innerafrikanischen Seen. Bericht des Vereins 
der Geogr. an der Wiener Universität XIII, 1886. 

") Nach Gedge (Proceed. R. Geogr. Soc. 189a, S. 323) sind sich die Eingeborenen 
von Kavirondo bewu&t, dafe eine 25 jährige Niveauschwankung stattfinde. 



Die Hydrographie des oberen Nil-Beckens. 329 

Der Bahr el Djebel, der Abflufs des Albert-Sees, ist das Ver- 
bindungsglied zwischen den Systemen des Seen-Plateaus und des grofsen 
mittleren Nil-Beckens. 

Vom Albert-See bis Lado fallt der Flufs 235 m auf 370 km. Das mittlere 
Gefälle beträgt fast 60 cm auf den Kilometer, in der That aber zerfällt 
der Flufs in zwei Becken und zwei schnellenreiche Strecken. 

Bis 14 km oberhalb von Wadelai ist das Thal von hohen Wänden 
umrandet 1 ). Die Stromgeschwindigkeit ist sehr grofs 2 ); plötzlich aber 
nimmt das Gefälle ab, das Thal erweitert sich, und der Flufs wird von 
mehreren Inseln in zahlreiche sumpfige Arme zerteilt 8 ). Dann beginnt 
er hinter Dunle, eine neue Thalstufe zu erreichen. Von hohen felsigen 
Wänden eng umrandet, fliefst er mit einer bedeutenden Geschwindig- 
keit 4 ). Zwischen Dufile und Lado beträgt der Horizontal- Abstand 200 km, 
der Vertikal-Abstand 180m, das mittlere Gefälle 1,20 m auf den Kilometer. 
Sieben Stromschnellen sind bekannt: Fola, Yerbora, Makkedo, Gondji, 
Teremo, Garbo und Bedden 5 ). 

In Lado wird der Flufs wieder ruhiger. Von da bis Chartum 
fallt er nur um 87 m. Die Wasserstandsverhältnisse in Lado zeigen 
eine merkwürdige Periodicität, die durch den Charakter der Zuflüsse 
sich erklären läfst. Da die Trockenheits-Perioden in diesen Breiten, 
besonders östlich , wo die Regenmenge kleiner ist, schon scharf ge- 
schieden sind und die Abdachungsverhältnisse keinem längeren Strom 
sich zu entwickeln erlauben, sind alle diese Zuflüsse nur Ch6ran, d. h. 
sie versiegen während mehrerer Monate; doch bringen sie während 
der Regenzeiten (besonders der Khor Luri und die vom Schuli- bzw. 
Süd-Latuka-Land kommenden Khor Assua und Khor Gomoro) dem Bahr 
el Djebel viel Wasser zu 6 ). 

So erklärt sich die eigentümliche Kurve des Wasserstandes im 
Lado, welcher sein Maximum (169 cm) in den ersten Tagen des 



1) Junker, Reisen in Afrika KT. S. 496. 

*) Gordon, Proceed. of the Roy. Geogr. Soc. London 1877, S. 4g. 

3 ) Junker, Reisen in Afrika III, S. 497—498. 

4 ) Gordon, Proceed. of the Roy. Geogr. Soc. 1877, S. 48. 

5 ) Gordon ebendaselbst. Von Dr. Peney (Bulletin de la Soc. de Geogr. de Paris 
1863, VI, S. 1 — 71) sind diese Stromschnellen besonders gut beschrieben worden. 
In den Stromschnellen von Bedden mufs die Stromgeschwindigkeit 368 miles in 
der Stunde erreichen ! Gor d on , Bulletin de la Soc. de Geogr. de Paris 1875» X, S. 515. 

6 ) Baker, Der Albert Nyanza, S. 275. Gordon, Proceed. of the Roy. Geogr. 
Soc 1877» S. 57. Der Assua flieJst 10 Meilen während des ganzen Jahres. Unter 
3 iV n. Br. ist sein in der Regenzeit manchmal gefülltes Bett 120 Schritte 
breit, mit 15 Fufe hohen steilen Ufern. In der Regenzeit ist der Khor Luri 
unweit seiner Mündung 3 Fufc tief. (Junker, Reisen HI, S. 434). 



330 E - de Martonne: 

September» d. h. am Ende der Regenzeit, sein Minimum (150 m) Anfang 
April, d. h. gegen Ende der Trockenzeit, erreicht 1 ). 

IV. 

Wir kommen jetzt zu dem riesigen mittleren Nil-Becken, dessen Areal 
1 198000 qkm beträgt, von denen 776oooqkm westlich vom Hauptflufs und 
nur 422 000 qkm östlich liegen. Von dem Seengebiet unterscheidet es sich 
durch den Mangel an unregelmäfsigen Senkungen, welche die Bildung 
von grofsen Seen zur Folge haben. Die Flüsse sind hier die vorwie- 
genden hydrographischen Formen. 

Die klimatischen Bedingungen sind auch ganz andere. Eine Trocken- 
zeit (im Süden zwei) kommt überall vor und nimmt an Länge nach 
Norden zu, sodafs die Flüsse überall eine starke Periodicität zeigen 
und selbst nach Norden zum Ch&ran oder Wadi werden. 

Das Fehlen der orographischen Differenzierung geht aber so weit, 
dafs die meisten Flüsse in ihrem unteren Laufe absolut kein Gefälle 
haben, und da alle nach dem Centrum des Beckens konvergieren, so 
entsteht eins der merkwürdigsten Sumpfgebiete, welche die Erdober- 
fläche darbietet. Während des Hochwassers beträgt die Überschwem- 
mungsfläche ungefähr 60 000 qkm. 

Alle Zuflüsse, welche hier zusammenfliefsen, sind kaum durch un- 
gemein flache Bodenschwellen getrennt und stehen während des Hoch- 
wassers durch Infiltration oder seitliche Arme miteinander in Verbin- 
dung. Ihre Ufer sind aufserordentlich flach, und die Papyrus- und 
Ambatch-Wälder dehnen sich so weit aus 8 ), dafs nur die Palmen, die 
hier und da stehen, in der trostlosen Wasseröde den festen Boden ver- 
muten lassen. Die geringste Anschwellung genügt, um die Flüsse aus 
ihrem Bett zu bringen oder ihnen zu einer Bettveränderung Anlafs zu geben. 
Sumpfige Nebenseen, die von den Arabern Majeh genannt werden, 
welche als Relikt der früheren Überschwemmungen zu betrachten 
sind und nur während des Hochwassers mit dem Strom in steter Ver- 
bindung stehen, begleiten die gröfsten Flüsse. 

Über das Wesen dieses merkwürdigen hydrographischen Organismus, 



*) Dovyak's Beobachtungen in Hann, Über das Klima and die Seehöhe 
von Gondokoro und Chartam. Peterm. Mut. 1875» S. 343 — 344* In den regenreicheren 
Jahren 1876 und 1878 erreichte das Maximum 200 bzw. 225 cm. (Chelu, Le Nil, 
le Soudan, l'Egypte, Paris 1891* S. 13). 

*) Durch diese Papyrus- Wälder wird die freie Wasserfläche sehr oft ungemein 
viel verengert. Breite des Bahr el Djebel an dem Zusammenfluß! mit dem Bahr el 
Gazal 50 m (Marno, Peterm. Mitt. 1881, S. 415), Breite des Bahr el Gazal unweit 
des Zusammenflusses 100 Schritte, etwas oberhalb nicht selten 50 Schritte, stellen- 
weise nur 20 Schritte (Junker, Reisen II, Tafel 1). 



Die Hydrographie des oberen Nil-Beckens. 331 

weicherden Mittelpunkt des ganzen mittleren Nil-Systems darstellt, besitzen 
wir sehr genaue Angaben von Pruyssenaere 1 ), Emin 8 ), Junker 8 ), sowie 
eine ausgezeichnete Monographie von Marno*). 

Als Ursache dieser hydrographischen Anomalie erkennt Marno vor 
allem den Mangel an Gefälle, welche den Abflufs der Gewässer ver- 
hindert und eine Tendenz zur Verwilderung in allen Flüssen verursacht. 
Seitenarme, deren relative Wichtigkeit sehr veränderlich ist 6 ), besitzen 
alle Ströme, sodafs dieses Gebiet als ein inneres Delta bezeichnet werden 
könnte. 

Zweitens müssen die bedeutenden Niederschläge in allen Flüssen 
erwähnt werden. Die Sediment-Ablagerung findet an drei Stellen statt: 
wo das Gefälle sich vermindert, an den konvexen Kurven der Biegun- 
gen und an den Zusammenflüssen. Da der Bahr el Gazal und seine 
Zuflüsse, und besonders der Bahr el Djebel, während des Hochwassers 
viel Schlamm mitführen, kann der Niederschlag sehr beträchtlich sein 6 ). 
So werden fast in allen Zusammenflüssen flache, in der Zeit des Hoch- 
wassers überschwemmte Dämme gebaut, hinter denen grofse seichte, 
während der Trockenzeit von dem Flufs getrennte Teiche, wie der 
Mokren el Bohur und der Mechra el Reck, entstehen 7 ). Durch diese 
Ablagerungen wird auch das Flufsbett allmählich erhöht, sodafs der 
Strom höher als die Ebene steht. 



*) Peterm. Mitt. Ergänzungsheft 51, S. 12 — 15. Karte von Zöppritz 1 : % 000 000: 
Der Weifee Nil zwischen dem 6 und io° n. Br. nnd der untere Sobat. 

9 ) Die Strombarren des Bahr el Djebel. Peterm. Mitt. 1879, **• 2 73~ 2 74» mit 
Kartenskizze 1 : i 200 000. 

3 ) Reisen in Afrika II, S. 5g f. und 374 f. Siehe die Karte des Bahr el Gazal 
1 : 750000, Tafel 1. 

4 ) Die Sumpfregion des äquatorialen Nilsystems und deren Grasbarren. Peterm. 
Mitt. 1881, S. 411—426, mit Karte (Tafel 20): Aufnahme des mittleren Bahr el 
Abiad nnd des Bahr el Seraf, Sept. 1879 bis März 1880, 1 : 500 000. 

*) Die verschiedenen Majeh, Seitenarme, Barren, sind sehr sorgfältig (von 
Junker nnd Marno besonders) aufgenommen worden. Das Kartieren aber hat in 
solchen Gebieten fast keinen Zweck, denn jede neue Seddperiode bringt Verände- 
rungen mit sich. In trockenen Jahren geht man zu Fufc über weite Strecken, die 
auf allen Karten als See gezeichnet sind. 

6 ) Höchst interessant wäre es, die Niederschlagsverhältnisse in verschiedenen 
Jahreszeiten, an verschiedenen Stellen und auch während verschiedener Jahre zu 
kennen. Sicherlich wurde es ein grober Gewinn sein für die Erklärung der Ab- 
lagerungen mancher geologischen Periode, wenn diese Gebiete einmal erschlossen 
und von Fachkennern untersucht würden. 

7 ) Marno, Peterm. Mitt. 1881» S. 415 — 416; siehe die Skizze des Mokren el 
Bohur 1 : 100 000. 



332 E - de Martonne: 

Als dritte Ursache erscheint die aufserordentlich reiche Wasser- 
vegetation, welche sich in den Majeh während der Trockenzeit ent- 
wickelt. Aus den verflochtenen Wurzeln kräftiger Wasserpflanzen 
(Papyrus, Ambatch) 1 ), welche mit Staub und kleineren Pflanzen {Azalla, 
Pistia, Ottelia, Utricularia u. s. w.) verbunden werden, entsteht ein fester 
Boden, der auf dem Wasser schwimmt. Sobald durch Überschwem- 
mungen der Majeh mit dem Flufs in Verbindung steht, werden diese 
schwimmenden Inseln durch Wind den Strom hinabgeschleppt, häufen 
sich in den Biegungen und türmen sich übereinander, sodafs der Flufs 
nicht nur im horizontalen, sondern auch im vertikalen Querschnitt ganz 
verstopft ist, und das Wasser aufgestaut wird oder einen seitlichen Ab- 
flufs suchen mufs. Diese Grasbarren (Sedd) bilden das gröfste Hindernis 
für die Schiffahrt. Selbst das beste Dampfschiff kann in ungünstigen 
Jahren gegen diese machtlos sein 8 ). So blieb hier Gessi sechs Monate 
lang eingeschlossen. 

Bemerkenswert ist, dafs die Seddbildung nicht in allen Jahren be- 
deutend ist, sondern sie ist um so stärker, je regenreicher die vorher- 
gehenden Jahre waren 8 ). 

Wir haben noch die Herkunft dieser ungeheueren Wassermassen 
zu erklären, das heifst die Zuflufsverhältnisse des Kir-Gebiets darzustellen. 

Unter allen hier zusammenfliefsenden Strömen scheint der Sobat 
am wenigsten diese hydrographische Anomalie zu veranlassen. Im 
Gegenteil, durch den gewaltigen Stofs seines Hochwassers treibt er 
sogar die trägeren Gewässer des Bahr el Abiad nach Norden fort. 
Soweit der Flufs bekannt ist, fliefst er durch eine breite Alluvial-Ebene. 
Unter 9 n. Br. fand ihn Pruyssenaere im Juli 317 m breit, 8 m tief 
mit einer stündlichen Geschwindigkeit von 2 km und einem Abflufs von 
1066 cbm in der Sekunde 4 ). Die Periodicität scheint sehr stark zu sein 5 ). 

Der Bahr el Djebel (in dem Sumpfgebiet Kir genannt) veranlafst 
in höherem Grad die eigentümlichen Verhältnisse des centralen Sumpf- 



*) Der Ambatch {Herminier a elaphroxylum) kann 5-7111 über dem Wasser- 
spiegel erreichen. 

2 ) Siehe in Junker's Reisen II, S. 80 — 8i f die Beschreibung der zum Brechen 
der Barren verwendeten Methode, und besonders Marno, Die Verlegungen im 
Bahr el Gazal und deren Beseitigung. Peterm. Mitt. x88a, S. 121 — 129. 

3 ) Junker II, S. 76 — 77. Marno, Peterm. Mitt. 1881, S. 421: Dem regen- 
reichen Jahr 1878 folgte eine Periode, wo die Barren außerordentlich zahlreich und 
dick waren. Werne (1840—41) fand keine Barren, Heuglin aber (1863) und Gessi 
(1880) haben während einer Seddperiode das Kir-Gebiet kennen gelernt. 

*) Peterm. Mitt. Ergänzungsheft 51, S. 35. 

&) Vergl. Petherick, Journal, of the Roy. Geogr. Soc. 1865, S. 289. Abflofe 
im April 4227 cbm in der Sekunde, im Juni 8615 cbm. 



Die Hydrographie des oberen Nil-Beckens. 333 

gebiets. Von Lado an ist sein Gefalle sehr gering (Lado-Schamb£ 
o,i) 1 ), von Gaba Schamb£ an fast Null (Gaba Schambä-Fashoda 0,035). 
Bis Bor führt er Sand und Gerolle mit sich, die er aus den Cherän erhält, 
von Bor an meist Humus und schwarzen Schlamm mit Aschen und 
Kohlen 2 ). Schon bei Lado ist das Gefälle so gering und der Nieder- 
schlag so beträchtlich, dafs die Stromrinne stets ihre Lage verändert 3 ). 
Je mehr man nach Norden geht, um so mehr macht sich diese Tendenz 
geltend, welche schon in Bor die Bildung der Seitenarme hervorruft 
und in Gaba Schambä die grofse Bifurkation (Bahr el Djebel — Bahr el 
Zaraf) verursacht. 

Die Wasservegetation scheint auch in dem Kir noch reicher als 
in dem Bahr el Gazal zu sein; die Majeh sind zahlreicher 4 ), die 
Barren, wenn nicht so häufig, doch viel stärker und fester 5 ), sodafs 
sie nicht selten dem besten Dampfschiff die Fahrt unmöglich machen. 
Der Bahr el Zaraf, der gewöhnlich nur ein Seitenarm ist, kann, wenn 
der Kir ganz verstopft ist, zum Hauptstrom werden 6 ). 

Die Periodicität des Flusses ist in dem Sumpfgebiet noch sehr 
stark. Nach Pruyssenaere's Angaben 7 ) sind die Gewässer um den 
25. Januar am niedrigsten, erreichen ein erstes Maximum gegen den 
25. April, dann, nach unregelmäfsigen Schwankungen, ein zweites 
höheres Maximum gegen Ende September, und fallen vom Oktober an 
langsam und regelmäfsig. 

Der Bahr el Gazal ist kein eigentlicher Flufs, sondern eine 214 km 
lange 8 ) Reihe von Sümpfen. Junker im Februar 1878 und Marno in 



') Lado-Bor 0,15, Bor-Gaba Schamb6 0,11. 

*) Marno, Petenn. Mitt. iggi y S. 4x4: Die Aschen und Kohlen stammen aus 
den in der Trockenzeit verbrannten Steppengräsern. 

3 ) Junker, Reisen III, S. 391, bringt mehrere Einzelheiten, die eine sehr 
rasche Veränderung beweisen. Er konnte feststellen, dafe zwischen den Jahren 
1876 und 1884 das Westufer um ao m zurückgewichen war. Während eines 
monatlichen Aufenthalts konnte er die Bildung einer Insel und die Vertreibung 
eines Arms verfolgen u. s. w. 

*) Junker, Reisen II, S. 73. 

6 ) Junker a. a. O. S. 73. 

6 ) Im Jahr 1870 konnte Baker den Bahr el Djebel nicht hinauffahren: er 
mutete den Bahr el Zaraf verfolgen. 

7 ) Peterm. Mitt. Ergänzungsheft 51, S. 28. Vergl. Petherick's Strom- 
messungen. Journal, of the Roy. Geogr. Soc. 1865, S. 289, und Travels in Central- 
Africa I, S. 321 — aa. Vor der Einmündung des Bahr el Gazal: Bahr el Djebel 
8280, Bahr el Zaraf 1656 Kubikfufe in der Sekunde (25. April 1863). 

8 ) Junker 's Reisen in Afrika II, S. 70. 

9 ) Reisen in Afrika II, S. 59—70; siehe die Originalkarte des Bahr el Ghasal, 
anfgen. auf dem ägyptischen Dampfer „Ismailia", Febr. 1880, 1 1 750000. 



334 E. de Martonne: 

den Monaten Januar bis März 1880 *) haben ihn sorgfaltig aufgenommen. 
Junker fand bei Mechra el Reck 15, Marno nur bis zu der Mündung 
des Bahr el Arab 20 Barren 2 ). Mehrere Seitenarme und Majeh (19 bis 
zu der Mündung des Bahr el Arab) wurden festgestellt. Selbst während 
der Trockenzeit findet man sehr selten feste, gut erkennbare Ufer 3 ). Das 
Wasser ist viel heller als dasjenige des Bahr el Djebel, aber grünlich 
und übelriechend 4 ). Die Strömung ist, besonders in der Trocken- 
zeit, so gering wie in einem See. 

Mit Ausnahme des Jei, der in den Nil direkt zu münden scheint, 
fliefsen alle Gewässer, die von der Uelle- Wasserscheide kommen, dem 
Bahr el Gazal zu. 

Vortreffliche Schilderungen über das Leben dieser Flüsse ver- 
danken wir Schweinfurth 6 ) und Junker 6 ). Sie besitzen fast alle dieselben 
Eigenschaften, welche durch gleiche klimatische und hypsometrische 
Verhältnisse hervorgerufen werden. Es sind im allgemeinen viel mehr 
ausgearbeitete Flüsse als diejenigen, die wir bis jetzt kennen gelernt 
haben. Ein Oberlauf, ein Mittel- und ein Unterlauf läfst sich überall 
unterscheiden. 

Der Oberlauf ist durch die Identität des Strombettes und der 
Stromrinne, durch die Thätigkeit der Erosion und das bedeutende 
Gefälle charakterisiert. Die Periodicität ist sehr stark. Während der 
Trockenheit fliefst nur ein wenig rosiggefärbtes klares Wasser, mitten 
in Grand und grofsen Gneisblöcken ; in der Regenzeit aber birgt jede 
Bodenvertiefung einen Bach oder einen Sumpf, welcher sehr oft mit 
dem Flufs nicht in Verbindung steht. 

Der Mittellauf liegt in der mittleren Abdachungszone, stellen- 
weise aber auch im Bergland 7 ). Das Strombett ist eine mehrere Kilo- 
meter breite Ebene, deren Boden 8 oder 10 m tief in die Umgebung 
eingesenkt ist und aus lehmigem Alluvium besteht. Die Stromrinne mit 
steilen, hohen Ufern durchschneidet die Ebene mit zahlreichen Win- 
dungen, bald dem rechten, bald dem linken Rand sich nähernd. 
Während der Trockenzeit finden sich in dem Strombett nur vereinzelte 
kleine Tümpel, während der Regenzeit aber ist es sehr oft ganz er- 

*) Marno 's Aufnahme des Bahr el Ghasal auf dem ägyptischen Dampfer 
„Borden* 4 , Januar u. März bis Juni 1880, 1:500000. Peterm. Mitt i88*> Tafel 6. 

9 ) Die breitesten können 1000 — 2000 m Breite erreichen. 

s ) Unterhalb des Zusammenflusses mit dem Bahr el Arab wurden gut markierte 
Ufer von Junker gesehen, Breite 100 m (Januar). 

*) Pruyssenaere, Peterm. Mitt. Ergänzbd. 51, S. %%. 

6 ) Im Herzen von Afrika. 

6) Reisen in Afrika, besonders I, S. 45a— 53. 

7 ) Beispiel: Der Rohl. Junker, Reisen I, S. 45a. 



Die Hydrographie des oberen Nil -Beckens. 335 

füllt Merkwürdig ist, dafs in der Stromrinne immer Wasser vorhanden 
ist, und dafs die Überschwemmungen niemals den Rand des Strom- 
bettes überschreiten. Diese schöne Anpassung an die klimatischen 
Bedingungen lehrt uns, dafs diese Flüsse sehr alt und ganz ausge- 
arbeitet sind. 

Der untere Lauf fallt in die Centraldepression des Kir. Er ist 
dadurch gekennzeichnet, dafs das Strombett verschwindet, oder dafs 
die Strombetten aller Flüsse miteinander verschmelzen, sodafs alle 
während des Hochwassers mehr oder minder in Verbindung stehen. 

Obgleich alle diese Flüsse fast dieselben Eigenschaften besitzen, 
lassen sich doch einige Unterschiede bemerken, besonders zwischen 
den östlichen und westlichen Flüssen. Während die ersteren nach 
Norden fliefsen, nehmen die zweiten, dem Gefalle des Beckens ent- 
sprechend, mehr und mehr einen reinen Südwest-Nordost-Lauf an. Da 
die mittlere Terrassenzone an Ausdehnung nach Westen abnimmt, so 
scheint in den westlichen Flüssen der Mittellauf nicht so gut wie im 
Osten entwickelt zu sein. So zeigt der Djur unter 7 30' n. Br. ein 
viel kleineres Strombett, dagegen eine tiefere Stromrinne als die öst- 
lichen Flüsse, und sein westlicher Zuflufs, der Wau, hat unter der- 
selben Breite kein Überschwemmungsgebiet 1 ). Unter 7°25 r ist das- 
jenige des Pongo nur 1 km breit 2 ). Bei dem Tondj 3 ), Djau 4 ) und 
Rohl 6 ) scheint dagegen der Mittellauf mit allen früher erwähnten 
Eigenschaften entwickelt zu sein. 

Was die Länge und die Wassermenge betrifft, so scheint der Djur 
alle zu tibertreffen. Durch Vereinigung zweier, alle Eigenschaften des 
Oberlaufes besitzenden und von der Gegend des Baginse nach Nord- 
westen fliefsenden Flüsse, Sueh und Jubbo 6 ), entstanden, ist er schon 
unter 5°io' in der Zone des Mittellaufes eingetreten, hat 18—20 Fufs 
hohe, steile, in das Alluvium eingeschnittene Ufer, einen Abflufs von 



*) Junker, Reisen I, S. 473. 

a ) Schweinfurth, Im Herzen von Afrika, S. 421. 

*) Unter 7°ao' n. Br. haben ihn gemessen: Janker (August 1877, 1, S. 467 
und Mär« 1878, II, S. 97), Felkin (Oktober 1879, Peterm. Mitt. 1881, S. 95), 
Schweinfurth (S. 55, 131, 377). Das Strombett ist 3 Meilen breit, die Strom- 
rinne 60—200 Fuis. 

4 ) Janker, I, S. 465 (August 1877) 7 n. Br. Stromrinne 200 Fufs breit, 
Strombett sehr breit. 

5 ) Felkin, Peterm. Mitt. 1881, S. 93. — Junker, I, S. 447 (Gosa) und 454 
(Ajak): Stromrinne 160 m breit, Wasserstand im Juli 2,50 m. 

°) An dem Zusammenfluß ist der Sueh 40 Schritte (27 m) breit, ziemlich tief, 
mit hohen, steilen, felsigen Ufern ; der Jubbo unter 4°45' n. Br. 50— 60 Schritte 
(40 m) breit und nur 1,5 Fufs (50 cm) tief. Junker, III, S. 358. 
Zcitschr. d. Ges f. Erdk. Bd. XXXII. 1897. 24 



336 E - de Martonne: 

200 Kubikfufs in der Sekunde (22 cbm) während der Trockenzeit und 
2330 Kubikfufs (260 cbm) im Juni 1 ). Unter 7 aber, vor der Einmündung 
des Wau, beträgt der Abflufs im December 11 76, im Juni 14800 Kubik- 
fufs (130 bzw. 1610 cbm) 2 ). Aus diesen natürlich sehr approximativen 
Zahlen kann man nicht nur eine Vorstellung der bedeutenden Wasser- 
menge, welche der von dem Wau noch vergrößerte Djur dem Bahr 
el Gazal zuführt, sondern auch der grofsen Periodicität, welche alle 
diese Flüsse charakterisiert, gewinnen. 

Die Länge des Djur-Stromes kann zu 700 km berechnet werden. 
Die vom Abaka-Hochland herabfliefsenden Tondj und Djau haben 
nur eine Stromlänge von 540 km bzw. 500 km, und die in Makraka ihr 
Quellgebiet besitzenden Rohl und Je'i nicht mehr als 630 bzw. 480 km. 

Der Mittellauf beginnt für den Tondj (hier Issu genannt) unter 
5 03 ), für den durch Vereinigung des Aire mit dem Gosa oder Jalo 
entstandenen Rohl 4 ) unter 5°io' 6 ). 

Viel unbedeutender sind die westlichen Zuflüsse des Bahr el Gazal 
(Pongo 6 ), Kerr6, Billi, Boru) 7 ), mit Ausnahme des Bahr el Arab, dessen 
Wassermenge sehr beträchtlich ist, und der nicht minder stark perio- 
disch als die anderen Ströme zu sein scheint 8 ). 

Nördlich vom Bahr el Arab findet man nur Wadi 9 ), deren Betten 
eine südöstliche Richtung haben. 

Ob die Wadi des Darfur (Oued el Koh, Oued Gendy, Oued 
Bulbul) selbst in den regenreichen Jahren den Bahr el Arab erreichen, 



1 ) Stromrinne 40 Fufe (15 m) breit, Breite des Wassers während der Trocken- 
heit 25 Fu& (8 m). Schweinfurth, S. 178. 

2) Schweinfurth, S. 178. 

3 ) Janker beschreibt ihn nnter 4° 40' and seinen Zuflufs, den Ibba, unter 
4 30' als alle Eigentümlichkeiten des Oberlaufes besitzende Flüsse. (Reisen in 
Afrika IH, S. 369). 

4) Junker, I, S. 451— 452. 

ß ) Junker (I, S. 447) fand ihn zum ersten Mal bei Gosa in- einer tiefen 
Depression mit Krümmungen eilend. Oberhalb Gosa besitzt der Aire alle Eigen- 
schaften des Oberlaufes (Junker, I, S. 371, 385)« 

* 6 ) Schweinfurth hält ihn für 300 km lang und hat im Januar 1871 nnter 
7°25'n. Br. die Stromrinne 70 Fufe (23 m) breit, 10 Fufs (3 m) tief, mit nur 
40 — 50 Fufe (15 m) breitem, 2 — 3 Fufe (1 m) tiefem Wasser gefunden (S. 421) 
Vergl. S. 440 (7 35' n. Br.). 

7) Siehe Felkin, Peterm. Mitt. 1881, S. 96. 

8 ) Unter 25° 30' 6. L. war er während der Trockenzeit 100 m breit, mit 
5 m hohen Ufern. Das Überschwemmungsgebiet mufe mehrere Kilometer breit sein. 
Felkin, Peterm. Mitt. 1881, S. 96. 

9 ) Felkin, Peterm. Mitt. 1881, S. 98. 



Die Hydrographie des oberen Nil-Beckens. 337 

wie es Nachtigal annimmt 1 ), scheint sehr fraglich. Unterhalb 
1200 m fliefst gewöhnlich kein Wasser auf der Erdoberfläche 8 ). Das 
Niveau des Grundwassers schwankt mit den Jahreszeiten und ist im 
allgemeinen um so tiefer, je mehr man sich von den Marrah-Gebirgen 
entfernt 8 ). 

Südlich von Dara kann man kein ausgesprochenes Flufsbett be- 
merken 4 ). Nach Angaben von Arabern mufs der südliche Teil des 
Landes in der Regenzeit unpassierbar sein, indem er einen grofsen See 
bildet 5 ). Ob aber damit selbständige Sümpfe oder nur diejenigen des 
Bahr el Gazal zu verstehen sind, kann man nicht entscheiden. 

Wie auch die Sache liegen mag, es ist wenigstens sicher, dafs der 
Bahr el Gazal von seinen südlichen Zuflüssen den gröfsten Teil der 
ungeheuren Wassermenge erhält, welche seine verderbliche Rolle in 
der Hydrographie des Kir-Gebiets erklärt. 

Den einzigen Abflufs der grofsen Sümpfe bildet der Bahr el Abiad. 
Nach dem Sobat scheint allein der Yal als permanenter, aber stark 
periodischer Zuflufs 6 ) in sein Thal einzumünden. Ob die Gewässer des 
Kordofan den Strom, selbst in regenreichen Jahren, anders als in der 
Form von Grundwasser erreichen, ist nicht wahrscheinlich. 

So gänzlich von Zuflüssen entblöfst, verdankt der Nil nur dem un- 
geheuren Reservoir des Kir-Gebiets die Kraft, die verbrannte Öde bis 
Chartum durchfliefsen zu können. Wie sehr sein Leben von dem Leben 
des Central-Sumpfgebiets abhängig ist, zeigen mehrere Thatsachen. Bis 
nach Fashoda sind, allerdings nicht dicke, Grasbarren in den regen- 
reichen Jahren nicht selten 7 ). Während des Hochwassers kann man 
schwimmende Inseln, die aus den Grasbarren stammen, den Flufs 
hinab bis Chartum treiben sehen 8 ). Sie ziehen immer das rechte steile, 
nicht selten mit 30 Fufs hohen Sandbänken versehene Ufer entlang, 
wo der Flufs am tiefsten und die Strömung am stärksten ist 9 ). 

Das Hochwasser tritt für den Bahr el Abiad bei Chartum im April 



l ) Peterm. Mitt. 1875, s - 181—283. 

') Mason Bey, Peterm. Mitt. 1880, S. 379. 

3 ) Mason Bey a. a. O. S. 379 : um 900 m ist der Sand selten an der Oberfläche 
trocken. In £1 Fascher ist das Grundwasser 10 m tief, in der Nähe von Raima 
Foras 70 m tief. 

*) Mason Bey a. a. O. S. 379. 

5 ) Mason Bey a. a. O. S. 379. 

6 ) Kaufmann, Das Gebiet des weilsen Flusses und dessen Bewohner. In 
den sehr trockenen Jahren erreichen die Gewässer des Yal nicht das Nil- Thal. 

7 ) Junker, Reisen in Afrika II, S. 53. 

8 ) Junker, a. a. O. S. 53. 

9 ) Junker, a. a. O. Schweinfurth, Im Herzen von Afrika I, S. 59. 

24* 



338 E - de Martonne: 

ein. Es sind dies grüne, stinkende, an organischem Material unge- 
mein reiche Gewässer 1 ), die aus dem Sumpfgebiet des Kir stammen 
und in Cairo im Juni erscheinen. Das Hochwasser des Bahr el Azrak 
kommt später, es erreicht aber sein Maximum viel früher (26. August) 
als dasjenige des trägen Bahr el Abiad (12. September) 2 ). Dieser ist 
im. Mittel 1700 bis 3000 m breit, 5 m tief und zeigte im Jahre 1876 einen 
Abflufs von 369 cbm im März, 1050 im Juni, 4351 im September, 2720 
im December 8 ). 



Als Schlufswort einer Arbeit über die Hydrographie des oberen Nil- 
Beckens dürfte ein Urteil über dessen Schiffbarkeit am Platz sein. 

Während der ägyptischen Okkupation ist dieser Frage, besonders 
von Gordon, viel Aufmerksamkeit geschenkt worden. Man konnte 
sich überzeugen, dafs nicht die Stromschnellen und Fälle des Bahr 
el Djebel, sondern die Sümpfe und die Grasbarren des Kir- Gebiets 
die gröfsten Hindernisse für die Schiffahrt darbieten. 

Gegen diese Barren wurde zweimal unter Ismail Ejub Pascha (1874) 
und unter Gordon Pascha (1880) eine ganze Campagne ausgeführt 4 ). 
Mit aufserordentlich grofser Mühe konnte man den Bahr el Gazal und 
den Bahr el Djebel frei machen. Ein paar Jahre später hatten sich 
alle Grasbarren völlig wiedergebildet 5 ). 

Was die Stromschnellen oberhalb von Lado betrifft, so hat Gordon 
gezeigt, 6 ) dafs sie kein absolut unüberwindliches Hindernis sind. Das- 
selbe kann man nicht von den Murchison-, Karuma- und Ripon-Fällen sagen. 

Nach Scott Elliot soll der Kagera bis zu einem 50 Meilen vom 
Tanganyika-See entfernten Punkt schiffbar sein 7 ). 

Im grofsen und ganzen bietet der obere Nil nur drei ziemlich 
lange schiffbare Strecken dar, nämlich von Chartum bis Fashoda 
(680 km), von Gaba-Schambe' bis Lado (310 km) und von Dufile bis 
Magungo (480 km), obgleich die Schiffahrt bei Wadelai* während der 
Trockenheit manchmal gefährlich ist. 



l ) Das Wasser des Bahr el Abiad enthielt im Mai 1877 3,315 % organische 
Substanzen. (Ch61u, Le Nil, S. 19). 

3 ) VentreBey, Bulletin de la Soci6t6 Khediviale de Geographie 1894, No. 1. 

3 ) Ch61u, Le Nil, le Soudan, l'Egypte. Paris 1891, S. 17. 

4 ) Siehe Junker, Reisen in Afrika II, S. 76, und Mar no, Die Verlegungen 
im Bahr el Ghasal und deren Beseitigung im April bis Juni 1880. Peterm. Mitt. 
i88i> S. iai — 129. 

5 ) Junker, Reisen II, S. 76. 

6 ) Bulletin de la Soc. de Geogr. de Paris 1877, S. 207. 

7) Scott Elliot, A Naturalist in Mid-Africa, S. 323. 



Die Hydrographie des oberen Nil-Beckens. 339 

Die grofsen Seen hatte man schon in der Zeit der ägyptischen 
Okkupation zu benutzen versucht. Den Albert-See besuchte fast alle 
Jahre ein Dampfer. 

Dafs die auf einer viel höheren Kulturstufe als Ägypten stehen- 
den europäischen Staaten, welche die Ufer des Victoria- Sees jetzt 
besitzen, die schöne Wasserstrafse unbenutzt gelassen haben, ist nur 
durch zufällige unglückliche Verhältnisse zu erklären 1 ), denn die ägyp- 
tischen Dampfer haben in viel baumärmeren Gebieten niemals Mangel 
an Brennholz gelitten. 

Eine intensivere ökonomische Ausbeutung des Gebiets wird hoffent- 
lich Hand in Hand mit einer regeren Forschung gehen. Wie viel inter- 
essante Probleme einer Lösung noch harren, haben wir zu zeigen ver- 
sucht. Das Studium solcher Verhältnisse, wie die Sedimentation im 
Kir-Gebiet, die Seddbildung u. s. w. ist nicht nur von einem lokalen, 
sondern von einem allgemeinen geographischen Interesse. So lange 
die Mahdisten das Mittelbecken beherrschen, kann man natürlich keine 
Nachrichten von diesen interessanten Gebieten erwarten. Wir wollen 
aber hoffen, dafs in Deutsch- und Britisch -Ost -Afrika die Regen- 
messungen fortgesetzt und ausgedehnt werden, und besonders, dafs 
man regelmäfsige Beobachtungen über die Wasserstände des Victoria- 
Sees und der beiden Albert -Seen anstellen wird, welche zum Ver- 
ständnis der Niveau- und Klima-Schwankungen wertvolle Beiträge liefern 
würden. 

Die vorliegende, in knappster Weise zusammengefafste Darstellung 
erhebt keinen anderen Anspruch, als die Aufmerksamkeit auf die ver- 
schiedenen Fragen zu lenken, welche vielleicht noch lange unerledigt 
bleiben werden, und einen Anhaltspunkt für weitere Studien zu bilden. 

Anhang I. 

Bemerkungen zu der oro-hydrographischen Karte. 

Folgende Karten und Itinerare sind benutzt worden: 

Für Kordofan: Marno, Karte von Kordofan nach den Aufnahmen 
der Aegyptischen Expedition unter Kommandant Prouth, und den eige- 
nen, i : i ooo ooo in Marno, Reisen in der Aegyptischen Äquatorial-Pro- 
vinz und in Kordofan. Wien 1878. 

Für Darfur: Mason Bey, Originalkarte von Darfur 1:2500000. 
Peterm. Mitt. 1880, Tafel 18. Die Höhenangaben von Nachtigal 
(Originalkarte von Wadai und Dar-For 1 14 500000. Peterm. Mitt. 1875, 
Tafel 15) sind, soweit es möglich war, benutzt worden. Felkin's 



') Allen ist die Geschichte des musglückten Versuches, einen deutschen 
Dampfer nach dem Victoria-Nyansa zu transportieren, wohlbekaunt. 



340 E. de Martonne: 

Itinerar (Originalkarte einer Reiseroute von Ladö bis Dara. Peterm. 
Mitt. 1881, Tafel 4, 1:2000000) ist für den südlichen Teil zur Er- 
gänzung eingesehen worden. 

Für den Lauf des Bahr el Abiad von dem Kir-Gebiet bis Chartum: 
Spezi alkarte vom mittleren Ost-Sudan, hauptsächlich auf Grundlage von 
E. dePruyssenaere's astronomischen und trigonometrischen Messungen 
bearb. von K. Zöppritz 1:1000000. Peterm. Mitt., Ergänzungshefte 
50-51, 2 Bl. 

Für den Sobat : Der Sobat von der Mündung bis zur Station Nasser, 
aufgen. von Dr. W. Junker 1876 1:1200000 in Junker, Reisen in 
Afrika I, Tafel 5, S. 269. 

Für das Kir-Gebiet: E. Marno's Aufnahme des mittleren Bahr el 
Abiad und des Bahr el Seraf, Sept. 1879 bis März 1880. Nach dem 
Original -Tagebuch und handschriftlichen Skizzen construirt und auto- 
graphirt von Chr. Peip. 1:500000. Peterm. Mitt. 1881, Tafel 20. 
Der obere Bahr el Ghasal nach der Aufnahme von F. Lupton-Bey 
im Dampfer Talahwim Nov. 1881. 1:500000. Peterm. Mitt. 1883, 
S. 34 und E. Marno's Aufnahme des Bahr-el-Ghazal im ägyptischen 
Dampfer „Borden", Jan. u. März bis Juni 1880. 1 : 500 000. Peterm. 
Mitt. 1882, Taf. 6. 

Für das Quellgebiet des Yal: J. M. Schuver's Originalkarte der 
Quellgebiete der Flüsse Tumal, Jabus und Jäl. Nach Forschungen in 
den Jahren 1881 und 1882. 1:500000. Peterm. Mitt. 1883, Taf. 4. 

Für die Gebiete westlich vom Bahr el Djebel: fast ausschliefslich 
die musterhafte Originalkarte von Dr. W. Junker' s Forschungen in 
Central-Afrika von B. Hassenstein. 1:750000. Peterm. Mitt., Er- 
gänzungsh. 92 und 93, 4 Bl. Doch wurden für den östlichen Teil auch 
die Originalkarten der Reisen Dr. Emin Bey's (Peterm. Mitt. 1883, 
Taf. 8. 1:1 oöo 000 und Tafel 12. 1 : 500 000) benutzt. Die rohe Skizze 
der Exploration Nilis et de la Kdthulle (Carte provisoire du 
Bassin du Kotto, Bali et Shinko, Mouvement Glographique 1895 No. 24) 
bringt nicht viel Neues. 

Für die Gebiete östlich des Bahr el Djebel: Originalkarte der 
neuesten Routen-Aufnahmen von Dr. Emin-Bey und Mr. F. Lupton 
im Gebiete der Bari, Lattuka und Schuli 1880 u. 1881. 1:500000. 
Peterm. Mitt. 1882, Taf. 12 und Originalkarte der neuesten Reisen 
des Dr. Emin-Bey im Lande der Madi und Schuli 1880 u. 1881, von 
B. Hassenstein. 1:500000. Peterm. Mitt. 1882, Taf. 15. 

Für den nordwestlichen Teil des Seen-Plateaus: besonders Kiepert's 
Übersichtskarte der Expedition des Dr. Emin Pascha 1890—92. 
1 : 3 000 000 in Stuhlmann : Mit Emin Pascha ins Herz von Afrika, 
Berlin' 1894. Für das Runsoro- und Nkole-Gebiet bleibt selbst nach 



Die Hydrographie des oberen Nil-Beckens. 34 \ 

dem Erscheinen der Karten von Scott El Hot (A Map of a 
Part of East Africa. 1 : 2 000 000, und A Sketch map of Ruwenzori. 
1:500000) Ravenstein's Karte: Parts of Uganda and neigh- 
bouring countries to illustrate the explorations of Captain F. D. Lugard 
1891 - 92. 1:1 000 000. Proceed. of the R. Geogr. Society, 1892 Decem- 
ber, noch die beste Quelle. 

Junker's Reiseroute durch Bunyöro und Buganda, Jan. bis Juli 1886, 
(Peterm. Mitt. 1891, Taf. 1. 1 : 500 000) giebt eine für die Höhen Ver- 
hältnisse des Zwischensee-Plateaus sehr interessante Serie von Höhen- 
messungen. Dazu kommt die neu erschienene Karte von Vandeleur. 
(Map of Uganda and Unyoro showing the survey by C. F. S. Vande- 
leur 1895. Geogr. Journal IX 1897. April. 1 : 1000 000.) 

Die in dem Mouvement Göographique (1897 No. 8) erschienene 
Skizze des Kivu-Sees und des Rusisi ist auch berücksichtigt worden. 

Für die Gebiete südwestlich vom Victoria-Nyansa : vor allem Kie- 
pert undMoisel, Reiseweg des Lieutenants Graf von Götzen 1893 — 94, 
1 : 1 250 000, Blatt 2, welche eine leitende Relief-Darstellung giebt. Zur 
Ergänzung: das 4 Blatt der musterhaften Originalkarte des nördlichen 
Deutsch-Ost-Afrika von Bau mann und Hassenstein. 1:600000. 
Peterm. Ergänzungsheft No. in, sowie die Routenskizze des Marsches 
durch Karagwe und Mpororo (Expedition Dr. Emin Pascha), aufgen. 
von Dr. F. Stuhlmann. 1 : 500 000. (Mitt. aus den Deutschen Schutz- 
gebieten 1892, Taf. VIII), und die früher erwähnte Karte von Scott 
Elliot, Map of a part of East Africa. 1 : 2000000. Die letzte bringt 
nicht viele neue Höhenmessungen, und zwar sind diejenigen, welche 
den Kagera betreffen, mit den von Stuhlmann und Baumann ganz in 
Widerspruch. 

Für die Gebiete südöstlich vom Victoria-Nyansa: fast ausschliesslich 
die drei ersten Blätter der Bau mann' sehen Karte. Zur Ergänzung: das 
erste Blatt des Reiseweges des Grafen von Götzen und Gregory's Map 
illustrating a Journey to Mount Kenya and Lake Baringo. 1 : 1 000 000. 
Geogr. Journal 1894, October. (Das grofse Werk von Gregory (The 
great Rift Valley, London 1896, mit 2 Karten und drei Kärtchen ist 
mir leider unzugänglich geblieben.) Die Höhenangaben der Karte von 
Höhnel, welche die Baumann'sche Karte nicht giebt (Original-Routen- 
karte von Graf Samuel Teleki, Forschungsreise 1887—88, aufgen. von 
L. R. von Höhnel. 1 1750 000, Bl. I und II), sind auch berücksichtigt 
worden. 

Für die Gebiete nordöstlich vom Victoria-Nyansa hauptsächlich: 
Karte der Gebiete von Deutsch- und Britisch-Ost- Afrika zwischen dem 
Victoria-Nyansa und dem Kenia. Mit Benutzung der Routen-Aufnahme 
Dr. G. A. Fischer's von B. Hassenstein. 1:750000. Peterm. Mitt. 



342 E. deMartonne: Die Hydrographie des oberen Nil-Beckens. 

1895, Taf. I« Die nicht eingetragenen Höhenmessungen der englisch ei 
Eisenbahn-Expedition (Mombasa — Victoria Lake Railway, surveyed n 
1892 by Captain Macdonald, Captain Pringle, Lieut. Twining, LietL 
Austin, Sergt. Thomas. 1 : 1 000 000. Geogr. Journal 1893, II. August) 
haben wir zu benutzen versucht. Für den Elgon-Berg wurde Hobler '5 
Map of Mount Masawa (Mount Elgon). 1 : 500 000. Geogr. Joumai 
1897, IL February. benutzt. 

Für das Rudolf- Seebecken: Das südliche Schoa und die nörd- 
lichen Gebiete der Galla und Somäl von B. Hassenstein. 1 : 2 00000a 
Peterm. Mitt. 1897, Tafel 2. Zur Ergänzung das dritte Blatt der 
Höhnel'schen Karte. 

Die Sesse-Inseln sind nach der Originalkarte einer Forschungs- 
reise auf den Sesse-Inseln, aufgen. von Pater Brard 1893 (Peterm. 
Mitt. 1895, Taf. 11), 1:300000, gezeichnet worden. Ukerewe nach der 
Karte von demselben (Peterm. Mitt. 1897, Taf. 7). 1:750000. Natür- 
lich haben mir auch sorgfältige Gesamtdarstellungen wie die Karte von 
Deutsch Ost-Afrika 1 : 300 000 von Kiepert und Moisel einige Dienste 
geleistet. 

Aus dieser Aufzählung kann man verstehen, dafs ich ältere Quellen 
benutzt habe, nur insofern sie nicht in früheren Karten berücksichtigt 
worden waren oder mit neueren guten Quellen in Übereinstimmung 
gebracht werden konnten. 

Zum Schlufs möchte ich noch darauf hinweisen, dafs man bei der 
Herstellung einer hypsometrischen Karte von Afrika durch die rohe 
Bearbeitung des Ziffernmaterials zu den schlimmsten Resultaten ge- 
führt werden könnte ; nicht nur, weil in den besten Karten grobe Fehler 
vorkommen, sondern weil die Reisenden mit Vorliebe die Höhe von 
isolierten Gipfeln oder tief eingeschnittenen Thälern bestimmen. Es 
mufs eine gewisse Interpretation stattfinden, welche sich auf die Relief- 
Darstellung und die Schriftangaben detaillierter Itinerare oder besser 
auf die Reisebeschreibungen (wenn der Reisende auf die Bodenplastik 
ziemlich aufmerksam geworden ist) stützen kann, immer aber etwas 
unsicher sein wird. Aufserdem sind die verschiedenen Serien von Baro- 
meter-Ablesungen, welche von verschiedenen Reisen stammen, sehr 
selten in Übereinstimmung zu bringen. Wir können nicht weiter dar- 
auf eingehen. Aus allem früher Gesagten wollen wir nur das her- 
vorheben, dafs man bei solchen Gelegenheiten eine Korrektion von 
10 bis 20 m an Höhenangaben ausfuhren kann, um eine wichtige Linie 
der Bodenplastik mehr hervortreten zu lassen. Übrigens haben wir 
hiervon nur selten Gebrauch gemacht. 



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A. Galle: Dr. A. Pbilippson's barometrische Höhenmessungen. 343 



Dr. A. Philippson's barometrische Höhenmessungen 
auf den griechischen Inseln des Ägäischen Meeres*). 

Berechnet von Dr. A. Galle. 

Die Messungen wurden in der Zeit vom Mai bis Juli 1896 mit dem 
Aneroid Bohne Nr. n 13 ausgeführt, welches Dr. Philippson bereits auf 
seinen Reisen nach dem Peloponnes 1887 — 1888 und 1889 (vergl. Zeit- 
schr. 1889, S. 331) verwendet und Dr. von Drygalski 1892 — 1893 auf seine 
Expedition nach Grönland mitgenommen hatte. Es ist im Anfang 
1892 repariert und bald darauf, sowie im Februar 1894, von der Physi- 
kalisch-Technischen Reichsanstalt untersucht worden. Auch hat Dr. von 
Drygalski viele Vergleichungen mit Quecksilber - Barometern vorge- 
nommen. Die Stand - Korrektionen des bei der grönländischen Ex- 
pedition übrigens nicht in erster Linie benützten Instruments waren 
bedeutend angewachsen, und es ist eine nochmalige Reparatur und 
neuerdings eine weitere Prüfung durch die Reichsanstalt im März 1896 
ausgeführt worden. Da eine Übereinstimmung im Gange der jetzt 
wieder verkleinerten Stand-Korrektionen mit den früheren nicht vor- 
handen ist, war ich genötigt, mich auf die letzten Prüfungsergebnisse 
zu beschränken. Es hat sich bei dieser Prüfung und ebenso bei der 
Berechnung der Höhenmessungen gezeigt, dafs trotz der vor nicht 
langer Zeit vorgenommenen Instandsetzung das Instrument, wahr- 
scheinlich in Folge von Unreinheit, eine geringere Zuverlässigkeit als 
früher besitzt, worauf die Reichsanstalt durch die folgende Bemerkung 
hinweist: „Gröfsere Schwankungen in den Angaben des Aneroids, 
welche sich bei den Beobachtungen im Verlaufe der Prüfung und bei 
der Bestimmung der (übrigens sehr geringen) Temperaturkorrektion 
mehrfach zeigten, lassen vermuten, dafs das Instrument unrein geworden 
ist und einer Instandsetzung bedarf." Obgleich sich eine elastische 
Nachwirkung bei der Prüfung dadurch zeigte, dafs die Korrektion sich 
nach längerer Ruhe änderte, so reichte doch das Material nicht aus, 
ihren numerischen Betrag daraus abzuleiten, und da aufserdem bei der 
Kleinheit des Unterschiedes zwischen den bei abnehmendem und zu- 
nehmendem Druck erhaltenen Resultaten, wie aus der obigen Be- 
merkung bereits hervorgeht, einige Unsicherheit im Gange der 
Korrektionen bestehen bleibt, so schien es mir gerechtfertigt, von 
etwa 40 zu 40 mm fortschreitend Mittelwerte anzunehmen. 



*) Siehe auch Verhandlungen d. Ges. f. Erdkunde zu Berlin, 1897, s - t^S. 



344 A. Galle: 

Eine Prüfung, ob die mit diesen Korrektionen berechneten Baro- 
meterstände befriedigende Resultate liefern, versuchte ich zu nachr. 
durch die zahlreichen im Meeresniveau angestellten Messungen n 
erlangen, die im Mittel eine geringe positive Höhe ergaben, während 
sich die Unsicherheit der einzelnen Bestimmung auf etwa zb hl 
stellte. Sodann waren an 6 Punkten auch noch zwei mitgefühlte 
Siede-Thermometer: Fuess Nr. 165 und Nr, 170, die der Gesellschaft 
fttr Erdkunde gehören, abgelesen worden. Der Umstand, dafs ihre 
gegenwärtigen Korrektionen nicht bekannt sind und die Ablesung 
ebenfalls nahe der Meeresküste erfolgte, liefs nur den Schlufs zu, dafs 
systematisch fortschreitende Abweichungen nicht vorhanden waren. 
Eine in der Mitte der Reise vorgenommene Vergleichung mit einem 
Quecksilber-Barometer ergab eine Korrektion von -+- 0,25 mm. D* 
vereinzelte Male gleichzeitig abgelesene Aneroid Bohne Nr. 165c 
welches auf der Reise nach Nord- und Mittel-Griechenland verwendet 
worden war (vergl. Zeitschr., 1894, S. 261) und seitdem keiner 
erneuten Prüfung unterworfen worden ist, wurde nicht weiter berück- 
sichtigt. 

Einen weiteren Anhalt ergaben noch die mehrmaligen Messungen 
an denselben Stationen, bei denen ein Einflufs der Druckänderung im 
Sinne des Fallens oder Steigens sich nicht gezeigt hat. Dagegen er- 
reichten die Abweichungen der Werte untereinander, die von der 
Standkorrektion naturgemäfs fast unabhängig sind, bisweilen gröfsere 
Beträge, die also, da auch keine zeitliche Änderung sich darin aus- 
spricht, einer nicht wohl in Rechnung zu ziehenden Unzuverlässigkei: 
des Instruments zuzuschreiben sind, soweit nicht die Fehler der 
Barometerstände im Meeresniveau die Schuld tragen. Aus der Gesamt- 
heit dieser 50 Ablesungen an 13 Stationen wurde als mittlerer Fehler 

Höhenbestimmung l/— = db 10,5 m gefunden, also sehr nahe 

V 37 

übereinstimmend mit der aus den Messungen im Meeresniveau ge- 
fundenen Unsicherheit. 

Für Mai und Juni lagen die Barometer- und Thermometer-Ab- 
lesungen aus Athen und Thera vor, für Juli aus Athen und Volo. Auf 
den beiden letztgenannten Stationen sind zu drei Tageszeiten Be- 
obachtungen angestellt, in Thera nur morgens. 

Ebenso wie die Reichsanstalt, mit deutlicher Hervorhebung in 
ihren neueren Prüfungsbescheinigungen, die Reduktionen der Aneroide 
auf ein Quecksilber-Barometer angiebt, das auf o° Temperatur und 
die Schwere im Meeresspiegel unter 45° Breite bezogen ist, habe ich die 
bereits auf o° und das Meeresniveau reduzierten Barometerstände der Ver- 
gleichsstationen noch auf 45 ° Breite bezogen und für die einzelnen Inseln 



einer 



A^^^^lk 



Dr. A. Philippson's barometrische Höhenmessungen. 345 

iliren Entfernungen von den in Betracht kommenden beiden meteorolo- 
gischen Stationen entsprechend interpoliert. Für Mai und Juni waren 
vorher die ziemlich regelmäfsig verlaufenden Differenzen zwischen den 
^Morgenbeobachtungen in Athen und Thera zur Ableitung der Barometer- 
stände in Thera für die Beobachtungszeiten verwendet worden. Da keine 
synoptischen Karten vorlagen, so war das einfache Interpolationsverfahren 
^wohl allein möglich. Auch die Temperaturen habe ich ebenso be- 
handelt, obgleich .hier der Inselstation Thera wegen der im Archipel 
zu dieser Jahreszeit niedrigeren Temperatur ein gröfseres Gewicht 
hätte zugeteilt werden müssen. Indes wäre dieses kompliziertere Ver- 
fahren ohne erheblichen Einfiufs auf die Resultate geblieben, da auf 
volle Temperaturgrade abgerundet wurde. 

Im übrigen ist bezüglich der Rechnung, die wieder mit Hilfe der 
Jordan'sche Tafel ausgeführt, aber auf die Breite von Athen bezogen 
wurde, auf die früheren Berechnungen von Dr. Philippson's Höhen- 
messungen (Zeitschrift, 1889 11. 1894) zu verweisen. Da das Aneroid 
bei dieser über zahlreiche Inseln ausgedehnten Reise sehr häufig auch 
im Meereshorizont abgelesen wurde, so ist durch die Einschaltung der 
Höhenstationen zwischen je zwei auf einander folgende Küstenstationen 
etwaigen kürzere Zeit andauernden Veränderungen der Standkorrektion 
Rechnung getragen. 

Die Resultate sind für die einzelnen Inseln von Dr. Philippson 
zusammengestellt worden. Die Höhenangaben sind in Metern zu ver- 
stehen. Bei denjenigen Punkten, wo Angaben der Britischen Seekarte 
vorhanden sind, wurden diese nicht sehr zuverlässigen Werte in Meter 
umgerechnet hinzugefügt. 

Insel Andros. 

m na 

Pafshöhe zwischen Gävrion Pafshöhe H. Ufas 642 

und Phellös in Kryone'ri (Quelle am Pe'talo) 775 

Kirche von Phell6s 159 Pafshöhe Pe'talo 965 

Pafshöhe zwischen Phellös Zweiter Bergrücken am Pdtalo 936 

und Kaliväri 306 Pafshöhe zwischen Stadt An- 

Kaliväri 285 dros und Korthf 474 

Rücken nördlich von Kali- Pafshöhe zwischen Korthf und 

väri 321 dem Kloster 645 

Bach oberhalb Varfdi 124 Pafshöhe zwischen Stadt An- 

Megalochoriö, oberer Teil 425 dros und Palaeöpolis 569 

Insel Tinos. 

Sattel H. Marfna 203 Ano Maria 2^ 

Pafshöhe bei Hyst^rnia 343 Kelliä 66 



346 A - Galle: 

m b 

do. do. Britische Karte 361 Exöburgo 553 

Pyrgos 116 Stenf 40: 

Insel Syros. 

H. Paraskevf 255 Joch zwischen Pyrgos und 

Pyrgos, höchster Gipfel der Käppari 31S 

Insel 451 Wasserscheide auf dem Wege 

do. do. Britische Karte 431 von der Stadt nach della 

Grazia 1 u 

Insel Klos (Kea, Tziä). 
Stadt, Haus Hieromnfmona, Thalwasserscheide am Ur- 

1. Stock 306 sprung des Spathf 446 

Stadt, Oberes Ende 381 Prophft-Ilf as l ) 56c 

Pafshöhe zwischen Stadt und do. Britische Karte 56$ 

Kastrf 334 Bergrücken südlich von Sasträ 534 

Höhe über Kastrf 315 H. Simeön 445 

Kälamos 67 Chavunä 323 

Pafshöhe zwischen Stadt und H. Theödoros 421 

dem Prophft-Ilfas 472 Kloster H. Marina (antiker 

Turm) 18$ 

Insel Kythnos (Thermia). 

Kloster H. Geörgios 219 Prophit-Ilfas 326 

do. Britische Karte 201 do. Britische Karte 213* 

Hevraeökastro, etwa 20m unter Silläkka jqo 

dem Gipfel 134 Höhe südlich Silläkka 306 

Chöra 160 Kloster Stratolätissa 240 

Insel Paros. 

Eingang der alten unterirdi- Prophft-Ilfas, höchster Gipfel 

sehen Marmorbrüche 182 der Insel, Britische Karte 771 

Kloster Psachnä 366 Tsipfdi 29 

Joch westlich vom Prophft-Ilfas 626 Pafshöhe zwischen Naüsa und 

Prophft-Ilfas, höchster Gipfel Parikiä 109 

der Insel 750 

Insel Antiparos. 
Eingang der Höhle 177 Joch auf dem Bergrücken west- 

lich der Höhle 225 

!) Der Berg H. Pantaleimon scheint noch etwas höher als der Prophit- 
Ilfas zu sein. Ph. 

2 ) Diese Angabe der Seekarte ist viel zu niedrig, meine Messung in diesem 
Falle richtiger. — Der höchste Gipfel der Insel scheint der von mir nicht be- 
stiegene Kakävolos zu sein, etwa 20 m höher als der Prophft-Ilias. Ph. 



Dr. A. Philippson's barometrische H oben m essungen. 



347 



Insel Näxos. 



^afshöhe auf dem Weg von 

der Stadt nach Kynfdaros 402 
eCynfdaros 390 

Pafshöhe oberhalb Keramotf 662 
Höchste Stelle des Weges nach 

Komiakf 883 

Klomiaki 567 

Pafshöhe zwischen Komiakf 
und yöthri 646 



Vöthri 542 

Apfranthos 601 

H. Joännis 637 

Oziä, höchster Gipfel der Insel 1004 

do. do. Britische Karte 1003 
Joch H. Marfna bei Philöti 595 

Philöti, Platz 380 

Joch bei Palae6kastro 332 



Stadt, Haus Lorentziädis 
Pafshöhe H. Dimftrios 
Pafshöhe Vunf 
Psaröpyrgos 

Pyrgos, höchster Gipfel 
Insel 



270 

358 
278 



Stadt, Bürgermeisteramt 

Tziküra 

Karpasäs 

Höchster Punkt des den öst- 
lichen Teil der Insel durch- 
ziehenden Weges 352 



Insel los (Niö). 

107 Pyrgos, höchster Gipfel der 

267 Insel, Britische Karte 735 

388 Rücken des Gebirges, wo der 

84 Abstieg nach Kälamos be- 

der ginnt 564 

717 H. Joännis Kälamos 236 

Insel Sikinos. 

Episkopf 333 

H. Marfna 451 

Hypsilö Petäli, etwa 20 m unter 

dem Gipfel 423 

Pafshöhe auf dem höchsten 

Rücken der Insel 529 l ) 



Insel Phollgandros (Polykandro). 



Stadt, Haus des Bürgermeisters 
de Cavalla 208 

Schmälste Stelle der Insel 136 

Merovfgli, Gipfel, visiert durch 
Horizontglas 314 

do. do. Britische Karte 312 

Insel Anaphi. 

Stadt, Polizei-Kaserne 
„ Kästro 



H. Elevthenos, höchster Gipfel 
der Insel 4 11 

do. do. Britische Karte 415 

Palaeökastro 363 



Chöra 



212 Vfgla, höchster Gipfel der Insel 584 
256 Windmühle beim Kloster 107 

Insel Amorgös. 

301 Joch auf dem Wege nach Gialf 397 



Wasserscheide bei der Chöra 321 Exomeriä 



271 



!) Der höchste Gipfel der Insel liegt etwas südostlich von diesem Punkt und 
dürfte etwa 600 m hoch sein. Ph. 



348 A. Galle: Dr. A. Philippson's barometrische Höhenmesstrogen. 

m ■ 

Prophft-Ilfas, etwa ioom unter Langäda 2:- 

dem Gipfel 586 Vürtsi, westliche Windmühle ik 

Insel Sköpelos. 
Pafshöhe bei Staphylo 75 Gipfel nördlich von Glössa 35: 

Pafshöhe zwischen Agnöntas Glössa r?- 

und der Stadt 194 Psilö, höchster Gipfel der 

Pafshöhe zwischen der Stadt Insel 6S ; 

und Pänormos 228 do. do. Britische Karte 655 

Intel Halönisos (Chiliodrömia). 
Dorf, Windmühle 190 Beginn des Abstieges nach H. 

Dimftrios j:S 

Insel Kyra Panagiä (auf den Karten fälschlich Pelagonfsi). 
Nissätika, Gipfel mit trigono- Kloster 55 

metrischem Signal 1 ) 349 

do. do. Britische Karte 317 

Insel Oiüra. 
Kloster 113 

Insel Skiathos. 
Gipfel Karaphitzanelka 421 Höhe zwischen H. Charälampos 

Gipfel Skia, der höchste der und der Stadt ca 

Insel 435 Pafshöhe hinter H. Antonios iS; 

Pafshöhe zwischen Palaeö- Pafshöhe hinter H. Joannis 241 

kastro und H. Charälampos 355 Thalwasserscheide im west- 
lichen Teil der Insel 8: 

Insel Skyros. 

Stadt, Haus im unteren Teil 82 Könchilas, höchster Gipfel der 

„ Kästro, Dach der „Phy- Insel 814 

lakf" 179 do. do. Britische Karte 782 

Katünaes Trachy 171 Joch nördlich des Daphnl 455 

Joch bei den Chromitgruben 292 Mandrf Salamä 440 

Hypsilä Rhächi 352 Antiker Steinbruch „stas Le- 

Hochebene Kanele*tto 544 känaes" 26; 



l ) Im nordwestlichen Teil der Insel scheint ein Gipfel noch etwa 30 a 
höher zu sein. Ph. 



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Mitglieder der Gesellschaft für Erdkunde erhalten bei Bestellung an das General« 
Sekretariat obengenannte Werke zu besonderen Vorzugspreisen. 



$ Verlag von Dietrich Reimer in Berlin 

JJ (Ernst Vohsen). 

1 * 

<Ä Soeben ist erschienen: 



J Verhandlungen 



des 



i Zwölften Deutschen Geographentages 

5 zu Jena 

J am 2i., 22. und 23. April 1897. 

^ Herausgegeben 

JJ von dem ständigen Geschäftsführer des Centralausschusses 

^ des Deutschen Geographentages 

| GEORG KOLLM, 

^x Hauptmann a. D. 

<Ä> Mit sechs Tafeln, 
«fr 

.* Preis geheftet 6 Mark. 

# ..- - .— 

J Berlin, im Dezember 1897. 



Wir versenden gratis und franco an Interessenten 
Antiquariats -Katalog No. 68; 

Länder- u. Völkerkunde 

No. 88: französ. Belletristik, No. 89: englische Belletristik, 
No. 90: Geschichtswerke, No. 92: Deutsche Belletristik. 

v. Zahn & Jaensch, 

Antiquariat, Dresden, Schlofs-Str. 24. 

Grosses Lag-er von Städteansichten älterer Zeit 



* Für die Redaktion verantwortlich: Hauptmann a. D. Kollm in Charlottenburg. 

Selbstverlag der Gesellschaft für Erdkunde. Druck von W. Pormett« in Berlin 



AUG 2 91929 



:-d 



ZEITSCHRIFT 



iA,4tl 



DER 



GESELLSCHAFT FÜR EROKUNDE 

ZU BERLIN. 



Band XXXII - 1897 — No. 6. 



Herausgegeben im Auftrag des Vorstandes 
von dem Generalsekretär der Gesellschaft 



Georg Kollm, 

Hauptmann a. D. 



Inhalt. 



Seite 



Begleitworte zur Karte des Östlichen Teils der Insel Neu -Pommern von 
Frhr. von Schleinitz. (Hierzu Tafel ii.) 349 

Reise im Gebiet des oberen Amazonas. Von Dr. A. Rimbach. (Hierzu 
Tafel ti.) . 360 



Tafel 11 : östlicher Teil von Neu - Pommern. Aufgenommen von Frhr. von Schleinitz. 

Mafsstab z : 500 000. 
Tafel 12 : Skizze der Flufs - Systeme des Santiago, Morona, Pastaza, Chambira und Tigre. 

Entworfen von Dr. A. Rimbach. Mafsstab 1:3000000. 



LONDON E. C. 

SAMPSON LOW & Co. 

Fleet-Street. 



BERLIN, w.8. 
W. H. KÜHL. 

1897. 



PARIS. 

H. LE SOUDIER. 

174 & 176. Boul. St. Germain. 



Veröffentlichungen der Gesellschaft im Jahr 1898. 

Zeitschrift der Geaellschaft für Erdkunde zu Berlin, Jahr- 
gang 1898 - Band XXXIII (6 Hefte), 

Verhandlungen der Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin. 
Jahrgang 1898 — Band XXV (10 Hefte). 

Preis im Buchhandel für beide: 15 M., Zeitschrift allein: 12 M„ Ver- 
handlungen allein: 6 M. 



Beiträge zur Zeitschrift der Gesellschaft für Erdkunde werden mit 
50 Mark für den Druckbogen bezahlt, Original-Karten gleich einem Druckbogen 
berechnet. 

Die Gesellschaft liefert keine Sonderabzüge; es steht jedoch den Verfassen 
frei, solche nach Übereinkunft mit der Redaktion auf eigene Kosten anfertigen 
zu lassen. 

Alle für die Gesellschaft und die Redaktion der Zeitschrift unc 
Verhandlungen bestimmten Sendungen — ausgenommen Geldsendungen 
— sind unter Weglassung jeglicher persönlichen Adresse an die. 

„Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin SW. 12, Zimmerstr. 90", 

Geldsendungen an den Schatzmeister der Gesellschaft, Herrn 
Geh. Rechnungsrat Btttow, Berlin SW. Zimmert.tr. 90, zu richten. 



Die Geschäftsräume der Gesellschaft — Zimmerstralse 90. II — sind, 
mit Ausnahme der Sonn- und Feiertage, täglich von 9 — 12 Uhr Vorm. und voe 
4 — 8 Uhr Nachm. geöffnet. 



Soeben ist im Verlag VOn W. H. Kühl, Berlin W. 8, erschienen: > 



Grönland - Expedition 



* 

der X 

Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin > 

1891— 1893. * 

* 

Unter Leitung > 

Erich von Drygalski. J 

> 

Herausgegeben von der > 

Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin. i 

* 

Zwei Bände, grofs 8°, mit 85 Abbildungen im Text, 53 Tafeln und 10 Karten. ♦ 

Preis für beide Bände geh. 45 M. > 

— > 



*b Vorzugspreis für Mitglieder der Gesellschaft für Erdkunde bei Bestellung an das > 

J? General-Sekretariat. * 



Begleitworte zur Karte des östlichen Teils der Insel 

Neu -Pommern. 

Von Frhr. von Schleinitz. 
(Hierzu Tafel n.) 
I. Nordküste. 

Die Nordküste des östlichen Teils der Insel Neu-Pommern wurde 
auf einer Fahrt von Finschhafen nach der Blanche-Bai mit dem Dampfer 
„Isabel" der Neu -Guinea-Kompagnie im September 1887 aufgenommen, 
bei welcher vorher festgestellt worden war, dafs die auf ungefähr dem 
150. Längengrad gelegenen, weit nach Norden ausspringenden Landes- 
teile, die bisher als Raoul-, Willaumez- u. s. w. Inseln in den Karten 
erschienen, in Wirklichkeit eine starkgegliederte, vulkanische Halb- 
insel bilden. 

Die von mir aufgenommenen Teile der Küste sind in die Karte 
mit fortlaufender, die nicht von mir selbst festgelegten oder nur un- 
genau bestimmten mit durchbrochener Linie eingetragen. 

Sobald man die nördlichste Spitze der vorerwähnten Halbinsel, das 
Kap Hollmann, rundet, fallt neben der kleinen gewölbten Fitz-Insel 
eine Gruppe prächtiger Kegelberge im Südosten in die Augen. Zwei 
dieser Kegel nehmen sich von hier wie ganz ähnliche, sich aus ein 
und derselben Basis erhebende Zwillingsberge aus und sind daher in 
den bisherigen Karten als Zweispitzen-Berg bezeichnet worden. In 
Wirklichkeit liegt der eine gröfsere, etwa 1000 m hohe Kegel, der 
Berg Engler, einige Meilen südlicher als der andere und steht gar nicht 
in Verbindung mit ihm. Letzterer, die Berggruppe Credner, ist nie- 
driger und besteht aus einem grofsen und einem aus weiterer Ferne 
kaum sichtbaren kleinen Kegel. Von ihr erstreckt sich eine 50 bis 
100 m hohe Terrainfalte stidwestwärts. 

Die grofse Stettiner Bai, welche zwischen diesen Bergen und der 
Admiral-Halbinsel liegt, wird ganz von bergigem Lande eingeschlossen 
weist jedoch überall aufser im Westen ein mehrere Seemeilen breites 
ebenes Vorland auf, das sich um die erwähnte Berggruppe herum 
weiter nach dem Innern erstreckt. Namentlich besitzt die Ebene, 
welche irr die Kaps Mc. Cullock und Hoskins ausläuft und aus welcher 

Zeitschr. d. Ges. f. Erdk. Bd. XXXII. 1897. 25 



350 Frhr. von Schleinit«: 

sich der, einen sehr regelmäfsigen Kegel bildende, etwa sechs See- 
meilenwestlich von der Credner-Gruppe gelegene BergAuwers erhebt, eine 
grofse Ausdehnung. Hinter diesen vulkanischen Bergen und dem an- 
scheinend einer älteren geologischen Formation angehörenden Berg- 
zuge, welcher die Stettiner Bai im Süden begrenzt, ist in Entfernung 
von etwa 20 Seemeilen ein höherer Bergrücken sichtbar, dem in süd- 
östlicher Richtung ein steiles Hörn aufgesetzt ist und der, in ost- 
nordöstlicher Richtung ganz allmählich abflachend, mit einem flach- 
kuppigen Berge abschliefst. 

Wie fast tiberall in Neu-Pommern sind Berge und Vorland, welches 
hier von mehreren Wasserläufen durchfurcht wird, dicht bewaldet. Im 
Süden der Du Faure-Insel bei einem Bach landend, fand ich wohl- 
betretene Eingeborenenpfade und bemerkte im Dickicht auch Eingeborene, 
die aber sofort verschwanden. Vermutlich waren wir die ersten Euro- 
päer in dieser Gegend, wodurch sich ihre Scheu erklärt. Die Strafse 
zwischen der Du Faure-Insel und dem Lande ist riffrein, schien aber 
nicht besonders tief zu sein; kleinere Fahrzeuge werden im Schutz 
der Insel ankern können, doch liegen eine ganze Anzahl gefahrlicher 
Riffe ein bis zwei Seemeilen nordwärts der Insel, auf deren einem die 
„Isabel" fest kam, und desgleichen etwa fünf Seemeilen nordöstlich. 

Sonst scheint die Stettiner Bai, abgesehen von den südwärts der 
Fitz-Insel, nicht fern der Küste gelegenen, ziemlich ausgedehnten 
Riffen und einer Stelle zwischen Fitz- und Jenkins-Insel, wo das 
Wasser unrein aussah, der Navigierung Gefahren nicht entgegen- 
zustellen. 

Wir nahmen unseren Kurs von der Du Faure-Insel parallel mit 
der Küste, in etwa vier Seemeilen Entfernung von derselben, auf die 
Jenkins-Insel zu, die wir im Süden auf t Seemeilen Entfernung 
passierten. 

Die Kaps Mc. Cullock und Hoskins sind flach auslaufende Spitzen 
des ebenen Landes; auch weiter östlich, also südlich von der Commodore- 
Bai, wo die Bergzüge weit zurücktreten, ist ausgedehntes Flachland. 
Aus der Gegend bei der Jenkins-Insel konnte ich in südlicher Rich- 
tung gebirgiges Land überhaupt nicht sehen, sodafs ich den Eindruck 
gewann, als erstrecke sich das flache Land hier bis in die Nähe der 
Südküste von Neu-Pommern. Aus dieser Ebene erhebt sich dann aber 
nordostwärts, in sehr flacher Böschung ansteigend, ein Gebirgszug, 
dessen obere Teile in Wolken gehüllt waren, und an dessen westlichem 
Fufs sich die weiter nördlich gelegenen, später zu erwähnenden mäch- 
tigen Vulkane auftürmen. 

Auf die Commodore-Bai zu, deren westliche Huk flach ist, während 
die östliche, die Huk Reibnitz, einen Hügel hat und aus der Ferne 



Begleitworte zur Karte des östliche? Teils der Insel Neu-Pommern. 351 

inselartig aussieht, sowie im Eingang der Bai selbst konnten vom Top 
des Mastes Riffe nicht gesehen werden. Vermutlich bietet die letztere 
gute Ankerplätze, und im Hinblick auf das ausgedehnte flache Land 
in ihrer Umgebung wäre eine eingehendere Untersuchung der grofsen 
Bai, zu der es mir leider an Zeit fehlte, sehr erwünscht. 

Die Insel Jenkins sieht aus der Ferne wie zwei Inseln aus; erst 
ganz in der Nähe erkennt man, dafs ein niedriger Sandstreifen die 
beiden zuerst sichtbaren kleinen Kuppen verbindet. 

Leider war die Witterung vorübergehend trübe geworden, sodafs 
die östlich der Reibnitz-Huk gelegenen Inseln Mc. Donald, Vesey u. s. w. 
nur schwer zu erkennen waren und nicht genauer bestimmt werden 
konnten. Östlich der Inseln markierte sich aber scharf eine insel- 
artig hervortretende Huk, bei der ein Flufs zu münden schien und von 
der nördlich eine das dortige Küstengebiet zerreifsende tiefe Schlucht 
sichtbar wurde. Milchiges Wasser, auf welches wir etwa zehn See- 
meilen von Jenkins-Insel stiefsen, läfst auf das Vorhandensein eines 
gröfseren Stromes in dieser Gegend schliefsen, der vermutlich die 
Schlucht durchströmt. 

Gleich nördlich von dieser Schlucht tritt eine neue grofsartige Vulkan- 
gruppe in die Erscheinung, von der die mittleren Berge als aktive 
Vulkane und als die höchsten Berge der Insel Neu-Pommern seit lange 
bekannt sind. Die Gruppe besteht aus vier sehr ähnlichen imposanten 
Kegeln, nämlich, von Norden beginnend, aus dem Krater der Insel Du- 
portail, dem südöstlich gegenüber, nur durch die Expectation-Strafse 
getrennt, der Vater liegt, und südwestlich von diesem der Süd-Sohn 
und der Berg Richthofen. Ihnen gesellt sich, fast in einer Richtung 
mit den letztgenannten Bergen nordwärts vom Vater liegend, der Nord- 
Sohn, der in der äufseren Erscheinung von ihnen indes abweicht. 
Vater ist der höchste Berg der Gruppe, etwa 1200 m hoch, Nord-Sohn 
der niedrigste. Der Richthofen erhebt sich aus einem Hochplateau, 
während die anderen mit sanfter Böschung vom Ufer sehr allmählich 
aufsteigen. Der Vater scheint einen sehr grofsen Kraterkessel zu be- 
sitzen, da seine obere Spitze als die höchste Erhebung der westlichen 
Kraterwand und die auf etwa \ der Höhe aufsitzende zweite Spitze 
als die Südwand des nach dem Innern der Insel (ostwärts) wahr- 
scheinlich offenen Kraters aufzufassen sein wird. Die beiden Spitzen 
des Vulkans auf Duportail bilden ebenfalls die Süd- und Westwand 
eines mächtigen, nach Norden offenen Kraters, wie nach dem Passieren 
der Insel aus nördlicher Richtung zu erkennen war. 

Wie gewöhnlich in der Nähe grofser Vulkane, haben sich hier noch 
einige kleinere Kraterkegel gebildet, so an der Westspitze von Du- 
portail, nordwestlich und nordöstlich vom Nord-Sohn, südwestlich vom 

25* 



352 Frhr. von Schleinitz: 

Richthofen, also an den Extremitäten der Gruppe, während die Mitte 
(Vater und Süd-Sohn) frei davon ist. Beim Passieren der Berge stiefs 
der Süd-Sohn Dampfwolken aus, und nicht weit von seinem Gipfel 
schien ein Bach niederzurieseln, während bei dem sonst als aktiv be- 
zeichneten Vater Anzeichen dessen fehlten. Der Vater bildet ein aus- 
gezeichnetes Orientierungsobjekt für die Navigierung in diesen Ge- 
wässern; bei einer Fahrt aus nördlicher Bichtung nach der Blanche- 
Bai wurde er auf eine Entfernung von über 85 Seemeilen von mir 
gesichtet. 

Die sanft zu den Bergen ansteigende Ebene im Westen der Gruppe 
macht einen einladenden Eindruck. Da der Boden jedenfalls aus vul- 
kanischen Verwitterungsprodukten und Aschen besteht, wäre sie für 
jedwede Pflanzungen, namentlich auch für die Kaffeekultur geeignet. 
An den Abhängen des Richthofen und des Süd-Sohn schienen Cedern 
zu wachsen, tiefer unten deuteten Kasuarinen Flufsmündungen an. 

Man kann im OSO vom Süd-Sohn hinter den dort 1 bis i£ See- 
meilen vom Strande abgelegenen Riffen, welche zwischen sich Passagen 
lassen, auf 11 bis 14 m Wassertiefe ankern. Sicherlich befinden sich 
auch in den Buchten südlich der Huk Deschamps und unter der Süd- 
küste von Duportail gute Ankerplätze. Die May-Insel zeigt, von Süden 
gesehen, zwei Kuppen und ist mittelhoch, Anne-Insel dagegen ist ein 
kleines flaches, Close-Insel ein höheres Inselchen mit Steilrändern. 

Die Expectation-Strafse besitzt, namentlich in ihrem nördlichen 
Zugang, sowie zwischen Nord-Sohn und Duportail, auch südlich von der 
Close-Insel einige Riffe, ist aber mit einiger Vorsicht bei Tageslicht 
unschwer zu passieren. Man geht frei von den Riffen, wenn man die 
einen kraterartigen Hügel tragende Huk Deschamps in NO J O bringt 
und dieselbe, etwas frei an Steuerbord haltend, sobald man sie in 2 bis 
i\ Seemeilen Entfernung quer ab hat, mit nördlichem Kurs zwischen 
den hier dichter gelagerten Riffen hindurchsteuert. 

Die in den bisherigen Karten nördlich vom Nord-Sohn eingetragene 
Heath- oder Ledanseur-Insel habe ich nicht entdecken können ; sie 
wird nicht existieren, es sei denn, dafs der von mir in die Karte ein- 
getragene nördliche Landvorsprung durch einen schmalen, beim 
Passieren durch die Strafse nicht sichtbaren Kanal vom Lande getrennt 
ist, was ich aber für wenig wahrscheinlich halte. 

Schon halbwegs zwischen Jenkins-Insel und der Expectation-Strafse 
erblickt man über die Westspitze von Duportail hinweg in nordöst- 
licher Richtung scheinbar ein Kap, das man geneigt ist, für Kap Sulla 
zu halten. Indes ist es der Abfall der Bergkette Studer. Das Kap 
selbst kommt erst bei dem Nordausgang der Strafse in N \ O in Sicht. 
Die Meeresstrecke bis in die Nähe desselben ist frei von Riffen, nur 



Begleitworte zur Karte des östlichen Teils der Insel Neu- Pommern. 353 

sine trockene Sandbank mit entlaubten Baumstämmen wird bei den 
vor dem nördlichen Ausgang der Expectation-Strafse gelegenen Riffen 
in NOzO etwa fünf Seemeilen ab sichtbar. Von der östlich gelegenen 
Küste der Gazelle-Halbinsel blieben wir zu weit ab, um sie genauer zu 
bestimmen ; nur einige Huken konnten gepeilt werden und schienen in 
ihrer Lage mit denen der älteren Karten ziemlich zu stimmen. 

In südöstlicher Richtung (Hintergrund der Hixon-Bai) erstreckt sich 
nach Süden hohes, jedoch ziemlich ebenes Land, das nach der Gazelle- 
Halbinsel in ziemlich steiler Böschung zu einem sanft gewellten, nur 
ioo bis 200 m hohem Gelände abfallt, welches allem Anschein nach bis 
zur südlichen Küste reicht. Weiter nördlich geht es wieder in höheres 
Gebirge über, dessen oberer Teil in Wolken gehüllt war. 

Die Westspitze der Gazelle - Halbinsel besteht aus schroffen, 
kuppigen Bergen und ist von tiefen Schluchten durchfurcht, die nach 
der Westküste auslaufen, woselbst die ihnen entströmenden Wasser- 
läufe niedrige Huken gebildet haben. Die äufserste Westspitze, Kap 
Sulla, und die nördlich und südlich von diesem zunächst gelegenen 
Huken sind dagegen hoch und steil. 

Auf vielen Bergrücken sieht man Pflanzungen der Eingeborenen, 
auf andern sind die Wälder gerodet behufs Anlage von Pflanzungen. 
Ein nahe der Küste gelegenes Barriere-Riff begleitet diese südlich von 
Kap Sulla. Wir fuhren, nachdem es mit vieler Mühe gelungen war, 
innerhalb dieses Riffes zu kommen, in wenigen hundert Meter von der 
Küste entlang, kamen dabei aber über einzelne flache Stellen, sodafs 
die Fahrt aufserhalb des Barriere-Riffes vorzuziehen ist. Die Strecke 
von Kap Sulla bis Kap Lambert erschien bis nach den über Wasser 
befindlichen Norton-Sandbänken riffrein. Diese Bänke peilen vom Kap 
Sulla W t N und NW zW|W, wonach sie in die Karte eingetragen 
sind. In der Richtung SSWJW von der nordwestlichen Scilly-Insel (a), 
etwa eine Seemeile von Kap Lambert, liegt eine weitere kleine Sand- 
bank über Wasser von Riffen umgeben, und nordöstlich vom Kap Lambert 
liegen ganz in seiner Nähe ebenfalls Riffe, von denen man gut thut, 
nördlich zu passieren. Die Fahrt ist dann, dicht unter den Huken 
entlang gehend, zunächst riffrein; in der Gegend der Huk Schroeder 
folgen aber die Riffe so dicht auf einander, dafs man nur mit An- 
wendung grofser Vorsicht und mit ganz langsamer Fahrt sich hindurch- 
zuwinden vermag. 

Sowohl westlich wie östlich der einen steilen, durch niedriges Land 
mit dem Festland in Verbindung stehenden, Hügel tragenden Huk 
Köster, befinden sich hübsche kleine, aber tiefe Buchten, die zum 
Ankern geeignet sind, obwohl sie nicht ganz rein von Riffen sind. 
Hier wurde vor zehn Jahren der Händler Waidland von den Eingeborenen 



354 Frhr. von SchleiniU: 

ermordet und zur Bestrafung von dem Dampfer „Isabel" aus auf die- 
selben gefeuert. Wir ankerten flir die Nacht im Eingang der zweiten 
Bucht auf 24 m Wassertiefe und lagen dort gut geschützt. Auch die 
diese Bucht im Osten begrenzende Huk trägt einen ziemlich steilen Hügel. 

Die Scilly-Inseln sind mittelhoch; ihre teilweise schroffen Konturen 
lassen annehmen, dafs sie aus Korallenkalk bestehen. Da ich die ein- 
zelnen Inseln von zwei Seiten peilen konnte, darf ihre Lage, wie sie 
in die Karte eingetragen ist, als ziemlich genau angesehen werden. 
Die beigesetzten Buchstaben beziehen sich auf die gleichen Buchstaben 
in der Vertonnung. 

Südöstlich von der Inselgruppe, den Fahrkanal zwischen ihr und dem 
Festlande einengend, erstreckt sich ein langes, aber gut sichtbares 
Riff. Auch auf der anderen Seite, namentlich im Norden der Insel, 
waren Riffe sichtbar, aber zu weit ab von uns, um sie genauer festzu- 
stellen. Anscheinend begleitet die Inseln nördlich ein Barriere -Riff. 

Die ganze Gegend mufs ziemlich stark bevölkert sein, wie aus der 
Anzahl von Kanus, denen wir begegneten, und die, an einigen Stellen 
auf den Strand geholt, sichtbar wurden, sowie aus den zahlreichen 
Pflanzungen zu schliefsen war; die Dörfer scheinen aber versteckt im 
Busch zu liegen. 

Auch die folgenden zahlreichen Landspitzen, von denen Huk 
Schroeder und namentlich Huk Deinhard die hervorragendsten sind, 
fallen steil zum Meer ab und sind nebst den kleinen, in den Buchten 
gelegenen Landvorsprtingen die Ausläufer einer grofsen Anzahl schmaler 
und schroffer Bergrücken, während die davor gelegenen kleinen Inselchen 
den Charakter von Korallenkalk-Gebilden tragen. Sowohl die Inseln wie 
der Strand in den Buchten sind vielfach mit Kokospalmen bestanden, 
und die Gegend macht trotz der schroffen Form der Berge einen 
freundlichen Eindruck. Westlich von der Huk Schroeder ergiefst sich ein 
Flufs, ebenso waren zwei Wasserläufe an der Ostseite der folgenden 
Bucht sichtbar. Diese Buchten scheinen alle gute Ankerplätze zu bieten, 
denen auch gegen Seegang von Norden her die Riffe Schutz verleihen. 
Für die Anlage tropischer Pflanzungen ist die Gegend nicht geeignet, 
da es an ebenem Boden fehlt. 

In den bisherigen Karten ist in der Gegend der Huk Deinhard 
eine schmale tiefe Beining-Bai angegeben, die aber in dieser Form 
nicht existiert. Vermutlich ist damit die vier kleine Inseln und eine 
Reihe schroffer Huks enthaltende Bai westlich von der Huk Deinhard 
gemeint, da die in den Karten als Matera-Bai bezeichnete Bucht wohl 
diejenige östlich von der Deinhard-Huk sein wird. 

In dieser letzteren Gegend hören die kuppigen Bergzüge und Land- 
spitzen auf, das hohe Bergland tritt mehr zurück, sanftere Konturen 



Begleitworte zur Karte des Östlichen Teils der Insel Neu-Pommern. 355 

annehmend, und senkt sich allmählich, überragt von dem kegelförmigen 
Berge Beautemps-Beaupre (Varzin), zu der grofsen Einbuchtung, deren 
östlicher Winkel Weber-Hafen benannt ist. An derselben liegen an- 
scheinend ausgedehnte Strecken guten flachen Kulturlandes, während 
nördlich vom Weber-Hafen die gebirgige, schroff abfallende Landzunge 
mit dem Bergrücken Naumann in das Kap Luen ausläuft. 

Schon bei oder wenig östlich vom Kap Lambert erblickt man Man, 
eine ziemlich hohe, aber abgeflachte Insel, und die kleine Korallenkalk- 
Insel Matakanaputa, welche beide eine gute Marke für die Navigierung 
in dem schwierigen Fahrwasser längs der Küste bieten. In der Nähe 
der letzteren Insel wurde eine astronomische Mittagsbreite erhalten, 
wodurch ihre Lage und die der Küste in Bezug auf die geographische 
Breite bestimmt werden konnte. 

Urara, das erst später als jene beiden Inseln in Sicht kommt, ist 
eine hübsche, ziemlich niedrige, vielfach mit Palmen bestandene Korallen- 
insel mit flachem Sandstrand an mehreren Stellen; sie wird am besten 
an ihrem Südrande passiert, wo sie, im Gegensatz zur Nordküste, frei 
von Riffen ist. 

Mit meinen geographischen Festlegungen dieser Küstenstrecke, 
insbesondere auch mit der bei Matakanaputa beobachteten Mittags- 
breite, stimmten die in den bisherigen Karten enthaltenen Positionen 
von Man-Insel, Kaps Luen und Steffen, Berg Beautemps-Beaupre und 
die der übrigen hervorragenden Punkte des östlichen Teils der Gazelle- 
Halbinsel nicht tiberein, indem meine Breiten und Längen etwa eine 
Minute südlicher bzw. östlicher auskamen, als bisher angenommen wurde. 
Da dieser östlichste Teil der Gazelle-Halbinsel 1875 von der Korvette 
„Gazelle", wenn auch nur flüchtig, vermessen und als Hauptsitz des 
Handels der Weifsen, auch später durch mehrere Kriegsschiffe, ferner 
durch die trigonometrischen Vermessungen des Ingenieurs Schneider 
in der Kartierung verbessert, als der bestbekannte Teil dieser Insel- 
gruppe gilt, stiefsen mir Zweifel an der Richtigkeit meiner Festlegung 
auf, die indes durch eine Mitteilung der Nautischen Abteilung des Reichs- 
Marine-Amts behoben wurden, wonach eine erneute astronomische Fest- 
legung des Basispunktes dieser Gegend, nämlich der Nordspitze der 
Insel Matupi in der Blanche-Bai, eine um etwa 0,9 Minuten südlichere 
Breite und etwa 1,3 Minuten östlichere Länge ergeben habe, wonach 
die Lage der ganzen Küsten zu berichtigen sei. 

IL Ost- und Südktiste. 

Die Ost- und Südküste dieses Teils von Neu-Pommern nebst der 
Inselgruppe Neu-Lauenburg sind unter Berücksichtigung des vorstehend 
erwähnten Fehlers in den Positionen der bisherigen Darstellungen der 



356 Frhr. von Schleinitz: 

Gazelle-Halbinsel in die Karte eingetragen. Eine Beschreibung des 
nordöstlichen Teils (Krater -Halbinsel) wurde von mir bei dem ersten 
Besuch dieser Inseln als Kommandant S. M. S. „Gazelle" 1875 gegeben 
und ist in das Gazelle-Werk (Bd. I, Kap. XIII) aufgenommen worden, 
sodafs hinsichtlich der Einzelheiten darauf hingewiesen werden kann. 
Nur der allgemeine orographische Charakter des Geländes nach Kap 
Gazelle hin möge im folgenden dargelegt werden, da diese Küste von 
S. M. S. „Gazelle" am Abend passiert wurde und daher damals nicht 
näher beschrieben ist. Zunächst wird aber die Erwähnung am Platz 
sein, dafs seit jener Beschreibung sich auf den Vulkanismus dieser 
Halbinsel gründende morphologische Veränderungen in der Blanche- 
Bai vollzogen haben. In dem kleineren, an der Innenseite der Krater- 
Halbinsel gelegenen Krater, dessen Boden ich bei einem Abstieg in 
den Kessel 1875 zwar glühend heifs und einige Schwefeldünste aus- 
strömend, sonst aber völlig inaktiv vorfand, erfolgte 1879 & n senr 
heftiger Ausbruch, der das Meer nach Berichten mehrerer Schiffe viele 
Hunderte von Seemeilen weit mit Bimstein bedeckt und die Blanche- 
Bai für längere Zeit gänzlich verschlossen hatte. Gleichzeitig entstand 
an der Westseite dieser Bai, dem Krater gegenüber, die etwa eine 
Seemeile lange, unregelmäfsig geformte, um einige Meter das Meer 
überragende Insel Raluan an einer Stelle, wo bei den Vermessungen 
der „Gazelle" ein ausgedehntes, nur stellenweise über der Wasserfläche 
sichtbares Felsenriff festgestellt worden war. Da eine Beschreibung 
dieses Vorganges fehlt — soviel mir bekannt, haben sich Europäer zu 
der Zeit hier nicht aufgehalten — und die neue Insel nicht näher unter- 
sucht worden ist, bleibt es zweifelhaft, ob dieselbe einer Hebung ihren 
Ursprung verdankt oder aber nur der Aufschüttung von Auswurfs- 
massen des Vulkans auf dem früheren Riff. Letzteres ist wohl das 
wahrscheinlichere. Die Meerestiefen in der Bai scheinen seit 1875 
sich nicht auffallend verändert zu haben, aber bei den meist grofsen 
und stark wechselnden Tiefen sind Änderungen von einigen Metern 
schwer festzustellen. 

Ein Ausläufer der nördlichen Tochter von 80— 300 m Höhe, zu 
einem höheren welligen Plateau sich erweiternd, bildet den Hintergrund 
der Küste der Blanche-Bai, weiter nach Westen zu in hügeliges und 
endlich gebirgiges Land übergehend. Das Gelände erhebt sich mit 
meist ziemlich steiler Böschung von einem nicht breiten, stellenweise 
sogar sehr schmalen Vorstrand, der vielfach von Dörfern, Häusern und 
Pflanzungen eingenommen ist, die man auch auf der Höhe findet. Das 
Hochland dacht sich nach Osten allmählich ab, den Charakter einer 
flachhügeligen Ebene mit verschiedenen Senkungen und schluchtartigen 
Thälern bewahrend. Die Vegetation ist westlich meist Gras mit ein- 



Begleitworte zur Karte des östlichen Teils der Insel Neu-Pommern. 357 

gestreutem Busch und Wald, weiter östlich werden ausgedehnte Wald- 
bestände sichtbar, und in der Nähe der Ostküste ist alles mit Wald 
bedeckt. Einige Seemeilen von Kap Gazelle geht das Land in lang- 
gestreckte Hügel über, die allmählich in ziemlich ebenen Konturen 
nach dem bewaldeten, 20 — 30 m hohen Kap auslaufen. Aus der Mitte 
des Hochlandes erhebt sich als einzige höhere Kuppe — nur von Norden 
erblickt man viel weiter westlich eine ähnliche Spitze als Ausläufer des 
westlichen Gebirgslandes — der etwa 600 m hohe Berg Beautemps- 
ßeaupre, hinter dem in westlicher Richtung ein höherer Gebirgszug 
mit meist langgestreckten Rücken liegt, während südwestlich das Land 
ein Tafelland von ziemlich gleichmäfsiger, nicht bedeutender Höhe zu 
sein scheint, das sich vermutlich nach der offenen Bai an der West- 
küste allmählich abdacht. 

Die Küstenstrecke von Kap Gazelle bis Kap Orford, welche den 
kleinen, aber sehr guten, von Herrn Parkinson entdeckten Put-Puf 
Hafen (später von einem Kriegsschiff vermessen und Rügen-Hafen 
benannt) und die schöne, seit lange bekannte Henry Reid-Bai enthält, 
ist, da sie in den älteren Karten der Hauptsache nach richtig zu liegen 
schien, von mir nicht näher untersucht, sondern in die Karte nach den 
Vermessungen der Kriegsschiffe mit durchbrochener Linie eingetragen 
worden; indes gewann ich bei meiner Fahrt längs der Küste genügenden 
Einblick zur Beurteilung des allgemeinen Charakters des Geländes und 
konnte einige Ktisten-Vertonnungen anfertigen, von denen die wich- 
tigsten in die Karte aufgenommen sind. 

Das vorbeschriebene, den Berg Beautemps - Beaupre umgebende 
Hochland strahlt in einer Anzahl allmählich sich senkender bewaldeter 
Rücken nach der Ostküste aus, sodafs das Land hier ziemlich stark 
koupiert erscheint. Die ganze Küste macht den Eindruck der ge- 
hobenen Kalkstufen mit meist senkrecht abfallendem Korallenkalkstrand, 
der stellenweise von hellem Sandstrand unterbrochen ist, und es kenn- 
zeichnen sich die Kalkterrassen namentlich bei Kap Palliser, welches 
übrigens wenig hervortritt, da die Küste hier in ziemlicher Rundung 
verläuft. 

Nach dem Süden gewinnen die Bergzüge allmählich an Höhe, treten 
mit ihren Massen dichter an die Küste und gehen nach Kap Buller 
zu in ein schroffes Gebirgsland von etwa tausend Meter Höhe über, 
das sich nach dem Boden der Grofsen Bai (Wide-Bai), wo die Henry 
Reid-Bai tiefer in das Gelände einschneidet, allmählich abdacht, um 
südlich bzw. südöstlich von dieser Bai wieder zu ziemlich hohem, aber 
weniger zerrissenem Bergland aufzusteigen. 

Von der Henry Reid-Bai liefse sich allem Anschein nach leicht 
eine Durchquerung der Insel von Südost nach Nordwest ausführen, da 



358 Frhr. von Schleinitz: 

hier die Gazelle-Halbinsel nur vermittels eines kaum zehn Seemeilen 
breiten und wenig über ioo m hohen Halses mit dem westlichen TeiJ 
der grofsen Insel zusammenhängt. 

Mit dem Kap Orford beginnt die Küste in mehreren Spitzen aus 
Höhen von ioo — 200 m, meist in zwei bis drei Terrassen, mehr oder 
weniger senkrecht zum Meer bzw. zu einem schmalen Vorstrand ab- 
zufallen, wie die in die Karte aufgenommenen Skizzen von diesem Kap 
und den Spitzen a und b erkennen lassen. 

Ich konnte nicht ausmachen, ob diese Abhänge der Kalkbildung 
angehören. Sie unterscheiden sich in der Form einigermafsen von den 
Kalkterrassen in Kaiser Wilhelm-Land, namentlich auch darin, dafs die 
Stufen der einzelnen Terrassen nur einen schmalen Saum bilden und 
die oberste Stufe eine Ebene von ziemlicher Ausdehnung ist. Dagegen 
ähneln sie sehr der Formation der von mir östlich und westlich vom 
150. Längengrad an der Südküste festgelegten Inseln und Huken, 
hinter denen ich mehrere sehr gute Häfen entdeckte 1 ). Diese waren 
anscheinend Kalkgebilde; da die Terrassen bei und südlich von Orford 
aber das Basisland der mächtigen Vulkanreihe an der Nordseite der 
Insel (Vater, Söhne u. s. w.) bilden und an dieser Küste selbst einige 
kleinere kraterartige Gebilde sichtbar sind, wäre ein vulkanischer Cha- 
rakter (sie ähneln sehr den Basaltterrassen der Insel Kerguelen im Süd- 
indischen Ocean) nicht ausgeschlossen. Auf der Höhe befinden sich 
mehrfach Pflanzungen von Eingeborenen. Während die Ebene der oberen 
Terrasse bei Orford etwa 200 m hoch liegt, wird sie weiter südlich 
niedriger und findet bei der ebenfalls terrassenförmig abfallenden Owen- 
Huk ihren Abschlufs, nach Kap Quoy in niedrigeres Vorland aus- 
laufend. 

Dieses Land wird überragt durch den kegelförmigen Berg e 1 ), der, 
seiner Form nach zu urteilen, vulkanischen Ursprungs ist. 

Die die Jacquinot-Bai nach Osten abschliefsende Halbinsel mit 
Spitze f, welche man nach Passieren des Kap Quoy erblickt, ist bergig 
und nur durch niedriges Land mit dem Festlande verbunden, sodafs 
sie aus der Ferne wie eine Insel erscheint. Zwischen ihr und der 
niedrigen Spitze fliegen zwei Inseln, deren zugewendete Seiten NNWJW 
von einander peilen und die den Charakter der Korallenkalk-Inseln 
haben. Bei ihnen und in der Gegend der Spitze c schienen Untiefen 
zu liegen. 



*) Karte und Beschreibung dieser Küste hoffe ich bald erscheinen lassen 
zu können. 

') Soweit die hervorragenderen Objekte nicht bereits ältere Namensbezeich- 
nungen tragen, sind für die Beschreibung in Übereinstimmung mit meiner Karte 
und den Küstenzeichnungen Buchstaben gewählt worden. 



Begleitworte zur Karte des östlichen Teils der Insel Neu-Pommern. 359 

Das Küstengebirge hat im Hintergrunde der Bucht g eine Unter- 
brechung, und es mündet dort anscheinend ein gröfserer Flufs. 

Die sehr tiefe Jacquinot-Bai ist von S. M. S. „Möwe" hinsichtlich 
ihrer geographischen Position bestimmt und vermessen worden und 
danach in die Karte eingezeichnet. Nach Westen wird sie von einer 
Halbinsel ohne bedeutende Erhebungen abgeschlossen, mit flach ver- 
laufenden Spitzen, von denen die südliche das Kap Cunningham bildet 
Die Halbinsel sieht aus der Ferne ebenfalls wie eine langgestreckte, 
30—40 m hohe Insel aus. 

Von hier ab nach Westen wird das bergige Land von einer breiten, 
flachen Korallenkalk-Ebene umsäumt, die stellenweise wie von einer 
niedrigen Mauer mit hellblättrigen Strandbäumen dahinter eingefafst 
erscheint und öfter kleinere oder gröfsere Vorsprünge aufweist, von 
denen ich, infolge nicht sehr klarer Luft und da es zu dunkeln anfing, 
nicht genau ausmachen konnte, ob sie mit der Küste verbunden, 
hinter und zwischen sich Lagunen bildeten oder als Inseln derselben 
vorgelagert sind. 

Auch die westlich folgenden Kaps Lütke und Beechey bestehen 
aus flach verlaufendem, bewaldetem Korallenland, das sich sehr all- 
mählich zu dem hier unwirtlich aussehenden, zum Teil recht hohen 
Bergzügen erhebt, von denen einer durch seine ostnordöstliche, zu den 
bisherigen Bergzügen einen gröfseren Winkel bildende Streichrichtung 
auffällt. 

Das Kap Lütke und die westlich folgende Spitze sind von einem 
Barriere-Riff, in Abstand von etwa \ Seemeile vom Strande, eingefafst. 



Reise im Gebiet des oberen Amazonas. 

Von Dr. A. Rimbach. 
(Hierzu Tafel i%.) 

Das Gebirge der Anden, welches den südamerikanischen Kontinent 
in seiner ganzen Länge durchzieht, hat in der Nähe des Äquators, 
auf dem Gebiet der nach seiner geographischen Lage benannten 
Republik Ecuador, eine seiner schmälsten Stellen. Es wird dort von 
zwei parallel zu einander, im allgemeinen in der Richtung Süd-Nord 
laufenden Ketten gebildet, der Ost- und West-Cordillere, welche ein 
Hochland zwischen sich einschliefsen. Dieses wird durch eine Anzahl 
quergerichteter, die beiden Cordilleren mehr oder weniger vollständig 
mit einander verbindender Gebirgszüge in verschiedene Becken zer- 
legt. Die Gewässer, welche sich in diesen Becken sammeln, fliefsen 
aus einigen derselben nach Westen ab, wo sie nach kurzem Laufe 
durch das schmale Küstenland den Stillen Ocean erreichen; aus anderen 
strömen sie nach Osten in die weite Tiefebene des Amazonen-Stroms. 
Zu den letzteren gehört auch das schöne, verhältnismäfsig grofse Becken 
von Cuenca im südlichen Teil der Republik, genannt nach der darin 
liegenden Stadt, nächst Quito, dem Sitz der Regierung, und Guaya- 
quil, dem Haupthafenplatz, der bedeutendsten des Landes. 

Von hier aus unternahm ich in Begleitung meines Bruders Carl 
Rimbach im Januar 1894 eine Reise nach dem oberen Amazonen-Strom, 
deren Hauptzweck war, die Natur der zu durchstreifenden Gegenden 
und besonders die Vegetation derselben kennen zu lernen. Von dem Ver- 
laufe dieser Reise sollen die folgenden Zeilen eine Schilderung geben. 

Den nächsten Weg zum Maranon (dies ist der Name des oberen 
Amazonas), welcher uns von Cuenca über die Ost-Cordillere in das 
Flufsgebiet des Santiago geführt hätte, wählten wir nicht. Unser Plan 
war vielmehr, dem Laufe des weiter nördlich dem Hochland ent- 
springenden Pastaza zu folgen. Die Reise ging daher zunächst auf 
dem interandinen Hochland nach Norden. 

Am 11. Januar ritten wir auf unseren Maultieren von Cuenca ab. 

Der Weg, auf welchem wir uns bewegen, ist seit kurzem in der 
Nähe der Stadt in eine ordentliche Landstrafse ausgebaut worden, 



A. Rimbach: Reise im Gebiet des oberen Amazonas. 361 

verwandelt sich aber bald in einen einfachen Pfad, an welchem auf 
weite Strecken hin wenig oder nichts von Menschenhand gebessert 
ist. Das Wetter war uns günstig. Es herrschte gerade der sogenannte 
veram'IIo, die kleine Trockenzeit des December und Januar, während 
welcher, ebenso wie in der von Juli bis September dauernden grofsen 
Trockenzeit, dem verano, äufserst wenig Regen fällt. In den Zwischen- 
zeiten regnet es dagegen ziemlich viel, und es werden infolgedessen 
die Wege besonders in der als invierno (Winter) bezeichneten längeren 
Regen-Periode von Februar bis Juni oft sehr schlecht. Die Temperatur, 
das ganze Jahr hindurch fast gleich, ist auf unserer Höhe von etwa 
2500 m, sehr gemäfsigt, .indem sie meist zwischen 10 und 20 C. 
schwankt. Mittags steigt sie selten auf 25 ° C, fällt aber in klaren 
Nächten manchmal bis auf o°. Die grofse Trockenheit und Dünne 
der Luft" gestattet weite Fernsichten. Auch haben wir nirgends pracht- 
vollere Färbungen des Himmels und der Wolken, besonders während 
der Abenddämmerung, sowie so aufserordentlichen Glanz der Gestirne 
während der Nacht gesehen, als eben in diesem interandinen Hoch- 
land. 

Der Pflanzenwuchs hat einen xerophytischen Charakter, d. h. er 
zeigt Formen, welche vermöge ihrer Organisation in sehr trockenem 
Klima und auf trockenem Standort gedeihen. Hochstämmiger Wald 
ist nicht vorhanden. Die Bergzüge in diesem Hochland selbst machen 
wegen der vielen kahlen Strecken einen sterilen Eindruck; meist sind 
sie mit niedrigem Buschwerk bekleidet, in welchem Agaven, Säulen- 
kaktus und die graugrünen Rosetten verschiedener Bromeliaceen als 
besonders fremdartige Formen auffallen. Die Kulturpflanzen können 
wegen des schnellen Austrocknens des Bodens nur in den Flufsthälern 
gut gedeihen oder da, wo künstliche Bewässerung möglich ist. Es sind 
besonders Mais, Weizen, Gerste, Kartoffeln, Bohnen, Erbsen und die 
blaue Luzerne (alfalfa), das Hauptfutter für Pferde und andere Haus- 
tiere. Mit dem Anbau dieser Pflanzen sehen wir stämmige Indianer 
beschäftigt, die sich dazu sehr primitiver Werkzeuge bedienen. Ihre 
kleinen, aus Luftziegeln (adobes) gebauten Hütten stehen hier und da 
zwischen den von Agaven-Hecken eingeschlossenen Feldern, umgeben 
von Capulf-Bäumen (Prunus satiafotiaj, Pfirsich-Bäumen, Hecken von 
Feigenkaktus (Opuntia tuna) und den mit grofsen, weifsen Blüten be- 
hangenen Bäumchen der Datura arborea. Hier und dort kommt auch 
ein umfangreiches Gebäude zum Vorschein, das Landhaus eines wohl- 
habenden Grundbesitzers, gewöhnlich von Eucalyptus-Bäumen umgeben, 
welche seit einigen Jahrzehnten hier eingeführt sind und sehr gut 
gedeihen. An einigen Stellen wird schon in dieser Höhe Zuckerrohr 
gebaut; es bleibt aber sehr niedrig und braucht drei Jahre, bis es 



362 A. Rimbach: 

geschnitten werden kann. Manchmal wird es durch die zur Zeit der 
Sonnenwende eintretenden Nachtfröste vernichtet. Das letztere Schick- 
sal erleiden übrigens dann auch viele der übrigen Kulturpflanzen. 
Das Hauptprodukt des Beckens von Cuenca ist der Mais. Seine Körner 
sind grofs und wohlschmeckend« Gekocht vertreten sie unter dem 
Namen „motc" die Stelle des Brotes, bilden die Hauptnahrung der 
ärmeren Leute und fehlen auch nie auf dem Tische des Reichen. 
Der Mais braucht hier etwa neun Monate zum Reifen. Wenn man bedenkt, 
dafs derselbe am Fufs der Anden hierzu nur dreier Monate bedarf, 
so wird man eine Vorstellung von der Verschiedenheit der Vegetations- 
Bedingungen beider Gegenden erhalten. Überhaupt tritt das höhere 
Gebirgsland, welches bei den Eingeborenen den allgemeinen Namen 
Ja Sierra" führt, in Bezug auf Klima, Produkte, Bewohner und Lebens- 
verhältnisse in einen starken Gegensatz zu den oben genannten tiefer 
liegenden Gegenden. 

Wie schon erwähnt, befinden wir uns bereits im Gebiet des 
Amazonas. Denn der Paute-Flufs, welcher an Cuenca vorbeifliefst und 
jetzt zu unserer Rechten im Thal zwischen steil abfallenden Htigel- 
zügen über sein von Weiden {Salix Humboldtiana) eingefafstes und mit 
Geröllsteinen angefülltes Bett mit starkem Gefälle dahinrauscht, durch- 
bricht die Ost-Cordillere und bildet die Hauptader des Systems des 
Santiago-Flusses, welcher beim Pongo de Manseriche in den Maranon 
einmündet Der Paute hat seine Quellen oberhalb von Cuenca in den 
Porphyr-Kämmen der West-Cordillere, nur etwa 56 km von der Küste 
entfernt. Er ist derjenige Zuflufs des grofsen amazonischen Strom- 
gebiets, welcher dem Pacifischen Meer am nächsten entspringt. 

Unser Weg verläfst bald den Paute-Flufs, da dieser sich nach 
Osten wendet und zwischen Bergzügen verschwindet. Zu unserer 
Linken taucht ein höchst auffallend geformter, einzelner Berg auf, 
welcher sich etwa 400 m über seine Umgebung erhebt. Es ist der 
Cerro de Cojitambo, eine von Süden nach Norden gerichtete, von der 
schmalen Seite dem Hörn eines Rhinozeros ähnlich sehende Andesit- 
Mauer. Gewaltige Blöcke seines schönen, hellgrauen Gesteins finden 
sich in seiner Umgebung bis an unseren Weg zerstreut, wo sie beim 
Wegebau gesprengt und der Besichtigung zugänglich sind. Bald darauf 
kommen wir durch das Städtchen Azogues. Von den Einwohnern, 
— wie in allen dortigen Städten, meist Cholos, d. h. Mischlinge von 
Weifsen und Indianern — sehen wir viele in den Haustüren sitzend 
mit dem Flechten der schönen, dauerhaften, sogenannten Panama- 
Hüte sich beschäftigen. Das Material dazu bilden die Blattfasern einer 
palmenähnlichen Staude, der Carludovica palmata, welche in den tiefer 
liegenden Waldgegenden einheimisch ist und dort auch kultiviert wird. 



Reise im Gebiet des oberen Amazonas. 363 

Es begann nun der Aufstieg auf die das Becken von Cuenca nach 
Norden abschliefsenden Vorberge des Azuay-Gebirges. Diese Berge 
sind, wie alle inneren Abhänge der Cordilleren, mit einem niedrigen, 
aber sehr formenreichen, anmutigen Walde bedeckt. Dieser Wald 
erhält besonders in den feuchteren Schluchten durch die grofse Menge 
von epiphytischen Moosen, Flechten, Farnen, Bromeliaceen und Orchi- 
deen, welche auf den knorrigen Ästen der Bäume sitzen, ein höchst 
phantastisches Aussehen. Unter den Holzpflanzen sind Melastomaceen, 
Compositen, Labiaten häufig, auffallend sind die grofsblütigen Sypho- 
campylus, Fuchsias, Calceolarien und die durch mehrere Arten ver- 
tretene Amaryllideen-Gattung Bomarea, deren lange, windende Stengel 
in grofsen, prächtigen Blütendolden endigen. In der Höhe von 3500 m 
verschwindet allmählich der Wald, indem er sich zuletzt nur noch 
streifenweise die Schluchten der Bäche heraufzieht, und wir betreten 
die Hochsteppe, in Ecuador „pdramo" genannt. Das auf ihr vorherr- 
schende harte, büschelförmige, hohe Gras ist mit zahlreichen anderen, 
niedrigen Pflanzen untermischt, unter welchen schönblütige Enzian-Arten 
sehr in die Augen fallen. Der Boden besteht meist aus einer dicken, 
schwarzen Humusschicht. Hier und da stehen an der Grenze des 
Baumwuchses Gruppen der imposanten „achupallas" (Art der Brome- 
liaceen - Gattung Puya). Ihre langen, steifen, scharf gespitzten und 
gezähnten Blätter bilden eine grofse, regelmäfsige Rosette, aus deren 
Mitte ein mehrere Meter hoher Blütenstengel emporragt. Weiter auf- 
wärts dehnen sich die lang wellenförmigen, gelblichen Flächen des 
Päramo stundenweit aus, hier und dort durch Gruppen flechtenbedeckter 
Felsblöcke oder durch kleine mit gelbgrünem Torfmoos überzogene 
Moore unterbrochen. Nahe der Höhe von 4500 m verschwindet auch 
der Graswuchs und läfst die nackte Erde frei. Auf dieser tritt 
eine neue, der Schneegrenze eigentümliche Form der Vegetation auf, 
vorwiegend bestehend aus vereinzelten, scharf abgegrenzten, dichten 
Polstern niedriger Gewächse mit meist grofsen, grellfarbigen Blumen. 
Die Höhenausdehnung dieser schönen, eigenartigen Formation ist 
gering. 

Die äufsersten Gipfel des andesitischen Azuay-Gebirgsstockes ragen 
nur wenig über 4500 m, die Grenze des ewigen Schnees, hinaus. 
Unser Weg führte fast über die höchste Stelle des Gebirges. Stellen- 
weise war der Boden von Schnee bedeckt. Mit Mühe brachten wir 
die Maultiere darüber hinweg. Ängstlich beschnupperten dieselben die 
ihnen unbekannte, weifse Masse, betasteten sie mit den Hufen und 
schritten endlich zitternd darüber hin. Von Osten wehte über die 
bis zur Ost-Cordillere sich erstreckenden Höhen her ein heftiger, 
schneidend kalter Wind und trieb uns an, eilig in die geschützte 



364 A - Rimbach: 

Thalsenkung der Nordseite hinabzusteigen. Wir gelangten spät abends 
nach dem Dorf Achupallas und wurden hier von einem Einwohner 
auf die entgegenkommendste Weise aufgenommen. Der Reisende 
ist auf den weniger begangenen Strecken des Landes wegen des 
Fehlens von Gasthäusern auf die Gastfreundschaft der Bewohner an- 
gewiesen, welche dieselbe allgemein in anerkennenswerter Weise 
üben. Wir befanden uns nun in einem neuen Gebirgsbecken, dessen 
Gewässer in tief eingeschnittenen Thälern nach Westen abfiiefsen und 
dort zur Bildung des in den Guayas einmündenden Flusses Chimbo 
beitragen. Dieses Thal soll benutzt werden, um eine Eisenbahn von 
Guayaquil nach dem interandinen Hochlande heraufzuführen, welche 
dann bis Quito verlängert werden kann. Auf steinigem, trockenen 
Gebirgspfad ritten wir am andern Tage nach Norden weiter und 
kamen auf öde, mit Faramo-Gras bewachsene Hochflächen, Ausläufer 
der Ost-Cördillere, hie und da belebt durch zahlreiche von Indianern 
gehütete Schafherden. Bei schönstem Wetter ritten wir stundenlang 
im Trabe über die hindernislose, selten von kleinen Wasserläufen 
durchkreuzte Steppe. Da zeigte sich im Norden über dem Horizont 
eine weifsglänzende Kuppe : es war die Schneespitze des Chimborazo. 
Dieselbe verschwand jedoch bald wieder hinter den Bergen. Der 
Boden wurde immer trockener, staubiger und vegetationsärmer. Er 
besteht von hier an zumeist aus vulkanischem Sande, einstmaligen 
Auswurfstoffen der Vulkane, deren Asche vom Azuay an bis zum 
äufsersten Norden von Ecuador alles andere Gestein zwischen den 
beiden Anden-Ketten überschüttet hat. Noch ein anderes Zeichen er- 
innert uns daran, dafs wir uns jetzt auf vulkanischem Gebiet befinden: 
ein von Zeit zu Zeit fern herkommendes, donnerartiges Dröhnen, die 
Stimme des nahen, auf der Ost-Cordillere gelegenen Sangay, des thätig- 
sten Feuerberges von Ecuador. Nach einer auf der Hacienda Atapo 
verbrachten Nacht ritten wir, an dem Flecken Palmira vorbei, durch 
eine wtistenartige Gegend, wo der vulkanische Sand vom Winde zu 
förmlichen Wellen aufgeworfen wird und Entzündung der Augen ver- 
ursacht, wenn er dem Reisenden längere Zeit in das Gesicht weht. Dann 
stiegen wir allmählich auf die Höhe von Tio-Cajas, eines beide Cor- 
dilleren verbindenden, das Gebirgsbecken von Riobamba nach Süden 
abgrenzenden Querriegels. Ehe wir indessen einen Überblick über 
dieses Thal gewannen, hatten wir noch den darin sich erhebenden 
Höhenzug von Naute zu ersteigen. Daselbst machte ein uns über- 
raschender Regen den Boden so schlüpfrig wie Glatteis, sodafs wir 
zu Fufs gehen und, an abschüssigen Stellen auf Händen und Füfsen 
kriechend, die fortwährend ausgleitenden Maultiere am Seile führen 
mufsten. Zum Glück wurde das Wetter bald wieder freundlich, und 



Reise im Gebiet des oberen Amazonas. 365 

als wir den nördlichen Rand der Höhe erreichten, bot sich uns der 
grofsartige Anblick der von gewaltigen, schneebedeckten Gebirgsmassen 
umkränzten Ebene von Riobamba dar. Die Ost-Cordillere trug fast 
auf der ganzen Ausdehnung ihres Kammes eine Schneedecke; be- 
sonders die zunächst im Osten aus ihr emporragenden Rücken des 
Cubillin und der Cordillere von Alao, hinter welchen der Sangay 
(5323 m) seine Rauchwolke zum Himmel sendete. Weiter nördlich 
erhebt sich aus der Bergmasse der zweizackige Altar (5404 m) und 
im Nordosten der steile, glatt abfallende, spitze Tunguragua (5087 m). 
Im Nordwesten fesselt den Blick der die West-Cordillere krönende, 
massige Chimborazo (6310 m) und weiter nördlich der kleinere Carihuai- 
razo. Nordwärts wird die Ebene begrenzt von der ausgedehnten Masse 
des Igualata, eines zerfallenen, ehemaligen Vulkans, welche zwischen 
Chimborazo und Tunguragua einen nicht ganz vollständigen Querriegel 
bildet und so das Thal von Riobamba von dem nördlicher liegen- 
den Becken von Ambato und Latacunga trennt. Die gewaltige Gröfse 
der Gebirgmassen, der starke Gegensatz zwischen dem blauen Himmel, 
den glänzenden Schneegipfeln und dem düsteren Gestein, das sterile Aus- 
sehen der vegetationsarmen Gegend machen vereint den ersten Eindruck 
dieses Panoramas zu einem sehr fremdartigen und fast unheimlichen. 
Von der Höhe herabsteigend gelangten wir in die sandige Ebene, 
wo wir die Tiere von neuem bestiegen, und erreichten am Abend die 
Stadt Riobamba. Von hier aus beobachteten wir morgens vor Sonnen- 
aufgang eine eigentümlich schöne Erscheinung. Wenn noch die ganze 
Gegend im Dunkel liegt, wird bereits die Schneekuppe des Chimbo- 
razo von der Sonne beleuchtet und scheint mitten in der Dunkelheit 
in rosenrotem Licht. Wir blieben einige Tage in der Stadt, um uns 
für die Reise im Urwaldgebiet vorzubereiten. Am 19. Januar ritten 
wir dann mit drei Lastträgern, welche unser Gepäck beförderten, bei 
schönstem Wetter durch diese grofsartige Landschaft weiter über die 
östlichen Ausläufer des Jgualata nach dem Dorfe Pelileo. Tags darauf 
setzten wir den Weg in südöstlicher Richtung fort und näherten uns 
der tiefen Spalte, welche am nördlichen Fufs des Tunguragua die 
Ost-Cordillere unterbricht und einen natürlichen Eingang zum Tief- 
land des Amazonas bildet. Hier vereinigen sich zwei Flüsse, der 
Chambo, welcher, von Süden kommend, die Gewässer des Beckens von 
Riobamba fortführt, und der Patate, welcher von Norden her das 
Hochthal von Ambato und Lataiunga entleert. Der durch die Ver- 
einigung beider gebildete Pastaza tritt sofort nach Osten in die Ge- 
birgsspalte ein. Wir überschritten den Patate und sahen auf den 
Zusammenflufs von der Ecke des steilen nördlichen Bergabhanges 
hinunter. Dieser Punkt ist sehr günstig zur Beobachtung des unmittel- 

Zeitschr. d. Ges. f. £rdk. Bd. XXXII. 1897. 26 



366 A. Rimbach: 

bar gegenüber liegenden Tunguragua. Dessen Spitze war leider durch 
Wolken verhüllt; jedoch erkannten wir die Stelle, wo beim letzten 
Ausbruch des Vulkans, im Jahr 1886, die Lava bis in die Thalsohle 
herabgeflossen war und den Flufs eine Zeit lang gestaut hatte. Unser 
Ziel war das Dorf Banos, welches in diesem engen Thal am südlicher. 
Ufer des Pastaza, unmittelbar am Fufs des Tunguragua gelegen ist. 
Von einer heifsen Quelle, welche in seiner Nähe aus dem Berge ent- 
springt, hat es seinen Namen. Seine Lage scheint gefährlich zu sein; 
es ist aber noch nie von Lava oder anderen Auswurfstoffen getroffen 
worden. Der Ort liegt in 1800 m Höhe sehr malerisch zwischen den 
steilabfallenden Bergabhängen, inmitten saftig grüner Fruchtbäume und 
Zuckerrohr-Felder. Höchst eigentümlich ist das Bett des Pastaza selbst. 
Wir überschritten es auf einer Brücke nahe dem Dorf. Die ganze 
Thalsohle ist bis weit hinunter von schwarzblauer Lava gebildet, 
welche frühere Lavaströme des Tunguragua darzustellen scheint. In 
diese Lavamasse hat sich der mit starkem Gefalle dahinbrausende 
Flufs ein schmales, aber teilweise sehr tiefes, von glatten, senkrechten 
oder manchmal überhängenden, schwarzen Wänden eingeschlossenes, 
vielfach gewundenes Bett gegraben. Der Anblick desselben ist an 
vielen Stellen im höchsten Grade malerisch, ja schauerlich. 

Die Bewohner von Banos waren sehr aufgeregt wegen der Grenzstreitig- 
keiten mitPeru. Von diesen Grenzstreitigkeiten war schon seit Monaten in 
Ecuador die Rede gewesen. Es handelte sich darum, dafs Ecuador 
den Maranon von der Mündung des Santiago bis zu derjenigen des 
Napo als Grenze angesehen wissen wollte, während Peru das ganze 
Land nördlich vom Maranon bis an den Fufs der Cordillere für sich 
beanspruchte. Eine von den beiderseitigen Bevollmächtigten verein- 
barte und auch von Ecuador angenommene Grenzlinie, durch welche 
man sich in das streitige Gebiet teilte, indem der Unterlauf der Flüsse 
vom Pastaza bis zum Napo den Peruanern überlassen blieb, wurde vom 
peruanischen Kongrefs nicht gebilligt. Daher die Aufregung bei den 
Ecuadorianern. In Versammlungen und in Zeitungen war sogar von 
Kriegserklärung die Rede gewesen. Aus Vorsicht hatten wir deshalb 
uns vom peruanischen Gesandten in Quito ein Schreiben ausstellen 
lassen, in welchem der Zweck unserer Reise angegeben und der Schutz 
der peruanischen Behörden gefordert war. 

Unsere Reise sollte zunächst nach Canelos gehen, einem Dorfe 
christlicher Indianer am Bobonaza, einem Nebenflufs des Pastaza. 

Zum Transport unseres Gepäcks dahin brauchten wir mehrere 
Träger, welche zugleich als Führer dienen mufsten. Solche zu be- 
kommen, machte ziemliche Schwierigkeiten, weil man uns in Banoj» 
allgemein für peruanische Spione hielt und unseren Abmarsch nach 



Reise im Gebiet des oberen Amazonas. 367 

Canelos verhindern wollte. Doch gelang es uns endlich, vier von 
auswärts gekommene Cholos zu bewegen, uns nach Canelos zu be- 
gleiten. Die Leute gehen den Weg dahin nicht gern, weil er, nament- 
lich bei ungünstigem Wetter, sehr beschwerlich und nicht ganz ohne 
Gefahr ist. Unser Gepäck wurde auf die vier Träger verteilt und in 
geflochtene Körbe verpackt, welche mit den grofsen Blättern einer 
Helieonia-hxt ausgefüttert wurden, um die Nässe nicht eindringen zu 
lassen. Die Lebensmittel, welche auch für die Rückreise der Träger 
berechnet waren, bestanden aus geröstetem Gerstenmehl, Erbsenmehl, 
Reis, etwas Schweinefett, Salz, rohem Zucker, Kaffee und einigen 
Fleischkonserven. Die Last wird von den Leuten auf dem Rücken 
getragen und durch zwei Bänder gehalten, von denen das eine um 
Brust und Schultern, das andere um die Stirn geht. Wir selbst trugen 
unsere Gewehre, etwas Munition und einige Instrumente, welche wir 
zur Hand haben mufsten. So verliefsen wir am 23. Januar Bafios und 
zogen der Wildnis entgegen. 

Beim Wasserfall von Agoyan begaben wir uns wieder auf das 
nördliche Ufer des daselbst noch schmalen Pastaza. Es begann von 
dort an eine starke Veränderung in der Vegetation sich bemerkbar 
zu machen. Der charakteristische Pflanzenwuchs der Sierra verschwand, 
und die Gegend wurde waldig. Saftige Kräuter und Gebüsche bam- 
busartiger Gräser umsäumten den Weg, im Schatten der Bäume be- 
deckten Selaginellen und zahlreiche Farne den Boden, am Abhang 
nach dem Flufs zu standen Dickichte von 4 m hohen Schachtelhalmen 
(Equiseium giganteum). An lichten Stellen wuchsen in grofser Menge 
Scitamineen (bananenartige Stauden), darunter 4 m hohe Costus mit 
grofsen, rötlich-weifsen Blüten und Heliconien von gleicher Höhe mit 
meterlangen Blütenständen, welche rote, gelbe, blaue und grüne 
Farben in bunter Mischung zeigten. Von beiden Seiten ergiefsen sich 
eine grofse Menge Bäche und Flüfschen in den Pastaza; meist breitet sich 
am Ende des Seitenthälchens, in welchem dieselben fliefsen, ein kleines 
Plateau aus, von dessen steilem Rande sie als Wasserfall in den 
Pastaza stürzen. Diese Plateaus geben Raum zu Ansiedelungen; auf 
vielen ist der Wald ausgerodet, und Zuckerrohr-Pflanzungen umgeben 
einige Hütten, in denen sich auch gewöhnlich eine Quetschmühle zum 
Auspressen des Zuckerrohrs sowie eine kleine primitive Branntwein- 
Destillation befindet. Eines der bedeutenderen Flüfschen, welche wir 
zu überschreiten hatten, ist der Rio Verde. Sein über dunkelblaue 
Lava schäumendes, krystallklares Wasser erscheint smaragdgrün und 
bildet zwischen Felsblöcken einige wilde Kaskaden in paradiesischer 
Umgebung. Überhaupt ist das Thal des Pastaza in 1200 bis 1500 m 
Höhe äufserst anmutig und abwechslungsreich. 

26* 



^68 A. Rimbach? 

Während der ersten Tage übernachteten wir auf den erwähnten 
Ansiedelungen, wo wir auch Lebensmittel erhielten. Die Ansiedelungen 
hören aber oberhalb des Rio Topo auf, eines der gröfseren Zuflüfschen 
des Pastaza, welcher von der hohen Cordillera de los Llanganates 
— so heifst der nördlich das Pastaza-Thal begrenzende Gebirgsstock — 
herabkommen. Der Topo hat ein aufserordentlich felsiges Bett und 
ist sehr reifsend. Ihn zu tiberschreiten, ist etwas schwierig, bei Hoch- 
wasser sogar gefährlich. Wir überschritten ihn an einer Stelle, wo 
zwei Felsblöcke seine Wassermasse in drei Teile zertrennen. Unsere 
Leute hieben mit ihren Waldmessern Bambusstangen ab, banden zwei 
derselben zusammen und stellten damit eine Brücke zwischen dem 
Ufer und dem ersten Felsblock her. Darauf rutschte einer derselben 
hinüber, ihm wurde eine dritte Stange gereicht, welche, von ihm und 
einem anderen am Ufer etwas hoch gehalten, zum Anhalten diente. 
Mein Bruder und ich gingen nun hinüber, dann wurden die Lasten 
hertibergetragen, und schliefslich, nachdem der letzte herübergerutscht 
war, wurden die Stangen nachgezogen. Wir sechs Mann .mit dem 
Gepäck hatten gerade auf dem Felsen Platz und mufsten sehr Acht 
haben, um von dem glatten Gestein nicht abzugleiten und in das rings- 
um tosende Wasser zu fallen. Der Übergang auf den zweiten Fels- 
block und von diesem auf das andere Ufer wurde in derselben Weise 
bewerkstelligt. Unsere Leute hingen am anderen Ufer einen Teil 
ihres Mundvorrats, den sie in Säckchen trugen, in grofse Blätter ge- 
hüllt, an geschützter und verborgener Stelle an einem Baum auf. 
Sie thaten dies aus Vorsicht, damit, wenn auf dem Rückweg der 
Topo vielleicht so angeschwollen sei, dafs er den Übergang unmöglich 
mache, sie noch genug Nahrungsmittel vorfänden, um einige Tage 
warten zu können. Der Urwald bietet nämlich an vegetabilischer 
Nahrung wenig. Essbare Früchte sind selten. Geniefsbar sind in 
rohem und gekochtem Zustande die Endknospen der Stämme vieler 
Palmen -Arten. Doch diese sind nicht überall zu haben. Auf die Jagd 
kann man sich in diesen Gebirgswäldern nicht unbedingt verlassen. 
Wenn man auch manchmal Affen, wilde Schweine oder Baumhühner 
antrifft, so kann man oft auch tagelang wandern, ohne ein solches 
Tier zu Gesicht zu bekommen. 

Die Strecke vom Topo an bis Canelos wird nur selten von Men- 
schen begangen. Der Weg ist infolgedessen nur ein meistens ganz 
unkenntlicher Pfad, von den Fufstritten der Wanderer und den Hieben 
des Waldmessers hergestellt, der bald von Regen und Pflanzenwuchs 
verwischt wird und daher sehr schwer zu finden ist. Sogar derjenige 
unserer Cholos, welcher den Weg schon häufig gemacht hatte und 
übrigens ein im Urwaldleben sehr gewandter und erfahrener Mensch 



Reise im Gebiet des oberen Amazonas. 369 

war, verlor die Richtung mehrere Male. Wir mufsten manchmal 
staunen über die Ausdauer unserer Leute, welche, mit der schweren 
Last auf dem Rücken, auf dem meist durchweichten, oft morastigen 
Boden in schnellem Tempo dahintrotteten und die steilen, schlüpfrigen 
Abhänge auf und ab kletterten. Sie hatten allerdings dabei den grofsen 
Vorteil über uns voraus, dafs sie mit den nackten Füfsen einen viel 
festeren Halt besafsen, als wir mit unseren Lederschuhen. 

Als wir bis auf etwa noom herabgekommen waren, gelangten 
wir an den Fufs des Abitahua, eines hohen, sehr steilen, granitischen 
Gebirgsausläufers, welcher von Norden her an den Pastaza herantritt. 
Unter strömendem Regen erklommen wir denselben bis auf den etwa 
1800 m hohen Kamm. Derselbe war von prachtvollen Wachspalmen 
dicht bestanden. Viele der glatten, geringelten, ungefähr 40 cm dicken 
Stämme lagen umgestürzt in wildem Durcheinander am Boden. Von 
der Höhe dieses Bergzuges soll man, wie unsere Leute sagten, eine 
weite Aussicht auf das niedere Hügelland des Pastaza haben. Leider 
waren wir in Regenwolken dicht eingehüllt und mufsten, da es schon 
spät war, eilen, um über die sumpfige Höhe, auf der sich kein ge- 
eigneter Lagerplatz fand, hinwegzukommen. Vom Ostfufs des Abitahua 
an war der Boden weniger steinig, die Höhenzüge zwischen den zahl- 
reichen Flüfschen, die wir durchwateten, weniger steil, die Gewässer 
selbst waren nicht mehr reifsend, sondern flössen mit geringem Gefälle 
ruhig dahin. Nachdem uns der Weg noch einmal dicht an das Ufer 
des Pastaza geführt hatte, verliefsen wir denselben, da er sich nach 
Südosten wendet, während wir die Richtung nach Osten weiter ver- 
folgten. Der Pflanzenwuchs nahm den feucht-tropischen Charakter 
des tieferen Landes an. Grofse Bäume von etwa 40 m Höhe waren 
sehr zahlreich; hier und da besafsen ihre Stämme über 1 m Durch- 
messer. An vielen Orten gewahrte man die an tropischen Bäumen 
häufige Eigentümlichkeit der Bildung von Wurzelflügeln, d. h. strebe- 
pfeilerförmigen, brettartigen Auswüchsen der Basalteile der Seiten- 
wurzeln, welche aus 5 bis 10 m Höhe vom Stamm auszugehen be- 
ginnen und, geräumige Nischen zwischen sich lassend, dem Baum 
eine Basis von 6 bis 10 m Durchmesser auf der Erdoberfläche ver- 
schaffen. Unter den Bäumen war der stattliche Copal häufig, an 
dessen Stämmen hier und da Massen aromatischen Harzes hingen. 
Unsere Leute verwandten dasselbe bei dem regnerischen Wetter zum 
Feueranzünden. Auf manchen Strecken bestand der Wald vorwiegend 
aus starken Stämmen, fast ohne Unterholz und Kräuter, sodafs man 
bequem darin umhergehen konnte. Meistens war der Wald stark 
mit zwei sehr schlanken Arten der Palmengattung Iriartea gemischt; 
ihre bis 40 m hohen und nur etwa 20 cm dicken, glatten, weifslichen 



370 A - Limbach: 

Stämme, mit einer aus ganz wenigen grofsen Blättern bestehenden 
Krone, stehen auf kegelförmigen, bis an 4 m hohen Gerüsten spitz- 
höckeriger Stelzwurzeln. An manchen Stellen herrschten diese Palmen 
so sehr vor, dafs dikotyle Bäume ganz in den Hintergrund traten. 
Der Waldboden war an manchen Orten von kleinen Pflanzen fast leer, 
an anderen mit zahlreichen Farn-Arten, Selaginellen und grofsen Erd- 
Bromeliaceen dicht überdeckt. Epiphytische Bromeliaceen mit schön- 
farbigen Blütenständen und formenreiche Araceen bekleideten die 
Bäume. Gegen die Flufsufer hin breiteten sich häufig dornige Bambus- 
Gebüsche aus. 

Die Nächte verbrachten wir immer unter einem aus Stangen und 
Palmblättern verfertigten Dach, einem sogenannten „rancho", und 
schliefen am Boden auf einem Lager von Palmblättern. Da es Tag für 
Tag stark regnete, so konnten wir nur kleine Tagereisen auf dem 
durchweichten Boden machen. Auch wurden wir sehr dadurch auf- 
gehalten, dafs oftmals auf gröfseren Strecken die Bäume durch Stürme 
entwurzelt und niedergeworfen waren. Wenn wir durch das Gewirr 
der verdorrten Äste und Stämme hindurchgeklettert waren, hielt es 
meist schwer, auf der anderen Seite die Spur des Weges wieder zu 
finden. Wir waren nun über eine Woche auf dem Marsch durch 
den düsteren Urwald und wegen des häufigen Regens noch nie recht 
trocken geworden; wir bekamen Sehnsucht nach Luft, Licht und 
Trockenheit. Da führte der Weg über höhere Hügelzüge, welche die 
Wasserscheide zwischen Pastaza und .Bobonaza zu bilden schienen. 
Der Wald war hier im Gegensatz zu dem bisher durchwanderten so 
voller Lianen, dafs man sich förmlich hindurchwinden mufste. Aufser- 
dem bildeten kurzstämmige, bedornte Palmen dichte Bestände. Plötz- 
lich befanden wir uns am Rande eines Abhanges, von wo wir 
durch das Gezweig hinausblicken konnten auf ein weites, walderfülltes 
Thal, an dessen gegenüberliegender Seite auf einem Hügel ein Ge- 
bäude zu erkennen war: das Missionshaus von Canelos. Am Nach- 
mittag des folgenden, des zwölften Tages seit unserem Abmarsch 
von Bafios, vernahmen wir das Rauschen eines gröfseren Flusses und 
traten bald darauf aus dem Wald heraus an das breite, sandige Ufer 
des Tinguisa. Wir verfolgten denselben bis zu seiner Vereinigung 
mit dem Bobonaza, an welcher Stelle Canelos gelegen ist. Da ertönte 
das Läuten einer kleinen Glocke. Man hatte uns vom Missionshause 
aus gesehen und gab das Zeichen, dafs jemand angekommen sei; 
denn das ist in dieser menschenarmen Wildnis ein Ereignis von Be- 
deutung Als wir den Bobonaza durchwatet hatten und die jenseitige 
Anhöhe hinaufstiegen, kam uns schon P. Villalba, der auf der Mission 
weilende Geistliche, entgegen und führte uns zu dem zwischen Pflan- 



Reise im Gebiet des oberen Amazonas. 371 

zungen liegenden Missionsgebäude. Wir zeigten ihm unsere Legitimation 
vor, teilten ihm den Zweck unserer Reise mit und baten um die Er- 
laubnis, einige Zeit auf der Mission uns aufhalten zu dürfen. In 
freundlichster Weise erhielten wir seine Zustimmung, bekamen ein 
Zimmer mit Betten angewiesen, nahmen an den einfachen Mahlzeiten 
des Missionars und des noch anwesenden Bruders Teil und konnten 
das, was wir auf unseren Streifztigen durch die Umgebung fanden, 
unter Dach bequem untersuchen. Das Haus, welches die Missionare 
mit Hilfe einiger Arbeiter aus der Sierra erbaut hatten, war ein für 
die dortigen Verhältnisse stattliches Gebäude aus Balken und Brettern 
und war mit Palmblättern gedeckt. Zu ebener Erde befanden sich 
Vorrats- und Arbeitsräume und auch eine kleine Bibliothek. Das er- 
höhte Stockwerk, um welches eine breite Gallerie herumlief, enthielt 
Schlaf- und Wohnräume, sowie eine Kapelle. Von der Veranda über- 
blickte man die umgebende urbar gemachte Fläche mit Zuckerrohr, 
Bananen, Jucca, Kaffee, Chonta-ruru-Palmen (Guillielma speciosa) be- 
pflanzt; auch war eine Grasfläche angelegt, auf welcher man einige 
Rinder hielt, die unter grofsen Schwierigkeiten von den Missionen am 
Napo-Flufs hierher geschafft worden waren. Aufserdem fanden sich 
Schweine, Schafe und Hühner vor. Weiter hinaus schweifte der Blick 
über die mit ununterbrochenem Walde bedeckten Bergzüge, die im 
Westen zur mächtigen Cordillere anstiegen, von welcher wir herab- 
gekommen waren. Bei gutem Wetter soll man einen herrlichen Blick 
auf dieselbe haben. Uns blieb derselbe versagt wegen der Wolken- 
massen, die während unserer Anwesenheit in Canelos dieselbe fort- 
während umhüllten. Die Höhe von Canelos beträgt zwischen 900 und 
1000 m. Die Temperatur schwankte zwischen 18 und 29 C, und zwar 
betrug sie durchschnittlich morgens 6 Uhr 20 , mittags 12 Uhr 26 , abends 
6 Uhr 23 ° C. Gewitter hatten wir häufig und zu allen Tageszeiten, be- 
sonders auch des Morgens, und dieselben waren von heftigen Wind- 
stöfsen begleitet. 

Auf dem Hügelzuge, auf dem das Missionshaus steht, liegen im 
Walde zerstreut die Hütten der etwa 600 Indianer, welche das Dorf 
Canelos bilden. Die Hütten sind, wie diejenigen aller Indianer, die 
ich im Gebiet des Maranon sah, geräumig, länglich-viereckig, aus 
einem Gerüst von Balken und Stangen mit einem aus Palmblättern 
gefertigten Dach. Die Wände sind durch ein Gitter von dünnen 
Stangen gebildet und haben an jedem schmalen Ende eine Thür. 
An den Wänden stehen innen Pritschen, aus Stangen gemacht, auf denen 
die Leute schlafen, oder rohe Sitzbänke. Um die Hütten herum, oder 
in deren Nähe, befinden sich kleine Pflanzungen von Jucca (Manihot 
aipij, der Hauptkulturpflanze der Urwald-Indianer. Bei unserer Ankunft 



372 A - Rimbach: 

war das Dorf verlassen. Aufser seinem gewöhnlichen Hause besitzt 
nämlich jeder Indianer gewöhnlich in einer Entfernung von mehreren 
Tagereisen noch eine Pflanzung nebst Hütte. Dahin pflegen die Indi- 
aner jedes Jahr auf einige Monate mit der ganzen Familie und aller 
beweglichen Habe zu verziehen, um daselbst die Jucca zu ernten und 
zu jagen. So hatte sich gerade die ganze Einwohnerschaft auf ihre 
„Landhäuser" zerstreut. Nur einige Waisenkinder waren auf der 
Mission zurückgeblieben. 

Ein unerwarteter Umstand zwang uns, länger, als anfanglich unsere 
Absicht war, in Canelos zu verweilen. Bald nach unserer Ankunft 
daselbst ringen nämlich bei uns beiden Füfse und Knöchel an, zu 
schwellen, sodafs wir schliefslich keine Schuhe mehr anziehen konnten. 
Die kleinen Verletzungen der Füfse, die wir durch den Marsch er- 
halten oder die durch Mosquitostiche und durch das Herausziehen 
von Sandflöhen, deren es in Canelos viele gab, verursacht waren, 
fingen gleichzeitig an, zu eitern, und wollten auf keine Weise heilen. 
Das Gehen wurde dadurch schmerzhaft, und wir konnten tagelang 
das Haus kaum verlassen. Durch häufiges Baden und Anwendung 
von Wismut -Subnitrat trat erst nach mehreren Wochen vollständige 
Heilung ein. Dieses Leiden zeigt sich bei den meisten Leuten, welche 
von der Sierra aus längere Märsche in jenen Wäldern machen. Über- 
haupt kommt es im oberen Amazonenstrom-Gebiet bei Weifsen häufig 
vor, dafs aus ganz unbedeutenden Hautverletzungen sich langwierige 
Wunden oder bleibende grindige Geschwüre bilden; im Verlaufe 
unserer Reise wurden wir öfters von Leuten um Heilmittel hiergegen 
angegangen. Auch ist es, während man in der Sierra in die Füfse 
eingedrungene Sandflöhe einfach ansticht und ausdrückt und, wenn 
es unbequem ist, deren Haut gar nicht herauszieht, in diesen Gegenden 
geboten, die Haut derselben sorgfältig zu entfernen, weil dieselbe 
sonst Eiterung veranlafst. 

Wir benutzten die Ankunft zweier Indianer aus dem eine Tage- 
reise flufsabwärts liegenden Dorfe Pacayacu, um uns diesen für die 
Rückreise anzuschliefsen. 

Auf einem langen, schmalen, aus einem Cedro- Stamm (Cedrela 
odoratd) ausgehauenen Kahn, wie sie die Indianer bei ihren Flufs- 
fahrten hier allgemein brauchen, gingen wir den Bobonaza abwärts. 
Der Flufs bildet abwechselnd tiefe Becken, wo die Indianer ihre kurzen, 
schaufeiförmigen Ruder benutzten, und Schnellen, wo das Wasser über 
Steingeröll schäumte, und sie den Kahn mit langen Rohrstangen 
fortstemmten. In Pacayacu bezogen wir das leer stehende Häuschen 
der Missionare, welches neben der Kirche stand, die in demselben Stil 
wie die Indianerhütten erbaut war. Die Bewohner von Pacayacu, 



Reise im Gebiet des oberen Amazonas. 373 

etwa 60 an der Zahl, waren seit einiger Zeit von ihren auswärtigen 
Pflanzungen zurückgekehrt. Es sind mittelgrofse, gut gebaute Leute, 
von braungelber Hautfarbe, mit derbem, schwarzen, herabhängenden 
Haar und meist hübschen Gesichtern. Die Kleidung besteht bei den 
Männern gewöhnlich nur aus einer Art Badehose, bei den Frauen aus 
einem um die Hüften geschlagenem Tuch, welches wie ein Rock bis 
zur Wade reicht. Beim Gottesdienst oder sonst bei feierlicheren 
Gelegenheiten bedecken sie den Oberkörper mit dem mantelartigen, 
in Süd -Amerika allgemein üblichen poncho. Kaum hatten wir uns 
häuslich niedergelassen, als auch schon Männer und Frauen herbei- 
kamen, um. uns und unsere Habe zu besichtigen. Maimanta shamungi? 
Woher kommst Du?; Maimang ringt? Wohin gehst Du?; Imata masca- 
nayashpa puringi? Was gehst Du suchen? Diese und ähnliche Fragen 
hatten wir unzählige Male zu beantworten. Besonders aber wollten 
sie die Gegenstände, welche wir mitgebracht hatten, eingehend be- 
sichtigen und deren Zweck erfahren. Bald nach unserer Ankunft be- 
gaben sich sämtliche Männer auf einen Jagdzug mehrere Tagereisen 
weit. Auf der Jagd leisten ihnen ihre kleinen, unscheinbaren Hunde, 
ziemlich die einzigen Haustiere, welche sie halten, gute Dienste. Zum 
Erlegen des Wildes bedienen sie sich einer langen, mit Eisenspitze 
versehenen Lanze aus Palmenholz, welche sie auch sonst als Waffe 
immer mit sich führen, und eines etwa 3 m langen Blaserohres. Letzteres 
handeln sie von den Jfvaros ein, welche die Blaserohre am besten her- 
zustellen verstehen. Als Pfeile dienen etwa eine Spanne lange, dünne 
Holzstäbchen, die von hinten in das Rohr eingeschoben werden. Um 
das hintere Ende des Stäbchens wird ein Baumwollpfropf gewickelt, 
um der eingeblasenen Luft Widerstand zu bieten. Die Spitze des 
Pfeiles ist auf 1 cm Länge in ein besonderes Gift getaucht, eine rot- 
braune, dickflüssige Masse. Dieses Gift wird in einigen Indianerdörfern 
am Huallaga in Peru, welche das Geheimnis desselben besitzen, her- 
gestellt und von dort aus verhandelt. Ein Tier, welches durch einen 
vergifteten Pfeil auch nur leicht verletzt wird, stirbt, ohne sich weit 
fortbewegen zu können, ganz kurze Zeit darauf. Alle Tiere, bis zur 
Gröfse des Wildschweins, werden von den Indianern auf diese Weise 
erlegt. Das Fleisch so getöteter Tiere ist durchaus unschädlich. 

Während der Abwesenheit der Männer bereiteten die Frauen und 
Mädchen ein alkoholisches Getränk aus der Jucca-Wurzel vor. Eine 
grofse Menge von Wurzelknollen wurde gekocht und auf einem grofsen, 
tellerförmigen Brett zerrieben. Dann setzten sie sich um den Haufen 
herum, jede nahm von Zeit zu Zeit einen Bissen des Breies in den 
Mund, kaute denselben gehörig durch und spie ihn dann wieder auf 
die Masse zurück. Nachdem so ein Teil der Masse gekaut war, wurde 



374 A. Rimbach: 

er mit dem übrigen vermengt und in grofsen irdenen Töpfen auf- 
bewahrt. Dieser Stärkebrei aus Jucca, welcher, durch den Speichel 
gährungsfähig gemacht, nun schnell Alkohol und Kohlensäure ent- 
wickelt, heifst masato. Er kann etwa vierzehn Tage aufbewahrt werden 
und wird, in Blätter eingewickelt, auf Reisen immer mitgenommen. 

Die Männer brachten bei ihrer Rückkehr eine Menge Fleisch mit, 
welches sie bereits im Walde geräuchert hatten. Erbeutet waren Fische, 
Baumhtihner, Affen, grofse Nagetiere, Wildschweine und ein Tapir. 
Jetzt begannen grofse, gemeinsame Schmausereien, jeden Tag in einem 
anderen Hause, wobei das mitgebrachte Fleisch allmählich aufgezehrt 
wurde. Auch wir wurden dazu eingeladen. Die Männer safsen auf 
den Bänken an der Wand entlang, während Frauen und Mädchen 
kochten und das Getränk herumgaben. Sie füllten flache, thönerne 
Schalen, „tnocdhua" genannt, mit Wasser und drückten dann einige 
Handvoll gegohrenen Jucca-Breies darin mit der Hand aus, wobei sie 
die Fasern und gröberen Stücke wegwarfen. Dieses suppenähnliche 
Getränk von süfslich-säuerlichem Geschmack führt den Namen „dssua". 
Es wirkt in grösserer Menge berauschend. Die Indianer, welche un- 
glaubliche Mengen davon zu sich nehmen, betrinken sich gelegentlich 
damit. Diese dssua, Speise und Getränk zugleich, ist eigentlich das 
Hauptnahrungsmittel der Indianer im oberen Amazonenstrom - Gebiet. 
Es ist auch das erste, was man beim Betreten einer Indianerwohnung 
angeboten bekommt. Während des Gelages gehen stets mehrere 
Männer, mit Federschmuck angethan, in der Mitte der Hütte im Kreise 
herum, indem sie kleine, mit Affenfell bespannte Trommeln schlagen, 
was sie als eine feierliche Handlung anzusehen scheinen, da sie dabei 
kein Wort reden und eine ernste Miene machen. Will einer der 
Trommelschläger trinken oder etwas sprechen, so tritt er aus der 
Reihe der übrigen heraus. Einige Male wurde auch getanzt. Mann 
und Frau stellen sich einander gegenüber, die letztere hängt ein buntes 
Tuch über Kopf und Schultern und tanzt in hüpfendem Schritte vor- 
und rückwärts, ungefähr die Figur einer 8 beschreibend. Der Mann, 
welcher eine Trommel vorhängen hat, bewegt sich, diese schlagend, 
um einige Schritte vor- und rückwärts. Dieser einförmige Tanz dauert 
ganze Stunden lang. 

Die Sprache der Indianer am Bobonaza ist das Quichua (sprich: 
Kitsch ua). Dasselbe wird sonst nur von den Hochland s-Indianern ge- 
redet, dient aber unter den Indianerstämmen, welche mit dem 
Maranon Verbindung haben, als allgemeine Verkehrssprache. Unsere 
Indianer waren sehr gesprächig und zeigten in ihrer Unterhaltung 
grofse Intelligenz. Alles interessierte dieselben, und sie stellten vor- 
züglich Fragen über unser Heimatland, seine Grofse und die Wege, 



Reise im Gebiet des oberen Amazonas. 375 

welche dahin führten. Andererseits konnten sie, da sie viel reisen, 
auch über ihr eigenes Land gute Auskunft erteilen. Sie zählen nach 
dem Decimalsystem und haben Ausdrücke für die Zahlen bis tausend. 
Auffallend war mir indessen, dafs sie für blau und grün keine ver- 
schiedenen Worte haben und überdies beides mit „virde" bezeichnen, 
dem spanischen verde, einem der wenigen bei ihnen gebräuchlichen 
Fremdworte. Trotz ihrer guten geistigen Begabung sind diese Indianer 
schwer zu civilisieren. Der Grund hierfür liegt in ihrem Hang nach 
ungebundenem Leben und in ihrem Widerwillen, sich durch gröfsere 
Habe an einen Ort allzusehr zu fesseln. Deshalb können die Missionare 
sie nicht dazu bewegen, die Wohnungen besser einzurichten, gröfsere 
Pflanzungen anzulegen, Haustiere zu halten und überhaupt das Leben 
von Hand zu Mund aufzugeben. Der Grundsatz der Indianer ist, sich 
von keiner Sache mehr anzuschaffen, als für den augenblicklichen 
Lebensbedarf unbedingt notwendig ist. 

Während unseres Verweilens in Pacayacu klärte sich die Cordillere 
ein einziges Mal auf, und wir sahen gerade im Westen den Tunguragua 
und den Gebirgsstock von Llanganate. Von Pacayacu fuhren wir nach 
dem eine halbe Tagereise flufsabwärts liegenden Dorfe Sarayacu. Das- 
selbe zählt etwa 400 Bewohner. Daselbst wohnte auch ein ecuadoria- 
nischer Händler. Von solchen Händlern, die sich zeitweise bei den 
Indianern aufhalten, beziehen die letzteren ihren Bedarf an Kleidungs- 
stoffen, Äxten, Messern, Lanzenspitzen und dergleichen. Auch die 
Missionare bezahlen Dienstleistungen der Indianer mit diesen Gegen- 
ständen. Wir selbst waren ebenfalls mit einem kleinen Vorrat derartiger 
Dinge versehen, womit wir Lebensmittel eintauschten und die Kanu- 
fahrten vergüteten. Den Händlern liefern die Indianer Gold, welches 
sie gelegentlich in den Flüssen waschen, sowie Kautschuk und ein 
Ispingu genanntes Gewürz. Dasselbe ist das Erzeugnis eines in jener 
Gegend häufigen hohen Baumes aus der Lorbeer-Familie (Lauraceae). 
Bei demselben bleibt die sechsblätterige Blütenhülle bis zur Reife der 
Frucht erhalten, vergröfsert sich, wird nebst dem Blütenboden fleischig und 
stark aromatisch und fällt zugleich mit der etwa 4 cm langen, ei- 
förmigen, einen grofsen Samen enthaltenden Frucht ab, welche sie 
am Grunde umschliefst. Diese etwa 5 cm im Durchmesser haltenden 
Fruchthüllen haben einen sehr starken, angenehmen Geschmack nach 
einem Gemisch von Zimmet und Gewürznelke. Sie werden an der 
Sonne getrocknet und nach der Sierra geschafft, wo sie bei der Be- 
reitung von Gebäck und Süfsigkeiten benutzt und teuer bezahlt werden. 

In Sarayacu hatten wir unsere Wohnung in dem leer stehenden 
Häuschen der Missionare genommen. Eines Tages, als wir gerade 
mit dem Untersuchen von Pflanzen in unserer Wohnung beschäftigt 



376 A - Rimbach: 

waren, entstand ein grofser Lärm. Die Indianer stürzten, mit Lanze 
und Blaserohr bewaffnet, nach dem Flufs. Auf unser Fragen hiefs 
es, eine grofse Schweineherde habe sich in unmittelbarer Nähe gezeigt. 
Wir nahmen unsere Gewehre und liefen den Indianern nach. Doch 
die Schweine hatten sich mittlerweile wieder vom Dorfe zurückgezogen, 
und die Indianer verfolgten dieselben durch den Wald. An einer 
solchen wilden Jagd durch Dick und Dünn wollten wir uns nicht be- 
teiligen. Denn der Indianer bewegt sich im Walde mit erstaunlicher 
Schnelligkeit, überwindet mit grofser Gewandtheit die vielfachen Hinder- 
nisse und verletzt sich dabei, da er eine sehr derbe Haut hat, nur 
selten. Er vermeidet es übrigens, eine Schweineherde von vorn zu 
treffen oder in dieselbe hinein zu geraten, weil die Tiere dann leicht 
über ihn herfallen, sondern er läuft derselben nach und erlegt die 
Nachzügler mit seinen Giftpfeilen. Dabei trifft er manchmal mit dem 
Jaguar zusammen, welcher ebenfalls im offenen Kampf mit einer 
solchen Herde unterliegen würde und deshalb derselben nachzieht, 
um jene Tiere zu erfassen, welche vielleicht hinter dem Haupttrupp 
zurückbleiben. Von unseren Indianern gaben manche die Verfolgung 
als aussichtslos bald auf. Andere aber kehrten erst spät abends mit 
mehreren getöteten Schweinen zurück. 

Von unserer Wohnung aus sahen wir an mehreren Abenden 
zwischen 5 und 7 Uhr, wo der Himmel im Westen sich zu klären 
pflegte, den Vulkan Sangay in west-südwestlicher Richtung über die 
dichtbewaldeten Bergzüge hervorragen. Er war weifs von Schnee, 
die Spitze aber dunkel, und von derselben zog sich auf der Ostseite 
ein viereckiger, schwarzer Fleck herab, der in einige kurze Strahlen 
endigte, während auf der Nordseite ein breiter, schwarzer Streifen 
bis nach unten lief. Diese dunklen Teile rührten wohl von Lava 
oder Asche her. Von der Spitze stiegen von Zeit zu Zeit dunkle 
Rauchmassen auf und bildeten manchmal eine pinienförmige Wolke; 
nachts bemerkten wir einige Male schwachen, aufleuchtenden Feuer- 
schein. 

Die Temperatur bewegte sich in Sarayacu zwischen 19 und 30° C. 
Der Boden ist hier wie den ganzen Bobonaza entlang ein gelbroter, 
sandiger Lehm, auf welchem sich Flecken einer schwarzen, humösen, 
lockeren Erde zerstreut finden; auf den letzteren legen die Indianer 
vorzugsweise die Pflanzungen an, weil die gelbrote Erde weniger 
fruchtbar ist. Der die ganze Gegend ununterbrochen bedeckende 
Wald ist in der Nähe der von uns besuchten Orte sehr reich an 
niedrigen Gewächsen. Unter letzteren ragen durch die grofse Anzahl 
ihrer Arten besonders die Gesneraceen (Cyrtandreae) hervor, von denen 
die meisten als Kräuter oder Halbsträucher den Waldboden bewohnen, 



Reise im Gebiet des oberen Amazonas. 377 

manche aber mittels Haftwurzeln an den Baumstämmen hinaufklettern. 
Nächst diesen ist die Menge der verschiedenartigen Marantaceen be- 
merkenswert, von denen einige Arten gröfsere Strecken ganz über- 
wuchern. Bei manchen Marantaceen ist es schwer, die Blüten aufzu- 
finden, weil diese sehr vereinzelt erscheinen und nur wenige Stunden 
frisch bleiben. Auch viele Arten von Comelinaceen fanden sich vor, 
sowie zahlreiche, teils erdbewohnende, teils epiphytische Araceen. 
Zu diesen gesellten sich einige Rubiaceen, einige Acanthaceen, mehrere 
Costus, Cyklantheen, Heliconias, ein Syphocampylus und andere mehr. 
Stellenweise fand sich Eucharis amazonica in Blüte. Häufig war eine 
grofse Selaginella. Dieselbe klettert nach Art der Spreizklimmer durch 
ihre sperrigen, etwas zurückgebogenen Äste auf gröfseren Holzpflanzen 
bis zur Höhe von mehreren Metern empor. Ihr Stengel, welcher von 
hinten her abstirbt, ist bis auf etwa 2,50 m Länge lebend und sendet 
an 4 m lange fadenförmige Wurzelträger senkrecht zur Erde herab. 
An offenen Stellen wuchsen drei schöne, grofse Canna-Arten. Eine 
hohe, krautige Cleome wucherte als Unkraut in den Pflanzungen. 

Die Ameisen, im höheren Gebirge spärlich vertreten, sind in dieser 
Gegend schon sehr zahlreich, besonders auf den Pflanzen. Sie be- 
wohnen daselbst vielfach eigentümliche Hohlräume, wie blasenförmige 
Anschwellungen der Blattstiele am Grunde der Spreite (bei vielen 
Melastomaceen) oder das Innere verdickter Stengelknoten (bei Rubi- 
aceen) oder blasenförmig aufgetriebene Nebenblätter und dergleichen. 
Auch giebt es blattschneidende Arten, welche unter anderem die Jucca- 
Pflanzen entblättern. Von anderen Gliedertieren, welche wir fanden, 
sei die Vogelspinne erwähnt, von 8 cm Rumpflänge mit 1 cm langen 
Mandibular-Haken, und ein 12 cm langer Onychophore von sammetartig 
braunschwarzer Farbe mit einem weifsen Fleck auf dem Kopf. 

In Sarayacu konnten wir noch einige Tage in der angenehmen 
und lehrreichen Gesellschaft des P. Sosa, des langjährigen Leiters der 
Mission, verbringen, welcher von Quito zurückgekommen war. Zu 
unserer grofsen Verwunderung konnte sich derselbe mit uns in deutscher 
Sprache unterhalten, da er dieselbe während eines mehrjährigen Studien- 
Aufenthaltes in Graz in Österreich gelernt hatte. Dann mieteten wir 
drei Indianer mit einem Kahn, welche uns nach Andoas an der 
Mündung des Bobonaza bringen sollten, und fuhren am 30. April von 
Sarayacu ab. Das Land, welches von Canelos her bis Sarayacu ziem- 
lich bergig ist, wird von da ab immer flacher. Gleichzeitig ändert sich 
die Ufer-Vegetation. Am Oberlaufe, wo der Flufs durch Hügelzüge 
meist eingeengt ist, sind die Ufer mit eigenartigen, sich horizontal 
ausbreitenden, zähstengeligen Mimosen-Sträuchern bestanden, welche 
auch der starken Strömung des sie überflutenden Hochwassers wider- 



378 A. Rimbach: 

stehen. An den flachen Ufern des Unterlaufes verschwinden diese 
Mimosen, und es erscheinen die grofsblättrigen Cecropien. Hier ist 
auch die fächerblättrige Mauritia-Palme (M. vinifera) sehr häufig, 
welche am oberen Fluss nur vereinzelt auftritt. Sie kennzeichnet 
immer morastigen Boden. Auch Euterpe und mehrere andere Palmen 
erscheinen. Zum ersten Mal begegneten wir hier auch den mächtigen 
Wollbäumen, deren breite, flache, äufserst regelmäfsige Kronen die 
übrigen Waldbäume zu überragen pflegen und einen prächtigen An- 
blick gewähren. Die meisten derselben waren gerade blattlos, einige 
begannen bereits die neue Belaubung zu entfalten. Von den äufsersten 
Spitzen hoher über das Wasser gebeugter Bäume hingen an vielen 
Stellen lange Webervögel-Nester herab. Tiere zeigten sich wenig; die 
Natur war schweigsam. Einige Male nur hörten wir den ruhigen, 
flötenden Gesang des Orgelvogels. 

Der Lauf des Bobonaza hat im allgemeinen die Richtung nach 
OSO. In dei bergigen Gegend des Oberlaufes bildet er kleine, scharf- 
eckige Windungen, im Flachland des Unterlaufes sind die Windungen 
gröfser, abgerundeter und manchmal derartig, dafs der Flufs fast in 
sich selbst zurückläuft. In der ersten Hälfte der Entfernung von 
Sarayacu bis zur Mündung münden auf der linken Seite nahe bei 
einander der Rotuno und der Puca-yacu ein, die beiden bedeutendsten 
Zuflüsse des Bobonaza, welche einige Tagereisen aufwärts mit Kähnen 
befahrbar sein sollen. Wir trafen noch verschiedene kleine Pflanzungen 
und Hütten von Indianern an, bei welchen wir uns mit frischen Lebens- 
mitteln versorgten. An mehreren dieser Orte litten die Bewohner 
stark am Wechselneber. Nach fünftägiger Fahrt, am 5. Mai, fuhren 
wir früh morgens in den mit Nebel überlagerten Pastaza ein. Die 
Richtung des letzteren ist bei der Einmündung des Bobonaza nach SSO. 
Das lehmgelbe Wasser des Bobonaza hob sich scharf von dem schwärz- 
lichen des Pastaza ab und war noch eine Strecke weit am linken 
Ufer desselben erkennbar. Im Pastaza schwammen zahlreiche runde, 
vermutlich aus der Gegend des Sangay stammende Bimsteinstücke, und 
das von der Oberfläche geschöpfte Wasser bildete einen schwarzen, 
mineralischen Bodensatz. Wir landeten bei dem auf einer erhöhten 
Bank des linken Ufers wenig unterhalb der Bobonaza-Mündung liegen- 
den Indianer-Dorf Andoas. Unsere Indianer traten aus Furcht vor 
Erkrankung noch an demselben Tage die Rückreise an. Wir selbst fanden 
Aufnahme bei einem peruanischen Kautschuk-Händler, welcher daselbst 
wohnte. Auch dieses Dorf wurde früher von Zeit zu Zeit durch die 
Missionare von Canelos besucht. Gegenwärtig ist es fast ganz ent- 
völkert, einmal in Folge von Krankheiten und dann besonders, weil 
die peruanischen Kautschuk-Händler die dortigen Indianer nach ver- 



Reise im Gebiet des oberen Amazonas. 379 

schiedenen Gegenden des Amazonas zum Kautschuk-Sammeln fort- 
fuhren, wo diese umkommen oder sich verlieren. Die wenigen Andoas- 
Iridianer, welche wir sahen, waren mittelgrofse, kräftige Leute. Sie 
sprechen nicht Quichua, sondern das sogenannte Gay. Hier sahen 
wir auch einige Jfvaros aus der Gegend zwischen Pastaza und Morona. 
Ihre Sprache war fast dieselbe, wie jene der Jfvaros, die wir auf einer 
Früheren Reise im Gebiet des Santiago kennen gelernt hatten. Als 
l?robe dieser Sprachen mögen die folgenden Wörter dienen. 





Quichua. 


Jf varo. 


Gay. 


Sonne 


indi 


izä 


mpandn 


Auge 


njdhui-ruru 


hl 


genamte 


Haus 


hudsi 


hea 


iti 


Wasser 


ydcu 


yümi 


muakd 


Weg 


njdmbi 


hXnda 


nüguako 



(Der Circumflex soll hierbei den Nasal-Laut bezeichnen.) 
Die Temperatur bewegte sich während unseres dreitägigen Auf- 
enthaltes in Andoas zwischen 21 ° und 28 ° C. Der Peruaner teilte 
uns mit, dafs an zwei Stellen am Pastaza peruanische Händler wohnten, 
wir aber sonst keine menschlichen Ansiedelungen am Flufs antreffen 
würden. Wir kauften von demselben einen gröfseren Kahn, und nach 
einigen Schwierigkeiten liefsen sich auch drei Indianer bestimmen, 
uns bis an die Mündung des Pastaza zu begleiten. In der Mitte des 
Kahnes wurde aus Reifen und Palmblättern eine niedrige Hütte er- 
richtet, in welche wir uns bei Regen zurückziehen konnten; in dieser 
lag auch unser Gepäck. Zwei der Indianer ruderten unseren Kahn, 
indem der eine am vorderen, der andere am hinteren Ende desselben 
safs, während der dritte, der auch seine Frau und sein Kind mitnahm, 
in einem besonderen Kahn fuhr. In diesem wollten die drei Männer 
-wieder zurückrudern; zwei allein würden der starken Strömung nicht 
entgegen fahren können. 

Auf der Fahrt harpunierte einer unserer Indianer einen grofsen 
Süngaro-Fisch, von welchem wir zwei Tage lang zehrten. Die Indianer- 
frau hatte einen grofsen Topf voll „masato" mitgenommen und kre- 
denzte uns von Zeit zu Zeit „üwkö" mit Pasfaza-Wasser. Die erste 
Nacht schliefen wir auf einer Sandbank. Am zweiten Tage kamen 
wir an der Wohnung eines peruanischen Händlers vorbei, welchem 
wir einen kurzen Besuch abstatteten. Auf der Weiterfahrt bemerkten 
wir am Ufer zahlreiche Capybaras oder sogenannte Wasserschw T eine 
(Hydrochotrus capybara), bekamen sie aber niemals zum Schilfs. Hier 
und da streckten grofse Schildkröten die Köpfe zum Wasser heraus. 
Wir erlegten ein Baumhuhn, Eichhorn und Affen. Auf einer Sandbank 
schlugen wir wieder unser Lager auf. Nachts trat indessen Regen 



380 A. Rimbach: 

ein, und die Sandbank wurde vom Flufs überschwemmt, sodafs wir 
uns in den Kahn zurückziehen mufsten. Am folgenden Tage dauerte 
das Steigen des Flusses fort. Massen grofser Baumstämme trieben 
auf dem schaumbedeckten Wasser herab. Wir landeten nach kurzer 
Fahrt bei einer am Ufer stehenden verlassenen Indianerhtitte, weil sie 
uns eine bequeme Schlafstelle bot. Während des Nachmittags wurde 
jedoch auch diese Hütte und ihre Umgebung überschwemmt, und wir 
mufsten von neuem in den Kahn flüchten und daselbst die Nacht auf 
recht unbequeme Weise zubringen. Am nächsten Tage näherten wir 
uns einer Stelle, wo etwas erhöhte Ufer den Flufs einengen. Lautes 
Getöse liefs uns schon von weitem die Schnelligkeit ahnen, mit welcher 
das mit treibenden Baumstämmen erfüllte Wasser jene Enge hindurch- 
schofs. Unsere Indianer erklärten es für nicht ratsam, unter solchen 
Umständen die Stelle zu passieren. Wir arbeiteten uns deshalb durch 
das in das Wasser hängende Geäst der Uferbäume bis an das Land heran, 
wobei sich unsere Kähne mit von den Zweigen herabfallenden Ameisen 
ganz bedeckten, erstiegen das hohe Ufer und brachten die Nacht, 
während welcher es in Strömen regnete, unter einem aus grofsen 
Blättern hergestellten Dach zu. Am nächsten Morgen war das Wasser 
etwas gefallen, auch trieb auf demselben nur noch wenig Holz. Mit 
grofser Schnelligkeit schössen unsere Fahrzeuge durch die Tags vorher 
so drohende Stelle. Der Ort heifst nach einer früher daselbst vor- 
handen gewesenen Niederlassung Pinches. Unterhalb desselben sind 
die Ufer des Pastaza ganz niedrig und werden zur Zeit des Hoch- 
wassers weithin überschwemmt. Das Wetter wurde prachtvoll. Der 
Flufs war meist von einer hohen grünen Pflanzenwand eingesäumt. 
Der Wald war reich an Lianen; ihre Laubmassen überzogen stellen- 
weise vollständig die Uferbäume und umhüllten oft die Stämme der 
Palmen bis an die Blattkronen. Unter den Palmen war hier häufig 
eine eigenartige Iriartea mit in der Mitte angeschwollenem Stamm 
(I. ventricosa). 

Am Nachmittag kamen wir an einer uns zum Übernachten sehr 
passend erscheinenden Stelle vorüber, wo früher eine Ansiedelung be- 
standen zu haben schien. Wir schlugen unseren Leuten vor, da zu 
bleiben; sie schienen aber irgend ein Vorurteil gegen den Ort zu 
haben und thaten, als ob sie uns nicht verständen, wie es ihre Sitte 
war, wenn ihnen irgend etwas nicht pafste. Wir fuhren also bis 
Sonnenuntergang weiter, fanden aber nirgends einen geeigneten Lan- 
dungsplatz, weil die niedrigen Ufer allerorts unter Wasser standen. 
Zur Rechten erschien die Mündung des Huasaga, eines gröfseren 
Nebenflusses. Schliefslich dunkelte es und fing überdies noch an zu 
regnen, und unsere Leute entschlossen sich, zu landen. Der an der 



Reise im Gebiet des oberen Amazonas. 381 

Spitze des Kahns sitzende Indianer sprang heraus, watete durch die 
schlammige Erde und suchte, mit dem Waldmesser sich durch die 
Uferpflanzen Bahn brechend, festeren Boden zu erreichen, während wir 
vorläufig unter unserem Dach im Kahn hockten. Plötzlich schrie er 
auf und schlug mit seinem Waldmesser auf einen Gegenstand am Boden 
los. Wir wufsten erst nicht, was es gab, bis er in den Kahn zurück- 
kam und sagte, eine Schlange habe ihn in den Fufs gebissen. Sein 
Begleiter sog die Bifsstelle, die bei der Dunkelheit kaum zu erkennen 
war, mit dem Munde aus; wir selbst hatten Kalium-Permanganat zur 
Hand und behandelten dieselbe damit, so gut es in dem schwankenden 
Kahn möglich war. Die Indianer blieben nun keinen Augenblick 
länger an der Stelle und ruderten ab. Der Gebissene meinte, die 
Schlange sei giftig, legte seinen Fufs hoch, nahm ein kleines rundes 
Holzgefäfs, legte Tabak hinein, hielt es an den Mund und begann 
uns unverständliche Formeln nach einer eigentümlichen Melodie halb- 
laut hineinzusingen. Er schien hiervon Heilung zu erwarten, und 
wir liefsen ihn gewähren, da wir ihm vorläufig keine Hilfe leisten 
konnten. 

Wir fuhren nun in der Dunkelheit weiter und banden schliefslich 
die Kähne an dem niedrigen Gebüsch einer kleinen, flachen Insel fest. 
Der gebissene Indianer blieb bei uns im Kahn liegen, die übrigen 
gingen hinaus und machten sich, da kein trockener Boden zu finden 
war, ein Lager aus abgehauenen Zweigen, Feuer konnte nicht an, 
gezündet werden. Bald merkten wir aber, dafs der Ort voll Mosquitos 
war. Deshalb spannten wir unseren Mosquitero noch innerhalb des 
Blätterdaches im Kahn auf und krochen darunter. Ein solcher Mos- 
quitero oder Mückenvorhang, der in Gegenden, welche an Stechmücken 
reich sind, nicht zu entbehren ist, ist ein aus dünnem leichten Zeuge 
gemachter Betthimmel, unter welchem man schläft. Unter der niedrigen 
Hülle war es indessen zum Ersticken warm und dumpfig und die Lage 
aufserdem so unbequem, dafs an Schlafen nicht zu denken war. Von 
aufsen tönte das Summen der Stechmücken, welche uns scharenweise 
belagerten und sofort eindrangen, sobald man der Luft Zutritt ge- 
stattete. Der Kranke hörte die ganze Nacht nicht auf, seine eintönige 
Melodie vor sich hin zu singen. Auch die übrigen kamen auf ihrem 
Lager draufsen wegen der zahlreichen Mücken nicht zur Ruhe. 

Als der von uns herbeigesehnte Morgen anbrach, war der Fufs 
des Gebissenen ziemlich geschwollen. Der Regen wurde stärker und 
hielt den ganzen Tag über an. Beim Weiterfahren kamen wir an den 
Mündungen zweier von rechts einmündender kleiner Flüfschen vorbei, 
des Sungachi und Manchari, und gelangten an eine Stelle, wo der 
Pastaza sich in zwei Arme teilt, die sich später wieder vereinigen 

Zeitschr. d. Ges. f. Erdlc. Bd. XXXII. 1897. 27 



382 A. Rimbach: 

und eine lange Insel einschliefsen. Wir fuhren in den rechten Arm 
ein und erblickten mittags am Ufer ein Haus, welches von einem 
Kautschuk-Händler herrührte, der es einige Zeit mit seinen Leuten be- 
wohnt, aber wieder verlassen hatte. Es war etwas verfallen, aber sehr 
geräumig und uns unter den gegenwärtigen Umständen hochwillkommen. 
Auch winkte daneben eine Pflanzung von Bananen. Wir liefsen uns 
sogleich häuslich darin nieder. In der Nähe, durch einen Wasserarm 
getrennt, standen einige kleine Hütten, von etwa einem Dutzend 
Indianer-Frauen bewohnt. Ihre Männer waren, so sagten dieselben, mit 
einem Händler zum Kautschuk-Sammeln nach dem Maranon hinab- 
gefahren. In den Sümpfen, welche den Ort auf der Landseite um- 
gaben, standen massenhaft die fächerblättrigen Acuaje-Palmen (Mauritia), 
sowie die sogenannte Shapaja, eine Kokos-Art. Die Stechmücken 
waren so zahlreich, dafs man sogleich von allen Seiten gestochen 
wurde, sobald man sich einen Augenblick ruhig verhielt. Zum Schutz 
gegen dieselben inufsten wir fortwährend stark rauchendes Feuer 
unterhalten. Wir wollten zunächst abwarten, wie es mit dem Kranken 
werden würde. Er konnte nicht auf den gebissenen Fufs auftreten, 
lag unter seinem Mosquitero und sang Tag und Nacht seine Melodie, 
wovon er sich nicht abbringen liefs. Er glaubte offenbar, das Gift 
aus seinem Körper heraus in den Tabak hineinzusingen ; denn von Zeit 
zu Zeit liefs er den letzteren ausräuchern und fuhr dann mit dem 
Sänge fort. Sonst liefs er durchaus keinen Heilversuch mit sich vor- 
nehmen. Die Lebensmittel wurden nun sehr knapp. Jagdbare Tiere 
oder Fische gab es nicht, selbst die Indianer konnten nichts finden. 
Nur Bananen hatten wir reichlich. Da der Kranke, obgleich die Ge- 
schwulst etwas abgenommen hatte, nicht weiter mit uns fahren und 
auch nicht allein gelassen werden konnte, so entschlossen wir uns am 
vierten Tage unseres Verweilens an dem Ort, unsere Leute zurück- 
kehren zu lassen und die Reise allein fortzusetzen. Wir nahmen einer. 
Vorrat gekochter Bananen in den Kahn, mein Bruder setzte sich an 
die Spitze, ich an das Hinterende des Fahrzeuges, jeder mit einem 
breiten Schaufelruder versehen. So fuhren wir den Flufs hinab. Der- 
selbe begann wieder mehr zu steigen, und es zeigten sich gefährliche 
Mengen treibender Baumstämme. Solche lagen auch hier und da auf 
den seichteren Stellen fest, und man mufste ihnen schon von weitem 
ausweichen, um nicht von der starken Strömung auf dieselben ge- 
trieben zu werden. Einmal wichen wir nicht zeitig genug aus, das 
Wasser drängte unseren Kahn auf einen kaum über die Oberfläche 
ragenden Stamm, ein Ast rifs uns das Blätterdach herunter, und mit 
knapper Not konnten wir das Fahrzeug vor dem Umschlagen bewahren. 
Kurz darauf trieb die Strömung den Kahn in die Schlingpflanzen des 



Reise im Gebiet des oberen Amazonas. 383 

Ufers hinein, wo derselbe hängen blieb, umgedreht wurde und wieder 
dem Umschlagen nahe war. Noch im letzten Augenblick gelang es 
uns, das Fahrzeug mit dem Waldmesser loszuhauen. Am Nachmittag 
erschien am rechten Ufer die Mündung eines gröfseren Flusses, des 
Huitu-yacu und weiter unten ein Haus. Wir hielten uns, um ja nicht 
von der Strömung an demselben vorbeigerissen zu werden, dicht am 
Ufer. Als wir näher kamen, trat ein Mann heraus und rief uns zu, 
wir sollten in den Hof hineinfahren. Wir bemerkten nun, dafs das 
Wasser die ganze Umgebung des Hauses überflutete und sich durch 
eine Lücke des Zaunes in den Hof ergofs. Hierein lenkten wir den 
Kahn. „Springen Sie in das Wasser und schieben Sie den Kahn vor das 
Haus, sonst wird er Ihnen fortgerissen", rief der Mann. Wir sprangen 
hinaus, und mit Aufbietung aller Kraft gelang es uns, das Fahrzeug aus 
der Strömung heraus und vor ein Häuschen zu ziehen, welches hinter 
dem ersten stand. Der Besitzer des Hauses, ein Peruaner, welcher mit 
seiner Frau und einigen Dienstleuten als Kautschuk-Händler hier wohnte, 
war sehr erstaunt darüber, dafs wir als Fremde allein auf dem Flufs 
fuhren. Wir erzählten ihm unsere Erlebnisse und baten ihn, bei ihm 
bleiben zu dürfen, da es während der letzten Tage mit unserer Ver- 
pflegung sehr schlecht bestellt gewesen war. Er nahm uns sehr gern 
auf, und wir labten uns an dem vorzüglichen Fleisch der Nagetiere, 
welche seine Leute im Walde erlegt hatten. Er teilte uns mit, dafs 
er schon mehrere Jahre hier lebe, aber noch nie den Flufs bis zu 
solcher Höhe habe steigen sehen. Es sei übrigens eine peruanische 
Truppe von 20 Mann vor einigen Tagen bei ihm gewesen, welche nach 
Andoas hätten hinaufgehen wollen, um etwaige kriegerische Unter- 
nehmungen der Ecuadorianer zu beobachten. Sie sei aber wieder um- 
gekehrt, weil ihre indianischen Ruderer entflohen seien. Wir würden 
die Soldaten wahrscheinlich am Maranon antreffen. Unser Schreiben 
vom peruanischen Gesandten würde uns gute Dienste leisten; ohne 
dasselbe würden wir, da wir aus Ecuador kämen, vielleicht Schwierig- 
keiten haben. 

Auf die Einladung des Peruaners blieben wir den nächsten Tag 
noch bei demselben, da der Flufs immer noch im Steigen begriffen 
war. Am darauffolgenden Morgen schoben wir mit Hilfe unseres Gast- 
freundes und seines Burschen mit grofser Mühe den Kahn vom Hause 
hinweg durch das überlaufende Wasser bis an den Rand des eigent- 
lichen Flufsbettes. Dann schwangen wir uns hinein, wurden sogleich 
von der Strömung fortgerissen und ruderten mit aller Kraft nach der 
Mitte des Flusses, um nicht in das Gewirr der am Ufer angeschwemmten 
Bäume zu geraten. 

Wir hatten zuerst die Absicht gehabt, in die unterhalb der Mün* 

27* 



384 A. Rimbach: 

düng des Huitu-yacu von rechts in den Pastaza abfliefsende grofse 
Lagune Rimachuma einzufahren, um dieselbe näher kennen zu lernen. 
Wegen des herrschenden Hochwassers mufsten wir diesen Plan auf- 
geben. Wir verbrachten die Nacht in unserem Kahn an einer kleinen 
Insel unterhalb der Einmündung der Rimachuma. Auf der Weiterfahrt 
am anderen Tage sahen wir am Ufer ausgedehnte Bestände der schon 
erwähnten Mauritia- und Kokos-Palmen, denen auch zahlreiche Assai- 
Palmen (JSuterpe) beigemischt waren. Aus dem Uferwalde ragten hier 
und da riesige, breitkronige Wollbäume hervor. Affen, grofse weifse 
Reiher und Scharen kleiner grüner Papageien belebten den Wald. 
Grofse, langschwänzige Papageien (Arä), die dort Huacamayo genannt 
werden, deren buntes Gefieder in der Sonne prachtvoll glänzt, flogen 
paarweise mit lautem Geschrei in bedeutender Höhe. Überall stand 
der Wald unter Wasser, nur selten kam die rote Erde des Ufers zum 
Vorschein. Da erweiterte sich etwa um vier Uhr nachmittags die 
Wasserfläche, eine starke Strömung kam von rechts: wir hatten die 
Mündung des Pastaza erreicht und fuhren in den Maranon ein. 

Nach den Kompafs-Beobachtungen, welche ich während der ganzen 
Fahrt gemacht hatte, ist die allgemeine Richtung des Pastaza von 
Andoas bis zur Mündung von N nach S mit einer geringen Abweichung 
nach O. Der Flufs hat nur wenige und schwache Windungen. Er 
fliefst von der Einmündung des Bobonaza bis etwas unterhalb Pinches 
fast in gerader Linie nach SSO, darauf bis zur Mündung des Huasaga 
nach SSW, dann bis etwas unterhalb der Rimachuma unter einigen 
Schlängelungen nach S, und endlich auf der kurzen Strecke von dort 
bis zur Mündung geradlinig nach SO. 

Wir hielten uns zunächst am linken Ufer des Maranon, konnten 
aber, da die starke Strömung hier hinderte, keine Landungsstelie 
finden, kreuzten deshalb die Strömung und landeten mit einiger 
Schwierigkeit im Gebüsch einer tiberschwemmten Insel, wo im Kahr. 
übernachtet wurde. Die nächste Ansiedelung war die kleine Haciend: 
S. Isidro auf dem linken Ufer, welche wir tags darauf nach einer Fahrt 
von wenigen Stunden erreichten; sie war zur Zeit ebenfalls vom 
Wasser überschwemmt. Als wir angelegt hatten und uns durch den 
tiefen Schlamm nach dem Hause begeben wollten, kamen uns 
mehrere Leute, von unserer Ankunft anscheinend überrascht, entgegen 
gelaufen. Es waren Soldaten der peruanischen Truppe. Wir ver- 
langten, zum Führer derselben geführt zu werden, und zeigten dem- 
selben unsere Legitimation vom peruanischen Gesandten vor. Der 
Teniente empfing uns mit ausnehmender Zuvorkommenheit und forderte 
uns dringend auf, einen Tag bei ihm zu bleiben und seine Gäste z" 
sein. Wir nahmen das Anerbieten nach den gehabten Anstrengungen 



Reise im Gebiet des oberen Amazonas. 385 

mit Dank an und konnten die Leute im Laufe der Unterhaltung über- 
zeugen, dafs wir keine Spione von Ecuador seien, was sie anfangs zu 
argwöhnen schienen. Der Boden des Hauses, worin die zwanzig Mann 
sich aufhielten, war vollständig durchweicht, und ebenso stand es in 
dem Raum, welchen wir zum Schlafen angewiesen erhielten. Wir 
mufsten, um unsere pritschenartigen Schlafstellen zu erreichen, bis fast 
an die Knie im Morast waten. 

Am nächstfolgenden Tage fuhren wir ab. Schon kurz nach Mittag 
zwang uns aber ein von Osten kommender starker Wind, welcher, der 
Strömung entgegengerichtet, hohe Wellen warf und unser Fahrzeug 
leicht hätte zum Sinken bringen können, in dem Dickicht des etwa 10 m 
hohen Uferrohres Schutz zu suchen. Hier verbrachten wir auch die 
Nacht, in welcher es so viele Zancudos gab, dafs wir genötigt waren, 
wiederum in der drückenden Luft unter dem Mosquitero zu schlafen. 
Unser nächstes Ziel war die Hacienda S. Lorenzo, die auf einer 
Insel, gegenüber der Mündung des grofsen Flusses Huallaga, liegen 
sollte, des ersten grofsen Zuflusses des Maranon von der Südseite. 
Wir erreichten den Ort am nächsten Tage noch nicht, weil das Rudern 
in der starken Sonnenhitze sehr anstrengend war, und es aufserdem 
wegen der Strudel, die den Kahn fortwährend drehten, sehr erschwert 
war, die Richtung zu halten. Auch gerieten wir manchmal in tote 
Arme des Stromes, wo wir ausschliefslich auf das Rudern angewiesen 
waren. Man mufste sich übrigens sehr hüten, nahe am Ufer hin zu 
fahren, weil öfters hohe Bäume von dem erweichten und unterwaschenen 
Ufer mit donnerähnlichem Getöse in das Wasser stürzten. Auf der 
ganzen Strecke war der hohe Wald sehr reich an Palmen (Mauritia, 
Cbcos, Euter pc), die Ufer stellenweise mit hohem Bambus und Rohr- 
gebüschen bestanden. Auf dem Wasser gab es viele grofse Enten, 
auch tummelten sich zahlreiche Delphine in der Flut. Nachdem wir 
nochmals im Ufergebüsch tibernachtet hatten, zeigte 'sich nach kurzer 
Fahrt am folgenden Morgen die Mündung des Huallaga und etwas 
unterhalb derselben auf einer Insel die Ansiedelung S. Lorenzo. Auf 
dieser Hacienda blieben wir, um eine Gelegenheit abzuwarten, weiter 
stromabwärts zu fahren. Wegen des hohen Wellenganges, der in 
Folge des starken Ostwindes auf dem Strom herrschte, war es nämlich 
von hier an zu gefahrlich, unser kleines Fahrzeug weiter zu benutzen. 
Am anderen Morgen wurden wir durch den Schall einer Dampf- 
pfeife herausgelockt. Ein grofser Amazonas-Dampfer, „Bermüdez", kam 
den Strom herauf und landete in S, Lorenzo, um Holz einzunehmen. 
Derselbe hatte in den Huallaga hinein bis nach Yurimaguas zu gehen. 
Dieser Ort bildet gegenwärtig den Endpunkt der regelmäfsigen Dampf- 
schiffahrt auf dem Amazonen-Strom. 



386 A. Rimbach: 

Wir warteten nun in S. Lorenzo, dessen Besitzer uns höchst gast- 
freundschaftlich behandelte, auf die Rückkehr des „Bermüdez". Die 
Temperatur schwankte während unseres Aufenthalts (Ende Mai) zwischen 
2o° und 29 ° C. Das Wasser des Stromes hatte an der Oberfläche 
24i° C. Der Maranon war immer noch stark angeschwollen und führte 
viel Treibholz. Das grofse Hochwasser dauert gewöhnlich von Februar 
bis Mai, der niedrigste Wasserstand von Juni bis September, worauf 
im Oktober und November wieder ein kleines Anschwellen erfolgt, das 
von einem erneuten Sinken im December und Januar begleitet wird. 

In S. Lorenzo wird hauptsächlich Zuckerrohr gebaut, das 
gewöhnlichste Produkt auf allen dortigen Hacienden, und daraus 
zum kleinen Teil roher, brauner Zucker, dort chancona genannt, zumeist 
aber Branntwein gewonnen. Aufserdem werden Jucca und Bananen 
kultiviert und Viehzucht getrieben. Von den Arbeitern der Hacienda 
wurden täglich einige zur Jagd in den Wald und auf den Flufs ge- 
schickt. Unter ihrer Beute sahen wir hier zum ersten Mal den Paiche 
(Arapaima gigas), einen riesigen, bis 2,50 m langen, grofsschuppigen 
Fisch. Derselbe ist im Maranon und seinen Nebenflüssen sehr häufig, 
und sein Fleisch bildet in gesalzenem und getrocknetem Zustande 
eines der gewöhnlichsten und wichtigsten Nahrungsmittel am Strom. 
Auch bekamen wir hier das gröfste der dortigen Hokko-Htihner zu 
sehen (Crax tomentosus). Das Männchen hatte etwa 1 m Länge und 
ii m Spannweite der Flügel, blau schwarze Farbe, schwarzen Feder- 
kämm und roten, gegen die Stirn hin blasig aufgeschwollenen 
Schnabel. 

Am 3. Juni kam der „Bermüdez" von Yurimaguas zurück. Wir 
fuhren mittags auf demselben ab, gingen aber nicht mit bis Iquitos, 
sondern stiegen am folgenden Morgen in Parinari, einem Indianer- 
dorf auf dem nördlichen Ufer, aus. Der Besitzer der daselbst be- 
findlichen gröfseren Hacienda, Herr R., an welchen wir von S. Lo- 
renzo aus empfohlen waren, stellte uns in Aussicht, eine Exkursion 
auf dem ihm gehörigen kleinen Dampfboot in den Flufs Samina 
unternehmen und dann später mit ihm selbst nach Iquitos fahren zu 
können. Herr R. hatte etwa 100 Cocama - Indianer von Parinari in 
seinem Dienst. Das will in jener Gegend, wo Land fast umsonst zu 
haben ist, aber Arbeitskräfte fehlen, sehr viel bedeuten. Er kultivierte 
ziemlich viel Zuckerrohr und besafs eine grofse Branntwein-Destillation, 
deren Produkt in Iquitos, der Stadt des Kautschuk-Handels, schnellen 
Absatz findet. Aufserdem fabrizierte er gute Backsteine und Ziegel 
zum Verkauf in Iquitos aus der mit Flufssand gemischten thonigen 
Erde des Ufers, welche für diesen Zweck ein ausgezeichnetes Material 
darstellt. 



Reise im Gebiet des oberen Amazonas. 387 

Während unseres Aufenthalts in Parinari, zu Anfang Juni, regnete 
es fast täglich. Die Temperatur war auffallend gleichmäfsig, da sie 
sich nur zwischen 21° und 28 ° C. bewegte und einmal, am 5. Juni, 
sich durch 24 Stunden, Tag und Nacht, auf 23 ° C. erhielt. Das Wasser 
des Stromes zeigte morgens an der Oberfläche zwischen 23$ und 24 J° C. 
Der Strom ist bei Parinari in einem Bett vereinigt, ohne Inseln, und 
etwa 600 m breit. 

Von den Kulturpflanzen reift daselbst die Banane in 9 Monaten, 
die Jucca {Manihot aipi) in 6, der Reis in 5, die Erdnufs (Arachis hy- 
pogaca, dort man! genannt) in 4, der Mais in 3, die Bohne (Phaseolus) 
in 2! Monaten, das Zuckerrohr wird in 10 Monaten schnittreif. 

Erst am 17. Juni wurde es möglich, die Fahrt nach dem Samiria- 
Flufs auszuführen. Der Sohn des Herrn R. fuhr mit seinem kleinen 
Dampfboot nach einer dort angelegten Station in Begleitung einer 
gröfseren Anzahl seiner Cocama-Indianer, welche in der Umgebung 
derselben verteilt wurden, um während einiger Monate, zur Zeit des 
niederen Wasserstandes, Kautschuk einzusammeln. Dieser Kautschuk, dort 
Jeve genannt, ist der erstarrte Milchsaft von Hevea brasiliensis, einem 
hohen Baum, und wird durch Einschnitte in die Rinde des Stammes 
gewonnen, aus welchen er ausfliefst. Die Leute erhielten einen Vorrat 
von Farinha (gerösteter, zerriebener Jucca) und aufserdem Gewehre 
und Munition, womit sie sich ihren Fleischbedarf durch Jagd ver- 
schaffen. Der Samiria ist ein kleiner Flufs, welcher wenig oberhalb 
der Mündung des Ucayale auf dem rechten Ufer in den Maranon 
einmündet und in ziemlich starken Windungen im allgemeinen von 
Süden nach Norden fliefst. Seinen Ursprung hat er wahrscheinlich 
in dem etwas erhöhten Gelände in der Gegend von Yurimaguas. Sein 
Wasser ist im Gegensatz zu dem trüben, weifslichen des Maranon 
braunschwarz und ganz klar. Im Glase betrachtet, erscheint es gold- 
bräunlich; sein Geschmack ist etwas fade. Die Temperatur des Flusses 
betrug an der Oberfläche 23 ° C. Er war, wie man an der Marke sah, 
die das Hochwasser an den Baumstämmen zurückläfst, erst wenig ge- 
fallen. Der dichte hohe Wald, der die ganze Gegend bedeckt, stand 
in der Nähe der Flufsläufe überall unter Wasser. Am Ufer machten 
sich durch ihre Häufigkeit besonders bemerklich ein kleiner Bombaceen- 
Baum, zur Zeit gerade blattlos, aber mit zahlreichen, grofsen, weifsen 
Blüten behangen, und mittelgrofse, in dichten Gruppen wachsende, 
dornige Fiederpalmen. 

Unter den Waldbäumen, deren Höhe meist gegen 40 m betrug, 
waren zahlreich vorhanden die schlanke Capirona (eine Rubiacee) mit 
dünner, rötlicher Borke, die Cedrela, der Mahagoni-Baum, die Copaiva 
und verschiedene Arten mächtiger Bombaceen, von denen manche 



3g8 A * RimbaCh: 

einen Stammdurchmesser bis zu 3 m besafsen. Viele dieser Woll- 
bäume waren gerade ohne Blatter; bei manchen waren die beschupp- 
ten Endknospen der Zweige im Aufbrechen und die Blätter in der Ent- 
faltung begriffen. Der Wald war reich an Palmen. Besonders massenhaft 
trat die schon erwähnte Shapaja (Cocos sp.) und eine mittelhohe Stein- 
nufspalme {Phytelephas) mit Samen von etwa 4 cm Durchmesser auf. 
Von diesen Palmen unterscheidet sich durch ihren schlanken und 
zarten Bau die sparsamer vorkommende Assai-Palme (JEutcrpe). Diese 
wird bis gegen 30 m hoch, bei einem Stammdurchmesser von 20 cm 
im unteren und kaum 10 cm im oberen Teil. Die Krone wird von 
etwa einem Dutzend Blättern gebildet von 3 bis 3$ m Länge, deren 
Mittelrippen starr und geradlinig von einem Mittelpunkte nach allen 
Seiten ausstrahlen, während ihre biegsamen, schlaffen Fiedern senkrecht 
abwärts hängen. Die unterhalb der Blätter sitzenden Fruchtstände 
tragen eine grofse Menge kugeliger, etwa i| cm dicker, schwarzblauer 
Beeren mit dünnem Fleisch. Die Bäume beherbergten in dieser Ge- 
gend verhältnismäfsig wenig Epiphyten. Auf dem meist morastigen 
Boden im Innern des Waldes kamen aufser einigen Scitamineen, Comme« 
linaceen, dünnstämmigen Baumfarnen und kleinen Palmen der Gattung 
Geonoma nur wenige krautartige Pflanzen vor. 

Vom Flufs aus gesehen bot dieser Wald, besonders morgens vor 
Sonnenaufgang, wenn er von leichtem Dunst umhüllt war und unter 
zarter, seitlicher Beleuchtung stand, ein märchenhaft schönes Bild. 
Wir fuhren auch in einige seitliche Zuflüsse des Samiria hinein, welche 
sich seeartig verbreitern und nur geringe Strömung haben. Hier gab 
es stellenweise zahlreiche schwimmende Wasserpflanzen: eine Ponte- 
deriacee mit blafsroten Blüten, eineweifsblütige Jussiaea-artige Onagracee, 
Pistia, schwimmende Farne mit blasigen, dicken Blattbasen, Utricularia 
mit gelben Blütentrauben. Hier sahen wir auch zum ersten Mal die 
Victoria regia. An manchen Stellen hatten die genannten Pflanzen vom 
Ufer aus die ganze Breite des Wasserlaufes überwuchert, sodafs das 
Dampfboot nicht durchdringen konnte. Indianer gingen deshalb auf 
Kähnen voraus, hieben aus der dichten Pflanzenmasse grofse Schollen 
heraus, welche dann langsam fortschwammen, und bahnten so dem 
Fahrzeug einen Kanal. Auf dieser schwimmenden Pflanzendecke 
trafen wir mehrfach den Wehrvogel (Palamedea cornuta), sowie dessen 
Nest, welches sehr einfach aus zusammengebogenen Stengeln gebildet 
ist. Ein solches Nest enthielt vier weifse Eier von je 9 cm Länge, ein 
anderes drei, noch mit fahlgelbem Flaum bekleidete Junge. Hin und 
wieder Hefsen sich auch grofse Boas sehen, die aber immer eilig in das 
Wasser flüchteten. Nachts phosphoreszierte die Pflanzenmasse vom 
Licht unzähliger, kleiner Leuchtkäfer. 



Reise im Gebiet des oberen Amazonas. 389 

Die Indianer, welche an den Stellen, wo wir uns etwas länger 
aufhielten, sich in den Wald zerstreuten, um die Gesellschaft mit 
Fleisch zu versorgen, brachten eine Menge erlegter Tiere herbei. Am 
meisten wurden Affen erbeutet. Wir bekamen 6 Arten derselben zu 
Gesicht. Unter diesen befand sich der gröfste Affe jener Gegenden, 
die schwarze Makisapa (Aieles paniscus L.), dessen Körperlänge bei beiden 
Geschlechtern 60 cm beträgt, ohne den 70 cm langen -Greifschwanz. 
Ebenso grofs, mit 60 cm langem Greifschwanz, ist der rotbraune 
Brüllaffe (Mycetes seniculus L.). Das Männchen dieser Art hat einen 
ungewöhnlich grofsen, aufgetriebenen Kehlkopfknorpel und ist etwas 
gröfser als das Weibchen. Beide Arten leben truppweise in den 
Baumkronen. Das Fleisch aller Affenarten wurde gegessen und hatte 
einen guten Geschmack. Gelegentlich wurde auch ein dreizehiges, 
schwarz-weifses Faultier geschossen. In grofser Zahl wurden Nagetiere 
erbeutet, besonders der Mahäs (Coelogenys paed) und der Agutf [Dasy- 
proeta aguti). Von hühnerartigen Vögeln wurden erlegt die Pava 
[Pipile sp.), schwarz mit weifser Flügelbinde, weifsem Gesicht, Scheitel 
und Haube, bläulichem Schnabel und rötlichen Füfsen, und die 
Gaznadora (Penelope sp.), braun mit roter, nackter Kehle, schwarzem 
Schnabel und roten Füfsen. Aufserdem wurden geschossen viele rote 
und blaue Guacamayos oder Papageien (Ära macao L. und Ära ararauna 
L.), ferner verschiedene Reiher, wie der Kahnschnabel (Cancroma 
cochlearia L.), der graue Riesenreiher (Ardea cocoi L.), die buntfarbige 
Ardea agami L., sowie Tigrisoma brasilense und Falcinellus igneus. Auch 
sahen wir dort den merkwürdigen Shansho (Opistocomus cristatus), einen 
hühnerartigen Vogel, der auf der Innenseite der Vorderflügelränder 
je zwei vollkommen ausgebildete bekrallte Zehen trägt. Sein Nest be- 
fand sich auf über dem Wasser hängenden Baumästen, war aus Reisern 
gemacht und enthielt vier weifse, mit blafs-rotbraunen Flecken versehene, 
4i cm lange Eier. In jener Gegend ist auch die grofse Nachtschwalbe, 
Sleatornis caripense, sehr häufig, die ein eulenartiges Gefieder besitzt 
und in der Nacht ihren klagenden, dem Jammern eines Kindes ähn- 
lichen Schrei ertönen läfst. Wir erlegten Exemplare von über j m 
Länge und mehr als 1 m Spannweite der Flügel. 

Reiche Beute gab auch das Wasser. Von Fischsäugetieren waren 
die Delphine sehr zahlreich (Inia). Sie werden von den dortigen Ein- 
wohnern ungestört gelassen, da sie nicht geniefsbar sind. Desto mehr 
wird der Manatf verfolgt (Manatus ausfra/is), der dort auch den Namen 
„vaca marina" führt. Er hält sich vorzugsweise in den Lagunen auf 
und scheint sich hauptsächlich von Pistia zu nähren. Wir bekamen 
nur ein Exemplar zu sehen. Er soll indessen sehr häufig dort vor- 
kommen und sich auch in den Lagunen am unteren Pastaza finden« 



390 A. Rimbach: 

Man erlegt ihn mit der Harpune. Lebend wurden einige Exemplare 
von zwei Arten grofser Flufsschildkröten gefangen. Dieselben haben 
ein sehr gutes Fleisch und sehr angenehm schmeckendes, zum Backen 
geeignetes Fett. Ein besonders wertvolles Nahrungsmittel sind ihre 
Eier, welche während der Zeit des niederen Wasserstandes in grofsen 
Mengen in den Ufersand abgelegt werden. Von Fischen harpunierten 
die Leute 2 Meter lange Exemplare von Arapaima gigas und zahlreiche 
Stücke von einem dort Gamttana genannten, 1 Meter langen, seitlich 
stark zusammengedrückten Fisch mit sehr starken, breiten Zähnen in 
beiden Kiefern und ausgezeichnetem Fleisch. Die günstige Fischzeit 
herrschte damals nicht, dieselbe ist vielmehr während des niedrigen 
Standes der Flüsse. Von Schlangen trafen wir aufser den grofsen 
Wasser-Boas nur kleine, zum Teil giftige Arten in nicht auffallender 
Menge. Alligatoren waren nicht zu sehen; sie hatten sich des hohen 
Wasserstandes wegen von den Flüssen zurückgezogen. 

Am Samiria war das Wetter meist klar und windig. Die Tempe- 
ratur stieg mittags nicht Über 28 ° C. und fiel in den letzten Tagen 
des Juni nachts einige Male bis auf 17 , was auf uns den Eindruck 
empfindlicher Kühle machte. Gegen Morgen erfolgte immer starker 
Taufall. Der brasilianische Besitzer eines Dampfboots, welcher schon 
seit Jahren den oberen Amazonas befuhr, sagte mir, er habe einmal 
am unteren Napo eine Temperatur von nur 12 ° C. beobachtet, eine 
Angabe, für deren Richtigkeit ich nicht bürgen kann, die mir aber 
nicht unwahrscheinlich vorkommt. Das Wasser des Samiria hatte 
morgens an der Oberfläche eine Temperatur von 23 ° C. 

Nach Parinari zurückgekehrt, erfuhren wir, dafs in dem Städtchen 
Yurimaguas am Huallaga und dessen Umgegend eine Blattern-Epidemie 
herrsche. Zugleich kam auf einem kleinen Dampfboot von Iquitos 
eine Polizei-Kommision herauf, welche den Auftrag hatte, bei Parinari, 
wo der Strom keine Arme bildet, sich festzusetzen und alle Reisenden, 
die von oben kämen, zurückzuhalten, damit die Krankheit - nicht nach 
Iquitos verschleppt würde. Aus demselben Grunde war auch der 
Verkehr der Dampfschiffe auf dem Strom unterbrochen worden. Da 
es sich herausstellte, dafs eine Rückkehr nach den ecuadorianischen 
Anden, den Morona oder Santiago hinauf, sehr schwer ausführbar war, 
so wären wir gerne den Napo, der etwas unterhalb Iquitos mündet, 
hinaufgefahren, um entweder auf dem Curaray, seinem gröfsten Neben- 
flufs, wieder nach der Gegend von Canelos zu gelangen, oder uns nach 
den Ansiedelungen im Quellgebiet des Napo selbst zu wenden. Wir 
würden diese Reise stromaufwärts während des niederen Wasserstandes 
haben machen können, wo man vieles Interessante kennen lernt, 
was bei Hochwasser verborgen bleibt. Inzwischen erfuhren wir aber 



Reise im Gebiet des oberen Amazonas. 391 

durch Leute, welche von Iquitos kamen, dafs nur einmal monat- 
lich sich Gelegenheit böte, mittels Dampfboots bis zur Mündung 
des Curaray zu fahren, und dafs auch dieses gegenwärtig unsicher sei. 
Die Unannehmlichkeiten einer langsamen, etwa 30-tägigen Kanu-Fahrt 
stromaufwärts wollten wir aber nicht durchkosten; wir hatten des- 
halb schon den Plan erwogen, von Iquitos aus den Ucayale hin- 
aufzugehen, auf welchem der Verkehr der Dampf boote lebhaft sein 
sollte, und vom Oberlaufe desselben nach der Küste von Peru zu 
ziehen. 

Da erschien am 16. Juli am frühen Morgen ganz unerwartet der 
grofse Amazonen-Dampfer „Sabia" von Parä herkommend, und landete 
in Parinari. Er war auf dem Wege nach Yurimaguas. Wir entschlossen 
uns schnell, Iquitos aufzugeben, packten eilig unsere Sachen, verab- 
schiedeten uns von unserem Gastfreund und fuhren — der Dampfer 
hielt nur eine halbe Stunde — wieder stromaufwärts. Die Passagiere 
waren zumeist peruanische Geschäftsleute, die aus Iquitos kamen; 
einige, welche sich am Flufs Javari wegen Kautschuk-Handels auf- 
gehalten, waren schwer am Fieber erkrankt. Das Gebiet des Javarf, 
des Grenzflusses zwischen Peru und Brasilien, ist gegenwärtig berühmt 
wegen seines Reichtums an Kautschuk und voll von Caucheros oder 
Kautschuk-Sammlern, jedoch, wie man allgemein sagt, im höchsten 
Grade ungesund. Das Essen auf dem Schiffe war ziemlich schlecht. 
In der Nacht machte sich jeder eine Schlafstelle zurecht, wie er 
eben konnte, auf dem Boden, auf den Tischen oder in einer Hänge- 
matte. Auf der Strecke von Parinari bis zur Mündung des Huallaga 
besteht der Wald am Ufer grösstenteils aus dikotylen Bäumen, strecken- 
weise zeigen sich aber auch reine Palmenwälder, bald von Shapaja-, 
bald von Acuaje - Palmen gebildet, denen in geringerer Menge AssaK- 
Palmen beigemischt sind. Unser Dampfer langte am anderen Morgen 
bei S. Lorenzo an und fuhr dann in den Huallaga hinein. Auch an 
diesem Flufs bedeckte hoher, schöner Wald überall die erst ganz 
niedrigen, später mehr erhöhten Ufer; derselbe enthielt aber hier auf- 
fallend wenig Palmen. 

Wir erreichten Yurimaguas am folgenden Vormittag. Es ist ein 
kleiner Ort auf dem linken, flachhtigeligen Ufer, des Flusses, auf gelb- 
rotem sandigen Thonboden gelegen, allseits von Wald umgeben ; etwas 
unterhalb desselben mündet der Paranapura, ein Flufs, der aus der 
Cordillere von Westen her in den Huallaga sich ergiefst. Der „Sabiä" 
fuhr wegen der Blatterngefahr etwas über den Ort hinaus und legte 
am gegenüberliegenden Ufer an, wo die Ladung und die Passagiere 
abgesetzt wurden. Von hier fuhren wir am Nachmittag in einem 
Kahn nach Yurimaguas hinüber. 



392 A. Rimbach: 

Die Blattern herrschten hier schon seit längerer Zeit- Fast täglich 
starben noch Personen. Überall sah man Genesene mit den Spuren 
der Krankheit. Wir wollten daher womöglich noch an demselben Tage 
aufbrechen. Unser Gepäck hatten wir schon für den Landmarsch 
dadurch vermindert, dafs wir alles nicht unbedingt Nötige verkauft 
hatten, sodafs wir mit einem Träger auskommen konnten. Es war 
aber, obgleich wir im ganzen Ort herumfragten, kein Träger zu be- 
kommen. Alle die Indianer und Cholos, welche sich sonst hierzu 
hergeben, waren vor der Krankheit in die Wälder geflüchtet. Sehr 
gegen unseren Willen mufsten wir noch zwei Nächte in dem Ort zu- 
bringen. Als nächstes Reiseziel hatten wir die Stadt Moyobamba am 
Oberlaufe des Flusses Mayo ausersehen, welcher, mit dem Paranapura 
etwa parallel fliefsend, weiter oben von derselben Seite in den Huallaga 
einmündet. Von den beiden Wegen, welche von Yurimaguas nach 
Moyobamba führen, wählten wir nicht den etwas längeren, aber be- 
quemeren, der dem Thal des Mayo folgt, sondern den zwar schwieri- 
geren, aber abwechselungsreichen und interessanteren, durch das Thal 
des Paranapura und dann über die zwischen Paranapura und Mayo 
sich hinziehende Gebirgskette. Die einzige gröfsere Ortschaft auf 
diesem Wege ist Balsapuerto, in der Mitte zwischen Yurimaguas und 
Moyobamba gelegen. 

Nach langem Suchen fanden wir endlich einen jungen, kräftigen 
Cholo, welcher sich entschlofs, uns bis Balsapuerto zu begleiten. Am 
20. Juli brachen wir auf und gelangten in drei Marschtagen dahin. 
Der Weg war äufserst lohnend. Zuerst führte er über flache Hügel 
den Puranapura entlang. Auf diesem fuhren wir auch eine Strecke 
weit in einem Kahn und begegneten dabei mehreren Reisegesellschaften, 
welche auf Flöfsen von Balsapuerto („Flofshafen") herunter kamen. 
Auf diesen Flöfsen fahren die Leute bis Iquitos. Die Indianer-Dörfer 
Monichi und Maucallacta, durch welche wir zogen, waren von ihren 
Bewohnern vollständig verlassen. Die Furcht vor der Ansteckung 
durch die Blattern hatte die Leute veranlafst, sich in den Wäldern zu 
verbergen, um mit niemandem aus Jurimaguas in Berührung zu kommen, 
Nirgends auf unserer Reise sahen wir einen grofsartigeren Urwald als 
auf dieser Strecke. Auffallend grofs war die Menge schön gewachsener, 
dickstämmiger, häufig 60 m an Höhe messender dikotyler Bäume 
mit prachtvollen, ausgedehnten Kronen. Viele Arten derselben be- 
safsen sehr ausgeprägt die eigentümlichen, strebepfeilerartigen Wurzel- 
flügel. Die Bäume waren meist reich mit dicken Lianen behangen. 
Zwischen den dikotylen Bäumen standen viele hohe Palmen; unter 
ihnen fiel uns hier besonders eine Iriartea mit bauchigem Stamm auf. 
An feuchten Stellen fanden sich Mauritien. Epiphyten waren in mäfsiger 



Reise im Gebiet des oberen Amazonas. 393 

Menge vorhanden. Der im ganzen ziemlich lichte Wald bot auch 
Raum für niedrigere Gewächse. Der Boden war manchmal dicht von 
Selaginellen überzogen: eine grofse, kletternde Art derselben mit 
mehrere Meter langen, fadenförmigen Luftwurzeln bildete stellenweise 
wahre Dickichte; an anderen Stellen wurde er wieder bedeckt durch 
die krautigen Massen von Commelinaceen, oder von grofsblättrigen 
Marantaceen, oder von Beständen niedriger Palmen (Baciris)\ da- 
zwischen liefsen sich rotblühende Syphocampylus-Arten sehen. 

Am letzten Tage war ein höherer Bergzug zu übersteigen, und 
hier war es nach langer Zeit das erste Mal, dafs Steine und Felsen 
zum Vorschein kamen. Dann ging es abwärts in das Thal des Cachi- 
yacu (Salz-Flufs), eines Zuflusses des Paranapura, und als wir den 
Wald verliefsen und durch das Rohrdickicht an sein Ufer herantraten, 
lagen vor uns auf einem Hügel die Hütten von Balsapuerto, auf drei 
Seiten von steilen, gezackten, blauen Bergztigen umrahmt. Wir be- 
zogen eine leerstehende Indianerhtitte. Unser Träger ging zurück, und 
wir mufsten einen neuen suchen. Das hatte auch hier seine Schwierig- 
keiten, da die Bewohner einen grofsen Fischfang im Cachi-yacu vor- 
bereiteten, dem jeder beiwohnen wollte. Wir waren also gezwungen, 
einige Tage zu warten. Die Leute hatten grofse Mengen der Wurzel 
des Barbasco-Strauches zusammengebracht, welche zum Betäuben der 
Fische angewendet wird. Die Wurzeln wurden zerklopft und dann 
oberhalb des Ortes zu einem festgesetzten Zeitpunkt in den Flufs 
gestreut. Vorher waren unterhalb dieser Stelle an verschiedenen 
Punkten aus Rohr und Stäben verfertigte Gitter quer durch den Flufs 
gestellt worden, an welchen dann die Fische hängen blieben, die durch 
den im Wasser verbreiteten Saft der Wurzeln betäubt herabtrieben. 
An jedem Gitter wurden so viele Körbe voll Fische erbeutet. Erst als 
dieses für das Dorf anscheinend wichtige Ereignis des Fischfanges 
vorbei war, gelang es uns, einen jungen Mann zu bestimmen, als 
Führer und Lastträger mit uns nach Moyobamba zu gehen. Am 
29. Juli, nachdem wir uns gehörig verproviantiert hatten, wurde ab- 
marschiert. Hinter Balsapuerto, den Cachi-yacu aufwärts, änderte sich 
alsbald die ganze Natur. Wir traten in enge, mit mächtigen Fels- 
blöcken erfüllte Gebirgsthäler ein, in denen der Wald einen gröfseren 
Reichtum an niedrigen Gewächsen entfaltete, als dies in der Ebene 
der Fall gewesen war. Moose, Farne, Felsenpflanzen und Epiphyten 
traten mehr in den Vordergrund. Wir verliefsen den Cachi-yacu, 
nachdem wir ihn durchquert hatten, folgten dann dem Laufe des Es- 
calera-yacu, eines tiefen, durch Felsgeröll fliefsenden Gebirgsbaches, 
der mehrere Male durchwatet wurde, und erstiegen endlich einen sehr 
steilen, aus rotem Sandstein bestehenden Bergzug. Streckenweise 



394 A - Rimbach: 

waren hier Stufen in das Gestein eingehauen, um den Weg möglich 
zu machen. Von einem vorspringenden felsigen Grat des Berges, 
wo der Pflanzenwuchs durch die Menge der Selaginellen, Moose, Farne 
der Gattungen Gleichenia und Hymenophillum, sowie grofsblütiger 
Sträucher ein eigentümlich schönes, heideähnliches Aussehen bekam, 
genossen wir noch einen Ausblick über die rasch abfallenden Aus- 
läufer der Cordillere hin auf die Ebene des Huallaga, die als horizon- 
tale Linie den Gesichtskreis begrenzt. Hierauf kamen wir an den 
Puma-yacu, einen prachtvoll wilden, laut tosenden Gebirgsflufs, dessen 
Wasser ober- und unterhalb der Übergangsstelle grofse, schöne 
Fälle bildet, indem es über die schiefaufgerichten, glatten Felsplatten 
hinabschiefst. Wir benutzten eine sehr wacklige Naturbrücke zum 
Überschreiten, während unser Träger es vorzog, mit der Last den 
etwas gefährlichen Weg über eine die beiden Wasserfalle trennende 
und die Furt herstellende, schmale Felskante zu nehmen. Diese 
Übergangsstelle über den Puma-yacu ist eines der wildesten Natur- 
bilder, welche wir auf unserer Reise sahen. Bald darauf standen wir 
am Ufer des Mashu-yacu, eines grofsen, ebenfalls zum Gebiet des 
Paranapura gehörigen Flusses. An seinem jenseitigen Ufer lag eine 
Ansiedlung, auf welcher wir übernachten wollten. Der Flufs war, da 
es stark geregnet hatte, stark angeschwollen und anscheinend noch in 
schnellem Steigen begriffen. Ohne langes Suchen nach flachen Stellen 
mufste daher sofort durchgeschritten werden. Der Übergang war schwierig, 
da man auf dem von runden, ganz glatten Geröllsteinen gebildeten 
Boden keinen Halt hatte und sich gegen den Andrang des reifsenden 
Wassers, das einem bis an die Hüfte ging, kaum halten konnte. Am 
nächsten Tage führte uns der Weg das Thal des Mashu-yacu, der 
noch mehrere Male durchschritten wurde, aufwärts bis in die Nähe 
seiner Quellen. Der aus Sandstein und Konglomeraten bestehende 
Boden der engen Thäler war sehr uneben, steinig und äufserst müh- 
sam zu begehen. Aber nicht nur für den Botaniker, sondern für den 
Pflanzen- und Naturfreund überhaupt ist dieser Weg in hohem Grade 
interessant und genufsreich. Der Pflanzenwuchs des tropischen Gebirges 
war hier in ganz erstaunlicher Mannigfaltigkeit und Schönheit ent- 
wickelt. Namentlich die für die tropische Vegetation so charakte- 
ristischen Epiphyten waren hier in Orchideen, Bromeliaceen, Araceen, 
Farnen, Moosen und anderen massenhaft vertreten. Der Boden, die 
Steinblöcke, die liegenden und stehenden Baumstämme, die Vorsprünge 
der Felswände, alles, was irgendwie Raum bot, war von reichstem 
Pflanzenwuchs bedeckt. Dazwischen schäumte in eng eingeschnittenem 
Felsenbett der wilde Gebirgsbach. Es war ein grofsartiges Landschafts- 
bild. Ich kann W. Sievers nur beistimmen, wenn derselbe in dem 



Reise im Gebiet des oberen Amazonas. 395 

Werk „Amerika" sagt, der Bergwald der Anden von 1300 m aufwärts 
sei „vielleicht die anziehendste Vegetationsform der südamerikanischen 
Tropen". Auf dem Kamm des Gebirgszuges, der zwischen 1500 und 
2000 m hoch die Wasserscheide zwischen Paranapura und Mayo bildet, 
erhoben sich zahlreiche Palmen über den von Torfmoosen über- 
wucherten, nassen Boden. Auf dem Abstieg wurde der Weg sehr 
morastig, und, um ihn gangbar zu machen, waren streckenweise Hölzer 
längs oder quer dicht aneinander gelegt. In dem allmählich lichter 
werdenden Wald standen viele Palmen, besonders Iriarteen. Der 
Boden war oft von Selaginellen, Lycopodien und kleinen Farnen dicht 
überzogen; daneben fanden sich grofse,- ornamentale Erd-Bromeliaceen, 
hochstengelige Orchideen, sowie dichte Gestrüppe von grofsen Glei- 
chenien und von Pteris aquilina. Nach und nach hörte der Hochwald 
ganz auf, und wir traten auf heideartige, mit niedrigem Buschwerk 
bestandene Flächen hinaus, welche nur noch einmal durch feuchten 
Wald unterbrochen wurden, im Thal des Yana-yacu, über dessen 
dunkles Wasser, das in tiefer Waldschlucht zwischen ausgehöhlten 
Felsen flofs, eine Brücke führte. In diesem Wald fanden wir auch 
die schöne Eucharis amazonica, sowohl in Blüte als auch mit reifen 
Früchten. 

Überraschend war nun der Blick, der sich uns von den letzten 
Höhenzügen auf das Thal des Mayo-Flusses und die hinter demselben 
sich auftürmende hohe Cordillere eröffnete. Aus dem Thal selbst er- 
heben sich kleinere Berge, von welchen der in der Nähe von Moyo- 
bamba liegende steile „Morro" am meisten auffällt. Über den statt- 
lichen Mayo-Flufs setzte uns ein an demselben stationierter Fährmann 
mittels eines Kahnes. Die Stadt Moyobamba liegt in etwa 800 m 
Meereshöhe auf dem gelben Sande eines trockenen Hügelzuges. Sie 
ist sehr ausgedehnt gebaut und war früher viel volkreicher als jetzt. 
Gegenwärtig ist sie wenig bevölkert, da zahlreiche Moyobambenier, 
besonders männlichen Geschlechts, von der Aussicht auf schnellen 
Verdienst im Kautschuk-Handel verlockt, nach dem Maranon, besonders 
nach Iquitos, ausgewandert sind und noch auswandern. Die ausge- 
dehnten, unbewohnten Stadtteile mit ihren verlassenen und zerfallenen 
Häusern und Mauern machen einen traurigen Eindruck. Obwohl 
Kaffee und Kakao in unmittelbarer Nähe gebaut werden und Bananen 
zwischen den Häusern stehen, so geben doch die Fourcroyas und 
Kakteen auf den Mauern der Stadt einen Anstrich, der schon etwas 
an die Sierra erinnert. 

In der Gegend von Moyobamba fanden wir die erste natürliche 
Unterbrechung des grofsen Waldgebiets, in welchem wir uns seit 
dem Verlassen des ecuadorianischen Hochlandes fortwährend bewegt 



396 A - Rimbach: 

hatten. Der Wald erstreckt sich von den östlichen Kämmen der 
Anden an über die Flufsgebiete des Santiago, Morona, Pastaza, Tigre 
und Napo und erfüllt wohl auch ohne gröfsere Unterbrechung das 
Land, welches vom Putumayo und Japura durchströmt wird. Erst am 
oberen Uaupds scheint das Land offener zu werden und sich Savannen- 
Formation einzustellen, welche dann im Gebiet des Guayabero und 
Meta herrschend wird. Südlich vom Maranon erfüllt der Wald das 
Gebiet des unteren Huallaga und Ucayale sowie das des Javari und 
setzt sich von da weiter nach Osten fort. Die Gegend zwischen Hu- 
allaga und Ucayale führt auf den Karten manchmal den Namen „Pam- 
pas del Sacramento", ist aber- nicht etwa Savanne oder offene Flur, 
sondern Waldland. Das Wort ,j>ampa" bedeutet dort nur ebenes, 
aber keineswegs unbewaldetes Land. 

Von Balsapuerto bis Moyobamba hatten wir 5 Tage gebraucht, 
und die Nahrung war dabei ziemlich mangelhaft gewesen, da auf den 
wenigen Ansiedelungen am Wege gegen unser Erwarten fast nichts 
zu bekommen war. Da wir von jetzt an in mehr bebauten, stärker 
bevölkerten Gegenden zu reisen hatten, wo das Auffinden des Weges 
weniger Schwierigkeiten bereitet und andererseits das Mieten von 
Trägern und die Abhängigkeit von denselben uns mifsfiel, so kauften 
wir einen grofsen, starken Esel, auf welchem wir unser Gepäck selbst 
befördern konnten; dadurch wurden wir ganz unabhängig. Diese Art 
zu reisen, wobei man selbst den Eseltreiber spielen mufs, wird dem 
Leser vielleicht sonderbar erscheinen, war aber unter den gegebenen 
Umständen die bequemste und zweckmäfsigste. Körperliche Kraft 
und Ausdauer ist allerdings dabei von nöten. 

Am 10. August verliefsen wir Moyobamba. Am zweiten Tage 
ging es über den Flufs Tönchimo, den der Esel durchschwimmen 
mufste, während wir mit dem Gepäck in einem Kahn übersetzten. 
Dann zogen wir durch die kleine Stadt Rioja. Das Land war ziem- 
lich eben, sandig, teils mit prachtvoll heideartigem Pflanzenwuchs, 
dichten Gebüschen von Adlerfarren und niedrigem Buschwald, teils 
mit hohem Walde, streckenweise auch mit sumpfigen Orten voll Mau- 
ritia-Palmen. Es gab aufserordentlich viel Schmetterlinge und des 
Nachts massenhaft die sogenannte „manta blanca", eine winzig kleine 
Stechfliege, die uns sehr belästigte. Je mehr wir uns aber den Bergen 
der vor uns liegenden Cordillere näherten, desto feuchter wurde es, 
desto höher und grofsartiger wurde der Wald, desto reicher der 
Schmuck der Epiphyten auf den Bäumen. An feuchten, sandigen 
Stellen des Weges, besonders aber an den Ufern der Fltifschen, die 
wir durchschritten, fanden sich unzählige, den verschiedensten Arten 
angehörige Schmetterlinge, die Feuchtigkeit des Bodens gierig ein- 



Reise im Gebiet des oberen Amazonas. 397 

saugend, sodafs sie sich leicht mit den Händen ergreifen liefsen. 
Nach Überschreiten des reifsenden Yana-yacu begann der Aufstieg auf 
die hohe, felsige Cordillere, auf welcher der sehr steinige Weg über 
die thonigen und kalkigen Schiefer der waldbedeckten Abhänge in 
fortwährendem Wechsel auf und ab führte. Gebirgsbildung und 
Pflanzen wuchs waren ähnlich denen auf dem Ostabhang der kleineren 
Cordillere zwischen Balsapuerto und Moyobamba; doch war jetzt 
der Weg ziemlich begangen und daher deutlich, wenn auch oft auf 
morastigen Strecken kaum passierbar. Sehr lästig wurden grofse Stech- 
fliegen und die zahlreichen Stechmücken (zancudos). Hin und wieder 
begegneten wir Trupps von Lasttieren. Oft mufsten wir durch tief 
eingeschnittene, vielfach gewundene Hohlwege schreiten, die so eng 
waren, dafs ein beladenes Tier gerade hindurchkommt Daher wird 
an solchen Stellen immer laut gerufen, damit entgegenkommende 
Treiber die Anwesenheit merken und warten, bis man den Hohlweg 
verlassen hat. Innerhalb desselben wäre es unmöglich, an einander 
vorbeizukommen, und äufserst schwierig, umzukehren. 

In der Höhe von etwa 2000 m macht sich die Veränderung in 
Klima und Vegetation sehr bemerkbar. Auf dem Gehöft eines Indi- 
aners, wo wir übernachteten, standen noch Zuckerrohr und Bananen; 
letztere waren aber kümmerlich entwickelt und befanden sich an der 
Grenze ihres Fortkommens. Der Mais hingegen war grofskörnig und 
gut. Die Temperatur betrug hier bei Sonnenaufgang 13 °, mittags 20 °, 
bei Sonnenuntergang 15 °C. Besonders auffallend 'war von nun an 
die Menge und Gröfse der Baumfarne, deren Stämme bis 10 m Höhe 
erreichten. In 3000 m Höhe begann der Busch wald, es erschienen 
die schönen Dolden der windenden Bomarea-Arten, Viola-Arten, Cal- 
ceolarien, Valerianen, Ranunkeln, bis wir die Baumgrenze erreichten, 
wo die Puna oder Jallca anfangt, wie man in Peru das nennt, was 
man in Ecuador als Päramo bezeichnet. Die etwa 4000 m hohe Über- 
gangsstelle über diesen östlichen Kamm der peruanischen Central- 
Cordillere führt wegen ihrer Unwirtlichkeit und Kälte bei den Indianern 
den Namen „pishcu-huanuna" oder „Tod der Vögel". Wir brauchten 
fast einen Tag, bis wir über die steinigen, streckenweise mit dicker 
Humusschicht versehenen, spärlich bewachsenen Flächen hintiberge- 
Wandert waren und die ersten, niedrigen Wäldchen in den Thalein- 
schnitten des westlichen Abhanges erreichten. Da es dunkelte, mufsten 
wir uns entschliefsen, eine trockene Stelle unter den ersten besten 
Bäumen zum Übernachten auszuwählen. Um den kalten Wind und 
etwaigen Regen abzuhalten, errichteten wir aus Ästen eine Art Hütte 
und sammelten langes Gras, womit der Boden und das Dach bedeckt 
wurde. Feuer anzuzünden gelang nicht, weil kein trockenes Holz zu 

Zeitschr. d. Ges. f. Erdk. Bd. XXXII. 1897. 28 



398 A. Rimbach: 

finden war. In der Nacht wurde es sehr kalt. Trotzdem gab es 
merkwürdiger Weise auch hier sehr viele „manta Bianca" und lang- 
beinige Stechmücken. Da in unserer unmittelbaren Nähe kein gutes 
Gras vorhanden war, waren wir genötigt, den Esel, wenn auch ungern, 
in ziemlicher Entfernung anzubinden, wo er an reichlichem Grase der 
Puna sich satt fressen konnte. Wir hielten dies für ungefährlich, weil 
die ganze Gegend unbewohnt und anscheinend menschenleer war. 
Als wir nach festem Schlaf am anderen Morgen erwachten, war zu 
unserem Schrecken der Esel von seinem Platz verschwunden und trotz 
mehrstündigen Suchens nicht aufzufinden. Da es durchaus ausge- 
schlossen erschien, dafs sich das Tier losgerissen hatte, so war es für 
uns bald unzweifelhaft, dafs es während der Nacht von einem Indianer 
gestohlen worden sei. Es blieb uns nichts übrig, als unser Gepäck 
bis zur nächsten Ortschaft selbst weiter zu befördern. Mehrere 
Stunden hatten wir bergauf und bergab zu gehen, bis wir ganz er- 
schöpft das Indianer-Dorf Jambajallca erreichten. Dieses Dorf liegt in 
etwa 3000 m Höhe und gewährt mit seinen strohgedeckten Stein- 
häuschen gar keinen üblen Anblick. Wir quartierten uns bei einem 
Indianer ein. Das Hauptgericht, was uns hier vorgesetzt wurde, war ge- 
kochte Oca, die kleinen Kartoffeln gleichenden, säuerlich schmeckenden 
Knollen von Oxalis crenata. Wir mieteten einen starken Indianer, 
welcher aufser dem gesamten Gepäck noch eine Menge Nahrungs- 
mittel für sich und uns auf den Rücken nahm; er sollte uns bis zur 
Stadt Chachapoyas bringen. 

Der Unterschied in Klima und Pflanzenwuchs zwischen dem Ost- 
und Westabhang der Cordillere, welcher uns schon auf dem Weg 
nach Moyobamba aufgefallen war, trat hier mit grofser Schärfe hervor. 
Von feuchtem, hochstämmigem Walde, wie er die östliche Abdachung 
des Gebirges bekleidet, war hier nichts zu sehen. Wir befanden uns 
in einer Gegend mit dem Klima des interandinen Hochlandes, wie 
wir es aus Ecuador schon kannten. Es herrschte die für das Reisen 
angenehme Trockenzeit. Der Marsch ging über hohe, kahle, steinige 
Bergzüge hinunter in das Thal des Flusses Utcubamba, welcher von 
Süden nach Norden fliefsend in den in gleicher Richtung strömenden 
Maranon einmündet. Immer abwärts steigend, trafen wir in den tiet 
eingeschnittenen Thälern der Bäche, welche dem Utcubamba zu- 
strömen, schöne Buschwälder mit zahlreichen Baumfarnen an, zogen 
durch das Indianer-Dorf Molinopampa, wo in etwa 2300 m Höhe der 
Mais schon gut gedeiht, und setzten dann den Weg abwärts fort über 
die aus rauhem, weifslichem Sandstein bestehenden steilen, dürren 
Bergztige, die von hartstengeligen kleinen Sträuchern, Orchideen 
und Gleichenien, bewachsen waren. So erreichten wir den Ventilla. 



Reise im Gebiet des oberen Amazonas. 399 

einen Nebenflufs des Utcubamba. Seine steilen Thalwände waren 
mit Buschwerk bewachsen; von den Felsen am Wege hingen die langen 
Blütenstände riesiger Bromeliaceen herab, in der Thalsohle standen 
Erlen, Weiden und Algaroben. Am 21. August kamen wir nach der 
Stadt Chachapoyas. Sie liegt in etwa 2300 m Höhe auf einem der 
langgezogenen, kahlen, eintönigen Bergrücken, die sich nach dem in 
tiefem, engem Thal fliefsenden Utcubamba hinabsenken. 

Als wir langsam die ersten Strafsen durchschritten, in der Absicht, 
irgendwo ein Quartier zu finden, — denn Gasthäuser giebt es auch 
hier nicht — bot uns ein vor seinem Hause stehender Herr — er 
war Notar — der uns als Fremde erkannte, einen zu ebener Erde 
befindlichen leeren Raum seines Hauses zum Übernachten an. Wir 
waren mit diesem Anerbieten zufrieden. Am Abend richteten wir uns 
unser Lager auf dem Boden des Zimmers her und waren bald fest 
eingeschlafen. Als ich einmal erwachte, fühlte ich an Kopf und 
Händen kleine, weiche, rupde Körperchen haften; ich zündete Licht 
an und bemerkte, dafs es Zecken waren von grauer Farbe, in allen 
Gröfsen bis zu 1 cm Durchmesser; die einen waren noch ganz dünn 
und platt, andere hatten sich bereits voll Blut gesogen und waren zu 
Kugeln angeschwollen. Wir töteten an hundert Stück. Am Tage 
waren sie nicht zu sehen. Sie ziehen sich nämlich dann in die Löcher 
und Ritzen der Mauern und des Fufsbodens zurück. An der Stelle, 
wo sie gesogen haben — man empfindet weder Stich noch Jucken — , 
bildet sich ein ziemlich grofser, kreisrunder, blutunterlaufener Fleck. 
Glücklicher Weise kriechen sie nicht in die Kleider, sondern befallen 
nur die unbedeckten Körperteile. 

Als wir am anderen Morgen unseren Hauswirt begrüfsten, er- 
kundigte er sich nach Landessitte sehr höflich nach unserem Befinden 
und fragte ganz naiv, ob uns nicht vielleicht die ,,garrapata&" gestochen 
hätten, obgleich wir an Gesicht und Händen die deutlichen Spuren 
davon zur Schau trugen. Diese Zecken kommen in allen Ortschafben 
des Utcubamba-Thales vor, aufserhalb desselben kannte man sie nicht. 
Bei Chachapoyas ist auch der Vampyr oder die blutsaugende Fleder- 
maus ziemlich häufig, welche nachts Pferde, Esel und gelegentlich 
auch den Menschen im Schlafe anfallt. Auf einer früheren Reise 
waren wir schon selbst von diesem Tier angesaugt worden. Diese 
kleine Fledermaus (Phyllostoma) beifst, ohne dafs man es empfindet, 
ein kleines, höchstens linsengrofses Stückchen aus der Haut und saugt 
das herauslaufende Blut. Einmal waren mein Bruder, ich und zwei 
Cholos, als wir neben einander in einem offenen Rancho im Walde 
schliefen, sämtlich von dem Tier angebissen worden und zwar jeder 
an mehreren Stellen. Ich war der einzige, welcher infolge eines 

28* 



400 A - Rimbach: 

stechenden Schmerzes aufwachte, als mich das Tier zuletzt gerade in 
die Spitze des Zeigefingers bifs. Kleinere Tiere, wie Hühner, welche 
auch häufig befallen werden, sterben dabei leicht an Verblutung. Des- 
halb schliefsen die Leute in Gegenden, wo diese Fledermaus viel vor- 
kommt, des Nachts, sehr sorgfältig die Hühnerställe. Pferde und Esel 
beifst der Vampyr gewöhnlich an der Seite des Halses, seltener am 
Rücken an, und man trifft sehr oft des Morgens diese Tiere mit einem 
Streifen herabgeflossenen Blutes gekennzeichnet. 

In Chachapoyas hielten wir uns einige Tage auf, sowohl um von der 
anstrengenden Reise auszuruhen, als auch, um ein neues Lasttier zu 
kaufen und uns mit Lebensmitteln zu versorgen. Die Stadt bietet 
wenig Bemerkenswertes. Am meisten interessierte uns die für dortige 
Verhältnisse hübsche Markthalle und das rege Leben, welches daselbst 
herrschte. Unsere Absicht war nun eigentlich gewesen, von Chacha- 
poyas aus das Thal des Utcubamba abwärts, dann über den Maraiion 
nach Jaen zu gehen und darauf, in ecuadorianisches Gebiet eintretend, 
über Loja nach Guayaquil uns zu wenden. Leider wurde es uns durch 
die Verhältnisse unmöglich gemacht, diesen hochinteressanten Weg 
einzuschlagen. An den Grenzstreit zwischen Ecuador und Peru dachte 
hier zwar niemand; dafür hörten wir aber, dafs seit kurzer Zeit ein 
Bürgerkrieg innerhalb Perus ausgebrochen sei. Um Bestimmtes hier- 
über zu erfahren, begaben wir uns in das Regierungsgebäude. Der Vice- 
Gouverneur teilte uns daselbst mit, dafs die ganzen nördlichen Landes- 
teile, gerade diejenigen, durch welche wir unseren Weg nehmen wollten, 
im Aufruhr sich befänden, indem sich dort Banden von Aufständischen, 
von sogenannten „Montoneros" gebildet hätten, welche die Behörden 
der Regierung stürzten und die Regierungstruppen, wo solche sich be- 
fänden, angriffen. Es sei uns durchaus abzuraten, uns in die nördlichen 
Gebiete zu begeben, da manche Banden es nur auf Raub abgesehen 
hätten und auch den Ausländer wohl schwerlich respektieren würden. 
Der einzige Weg, welcher bis jetzt noch einigermafsen sicher sei, wäre 
derjenige über Cajamarca nach der Küste. 

Unter diesen Umständen blieb uns, zumal aus dem unteren Thal 
des Utcubamba mehrere Mordthaten gemeldet wurden, nichts übrig, 
als unseren ursprünglichen, schönen Plan aufzugeben und uns nach 
Westen, direkt nach der Küste des Pacifischen Meeres zu wenden. 
Am 24. August zogen wir mit einem gemieteten Lastpferd und einem 
Burschen bis zum Indianer-Dorf Magdalena, welches wir in einem Tage 
erreichten. Es wurde auf diesem Weg ein hoher Bergrücken bis zur 
Region des Buschwaldes erstiegen, dann wurde wieder in das tiefe Thal 
eines Nebenflüfschens des Utcubamba hinabgeklettert. Die steilen Ab- 
hänge dieses Thaies waren trocken und sehr steinig, im unteren Teil 



Reise im Gebiet des oberen Amazonas. 401 

bewachsen von grofsem Säulenkaktus (Cereus) und Algaroben-Bäumchen, 
welche dicht mit Tillandsia usneotdes (dem sog. Louisiana-Moos) be- 
hangen und mit einer aufrechten Tillandsia-Art besetzt waren, aus 
deren weifslicher Blattrosette sich ein blauroter Blütenstand erhebt. 
Im Gegensatz zu dem grauen, sterilen Aussehen der Thalwände er- 
schien tief unten die Thalsohle in saftigem Grün von Zuckerrohr und 
Fruchtbäumen. In Magdalena erwarben wir einen Esel und setzten 
die Reise wieder allein fort. Da wir erfahren hatten, dafs in allen 
Ortschaften des Utcubamba-Thales die Häuser voll garrapaias seien, 
so übernachteten wir immer an geeigneten Stellen im Freien. Im 
Grunde des Thaies, welchen wir nun erreichten, gediehen Bananen und 
Zuckerrohr, von epiphytischen Bromeliaceen behangene Weiden, Nufs- 
bäume und Chirimoya-Bäume (Anona chertmolia)) die letzteren wuchsen 
anscheinend wild und haben vielleicht in jenen Gegenden ihre ur- 
sprüngliche Heimat. Die steilen Kalkfelsen waren viel mit Orchideen 
bewachsen. Drei Tage lang zogen wir in südlicher Richtung dieses 
Thal aufwärts, kamen durch mehrere Dörfer, in denen die Leute gerade 
den Mais und Weizen geerntet hatten, und erreichten dann den Ort 
Leimebamba. Von da aus wandten wir uns wieder nach Westen, um 
aus dem Thal des Utcubamba über die Cordillere hinweg nach dem 
Marafion zu gelangen. In steilem Anstieg führt von Leimebamba aus 
ein Zickzackweg ein mit feuchtem, farrenreichem Wald bewachsenes 
Seitenthal hinauf. Es war die letzte, feuchte Waldgegend, welche wir 
in Peru antrafen. In der Buschwald-Region der kühleren Höhen wurde 
das fast unbewohnte Thal sehr anmutig. Zu Seiten des Flüfschens, 
welches dasselbe durchzog, breiteten sich kurzrasige Wiesenflächen 
aus. Stellenweise schlössen hübsche Felspartien den Thalgrund ab. 
Auf solchen Felsen wuchs hier die schöne rotblühende Amaryllidee 
Stenomcsson incarnatum. Zahlreiche Vögel belebten die Gegend. Nach- 
dem wir die Nacht unter einem überhängenden Felsen zugebracht 
hatten, setzten wir tags darauf den Weg durch die Buschregion bis 
zur Puna fort. Den Boden bildete erst Kalk, dann Sandstein und zuletzt 
Granit. Die Puna hatte ein ganz ähnliches Aussehen wie jene von 
Pishcu-huanuna, trug spärlichen Pflanzenwuchs, in welchem besonders 
ein grofser, aufrechter Siphocampylus mit blafsroten Blüten auffiel. 
Der Weg war gut, aber Regen und kalter Wind tobten den ganzen 
Tag über, sodafs wir sehr froh waren, als der Abstieg nach Westen 
begann. Mit einem Schlage waren hier Wind, Kälte und Feuchtigkeit 
verschwunden. Die Luft wurde warm und trocken, der Boden dürr 
und staubig. Wir traten in die obere Buschregion des Maranon-Thals 
ein, welche viel hartes, dorniges Gesträuch enthielt. Nach einer in 
dieser Höhe im Freien verbrachten Nacht, in welcher uns die Stech- 



402 ^- Rimbach: 

mücken wieder stark quälten, wurde der Abstieg zum Maranon tort- 
gesetzt. Die sehr steilen, rötlichen, granitischen Bergabhänge trugen 
oben dürres Gras und zerstreutes, niedriges Gebüsch, weiter unten 
sind sie hauptsächlich von baumartigem Säulenkaktus bestanden; die 
Stämme dieser Kakteen (Cereus) haben zum Teil 8 bis 10 m Höhe bei 
i m Umfang und sind kandelaberartig verzweigt. Blüten fanden sich 
nicht daran. Vermischt mit ihnen standen niedrige Bombaceen-Bäume, 
welche gerade ohne Blätter waren, aber Blüten und teilweise Früchte 
trugen. Auf den Steinen und dem ausgetrockneten Boden safsen kleine 
kugelförmige Kakteen. Es war eine echt xerophytische Vegetation von 
höchst eigentümlichem Aussehen. Von der Höhe der Berge sah man 
im tiefen Thal den Maranon glitzernd dahinfliefsen. Doch ging fast 
ein ganzer Tag dahin, bis wir den ermüdenden Zickzackweg den 
wasserlosen, heifsen Abhang hinunter hinter uns hatten und den Ort 
Balsas am Ufer der Flusses erreichten. Der Maranon fliefst hier in 
reifsendem Laufe über grobe Geröllsteine, die mit grünen, flutenden 
Algen dicht besetzt sind. Der Übergang wird durch ein Flofs ver- 
mittelt. Wir setzten über und übernachteten am anderen Ufer auf 
einer Hacienda im Freien. Der Ort mag 600 bis 800 m über dem 
Meer liegen. Gebaut werden Kakao, Kaffee, Bananen, Jucca, Zucker- 
rohr, Papaya, Bataten, Orangen und besonders Coca. In den Thal- 
winkeln fanden sich Wäldchen belaubter Bäume, an den Ufern des 
Flusses breiteten sich Gebüsche von dornigen, gelbbltihenden Mimosen- 
sträuchern aus. Obgleich die ganze Nacht hindurch starker Wind 
wehte, konnten wir doch vor Wärme nicht schlafen. Morgens um 
6 Uhr betrug die Temperatur noch 24 C. Sehr zahlreich sind hier 
die Vampyre, die auch unseren Esel während der Nacht angebissen 
hatten. In der Regenzeit, welche hier von Oktober bis März dauern 
soll, gewinnen die Berge ein anderes Aussehen, da dann alle Bäume und 
Sträucher sich belauben und der Boden sich mit frischem Gras bedeckt. 
Der westliche Abhang des Marafion-Thals, welchen wir nun er- 
kletterten, trug denselben eigentümlichen Pflanzenwuchs wie der öst- 
liche; nur gesellten sich hier zu den erwähnten Pflanzen noch häufiger 
hinzu ein kleiner, dorniger, gelbblühender Caesalpiniaceen-Baum und 
ebenfalls in Blüte stehende Euphorbiaceen-Sträucher mit fleischigen 
Stengeln, alles zur Zeit blattlos, mehrere Kakteen-Arten und einige 
blattlose Sträucher. Auf diesen Pflanzen, vor allem auf den grofsen 
Kakteen-Stämmen, sowie auf den Steinen in deren Nähe hafteten zahl- 
reiche Schnecken im Trockenschlaf, über den Boden huschten Ei- 
dechsen, Scharen grüner Papageien durchzogen die Luft. Die engen 
Schluchten der Bergabhänge waren angefüllt mit grünen Wäldchen 
von Algaroben, dornigen Mimosen und schönblütigen Bignoniaceen. 



Reise im Gebiet des oberen Amazonas. 403 

Auf halber Höhe des Abhanges übernachteten wir. Weiter oben machte 
die beschriebene Vegetation niedrigem Buschwerk Platz; an Stelle des 
Granits trat Kalkstein. Von der Höhe des Gebirgskammes warfen 
wir noch einen letzten Blick auf den Maranon und sein merkwürdiges 
Thal, dann zogen wir über das trockene Kalkgerölle des Bergrückens 
hinunter und sahen zu unseren Füfsen eine fast baumlose, aber gut 
kultivierte, flache Hochebene mit der Stadt Celendin. In dieser Stadt, 
die etwa in 2600 m Höhe gelegen ist, übernachteten wir. 

Da verbreitete sich die Nachricht, dafs eine gröfsere Abteilung 
von Montoneros unter Führung des Generals Seminario eben die kleine 
in Cajamarca befindliche Regierungstruppe verjagt und diese Stadt 
eingenommen habe. Sollten wir nun unseren Weg nach Cajamarca 
fortsetzen? Die einen rieten uns davon ab, indem sie die Montoneros 
als Räuberbande schilderten, die anderen, heimliche Anhänger der 
Revolution, meinten, es sei für uns als Fremde ganz gefahrlos; die 
Montoneros seien geordnete Truppen unter bekannten Führern. Wir 
entschlossen uns, weiter zu reisen und verliefsen am anderen Tage 
Celendin. Es begann der Aufstieg auf den östlichen Kamm der 
Küsten-Cordillere. Nachdem wir einige Stunden lang steinige Höhen- 
züge emporgeklettert waren, wurde der Weg sehr undeutlich und teilte 
sich häufig. Da kam ein Reiter hinter uns hergeritten. Er teilte uns 
mit, dafs auf die letzten von Cajamarca eingetroffenen Nachrichten 
hin die Partei der Montoneros in Celendin offen aufgetreten sei und 
die Regierungsbehörden abgesetzt habe. Dieselbe habe ihn abgeschickt, 
um dem General Seminario diese Nachricht nach Cajamarca zu bringen. 
Wir würden schwerlich den unkenntlichen Pfad über die Puna finden 
können und sollten uns deshalb lieber ihm anschliefsen. Wir waren 
froh, einen Führer zu haben und zogen in der Gesellschaft des Mannes 
weiter. Unser Begleiter trieb, auf seinem Pferde sitzend, unseren Esel 
vor sich her, sodafs wir, dieser Mühe enthoben, schneller ausschreiten 
konnten. Wir gelangten auf die hohe, bäum- und strauchlose Puna, 
die nur mit büscheligem Gras bewachsen war, zwischen dem kleine 
Hypericum-Büschchen und stellenweise massenhaft weifsblühende Gen- 
tianen standen. Der Boden bestand auf diesem Hauptrücken der 
peruanischen Küsten-Cordillere aus hartem Kalkstein. Mit einer ein- 
zigen kurzen Pause, während welcher wir etwas afsen, blieben wir den 
ganzen Tag über auf dem Marsch. Als die Sonne unterging, senkte 
sich der Weg abwärts, und wir kamen in ein angebautes Thal, wo auf 
einem Weizenfeld in aufgehäuftem Stroh tibernachtet wurde. Noch 
vor Tagesanbruch wurde wieder gesattelt und weiter marschiert. Als 
der Weg nicht mehr zu verfehlen war, verliefs uns der Celendiner, 
da er Eile hatte, und wir zogen langsam allein weiter. 



■ I 



404 A - R-imbach: 

Als wir uns an einem Bach gelagert hatten, um zu frühstücken, 
kamen drei mit Gewehren bewaffnete Reiter uns entgegen. Sie machten 
sich schufsbereit, als sie an uns herankamen, da sie nicht wufsten, ob 
sie Freunde oder Feinde vor sich hatten. Ein blaues Band um ihre 
Strohhüte mit der Aufschrift „partido Piirola" kennzeichnete sie als 
Montoneros. Als wir ihnen auf ihr Befragen auseinandergesetzt hatten, 
dafs wir Fremde seien und von Chachapoyas her kämen, versicherten 
sie, dafs wir ungefährdet nach Cajamarca weiter reisen könnten, und 
ritten weiter. Nachdem wir baumlose, mit ganz kurzem Gras be- 
wachsene Flächen und steile, felsige Höhenzüge überschritten hatten, 
stiegen wir in die ebenfalls sehr baumarme, breite Ebene von Caja- 
marca hernieder. Die Stadt liegt an den äufsersten, westlichen Zug 
der Küsten-Cord illere angelehnt, in etwa 2700 m Höhe. Es war am 
4. September nachmittags, als wir in dieselbe einzogen. Vor einem 
Gebäude, das eine improvisierte Kaserne der Montoneros vorstellte, 
stand eine Anzahl bewaffneter Leute, zum Teil in anscheinend ange- 
trunkenem Zustand, in lautem Wortwechsel begriffen. Wir fanden 
nicht weit davon ein geeignetes Unterkommen in derselben Strafse, und 
nachdem wir gegessen und uns umgekleidet hatten, ging ich hinaus, 
um mich in der Stadt umzusehen und über die Verhältnisse zu er- 
kundigen. Kaum war ich hinausgetreten und ging die Strafse in der 
der „Kaserne" entgegengesetzten Richtung entlang, so hörte ich hinter 
mir pfeifen und rufen. Ich achtete nicht darauf und ging langsam 
weiter. Bald merkte ich aber, dafs eine Rotte mir nachlief und 
schreiend und fluchend näher kam. Ich that, als ob es mir nicht gälte, 
und ging, ohne mich umzusehen, ruhig vorwärts. Ich wollte eben in 
eine Querstrafse einbiegen, als sie mich einholten. Ein Mulatte sprang 
vor, stiefs mir mit aller Kraft den Gewehrkolben gegen die Brust, hielt 
mir das gespannte Gewehr vor und schrie mich wütend an, weshalb 
ich nicht hörte, wenn sie riefen. Ich antwortete den Leuten, ich liefse 
mich nicht mit Schimpfworten rufen, wenn sie mir etwas zu sagen 
hätten, sollten sie es in gebührender Weise thun. Da stellten sich die 
sechs oder acht Mann um mich herum, hielten mir die gespannten 
Gewehre und Revolver vor den Leib und schrieen, ich müfste sofort 
mit zur Kaserne. Inzwischen waren auch die Eigentümer des Häus- 
chens, in dem wir Wohnung genommen hatten, auf den Lärm aufmerk- 
sam geworden und riefen meinem im Hause befindlichen Bruder zu: 
„Estdn agarrando d Su hermano", „Man nimmt Ihren Bruder fest"! Mein 
Bruder ergriff einen grofsen Knüppel, welcher dazu diente, die Thür 
zuzustemmen, und eilte herbei, um mir zu helfen. Da ich gleich ein- 
sah, dafs Widerstand unnütz und gefährlich war, rief ich meinem 
Bruder auf Deutsch zu, er solle von dem Knüppel keinen Gebrauch 



Reise im Gebiet des oberen Amazonas. 40Ö 

machen, sonst würden die Leute auf uns schiefsen. Er liefs sich da- 
her den Stock abnehmen, und wir gingen mit der Bande zur Kaserne. 
Hier empfing uns ein Führer und fragte uns auf englisch, wer wir 
seien und was wir hier thäten. Wir beschwerten uns zunächst über 
die erfahrene Behandlung und setzten ihm unsere Verhältnisse aus- 
einander. Der Offizier entschuldigte sich mit der schwierigen und ge- g 
fährlichen Lage, in welcher sie sich selbst befänden: er hätte den | 
Verdacht gehabt, dafs wir Spione der Regierungstruppen seien; denn J 
diese hätten Ausländer in ihrem Dienst. Darauf führte er uns zum |- 
Regierungsgebäude, wo der Oberstkommandierende der etwa 1500 t 
Aufständischen, die in Cajamarca lagen, sein Quartier hatte. Um den- t 
selben war eine Menge von Führern, von denen die meisten blofs teil- \ 
weise militärische Uniform trugen, sowie hervorragende Parteigenossen I 
von Cajamarca versammelt. Auf unser Ersuchen liefs uns der General [ 
Teodoro Seminario einen Pafs nach Pacasmayo ausstellen. In den 
Strafsen sah man tiberall die blauen Abzeichen der Partei Pie*rola's. 
Die Anhänger der Regierung oder vielmehr des Generals Cäceres 
hielten sich verborgen. Am Abend wurden plötzlich die Mannschaften 
in den Strafsen versammelt, und in der Nacht zog die ganze Truppe 
aus der Stadt hinaus; wohin wufste niemand. Es hiefs, eine gröfsere 
Abteilung Regierungstruppen sei von Süden her im Anzüge, um die i 
Montoneros anzugreifen. [ 
Wir blieben in der Stadt, um uns von den Anstrengungen der v 
Reise zu erholen und die merkwürdigen alten Bauwerke anzusehen. I 
Da rückten am 6. September 800 Mann Regierungstruppen, Infanterie j 
und Kavallerie mit vier leichten Kanonen, unter dem Kommando des ' 
Generals Lagomarsino, von Süden kommend, in die Stadt ein. Diese 
Soldaten waren alle uniformiert und meist mit Repetiergewehren be- 
waffnet. Viele derselben waren Neger oder auch Mischlinge; letztere 
fanden sich auch unter den Offizieren. Hinter der Truppe folgte eine 
gröfsere Menge berittener Negerinnen, manche mit kleinen Kindern 
im Arm. Nach dem Einzüge dieser Truppen verschwanden die blauen 
Abzeichen der Anhänger Pidrola's, und es kamen nun überall die Par- 
teigänger der Regierung mit roten Bändern um die Hüte zum Vor- 
schein. »Abajo PiSrola, viva Cdceres" erscholl es nun in den Strafsen. 
Bald merkten wir, dafs wir die Aufmerksamkeit der neuangekommenen 
Truppen auf uns lenkten, und hörten auch Bemerkungen, aus denen 
hervorging, dafs man uns für Montoneros oder Spione derselben hielt. 
Dazu trug noch der Umstand bei, dafs ganz zufälliger Weise unsere 
Anzüge dunkelblaue Farbe hatten, welche an diejenige der Montoneros 
erinnerte. Da die Sache uns unangenehm wurde, begaben wir uns in 
das Regierungsgebäude, wo nunmehr der General Lagomarsino herrschte, 



% 



406 A. Rimbach: 

legten demselben unsere Verhältnisse dar und erbaten uns einen Pafs 
für unsere Sicherheit, welchen wir auch erhielten. Das konnte aller- 
i, dings nicht verhindern, dafs wir alle Augenblicke von Offizieren an- 

gehalten und mifstrauisch ausgefragt wurden, sowie drohende Zurufe 
aus dem Publikum hören mufsten. Der neu eingesetzte Bürgermeister 
der Stadt wollte uns sogar als zweifelhafte Personen arretieren lassen. 
Dieser Unannehmlichkeiten müde, verliefsen wir am Morgen des 7. Sep- 
tember Cajamarca, ohne uns die Stadt so eingehend angesehen zu 
haben, als es unsere Absicht gewesen war. 

Der Anstieg von Cajamarca bis auf den Kamm des westlichen 
Zuges der Küsten-Cordillere ist nicht bedeutend. Die Höhe besteht 
aus traehytartigem Gestein und • ist mit ganz kurzem Gras und winzigen 
Kräutern bewachsen. Dann folgte der Abstieg nach der Küste. Die 
ziemlich einförmig abfallenden Abhänge bestehen im oberen Teil aus 
Kalk, im unteren aus Quarzit- und porphyrartigem Gestein und bieten 
einen ganz ähnlichen Anblick dar , wie jene des Maranon-Thals bei 
Balsas. Auf dem nackten, trockenen Boden sitzen Polster von Stachel- 
{ spitzigen Bromeliaceen mit gelben Blüten und kleine, dornige, kugel- 

ig förmige Kakteen. Hier und da zeigen sich die Schäfte stenomesson- 

* ' artiger Amaryllideen mit gelbroten Blüten. Dazwischen erheben sich 

^ weifsfilzige, dornige Säulenkaktus, blattlose Sträucher und kleine Bäum- 

chen. In der Thalsohle am Pacasmayo-Flufs herrschen grüne Weiden, 
\ Schmus molk und Mimosen vor. Der Weg geht streckenweise auf dem 

\ Damm einer ehemaligen Eisenbahn, welche von Pacasmayo bis in die 

; Nähe der Ortschaft Magdalena hinauf geführt worden war, aber, da 

| sie zu tief im Thal hinlief, von dem Pacasmayo-Flufs teilweise zerstört 

und dann dem Verfall preisgegeben worden ist. Auf weite Strecken 
hin fanden wir die Schienen teilweise gelegt, teilweise zu den Seiten 
des Weges aufgeschichtet; die hölzernen Schwellen waren zum Teil 
wieder herausgerissen und von den Bewohnern verbrau cht worden. Je tiefer 
wir zur Küstenebene herabstiegen, um so steriler wurden die immer 
mehr sich abflachenden Ausläufer des Gebirges; die Gegend nahm 
stellenweise das Aussehen einer Sandwüste an. Im Gegensatz hierzu 
fand sich in der unmittelbaren Nähe des Flusses eine sehr reichhaltige, 
schön belaubte Vegetation von Sträuchern und Bäumen, welche von 
auffallend vielen Vögeln belebt war. Am 10. September erreichten 
wir die Ortschaft Yonan. Von da an ist die Eisenbahn bis zum Hafen 
Pacasmayo im Betrieb. Sie durchläuft also nur die schmale Küsten- 
ebene. Wir fuhren mit der Eisenbahn in 4 Stunden nach Pacasmayo- 
p Diese Strecke ist überall da, wo kein Wasser vorhanden ist, wtisten- 

artig. Wo aber Wasser hinkommt, gedeiht ein üppiger, tropischer 
Pflanzenwuchs. Als wir, in Pacasmayo angelangt, den rauschenden 






Reise im Gebiet des oberen Amazonas. 407 

Ocean vor uns sahen, da waren wir nach der langen und mühevollen 
Landreise in einer Stimmung, wie sie wohl die Griechen des Xenophon 
erfüllt haben mag, als sie ihr „#cd«rra, dakarta" riefen. 

Der kleine Hafenort Pacasmayo, welcher sich erst in jüngster Zeit 
entwickelt hat, besitzt eine eiserne, in das Meer hinausführende 
Landungsbrücke. Die Dampfer ankern aber noch etwas weiter draufsen. 
Bis an den Meeresstrand ziehen sich niedrige Hügelketten, mit fast 
pflanzenlosem Sand bedeckt. Während es noch in Yonan, wie uns ^. 

gesagt wurde, von December bis März regnet, wobei die Berge eine j 

grüne Pflanzendecke erhalten, so regnet es in Pacasmayo überhaupt | 

niemals. Die Temperatur ist daselbst gemäfsigt und das Klima sehr 
gesund. 

Auf dem Wege von Yurimaguas bis Pacasmayo hatten wir fünf 
hohe Gebirgsketten überschritten. Dieselben gruppieren sich vom 
topographischen Gesichtspunkt aus derart, dafs die verhältnifsmäsig 
niedrige Gebirgskette zwischen Paranapura und Mayo als Abzweigung 
des Hauptgebirges gesondert dasteht, während die beiden Ketten 
zwischen Mayo und Maranon, durch das Hochthal des Utcubamba 
getrennt, die grofse Central-Cordillere zusammensetzen und die beiden 
Ketten zwischen dem Maranon und dem Ocean, welche das Hochthal l 

von Cajamarca zwischen sich haben, die Ktisten-Cordillere bilden. In * 

pflanzengeographischer Hinsicht ist dieser selbe Weg dadurch höchst \ 

bemerkenswert, dafs auf demselben in der Richtung von Osten nach ^ 

Westen ein Übergang von ausgesprochen hygrophytischer zu extrem 
xerophytischer Vegetation stattfindet. Dabei hält sich die hygro- 
phytische Vegetation am längsten auf den Ostabhängen der Gebirgs- 
züge, während auf den Westabhängen derselben der xerophytische 
Charakter am frühesten sich zeigt. Schon auf der westlichen Ab- 
dachung der niedrigen Ost-Cordillere und in der Umgebung von Moyo- 
bamba ist ein Hinneigen zum xerophytischen Charakter im Pflanzen- 
wuchs bemerkbar. Sehr scharf tritt der Gegensatz zwischen der Vege- 
tation der östlichen und jener der westlichen Gebirgsflanken an beiden 
Kämmen der Central-Cordillere hervor: auf der östlichen Seite tragen 
dieselben dichten feuchten, immergrünen Wald, auf der westlichen 
hingegen lichte Bestände von laubwechselnden Holzpflanzen und 
Kakteen. Auf der West-Cordillere ist der xerophytische Pflanzenwuchs 
herrschend, und der Küstenstreifen an ihrem Fufs bildet zum Teil eine 
Wüste. 

Wir hatten in Pacasmayo einige Tage zu warten bis zur Ankunft 
des Dampfers, welcher uns nach Guayaquil bringen sollte. Während 
dessen kam ein Teil der Regierungstruppen, welche wir in Cajamarca 
kennen gelernt hatten, auf dem von uns zurückgelegten Wege nach 



408 A - Rimbach: 

Pacasmayo herunter und wurde daselbst eingeschifft, um in dem etwas 
weiter nördlich liegenden Hafen Lambayeque gelandet zu werden, 
weil dieser Ort von den Montoneros bedroht wurde. Bekanntlich hat 
dieser Bürgerkrieg mit dem Siege der Partei Pie'rola's geendet, welche 
sich noch in verschiedenen anderen Teilen des Landes erhoben hatte. 
— Am 13. September fuhren wir auf dem Dampfer „Pizarro" von 
Pacasmayo ab und gelangten am 15. nach Guayaquil. 



Geographische Bemerkungen. 

Die folgenden Angaben über die Flufs -Systeme des Santiago, 
Morona, Pastaza, Chambira und Tigre gründen sich zum Teil auf 
eigene Beobachtungen, zum Teil auf Erkundigungen, welche ich von 
Leuten eingezogen habe, die in den betreffenden Gegenden gereist 
sind. 

Der Santiago bildet sich aus dem aus dem Becken von Cuenca 
kommenden Paute und dem von Loja kommenden Zamora. In letzteren 
mündet von links in etwa 850 m Höhe der Bomboisa. Am Zusammen- 
fiel fs des Bomboisa und Zamora, welchen ich sah, haben beide starkes 
Gefälle in bergiger Gegend. Der Bomboiza fliefst von NW nach SO 
und empfangt von links mehrere von N nach S strömende Flüfschen, 
an deren einem die Ansiedelung Gualaquiza liegt. 

Der Morona bildet sich aus zwei gleichstarken Flüssen, Mangosisa 
und Cosulima. Am letzteren liegt das Dorf Macas. Sein gröfster 
Nebenflufs ist der Pushaga, der von links, nach diesem der Uachi- 
yacu, der von rechts in den Unterlauf mündet. Der Morona soll 
tief sein, träge fliefsend, mit wenig Windungen, in flachhügeliger 
Gegend. Die von T. Wolf (Geografla y Geologfa del Ecuador, 1892.' 
befürwortete Annahme, dafs der Flufs von Macas in den Morona und 
nicht in den Paute gehe, ist nach meinen Erkundigungen die richtige- 

Der Pastaza empfängt als gröfste Zuflüsse den Bobonaza von 
links und den Huasaga von rechts. Kleiner ist der Huitu-yacu. Die 
etwas unterhalb desselben liegende Lagune Rimachuma hat drei Zu- 
flüsse : Palomba, Chuindre und Sidyay, von denen Chuindre bei Hoch- 
wasser mit dem Morona in Verbindung treten soll. Die auf der Wolf- 
schen Karte im Unterlaufe des Pastaza angegebenen linken Zuflüsse 
scheinen nicht zu existieren. Damit scheint in Einklang zu stehen, dafs die 
Quellflüsse des Nucuray und Chambira ganz aus der Nähe des Pas- 
taza herkommen sollen. 

Der Chambira soll seinen Ursprung in der Nähe von Andoas 
haben. Sein gröfster Nebenflufs ist der Tigre-yacu, von rechts, nahe 



Reise im Gebiet des oberen Amazonas. 409 

er Mündung. Die bedeutenderen der linken Seite sind Fuca-yacu 
nd Patu-yacu. 

Der Tigre entsteht aus dem Cunambo und Pintu in der Gegend 
wischen Curaray und Bobonaza. Beide sollen noch einen Tag auf- 
r ärts mit kleinen Dampf booten befahrbar sein. Die gröfsten Nebenflüsse 
ind: Puca-curu von links und Corriente von rechts. Beide sind 
lehrere Tage aufwärts mit dem Dampfboot zu befahren. Der 
Tigre soll viele Windungen machen, sein Gebiet ganz flach sein. Cunam- 
>o und Pintu scheinen von einem ziemlich hohen Bergzuge zu ent- 
springen. 



Bemerkung. 
In der No. 5 dieses Jahrganges der Zeitschrift, Seite 346, erste Zeile, bezieht 
sich „do. do. Britische Karte 361 m" auf „Pafshöhe bei Hysternia 343 m" 
(auf der vorhergehenden Seite). 



Druck von W. Pormetter in Berlin. 



Ii\ 



i 



ff 



Tafel 12. 






76* 






^auxfofiKab MOOOOOO. 



76° 




Autogr.d.geofcrJift '.^r.u.Steindr.v. CLKdltr, Baiin S. 



I 



Verlag von W. H. Kühl, Berlin W, Jägergtr. 73. 

Thessalien und Epiras. 

Reisen und Forschungen im nördlichen Griechenland 

von 

Dr. Alfred Philippson, 

Privatdocent der Geographie an der Universität Bonn. 
Herausgegeben von der 

Gesellschaft fOr Erdkunde zu Berlin. 

(Sonderabdr. a. d. „Ztschr. d. Gesellsch. f. Erdk. z. Berlin", Bd. XXX— XXXII, 1895—1897.) 
XI u. 422, Seiten 8° und acht Tafeln. 
4 Preis 12 MarlL S 



Verlag von W. H. Kühl, Jägerstrasse 73, Berlin W. 



Bibliotheca Geographica 

Herausgegeben von der 

ßesellschaft für Erdkunde zu Berlin. 

Bearbeitet von 

Ott/? BÄhin. 

Band I. Jahrgang 1891 u. iftpV Jfclu.fcp6 S. 8°. Preis M. 10.— 

Band II. Jahrgang i893.^XV^Rfc3Pi 8°. Preis M. 8-—. 

Band LH. Jajte£ang^t>4. XVI u. 40a S. 8°. Preis Bf. 8.— . 




NORDENSKIÖLD 

] o PERIPLÜS. 

\ •• / &N ESSAY, 

ON <THJ5T EARLY HISTORY OF CHARTS AND SAILING-DIRECTIONS 
'• Jt TRANSLATED FROM THE SWEDISH ORIGINAL 

BVfrFRÄlfCIS A. BATHER. 

aog pages Text with 100 Illustraticftis and Maps and 60 Pia t es folio. Repro- 
dutftions of old Mannscript Charts and Maps. Elegant gebunden. Preis M. 200. — 



Aufträge übernimmt W. H^ftjMT 73 J^rstrasse, Berlin W, 



S-s 



*■* 



Verlag von W. H. Kühl. Berlin W. 8., Jägerstrasse 73. 
Bedeutende Preisherabsetzung fflr nachfolgende Werke: 



Die Entdeckung Amerikas 

in ihrer Bedeutung 

für die Geschichte des Weltbildes 

VOR 

Konrad Kretschmer. 



Festsehrift 

der Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin 

zur 

vierhundertjäboigen Feier tier Entdeckung Amerikas. 

Text in Kleinfolio mit 47 1%- XXIII Seiten. 
Atlas in Grossfolio mit 40 Tafeln in Farbendruck. 

Preis beider Bände in Prachtband |M. 45— (statt M. 75.—) 
geheftet M. 36.—. " ' 

drei" karten 

VON 

GERHARD «MERCATOR 

EUROPA - BRltlSCfirfNSELftL-jafELTKARTE 

F a^fgfftilJ^irt^U 1 3 r u c k t 
nach den Originären der StadtB'WHjj^fr'ek zu Breslau 

Herausgegeben 
von der 

Gesellschaft für Erdkunde zu Benüi. * 

41 Tafeln 68:47 cm in eleganter Mappe. 
(statt 60 M\). 30 M.s* 



Mitglieder der Gesellschaft filr Erdkunde erhalten bei Bestellung an* das Gener:. 
Sekretariat obcngon**rMp Warte* zu besonderen^yorzugspreisen. 

■■■■ii^HnHuc^^ - ^ - j • ^~- «— — ^— ^»^— ffMM j MBMMMT . 



Fiir die Redaktion verantwortlich: Hauptmann a. D. K,cl!.ni in Charlottenburg. 



Selbstverlag der Gesellschaft für Erdkunde. 



J Druck von W. PöHnetter in Berlin 



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